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Full text of "Sitzungsberichte"

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SITZUNGSBERICHTE 


DEE  KAISERLICHEN 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHLSCH-HLSTOmSCHE   CLASSE. 


NEUNUNDACHTZIGSTER    BAND. 


WIEN,  1878. 

IN    COMMISSION   BEI   KARL   GEROLD'S    SOHN 

BUCUHÄNOLBU  DEB  KAIS.  AKADEMIE  DEK  WISSENSCHAFT KN. 


SITZUNGSBERICHTE 


DEE 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN  CLASSE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE    DER  WISSENSCHAFTEN. 


NEUNUNDACHTZIGSTER   BAND. 


JAHRGANG  1878.   —   HEFT   I— IL 


WIEN,  1878. 


IN   COxMMISSrON   BEI    KARL   GEROLDS   SOHN 

BDCHHÄNDLEK  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


As 


Prnt'k'  von  Adnlf  Hnlzhaiiscn  in  Wipn 
k.  k.  I'niTrr)iitKti>'Biichdrnrkerei. 


INHALT. 


Seite 

I.  Sitzung:  vom  2.  Jänner  1878 1 

Müller,  Fr.:    Die  Gutturallaute   der  indogermanischen  Sprachen.  .3 
Lorenz:    Ueber    den    Unterschied   von   Reichsstädten    und   Land- 
städten mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Wien 17 

II.  Sitzung"  vom  9.  Jänner   1878 93 

Horawitz:    Analecten    zur    Geschichte    der   Reformation  und    des 

Humanismus  in  Schwaben 95 

III.  Sitzung  vom  16.  Jänner  1878 187 

Bisch  off:  Dritter  Bericht  über  Weisthümer-Forschungen  in  Steier- 
mark        189 

IV.  Sitzung  vom  30.  Jänner  1878 235 

Pfiz maier:  Die  philosophischen  Werke  Chiua's    in  dem  Zeitalter 

der  Thang 237 

Gebauer:  Ueber  die  weichen    e-Silben  im  Altböhmischen    .     .     .  317 

Bauer:  Herodot's  Biographie 391 

Goehlert:  Keltische  Arbeiterbezeichnungen  und  Arbeitzeichen     .  421 

V.  Sitzung  vom  6.  Februar  1«78 427 

Rzach:    Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios      ....  429 

Tl.  Sitzung  vom  13.  Februar  1878 600 

Thaner:    Untersuchungen    und    Mittheilungen    zur    Quellenkunde 

des  canonischen  Rechtes 601 

Muth:   Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibe- 
lungenlieder    633 

VII.   SitzuniT  vom   27.  Februar   1878 673 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE   CLASSE. 


LXXXIX.  BAND.  I.  HEFT. 


JAHRGANG  1878.  —  JANNER. 


Ausgegeben  am  30.  Juli   1878. 


I.  SITZUNG  VOM  2.  JANNER  1878. 


Die  Direction  des  Realgymnasiums  zu  Raudnitz  in  Böhmen 
erstattet  den  Dank  für  die  Ueberlassung  akademischer  Publi- 
cationeu. 

Von  Herrn  Gymnasial  -  Professor  Edwart  Hermann  in 
Wien  wird  die  sechste  Auflage  seines  , Lehrbuches  der  deutschen 
Sprache',  von  dem  c.  M.  Herrn  geh.  Justizrath  Dr.  von  Ihering 
in  Göttingen  der  erste  Band  seines  Werkes:  ,Der  Zweck  im 
Recht',  der  Classe  mit  Begleitschreiben  überreicht. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Friedrich  Müller  legt 
eine  für  die  Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung  unter  dem 
Titel:  ,Die  Guttural-Laute  der  indogermanischen  Sprache'  vor. 


Das  w.  M.  Herr  Ottokar  Lorenz  legt  eine  für  die 
Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung:  ,Ueber  den  Unter- 
schied von  Reichsstädten  und  Landstädten  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung von  Wien'  vor. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Academie  Royale  de  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaux-Arts  de  Belgique: 
Bulletin.    XLVI'=   Annee,   2«    Serie,    Tome    44,   N"^   9    et    10.    Bruxelles, 
■    1877;  8«. 
Akademie  der  Wissenschaften,  Königliche  zu  Berlin:  Abhandlungen  aus  dem 
Jahre   1876.  Berlin,   1877;  gr.  4».  —    Beitrag  zur  griechisclien  Gewichts- 
kunde;   XXVII.    Programm  zum  Winckelmannsfcste   der    archäologischen 
Sitzungsber.  d.  phil  -hist.  Ol.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  1 


Gesellschaft  zu  Berlin  von  Dr.  Scli  illbach.  Berlin,   1877;  4".   —  lieber 

die  Benützung  der  aristotelischen  Metaphysik  in  den  Schriften  der  älteren 

Peripatetikcr  von  Eduard  Zell  er.  Berlin,   1877;  4". 
Alterthums-Ver ein    zu    Wien:    Bericiite    und  Mittheilungen.    Band    XVII. 

(1.  Hälfte.)  Wien,   1877;  gr.  4». 
Central-Comm  ission,    k.  k.,    zur  Erforschung   und    Erhaltung  der  Kunst- 

und  historisclion  Denkmale:    Mittheilungen.  III.  Band.  4.  (Schluss)  Heft. 

Wien,   1877;  4«. 
Gesellschaft  für  Salzburger  Lande.skunde :  Mittheilungen.  XVII.  Vercinsjahr 

1877.    1.  Heft.  Salzburg;  8«. 
Hermann,   Edwart:  Lehrbuch  der  deutschen  Sprache.  Wien,   1878;  8^ 
Ihering,  Rudolph  von:  Der  Zweck  im  Recht.  I.  Band.  Leipzig,  1877;  gr.  8". 
Mainwaring,  G.  B.  Colonel:  A  Grammar  of  the  Rong  (Lepcha)  Language. 

Calcutta,  187G;  4". 
jRevue    politique    et    litteraire'    et    ,Revue    scientifiquc   de   la   France   et   de 

l'Etranger'.  VIP  Annee,  '2*  Serie,  N°»    25  et  26.  Paris,   1877;  4». 
Verein,    historischer  der   fünf  Orte  Luzern,    Uri,    Schwyz,   Untervvalden   und 

Zug:  Mittheilungen.    Der  Geschichtsfreund.    Einsiedeln,    New    York,    Cin- 

cinnati  und  St.  Louis,  1877;  80.  —  Register  oder  Verzeiclinisse  zu  Band  XXI 

bis  und  mit  XXX  des  Geschichtsfreundes  von  Josef  Leopold  Brandstetter. 

Einsiedeln,  New  York,  Cincinnati  und  .St.  Louis,  1877;  8'\ 

—  für  Hamburgische  Geschichte:    Mittheilungen.    Nr.    1 — .3.    Hamburg;    12". 

—  für   Meklenburgische    Geschichte   und  Alterthumskunde:    Jahrbücher   und 
Jahresbericht.  XLII.  Jahrgang.  Schwerin,   1877;  8", 


Müller.     Die  Gntlural-Ijautc  der  iDclogerraanisclien  Sprachen 


Die  Guttural-Laute  der  iudogermanisclien  Spracheu. 


Von 

Dr.  Friedrich  Müller, 

Professor  an   iler   Wiener  Universität. 


I 


Den  Gegenstand  der  vorlieg-euden  Abhandlung  bildet  die 
Unterscheidung  einer  doppelten  Guttural-Reihe  in  den  indo- 
germanischen Sprachen,  eine  Entdeckung,  die  zuerst  von  Ascoli 
in  seinen  bekannten  Vorlesungen  veröffentlicht  und  später  von 
Fick  und  anderen  Forschern  weiter  ausgeführt  worden  ist. 

Wir  behandeln  diese  Frage  in  dem  vorliegenden  Aufsatze 
deswegen,  weil  wir  einerseits  in  manchen  wesentlichen  Punkten 
von  diesen  Gelehrten  abweichen  und  andererseits  eine  zusammen- 
fassende Darstellung  der  ganzen  Frage  uns  wünschenswerth 
erscheint. 

Wir  nehmen  an, '  die  indogermanische  Grundsprache  habe 
zwei  Reihen  von  Guttural-Lauten   besessen,    die  wir    kurzweg 


'  In  Betreft'  des  Verhältnisses  von  Je,  g,  r/'h  zu  k,  (j,  r/h  sind  zwei  An- 
nahmen möglich.  Entweder  hat  sich  die  eine  Reihe  k,  g,  gh  in  jenen 
Spraclien,  die  beide  Reihen  unterscheiden,  zu  k,  g,  gh  und  Ic,  g,  gh 
gespalten,  oder  beide  Reihen  sind  schon  in  der  Grundsprache  bereits 
vorhanden  gewesen.  Die  erste  Annahme  schliesst  als  zweite  Annahme 
in  sicli,  dass  Arisch  und  Letto-Slavisch  vor  ihrer  Spaltung  eine  engere 
Einheit  gebildet  haben  müssen,  aus  welcher  sie  die  Keime  für  die  Spaltung 
der  einen  Reihe  in  zwei  mitgebraclit  haben.  Damit  bleibt  aber  das  Ver- 
halten der  übrigen  Sprachen  gegenüber  den  beiden  Guttural-Reihen 
schlechtei'dings  unerklärt.  Dagegen  erledigen  sich  mit  der  zweiten  An- 
nahme alle  Schwierigkeiten  auf  eine  natürliche  Weise.  Uebrigens  müssen 
diejenigen,  welche  blos  eine  Reihe  annehmen  und  diese  später  in  zwei 
Reihen  sich  spalten  lassen,  folgerichtig  auch  zur  Annahme  sich  bequemen, 
dass  die  indogermanische  Grundsprache  blos  die  Reihe  der  tönenden 
Momentan-Laute  besessen  habe  und  die  Entwicklung  derselben  zu  Aspiraten 
fgh,  dh,  hlt)  in  jenen  Sprachen,  welche  diese  Laute  besitzen  oder  einmal 
besessen  haben  (Altindiscli,  Armenisch,  Griechisch,  Lateinisch,  Germanisch) 
durch  Spaltung  sich  vollzogen  habe. 

1* 


Müller. 


vordere  und  hintere  Gutturale  nennen.  Das  Verhältniss  beider 
zu  einander  war  ein  ähnliches  wie  in  den  semitischen  Sprachen 
zwischen  2,  r\,  N  und  p,  n,  v-  Im  Sprachbewusstsein  war  k 
(hinterer  Guttural)  von  A'  (vorderer  Guttural),  g  von  g  nicht 
minder  scharf  geschieden  wie  g  von  gli,  d  von  dh  und 
h   von   hh. 

Wir  nehmen  also  für  die  indog-ei-manische  Grundsprache  an: 
k  g  gk 

U  g  gh. 

Gleichwie  die  Laute  gh,  dh,  hh,  deren  Existenz  in  die 
Periode  der  Grundsprache  unzweifelhaft  fällt,  nicht  von  allen 
indogermanischen  Sprachen  festgehalten  wurden  (sie  kommen 
nur  vor  im  Indischen ,  Griechischen  und  lassen  sich  noch 
herausfühlen  im  Germanischen  und  Lateinischen,  dagegen  fehlen 
sie  ganz  im  Eranischen,  Keltischen,  Slavo-Lettischen),  ebenso 
wurde  auch  der  Unterschied  zwischen  vorderem  und  hinterem 
Guttural  nicht  in  allen  indogermanischen  Sprachen  unversehrt 
bewahrt.  Es  behielten  ihn  bei  das  Indische,  Eranische  und 
Letto-Slavische,  während  die  übrigen  Sprachen  ihn  verloren, 
jedoch  nicht  so  ganz  spurlos,  dass  alle  Anzeichen  seines  ehe- 
maligen Vorhandenseins  verwischt  worden  wären.  • 

Das  hauptsächlichste  Merkmal,  wodurch  die  beiden  Guttural- 
Reihen  von  einander  sich  unterscheiden,  ist  der  Umstand,  dass 
dort,  wo  der  Unterschied  beider  Reihen  existirt,  der  vordere 
Guttural  frühzeitig  der  Quetschung  (Palatalisirung)  anheimfällt, 
während  der  hintere  Guttural  entweder  der  Quetschung  länger 
widersteht  oder  ganz  unversehrt  bleibt.  Dort  wo  der  Unterschied 
beider  Reihen  nicht  mehr  existirt,  zeigt  der  hintere  Guttural 
dem  vorderen,  gegenüber  in  der  Regel  eine  kräftigere  Articulation 
durch  ein  hinter  dem  Laute  auftretendes  parasitisches  v. 

Nach  dieser  Bemerkung  hätten  wir  aus  den  Lauten 

k  g  gh 


'  Gleichwie  aus  dorn  Uinstaude,  dass  bloss  Altindiscli  und  Griecliisch  die 
tönenden  Asjjiraten  ///*,  dh,  hh  bewahren,  wäJu'end  die  übrigen  indo- 
germanisclien  Sprachen  sie  aufgegeben  liaben,  kein  Beweis  für  die  engere 
Verwandtschaft  zwischen  Altindisch  und  Griechisch  hergeholt  wird,  darf 
auch  daraus,  dass  Indiscli,  Eraniscli  und  Letto-Slaviscli  an  dem  Unter- 
schiede von  vorderem  .und  liintereni  Guttural  festhalten,  nicht  auf  eine 
engere  Zusaimneugehörigkeit  beider  Sprachzweige  geschlossen  werden. 


Die  Guttnral-Lante  der  indogermanischen  Sprachen.  O 

durch  den  Process  der  Palatalisirung  die  Laute 

f^  dz  dzli  ' 

zu  erwarten.  Auf  diesen  Tliatbestand  deutet  wirklich  auch  das 
xlltindische  hin  mit  seinen  diesen  aug-enommenen  Lauten  parallelen 
Lautentsprechuug-en. 

Das  altiudische  ^  welches  das  g-rundsprachlichc  />:  rcflectirt, 
ist  wohl  nicht  mehr  ts  sondern  blosses  s  (mit  Aufgebung  des 
explosiven  Bestandtheiles  des  Consonanten-Diphthongs  ts),  aber 
es  sind  Spuren  vorhanden  dass  "^  ehemals  ts  gelautet  haben 
muss.  Der  Stamm  |c(i^|  {ins — )  , Niederlassung,  Wohnung'  dann 

auch  , Gemeinde,  Stamm',  identisch  mit  der  Wurzel  vis  , eingehen' 
(davon  ves-a —  =  gi-iech.  Hv/,-o-q),  zeigt  im  Local  des  Plural 
vikm  (vik-su)  noch  das  alte  Je,  während  der  Nominativ  Sing. 
\d{^    {vif)    nur    aus    vits-s,    der    Instrumental    Plur.    \c\ ^\^', 

(vid-hliis)  nur  aus  vits-hliis  erklärt  werden  können,  also  noth- 
wendig  neben  dem  ursprünglichen  vili,  ein  daraus  entsprungenes 
i-its  voraussetzen.  Ebenso  ist  T^S'^T?x  {yit-mdra — )  aus  vits- 
sädra —  hervorgegangen.  Die  Erhaltung  des  explosiven  Bestand- 
theiles des  Consonanteu-Diphthonges  ts  (im  Indischen  richtiger  ts) 
ist  aber  im  Indischen  selten  und  die  Lautgruppe  ts  ist  frühzeitig 
durch  Aufgeben  des  explosiven  Bestandtheiles  in  den  Zischlaut  s 
(indisch  ^)  übergegangen.  2 


'  Ich  halte  die  Palatalen  für  Consonanten-Diphthouge  (Doppellaute),  dereu 
Ansatz  ein  Dental,  deren  Aiislauf  ein  Zischlaut  bildet.  Das  zweite  Element 
(.V,  z)  ist  einfach,  nicht  zusammengesetzt,  wie  man  oft  irrthümlich  glaubt. 
Die  beste  Probe  über  den  einfachen  oder  zusammengesetzten  Charakter 
eines  Lautes  gibt  die  Aussprache  selbst.  Wären  c,  y  momentane  Laute 
gleich  2^  und  b  (Ascoli,  Vorlesungen  164),  so  könnte  man  sie  unmöglich 
verlängern;  tliut  man  dies  aber,  so  sieht  man  bald,  dass  nach  Aussi)rache 
des  ersten  momentanen  Bestandtheils  blos  der  zweite  ßestandtheil  (der 
Dauerlaut)  einer  Verlängerung  fähig  ist.  Man  spricht  dann  t-sss,  d-xzz  u.  s.w. 
Wäre  andererseits  f  zusammengesetzt  (=  s  +  h),  so  könnte  man  blos 
den  zweiten  ßestandtheil  h,  nicht  aber  das  ganze  v  verlängern,  was,  wie 
Jedermann  weiss,  der  Fall  ist. 

-  Die  Aussprache  dieses  s  (s)  schmolz  mit  der  späteren  Aussprache  des  .y 
(Cf)  zusammen,  so  dass  nicht  nur  C|  das  I^  ersetzte  (z.  B.  tlr.ffn-  =  dri-tu), 
sondern  auch  Cf  durch  ^J  und  den  hinter  diesem  steckenden  älteren 
Laut  vcrtretexi  wurde.  Die  Form  dveksi  =r  dvc-s-si  lässt  sich  nur  durch 
das  Uebergreifen  des  i^  in  das  Gebiet  des  Gf  genügend  erklären,  ebenso 
geht  dvit-su  (Loc.  plur.  von  dviy)  auf  dvüs-nu  zurück,  welches  nur  von 
dvii  (dvitS)  aus  begrifl'en    werden  kann,    dadhr«  ,fest'  (von  dln/it  =  &ap<s — ) 


6  M  alle  r. 

In  den  eninischen  Sprachen  ist  eine  Assimilation  des 
zweiten  Bestandtheiles  i  an  den  ersten  Bestandtheil  t  eingetreten, 
wodurch  aus  ts  =  ts  entstand,  '  Nach  der  gleichwie  im  Indi- 
schen vor  sich  geg-angenen  Vertlüchtigung  des  explosiven  Ele- 
mentes t,  ging  aus  dem  Doppellaute  ts  der  einfache  Laut  s 
(altbaktr.  *>)  hervor.  Darnach  ist  eränisches  •"  nicht  direct  auf 
altindisches  ![]"  zu  beziehen;  beide  erklären  sich  nur,  wenn  man 
auf  den  beiden  zu  Grunde  liegenden,  ursprünglichen  Laut  ts 
zurückgeht. 

In  demselben  Verlmltniss  wie  altiudisches  "^J  zu  altbaktri- 
scliem  ■"  steht  litauisches  .sz  (.y)  zu  altslavischem  s,  deren  Ent- 
stehung mithin  auf  ganz  gleiche  Weise  zu  deuten  ist. 

Gleichwie  nun  aus  Je  successive  ts  und  5  sich  entwickelt 
haben,  muss  aus  ()  zunächst  dz,  dann  endlich  z  hervor-, 
gegangen  sein. 

Dabei  zeigt  aich  ein  wesentlicher  Unterschied  der  Ent- 
wicklung des  ij  von  jener  des  U  auf  altindischem  Gebiete. 

Wir  haben  gesehen,  dass  bei  /J  neben  A;  der  Laut  s  den 
regelmässigen  Vertreter  desselben  bildet  und  von  der  Mittel- 
stufe ts  sich  blos  einzelne  Spuren  nachweisen  lassen.  Bei  (j 
dagegen  können  wir  neben  ij  blos  dz  nachweisen,  dagegen  gar 
keinen  Beweis  für  die  Existenz  des  durch  s  als  dessen  Tönende 
geforderten  z  erbringen.  "^  —  Anzunehmen  dass  in  jj  zwei  Laute 
stecken,  nämlich  dz  und  z  blos  zu  dem  Zwecke,  um  die  Existenz 
des  durch  das  s  geforderten  z  zu  retten,  scheint  uns  sehr 
misslich,  da  die  Sprache,  wenn  sie  ein  i  besessen  hätte,  es 
gewiss  in  der  Schrift  unterschieden  haben  würde  und  auch 
den  Grammatikern  die  Zusammengehörigkeit  dieses  z  mit  s 
gewiss  nicht  entgangen  wäi'e. 

Vergleicht  man  altind.  1^  mit  jf,  so  sieht  man,  dass  ^ 
vor    allen    vocalischen,    halbvocalischen    und    nasalen    Sufüxeu 


bildet  Nom.  siiijj.  dadhrlc,  Itistruiu.  plur.  dadhryhlds,  Loeat.  plur.  dadhrhm, 
welihc  Formen  blos  von  dadhr.si  (:^  dadhrlc)  aus  erklärt  werden  können. 

'  Vyl.   weiter  unten  das  über  das  armenische  a  Bemerkte. 

'*  oisva-srij  ,das  All  crscbart'eud'  von  srg  {mry  part.  pfcti.  pass.  ursla  - ,  altbaktr. 
harez)  lautet  im  Nom.  singul.  neben  cUca-syk  auch  visva-sH  (—  cisoa-srdz-.s), 
Instriim.  plur.  vi-wa-ard-bkii  (^  viifva-urdz-bhh),  Locat.  plur.  vi<ua-.'<r/-xic 
(=  vifvu-.srilz-sii),  welche  Formen  nur  von  vi<va-.\rd.z —  aus,  nicht  aber 
von  lisva-sj-z-  aus  bcgritieu  werden  können. 


Die  Guttural-Laute  der  indogermanischen  Sprachen.  7 

immer  s  bleibt,  während  bei  ^  manchmal  ein  (j  an  dessen  Stelle 
tritt.  Dies  führt  zu  dem  Schlüsse,  dass  bei  Tc  der  Palatalisi- 
rung-s-Process  früher  um  sich  griff  als  bei  </',  dass  es  also  ganz 
natürlich  ist,  wenn  wir  gegenüber  U,  wo  die  Phase  U  blos  in 
einzelnen  Spuren  existirt,  bei  <j  die  Phase  dz,  noch  in  voller 
Blüte  antreffen. 

Merkwürdig  ist  es,  dass  die  übrigen  indogermanischen 
Sprachen,  welche  <j  von  (j  scheiden,  von  ß  bereits  die  dritte 
Phase  darbieten,  nämlich  altbaktr.  z  (Tönende  zu  s),  litauisch  z 
(Tönende  zu  sz),  altslavisch  z  (Tönende  zu  s). 

Wir  gelangen  nun  zu  (jli.  Gleichwie  für  </  =  jj,  müssen 
wir  im  Indischen  für  (jh  =  ^  (dzh)  erwarten.  Und  so  ist  auch 
der  Sachverhalt. 

Freilich  erscheint  dieses  dzh  nicht  als  bestimmter  Laut 
gleich  dem  s  und  dz,  da  dort,  wo  er  sich  hätte  halten  können, 
durch  Umsichgreifen  der  Aspiration  (wie  bei  gh,  dh,  bh)  der 
ganze  explosive  Bestandtheil  verloren  ging,  wir  also  an  seiner 
Stelle  ein  h  antreffen.  ^  Es  ward  also  aus  lijh  durch  lidzh  hin- 
durch Uli  (altind.  Tc^T^)-  Es  gibt  aber  Fälle,  durch  welche  die 
Pjxistenz  von  lidzh  im  Altindischen  verbürgt  ist.  Ein  solcher 
Fall  ist  das  Participium  perfecti  pass.,  g-ebildet  mittelst  des 
Suffixes  — ta.  Gleichwie  aus  dugh-ta —  durch  retrograde  Assimila- 
tion (in  den  indogermanischen  Sprachen  einer  der  seltenen  Fälle) 
dii(jh-dha —  und  dann  dug-dha —  ward,  ebenso  ward  aus  lidzh- 
ta —  zunächst  lidzh-dha — ,  dann  lid-dha — ,  daraus  endlich  durch 
Aufhebung  der  Consonanten- Verdoppelung  und  vocalische  Er- 
^atzdehnung  lidha — .  Dass  wir  hier  die  Mittelform  lidzh  noth- 
wendig  annehmen  müssen  und  mit  lizh  nicht  auskommen,  wenn 
auch  letzteres  durch  ^  und  litauisches  i,  altbaktr.  z  postulirt 
wird,  beweisen  neben  lldha —  auch  noch  Tc^lyT  (Uf)  =  lidzh-a, 
Tc^T3PT'  {lid-hhis)  u.  s.  w.  in  denen  überall  der  explosive  Be- 
standtheil d  der  Lautgruppe  dzh  steckt,  abgesehen  davon,  dass 
aus  lizh-ta—  im  Altindischen  nicht  l'edha — ,  sondern  listu —  (Tc^T^) 
hätte  werden  müssfeu. 

Gleichwie  bei  g  im  Altbaktrischen,   Litauischen  und  Sla-. 
vischen  bereits  die  dritte  Phase  .S,    z  uns  entgegengetreten  ist. 


'  Altiiidisclies  ^  vertritt  also  yh,  gh,  dh  (ijudh,  riidh),  dh  [nadh),  bh  {(jrhh), 
d.  1).  sämmtliche  fünf  tönende  Aspiraten. 


8 


Müller. 


ebenso  müssen  wir  auch  bei  {jh  ein  Gleiches  erwarten.  Da  aber 
diese  Sprachen  durch  Aufgeben  der  tönenden  Aspiraten  (<//?,  dh, 
bh)  diese  von  den  Momentan-Lauten  (g,  d,  h)  nicht  scheiden, 
ist  auch  ein  Unterschied  zwischen  zh,  zh  und  2,  z  nicht  vor- 
handen, mithin  beide  in  den  letzteren  {z,  z)  zusammengefallen. 

Nach  diesen  Bemerkungen  stellt  sich  die  Entwicklung  der 
vorderen  Gutturalen  in  jenen  Sprachen,  welche  den  Unterschied 
der  beiden  Reihen  festgehalten  haben,  folgendermassen  heraus: 

Grundsprache         U  g  gh 

tS  dz  dzli 

^  (^)      ^?^)  ^  {dzh)       ^  {h) 

"  (.)  ^  (z) 

sz  z 


Altindisch 


Altbaktrisch 

Litauisch 

Altslavisch 


Beispiele: 

Grundsprache 
Uanta —  ,ht 
daJcan — 
dalcan-ti — 
Ulu  , hören' 


a1i,va —  , Pferd'  aioa- 


tc 

le 

Altind. 

Altbaktr. 

Litamsch 

Altslavisch 

mdert' 

sata — 

sata — 

szimta-s 

süto 

,zchn' 

damn — 

dasan — 

deszim-ti-s 

dese-tt 

sru 

sru 

slu 

sloves — 
Nom.  slovo 

aspa 


—         aszva- 


Grundsprache  Altiud. 

gna  , erkennen'  gnä 

marg  , streichen'        marg 


Gruudspraclie  Altiud. 

vogli  , führen'  vah 

i'jhima — - 
ghaiina — 

inigh  ,  Wasser  lassen'  )nih 
ligh  , lecken*  Uli 


V 

Altbaktr. 


zan,  zna 
marez 


fjh 

Altbaktr. 
vaz 


, Winter'    hima —    zima — 


Litauisch 
zin-oti 
melz-u 
milz-ti 


Litauisch 
* 


vez-u 


zema 


Altslavisch 

zna-ti 
mlüz-o 


Altslavisch. 

vez-ö 
zima 


miz  mtjz-ti  — 

armen.  Uz     lez-ti  liz-ati 


Die  Gnttoral-Lante  der  indogermanischen  Sprachen.  9 

Wir  haben  oben  den  Palatalisirungs  -  Process  als  den 
wesentlichsten  Unterschied  zwischen  den  vorderen  und  hinteren 
Gutturalen  bezeichnet,  auf  dessen  frühzeitigem  Umsichgreifen 
in  den  ersteren  die  Entwicklung  derselben  in  jenen  Sprachen, 
die  den  Unterschied  beider  Reihen  kennen,  beruht.  —  Dieser 
Palatalisirungs  -  Process  ist  aber  diesen  Lauten  nicht  derart 
eigen thümlich,  dass  die  hinteren  Gutturalen  von  ihm  ganz 
ausgeschlossen  wären;  im  Gegentheile,  er  findet  sich  in  ein- 
zelnen der  hierhergehörenden  Sprachen  auch  bei  diesen,  er  ist 
aber  dort  viel  später  und  durch  Analogie  mit  den  vorderen 
Gutturalen  gebildet.  Er  fällt  in  die  Periode  des  Sonder-Lebens 
der  einzelnen  Sprachzweige. 

Von  den  Sprachen,  welche  die  beiden  Guttural-Reihen 
scheiden,  haben  die  slavo-lettischen  k,  g,  gh  gegenüber  /c,  g,  gh 
als  reine  Gutturale  bewahrt  (erst  später  hat  das  Slavische 
aus  k,  g,  gh  die  Palatalen  ts,  z  u.  s.  w.  entwickelt),  während 
das  Indisch-Eränische  k^  g,  gh  in  die  Analogie  von  Je,  g,  gh 
hinübergeführt  hat,  mit  dem  bemerkenswerthen  Unterschiede, 
dass  es  bei  k'  über  die  zweite  Phase  ts  (mit  Ausnahme  einzelner 
Fälle)  nicht  hinausgekommen  ist  und  auch  bei  g,  gh  (im  Eräni- 
schen)  die  Entwicklung  nicht  bis  zu  z,  sondern  blos  bis  zu  dz, 
z  foi'tsetzen  konnte. 

Daher  entspricht  im  Letto  -  Slavischen  altem  k  durch- 
gehends  k  (Litauisch  k,  Slavisch  Ä;,  ts,  ts),  altem  g  und  gh 
durchgehends  g  (Litauisch  g,  Slavisch  g,  z). 

i  Im  Altindischen    tritt   altes   k  uns  als  k,    kh,  ts  (^)  ent- 

gegen, altes  //  als  g,  dz  (jj)  und  altes  gh  als  gh,  h  (I^).  Der 
Palatalisirungs-Process  hat  also  hier  blos  k  und  g  ergriö'en, 
und  gh  unberührt  gelassen.  Dnss  nun  die  Palatalisirung  in  ^ 
viel  jünger  ist  als  in  *^J,  ersieht  man,  abgesehen  von  den 
Lauten  ts  und  s  selbst,  von  denen  der  zweite  sich  nur  als 
Entwicklung  des  ersten,  nicht  aber  umgekehrt  begreifen  lässt, 
aus  dem  Umstände,  dass  vor  gewissen  Lauten,  z.  B.  den  Den- 
talen, bei  ^  noch  das  hinter  demselben  steckende  k  erscheint 
z.  B.  pac —  bildet  iJak-tar — ,  ijuk-ti — ,  pak-tavya —  u.  s.  w., 
während  bei  I^  von  diesem  k  keine  Spur  mehr  vorhanden  ist 
z.  B,  dars —  bildet  drs-ta —  (=  drs-fa — ),  drastum  (=  dras- 
tum)  u.  b.  w. 


10  Müller. 

In  Betreff  des  g  und  7  ist  zwar  zwischen  ^  =  7  und 
5J  =  ^  liiutlich  kein  Unterscliicd  wahrzunehmen,  indem  beide 
=  dz  sind,  aber  vor  folgenden  Dentalen  tritt  eben  dasselbe 
Verhältniss  hervor,  welches  wir  oben  zwischen  is  und  s  wahr- 
genommen haben,  d.  h.  jj  =  (/  erscheint  als  <j,  jj  =  {j  da- 
i>-egcn  als  dz,  respective  nach  nothwendigem  Ausfall  des  d  als  z. 
Es  bildet  also  ymj  das  Participium  perfecti  passivi  mittelst  des 
Suffixes  -~ta  =  yuk-ta —  (=  yiuj-ta — ),  dagegen  ycnj  ==  is-ta — 
(=  yadz-ta — ),  sri'i  =  srii-ta —  (=  sardz-ta — ),  mrg  =  mrs-ta — 
(=:  mardz-ta — ). 

Ganz  dasselbe  Verhältniss  wie  zwischen  g  und  g  waltet 
auch  ob  zwischen  gh  und  gh,  nur  dass  hier  vor  den  Dentalen 
in  Folge  einer  anderen  Analogie-Bildung  (die  auf  der  retro- 
graden Assimilation  beruht)  eine  andere  Behandlung  der  Laute 
Platz  gegriffen  hat.  Von  duh —  (=  dugh)  bildet  man  dug-dha — 
(=:  dugh-dka  =^  dugli-fa),  nicht  dhuJc-ta —  (=  dhugh-ta,  da  duh 
ursprünglich  dhugh  gelautet  hat),  ebenso  von  lih  (=  lig/i)  = 
lldha —  (=  liddha  ;=  lid{zh)-ta)  nicht  lista  (=  lidzh-ta).  Wäre 
nicht,  um  den  Charakter  der  Aspirata  am  Ende  der  Wurzel  zu 
retten,  die  auf  retrograder  Assimilation  beruhende  Verwandlung 
der  Laute  eingetreten,  so  hätte  man  von  ligh  unfehlbar  lista — 
[=  lidzh-ta — -)  bilden  müssen,  in  derselben  Weise,  wie  man 
von  yag —  =  ista —  (=  yadz-ta)  gebildet  hat. 

Das  Altbaktrische  stellt  sich  in  der  Behandlung  der  Laute 
k,  g.,  gh  dem  Altindischen  vielfach  zur  Seite.  Gleich  demselben 
bietet  es  für  k  neben  k,  y  auch  ts  (altbaktr.  («  =^  altind.  ^), 
für  g,  gh  neben  g,  7  auch  dz  (altbaktr.  ö^=  altind.  J[),  und 
für  g  und  gh  =  z  («^).  Es  ward  also  im  Altbaktrischen  auch  gh 
von  dem  Processe  der  Palatalisirung  ergriffen,  während  gh  im 
Altindischeu  unversehrt  geblieben  ist.  Dass  aber  dieser  Process 
in  gh  bedeutend  jünger  ist  als  in  gh,  dies  beweisen,  abgesehen 
von  der  Behandlung  der  beiden  Laute  vor  Dentalen  (yaz —  = 
altind.  yag  bildet:  yasfa — ,  dagegen  druz  =  altind.  drnh  bildet: 
drur/Ja  )  diese  Laute  selbst,  indem  z  =  gh  auf  dz  beruht, 
das  sich  erst  aus  dz  entwickelt  hat,  während  z  =  gh  auf  dz 
unmittelbar  zurückgeht.  Das  Altpersische  (die  Sprache  der 
achänuinidischen  Keilinschriften)  scheidet  g  von  gh  nicht  und 
lässt  beide  Laute  in. dz  zusammenfallen  (vgl.  altpers.  durndz — 
=  altbaktr.  druz — ,    davon    dunr/la —   =    altbaktr.  dru/Ja — ). 


Die  Guttural-Laute  der  indogermanischen  Sprachen. 


11 


Nach  diesen  Bemerkungen  stellt  sich  die  Entwicklung  der 
hinteren  Gutturalen  in  jenen  indogermanischen  Sprachen,  welche 
an  dem  Unterschiede  der  beiden  Lautreihen  festgehalten  haben, 
folgendermassen  heraus: 

k 

k 
k 

fCy    ZSj    ts 

k,  ts 
k,  kh,  ts 


Grundsprache 


I. 


IL 


Letto-Slavisch 

a)  Litauisch 

b)  Slavisch 
Indo-Eränisch 

a)  Indisch 

b)  Eranisch 


k,  X,  ts 


1.  West-Eranisch  Ä;^  ■/,  ts 

2.  Ost-Eränisch    k,  /,  ts 


9_ 

0 

9 

9> 

z 

</; 

dz 

ü^ 

dz 

0, 

'{, 

dz 

0> 

T» 

dz 

gh 


gh,  h 


fj>  T, 


dz 


Beispiele: 


I 


k 

Grundsprache 

Altind. 

Altbaktr. 

Litauisch    Altslavisch 

katvar —  ,vier' 

catvar — 

cathioar — 

kettiri —  cetyri — 

pak  , kochen' 

jycic 

■pac 

—        pek-Ö 

iak  ,laufen' 

tac 

tac 

tek-u         tek-ö 

pankan —  ,fünf' 

Ijcmcan — 

pancan — 

penki —    peti  (=^  penkti) 

varka —  ,Wolf' 

vrka — 

velirka — 
9 

vilka-s      vlukü 

Grundsprache 

Altind. 

Altbaktr. 

Litauisch      Altslavisch 

giv  , leben' 

glv 

giv 

gyva-s       zivü  ■ —  givü 

Kg  , kräftig  sein' 

, 

aöganh- 

aug-as  ,Kraft' 

ögas — 

-    aug-u                — 

gara—    '        ^ 

giri 

gairi — 

gire           gora 
(Wald) 

gug  , verbinden' 

y^'9 

yug 
gh 

junga-s       igo—jügo 

Grundsprache 

Altind. 

Altbaktr. 

Tiitauisch    Altslavisch 

anghi —  ,Schlang 

e'    ahi — 

azi — 

angi-s      *dgrt 
ungurgs  ögoristi ' 

'  ogoriM,  ein  Deminutiv  von  dem  im  Altslavischen  nicht  belegjten,  aber  in 
den  neueren  slavischen  Sprachen  vorkommenden  Worte,  gebildet  mittelst 
des  Suftixes  — inli/a. 


12  Müller. 

Grundsprache  Altiiid.  Altbaktr.         LitauiscL    Altslavisch 

raghu —  , leicht'        laglnt —       arm.  erafj    lengvas    Itguku 
dargha —  ,lang'         dirgha —      daregha —    ilgas=    dlügü 

dilgas 
sn/^/i, zerschmolzen,  unih  sniz  sn'dga-s    snegü 

schneien' 
dagh  , verbrennen'     dah  daz  deg-ti         — 

Was  nun  die  übrigen  indogermanischen  Sprachen  anbelangt, 
welche  den  Unterschied  zwischen  den  beiden  Reihen  U,  g,  <jh 
und  k,  g,  gh  eiugebüsst  haben,  so  bewahren  sie  ihn  dennoch 
in  einzelnen  Fällen,  welche  in  der  verschiedenen  Behandlung 
eines  Lautes  sich  offenbaren.  Dahin  ist  besonders  das  para- 
sitische Hervortreten  des  Lautes  u  nach  k,  g,  gh  zu  rechnen, 
der  dem  vorangehenden  Laute  sich  assimilirt  und  ihn  nach  und 
nach  ganz  verdrängt,  so  dass  für  k  dann  p  (=:  kp  =  kv),  für 
gh  =  V  (=  ghv)  erscheinen.  In  höchst  seltenen  Fällen  (blos 
im  Griechischen)  erscheint  k  von  der  Palatalisirung  ergriffen 
und    als    erstes  Element    des    lingualen  Produktes    dann    lixirt. 

So  wird  die  indogermanische  Wurzel  ki  auf  griechischem 
Boden  zu  t^i,  woraus  durch  die  Mittelformeu  tsi,  tti  (vgl.  \}£K<.xxy. 
=  [j.£A'.TCÄ  =  \).i'kr.m)  die  griechische  Wurzel  ■:'.  hervorgeht. 

Von  allen  diesen  Afiectionen  bleiben  k,  g,  gh  unberührt 
und  erscheinen  als  k,  g,  gh  oder  als  deren  in  den  einzelnen 
Sprachen  zu  erwartende  Entwicklungen  wieder. 

Es  gestaltet  sich  demnach  die  Entsprechung  der  beiden 
Reihen  im  Griechischen,  Lateinischen,  Keltischen  und  Gotischen 
folgendermassen : 

L  Grundsprache  Je  g  gh 

a)  Griechisch  y-  T  X 

b)  Lateinisch  k  (c,  qn)  g  g,  h 

c)  Keltisch  c,  ch  g 

d)  Gotisch  h  (d.  i.  y)  k  g 
IL   Grundsprache  Ä;  g  gh 

a)  Griechisch  •/.,  ■::,  t      y»  h     /,  ?  (s.  seit.)  ,9^  (s.  seit.) 

b)  Lateinisch  k,(c,qti)  g  g,  f 

Umbiiöch,  Oskisch  auch  p 

c)  Keltisch  c,  ch  q 

Bretonisch  auch  jj 

d)  Gotisch  h,  f  k  g,   u 


Die  Guttaral-Tiante  der  indogermanischen  Sprachen. 


13 


Beispiele; 


U 


Grundsprache  Altind.     Griechisch  Lateinisch  Gotisch 

Uanta —  jhunderf    sata —     s-y.axöv      centiim.     htmda—  (in  Comp.) 

'hiJian —  ^zehn'         dasan —  oiy.a  decem        tailiun — 


lihi  jliüren' 

sru 

y.A'j 

du            hin 

idlva —  ,Pferd' 

asva — 

ITTKO-q 

equus        alts.  ehu 

dili   jzeigen' 

di§ 

Bix 

9 

g 

die            teihan 

Grundsprache 

Altind. 

Griechisch 

Lateinisch     Gotisch 

gna  ,kennen' 

gnä 

Yvo) 

gno             kan 

i-arg  , arbeiten'      altb.t-arfe  FepY-ov 


vaurkjan 


g'h 


Grundsprache 

vaäh  .führen,  in  , 

Bewegung  setzen' 
rifjh  , lecken'  lih 


Altind.       Griechisch     Lateinisch     Gotiscli 

fiyoq  veho  ga-vag-jan 

Xetytö  lingo  hi-laig-on 


k 

Grundspraclie  Altind.       Griechisch 

hatvar —  ,vier'  caivar-    TST-capec  xccjapec 

r.ii-aptz  (höof.) 
TJ.G-jpzq  (aeol.) 
jianknn —  ,fünf '  pancan-  tsvt£ 
vdvka —  jWolf  vrka —     Au7.o?? 


Lateinisch     Gotiscli 
quatuor     ßdvor 


Grundsprache  Altind. 

giv  , leben'  glv 

yug  ^verbinden'  yng 

garii  , schwer'  giirii- 

garhha , Leibesfrucht*  garhlia    ßpesot; 


quinque     fimf 

—          vulfs 

g 

Griechisch 

Lateinisch 

Gotisch 

ß(oc 

vivus 

quius 

Cuyov 

jugum 

juk 

ßap'j? 

gravis 

kaurs 

ßpeoot; 

kalbü 

ffJl 


Grundsprache  Altind. 

snigh  , zerschmelzen, 


seh 


neien' 


snih 


Griechisch     Lateiniscli      Gotisch 

snaiv-s 


V'.O 


mg— 
niv-is 


14 


sr  alle  r. 


Grundspraclie  Altind.  Griechisch     Lateinisch     Gotiscli 

gliar —  ,warm  sein,      fjhar-mo —        d-ep-\j.6q      formus        varm-s 

glühen'  altb.  garema —  fervere 

anglii—  ,Schlange'        ald —  li)\.-<;,lyj.-c,  anguis  — 

Gleich  dem  Griechischen,  Lateinischen,  Keltischen  und 
Gotischen,  welche  den  Unterschied  der  beiden  Guttural-Reihen 
li,,  g,  gh  und  k^  g,  gli  aufgegeben  haben,  zeigt  auch  manchmal 
das  Letto-Slavisehe  das  Zusammenfallen  beider  Reihen;  der 
Umstand  jedoch,  dass  Slavisch  und  Litauisch  hierin  selten  zu- 
sammenstimmen, belehrt  uns,  dass  diese  Erscheinung,  in  welcher 
Gi'iechisch,  Lateinisch,  Keltisch  und  Gotisch  zusammentreffen, 
auf  dem  Gebiete  jeder  einzelnen  der  beiden  Sprachen  unab- 
hängig sich  entwickelt  haben  muss. 

Die  betreffenden  (von  Fick  gesammelten)  Fälle  sind: 
Grundspraclie  Altind. 

aUman —  ,  Stein'  asman- 

Unlcrtis  , gehorchen'  suirüs 

svalcura —  ,Schwiegervater'  svasnra 
paliu —  ,Vieh' 
gan  , geboren  werden' 


gan 


Litauisch     Altslavisch 
ahmen —  kamen — 
klansyti     sImcIiü 
svasnra-  szeszuras   svekru 
altpr.  pekn —      pisü 

gim-ti 
jgeboren  werden' 
gen-tis  , Verwandter' 
zen-tas  , Schwiegersohn'    zett 
migla        migla 
(dem  Slav. 
entlehnt) 
liäsa  zqsis  gosi 

Merkwürdig  sind  auch  lit.  geJtas  ,gelb'  und  zalias  ,grün' 
=  altslav.  zltttü  und  zelenn,  insofern  ghai-  darin  als  ghar  und  ghar 
erscheint.  ' 


migh  ,Wasser  lassen' 


gliansa  ,Gans' 


mih 


•  Gleichwie  Litauisch  und  Slavisch  wegen  dieser  sporadischen  Nicht-Uebcr- 
einstimmnng  in  Betreff  von  Ic,  7,  f/h  nicht  von  einander  gerissen  werden 
dürfen,  ebenso  darf  man  wegen  f/tn'i  f henl)  =:  aWmiWm-h  (jiv,  altbaktr.  i/iv 
(ncup.  r.!v),  f-r^'^f  (erek)  =  altind.  raljnft,  /•/'t/m'i/f'i^  (helcane.l)  .—  altind. 
Iihaiifj  das  Armonische  nicht  von  den  eränischcn  Spraclien  losreissen. 
Belcanel  kann  ül)rigens  ein  denominatives  Verbum  sein,  das  sich  an  altind. 
Iihahfja  ansciilie.sst;  für  seine  Beziehung  auf  cranisches  Sprachgut  ist 
ül)erdicss  das  Fehlen  des  v  nach  hh  (1>li<i<i  =  hhrag)  massgebend.  Alle 
diesQ  Fälle  betroffen  altes«;,  ^nchilcm i^'"'i'l- L,  4!'"'',  ./»'"^""^  etymologiscli 


Die  Guttural-LaTite  iler  imlogeniiani^clien  Sprachen.  lo 

Nach  diesen  Ausführung-en  müssen  wir  für  die  indoger- 
manische Ur-  (Grund-)  Sprache  folgendes  Consonanten-System 
;iufstellen  (vgl.  Schleicher  Compendium  §.  1),  d.  h.  jenes  Con- 
sonanten-System, ,aus  welchem  die  Laute  der  verschiedenen 
indogermanischen  Sprachen  nach  den  Gesetzen  der  Lautver- 
änderungen, welche  im  Leben  der  Sprachen  eintreten,  hervor- 
p-eo-ano-en  sind,  und  auf  welches  sie  demnach  als  auf  ihre 
gemeinsame  Quelle  hinführen/ 

Momentane  Laute.  Dauerlaute. 

Nicht-Aspir.  Aspiratae       Spirasten  Nasale   Zitterl. 

stumra    tönend      tönend        stumm       tönend 

^  ,     f  hintere     k         q         all         —         —         —         — 

Gutturale  \  ,  ,,         ',         ',, 

I   vordere    k         g         gii         —         —         —         — 

Palatale  —       —        —         —  j  —         — 

Linguale  —       —        —  —  —  —  r 

Dentale  t         d         dh  s  —  n  — 

Labiale  p        h  hh         —  v  m  — 

Wir  müssen  zum  Schlüsse  noch  einen  Blick  auf  das  Ar- 
menische werfen,  insofern  dieses,  wie  uns  dünkt,  manches 
Alterthümliche  in  dieser  Beziehung  darbietet.  Die  den  beiden 
Gutturalreihen    entsprechenden    Laute    des    Armenischen    sind 

folgende: 

Grundsprache  Armenisch  Altbaktr. 

Je  tsh  (^)  s  (")  S  (ij 

9  ts  (Ä-)  _S 


noch  zweifelhaft  sind  (wir  werden  nächstens  einen  Versuch  darüber  ver- 
öffentlichen), so  bleibt  bloss  4^^'?-  fhingj  =  altbaktr.  pancan  übrig,  das 
in  der  That  sehr  auffallend  ist,  wenn  nicht  etwa  die  Oi-dinalzahl  *pan-/fa- 
(nacli  dem  altbaktr.  inr/Za  zu  schliessen)  den  Cardinalausdruck  verdrängt 
hat;  ->/'^'V-  würde  sich  dann  z\\panr/ta  ebenso  verhalten,  wie  "»"y-zu  *zanha  — 
=  altind.  Iicisa.  Uebrigens  wollen  wir  einige  der  altes  g  betreffenden  Fälle 
hierher  setzen,  in  denen  Altbaktrisch  und  Altindisch,  an  deren  Auseinander- 
reissen  noch  Niemand  gedacht  hat,  mit  einander  niclit  übereinstimmen. 
Altbaktr.  (jaiw-i —  (neben  (jafya — )  =  altind.  gahh-ira — ,  altbaktr.  gad 
—  altind.  gad,  altbaktr.  yam,  gim  (neben  gam)  =  altind.  gam,  altbaktr. 
gaü  —  altind.  gacv.h,  altbaktr.  yaügeh  (von  yiuj)  =  altind.  yöyat,  altl)aktr. 
fra-va  ynü/-maide  \g\.  aUixid.  2}>'a-yuncj-mahe.  —  Während  Altind.  und  Alt- 
baktr. gaya —  bieten,  lautet  das  Wort  im  Neupersischen  [jLa».  Qü'^J  ^^ 
gayan.  Man  kann  noch  auf  altbaktr.  caiti — ,  6vant —  (neben  kva,  Icutha, 
ht'Ja)  hinweisen  =^  altind.  kati  (=:  kvatij,  altbaktr.  et —  =:  altind.  ki — 
(ki-vi).  Von  altbaktr.  ci  stammt  kaena —  von  kari  =  väl — ,  lauter  Bei- 
spiele, welche  die  späte  Entstehung  der  Palatale  aus  /.;,  </,  gh  bestätigen. 


Altbaktr. 

s 

^, 

t« 

(£> 

1-, 

ö^^ 

«S.; 

t-; 

ö^^ 

16  Müller.     Die  Guttural-Laute  der  indogcrmanisclien  Sprachen. 

Grundspraolie    Armenisch 
gh  dz   (i)  z   (?) 

k  k  {it)  X  (^)  a\7S)  ah  {t)  tsh  (j) 

9^  9  it)  z  («'-) 

Dem  o-rundsprachlichen  U  =  altbaktr.  "  entspricht  im 
Armenischen  einerseits  jj,  andererseits  "-^.    Davon  müssen  wir 

namentlich  ^  näher  ins  Auge  fassen,  für  welches  wir  hier  nach- 
folgende Belege  hersetzen: 

Grundsprache                   Altbaktr.  Armenisch 

jiarlc                            pares  ^ui/yui'i,£ri  (hartshanel) 

Uarta —                      sarefa —  gn>.put  (tshurt) 

liaina —                     saena —  ^/r^/  (tshin) 

Hier  repräsentirt  armen.  ^  gegenüber  altind.  s,  altbaktr.  s 
den  volleren  Laut  (tv),  den  wir  oben  hinter  dem  altindischen  1^ 
steckend  gefunden  haben,  ts  für  tS  stimmt  vollkommen  mit  dem 
Charakter  der  eränischen  Sprachen  überein. 

Armenisches   ts    (ä-)  ist  aus  dz  verschoben  und  lehnt  sich 

völlig  an  altind,  dz  (jf),  während  das  altbaktrische  z  ( ^),  die 

jüngere  Phase  des  eränischen  Lautes  dz  darbietet. 

Armenisches  dz  (^)  steht  für  dzh  =  altind.  dzh  (^),  jenem 
Laute,  der  hinter  h  (^)  =  gh  steckt.  Es  steht  gegenüber  alt- 
baktr. z  ( ^)  =  zh  auf  einer  älteren  Lautstufe. 

Die  neben  ,y,  ^,  i  vorkommenden  Varianten  »,  i  entsprechen 
vollkommen  altbaktr.  •»», ^  und  es  wäre  noch  genauer  zu  unter- 
suchen, ob  diese  beiden  I^aute  nicht  durch  den  Einfluss  der 
persischen  Dialekte  im  Armenischen  sich  entwickelt  haben. 

Der  Laut  z  {^)  =  altbaktr.  ^  für  altes  g,  gh  ist  specifisch 
eränisch  '  und  findet  sich  für  denselben,  wenn  man  von  dem 
spät  entstandenen  altslavischen  z  absieht,  in  den  letto-slavischen 
Sprachen  keine  Parallele. 

Darnach  bietet  das  Armenische,  was  die  Guttural-Reihe 
anbelangt,  eine  Entwicklung,  die  sich  an  das  Altindische  und 
Altbaktrische  enge  anschliesst,  folglich  entschieden  auf  Asien 
hinweist. 


'  Man  erwartet,  wie  ITübsclimann  richtifj:  bemerkt,  im  Armenischen  gh  =  z, 
über  g  ■=  S  (nach  gh  =  t,  g  =  i) 


Lorenz.   Uebcr  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  17 


lieber  den  Unterseliied  von  Eeiclisstädten  und  Land- 
städten mit  besonderer  Berücksichtigung  von  Wien. 


I 


Von 

Ottokar  Lorenz, 

wirkl.  Mitgliede  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften. 


I. 

■  feo  gründliche  und  genaue  Forschungen  über  das  Städte- 

wesen seit  einer  Reihe  von  Jahren  zu  Tage  gefördert  worden 
sind,  so  Aveniger  Uebereinstimmung  vermag  sich  die  heutige 
Wissenschaft  in  Bezug  auf  die  Ansichten  über  den  Ursprung 
der  städtischen  Verfassungen  und  über  die  charakteristischen 
Merkmale  ihrer  Entwicklung  zu  rühmen.  Die  vorwiegend  rechts- 
geschichtliche Behandlung  des  Gegenstandes  hat  ohne  Zweifel 
ehedem  dazu  beigetragen,  dass  man  der  politischen  Seite  des 
städtischen  Lebens  ein  vielleicht  allzu  geringes  Gewicht  bei- 
legte. Selbst  in  der  äusserlichen  Darstellung  der  Geschichte 
des  Städtewesens  zeigte  sich  die  überhandnehmende  Gewohnheit 
den  gesammten  Werth  des  Städtewesens  in  den  von  einer  Stadt 
zur  andern  übertragenen  Satzungen  und  Rechtseinrichtungen 
zu  erblicken.  So  ausserordentlich  die  Gelehrsamkeit  war,  welche 
in  dem  grossen  Werke  von  Maurer's  zusammengetragen  wurde, 
so  wenig  Belehrung  vermöchte  dasselbe  doch  demjenigen  zu 
gewähren,  welcher  die  Stellung  der  Städte  nach  ihrer  verschie- 
denen Entwicklung,  nach  ihrem  Range  und  nach  den  zeitlichen 
Fortschritten  kennen  zu  lernen  wünscht.  Dass  jede  Stadt  Mauern 
hatte  und  allmählich  auf  die  eine  oder  die  andere  Weise  zu  irgend 
einer  bürgerlichen  Behörde  kam,  welche  die  öffentlichen  Geschäfte 
und  eine  gewisse  Gerichtsbarkeit  besorgte  sind  keine  Kriterien, 
aus  welchen  sich  für  den  Ungeheuern  Unterschied  etwas  ergeben 

Sitznngfher.  d.  phil.-hist.  Ol.  LXXXLX.  Bd.  I.  Hft.  2 


18  Lorenz. 

könnte,  der  zwischen  Stadt  und  Stadt  bestand.  Man  kann  daher 
das  Verdienst  des  Herrn  Professors  A.  Heusler  nicht  hoch  genug 
anschlagen,  dass  er  in  einer  energischen  Weise  die  Aufrecht- 
lialtung  jener  fundamentalen  Unterscheidungen  der  deutschen 
Städte  forderte,  welche  in  jedem  Handbuche  des  deutschen 
Staatsrechtes  früher  deutlich  hervorgehoben  Avurden,  wie  sie 
auch  in  dem  Bewusstsein  der  Bürger  Deutschlands  thatsächlich 
so  lange  lebendig  waren,  bis  die  französische  Revolution  diese 
wie  so  viele  andere  Ungleichheiten  bei  Seite  schob.  Verkehrt 
wäre  es  aber  sicherlich,  wollte  man  das  Nivellement  der  fran- 
zösischen Revolution  in  die  mittelalterliche  Geschichte  des 
städtischen  Wesens  zurückverlegen  und  etwa  aus  dem  Um- 
stände, dass  dem  Stadtgerichte  überall  ein  anderes  Gericht 
vorherging;  die  Einheitlichkeit  des  Städtewesens  erschliessen. 
Trefflich  hat  daher  Heusler  (Ursprung  der  deutschen  Stadt- 
verfassung, S.  153)  bemerkt,  dass  mit  der  blossen  Existenz 
eines  beliebigen  Communalrathes  noch  nicht  die  Stadtverfassung 
mit  den  besonderen  Kriterien,  die  sie  im  Mittelalter  gegenüber 
der  Landgemeindeverfassung  aufweist,  gegeben  ist,  und  wir 
möchten  hinzufügen,  dass  auch  nach  dem  Hervortreten  eines 
beliebigen  Stadtraths  noch  keineswegs  eine  Stadt  im  Sinne 
der  Stadtfreiheit  geschaffen  war,  sondern  dass  es  eben  ganz 
und  gar  auf  den  Grad  der  Freiheit  oder  vielmehr  der  Berech- 
tigung ankam,  was  die  Stadt  zur  Stadt  machte.  Weil  der 
Rath  von  Leobschütz  jemanden  nach  derselben  Rechtssatzung 
henken  Hess,  nach  welcher  derselbe  auch  in  Magdeburg  gehenkt 
worden  wäre,  beweist  uns  wenig  für  die  Vergleichbarkeit  von 
Leobschütz  mit  Magdeburg,  und  dass  die  Schildburger  und 
Lalenburger  Stadtgeschichten  einen  wohlbegründeten  Ruf  der 
Lächerlichkeit  genossen,  würde  eben  niemals  erklärt  werden 
können ,  wenn  man  das  Wesen  der  mittelalterlichen  Stadt- 
verfassung nur  aus  den  Gesichtspunkten  des  Ursprungs  ihrer 
Gerichtsbarkeit  betrachten  wollte.  Heusler  verlangt  deshalb 
mit  Recht,  dass  man  selbst  den  Ausdruck  Stadtrath,  der  nur 
verwirrend  sein  könne,  in  der  gewöhnlichen  Allgemeinheit  ver- 
meiden müssto  und  bemerkt  hiezu:  ,Wenn  man  sieht,  wie 
beinahe  alle  Schriftsteller  über  Städte  Verfassung;,  von  Hesel 
bis  auf  Nitzsch  und  von  Maurer,  indem  sie  diesen  Ausdruck 
gebrauchen,    die    Bedeutung    des    Raths  verkehrt   würdigen,    so 


» 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  19 


weiss  man  freilich  nicht;  ob  sie  den  schiefen  Ausdruck  Stadt- 
rath  gewählt  haben,  weil  sie  das  Wesen  der  Rathsverfassung 
falsch  auffassteu,  oder  ob  sie  den  Rath  falsch  bcurtheilten, 
weil  sie  durch  den  Ausdruck  Ötadtrath  von  vorneherein  irre 
geführt  waren.  Aber  das  weiss  man,  dass  jetzt  die  ,Stadträthe' 
selbst  in  der  preussischen  Städteordnuug  keine  Regierungs- 
behörden sind,  dass  man  heut  zu  Tage  unwillkürlich  mit  dem 
Wort  Stadtrath  den  Begriff  eines  blossen  Gemeinderathes  ver- 
bindet, dass  dagegen  den  Räthen  der  freien  und  Reichsstädte 
des  Mittelalters  die  landesherrlichen  Rechte  zustanden ,  also 
eine  souveräne  Staatsgewalt  zukam,  soweit  eine  solche  damals 
überhaupt  in  Deutschland  ausgebildet  war,  und  dass  es  daher 
verkehrt  ist,  sie  Stadträthe  zu  nennen,  um  so  verkehrter,  als 
sie  selber  sich  nie  so  betitelt  haben,  und  es  uns  nicht  ansteht, 
sie  anders  als  mit  ihrem  ofliciell  geführten  Namen  zu  betitelnd 
Was  hier  vom  Rath  und  seiner  Bedeutung  im  Mittelalter 
gesagt  ist,  gilt  aber  auch  von  der  Stadt  und  ihrem  Charakter 
überhaupt^  und  es  ist  klar,  dass  die  Macht,  Eigenartigkeit  und 
Bedeutung  einer  grossen  Gruppe  von  Städten  nicht  zu  vergleichen 
ist  mit  der  Entwicklung  anderer  Städte,  deren  äusserer  Umfang 
keineswegs  geringer  zu  sein  brauchte,  als  jener  der  ersteren 
Gattung,  deren  innere  Selbständigkeit  aber  gar  keinen  Vergleich 
zulässt  mit  den  Städten  der  ersten  Ordnung,  selbst  wenn  diese 
äusserlich  klein  und  gering  an  Bevölkerung  waren.  Je  unsicherer 
im  Allgemeinen  der  Begriff  dessen  was  man  unter  einer  Stadt 

,  verstehen  will,  erscheint,  desto  nothwendiger  ist  es,  eine  strenge 
Unterscheidung  der  Arten  aufrechtzuhalten,  in  welche  der 
ziemlicli  vage  Gattungsbegriff  zerfällt.  Auch  im  Alterthum  findet 
man  Städte  im  persischen  Reiche,  wie  in  Griechenland,  aber 
es  hätte  wenig  Nutzen  für  die  Erkenntniss  ihres  Wesens,  wollte 
man  sie  alle  auf  eine  Linie  stellen,  und  wenn  der  oft  gemachte 
Versuch  die  römischen  Municipien  mit  dem  deutschen  Städte- 
wesen in  Zusammenhang  zu  setzen,  etwas  unläugbar  verlockendes 
hat,  so  wurde  schon  von  anderer  Seite  die  richtige  Bemerkung- 
gemacht,    dass    diese  Betrachtungsweise  nur  dadurch  erklärbar 

'  ist,  dass  eben  die  äussere  Aehnlichkeit  von  alledem,  was  sich 
jemals  Stadt  nannte,  zu  allen  Zeiten  sehr  gross  war.  Eben 
diese  Zusammenstellungen  und  Vergleichungen  der  äusseren 
Erscheinungen    des    Städtewesens    können    aber    niemals    einen 

2* 


20  Lorenz. 

Maassstab  für  die  wahre  Bedeutung  und  den  wahren  geschicht- 
lichen Wcrth  eines  städtischen  Gemeinwesens  darbieten,  und  die 
Forschung  auf  diesem  Gebiete  muss  nach  anderen  Kriterien 
suchen,  welche  die  inneren  Unterschiede  zwischen  Stadt  und 
Stadt  zu  erklären  vermögen. 

Nun  ist  die  Entwicklung  des  Städtewesens  von  der  Art, 
dass  sich  das  Bild  davon  sehr  verschieden  gestaltet,  je  nachdem 
man  vom  Ursprung  desselben  ausgeht  oder  von  der  vollendeten 
Blüthe  nach  rückwärts  schreitet  und  die  Anfänge  dessen  fest- 
zustellen sucht,  was  für  das  Resultat  maassgebend  war.  Aus 
dieser  verschiedenen  Anschauung  des  Gegenstandes  bald  in  der 
Richtung  von  dem  Ursprung  zu  der  Vollendung,  bald  umgekehrt 
von  den  Resultaten  auf  den  zurückgelegten  Weg,  erklärt  sich 
vielleicht  einigermaassen  das  verschiedene  Gewicht,  welches  die 
Geschichtsschreiber  der  Städte  auf  die  verschiedenen  Momente 
des  städtischen  Lebens  legen.  Wer  von  den  primitiven  Staats- 
verhältnissen ausgeht,  aus  welchen  sich  das  Stadtrecht  ausschälte, 
dem  erscheint  in  weiter  Perspective  die  politische  Macht  und 
Stellung,  welche  eine  Gruppe  von  Städten  erlangte,  vielleicht 
nicht  als  das  wesentlichste  Merkmal  der  Entwickelung ;  wer 
aber  umgekehrt  sich  lebhaft  die  Zielpunkte  der  städtischen 
Verfassung  vergegenwärtigt  und  von  dem  ausgeht,  was  das 
städtische  Gemeinwesen  im  Laufe  der  Zeit  geworden  war,  der 
wird  die  entscheidenden  Wendungen  vor  allem  aufzusuchen 
bestrebt  sein,  durch  welche  die  Gegensätze  unter  den  Städten 
entstanden,  die  von  der  Wissenschaft  erklärt  zu  werden  ver- 
dienen. Deshalb  hebt  auch  Heusler  in  seiner  angeführten 
Schrift  in  Bezug  auf  die  Einrichtung  des  Raths  in  den  Städten 
hervor,  dass  das  Schwergewicht  der  Untersuchung  sicherlich 
nicht  auf  die  rein  äusserliche  Herkunft  desselben  gelegt  werden 
darf,  ,denn',  sagt  der  scharfsinnige  Verfasser,  ,das  Entscheidende 
ist  schliesslich  nicht,  ob  er  von  dem  bischöflichen  Rathe  oder 
von  den  Stadtgemeindevorstehern ,  oder  von  einem  dritten  Colle- 
giuin  abstammt,  sondern  was  für  Machtbefugnisse  er  in 
sich  aufgenommen  hat,  um  als  Repräsentant  der  Stadt- 
verfassung und  der  Stadt freiheit  zu  erscheinend 

Wiewohl  nun  im  Grossen  und  Ganzen  die  Unterschiede, 
welche  zwischen  den  verschiedenen  Städtegruppen  sich  ins- 
besondere   in    Deutschland    zeigen,    seit  Hegel's  grundlegenden 


Ueber  den  ünti^rschied  von  Reichsstädton  und  Landstädten.  21 

Untersuchungen  von  niemanden  verkannt  werden  konnten,  so 
ist  doch  insbesondere  durch  das  Bestreben  alles  Städtewesen 
auf  eine  gemeinsame  Wurzel  zurückzuführen,  wie  dies  von 
Nitzsch  und  Maurer  angestrebt  worden  ist ,  das  Wesen  der 
Sache  allerdings  etwas  verdunkelt  worden.  Nitzsch  hatte  jedoch 
weislich  die  Untersuchung  über  die  Entstehung  des  Städtewesens 
auf  einen  Zeitraum  beschränkt,  in  welchem  die  B'ragen  über 
Stadtfreiheit  erst  in  ihren  Fundameuten  vorliegen  konnten;  von 
Maurer  dagegen  hat  die  gesammte  mittelalterliche  Stadtent- 
wickelung ins  Auge  gefasst,  und  in  Bezug  auf  die  wichtigsten 
Fi-agen  alle  Gruppen  von  Städten  zusammengeworfen.  Er  führt 
zur  Stütze  seiner  Ansichten  frühe  und  späte,  bischöfliche  und 
kaiserliche,  landesfürstliche  und  freie  Städte  gleichwerthig  in 
ihren  Einrichtungen  neben  einander  auf.  Es  erscheint  fast  wie 
ein  nur  zufälliges  Zugeständniss,  wenn  er  im  dritten  Bande 
seines  umfassenden  Werkes  die  öffentliche  Gewalt  in  den 
Stadtmarken  doch  nicht  anders  zu  schildern  im  Stande  ist,  als 
dadurch,  dass  er  zwischen  den  verschiedenen  Städtegruppen 
unterscheidet.  Indem  er  hiebei  wieder  auf  den  eigentlichen 
Ursprung  der  Städte  zurückgreift,  theilt  er  dieselben  in  drei 
Arten  oder  Gruppen  ein :  die  Königsstädte,  die  Immunitätsstädte 
und  die  Teri'itorialstädte.  Die  von  Arnold  und  Heusler  nach 
älterer  wissenschaftlicher  Auffassung  wieder  hervorgesuchte 
Gruppe  der  sogenannten  freien  Städte  wird  hiebei  nicht  be- 
sonders behandelt,  sondern  den  Immunitätsstädten  beigezählt. 
Wiewohl  nun  hierin,  wie  Heusler  bemerkt,  einer  offenbaren 
Besonderheit  einiger  Städte  nicht  völlige  Gerechtigkeit  zu  Theil 
werden  kann,  so  ist  doch  ohne  Zweifel  der  Hauptunterschied 
zwischen  den  deutschen  Städten  von  allen  Forschern  auf  diesem 
Gebiete  darin  festgehalten  worden,  dass  die  in  ihrer  späteren 
Entwicklunff  als  Reichsstädte  bezeichneten  Stadtmarken  nicht 
zu  vergleichen  sind  mit  den  landesherrlichen,  oder  Territorial- 
städten, selbst  dann  wenn  sie  etwa  aus  gleichen  Wui-zeln  her- 
vorgegangen wären.  Denn  dies  ist  ja  ganz  richtig,  dass  selbst 
die  ausgebildetsten  Reichsstädte  Zeiten  hatten,  wo  sie  zu  der 
landesherrlichen  Gewalt  in  einem  ganz  ähnlichen  Verhältnisse 
standen,  wie  die  Landstädte  in  den  späteren  Zeiten,  und  dass 
die  Landstädte  in  vielen  Dingen  und  Beziehungen  ähnliche,  ja 
gleiche  Rechte  hatten  wie  die  Reichsstädte.  Mit  andern  Worten 


22  Tj  0  r  0  n  7.. 

darf  man  sagen,  dass  der  in  seinen  Folgen  so  weitgreifende 
Unterschied  zwischen  Landstädten  und  Reichsstädten  keineswegs 
leicht  zu  definiren  ist.  Gerade  jene  Städte,  für  welche  Arnold 
und  Heusler,  wie  es  scheinen  möchte  mit  vollem  Recht,  die 
Bezeichnung  als  freie  Städte  des  Reiches  aufrecht  hielten,  zeigen 
selbst  in  ihrer  spätem  Entwicklung  noch  so  viele  Beziehungen 
zu  den  in  denselben  wohnenden  geistlichen  Landesfürsten,  dass 
man  es  erklären  könnte,  wenn  ein  Auge,  welches  nur  gewohnt 
ist  dick  gezeichnete  äussere  Rechtsverhältnisse  zu  betrachten, 
von  den  innern  fundamentalen  Unterschieden  zwischen  einer 
solchen  Reichsstadt  und  mancher  J^andstadt  nicht  viel  wahr- 
zunehmen vermöchte.  Wenn  von  Maurer  selbst  einen  Anlauf 
nahm,  die  Unterschiede  in  den  städtischen  Entwickelungen  der 
angeführten  Gruppen  zu  bezeichnen,  so  hebt  er  aber  die  Wir- 
kung seiner  Darstellung  wieder  auf,  wenn  er  schliesslich 
behauptet,  dass  die  öffentliche  Gewalt  in  den  landesherrlichen 
Städten  eine  volle  Analogie  zur  öffentlichen  Gewalt  in  den 
Reichsstädten  darbiete.  Doch  mag  es  gestattet  sein,  von  Mau- 
rer's  Worte  hier  anzufügen,  weil  von  denselben  der  Ausgangs- 
punkt weiterer  Erörterung  zu  nehmen  sein  wird:  ,Die  meisten 
Landstädte',  heisst  es  IIL,  544, , waren  demnach  ebenso  unabhängig 
von  ihrem  Landesherrn,  wie  die  Reichsstädte  vom  Kaiser  und 
Reich.  Denn  auch  dem  Landesherrn  war  hinsichtlich  der  öffent- 
lichen Aemter  in  der  Stadt  nur  noch  das  Recht  der  Bestätigung  (?) 
der  von  dem  Stadtrath  oder  von  der  Bürgerschaft  ernannten 
Beamten  oder  die  Amtsinvestitur  und  die  Bclehuung  mit  dem 
Blutbann,  dann  das  Recht  auf  die  nicht  erlassenen  Hof-  und 
anderen  Dienste,  auf  die  nicht  veräusserten  Steuern,  Zölle  und 
Münzen  und  auf  die  Huldigung  geblieben;  in  manchen  Städten 
sogar  nichts  weiter,  als  der  Titel  der  Oberherrlichkeit  und  als 
ein  schwaches  Zeichen  derselben  tlie  Huldigung,  z.  B.  in  Höxter. 
Neue  Steuern  und  neue  Zölle  durften  die  Landesherren  nur 
in  jenen  Städten  erheben,  welche  der  landesherrlichen  Vogtei 
unterwürfen  waren.  Denn  in  den  übrigen  Landstädten  war  zu 
dem  Ende  die  Zustimmung  der  Bürgerschaft  oder  der  Land- 
stände nothwendig  (! !).  Und  wenn  der  Landesherr  die  her- 
gebrachten Freiheiten  und  Rechte  nicht  bestätigen  wollte,  oder 
sie  sogar  verletzte,  so  durftun  auch  die  Landstädte  die  Huldi- 
gung  verweigern    und    sieh,    wenn    sie    wollten,    einem    andern 


Ueber  den  ünterseliiod  von  Reichsstädten  und  Ijiindstiidten.  23 

Landeslierrn  unterwerfen.  Die  Freiheit  und  Unabliüugiykeit 
der  Landstädte  war  daher  von  jener  der  Reichsstädte  nicht  sehr 
verschieden,  der  Werth  der  Reichsnnmittelbarkeit  demnach  noch 
nicht  so  gTOss  als  in  spätem  Zeiten,  seitdem  die  fester  be- 
gründete Landeshoheit  mehr  und  mehr  auf  die  Landstädte 
drückte.  Entscheidend  hiebei  war  auch  bei  den  Ijandstädten  das 
Besatzune;srecht.  Mit  der  Pflicht  die  Stadt  selbst  zu  vertheidigen 
hatten  nämlich  auch  die  Landstädte  das  eigene  Besatzungsrecht 
erworben  (?).  Auch  sie  duldeten  daher  kein  fremdes  Heer  und 
keine  fremde  Burg-  mehr  innerhalb  der  Stadtmauern,  und  auch 
keine  fremde  Burg^  in  der  Nähe  der  Stadt.  Sogar  die  landes- 
herrliche Burg  in  der  Stadt  wurde  von  der  Bürgerschaft  erworben 
oder  zerstört  und  dem  Landesherrn  selbst  nur  noch  unter 
gewissen  Bedingung-en  der  Zutritt  gestattet.  Die  freien,  der 
landesherrlichen  Vog'tei  nicht  unterworfenen  Ijandstädte  waren 
demnach  eben  so  frei  und  eben  so  unabhängig,  wie  die  freien 
Reichsstädte.  Dieser  Zustand  der  Dinge  hatte  bereits  im 
13.  Jahrhundert  begonnen.  Ln  14.  und  15.  Jahrhundert  hatte 
die  Freiheit  der  Landstädte  und  mit  dieser  der  Wohlstand  und 
die  Blüthe  iener  Städte  ihre  höchste  Höhe  erreicht.  Die  Hen-- 
Schaft  in  der  Stadt,  die  Landeshoheit  war  factisch  auf  die 
Landstädte  selbst  übergegangen  (? !).  Die  freien  Landstädte 
hatten  demnach  ihrem  Landesherrn  gegenüber  etwa  die  selbe 
Stellung,  welche  die  Reichsstädte  dem  Kaiser  und  dem  Reiche 
gegenüber  gehabt  haben.  Erst  seitdem  das  Besatzungsrecht 
wieder  auf  die  Landesherren  übergegangen  war,  und  seit  dem 
Steigen  der  landesherrlichen  Gewalt  im  15.  und  IG.  Jahrhundert 
ward  auch  die  Macht  der  Landstände  wieder  gebrochen,  damit 
aber  auch  der  Grund  gelegt  zum  Untergang  aller  städtischen 
Freiheit  und  zur  völligen  Abhängigkeit  der  Landstädte'. 

In  der  That  sieht  man  in  dieser  Darstellung  von  Maurer's 
so  ziemlich  alle  Gesichtspunkte  berührt,  welche  bei  der  Fest- 
stellung des  Unterschiedes  von  Reichs-  und  Landstädten  in 
Betracht  kommen  müssen.  Indem  man  aber  eine  erneuerte 
Erörterung  an  die  hier  richtig  hervorgehobenen  Punkte  an- 
zuschliessen  wünscht,  kann  man  gleich  im  allgemeinen  die 
Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dass  Maurer  stets  mit  der  einen 
Hand  gibt,  was  er  mit  der  andern  nimmt,  und  dass  seine 
wiederholte  Versicherung,  er  habe  eigentlich  keinen  Untei-schied 


24  lioronz. 

zwischen  den  Reichsstädten  und  Landstädten  gefunden,  die 
Verwunderung  darüber  erregt,  warum  er  sich  dann  trotz  alle- 
dem zu  dieser  Eintheilung  oder  wenigstens  zur  Aufrechthaltung 
derselben  gezwungen  sah.  Ausserdem  ist  es  auffallend,  dass 
in  der  Reihe  der  Landstädte  immer  nur  jene  hervorgehoben 
werden,  welche  grössere  Erwerbungen  in  Bezug  auf  ihre  Rechte 
nachzuweisen  hatten,  während  die  grosse  Zahl  jener,  bei  denen 
es  niemals  zu  einer  Unabhängigkeit  der  Aemter,  und  häufig 
nicht  einmal  zu  einer  vollen  Unabhängigkeit  der  Justiz  ge- 
kommen ist,  verschwiegen  werden.  Bei  einzelnen  Kriterien  der 
landstädtischen  P"'reiheit  durfte  man  überdies  ein  grosses  Frage- 
zeichen hinzufügen.  Wenn  von  Maurer  bemerkt,  dass  Landstädte 
die  Huldigung  verweigern  konnten,  so  wissen  wir  nicht,  ob  er 
dies  eigentlich  als  ein  ihnen  gewährtes  Recht  aufzufassen 
wünscht.  Denn  eine  ausdrückliche  Satzung  findet  man  hierüber 
nur  in  den  braunschweigisch-lüneburgischen  Städten,  denjenigen 
wo  allerdings  die  Frage  offen  ist,  ob  man  dieselben  noch  als 
eigentliche  Landstädte  zu  betrachten  haben  wird,  während  die 
Fälle,  welche  von  Maurer  aus  der  Geschichte  anderer  Orte 
(IIL,  S.  535)  anführt,  entweder  Gewaltsamkeit  voraussetzen, 
oder  mit  dem  allgemeinen  Resistenzrecht  zusammenhängen, 
welches  die  Stände  überhaupt  gegen  den  die  Verfassung  ver- 
letzenden Landesherrn  besonders  seit  dem  14.  Jahrhundert  in 
Anspruch  nahmen.  Die  letztere  Erscheinung  liegt  insbesondere 
in  dem  Beispiel  von  Soest  vor,  welches  im  Jahre  1444  sich 
gegen  den  Erzbischof  Dietrich  erhoben  hatte.  Wenn  endlich 
von  Maurer  selbst  eingesteht,  dass  die  fester  begründete  Landes- 
hoheit , später  mehr  und  mehr  auf  die  Landstädte  drückte',  so 
wird  der  Satz  umgekehrt  auch  richtig  sein,  dass  die  Landes- 
hoheit eben  deshalb  fester  begründet  werden  konnte,  weil  die 
Landstädte  keineswegs  jene  Unabhängigkeit  genossen,  welche 
die  Reichsstädte  besassen,  oder  weil  die  Reichsstädte  die  Landes- 
hoheit selbst  hatten,  während  die  Landstädte  unter  derjenigen 
der  Landesherren  standen.  Dieser  Unterschied  ist  aber  gerade 
hinreichend,  um  die  Stellung  der  Landstädte  mit  derjenigen  der 
Reichsstildte  völlig  unvergleichbar  zu  finden.  Der  springende 
Punkt  ist  auch  von  Maurer  hiebei  richtig  ins  Auge  gefasst, 
aber  nicht  hinreichend  gewürdigt  worden.  Indem  er  auf  das 
Besatzungsrecht    der    Städte    hinweist    und    bemerkt,    dass    die 


Ueber  ilen  UntorseUicd  von  Reichsstädten  uiul  Landstädten.  !25 

Landstädte  ebeufnlls  die  Pflicht  auf  sich  g-enommen,  sich  zu 
vertheidigeii  und  keine  Burg  innerhalb  der  Stadtmauern  dul- 
deten, so  streift  er  allerdings  das  wesentlichste  Kriterium  einer 
selbständigen  Regierungsgewalt,  aber  wie  viele  Fälle  wüsste 
man  denn  anzuführen,  wo  .sogar  die  landesherrliche  Burg  in 
der  Stadt  von  der  Bürgerschaft  erworben  oder  zerstört  wurde 
und  dem  Landesherrn  selbst  nur  noch  unter  gewissen  Bedin- 
gungen der  Zutritt  gestattet  wurde'.  Liegt  es  aber  nicht  viel 
näher,  den  umgekehrten  Schluss  zu  machen,  dass  in  Fällen, 
wo  der  Landesherr  sich  seiner  Stadt  gegenüber  zu  einem 
Zugeständniss  dieser  Art  verfassungsmässig  bereit  fand,  die 
Landstadt  eben  aufgehört  hat  Landstadt  zu  sein,  wie  ja  auch 
in  den  bischöflichen  Städten  die  Landesherrlichkeit  der  Bischöfe 
dadurch  am  tiefsten  getroffen  worden  war,  dass  die  Besatzungs- 
rechte den  Händen  der  bischöflichen  Regierung  verloren  gingen. 
Wenn  also  Landstädte  sich  der  Landesherrlichkeit  in  dem 
Maasse  entzogen,  wie  in  dem  von  Maurer  angeführten  Falle  sich 
zeigen  würde,  so  wäre  aller  Grrund  zu  sagen,  dass  die  Landstadt 
aufgehört  hat  Landstadt  zu  sein;  denn  der  Begriff  der  Landstadt 
kann  doch  kein  anderer  sein  als  der,  dass  die  Regierungsrechte 
nicht  der  Gesaramtheit  einer  verfassungsmässig  gegliederten 
Gemeinde,  sondern  dem  Landesherrn  zustanden,  was  man  kürzer 
ausdrückt,  wenn  man  mit  Heusler  sagt:  , Städte,  welche  selbst 
die  landeshoheitlichen  Rechte  besasseu,  waren  Reichsstädte 
oder  freie  Städte'.  Dass  aber  die  ganze  Existenz  einer  solchen 
Reichs-  oder  freien  Stadt  mit  dem  Zustand  einer  unter  fremder 
Landeshoheit  stehenden  Stadt  in  socialer  und  politischer  Be- 
ziehung gar  nichts  gemein  hat,  scheint  offen  zu  Tage  zu  liegen, 
und  es  besagt  dem  gegenüber  wenig,  dass  auch  die  Landstadt 
nach  denselben  privat-  und  strafrechtlichen  Satzungen  urtheilt, 
welche  in  Reichs-  oder  freien  Städten  Gewohnheit  waren.  Dass 
aber  die  Herrschaft,  die  Landeshoheit  ,factisch',  wie  von  Maurer 
sagt,  auch  auf  die  Landstädte  selbst  übergegangen  wäre,  ist 
durch  kein  einziges  Beispiel  belegt  und  wird  sich  im  allgemeinen 
gar  nicht,  im  besondern  nur  in  jenen  wenigen  Fällen  behaupten 
lassen,  wo  ein  Verfall  der  landesherrlichen  Gewalt  vorüber- 
gehend oder  dauernd  eingetreten  und  einzelne  Städte  ausnahms- 
weise in  die  Lage  gekommen  waren,  die  Regierungsrechte  an 
sich  zu  reissen.     ^^'o    aber  die  Landeshoheit   in  festen  Bahnen 


2ß  I,  orenz. 

einlierscliritt  oder  ,in  spätei-en  Zeiten  mehr  und  mehr  auf  die 
Landstädte  drückte^,  da  traten  jene  Versuchnngen,  welche  von 
Maurer  als  ein  Kriterium  ihrer  Kechtsentwickhmg  hinstellen 
möchte,  gar  niemals  oder  nur  sehr  vorübergehend  an  die  Land- 
städte heran.  Will  man  also  nicht  überhaupt  alle  Begriffe  und 
festen  Bestimmungen  in  Bezug  auf  städtisches  Wesen  verwirren, 
so  wird  man  genöthigt  sein,  an  gewissen  Kriterien  festzuhalten, 
welche  möglich  machen  zu  sagen :  dies  ist  eine  Landstadt, 
jenes  eine  Reichsstadt  —  eine  freie  Stadt ;  findet  man  aber 
einen  Unterschied  zwischen  denselben  nicht,  dann  verzichte 
man  auf  die  Aufstellung  von  Gruppen,  welche  nichts  als  ein 
leeres  Spiel  mit  Worten  zu  bedeuten  hätten.  Freilich  würde 
man  durch  eine  solche  Verallgemeinerung  endlich  zu  einer  Defi- 
nition von  dem  was  eine  Stadt  war,  gelangen  müssen,  welche 
im  Sinne  von  Maurer's  schwerlich  etwas  anderes  besagen  könnte 
als  dies,  dass  es  eine  Markgenossenschaft  sei,  die  ihre  neben 
einander  gebauten  Häuser  mit  einer  gemeinsamen  Mauer  und 
einem  Graben  umgab.  Sodann  muss  man  sich  aber  wundern, 
dass  es  nöthig  war,  vier  inhaltsreiche  Bände  zu  füllen,  um  die 
ausserordentlichen  Varietäten,  die  verwickelten  und  mannigfal- 
tigen Einrichtungen,  Machtbefugnisse  und  Competenzen,  die 
gegen  einander  streitenden  Rechtsansprüche  und  Entwickelungen 
des  städtischen  Wesens  erklärlich  zu  machen. 


11. 

Erst  durch  die  genauere  Darlegung  der  Verfassungsver- 
hältnisse, welche  an  der  Hand  der  Chroniken  von  Karl  Hegel 
für  eine  Reihe  der  hervorragendsten  Städte  gegeben  oder  ver- 
anUisst  wurde,  gewinnt  man  einen  vollkommeneren  Einblick  in 
die  Unterschiede,  die  zwischen  Stadt  und  Stadt  im  deutschen 
Mittelalter  bestanden.  Das  einseitig  gesammelte  rechtshistorische 
Material  ist  nun  wenigstens  für  eine  Anzahl  von  hervorragen- 
den Reichsstädten  in  erwünschter  Weise  ergänzt  und  es  wird 
daher  berechtigt  erscheinen,  wenn  man  sich  an  diejenigen  Stadt- 
gescliichten  hält,  welche  in  möglichster  Vollständigkeit  vor- 
liegen, um  zu  einem  allseitig  anerkannten  Begriti'e  der  zwischen 
Landstädten    und    Reichsstädten    bestehenden    Unterschiede    zu 


Uelior  ilcn  Unterschied  von  Reichsstädten  uml  Landstädten.  27 

gelangten.  Eben  auf  eine  möglichst  scharfe  Distinction  soll  es 
hier  ankoaimen.  das  erwünschteste  müsste  sein,  wenn  es  mög-ljch 
wäre,  eine  Formel  aufzustellen,  durch  welche  ein-  für  allemal  die 
Städtegruppen  g-esondert  zu  werden  vermöchten,  und  welche 
weitere  Verwirruug'en  in  dieser  Beziehung  bestimmt  zu  be- 
seitigen geeignet  wäre,  üass  es  nach  den  sonst  so  lehrreichen 
und  umfassenden  Ausführungen  von  Maurer's  nachgerade  ein 
Bedürfniss  ist,  ein  strengeres  analytisches  Verfahren  eintreten 
zu  lassen,  und  die  gerade  für  die  Blüthezeit  des  städtischen 
Wesens  bezeichnenden  Kriterien  schärfer  zu  fassen,  als  es  nach 
der  oben  gegebenen  Probe  jetzt  der  P^all  wäre,  wenn  die  For- 
schung auf  der  schiefen  Ebene  der  Darstellung  von  Maurer's 
Fortschritte  machte,  wird  nicht  geläugnet  werden  können. 

Will  man  nun  die  Untersuchung  nicht  von  vorneherein 
auf  eine  bestreitbare  Grundlage  bauen,  so  wird  es  gut  sein  von 
einem  möglichst  sichern  Punkte  auszugehen,  und  die  Unter- 
schiede zwischen  den  Städten  in  einer  Zeit  zu  beobachten,  wo 
ihr  Chai'akter  vollends  ausgebildet  war.  Vergegenwärtigt  man 
sich  demnach  die  Zustände  des  14.  Jahrhunderts,  so  wird  es 
keine  Einwendung  erfahren,  wenn  man  fürs  erste  festhält, 
dass  sich  die  Städte  unterschieden  durch  die  Stand- 
schaft. p]iue  gewisse  Ordnung  von  Städten  erscheint  auf  den 
Reichstagen  durch  ihre  Boten  vertreten,  eine  andere  nicht.  Als 
die  elementarste  Grundlage  des  Begriffs  der  Stadt  wäre  demnach 
ohne  Zweifel  die  Standschaft  zu  betrachten  und  es  fragt  sich 
nur,  wann  und  durch  welche  Umstände  die  Reichsunmittelbar- 
keit  in  vollem  Sinne  erworben  wurde,  oder  was  der  Ursprung 
der  Keichsstaudschaft  der  Städte  war.  Zu  diesem  Zwecke  wird 
mau  unter  allen  Umständen  zur  Geschichte  jener  Städte  zu 
greifen  haben,  deren  Reichsstandschaft  nie  einem  Zweifel  unter- 
worfen war.  Es  liegt  aber  in  dieser  Beziehung  um  nächsten, 
die  Geschichte  der  bischöflichen  Städte  zu  beachten ,  Aveil  sie  in 
Bezug  auf  ihr  besonderes  Verhältuiss  zu  den  Bischöfen  mancherlei 
Analügieen  zu  den  Landstädten  bieten. 

Wenn  in  Strassburg  dem  Bischof  mit  der  Immunität  die 
Stadtherrschaft  zufiel,  so  mag  die  Frage  hier  uubesprochen 
bleiben,  welche  die  ausgezeichnetsten  Forscher  nun  seit  so 
langer  Zeit  in  Athem  hält,  ob  Freie,  oder  Ministerialen  dem 
sich    bildenden  Umstand,    Gericht,    Rath    der    Stadt    als    Basis 


2f< 


Lorenz. 


dienten  ;    für  unsere  Absicht  die  Reiclisstandschaft  der  Bürger 
zu  entwickeln,    haben   ohne  Zweifel    die    früheren  Classen    der 
Bevölkerung-  nur  einen  untergeordneten  Werth,    und  es  ist  für 
den    Unterschied    der    spätem    Reichsstädte    und    der    spätem 
Landstädte    gewiss    ganz    gleichgiltig ,    ob    sich    das    städtische 
Recht  auf  den  Grundlagen  des  Hofrechts  und  Grafschaftsrechts, 
oder  nur  auf  denen  des  Hofrechts  auferbaut  hat.  Auch  in  den 
spätem  Landstädten    war   nicht   die    ursprüngliche  Standschaft 
der  Bewohner  für  die  Frage  maassgebend,  ob  die  Stadt  unter 
die  Landeshoheit  oder  unter  die  des  Reichs  gelangte,  vielmehr 
gibt  es  Beispiele,  dass  die  Bevölkerung  von  vielen  Landstädten 
ursprünglich  vorherrschend  aus  freien  Leuten  bestand  und  doch 
niemals    zur   Reichsunmittelbarkeit    oder    zur  Reichsstandschaft 
gelangte.  Die  Reichsstandschaft  als  solche  entwickelte  sich  nicht 
aus  den  ursprünglichen  Standesverhältnissen,  sondern  aus  dem 
kaiserlichen  Pi'ivilegienrecht.    Die  Standschaft,  von  welcher  in 
Bezug  auf  die  verschiedenen  Arten  von  Städten  zu  reden  sein 
wird,    beruht    daher    ausschliesslich  auf  der  Privilegirung,    auf 
Acten,    welche    in  der  kaiserlichen  Machtvollkommenheit  ihren 
einzigen  und  ausschliesslichen  Grund  hatten.  Ja  es  möchte  ge- 
stattet sein  zu  behaupten,    dass  man  gemeiniglich  eine  viel  zu 
grosse  HoÖnung    darauf  setzt  aus  dem  innern  Rechtsleben  der 
Städte  den  Act  ihrer  Standeserhöhung  zu  erklären,  während  in 
den  meisten  Fällen   für  die  alten  deutschen  Kaiserregierungen 
hauptsächlich  strategische  und  finanzielle  Gründe  maassgebend 
waren,    die    grössern    Emporien    des    Verkehrs    und    die    ver- 
theidigungsfähigen    Plätze    besonders    an    der    Westgrenze    des 
Reiches    in    ein    unmittelbares  Verhältniss    zur  Reich sregieri>ng 
zu  setzen  oder  in  einem  solchen  zu  erhalten.    Dieser  Tendenz 
kamen  die  geistlichen  Städte  entgegen,    aber    sie    brachten    sie 
nicht  hervor.    Die  Zustände  in  den  Bischofsstädten  gaben  den 
Kaisern  bequemere  Handhabe,  dieselben  an  das  Reich  zu  ziehen, 
als  sie  solche  in  den    weltlichen  Fürstenthümern    fanden,    aber 
der  Act  der  Standeserhöhung  einer  Stadt    war    immer  ein  Act 
der  Privilegirung,  welcher  dadurch  von  seiner  Wesenheit  nichts 
verlor,    dass    er    eine    Gesammtheit    und    nicht    eine    einzelne 
Person  betraf. 

Wenn  man    nun    die  Frage    erhebt,    wann   jene  Standes- 
erhöhung von  Strassburg  vor  sich  ging,  so  wird  man  nicht  etwa 


Ueber  den  Unterschied  Ton  Reichsstädten  und  Landstädten.  29 

auf  solche  Privileg-ien  Rücksicht  nehmen  dürfen,  welche  ein- 
zelne Rechte  vollends  in  Uebereinkunft  mit  der  bischöflichen 
Regierung  oi-dneten,  sondern  nur  von  solchen  kann  die  Rede  sein, 
welche  die  Reichsuumittelba.rkeit  im  Ganzen  aussprachen.  Es 
liegt  nun  nahe,  an  die  Urkunde  König  Philipps  von  1205  zu 
denken,  von  welcher  aber  Hegel  (Städtechr.  VIII.  S.  23)  meint: 
,Es  ist  sicher  zu  viel  gesagt,  wenn  man  hierin  schon  die  Ver- 
leihung der  Reichsunmittelbarkeit  an  die  Stadt  erkennen  will, 
denn  sie  hörte  darum  nicht  auf  bischöfliche  Stadt  zu  sein,  aber 
eine  Unterscheidung  der  Stadt  und  der  bischöflichen  Herrschaft 
und  ein  unmittelbares  Verhältniss  des  Königs  zu  jener  ist 
immerhin  damit  ausgedrückt^.  Nun  ist  aber  auffallend,  dass 
Hegel  den  Beginn  der  Reichsunmittelbarkeit  nicht  weiters  in 
seiner  gründlichen  Darstellung  zu  fixiren  im  Stande  war.  Wir 
wollen  daher  hier  einstweilen  die  Bemerkung  machen,  dass  die 
Formel,  unter  welcher  von  König  Philipp  die  Stadt  privilegirt 
wird,  ausdrücklich  von  Standeserhöhung  (utilitatem  pariterque 
honorem  civium  promovendum)  spricht.  Wie  man  aber  auch 
hierüber  denken  mag,  als  wichtigstes  Moment  der  Stadtfreiheit 
erscheint  ohne  Zweifel  in  der  von  Hegel  als  zweites  Stadtrecht 
bezeichneten  Urkunde  der  Umstand,  dass  die  Rathmeister, 
Stadtrichter  gewählt  sind.  (Inter  quos  unus  magister  vel  duo  si 
necesse  fuerit,  eligantur.)  Indem  nun  die  Entwickelung  des 
Raths  maassgebend  wurde  für  die  Stellung  der  Stadt  nach  aussen 
und  innen,  bleibt  das  Verhältniss  zum  Bischof  auch  nach  dem 
Waltherianischen  Kriege  immer  ein  Bestandtheil  der  Verfassung, 
doch  ist  dasselbe  im  Wege  des  Vertrags  geordnet  (Hegel  a.  a.  O. 
S.  31)  und  hiemit  ohne  Zweifel  die  Anerkennung  der  Stadt  als 
Reichsstand  zum  rechtlichen  Ausdruck  gebracht. 

Ein  Moment  aber  findet  sich  gewöhnlich  zu  wenig  berück- 
sichtigt und  hierin  möchte  man  wohl  das  wichtigste  Kriterium 
der  Rathsgewalt  erblicken  dürfen  :  die  Leitung  und  P^utscheidung 
über  die  bewaffnete  j\Iacht.  Hegel  meint,  dass  die  im  zweiten 
Stadtrecht  vorkommenden  letzten  Bestimmungen  spätere  Zusätze 
sein  könnten.  Immerhin  ist  aber  darin  die  Voraussetzung  ge- 
macht, dass  die  Stadt  eine  selbstständig  bewaffnete  iSIacht  unter- 
hält. Ob  sie  zunächst  nur,  wie  Hegel  meint,  in  Verwendung 
kommt,  wenn  der  Bischof  einverstanden  ist,  muss  dahingestellt 
bleiben,  im  Waltherianischen  Kriege  trat  die  bewaffnete  Macht 


30  I-orenz. 

Strassburgs  gegeu  den  Bischof  selbst  mit  Erfolg  auf  und 
seit  1262  war  das  Watfenrecht  im  Sinne  eines  dem  Rath  zu- 
kommenden Regierungsattiibuts  nicht  zweifelhaft.  Von  einem 
andern  Rechte  des  Raths  ist  die  Zeit  des  Anfangs  iu  Strass- 
burg  kaum  in  scharfer  Weise  beobachtet  worden;  doch  braucht 
nur  erinnert  zu  werden,  dass  Strassburg  bereits  im  Städtebund 
vom  Juli  1254  einbegriffen  war,  um  sicher  zu  stellen,  dass  das 
Recht,  Bündnisse  und  Frieden  zu  schliesseu,  der  Reichsstadt 
seit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  zukam. 

Man  sieht  also,  dass  der  Rath  in  Strassburg  eine  Ver- 
einigung von  höchsten  Regierungsgewalten  besass,  welche  sich 
aus  der  von  den  Kaisern  auf  dem  Wege  des  Privilegiums  er- 
langten Reichsstandschaft  entwickelten  und  die  weder  mit  dem 
Ursprung  des  städtischen  Wesens,  noch  auch  mit  der  Gerichts- 
barkeit und  Gerichtshoheit  irgend  zusammenhängen,  sondern 
einen  lediglich  politischen  Charakter  an  sich  tragen. 

Betrachten  wir  nun  die  Stellung  von  Köln,  so  lässt  sich 
zunächst  an  dasjenige  anknüpfen,  was  soeben  von  dem  Waffen- 
rechte der  Reichsstädte  gesagt  worden  ist,  und  in  diesem  Punkte 
führt  die  Verfassungsgeschichte  sogar  in  eine  bedeutend  ältere 
Zeit  zurück  als  die  von  Strassburg.  ,Wir  datirten',  sagt  Hegel 
in  der  Einleitung  zu  den  kölnischen  Chroniken  III,  S.  I,  ,den 
Anfang  der  selbständigen  Politik  der  Stadt  nach  aussen,  also 
auch  ihrer  Autonomie  im  Innern,  schon  vom  Beginn  des  12.  Jahr- 
hunderts an,  als  die  wehrhaften  Bürger  von  Köln  dem  schwer 
bedrängten  Kaiser  Pleinrich  IV.  zu  Hilfe  kamen,  und  ohne 
ihren  Erzbischof  die  Stadt  gegen  Heinrich  V.  vertheidigen 
halfen,  ja  den  Widerstand  selbst  nach  dem  Tode  des  Kaisers 
fortsetzten'.  (Vgl.  köln.  Chron.  I,  S.  XXVII.)  Wenn  ausserdem 
von  der  conjuratio  pro  libertate  im  Jahre  1112  als  Zeichen  der 
Stadtfreiheit  bereits  geredet  wird,  so  bietet  zwar  die  Geschichte 
Kölns  die  Schwierigkeit,  dass  man  mehr  durch  Schriftsteller 
als  durch  Urkunden  über  das  12.  Jahrhundert  unterrichtet  ist, 
um  so  gewisser  aber  kann  man  behaupten^  dass  den  grossen 
Reichsprivilegien,  welche  die  Stadt  im  K>.  Jahrhundert  erwarb, 
das  Verfügungsrecht  des  Raths  über  die  bewaffnete  Macht  stets 
zur  Seite  ging.  Gerade  in  Köln  zeigt  sich  der  Parallelismus, 
welcher  zwischen  der  Reichsstandschaft  und  dem  Waffenrechte 
einer  freien   Stadt    bestand,    in    voHkommenster  Weise.     Wenn 


Ueber  den  Unterschied  von  Keichsstädten  und  Landstädten.  31 

uns  aber  jenes  erwähnte  frühe  Beispiel  von  der  Antheilnahme 
der  Bürgerschaft  an  den  Reichskricgerij  kein  besonders  charak- 
teristisches Merkmal  der  ReichstVeiheit  zu  sein  scheint,  so  liegt 
der  Grund  darin,  dass  nicht  der  Rath  der  Stadt  im  Besitze 
einer  legalen  Kriegsgewalt  sein  konnte,  weil  der  letztere  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes  überhaupt  erst  im  13.  Jahrhundert 
auttritt  und  wie  jetzt  Hegel  klar  genug  nachweist,  als  eine 
neue  Institution  ins  Leben  tritt.  Indem  der  neue  Rath  (ut  de 
consilio  non  juratorum  civitas  ipsa  rcgatur)  die  Bestimmung 
hatte,  in  Vertretung  der  Gesammtbürgerschaft  die  Stadtregierung 
zu  bilden,  ist  das  Organ  auch  in  Köln  geschaffen,  um  die 
Rechte  der  Reichsstandschaft  auszuüben,  diese  selbst  aber  ist 
auch  hier  als  ein  Ausfluss  der  kaiserlichen  Privilegien  zu  be- 
trachten. Ueber  die  letzteren  braucht  hier  nur  erinnert  zu 
werden,  dass  diejenigen  Wilhelms  und  Richards  eine  weiter- 
gehende Freiheit  der  Stadt  auch  gegenüber  dem  Kaiserthurae, 
diejenigen  Rudolfs,  Adolfs  und  Albrechts  aber  Schutz-  und  Frei- 
heitsbriefe sind,  welche  den  Vorbehalt  machen,  dass  die  Stadt 
vor  seiner  Majestät  selbst  zu  Recht  zu  stehen  bereit  sein  würde. 
,Die  Hoheitsrechte  des  Erzbischofs',  sagt  Hegel,  , waren  durch 
Antheilnahme  der  Bürger  an  ihrer  Ausübung  beschränkt,  im 
übrigen  wurde  das  beiderseitige  Verhältniss,  wie  zwischen 
selbständigen  Mächten  durch  besondere  Verträge  festgestellt'. 
Wollte  man  endlich  noch  bezweifeln,  dass  die  Ertheilung  der 
Reichsunmittelbarkeit  als  eine  Standeserhöhung  aufzufassen  ist, 
so  liegt  der  Beweis  davon  nicht  allein  darin,  dass  die  Bürger 
vom  Kaiser  Friedrich  II.  und  von  Rudolf  I.  als  nobiles  bur- 
genses  Colonienses  bezeichnet  werden,  sondern  auch  in  dem  von 
Hegel  (a.  a.  O.,  S.  XCII)  hervorgehobenen  Umstände,  dass 
reichsunmittelbare  Herren  ohne  Minderunir  ihres  Standes  von 
der  Stadt  Lehen  nehmen  konnten. 

So  erscheint  demnach  in  Köln  die  Reichsstandschaft  der 
Bürger  ganz  besonders  scharf  ausgeprägt,  und  man  ist  hier  in 
der  angenehmen  Lage,  alle  Momente,  welche  sich  auf  die  Ge- 
richtsgewalt der  Stadt,  oder  auf  den  Ursprung  ihres  Gerichts- 
wesens beziehen,  ganz  ausser  Acht  lassen  zu  können,  um  zu 
erkennen,  dass  der  Schwerpunkt  der  ganzen  kölnischen  Freiheit 
ausschliesslich  in  der  politischen  Stellung  der  Stadt  gesucht 
werden   muss. 


32  Lorenz. 

Geht  man  nun  auf  die  Entwickelung  von  Worms  über, 
so  findet  man  zwar  wie  bei  Köln  ein  frühzeitiges  Beispiel  vom 
Gebrauch  der  bewaffneten  Macht  im  Gegensatze  zum  Stadtherrn, 
indem  auch  die  Wormser  Bürger  für  Heinrich  IV.  Partei 
nehmen,  aber  die  politische  Macht  des  Raths,  auf  deren  Nach- 
weisung hier  im  Gegensatze  zu  den  Erscheinungen,  die  wir  in 
Landstädten  zu  beobachten  haben,  alles  ankommt,  war  auch  in 
Worms  erst  in  Folge  ausdrücklicher  Privilegirung  und  Er- 
hebung in  den  Reichsstand  zu  Tage  getreten. 

Leider  ist  die  Geschichte  von  Worms  in  den  älteren 
Zeiten  ungleich  kümmerlicher  überliefert  als  diejenige  von 
Strassburg  und  Köln,  und  es  ist  daher  erklärlich,  dass  sich 
über  Arnolds  eingreifende  Forschungen  über  die  Ausbildung 
und  Entstehung  des  Raths  und  der  Rathverfassung  der  mannig- 
faltigste Streit  und  die  grössten  Meinungsverschiedenheiten  er- 
gaben. Hiebei  ist  die  Frage  über  die  Echtheit  der  Urkunde 
Kaiser  Friedrichs  I.  von  1156  für  unsere  Untersuchung  nur 
von  geringer  Bedeutung.  Auch  wenn  sie  echt  w'äre,  könnte  man 
schwerlich  aus  derselben  beweisen,  dass  Worms  durch  dieses 
Privilegium  Friedrichs  I.  die  Reichsunmittelbarkeit,  die  volle 
Reichsstandschaft  ei-langt  habe.  Dagegen  wird  man  Arnold  unter 
allen  Umständen  beistimmen  müssen,  dass  der  Rath  von  Worms 
ein  frühzeitiges  Beispiel  einer  auf  autonome  Entwickelung  be- 
ruhenden Unabhängigkeit  aufstellt.  Was  auch  der  Ursprung  der 
Wormser  Rathsverfassung  gewesen  sein  möchte,  dieselbe  machte 
sich,  wie  man  aus  den  Urkunden  Kaiser  Friedrichs  II.  und 
Heinrichs  VII.  ersieht,  in  einer  Ausdehnung  geltend,  die  zum 
Widerspruche  von  Seite  der  Stadtherren  herausforderte.  Die 
letztere  Erscheinung  ist  zwar  auch  in  Köln  und  Strassburg  zu 
bemerken,  aber  wohl  nirgends  fanden  die  Bischöfe  in  ihrem 
Widerstände  gegen  die  Rathsfreiheiten  eine  so  rücksichtslose 
Unterstützung,  wie  die  von  Worms  durch  Kaiser  Friedrich  11. 
und  seinen  Sohn  Heinrich  VII.  Es  ist  ja  nun  richtig,  dass  für 
den  Verlauf  der  inneren  Verfassungsgeschichte  einer  Stadt  jene 
Momente  das  grösste  Interesse  darbieten,  welche  die  Eigen- 
ständigkeit der  Rechtsbildung  am  deutlichsten  erkennen  lassen, 
andererseits  wird  aber  sicherlich  gerade  bei  Worms  nicht  ge- 
läugnet  werden  können,  dass  die  Sicherheit  und  Stetigkeit  der 
Entwickelung  der  Rathsgewalt  gerade  so  lange  mangelt,  als  die 


Ueber  dpn  Unterschied  von  Beichsstfidten  mn\  LandsUiUen.  ÖD 

Privilcs>iruug  der  Stadt  durch  die  Reichsg-ewalt  auf  unsicherer 
und  unnachweislicher  Basis  beruhte.  Arnold  beklagt  das  wech- 
selnde und  willküilich  erscheinende  Auftreten  Friedrichs  II. 
gegen  die  vStädte,  gegen  Cambray,  Verdun^  Basel  und  andere 
Städte,  wie  gegen  Worms,  allein  alle  diese  Vorgänge  beweisen 
nur,  dass  eine  wirkliche  Unabhängigkeit  des  Kaths  von  den 
alten  Stadtgewalten  mit  Zuverlässigkeit  auf  gar  keinem  andern 
Grunde,  auf  gar  keiner  andern  Institution  beruhte,  als  auf 
der  durch  das  kaiserliche  Privilegienrecht  sichergestellten  Reichs- 
standschaft, welche,  wenn  wir  nicht  irren,  bei  der  Betrachtung 
der  Städteentwickelung  gar  nie  genug  hoch  angeschlagen  werden 
kann.  Erst  durch  die  volle  Erklärung  des  Kaisers,  dass  ejue 
Stadt  unmittelbar  dem  Reiche  zugehöre,  konnte  diese  in  einen 
ebenbürtigen  politischen  Verkehr  mit  andern  reichsunmittel- 
baren Ständen  treten,  und  nur  aus  dieser  Staudesebenbürtigkeit 
floss  die  spätere  wahrhaft  politisch  bedeutende  Stellung  der 
Reichsstädte.  Dass  es  aber  wirklich  bei  der  städtischen  Ent- 
wickelung  schliesslich  immer  auf  diese  Standesfrage  hinauslief, 
dafür  ü'ibt  wieder  Worms  ein  schon  von  Arnold  in  seiner  Be- 
deutung  nicht  verkanntes  Beispiel.  Es  mag  gestattet  sein,  Ar- 
nold's  Worte  selbst  (Verfg.  d.  d.  Frei  Städte  II.  106)  über  die 
Vorgänge  unter  König  Rudolf  hier  anzuführen :  ,Bischof  Eber- 
hard sprach  die  Worte  der  Eidesformel  vor,  und  die  Büi-ger 
wiederholten  sie:  Dass  wir  Bürger  von  Worms  unserm  Herrn, 
dem  römischen  König  Rudolf,  der  hier  gegenwärtig  ist,  also  hold 
und  also  getreu  seien,  also  zu  Recht  eine  freie  Stadt  dem  Reiche 
von  Rom  sein  soll,  die  da  ist  gefürstet  von  dem  Reich, 
sein  Reich  zu  wahren,  seinen  Schaden  zu  warnen  wider  männig- 
lich  ohne  alle  arge  List,  so  uns  Gott  helfe  und  die  Heiligen'. 
, Einige  Tage  darauf  bestätigte  Rudolf  seinen  lieben  Bürgern 
in  Anbetracht  der  Treue,  welche  sie  gegen  seine  Vorfahren  am 
Reich  bewiesen  haben  und  zu  Erweiterung  ihrer  Freiheit  alle 
Privilegien  sammt  und  sonders,  die  ihnen  von  Kaiser  Friedrich  IL 
und  dessen  Vorfahren  verliehen  sind.  Die  Eidesformel  ist  des- 
halb merkwürdig,  w^eil  die  Stadt  darin  eine  freie  und  gefürstete 
genannt  wird:  sie  steht  also  den  Fürsten  des  Reichs  gleich 
und  soll  dieselben  Rechte  haben  wie  diese^  Sie  ist  hiedurch 
berechtigt  und  in  die  Lage  gesetzt  im  Innern  eine  Regierung 
einzurichten ,  welche  den  landeshoheitlichen  Rechten  der  Fürsten 

SitzuDgsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  3 


34:  Lorenz. 

entspi'icht,  sie  wird  nach  aussen  übei-  ihre  eigene  bewaffnete 
Macht  frei  verfügen,  Verträge  und  Frieden  schliessen  dürfen.  Wie 
alle  diese  Attribute  eben  im  innigsten  Zusamoaenhange  mit  der 
Standschaft  stehen,  welche  ihrerseits  doch  sicherlich  aus  dem 
kaiserlichen  Privilegienrecht  abstammt,  zeigt  mithin  gerade  die 
Verfassung  von  Worms  bis  zur  vollen  Evidenz,  und  es  ist 
vielleicht  nunmehr  Zeit,  sich  zu  erinnern,  wie  jenes  honormi 
civium  'promovendum,  auf  das  man  in  Strassburg  aufmerksam 
wurde  und  die  ,nobiles  von  Köln'  und  die  ,gefürstete  Stadt 
von  Worms'  in  unzweifelhaftem  Zusammenhange  zu  stehen 
scheinen. 

Auch  in  Basel  begegnet  der  Ausdruck  nobilis  civitas  in 
derselben  Zeit,  wo  die  Stadt  die  volle  Unabhängigkeit  von  der 
bischöflichen  Herrschaft  in  Anspruch  nimmt,  nachdem  die  Reichs- 
standschaft durch  ein  leider  verlorenes  Privileg,  in  welchem  die 
Regierungsrechte  des  Raths  anerkannt  wurden,  von  Friedrich  II. 
ertheilt  worden  ist.  Arnold  (II.  10)  fasst  den  Inhalt  des  Frideri- 
cianischen  Privilegs  in  dem  Sinne  auf,  dass  es  sich  um  die 
ausdrückliche  Bewilligung  eines  unabhängigen  Raths  gehandelt 
hätte,  und  dass  die  drei  Jahre  später  erfolgten  Beschlüsse  der 
Fürsten  die  volle  Zurücknahme  der  gewährten  Freiheit  zu  be- 
deuten gehabt  hätten.  Heusler  dagegen  will  (Verfassungsgesch. 
von  Basel.  S.  109)  in  dem  Urtheil  der  Fürsten  ,keineswegs 
eine  totale  Vernichtung  der  städtischen  Unabhängigkeit'  er- 
blicken und  bezieht  die  Neuerung,  welche  durch  das  Privileg 
Friedrichs  II.  geschaffen  worden  wäre,  auf  das  Recht  des  Raths, 
in  autonomer  Weise  Steuern  zu  erheben.  Dem  entsprechend 
darf  denn  auch  mit  Heusler  (S.  162)  angenommen  werden, 
dass  die  Stadt  fortfuhr,  dem  König  und  dem  Reiche  unmittel- 
bare Dienste  zu  leisten,  wie  ja  auch  Heinrich  VII.  die  Dienste 
belobt,  welche  seine  und  des  Reichs  getreue  Bürger  von  Basel 
geleistet  hatten,  weshalb  er  ihnen  das  Recht  ertheilte,  Ritter- 
lehen zu  erwerben.  Im  Zusammenhange  mit  der  reichsunmittel- 
baren Stellung  ist  die  selbständige  Ausübung  des  Waffenrechts 
seitens  der  Stadt,  die  selbständige  Betheiligung  derselben  an 
den  Reichskriegen ,  ferner  ihr  Antheil  an  den  Städtebünd- 
nissen und  Friedenseinungcn  seit  Mitte  des  13.  Jahrhunderts 
aufzufassen.  Als  entscheidend  in  letzterer  Beziehung  darf  man 
bezeichnen,    dass    das    Bündniss    Basels    mit    Strassburg    vom 


üeber  den  Unterschied  von  Keichsstädten  und  Landstädten.  öö 

Jahre  1261  von  Bürg-ermeister  und  Rath  ohne  jede  Erwähnunj>- 
des  Vogts  abgeschlossen  werden  durfte.  (Heusler  a.  a.  O.  154.) 

Man  sieht  daher,  dass  auch  in  Basel  die  höchsten  Attri- 
bute der  politischen  Gewalt  im  Zusammenhange  mit  der  Reichs- 
standschaft erworben  sind  und  dass  sie  in  dem  Maasse  zur 
Geltung  und  Anerkennung  kommen,  in  welchem  die  Stadt  in 
ein  unmittelbares  Verhältniss  zu  Kaiser  und  Reich  gelangt 
war.  ,Honestas  civitatis  Basilieyisis'  heisst  es,  als  Titulatur 
der  freien  Stadt,  in  dem  Privilegium  König  Richards  vom 
5.  November  12G2,  wobei  man  dahingestellt  sein  lassen  kann, 
ob  hierin  gegenüber  dem  Ausdruck  uobilis  civitas,  welchen 
Friedrich  II.  gebraucht  hatte,  ein  Fortschritt  oder  Rückschritt 
zu  erblicken  wäre,  sicher  ist  nur,  dass  auch  in  Basel  die  er- 
langte Reichsstandschaft  durch  die  Einführung  eines  auszeich- 
nenden Titels  von  Seite  der  kaiserlichen  Gewalt  anerkannt 
wird.  Hiemit  mag  man  sogleich  die  folgende  Stelle  aus  einer 
Urkunde  des  Kaisers  Friedrich  II.  für  den  Bischof  von  Regens- 
burg vergleichen,  worin  auch  die  Stellung  der  Stadt  Regensburg 
dem  Kaiserthume  und  Reich  gegenüber  genauer  detinii-t  wird 
und  wo  es  heisst:  honestas  consuetudines,  quas  cives  ejusdem 
civitatis  eventu  qualicunque  ad  nostram  potestatem  retorserant 
recognovimus  et  pleno  restituimus,  volentes  eandem  civitatem 
universaliter  sub  antiquo  jure  ipsum  respicere  imperio  conser- 
vandam.  (Ried  323,  wozu  Arnold  I.  381  ff.  zu  vergleichen.) 
Am  10.  November  1245  bestätigte  Friedrich  den  Bürgern  —  ad 
honorem  nostrum  et  imperii  et  utilitatem  civitatis  magistros 
seu  rectores  civium  vel  quoslibet  ofliciales  alios  libere  ordinäre  — 
die  freie  Wahl  ihrer  Obrigkeit.  Damit  war  die  Reichsstand- 
schaft von  Regensburg  sicher  gestellt  und  die  politischen  Rechte 
des  Raths  zeigten  sich  in  der  Theilnahme  Regensburgs  an  den 
Landfriedensverträgen  unter  Rudolf  I.  Dass  der  Rath  auch  über 
die  bewaffnete  Macht  selbständig  verfügte,  erwiesen  die  Vor- 
gänge während  des  Interregnums  und  während  des  Krieges 
zwischen  Böhmen  und  Baiern. 

Viel  später  dagegen  ist  die  Reichsstandschaft  von  Augs- 
burg nachweisbar,  denn  die  Landeshoheit  war  zwischen  dem 
Bischof  und  den  Herzogen  von  Schwaben  getheilt,  ähnlich  wie 
auch  in  Regensburg  früher  die  Herzoge  von  Baiei-n  auf  die 
Einsetzung  des  Vogts  Einfluss  nahmen.  Die  Vogtei  in  Augsburg 


• 


H 


3 


* 


36  Lorenz. 

übertrug    Konrad    von    Schwaben    auf   seinen    Oheim,    Herzog 
Ludwiy,      der     an     derselben     festzuhalten     entschlossen     war. 
Hieraus  erklärt    sich    wahrscheinlich  auch,    dass  König  Rudolf 
bei    seinem  Aufenthalte    zu    Augsburg   im    Frühjahre    1276    es 
nicht  wagte,    die  Reichsstandschaft  der  Stadt  ohne  weiters  an- 
zuerkennen.   Alles  was  er  den  Bürgern  gewährte,  war  die  Er- 
laubniss,  ein  Statutenbuch  anlegen  zu  dürfen ;  aus  dem  letzteren 
ist  zwar  zu  ersehen,  dass  ein  Rath  unter  dem  Namen  der  con- 
sules  bereits  bestand,  aber  die  Existenz  desselben  glaubt  auch 
Frensdorff  (Städtechr.  IV.,  XXVni)  nicht  vor  dem  Jahre  1266 
annehmen  zu  sollen.  Was  die  für  unsere  Frage  überhaupt  ent- 
scheidende   Stellung   Augsburgs    zum  Reiche    anlangt,    so    mag 
es  gestattet  sein,  die  Worte  Frensdorff's  folgen  zu  lassen:  ,Unter 
den  königlichen  Privilegien  kehrt  keines  so    häufig  wieder   als 
die  Befreiung  der  Bürger  von  auswärtigen  Gerichten.     Zuerst 
von  König  Adolf  im  Jahre  1294  ertheilt,    wird    sie    dann    fast 
von  jedem  der  nachfolgenden  Herrscher  aufs  neue  ausgesprochen. 
Besonders  freigebig    in  der  Verleihung  von  Privilegien  bewies 
sich  König  Ludwig    der    Baier    gegen    die  Stadt,    der    er   aber 
auch  grossen  Dank  schuldig  war;    hatte  sie  doch  von  Anfang 
an  in  dem  Streit  mit  Friedrich  von  Oesterreich  zu  ihm  gehalten, 
nicht    nur    im    Gegensatz    zu    ihrem    eigenen    Bischof,    sondern 
auch  fast  allein  von  allen  schwäbischen  Städten.  Hervorhebens- 
werth  ist  besonders  eine  Urkunde  vom  9.  Januar  1316,  welche 
die  Stadt,    da    sie    ,uua    de   lionorahilioribtis   et   principalioribus 
imperii  civitatibus    esse  dinoscatur',    für    ewig    unveräusserlich 
vom  Reiche  erklärt,  ihre  Bürger  den  Reichsministerialen  gleich- 
stellt, so  dass  sie  gleich  diesen  mit  Edeln  und  Vasallen  zu  Ge- 
richt  sitzen    und    Urtheil    finden  können,    ihre  Habe    und  Gut 
unter  Androhung  der  Acht  gegen  das  Recht  der  Gruntrur  schützt, 
endlich  allgemein  nicht  bloss  die  ihr  früher  ertheilten  Privilegien, 
sondern  auch  ihre  löblichen  Gewohnheiten  bestätigt'. 

Halten  wir  das  hier  besprochene  Privileg  insbesondere 
mit  den  die  Standeserhöhung  der  Bürgerschaft  von  Köln  so 
deutlich  darthuenden  Privilegien  und  Verhältnissen  zusammen, 
so  sollte  man  denken,  dass  über  das  eigentliche  Wesen  der 
Reichsstädte  kein  Zweifel  bestehen  kann.  Die  auf  dem  Wege 
der  Privilegien  ihnen  zugekommene  Reichsstandschaft  erhebt 
sie    in    die    Reihe   jener    unmittelbaren    Glieder    des    Reiches, 


üeber  den  unterschied  vnn  Reichsstfidteii  >ind  Landstädten.  37 

welche  unter  einander  Verträge  schliessen,  gegen  einander  Fehde 
erheben  und  Entscheidungen  nur  noch  vom  Reiche  und  von 
den  in  den  Reichsversammhingen  vertretenen  Ständen  als  Pares 
entgegennehmen.  Es  versteht  sich  nun  von  selbst,  dass  diese 
Reichsstandschaft  von  manchen  Städten  erworben  wurde,  bei 
denen  der  Nachweis  bis  jetzt  nicht  so  gründlich  geliefert  werden 
konnte,  wie  bei  den  bis  jetzt  betrachteten  Städten.  Auch  zeigt 
sich  bei  manchen  ein  gewisses  Schwanken,  welches  sich  aber 
nicht  von  jener  Unsicherheit  unterscheidet,  die  auch  bei  Dynasten 
in  Betreff  ihrer  Reichsunmittelbarkeit  zuweilen  bestanden  hatte. 
In  Speier,  dessen  Reichsstandschaft  wohl  nicht  zu  bezweifeln 
ist,  hält  es  ohne  Frage  schwerer,  das  entscheidende  Privilegium 
zu  bezeichnen,  welches  dieselbe  ein-  für  allemal  sichergestellt 
hatte.  Wollen  wir  uns  mit  der  einfacheren  Anerkennung  der 
Reichsunmittelbarkeit  begnügen ,  so  ist  zwar  in  Speier  seit 
König  Philipp  zu  sehen,  dass  die  Bürger  unzähligemale  als 
fideles  nostri  et  imperii  benannt  wurden,  aber  eine  recht  deut- 
liche Hinweisung  auf  ihre  Nobilität,  wie  dies  in  allen  den  an- 
geführten Fällen  vorkommt,  steht  uns  augenblicklich  nicht  zu 
Gebote.  Die  Ebenbürtigkeit  Speiers  und  der  genannten  Städte 
kann  nur  aus  den  Bündnissen  erkannt  werden,  zu  welchen  sie 
von  andern  reichsunmittelbaren  Ständen  als  vollberechtigt  an- 
gesehen  und  zugelassen  wurden.  Aehnlich  verhält  es  sich  auch 
mit  Mainz ,  dessen  schwankende  Reichsfreiheit  wenigstens 
im  13.  Jahrhundert  durch  die  harten  Schicksale  der  Stadt 
unter  Friedrich  I.  erklärt  werden  kann,  allein  die  Bündniss- 
fähigkeit von  Mainz  steht  seit  dem  rheinischen  Städtebund  fest. 
Man  muss  überhaupt  in  den  Kriterien  für  die  Erkenntniss  der 
Reichsstandschaft  nicht  allzu  ängstlich  sein.  Jahre  lang  aner- 
kannte El)enbürtigkeit  von  Seite  anderer  Reichsstädte  oder 
anderer  reichsunmittelbarer  Herrschaften  vermochte  nicht  selten 
die  Mängel  zu  ersetzen,  welche  eine  und  die  andere  Reichsstadt 
in  dem  Bestände  ihrer  Kaiserprivilegien  zu  empfinden  hatte. 
Wie  auch  reichsunmittelbare,  unzweifelhaft  freiherrliche  Familien 
den  Privilegienbestand  ihrer  Reichsstandschaft  oft  nur  auf  Um- 
wegen nachzuweisen  im  Stande  waren,  so  ergänzte  bei  manchen 
Reichsstädten  die  lange  anerkannte  Ebenbürtigkeit,  das  lange 
Zeit  geübte  Verfügungsrecht  des  Raths  über  die  bewaffnete 
Macht,  die  unbestrittene  Vertragsfähigkeit  derselben  Mängel  in 


38  Lorenz. 

Bezug-  auf  die  ausdrückliche  Anerkennung-  ihrer  Nobilität.  Ent- 
scheidend in  den  Bischofsstädten  war  in  dieser  Beziehung  nicht 
selten  das  Verhalten  der  Bischöfe  als  früherer  Stadtherren  unter 
allen  Umständen,  und  es  gab  kein  günstigeres  Vorurtheil  für 
eine  Stadtbehörde  als  die  Thatsache,  dass  sich  der  Bischof  selbst 
auf  den  Vertragsstandpunkt  mit  seiner  Stadt  eingelassen  hatte. 
Lag  ein  solches  Präjudiz  vor,  so  fand  natürlich  auch  das  Be- 
kehren der  Stadtbehörden  in  dei-  kaiserlichen  Kanzlei,  als 
reichsunmittelbar  anerkannt  zu  werden,  bei  weitem  leichteren 
Eingang,  und  bei  der  Bereitwilligkeit  des  Kaiserthums,  von 
seinem  Privilegienrecht  ausgedehntesten  Gebrauch  zu  machen, 
bedurfte  es  untei-  solchen  Umständen  oft  genug  nur  einer  sehr 
unvollkommenen  Vorlage  von  Seite  der  Stadt,  um  eine  Bestätigung 
der  Reichsstandschaft  zu  erwirken.  So  erklärt  es  sich,  dass  der 
thatsächliche  Gebrauch  gewisser  reichsständischer  Rechte  der 
Privilegirung  zuweilen  vorausging.  Ohne  eine  jede  solche 
Privilegirung  von  Seite  der  kaiserlichen  Gewalt  hätte  indessen 
auf  die  Länge  keine  Stadt  ihre  Reichsstandschaft  aufrecht  zu 
halten  vermocht,  und  es  werden  sich  sicher  auch  wenige  reichs- 
unmittelbare Städte  finden,  welche  nicht  in  irgend  einer  Form 
als  unmittelbare  Glieder  des  Reichs  anerkannt  worden  wären. 
Am  gewöhnlichsten  geschah  dies  von  Seite  der  Kaiser  mit  den 
Ausdrücken  cives  nosti-i,  fideles  nostri,  fideles  imperii.  Auch 
wo  der  Nobilität  besonders  gedacht  ist,  wie  in  Rudolfs  Privileg 
1278,  If).  November  für  Köln,  fehlt  der  Ausdruck  dilectorum 
nostrorum  et  imperii  tidelium  neben  nobilium  civiura  Colonien- 
sium  nicht,  während  es  für  die  schwankenden  Verhältnisse  von 
Mainz  bezeichnend  ist,  dass  Rudolf  I.  1275,  28.  März,  gewisse 
Abgabenfreiheit  nur  civibus  Maguntinis  schlechtweg  bestätigt. 
Es  ist  schon  Eingangs  bemerkt  worden,  dass  wir  bei 
dieser  Erörterung  auf  den  speciellen  Unterschied,  den  Arnold 
und  Heusler  für  die  sogenannten  sieben  freien  Städte  gegenüber 
den  Reichsstädten  besonders  für  das  14.  und  15.  Jahrhundert 
aufrecht  erhalten  wissen  wollen,  nicht  weiter  eingehen.  Es  ist 
gewiss  zu  billigen,  wenn  die  Erscheinung,  dass  sich  sieben 
bischöfliche  Städte  zuweilen  ganz  absichtlich  als  freie  Städte 
im  Gegensatze  zu  den  Reichsstädten  genannt  haben,  und  an- 
dererseits auch  in  Diplomen  kaiserlicher  Kanzleien  so  bezeich- 
net wurden,   neuerdings  in  die  Specialuutersuchungen  über  das 


Ueber  den  UnterBchied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  39 

Stildtewesen  bezogen  worden  ist,  allein  unter  dem  Gesichts- 
punkte der  Reichsstaudschaft,  der  hier  für  die  Betrachtung 
maassgebend  ist,  kommt  dieser  Unterschied  weniger  in  Betracht, 
weil  er  eine  ständische  Verschiedenheit  nicht  begründete. 
Man  braucht  heute  nur  in  die  Acten  der  Städtetage,  wie  sie 
"Weizsäcker  in  den  Reichstagsacten  vorlegte,  einen  Blick  zu 
werfen,  um  sich  zu  überzeugen,  dass  die  freien  Städte  als 
solche  keinen  Anspruch  erheben  durften,  Sie  haben  sich 
nicht,  wie  die  Kurfürsten  zu  einer  besonderen  Kammer  des 
Fürstenstandes,  als  eine  besondere  Städtecurie  zu  gruppiren 
vermocht  und  fielen  daher  mit  der  Zeit  in  ihre  ursprüngliche 
Stellung  zurück.  Ständisch  betrachtet  existirte  nur  das,  was 
politische  Anerkennung,  politische  Geltung  erwarb.  Es  lässt 
sich  nicht  läugnen,  dass  die  freien  Städte  ihre  besondere  und 
eigenthümliche  Stellung  in  Bezug  auf  Lasten  und  Leistungen 
der  kaiserlichen  Kammer  gegenüber  mit  Erfolg  vertraten,  wobei 
wir  hier  ganz  unbeachtet  lassen,  aus  welchen  ursprünglichen 
Verhältnissen  diese  Ansprüche  abgeleitet  werden  wollten,  allein 
unter  den  Reichsständen,  als  Glieder  des  Reiches,  in  der  Reichs- 
versammlung stand  ihnen  keine  besondere  Bank  zur  Verfügung. 
Es  ist  daher  auch  gerechtfertigt,  dass  man  auf  den  Unterschied 
zwischen  Reichsstädten  und  freien  Städten,  die  sich  ja  dann 
wohl  auch  gelegentlich  des  Reichs  freie  Städte  und  mit  ähn- 
lichen Variationen  zu  bezeichnen  liebten,  in  Ansehung  ihres 
Gegensatzes  zu  den  Landstädten  kein  weiteres  Gewicht  legen 
wird.  Dass  es  übrigens  dabei  auf  den  bischöflichen  Charakter 
dieser  Städte  s-ar  nicht  ankommt,  wenn  man  die  im  14.  Jahr- 
hundert  aufgekommene  Bezeichnung  der  freien  Städte  erklären 
wollte,  könnte,  was  wir  nebenher  gegen  Arnold  und  Heusler 
bemerken  möchten,  am  besten  aus  den  niederländischen  Stadt- 
geschichten bewiesen  werden. 

Unter  diesen  Umständen  wird  es  nicht  nur  gestattet,  son- 
dern geradezu  nothwendig  und  erfordert  sein,  nunmehr  einen 
Blick  auf  die  eigentlich  sogenannten  Reichsstädte  oder  Königs- 
städte zu  werfen,  und  deren  Charakter  neben  dem  der  Bischofs- 
städte zu  entwickeln,  um  schliesslich  den  wesentlichen  Unter- 
schied festzustellen,  der  zwischen  allen  diesen  Städten  einerseits 
und  den  Landstädten  andererseits  besteht.  Bei  der  ungemein 
grossen  Auswahl,    die  aber  hier  zu  Gebote  stünde,    halten  wir 


40  Lorenz. 

uns  begreiflicher  Weise  wieder  zunächst  an  dasjenige  Material, 
welches  jetzt  von  Hegel  am  wohlgeordnetsten  vorgelegt  wurde, 
an  die  Verfassungsgescliichte  von  Nürnberg. 

So    lange    dieser    verhältnissmässig  junge    Ort    überhaupt 
bestand,    war  er  ein  königlicher  oder  kaiserlicher  Ort  und  als 
solcher  in    den  Urkunden  (castrum  regale)  bezeichnet  worden. 
Es    gilt    hier    von    Nürnberg    genau    dasselbe ,    was    von    allen 
Palatialstädten    gilt,    ein   Beispiel    reicht    vollkommen    für    alle 
aus.    Nun  könnte  aber  der  Umstand,  dass  die  königlichen  und 
kaiserlichen  Städte  seit  den  ältesten  Zeiten  vorkommen,  leicht 
zu  dem  Irrthume  Veranlassung  geben,  als  wenn  schon  an  und 
für  sich  in  diesem  Grundherrlichkeitsverhältniss  das  Kriterium 
für   den    Bestand    der    Reichsstadt  zu  suchen  wäre.     Wer    den 
Ursprung  des  Stadtwesens  in  dem  Sinne  verfolgt,  wie  dies  von 
Eichhorn,  Wilda,    Arnold  und  Nitzsch  beabsichtigt  wurde,    für 
den  stellt  sich  selbstverständlich    die  Frage    des  Grundbesitzes 
als  sehr  wesentlich  dar,    aber    welches   auch    die  Bestandtheile 
der  Bevölkerung,    aus    denen    die  Stadt   zusammengesetzt  war, 
gewesen  sein  möchten,  so  viel  ist  doch  klar,  dass  diese  Bevöl- 
kerung unmittelbar  mit  dem  Reiche  nichts  zu  thun  hatte.  Der 
König  setzte    auf  dem  Königsboden  seine  Richter  und  Beamte 
ein,  und  diese  Beamten  konnten  unter  Umständen  eine  Stellung 
im  Reiche  besitzen,    aber   die  von  ihnen  regierten  und  gerich- 
teten Stadtbewohner  nahmen  deshalb  doch  keinerlei  Beziehung 
zum  Reiche  und  waren  für  das  Reich    überhaupt    nur  insofern 
vorhanden,    als  sie  durch  den  König  oder  dessen  Beamte  ver- 
treten waren.    Eine  selbständige  staatliche  Existenz  hatten  sie 
nicht,  mochten  sie  nun   als  Stadtmark    eine    frühzeitige  Eigen- 
gerichtsbarkeit üben,    mochten  sie  im  Vogtsding  als  Genannte 
erscheinen,  mochten  sie  auf  was  immer  für  eine  Art  ihr  Recht 
finden  und  liegen.  Wenn  wir  nicht  sehr  irren,  wird  hiebei  auch 
auf  die  Qualität   der    königlichen  Beamten,    die    diesem  Stadt- 
wesen   vorstanden,    eine    für    die    spätere    Entwickelung    und 
Stellung  allzugrosse  Bedeutung  gelegt.     Weiss  man  doch,  dass 
die  verrottetsten  Burgflecken  und  die  gewaltigsten  Städte  später 
gleichberechtigte  Mitglieder  des  Reiches  waren,    ohne    dass  je- 
mals gefrjigt  worden  wäre,    wer    ursprünglich    der    vom  König 
beauftragte    Gerichtsherr    der    Stadt   eigentlich    gewesen    wäre. 
Audi  auldif  l'rii(0)t<Mi,  welche  die  auf  Königsboden  eutstaudeiion 


üeber  den  Unterschioil  von  Reichsstfiriten  uml   liatidstädten.  41 


Städte  hatten,  kommt  wenig  an.  Dass  sie  dem  König  unmittel- 
bar steuerten,  besagt  ebenso  wenig,  als  dass  sie  unter  ihrem 
Pfalzgrafen,  unter  ihrem  Scliultheiss  dem  königlichen  Banner 
folgten.  Solche  Pflichten  hatten  sie  mit  den  höchsten  und  nie- 
dersten mit  dem  unmittelbarsten  und  mittelbarsten,  mit  dem 
Freien  und  Dienstmannen  gemein;  man  vermag  in  diesen  Mo- 
menten nichts  zu  erblicken,  was  ein  besonderes  Kriterium  ihrer 
Stellung  gewesen  wäre.  Wo  sie  immer  in  Beziehung  zum 
Reiche  erschienen,  waren  sie  durch  ihre  vom  König  gesetzten 
Vorsteher  repräsentirt.  Eine  eigenständige  Bedeutung  im  Reiche 
hatte  in  den  älteren  Zeiten  die  Königsstadt  als  solche  ebenso 
wenig  wie  die  Bischofsstadt  oder  die  Landstadt. 

Wollen  wir  nun  die  Frage  beantworten,  wodurch  denn 
eine  auf  Königsboden  entstandene  Stadt  Reichsstadt  geworden 
ist,  so  ist  es  klar,  dass  der  Eintritt  in  das  neue  Verhältniss 
an  bestimmte  äussere  Ereignisse  geknüpft  sein  muss.  Nicht  in 
den  inneren  Vorgängen,  sondern  nur  in  der  äussern  Anerkennung 
der  Stadt  als  solcher  wird  mithin  die  Quelle  der  Reichsstand- 
schaft gesucht  Averden  müssen,  und  diese  Anerkennung  von 
Seite  des  Reiches  kann  daher  auch  den  königlichen  Städten 
nur  auf  dem  Wege  der  Privilegirung  zugekommen  sein,  d.  h.  ) 
auch  die  Reichsstandschaft  der  Königsstädte  wurzelte  in  ihren  j 
Reichsprivilegien. 

Durch  diese  Ueberlegung  will  nun  dasjenige,  was  man 
die  innere  Geschichte  der  Städte  nennen  kann,  durchaus  nicht 
zu  Gunsten  rein  äusserlicher  Thatsachen  in  seiner  Bedeutuns: 
für  das  Städtewesen  als  solchem,  herabgesetzt  werden.  Es  mag 
im  Gegentheil  darauf  hingewiesen  werden,  dass  die  äussere 
Privilegirung,  wie  bei  den  Bischofsstädten  häufig  nur  eine 
Folge  der  inneren  Entwickelung  gewesen  sein  möchte,  ja  dass 
nicht  selten  die  Privilegiumsertheilung  bei  den  Königsstädten 
wie  etwas  bloss  accessnrisches  erscheinen  konnte,  aber  dass 
die  Bürger  einer  Stadt  als  ebenbürtige  Glieder  des  Reiches  zu 
erscheinen  das  Recht  hatten,  ist  in  ihrer  Privilegirung  durch 
das  Reich  begründet. 

Erinnern  wir  uns  nun  an  die  Einzelnheiten  der  Geschichte 
von  Nürnberg.  In  dem  Sinne  der  voranstehenden  Erörterung 
glauben  wir  es  auffassen  zu  dürfen,  wenn  Hegel  von  Nürnbergs 
Entwickelung    im    allgemeinen    bemerkt,    ,dass    erst    unter   den 


42  Loren?,. 

staufisclien  Königen  und  Kaisern  neben  der  Burg  auch  die 
Stadt  heranwuchs,  weiche  bald  ein  für  sich  bestehendes  Gemein- 
wesen ausbildete  und  später  auch  die  Anerkennung  ihrer  poli- 
tischen Selbständigkeit  durch  königlichen  Freibrief  erhielt^ 
Zwar  ist  der  Ausdruck  ,politische  Selbständigkeit'  etwas  viel- 
deutig, doch  ist  aus  der  folgenden  Darstellung  Hegel's  der  Sinn 
desselben  nicht  wohl  misszuverstehen.  Ob  nun  zwar  der  den 
Bürgern  von  Nürnberg  von  Kaiser  Friedrich  II.  1219,  S.November 
ertheilteFreilieitsbrief  ihre  unmittelbare  Reichsstandschaft  sicher- 
stellte, möchte  keineswegs  ganz  sicher  behauptet  werden  dürfen, 
weil  darin  nichts  auf  eine  selbständige  Ausübung  von  Hoheits- 
rechten durch  den  Rath  hindeutet,  wohl  aber  wird  man  Hegel 
allgemein  darin  beipflichten,  dass  durch  das  Verhältniss  Nürn- 
berg's  zum  Städtebund  1254  der  Beweis  erbracht  werden  kann, 
dass  die  höchsten  politischen  Rechte  während  des  sogenannten 
Interregnums  vom  Rathe  ohne  Weiters  in  Anspruch  genommen 
werden.  Denn  das  merkwürdige  Schreiben,  in  welchem  Schul- 
theiss,  Rath  (consules)  und  die  Gesammtheit  der  Bürger  Regens- 
burg  als  eine  Schwesterstadt  bezeichnen,  zur  Aufnahme  in  den 
Städtebund  Glück  wünschen  und  jegliche  Hilfe  versprechen, 
beweist,  dass  die  Stadt  thatsächlich  die  Verfügung  über  die 
bewaffnete  Macht  besass  und  in  der  Bundesgenossenschaft  mit 
Städten  stand,  deren  Reichsstandschaft  unzweifelhaft  war.  Schul- 
theiss  und  Rath  wurden  mithin  als  ebenbürtige  Glieder  im 
Reiche  vun  den  Reichsstädten  anerkannt.  Dass  das  Privilegium 
Friedrichs  II.  zu  dieser  Entwickelung  die  Grundlage  schuf, 
ist  nicht  zu  zweifeln ;  es  ist  also  gewiss  richtig  den  Aiisgangs- 
punkt  von  demselben  zu  nehmen,  aber  die  eigentliche  Reichs- 
standschaft ist  denn  doch  erst  durch  Rudolf  I.  anerkannt, 
indem  dieser  die  der  Stadt  von  Alters  zustehenden  Rechte  und 
Freiheiten,  also  auch  den  factischen  Besitz  der  unmittelbaren 
Reichsstandschaft  genehm  hält.  Für  das  wichtigste  Privileg 
Nürnbergs  hält  Hegel  eben  dasjenige  des  Kaisers  Heinrich  VII., 
von  1313,  11.  Juni,  in  welchem  ohne  allen-  Zweifel  der  Rath 
als  die  oberste  Regierungsbehörde  erscheint,  der  gegenüber 
auch  der  königliche  Schultheiss  untergeordnet  wird,  wenn  er 
auch  das  Stadtrichteramt  noch  in  seinen  Händen  hält.  Auch 
die  Kaiserburg  ist  nicht  mehr  von  der  Stadt  getrennt  und  der 
Burgvogt    dem    Rathe    gleich    dem    Schultheissen     subordinirt. 


Ueber  den  Unterschied  von  Keiclisstädten  und  Landstädten.  43 

Beide  Beamte  werden  nach  Hegel's  Ansicht  ohne  Zweifel  auf 
Vorschlag-  des  Eaths  in  der  Regel  aus  der  Mitte  der  Bürger 
selbst  vom  Kaiser  ernannt  worden  sein.  Für  den  wichtigsten 
Umstand  darf  man  jedoch  in  Ansehung  der  Standschaft  die 
ausdrücklich  anerkannte  Ebenbürtigkeit  der  Vollbürger  mit  den 
Ritterbürtigen  bezeichnen.  Im  übrigen  enthält  das  Privileg 
Heinrichs  VII.  eine  ganze  Reihe  von  Bestimmungen,  die  auf 
Gericht  und  Polizei  bezüglich,  gewiss  keinen  Unterschied  Nürn- 
bergs und  der  gleichzeitigen  Landstädte  erkennen  lassen.  Nicht 
in  der  Gerichts-  und  Friedenspflege  liegt  die  hoheitliche  Stellung 
des  Raths,  sondern  in  seiner  politischen  Gewalt.  Der  Rath, 
welcher  Bündnisse  und  Frieden  mit  andern  Reichsstädten  schliesst 
und  das  Fehderecht  in  selbständiger  Weise  besitzt,  kann  seiner 
Innern  Entwickelung  nach  sich  mannigfaltig  verändern,  aber  es 
gibt  keine  executive  Gewalt  über  ihm,  ausser  derjenigen  des 
Reichs  und  Kaisers.  Die  Stadt  selbst  hat  ihren  eigenen  Kriegs- 
hauptmann und  hält  ihre  eigenen  Soldaten ;  dies  ist  offenbar 
der  Punkt,  welcher  für  Nürnberg,  wie  für  jede  Stadt  des  Reichs 
charakteristisch  ist  und  dem  gegenüber  alle  übrigen  Momente 
sogenannter  Stadtfreiheit  von  untergeordnetem  Werth  waren. 
In  Nürnberg  zeigt  sich  in  der  spätem  Verfassung  ein  Umstand, 
aus  welchem  der  politische  Charakter  des  Raths  mit  ganz 
besonderer  Deutlichkeit  hei'^'Orgeht :  ,In  dem  kleinen  Rath 
bildeten  die  sieben  Eiteren  Herren  den  Geheimen  Rath,  bei 
welchem  die  Vorberathung  aller  wichtigen  Angelegenheiten  war, 
unter  diesen  die  drei  Obristhauptleute  die  höchste  ausführende 
Behörde :  und  zwar  hatten  die  zwei  ersten  als  Losunger  die 
Aufsicht  über  die  Schatzkammer  und  die  Finauzverwaltune-, 
der  dritte  war  gewöhnlich  Kriegshauptmann  der  Stadt'.  Wer 
sich  eine  deutliche  Vorstellung  davon  zu  machen  wünscht,  was 
der  Unterschied  zwischen  einer  Reichsstadt  und  einer  Landstadt 
war,  muss  die  Acten  des  Markgrafenkriegs  von  1449  und  die 
Berichte  des  Erhard  Schürstab,  Losungers  und  Kriegshaupt- 
manns, selbst  lesen,  um  die  volle  Nichtigkeit  der  Behauptung 
von  Maurei-'s  zu  erkennen,  dass  ,die  freien,  der  landesherrlichen 
Vogtei  nicht  unterworfenen  Landstädte  demnach  eben  so  frei, 
und  eben  so  unabhängig  waren,  wie  die  freien  Reichsstädte'. 
Wenn  man  freilich  unter  Freiheit  nichts  anderes  verstehen 
will,    als    die    persönliche    Freiheit    des    Bürgers    in    Bezug  auf 


4r4  Lorenz. 

seinen  Gerichtsstand,    so  maa^  dies  ja  begründet  sein,    und  die 
Geschichte,    als    solche,    hätte    gegen    diese    Auffassung   wenig 
einzuwenden;  es  hiesse  sich  aber  doch  die  Augen  für  den  wahren 
Charakter  des  Städtewesens  geradezu  verbinden,  wenn  man  die 
erwähnten  politischen  Merkmale  der  Stadtverfassung  von  Nürn- 
berg   für    das    rechtliche   Verhältniss    der    Stadt    als    irrelevant 
bezeichnen    würde.      Denn    nicht    darin,    dass    Nürnberg    seit 
Heinrichs  VII.   Privileg  das  Besatzungsrecht  der  Burg  —  auch 
dieses  nur  für  den  Fall  des  Todes  des  Kaisers  besass,  lag  das 
Charakteristische  seiner  Reichsstandschaft,  sondern  darin,  dass 
der  Rath  der  Stadt  schon  bevor  er  das  Besatzungsrecht  auf  der 
Burg  hatte,  sich  mit  andern  Reichsstädten  verband  und  gegen 
andere    Reichsstände    in    ehrlicher    Fehde    zu    Felde    zog    und 
hierauf    auch    mit    denselben    Frieden    schliessen    konnte:    das 
nennen  wir  die  Reichsstandschaft  von  Nürnberg,    Dem  gegen- 
über   wäre    es    wohl    nur    eine    ungenaue    Analogie,    wenn    von 
Maurer  Werth  darauf  legt,  dass  auch  die  Bürger  der  Landstädte 
,das  eigene  Besatzungsrecht  mit  der  Pflicht  die  Stadt  selbst  zu 
vertheidigen'  erlangt  hätten.    Dass  auch  das  letztere  Verhältniss 
—  ein  selbständiges  Vertheidigungsrecht  —  nur  in  beschränktem 
Maasse  in    den    meisten    Landstädten  vorhanden  war  und  dass 
auch  in  diesem  Punkte  die  landesherrliche  Macht  in  den  Land- 
städten immer  entscheidend  blieb,  wird  später  besprochen.    Nur 
einige  wenige  norddeutsche  Länder  zeigen  die  besondere  Eigen- 
thüinlichkeit,  dass  sie  Städte  hervorgebracht  haben,  welche  eine 
den  Reichsstädten  nicht  ganz  unvergleichbare  politische  Stellung 
besassen,    und    von  diesen  wird    als    von    einer   besondern    Art 
zunächst  zu   reden    sein.    Vorerst    sei    nur    noch    gestattet,    auf 
gewisse  Analogien,  welche  zwischen  Nürnberg  und  den  schwäbi- 
schen Städten  bestanden,  gerade  in  den  Punkten  hinzuweisen, 
die  wir  als  die  entscheidenden  Kriterien  der  Reichsstandschaft 
verstanden  wissen  wollten. 

Wie  in  Nürnberg  der  Kriegshauptmann  Mitglied  des 
Raths  war,  so  hatte  auch  in  vielen  schwäbischen  Reichsstädten 
der  Bürgermeister  den  Ileerbefehl  verfassungsmässig  und  hatte 
davon  den  Namen  capitaneus.  Dass  das  Amt  des  Schultheissen, 
des  Bürgermeisters  oder  wie  es  sonst  genannt  wurde,  den 
Cupitaneat  in  sich  schloss,  beweist  mehr  als  Statuten  für  die 
Reichsiinmittelbarkeit  einer  Stadt.   Capitanei  dieser  Art  kommen 


I 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Liindstädten.  45 

aber  schon  am  Ende  des  13.  Jahrhunderts  in  Uhn,  Esslingen 
Reutlingen  und  noch  an  anderen  Orten  vor.  Stalin  findet  sich 
an  den  capitano  del  popolo  dabei  erinnert;  wir  lassen  es  unserer- 
seits dahingestellt  sein ,  woher  die  Bezeichnung  der  Würde 
stammt;  der  Sache  nach  darf  man  jedenfalls  sagen,  dass  die 
politische  Macht  der  Reichsstädte  derjenigen  der  italienischen 
Städte  seit  dem  Beginne  des  14.  Jahrhunderts  ebenbürtig  zur 
Seite  steht  und  dass  alle  jene  Städte  des  Reichs,  in  welchen 
die  bürgerliche  und  militärische  Gewalt  in  der  dargelegten 
Weise  im  Rath  zusammenfällt,  eine  besondere  Classe  von 
Gemeinwesen  bilden,  die  sich  untereinander  für  bündnissfähig 
und  bündnissberechtigt  betrachten  und  dem  entsprechend  nicht 
ebenbürtige  Städte  ausschliessen.  Dass  auch  in  den  schwäbi- 
schen Reichsstädten  diese  Machtvollkommenheit  des  Raths  auf 
dem  Wege  der  Privilegiruug  erlangt  worden  ist,  wird  wohl 
nicht  erst  im  einzelnen  nachgewiesen  werden  müssen.  Die 
schwäbische  Städtebank  auf  den  Reichstagen  der  späteren  Zeit 
wachte  über  der  nachgewiesenen  Reichsstandschaft  mit  grosser 
Strenge,  und  je  grösser  die  Anzahl  der  nach  dem  Aufhören 
des  schwäbischen  Herzogthums  reichsfrei  gewordenen  Städte 
war,  desto  genauer  wurde  die  Sicherstellung  der  Reichsstand- 
schaft gefordert.  Dass  in  diesen  Dingen  gewissermaassen  Buch 
geführt  wurde,  lehrt  keine  Stadtgeschichte  deutlicher,  als  die- 
jenige von  Freiburg,  denn  es  verlor  seine  Reichsstandschaft 
vollkommen,  nachdem  es  der  österreichischen  Herrschaft  unter- 
than  wurde,  und  bot  in  dieser  Beziehung  ein  sehr  frühes 
Beispiel  von  dem  Ausscheiden  jener  Städte  aus  dem  unmittel- 
baren Reichsverbande,  welche  seit  dem  16.  Jahrhundert  in 
grösserer  Anzahl  von  den  Landesgewalten  unterworfen  worden 
waren. 

Blicken  wir  aber  nun  umgekehrt  auf  solche  Städte,  welche 
entweder  auf  landesherrlichem  Grund  erbaut,  oder  unter  fürst- 
licher Gerichts-  und  Landeshoheit  enstanden  waren,  so  empfiehlt 
sich  die  Betrachtung  der  Verfassungsverhältnisse  von  Braun- 
schweig, weil  in  diesem  grossen  und  ansehnlichen  Gemeinwesen, 
welches  gleichwohl  nie  von  einem  Kaiser  gefreit  und  standes- 
erhöht worden  ist,  sich  sogleich  eine  merkwürdige  Erscheinung 
zeigt,  die  uns  mitten  in  die  Frage  über  die  charakteristischen 
Merkmale  der  Landstädte  hinein  führt.    Im  Jahre  1345  wurde 


46  li  0  r  e  n  z. 

in  Braunschweig  ,die  Weise  der  Huldigung'  festgestellt,  welche 
die  Stadt  der  Landesherrschaft  zu  leisten  verpflichtet  war. 
Auch  der  Eid  ist  vorgeschrieben,  welcher  geschworen  Avurde, 
und  der  auf  voller  Gegenseitigkeit  der  Rechte  und  Pflichten 
beruht.  ,'J'iuit  ferner  die  Hei-rschaft  dem  Rath  und  den  Bürgern 
gütlich  und  vertaidingt  sie  wohl  zu  ihrem  Rechte,  des  dankt 
man  ihnen  billig,  thäte  sie  aber  nicht  also,  dann  wäre  man  ihr 
in  ihren  Nöten  und  zu  ihrem  Rechte  beizustehen  nicht  ver- 
pflichtet'. ,Denn  durch  die  Güte  Gottes  ist  Braunschweig 
eine  freie  Stadt:  dies  sollen  wissen,  die  nach  uns  kommen 
werden'. 

Braunschweig  eine  freie  Stadt !  etwa  wie  Basel,  Strassburg, 
Köln?  die  sich  ja  auch  freie  Städte  genannt  haben.  Wer  diese 
Zusammenstellung  überlegt,  wird  sogleich  erkennen,  in  welche 
abenteuerlichen  Verwirrungen  man  in  der  Reichsgeschichte 
käme,  wenn  man  die  Grundpfeiler  des  Unterschiedes  von  Land- 
stadt und  Reichsstadt  nicht  mit  aller  Entschiedenheit  und  allem 
Ernste  aufrechthalten  würde.  Und  in  der  That,  wenn  man  die 
Geschichte  von  Braunschweig  ins  Auge  fasst,  so  muss  man 
gestehen,  dass  die  Stadt,  indem  sie  sich  aus  mannigfach  gefreiten 
Marken  und  aus  sehr  verschiedenen  Bevölkerungsclassen  zu 
einem  einheitlichen  Stadtverband  emporgerungeu,  ein  reiches 
Maass  von  Freiheiten  erworben  hat  und  der  Rath  derselben  in 
Bezug  auf  autonome  Verwaltung  und  Justiz  hinter  gar  keinem 
Stadtwesen  zurückstand.  Aber  eben  dieser  Umstand  beweist, 
dass  die  innere  Freiheit  einer  Stadt  nicht  alles  bedeutet,  sondern 
ihre   Bedeutung    durchaus    in    ihrer    Standschaft  zu  suchen  ist. 

Indessen  bietet  das  Braunschweiger  Stadtwesen  eine  Reihe 
besonderer  Eigenthümlichkeiten.  Durch  Heinrich  den  Löwen 
und  seine  Söhne  mit  Privilegien  ausgestattet  und  in  ihrem 
Umfang  erweitert,  bot  die  Stadt  dem  landesherrlichen  Geschlecht 
Schutz  in  dessen  Kämpfen  mit  den  Staufern.  Die  Bürger 
leisteten  wiederholt  bewaffnete  Hilfe  den  Herzogen  und  genossen 
seit  Kaiser  Ottos  IV.  Privileg  von  1199,  Januar,  die  ausgedehn- 
teste Autonomie.  Dennoch  fehlte  es  an  dem  Bestreben  auch 
in  diesen)  landesfürstlichen  Gemeinwesen  nicht,  die  Rechte  einer 
reichöfreien  Stadt  in  Anspruch  zu  nehmen,  und  Hänselmann 
erklärt  (in  den  Städtechrouiken  VI.,  XXIX)  die  Aufnahme 
schwäbischer  und  bairischer  Gäste  im  Jahre  1227  zu  Gunsten 


Ueber  tlen  Unterschied  von  Eeichsstildten  und  Landstädten.  4-7 

des  König's  Heinrichs  VII.  im  Einverständniss  mit  ungetreuen 
Dienstmannen  daraus,  dass  eine  Partei  durch  die  Aussicht  auf 
Reichst'reiheit  verlockt  wurde,  der  deutlichste  Beweis,  dass  auch 
in  jenen  weifischen  Gebieten  bei  aller  Pflege  landstädtischer 
Vorrechte  von  Seite  der  Territorialherren  die  Vorstelluno;  von 
der  Reichsstandschaft  einer  Stadt  als  ein  begehrenswertlies  Ziel 
ins  Auge  gefasst  wurde.  Allein  dieser  Versuch  wurde  nicht 
wieder  unternommen.  Seit  die  Rechte  des  herzoglichen  Vogts 
mehr  und  mehr  in  die  Hände  des  Raths  übergegangen  waren,  und 
die  fünf  Weichbilder  zu  einem  einheitlichen  Verfassungswesen 
verbunden  wurden,  an  dessen  Spitze  der  Rath  dem  Herzoge 
den  grössten  Theil  der  Regierungsrechte  abgekauft  hatte,  stellte 
sich  jener  Begriff  der  freien  Stadt  ein,  von  dem  wir  bei  unserer 
Betrachtung  auszugehen  hatten.  Folge  davon  war,  dass  eine 
gewisse  Selbständigkeit  des  Raths  auch  in  Erwerbung  von  Pri- 
vilegien für  Kaufmannschaft  von  Seite  anderer  Füi'sten  und 
Herren  gestattet  war,  und  dass  Braunschweig  dem  Bunde  der 
Hansestädte  beizutreten  vermochte. 

Jedoch  zeigen  die  erwähnten  Handelsbündnisse  allerdings, 
dass  die  Rechte  des  Landesherrn  von  Seite  der  Stadt  in  jedem 
Vertrage  mit  auswärtigen  Städten  ausdrücklich  wahrgenommen 
werden.  Wenn  die  Grafen  von  Holstein  der  Stadt  Zollerleich- 
terungen gewähren,  1254,  so  wird  der  Fall  vertragsmässig 
vorgesehen,  wie  es  zu  halten  sei,  wenn  die  Holsteiner  mit  den 
Braunschweiger  Landesherren  in  Fehde  verwickelt  wären.  Lan- 
deshoheitliche Rechte  bleiben  den  Herzogen  noch  immer  in 
ansehnlicher  j\Ienge  vorbehalten.  Noch  im  Jahre  1325  verpfändet 
Herzog  Otto  Theile  der  Stadt;  1345  gewährt  Herzog  Magnus 
dem  Juden  Jordan  von  Helmstädt  und  seinen  Erben  befriedeten 
Aufenthalt  in  der  Stadt  Braunschweig,  ohne  dass  des  Raths 
dabei  Erwähnung  geschieht,  und  dergleichen  mehr. 

Andererseits  aber  übt  der  Rath  bereits  um  die  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  ein  Verfügungsrecht  über  die  bewaffnete  Macht 
und  führt  auf  seine  eigene  Hand  den  Krieg.  Diese  Stellung  als 
fehdeberechtigte  Landstadt  gewinnt  der  Rath  hauptsächlich  in 
den  Kriegen  zwischen  den  Bischöfen  von  Hildesheim  und  den 
Braunschweiger  Herzogen,  wobei  besonders  zu  beachten  ist,  dass 
nach  dem  Fehdebuch  (Häusel mann,  S.  70)  1381  der  Rath  selbst 
es    war,    der    dem    Bischof  und    Capitel    von    Hildesheiui    den 


4ö  IjOrenz. 

Absagebrief  sandte.  Obue  Zweifel  big-  iu  dieser  That  der  höchste 
Grad  städtischer  Reg;ieningsan spräche,  und  wenn  man  von  der 
Reielisstaudscbaft  absiebt,  so  darf  man  allerdings  sagen,  dass 
Städte,  welche  sich  in  dem  Falle  von  Braunschweig  befanden, 
eine  besondere  Stellung  im  Reiche  einnahmen,  auch  wenn  sie 
unter  der  landesherrlichen  Gewalt  im  übrigen  geblieben  waren. 
Indessen  zeigt  sich  das  landesfürstliche  Vorrecht  in  Braun- 
schweig doch  noch  dadurch  gewahrt,  dass  die  Sühne,  welche 
der  I^andesherr  mit  den  Bischöfen  vereinbart,  auch  für  die 
Stadt  Braunschweig  gelten  muss,  und  dass  der  Bischof  von 
Tlildesheim  als  Reichsfürst  keinen  directen  Frieden  mit  der 
Stadt  schliesst.  Dagegen  gestattet  König  Ruprecht  auch  von 
Reichswegen  den  Bürgern  von  Braunschweig,  dass  sie  durch 
zwei  Räthe  jederzeit  in  ihren  Rechtshändeln  auch  vor  dem 
kaiserlichen  Hofgericht  unmittelbar  vertreten  sein  dürfen.  1402, 
25.  September.  Ebenso  tritt  Braunschweigs  Rath  in  den  Ver- 
handlungen der  Hansestädte  mit  allen  Rechten  einer  obersten 
Regierungsbehörde  bekleidet  hervor,  er  nimmt  au  den  Friedens- 
vermittlungen und  an  den  Kriegsunternehmungen  des  Bundes 
den  eifrigsten  Antheil ;  schlägt  man  dagegen  die  Reichstagsacten 
nach,  so  findet  man  niemals  städtische  Boten  von  Braunschweig 
bei  den  Reichsversammlungen,  keinen  Verkehr  zwischen  den 
Reichsstädten  und  den  zahlreichen  Landstädten,  welche  gleich 
Braunschweig  unter  landesherrlicher  GcAvalt,  und  wäre  es  auch 
nur  noch  dem  Namen  nach,  sich  befanden.  Hieraus  zeigt  sich, 
dass  auch  bei  den  freien  Landstädten  der  Unterschied  in  der 
Standschaft  scharf  aufrecht  erhalten  wird,  und  dass  eine  volle 
Gleichheit  zwischen  Reichsstadt  und  Landstadt  niemals  an- 
erkannt wurde,  auch  wenn  der  Rath  der  letzteren  eine  selbst 
das  Kriegs-  und  Friedensrecht  in  sich  begreifende  Stellung 
einnahm.  In  Betreff  der  Standschaft  der  Braunschweio-er  Büro^er 
scheint  uns  aber  eine  Urkunde  Herzog  Albrechts  vom  Jahre 
1304.  22.  November  (U.-B.  d.  St.  B.,  Nr.  18)  sehr  erwünschte 
Aufklärung  zu  geben.  Darnach  konnten  Bürger  von  Braun- 
schweig von  herzoglichen  Lehnsleuten  Lehen  nehmen;  da 
aber  Fälle  vorkamen,  dass  Bürger,  welche  von  Vasallen  des 
Herzogs  Lehen  besassen,  an  Afterlehnsherren  geringeren  Standes 
überlassen  wurden,,  so  entschied  der  herzogliche  Lehnshof  für 
Gegenwart  und  Zukunft  darüber,  dass  dieser  Vorgang  unstatt- 


Ueber  den  Unterschieii  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  49 

haft  sein  solle;  die  unmittelbare  Lehnsnahme  braunschweiger 
Bürger  von  herzoglichen  Ministerialen  aber  wird  als  keine  Min- 
derung der  Standesrechte  angesehen. 

Ganz  ähnliche  Verhältnisse,  wie  sie  sich  in  Braunschweig 
darstellten,  wird  man  in  Lüneburg  und  fast  in  allen  jenen 
Landstädten  nachweisen  können,  welche  im  14.  und  15.  Jahr- 
hundert der  Hanse  angehörten.  Ihre  bevorzugte  Stellung  lag 
darin,  dass  sie  mit  den  Keichsstädten  wie  Bremen,  Lübeck, 
Köln  u.  s.  w.  im  Bunde  waren  und  die  Rechte  und  Ehren  freier 
Städte  im  Verkehr  mit  ihren  Bundesgenossen  beanspruchten, 
während  sie  zu  Hause  ihrem  Landesherrn  zu  gehorchen  und 
dessen  Vortheil  wahrzunehmen  hatten,  wenn  es  sich  um  Conflicte 
zwischen  diesem  und  andern  Reichsgliedern  handelte.  Man  sieht 
demnach,  dass  auch  in  diesen  Städten  eine  durch  die  Landes- 
herrschaft bedingte  Freiheit  besteht,  dennoch  aber  eine  gewisse 
Gleichstellung  mit  den  Reichsstädten  auf  dem  Wege  der  Städte- 
und  Handelsbündnisse  erreicht  wurde. 

Bei  weitem  nicht  alle  Landstädte  erlangten  nun  eine 
solche  Stellung  wie  Braunschweig,  und  um  den  Gradunterschied 
der  Freiheit,  beziehungsweise  der  städtischen  Regierungsrechte 
zu  ermessen,  wird  es  immer  am  gerathensten  sein,  sogleich 
nach  der  bewaffneten  Macht  zu  fragen,  welche  eine  Stadt  besass 
und  deren  Verwendung  meist  das  sicherste  Kriterium  für  die 
Hoheitsrechte  des  Raths  an  die  Hand  gibt.  Hier  bietet  nun 
München  ein  nicht  uninteressantes  Beispiel  dar.  Während  es 
bis  ans  Ende  des  13.  Jahrhunderts  in  der  tiefsten  Abhängigkeit 
von  der  landesherrlichen  Gewalt  geblieben  war,  hatte  es  seit 
Kaiser  Ludwig  dem  Baier  begonnen,  eine  eigentliche  Raths- 
verfassung auszubilden.  Die  Rechte  der  von  den  Landesherren 
eingesetzten  Vögte  waren  zugleich  durch  Kauf  von  dem  Rath 
erworben  worden;  indem  das  Vogtsding  aufhörte,  wurde  nach 
und  nach  die  .Gerichtsgewalt  im  Rathe  concentrirt;  alles  Er- 
scheinungen ,  die  sich  auch  bei  freien  Reichsstädten  und 
gewöhnlichen  Reichsstädten  wiederholen,  und  welche  die  Er- 
werbung der  Gerichtshoheit  von  Seite  der  Stadträthe  überall 
gleichmässig  begleiten. 

Aber  auch  durch  Kaiser  Ludwig  wurde  München  der 
landesherrlichen  Gewalt  nicht  entzogen ;  indem  er  seinen  Sitz 
daselbst  in  dauernder  Weise  nahm,  war  vielmehr  eine  weitere 

Sitxnngsber.  d.  phil  -bist.  Gl.  LXXXIX    Bd.  I.  Hft.  4 


50  Lorenz. 

hoheitliche  Entwickhing    des  Raths    auf   das  bestimmteste  aus- 
geschlossen.   Sehr  merkwürdig  ist  unter  diesen  Umständen  das 
Privilegium    Kaiser    Ludwigs    vom    Jahre    1315,    \Yorin  er  den 
Bürgern  von  München  das  Recht  gewährt,  schädliche  Leute  im 
ganzen    Lande    von    Baiern    durch    die    Bewaffneten    der  Stadt 
fangen  und  nach  München  bringen  zu  lassen.     Im  Anschlüsse 
an  dasselbe  Privilegium  ersieht  man  nun  aber  aus  einer  ähnlich 
lautenden  Urkunde  des  Pfalzgrafen  Johann,  dass  im  Jahre  1393 
die  Stadtsoldaten  keinen  andern  Beruf  hatten,  als  in  dem  schon 
von  Ludwig    dem   Baiern    vorgezeichneten    Sinne,    Polizei    und 
Gerichtsdienste  im  Lande  zu  üben.  Es  wird  dem  Rath  das  Recht 
zugestanden,  seine  Gerichtsgewalt  auch  über  das  Weichbild  der 
Stadt  hinaus  gegen  schädliche  Leute  mittelst  der  Stadtsoldaten 
auszudehnen;  doch  behält  sich  auch  für  diesen  Fall  der  Landes- 
herr vor,    dass  die    Bürger  nichts  , wider  unsere  Gnade  gethan 
haben'  oder  thun,   selbstverständlich  ist  ihnen  kein  eigentliches 
Fehderecht  gewährt,    und  vollends  ausgeschlossen  ist   die  Ver- 
wendung der  bewaffneten  Macht  zu  andern  als  rein  gerichtlichen 
Zwecken.     Es  ist  eine  haarscharf  gezogene  Grenze,  welche   in 
den  eigentlichen  Landstädten  zwischen  gerichtshoheitlichen  und 
politischen  Rechten  gezogen    ist;    die    ersteren    können  in  aus- 
gedehntester   Weise    bis    zum    Gebrauche    bewaffneter    Macht 
erworben  werden,    aber    die    letzteren  sind  ausschliesslich  dem 
Landesherrn  vorbehalten    und  werden    nicht    einen  Augenblick 
dem  Rath  einer  Landstadt  überlassen  bleiben. 

Noch  einfacher  und  deutlicher  stellt  sich  der  erw'ähnte 
Gegensatz  zwischen  den  Rechten  der  Städte  und  den  Rechten 
der  Landesherren  in  jenen  Gegenden  Deutschlands  dar,  wo  die 
Stadtrechte  in  Folge  von  Uebertragungen  und  Bewidmungen 
durch  Landesgewalten  gleichsam  fertig  gewissen  ummauerten 
Orten  ertheilt  wurden  und  wo  daher  der  landesherrliche  Cha- 
rakter der  mit  Statuten  bewidmeten  Stadt  auch  schon  in  den 
elementarsten  Verhältnissen  hervortritt.  Es  versteht  sich  von 
selbst,  dass  auch  diese  Schöpfungen  bürgerlichen  Wesens  von 
grösster  Wichtigkeit  waren,  und  der  ganze  Osten  des  heutigen 
Deutschlands  dankt  seine  Cultur  diesen  Uebertragungen  statu- 
tarischer Rechte  durch  landesfürstliche  Anordnungen,  aber  es 
ist  eben  eine  andere  für  sich  bestehende  mit  besonderen  Eigen- 
thümlichkeiten  ausgerüstete  Gruppe  von  Städten^  die  auf  diese 


[ 


Ueber  den  Unterschied  von  Geichsstädten  und  Landstädten.  Ö 1 

Weise  entstanden  und  die  nun  gar  nicht  mit  den  Reichsstädten 
des  Westens  verglichen  werden  wollen.  Denn  es  sind  sehr 
verschiedene  Resultate,  welche  die  verschiedene  Entwicklung  und 
Geschichte  dieser  Städte  zu  Tage  gefördert  haben.  Als  hervor- 
ragendstes Beispiel  für  diese  Gruppe  wird  ohne  Zweifel  das 
Stadtwesen  von  Breslau  angesehen  werden  können,  dem  wir 
hier    noch  unsere  Aufmerksamkeit  zuzuwenden  haben  werden. 

Wie  bei  allen  Städten,  die  durch  einen  landesfürstlicheu 
Act  ins  Leben  gerufen  wurden,  zeigt  sich  auch  in  Breslau  eine 
auffallend  rasche  und  in  gewissem  Sinne  grossartige  Entwick- 
lung. Indem  die  neu  begründete  Stadt  sich  gleichsam  auf  den 
Schultern  eines  statutarischen  Rechts  erhebt,  welches  anderwärts 
ausgebildet  worden  ist,  erlangt  dieselbe  in  verhältnissmässig 
viel  kürzerer  Zeit  als  bei  den  Reichsstädten  der  Fall  ist,  einen 
gewissen  Höhestand,  der  durch  den  grossen  Zuwachs  der 
Bevölkerung  auf  dem  Wege  der  Colonisation  auch  äusserlich 
sichtbar  wird.  Allein  die  innere  Entwicklung  der  Macht- 
verhältnisse der  Stadtbehörden  hält  mit  dem  äusseren  Wachsthum 
nicht  gleichen  Schritt  und  das  politische  Leben  lässt  sich  daher 
in  diesen  landesherrlichen  Gemeinwesen  mit  demjenigen  der 
Reichsstädte  nicht  vergleichen. 

Das  Magdeburgische  Recht  wurde  in  Breslau  erst  in  den 
Sechziger  Jahren  des  13,  Jahrhunderts  einheimisch.  Darauf 
wird  von  Herzog  Heinrich  IV.  dem  Rath  im  Jahre  1281  eine 
Reihe  von  Satzungen  bestätigt,  durch  welche  die  Gerechtsame 
des  Erbvogts  in  der  Stadt  beschränkt  und  theilweise  auf  den 
Rath  übertragen  Averden,  Aber  alle  diese  Anordnungen  nehmen 
einzig  und  allein  auf  die  Gerichtsverfassung  Bezug,  Schon  aus 
dem  Jahre  1290  besitzen  wir  jedoch  einen  Rathserlass  (Grünhagen 
Heuricus  pauper,  S.  150),  welcher  die  Vertheidigung  der  Stadt 
zum  Zwecke  hat,  und  aus  welchem  zu  ersehen  ist,  dass  das 
Besatzungsrecht  bei  den  Bürgern  selbst  steht ;  dabei  hat  es  aber 
sein  Bewenden.  Obwohl  der  Rath  1324  die  Rechte  der  Erb- 
vogtei  durch  Kauf  an  sich  bringt,  bleibt  das  Verhältniss  zum 
Landesherrn  doch  unbeirrt,  und  der  Herzog  bestätigt  den  er- 
wähnten Kaufvertrag  zwischen  Rath  und  Erbvogt,  sowie  auch 
die  Veränderungen  in  der  Verfassung  des  Raths  selbst  jedesmal 
der  landesherrlichen  Genehmigung  unterliegen.  Während  in  den 

Reichsstädten  die  Zusammensetzung  des  Raths  ein  Gegenstand 

4* 


02  Lorenz. 

autonomer  Entwicklungen  g-eworden  war,  gibt  es  in  einem  so 
ausgedehnten  Gemeinwesen  wie  Breslau  kein  Ereigniss  in  der 
Verfassungsgeschichte,  auf  welches  nicht  der  Landesherr  zu- 
stimmend oder  abweisend  Einfluss  zu  nehmen  hätte.  Noch  König 
Wenzel  vermochte  im  Jahre  1406  die  freie  Rathwahl  den 
Bürgern  strafweise  abzusprechen  und  dieselbe  im  Jahre  1409 
denselben  von  ,besundern  unsern  Gnaden'  wieder  zu  gestatten. 

Stärker  als  in  der  Entwicklung  Breslaus  vermag  man 
die  Abhängigkeit  einer  Stadt  von  der  landesherrlichen  Gewalt 
nicht  zur  Anschauung  zu  bringen.  Und  wenn  es  noch  eines 
Beweises  dafür  bedürfte,  dass  der  Charakter  einer  Stadt  nicht 
durch  ihre  Gerichtsfreiheiten  und  polizeilichen  Rechte,  sondern 
lediglich  durch  die  Standschaft  und  die  damit  verbundenen 
politischen  Qualitäten  des  Raths  bestimmt  wird,  so  wüi'de  man 
dies  aus  jeder  einzelnen  landeshei-rlichen  Anordnung  gerade  bei 
einem  so  grossen  und  für  Rechts-  und  Handelsverhältnisse  so 
eingreifenden  Gemeinwesen  wie  Breslau  sich  klar  machen  können. 

Doch  schliesst  die  Abhängigkeit  einer  Landstadt  von  ihrer 
Herrschaft  nicht  aus,  dass  in  gewissen  Momenten  nicht  auch 
eine  politische  Macht  von  derselben  ausgehen  konnte.  In 
Schlesien  führten  die  Wirren  der  Hussitenzeit  einen  Zustand 
herbei,  welcher  leicht  die  Entwicklung  politischer  Rechte  des 
Raths  hätte  zur  Folge  haben  können.  Denn  das  unzweifelhafte 
Besatzungs-  und  Vertheidigungsrecht  ihrer  Stadt  machte  es  den 
Bürgern  zur  Pflicht,  auch  mit  andern  Städten  in  gemeinschaft- 
liche Verabredungen  und  Verhandlungen  zur  Sicherheit  des 
Landes  gegen  die  Einfälle  der  Hussiten  zu  treten.  Dadurch 
wurde  auf  dem  Wege  der  Thatsachen  in  einer  Zeit  des  gänz- 
lichen Verfalles  der  Landeshoheit  vorübergehend  die  Leitung 
der  Kriegsmacht  in  die  Hände  des  Raths  gelegt,  ähnlich  wie 
man  in  den  nordischen  Landstädten  Bündnisse  und  Kriegs- 
anstalten wahrnimmt,  welche  von  den  Räthen  der  Städte  be- 
schlossen worden  waren.  Allein  es  liegt  nahe  den  Grund  zu  finden, 
aus  welchem  sich  eine  solche  politische  Thätigkeit  der  Bürger- 
schaft nicht  zu  behaupten  vermochte.  Durch  die  zufälligen 
Umstände  der  Zeiten,  war  in  den)  rechtlichen  Verhältnisse  der 
Standschaft  dieser  Bürger  nichts  geändert  worden,  und  ihre 
Selbständigkeit  in  Bezug  auf  die  politische  Gewalt  konnte  nur 
so  lauge  Geltung  haben,  als  es  an  der  nöthigen  Landesregierung 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  53 

fehlte,  welche  ihre  Rechte  und  Pflichten  wahrzunehmen  ver- 
mochte. Sobald  der  Ausnahmszustand  aufhörte,  blieb  die  Stadt 
immer  wieder  nur  das,  was  sie  früher  war,  denn  eine  zur 
Ausübung  politischer  Gewalt  berechtigende  Standschaft  war 
eben  auf  dem  ang-edeuteten  Weg-e  nicht  zu  erlangen,  sondern 
staatsrechtlich  immer  nur  eine  Folge  kaiserlicher  Privilegirung. 
Wie  genau  und  ernst  es  aber  in  allen  Jahrhunderten  mit  der 
Unterscheidung  der  Reichsstandschaft  und  Landstandschaft  ge- 
nommen worden  ist,  wird  man  leicht  ersehen,  wenn  man  sich 
die  Mühe  nehmen  will,  Privilegien  für  Landstädte  zu  prüfen, 
welche  von  römischen  Kaisern  ausgingen,  die  zugleich  Landes- 
herren waren,  wie  Kaiser  Ludwig,  Karl  IV.,  Sigismund  u.  a. 
Wo  diese  Kaiser  für  Landstädte  Urkunden,  unterläuft  nicht  ein 
einzigesmal  die  Hinweisung  auf  eine  condicio  imperii  oder  die 
Bezeichnung  lideles  imperii,  sondern  der  landständische  Cha- 
rakter der  Stadt  gegenüber  der  Landesgewalt  des  zufällig  auch 
das  Reich  regierenden  Kaisers  ist  überall  sorgfältig  ausgedrückt. 


Indem  wir  die  voranstehende  Skizze  in  den  Hauptresul- 
taten unserer  Ueberlegung  kurz  zu  resumiren  uns  erlauben, 
dürfen  wir  es  als  sicher  ansehen,  dass  der  Hauptunterschied 
der  deutschen  Städte  des  Mittelalters  auf  der  Standschaft 
beruhte.  Jedoch  ergaben  sich  innerhalb  der  beiden  grossen 
Gruppen  von  Reichsstädten  und  Landstädten  noch  gewisse  Ab- 
stufungen in  Betreff  der  Stellung  des  Raths,  so  dass  man 
eigentlich  fünf  Classen  oder  Ordnungen  innerhalb  der  zwei 
Gruppen  zu  unterscheiden  vermag: 

a)  Reichsstädte,  deren  Räthe  ausser  der  vollen  Gerichtshoheit 
die  politischen  Rechte  reichsunmittelbarer  Stände,  volle 
Landeshoheit  im  Laufe  der  Zeit  entwickelt  haben  und 
als  Reichsstände  privilegirt  sind,  zerfallen: 

1.  in  freie  Städte  des  Reichs  mit  nobilitirter  Bürger- 
schaft und  vollständiger  Landeshoheit  des  Raths  neben 
verfassungsmässig  beschränkten  Pflichten  gegen  das  Reichs- 
oberhaupt; 

2.  in  königliche  Städte  mit  Bürgerschaften  im  Range 
von  fideles  imperii,  mit  politisch  qualiticirten  Rechten  des 


Ö4  L  0  r  e  u  i. 

Raths  und  ausschliesslichen  Dieustespflichten  gegen  das 
Reich, 
b)  Landstädte,  deren  Rath  nur  in  Bezug  auf  Justiz  und 
Polizei  zu  voller  Autonomie  gelangt,  deren  politische 
Rechte  ganz  oder  theilweise  vom  Landesherrn  abhängig 
sind.     Sie  lassen, sich  unterscheiden  als: 

1.  freie  Landstädte  mit  voller  Gerichtsgewalt  und 
beschränkten  politischen  Rechten  bei  voller  Anerkennung 
der  landeshoheitlichen  Rechte  der  Fürsten  und  einfacher 
Landstandschaft; 

2.  gemeine  Landstädte  mit  blosser  Autonomie  des 
Raths  in  Betreff  von  Justiz  und  Polizei,  entwickeltem 
Besatzungs-  und  Vertheidigungsrecht  und  einfacher  Land- 
standschaft ; 

3.  gemeine  Landstädte  mit  ausschliesslich  auf  die 
Gerichtsgewalt  und  Polizei  bezüglicher  Autonomie  des  Raths 
ohne  alle  politischen  Rechte  mit  Ausnahme  der  erst  all- 
mählig  eintretenden  Landstandschaft. 

Wir  haben  für  die  vier  ersten  Classen  oder  Ordnungen 
von  Städten  die  Beispiele  besprochen,  die  fünfte  Classe  wurde 
sogleich  hinzugefügt,  ohne  dass  wir  dieselbe  schon  im  einzelnen 
kennen  gelernt  hätten.  Allein  es  ist  unsere  Absicht,  eben  dieser 
letzten  Ordnung  von  Städten  unsere  Aufmerksamkeit  in  grösserem 
Maasse  zuzuwenden  und  wir  beschäftigen  uns  daher  für  diesmal 
mit  den  österreichischen  Städten  etwas  eingehender.  Hoffentlich 
gelingt  es  aber  auf  diesem  Wege  nicht  nur  den  Charakter  der 
letztgenannten  Ordnung  genauer  zu  bezeichnen,  sondern  auch 
durch  weitere  Vergleichungen  auf  die  politischen  Qualitäten 
der  beiden  ersten  Ordnungen  noch  einige  neue  Streiflichter 
zu  werfen. 


lieber  den  Unterscliicfl  von  Keichsstiidton  und  Latidetädten.  00 


III. 

Den  Ursprung   des  österreichischen  Städtewesens  vermag 
man  hauptsächlich  deshalb  niclit  vollständig  aufzudecken,  weil 
die  Besitz-  und  Grundverhältnisse    nach   der  Wiedererrichtung 
der  Ostmark  ziemlich  unsicher  erscheinen  und  selbst  die  locale 
Anknüpfung  der  neuen  Städte  an  die  alten  römischen  Befesti- 
gungen   überall  ganz  unklar  ist.     Sicher    sind    aber   auch    hier 
städtische  Anlagen  auf  kirchlichem  Grund  und  Boden  verhält- 
nissmässig  früh  vorhanden.    Insbesondere  war  der  ausgedehnte 
passauische  Grundbesitz  hiefür  entscheidend,   und  unter  Wah- 
rung der  passauischen  Vogteirechte  entwickelten  sich  Eferding 
und  St.  Polten  frühzeitig    mit  Vorrechten  des  Markts  und  des 
Handels.    Enns,  welches  schon  von    dem    Markgrafen  Luitbold 
befestigt  wurde,  kam  in  den  Besitz  von  St.  Florian  und  unter- 
stand dessen  grundherrschaftlichem  Gericht  bis  in  das  13.  Jahr- 
hundert.   Dass  in  Tuln  noch  im  13.  Jahrhundert  ein  Vogtding 
vorkommt,  lässt  ebenfalls  auf  ursprünglichen  kirchlichen  Grund- 
besitz schliessen ;  und  man  kann  im  Allgemeinen  wohl  annehmen, 
dass    der    grösste  Theil    der  Bewohner    dieser  Orte   Eigenleute 
der  Kirchen  waren,    durch  welche    das   Land  colonisirt  wurde. 
Von  freien  Leuten  ist  jedenfalls  bei  allen  städtischen  Verhält- 
nissen Oesterreichs  wenig  zu  entdecken,  man  müsste  denn  die 
im  13.  Jahrhundert  in  Neustadt  neben  den  cives  als  honorabiles 
milites  (vgl.  Winter,    Urkdl.  Beitr.,  XIII,  Vorw.)  bezeichneten 
Bürger  auf   eine  Classe  von  ursprünglich  Freien  zurückführen 
wollen.     Im  Uebrigen    erscheint    die    Mark  überhaupt  vorherr- 
schend von  dinglich  unfreien  Grundholden   bevölkert   und   die 
grösseren  zusammenhängenden  Orte  werden  zunächst  nach  Hof- 
recht behandelt  worden  sein.    Maurer  (a.  a.   O.,  I.  1*6)  rechnet 
Enns   gleich    Freiburg   im  Uechtlande   und  Hamburg  zu  jenen 
Orten ,    welche    auf    dem    Grunde    verschiedener    Herrschaften 
angelegt  wurden   und   als  gemischte  Städte  anzusehen  wären.  ' 
Ob    aber    innerhalb    der    Stadtmark    auch    freie    Leute    neben 
den  Gotteshausleuten  und    den    herzoglichen  Burgmannen  hier 
wohnten,  lässt  sich  keineswegs  feststellen. 

'  Die  Stadt  Enns  erhielten  die  Traungauer   nachher  von  Passau  zu  Lehn, 
d.  h.  doch  wohl  nur  den  Antheil  Passaus  an  der  Stadtniai'k. 


56  Loreliz. 

Ganz  älmlicli  wie  in  Enns  wird  man  sich  nun  die  Grund- 
verluiltnisse  in  Bezug-  auf  Wien  vorstellen  können,  obwohl 
leider  auch  hier  die  Quellen  der  ältesten  Geschichte  äusserst 
dürftig  und  ungenügend  sind.  Nur  ist  man  jetzt  wenigstens 
durch  die  Annales  Altahenses  versichert,  dass  der  Ort  bereits, 
oder  wenn  niail  will  noch  bestand,  bevor  die  babenbergische 
Herrschaft  die  Grenzen  Noricums  überschreitend,  unterhalb  des 
Wiener  Waldes  in  g-esicherter  Weise  ausgebreitet  war.  Die 
Katastrophe,  welcher  das  Heer  Kaiser  Konrads  II.  geg-en  die 
,  Ungarn  lOoO  unterlag,  ereignete  sich  nach  den  Altaicher 
'  Annalen  zu  Wien.  Wie  es  scheint,  hatten  die  Deutschen  unter 
1  den  alten  Befestigungen  von  Vindobona  Schutz  gesucht,  wurden 
'  daselbst  ausgehungert  und  von  den  Ungarn  gefangen  g-enonimen. 
Die  Fortexistenz  des  alten  römischen  Standlagers  wäre  damit 
jedenfalls  bewiesen,  und  dass  man  um  die  Mitte  des  12.  Jahr- 
hunderts sehr  bestimmt  die  Ueberzeugung-  heg-te  der  neue  Ort 
sei  die  Fortsetzung'  einer  römischen  Ansiedlung,  bcAveist  der 
bekannte  Umstand,  dass  man  auch  in  Urkunden  selten  vergass 
der  römischen  Abstammung  Wiens  zu  gedenken,  wobei  es 
natürlich  nebensächlich  war,  dass  man  dem  römischen  Ort 
unrichtig  den  Namen  Favianae  beilegte, '  eine  Verwechslung, 
welche  gegen  die  wirkliche  Fortdauer  der  römischen  Befesti- 
gungen im  Zusammenhange  mit  der  Stelle  der  Annales  Alta- 
henses wohl  nichts  beweist.  Die  Frage  ist  nun  aber,  wer  hatte 
die  Grundherrschaft  in  dem  alten  Orte,  als  sich  die  Grenz- 
grafschaften bis  an  die  Leitha  ausdehnten? 

Da  hat  man  nun  die  älteste  und  zugleich  wichtigste 
Verleihung  im  Viertel  unter  dem  Wiener  Walde  in  Betracht 
zu  ziehen,  welche  vom  Kaiser  Heinrich  II.  herrührt  und  welche 
wenigstens  beweist,  dass  im  Jahre  1002  das  Stück  von  Niedei*- 
österreich,  in  welchem  Wien  liegt,  bereits  in  festem  Besitz 
sich  befand.  Denn  die  Schenkung  des  Kaisers  an  den  Mark- 
grafen umfasste  das  Land  zwischen  der  dürren  Liesing  und 
Triesting,  ein  sehr  ausgedehntes  Gebiet,  welches  auch  später 
den  wichtigsten  Theil  des  babenbergischeu  Allodialbesitzes 
bildete.  Da  nun  in  der  Schenkungsurkunde  zur  Vergrösserung 
des  Besitzstandes    des    Markgrafen    noch    ein  Gebiet   zwischen 


'  Doch  ist  zu  bemerken,  dass  die  urkuiidliclien  Datirungen  mit  Favie  oder 
Faviane   erst    nach   der   bekannten   Notiz  Ottos  von   Freising  erscheinen. 


Ueter  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  Ö7 

dem  Kamp  und  der  Marcli  angewiesen  ist,  welches  sich  dieser 
nach  Belieben  aussuchen  durfte,  so  ist  wohl  klar,  dass  das 
rechte  Donauufer  bis  zur  Einmündung-  der  Schwechat  nicht 
mehr  als  verfügbares  Königslaud  frei  war.  '  Dennoch  lässt 
sich  der  Beweis  herstellen,  dass  die  Babenberger  aber  auch  an 
der  Wien  einigen  Allodialbesitz  hatten,  da  Herzog  Heinrich  H. 
anderthalb  Jahrhunderte  später  dem  neu  errichteten  Schotten- 
kloster das  in  der  Urkunde  von  1158  bezeichnete  Praedium  in 
territorio  scilicet  Favie  ertheilte.  Aber  die  Schenkung  erstreckte 
sich  von  dem  Burggraben  bis  zur  Einmündung  der  Als  in  die 
Donau,  und  bezieht  sich  also  nicht  auf  die  Grundherrlichkeit 
innerhalb  der  Stadtmauern.  ^  Wohl  aber  ist  die  Erwähnung 
eines  in  der  Stadt  liegenden  Hofes  nicht  zu  übersehen.  Aus 
diesen  Umständen  ergibt  sich  also,  dass  ein  zusammenhängender 
Grundbesitz  zwischen  der  Schwechat  und  der  Als  nicht  vor- 
handen war.  Die  Stadt  wurde  demnach  nicht  auf  babenber- 
gischem  Grund  und  Boden  erbaut,  sondern  die  Grundherrschaft 
war  innerhalb  der  Stadt  wie  in  den  umliegenden  Gebieten 
getheilt.  Zunächst  concurrirte  mit  dem  babenbergischen  Hof 
der  Grundbesitz  der  Kirchen,  unter  welchen  in  erster  Linie 
Passau  in  Betracht  kommt. 

Indem  man  nun  aber  an  die  Frage  des  Passauer  Besitzes 
in  Wien  herantritt,  sieht  man  sich  auf  eine  Quelle  hingewiesen, 
welche  nicht  ohne  einige  Zweifel  an  ihrer  Echtheit  genannt  zu 
werden  vermag.  Im  Jahre  1856  veröÖ'entlichte  Zappert  in  den 
Sitzungsberichten  der  Akademie  (Bd.  21,  S.  399)  eine  Auf- 
zeichnung eines  Passauer  Hofmeisters,  welche  von  dem  Auf- 
finder und  Herausgeber  , Wiens  ältester  Plan^  genannt  wird, 
und  die  ohne  Zweifel  in  der  angedeuteten  Richtung  das  grösste 
Interesse  beansprucht.  Wiewohl  nun  allerdings  von  keiner  Seite 
ein  ausdrücklicher  Zweifel  öffentlich  ausgesprochen  wurde,  so 
ist  es  doch  auffallend,  dass  die  höchst  merkwürdige  Aufzeich- 
nung, welche  dem  Anscheine  nach  vor  das  Jahr  1156  gesetzt 
werden  müsste,  durchaus  unbeachtet  gelassen  wurde.  Eine 
endliche  Entscheidung  thut  hier  wahrlich  noth,  und  unter  allen 

'  Stumpf,  Reichskauzier,  II.    1,  p.  3!). 

2  Hauswirth,  Urkbch.  Nr.  I,  wobei  die  Frage  der  Echtheit  um  so  mehr  ausser 

Betracht  bleiben  kann,  als  Nr.  11  ebenfalls  voraussetzt,  dass  das  predium 

ausserhalb  der  Stadt  liegt. 


öö  Lorenz. 

Umständen  darf  die  merkwürdige  Quelle  für  die  stadtrechtliche 
Seite  der  Entwicklung-  Wiens  nicht  läng^er  unbeachtet  bleiben. 
Ehe  wir  in  letzterer  Hinsicht  die  sich  darbietenden  Folgerungen 
ziehen  werden,  mag-  es  gestattet  sein  Momente  zu  berühren, 
die  sowohl  für  die  Echtheit,  wie  für  die  Unechtheit  des  Plans 
sprechen. 

Die  Herkunft  des  Zappert'schen  Findlings  ist  nicht  so 
klar  und  unbefangen  mitgetheilt,  als  man  wünschen  müsste. 
Das  Pergamentblatt,  auf  welchem  sich  die  merkwürdige  Auf- 
zeichnung findet,  soll  als  Vorblatt  eines  dem  15.  Jahrhundert 
angehörenden  Sammelbandes  in  Quart  gedient  haben.  Die 
Bibliothek,  aus  welcher  jener  Sammelband  stammte,  wurde 
vom  Herausgeber  nicht  genannt,  und  über  den  Codex  selbst 
fehlen  auch  sonst  alle  genauen  Nachrichten.  Der  glückliche 
Entdecker  war  dieselbe  Person,  welche  ohngefähr  in  derselben 
Zeit  jenes  berüchtigte  althochdeutsche  Sprachdenkmal  auf- 
gefunden hatte,  das  unter  dem  Namen  Schlummerlied  bekannt 
und  von  Jafi'e  als  Fälschung  entlarvt  wurde.  Auf  dem  Perga- 
mentstreifen, welcher  das  Schlummerlied  enthält,  sieht  man 
hebräische  Zeichen  unter  denen  erstaunlicher  Weise  auch  ein 
Wort  vorkommt,  Avelches,  wenn  man  will,  auch  Zappert  gelesen 
werden  kann,  und  also  beweist,  dass  dem  Fälscher  eine  schalk- 
hafte Ader  nicht  gefehlt  hat.  An  diese  fatale  Unterschrift  des 
Schlummerliedes  erinnert  es,  wenn  man  in  dem  , ältesten  Plan 
Wiens'  von  einer  angeblichen  Hand  des  15.  Jahrhunderts  die 
Bemerkung  findet,  scatet  erroribus.  Der  Herausgeber  will  diese 
Glosse  nur  als  einen  Beweis  gelten  lassen,  dass  Dinge  dieser 
Art  in  späteren  Zeiten  wenig  geschätzt  worden  seien  und  daher 
vom  Buchbinder  verwüstet  werden  konnten.  Wer  dagegen  miss- 
trauisch  sein  wollte,  könnte  sich  leicht  veranlasst  sehen,  bei 
dem  scatet  erroribus  an  denselben  schalkhaften  Fälscher  zu 
denken,  der  die  Stirne  hatte  unter  das  Schlummerlied  ein 
hebräisches  Wort  zu  schreiben,  dessen  Zeichen  auch  Zappert 
gelesen  werden  können. 

Gehen  wir  zu  dem  Inhalte  des  ältesten  Plans  über,  so 
müssen  die  nach  Gewerben  benannten  Strassen  einigermaassen 
Erstaunen  erregen.  Allerdings  liegt  der  Gedanke  sehr  nahe,  dass 
es  Schuster  und  Bogner  in  früher  Zeit  in  Städten  gegeben 
habe,    und    nichts    ist    natürlicher    als    die    darnach    genannten 


Ueber  den  Unteriiehied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  09 

Strassen  als  uralt  zu  denken.  Gleichwohl  fehlt  es  an  irgend 
einem  Orte  Deutschlands  an  einem  Beispiel,  dass  es  im  11.  Jahr- 
hundert bereits  nach  Handwerkern  g^enannte  Strassen  gab.  Denn 
die  Bezeichnung  der  Strassen  nach  Handwerkern  setzt  eine 
grosse  Entwicklung  des  Gildenwesens  voraus.  Und  wenn  auch 
(vgl.  V.  Maurer,  H.,  31  ff.)  das  Zusammenwohnen  derselben 
Handwerker  in  einem  Stadttheile  an  vielen  Orten  und  auch  in 
Wien  nachweisbar  ist,  so  scheint  doch  die  Strassenbezeichuung 
häufiger  an  den  Bestand  von  Zunfthäusern  zur  Voraussetzung 
zu  haben.  Vor  allem  aber  fällt  in  dem  , ältesten  Plan'  das  Vor- 
kommen der  Goldschmiedgasse  auf,  Avovon  noch  im  13.  und 
14.  Jahrhundert  sonst  wenig  Nachweis  geliefert  werden  könnte. 
Der  Herausgeber  des  Plans  macht  geltend,  dass  die  Gold- 
schmiedekunst in  Wien  frühzeitig  und  in  ausgedehntem  Maasse 
betrieben  worden  sei,  und  er  scheint  geneigt  in  der  Strasse  der 
Goldschmiede  ein  früheres  Stadium  in  der  Entwicklung  der 
Hausgenossen  zu  erblicken. 

So  sehr  nun  aber  die  erwähnten  Umstände  geeignet  sein 
mögen,  manche  Bedenken  an  der  Echtheit  des  , Plans'  wach  zu 
rufen,  so  wenig  könnte  man  dieselben  für  ausreichend  ansehen, 
um  einen  wirklichen  Nachweis  einer  Fälschung  zu  liefern.  Denn 
das  Document  als  solches  liegt  nun  einmal  vor  und  auf  seine 
Autorität  hin  muss  man  die  Goldschmiedgasse  für  beglaubigt 
erklären ,  da  sich  ein  sicherer  Gegenbeweis  nicht  erbringen 
lässt,  und  mit  Gründen  blosser  Unwahrscheinlichkeit  hier  selbst- 
verständlich nicht  gedient  sein  kann.  Ja  man  darf  noch  mehr 
sagen:  Heute  ist  uns  durch  die  Altaicher  Annalen  bezeugt, 
dass  Wien  wirklich  im  11.  Jahrhundert  als  ansehnlicher  Ort 
bestand,  aber  als  der  , älteste  Plan'  entdeckt  wurde,  erregte  es 
den  grössten  Verdacht,  dass  derselbe  Umrisse  einer  Stadt  darbot, 
welche  man  höchstens  für  das  Ende  des  12.  Jahrhunderts  für 
annehmbar  hielt.  Sollte  ein  Fälscher  wirklich  die  Verwegenheit 
gehabt  haben  aus  eigener  Willkür  einen  Plan  des  11.  Jahr- 
hunderts zu  ersinnen,  so  war  es  wenigstens  das  wunderbarste 
Spiel  des  Zufalls,  dass  er  nachträglich  durch  die  Auffindung 
der  Altaicher  Annalen  in  seiner  Vermuthung  so  sehr  begünstigt 
worden  ist.  Wie  die  Sache  heute  liegt,  so  wird  sich  schwerlich 
ein  triftiger  innerer  Grund  gegen  die  Echtheit  des  Plans  an- 
führen  lassen,    und  es   ist    in    der  That  höchst  wahrscheinlich. 


bO  Lorenz. 

dass  wir  in  demselben  ein  Document  aus  dem  Anfang  des  12. 
oder  aus  dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts  zu  erblicken  haben. 
So  lange  man  nicht  positive  und  beachtenswerthe  Gründe  gegen 
dasselbe  beizubringen  im  Stande  ist,  muss  man  dasselbe  als 
eine  Hauptquelle  unserer  Kenntniss  von  dem  alten  Wien  im 
Auge  behalten,  und  man  muss  sich  wundern,  dass  es  nicht 
eifriger  commentirt  wurde  als  bisher  geschehen  ist,  und  dass 
die  für  die  rechtsgeschichtliche  Entwicklung  Wiens  wichtigen 
Folgerungen  aus  dem  ältesten  Plan  bis  heute  noch  von  nie- 
manden gezogen  worden  sind. 

Der  , älteste  Plan'  beweist,  wenn  er  echt  ist,  nichts  gerin- 
geres, als  dass  es  in  dem  alten  Orte  getheilte  Grundherrlichkeit 
gab,  und  dass  sowohl  das  Bisthum  Passau,  wie  auch  der  Mark- 
graf in  Wien  Hofrecht  besassen.  Die  alte  Markgenossenschaft 
war  mithin  aus  einer  gemischten  Bevölkerung  zusammengesetzt, 
theils  aus  Kirchenleuten,  theils  aus  markgräflichen  Ministerialen. 
Unter  dem  Schutze  des  alten  römischen  Castells  hatte  sich 
ohne  Zweifel  auch  eine  Anzahl  von  freien  Leuten  erhalten,  die 
innerhalb  der  Stadtmauern  eigenen  Grund  besassen  und  deren 
Häuser  in  dem  ältesten  Plan  unbezeichnet  erscheinen.  Will 
man  aus  dem  Situationskärtchen  gewissermaassen  einen  Rück- 
schluss  auf  das  Zahlverhältniss  zwischen  passauischen  Zins- 
häusern und  freiem  Eigenthum  gestatten,  so  lässt  sich  sagen, 
dass  sich  dasselbe  fast  das  Gleichgewicht  hält.  Man  hat  also 
in  dem  Wien  des  11.  Jahrhunderts  ganz  und  gar  dieselben 
Elemente  vor  sich,  die  man  in  Basel  und  Worms  in  der 
ältesten  Zeit  findet.  Gotteshausleute,  Freie  und  Grafschafts- 
unterthanen.  Aber  auch  die  Verhältnisse  des  näher  gelegenen 
Enns  lassen  sich  durchaus  mit  denjenigen  Wiens  vergleichen. 
Es  wird  sich  daher  später  sehr  leicht  erklären  lassen,  warum 
auch  in  der  Ausbildung  des  Stadtwesens  und  in  der  Ent- 
wicklung des  Stadtrechts  ein  gewisser  Parallelismus  zwischen 
Enns  und  Wien  eintrat,  aber  freilich  erst  in  der  Zeit  wo  die 
landesherrliche  Gewalt  zu  voller  Geltung  gelangt  war  und  der 
Herzog  alle  Gerichtsbarkeit  in  seiner  Hand  vereinigen  durfte.  In 
der  Zeit,  in  welcher  der  Plan  verfasst  sein  will,  ist  von  letzterer 
Eigenschaft  landesherrlicher  Gewalt  noch  nicht  entfernt  die  Rede. 
Dagegen  war  der  Markgraf,  wie  man  aus  der  Uebergabs- 
urkunde    der    Kirche    St.  Peter    an    das    Bisthum  Passau  1137 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  61 

ersieht  (Meiller,  Reg,  3,  S.  25),  Kirchenpatron,  und  er  verfügte 
die  Aufrechthaltung-  dei"  einheitliehen  Jurisdiction  unter  dem 
Wiener  Kirchenvorsteher  (Wiennensis  plebani  sint  regimine), 
trotzdem  dass  St.  Peter  eine  selbständige  Pfarre  bildete.  Für 
das  passauische  Situation skärtchen  sehr  bezeichnend  ist  es, 
dass  die  Kirche  von  St.  Peter  noch  nicht  erwähnt  erscheint 
und  die  Aufzeichnung  daher  vor  die  Zeit  der  Errichtung  und 
Uebergabe  von  St.  Peter  gehört.  Aus  dem  ausgedehnten  Patro- 
natsrecht  des  Landesherrn  erklärt  sich  auch  das  frühzeitige 
Bestreben  desselben  ein  besonderes  Bisthum  in  Wien  zu  gründen 
und  von  der  Diöcesangewalt  Passaus  unabhängig  zu  werden. 
Aus  den  im  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  bekannten  Verhand- 
lungen hierüber  bei  dem  päpstlichen  Stuhle  ist  uns  auch  die 
Nachricht  erhalten,  dass  das  Gemeinwesen  von  Wien  als  eines 
der  hervorragendsten  in  Deutschland  neben  Köln  beim  päpst- 
lichen Stuhle  bezeichnet  werden  konnte. 

Wie  aber  die  Dinge  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
zunächst  noch  standen,  so  setzte  sich  die  Gewalt  des  Mark- 
grafen aus  sehr  verschiedenen  Factoren  zusammen,  und  war 
keineswegs  noch  eine  allumfassende  Stadtherrschaft.  Nur  zum 
Theil  besass  er  Hofrechte  soweit  sein  Grundeigenthum  in  der 
Stadt  reichte,  ausserdem  hatte  er  das  Grafschaftsgericht  und 
den  Kirchenpatronat.  Wenn,  wie  im  Jahre  1137  der  Fall,  ein 
Bruder  des  Markgrafen  auch  Vogt  der  passauischen  Besitzungen 
war,  so  vereinigte  sich  allei-dings  der  grösste  Theil  der  Stadt- 
gewalten in  den  Händen  des  regierenden  Hauses.  Doch  ist  ohne 
Zweifel  auch  für  Wien  der  Beginn  einer  eigentlich  landesherr- 
lichen Regierung  erst  von  dem  Jahre  1156  und  von  dem 
Piivilegium  minus  zu  datiren.  Die  Uebertragung  aller  Gerichts- 
hoheit auf  den  österreichischen  Herzog  veränderte  die  Stellung 
desselben,  wie  sich  von  selbst  versteht,  gerade  an  solchen  Orten 
am  meisten,  wo  gemischte  Verhältnisse,  eine  gemischte  Bevöl- 
kerung, gemischte  Gerichtsgewalten  bestanden.  Indem  der 
Gerichtsbann  nach  dem  Privilegium  minus  für  jeden  Richter 
im  ganzen  Lande  vom  Herzoge  ausging,  war  ein  Fortschreiten 
der  richterlichen  Gewalt  innerhalb  der  Städte  von  nun  an 
nur  auf  dem  Wege  der  Privilegirung  dui-ch  den  Landesherrn 
möglich,  d.  h.  alle  städtische  Gerichtsbarkeit  wurde  von  dem 
österreichischen  Herzog  abhängig.    Man  kann  daher  sagen,  dass 


02  Lorenz. 

hauptsüclilich  schon  durch  das  FriviIeo;ium  minus  die  land- 
städtische Entwickhing  der  ummauerten  Orte  in  Oesterreich 
bedingt  und  vorgezeichnet  worden  war.  Hiedurch  wird  es  nun 
auch  erkhirlich ,  dass  die  Bürgerschaft  der  österreichischen 
Städte  erst  zu  einem  besondern  Gerichtsstand  gelangen  konnten, 
nachdem  die  volle  Gerichtshoheit  in  der  Hand  des  Plerzogs  als 
Landesherrn  vereinigt  war. 

Die  Grundlagen  des  städtischen  Wesens  waren  durch  die 
Landeshoheit  gegeben  aber  durch  dieselbe  auch  haarscharf 
begrenzt.  Für  die  Entwicklung  des  bürgerlichen  Gerichtsstandes 
wäre  es  aber  als  das  wichtigste  Moment  zu  betrachten,  wenn 
man  die  Zeit  sicher  zu  bestimmen  vermöchte,  in  welcher  zuerst 
die  Ausscheidung  der  cives,  burgenses,  urbani,  die  als  solche 
schon  im  12.  Jahrhundert  genannt  werden,  aus  der  Jurisdiction 
der  Landrichter  stattgefunden.  Johann  Tomaschek  hat  in  seinem 
hochverdienstlichen  Urkundenbuch  der  Stadt  Wien  in  der  Ein- 
leitung, S.  IX  ff.,  nicht  unwahrscheinlich  zu  machen  gesucht, 
dass  die  Einsetzung  von  Stadtrichtern  an  manchen  Orten  und 
besonders  in  Wien  selbst  schon  vor  der  Verleihung  umfassen- 
derer Stadtrechte  möglich  wäre.  Und  ebenso  muss  man  es  für 
eine  ansprechende  und  sehr  wahrscheinliche  Annahme  Toma- 
schek's  erklären,  dass  schon  vor  dem  Ennser  Stadtrecht  Wien 
im  Besitze  einer  ausgedehnteren  Aufzeichnung  seiner  Rechts- 
satzungen gewesen  sei.  Darnach  konnte  Tomaschek  es  auch 
fast  als  gewiss  hinstellen,  dass  nicht  das  Ennser  Stadtrecht 
Quelle  des  Wiener  geworden  sei,  sondern  dass  ein  Theil  der 
Wiener  Statuten  von  1221  in  ihrer  früheren  aus  älterer  Zeit 
stammenden  Fassung  dem  Ennser  Privilegium  von  1212  zu 
Grunde  gelegen  hätte.  Tomaschek  konnte  dabei  auf  eine  bisher 
geringgeschätzte  Notiz  des  W.  Lazius  hinweisen,  nach  welcher 
Wien  im  Jahre  1198  mit  einem  Stadtrecht  bewidmet  worden  wäre, 
welches  sich  theilweise  mit  demjenigen  von  Enns  vom  Jahre 
1212  berühren  würde.  Auf  alle  Fälle  hat  die  Schlussfolgerung 
Tomaschek's  in  der  Hauptsache  sehr  viel  einleuchtendes,  wenn 
man  auch  in  der  Mittheilung  der  Statuten  durch  Lazius  schwer- 
lich eine  haltbare  Grundlage  für  den  wirklichen  Inhalt  des 
ältesten  Stadtprivilegiums  erblicken  wollte. 

Gehen  wir    nun    an  die  Betrachtung  des  Leopoldinischen 
Stadtrechtes  selbst,  so  können  wir  uns  nach  der  von  Tomaschek 


Ueber  den  Unterschied  von  Ueichsstidten  und  Landstädten.  63 

S.  XVIT  g-egebenen  Analyse  darüber  ganz  kurz  fassen,  denn 
alle  Hauptmomente  der  iu  der  Urkunde  zu  Tage  tretenden 
Gerichtsverfassung  der  Stadt  sind  hier  auf  das  trefflichste 
hervorgehoben  worden.  Doch  wollen  wir  auch  für  den  Gang 
unserer  Erörterungen  besonders  im  Auge  behalten,  wenn  es  bei 
Tomaschek  heisst:  ,Das  Bürgerthum  ist  daher  noch  weit  entfernt 
die  Staudesunterschiedc  auszugleichen,  die  persönliche  Freiheit 
der  Bürger,  geschweige  denn  ihi'e  Rechtsgleichheit  herbeizu- 
führend Beachtenswerth  scheint  ferner  zu  sein,  dass  das  Privi- 
legium Standesunterschiede  voraussetzt,  welche  sicli  nur  aus 
den  älteren  Verhältnissen  einer  grundherrschaftlich  durchaus 
gemischten  Bevökerung  erklären  werden.  Die  Einsetzung  eines 
landesfürstlichen  Stadtrichters  war  gegenüber  den  Freien  und 
gegenüber  den  Kirchenleuten  der  alten  Stadt  zugleich  ein 
Moment  der  zunehmenden  Landeshoheit  des  Herzogs  und  ein 
Resultat  seiner  aus  dem  Privilegium  minus  gewonnenen  ein- 
heitlichen Gerichtsgewalt.  Denn  der  von  dem  Herzog  mit 
absoluter*  Selbständigkeit  eingesetzte  Judex  hat  alle  Merkmale 
eines  reinen  Beamten  an  sich  und  behielt  auch  in  späterer  Zeit 
diesen  Charakter  bei,  wie  sich  noch  zeigen  wird. 

Für  die  politische  Seite  der  städtischen  Entwicklung  steht 
die  Frage  über  die  Ausbildung  und  Bedeutung  des  Raths  im 
Vordergrund.  Aber  von  einem  solchen  Eath  ist  eigentlich  im 
Leopoldinischen  Stadtrecht  überall  nicht  die  Rede,  und  mit 
einer  grossen  Aengstlichkeit  ist  auch  jener  Ausdruck  vermieden, 
welcher  für  den  Bestand  von  Räthen  sonst  maassgebend  ist. 
Keine  Consules,  auch  nicht  scabini  erscheinen  im  Leopoldini- 
schen Stadtrecht;  es  ist  vielmehr  eine  sehr  Avohlwollende  Auf- 
fassung der  Sache,  wenn  Tomaschek  im  Art.  28  die  ersten 
Ansätze  einer  Theilnahme  der  Bürger  an  der  Regierung  (!)  der 
Stadt  erblicken  will.  In  der  Urkunde  heisst  es:  ut  civium, 
qui  prudentiores  in  civitate  inveniri  poterunt,  juramento  con- 
firment,  quod  disponant  de  mercatu  et  de  universis,  que  ad 
honorem  et  utilitatem  civitatis  pertiuent.  Es  handelt  sich  also 
lediglich  um  Marktaufsicht  und  Ortspolizei;  auch  die  Ver- 
gohungen  gegen  die  Anordnungen  dieser  Geschwornen  richten 
nicht  die  Bürger  selbst,  'sondern  der  landesherrliche  Richter. 
Dies  ist  also  ein  sehr  dürftiger  Anfang  zu  jenen  Rechten, 
welche  überall  im  , Reiche'  der  Rath  bereits  im  13.  Jahrhundert 


64  Lorenz. 

erlangt  hatte.  Sollte  man  die  Stellung  des  Richters  der  Stadt 
charakterisiren,  so  wäre  es  vielleicht  nicht  unzutreffend^  wenn 
man  denselben  als  einen  vom  Herzog  für  die  Stadtmark  beson- 
ders delegirten  Landrichter  bezeichnen  würde.  Auch  bei  den 
Bussgeldern  bleibt  die  herzogliche  Kammer  nach  wie  vor  dem 
Stadtrecht  betheiligt  und  die  Bürgerschaft  leistet  dem  Landes- 
herrn Kriegsdienste.  Die  städtische  Entwicklung,  wie  sie  sich 
durch  das  Leopoldinische  Stadtrecht  darstellt,  bietet  in  poli- 
tischer Beziehung  nicht  etwa  einen  Gegensatz  gegen  die  Aus- 
bildung der  Landeshoheit,  wie  dies  in  den  Bischofsstädten 
besonders  scharf  zu  Tage  kommt,  sondern  das  österreichische 
Bürgerthum  dient  als  Stütze  der  landesfürstlichen  Gewalt  und 
vermehrt  und  befördert  dieselbe. 

In  diesem  natürlichen  Gang  der  Dinge  trat  jedoch  eine 
Unterbrechung  ein,  als  Herzog  Friedrich  H.  gegen  den  Kaiser 
Friedrich  IL  sich  auflehnte  und  der  letztere  zu  der  denkwür- 
digen Besetzung  Oesterreichs  im  Jahre  1237  geschritten  war. 
Seine  Politik  gegenüber  den  österreichischen  Städten  kann  wohl 
keinen  Augenblick  missverstandeu  werden.  Indem  er  dieselben 
der  Botmässigkeit  der  landesfürstlichen  Gewalt  zu  entziehen 
suchte,  schuf  Kaiser  Friedrich  IL  einen  Zustand,  der  dem- 
jenigen der  Reichs-  oder  Königsstädte  der  gleichen  Zeit  auf 
das  genaueste  entsprach.  Er  erklärte  die  Bürger  für  reichs- 
unmittelbare Leute,  fideles  imperii,  nahm  sie  in  den  Schutz  und 
unter  die  Hoheit  des  Reichs,  nobis  et  imperio  iudissolubiliter 
alligarunt,  machte  den  Stadtrichter  zu  einem  Reichsbeamten, 
und  wählte  denselben  mit  Beirath  der  Bürger  jahrweise.  Hier 
wird  zuerst  das  consilium  civium  erwähnt,  der  Kaiser  ist  es, 
welcher  alle  Einwohner  der  Stadt  als  Freie  erklärt,  und 
die  Kriegsverpflichtuugen  derselben  lediglich  auf  das  Reich 
bezieht,  welchem  sie  nur  soweit  zu  dienen  gehalten  sind,  dass 
sie  innerhalb  eines  Tages  ausziehen  und  zurückkehren  können. 
Die  ersten  Elemente  einer  freien  Rathsverfassung  waren  somit 
gelegt.  Auch  wurde  der  Bestand  des  Raths  (consilium),  wie 
es  scheint,  nicht  wieder  ganz  aufgehoben.  Nur  die  Reichsfreiheit 
vermochte  sich  weder  jetzt  noch  später  zu  behaupten. 

Schon  Herzog  Friedrich  H.  berfutzte  die  Entfernung  des 
Kaisers,  um  das  Privilegium  von  1237  trotz  aller  Strafsanctionen, 
die  sich   direct  auch  gegen  die  herzogliche  und   markgräfliche 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  60 

Gewalt  ricliteteii,  zu  durchbrechen.  Das  Stadtrecht  von  1244 
drückt  den  Rath  in  die  Stelhmg  herab,  die  er  unter  Leopold  VI. 
erhalten,  und  kennt  bloss  24  g-eschworne  Bürg-er,  welche  für 
Markt-  und  Ortspolizei  sorgen,  wie  dies  in  dem  landesherrlichen 
Privileg  von  1221  auch  bestimmt  Avar.  Aber  die  Erneuerung 
der  Reichsfreiheit  und  der  Rathsrechte  durch  den  Kaiser  im 
Jahre  1247  und  die  Anerkennung  der  gleichen  Freiheiten  durch 
Ottokar  von  Böhmen  machten  es  möglich,  dass  der  von  dem 
Kaiser  eingesetzte  Rath  eine  gewisse  Entwicklung  zu  nehmen 
vermochte. 

Es  scheint  hier  überflüssig  zu  sein,  nach  dem,  was  schon 
anderer  Orten  über  die  Stellung  Wiens  unter  der  Regierung- 
Ottokars  bemerkt  wurde,  nochmals  auf  die  Ursachen  zurück- 
zukommen, welche  bewirkten,  dass  die  Städte  in  Oesterreich 
der  böhmischen  Herrschaft  besonders  zugethan  blieben,  auch 
nachdem  die  Reichsgewalt  durch  König  Rudolf  wiederhergestellt 
wurde.  Doch  mag  es  gestattet  sein,  einiges  davon  zu  wieder- 
holen. 

Dr.  Winter  (Urk.  Beitr.,  S.  XII)  berührt  zwar  nicht  mit 
Rücksicht  auf  Wien,  aber  in  Bezug  auf  den  ganz  analogen 
Fall  der  Neustädter  Privilegien  den  Umstand,  dass  durch 
Ottokar  von  Böhmen  in  derselben  Urkunde,  in  deren  Prooemium 
die  Unterwerfung  unter  die  Landeshoheit  ausdrücklich  consta- 
tirt  ist,  ein  kaiserliches  Privileg  vollinhaltlich  inserirt  und 
bestätigt  wird,  in  welchem  gleichzeitig  die  Reichsfreiheit  zu- 
gesichert wurde.  Winter  meint,  dass  eine  solche  Erscheinung 
wohl  nur  aus  einer  Nachlässigkeit  der  Kanzlei  erklärt  werden 
könne.  In  der  That  lässt  sich  aber  auch  noch  ein  anderer 
Grund  dafür  anführen.  Die  wesentlichen  Punkte  in  dem  kaisei'- 
lichen  Pj-ivilegium  Friedrichs  IL  waren  die  Stellung  des  Raths 
und  der  Antheil  der  Bürger  an  der  Einsetzung  des  Richters. 
In  dieser  Beziehung  konnte  auch  der  König  von  Böhmen  oder 
der  Landesherzog  den  Wünschen  der  Bürgerschaft  entgegen- 
kommen, wenn  er  sich  auf  den  Standpunkt  des  kaiserlichen  Ver- 
leihers des  Privilegiums  stellte  und  auf  diejenigen  Rechte  als 
Landesherr  verzichtete,  welche  aus  den  babenbergischen  Stadt- 
rechten der  Landeshoheit  zufielen.  Gewiss  ist  Dr.  Winter  in  vollem 
Rechte,  wenn  er  auf  den  Widerspruch  zwischen  der  Landes- 
hoheit und  der   Reichsunmittelbarkeit    aufmerksam    macht,  der 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  5 


66  Lorenz. 

in  den  Ottokarischen  Privilegien  theoretisch  unvermittelt  vor- 
liegt. Aber  im  praktischen  Leben  wurde  dieser  Gegensatz 
durch  die  Stellung  des  Kaths  ausgeglichen.  Wie  in  den  Reichs- 
städten und  besonders  in  den  bischöflichen  der  Rath  eine 
selbständige  Stellung  in  der  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  that- 
sächlich  inne  hatte,  während  das  rechtliche  Verhältniss  zur 
Landesherrschaft  die  mannichfaltigsten  Deutungen  zuliess,  wie 
ferner  auch  noch  in  spätem  Zeiten  die  volle  Freiheit  der  Stadt 
und  die  alte  übliche  Landeshuldigung  in  den  meisten  Bischofs- 
städten neben  einander  fortbestanden,  so  war  es  unter  den 
ausserordentlichen  Verhältnissen  der  Ottokarischen  Zeit  möglich, 
dass  die  Bürger  der  österreichischen  Städte  einerseits  huldigten 
und  andererseits  die  durch  das  kaiserliche  Privileg  von  1237 
gewährte  Freiheit  genossen.  Es  war  also  unter  König  Ottokar 
ein  Zustand  wie  er  später  in  Braunschweig  bestand,  und  ist 
das  thatsächliche  Verhältniss  nach  unserem  oben  aufgestellten 
Schema  b,  1.  zu  beurtheilen.  Die  Reichsstandschaft  war  den 
Bürgern  durch  die  thatsächlich  erfolgte  Huldigung  genommen, 
aber  die  Rathsfreiheit,  welche  das  Fridericianum  geschaffen,  war 
ihnen  geblieben.  Es  ist  klar,  dass  sich  unter  diesen  Umständen 
das  Bewusstsein  der  Büi-gerschaft  auch  schon  ziemlich  rasch 
entwickeln  konnte,  zumal  der  ständige  Aufenthaltsort  Ottokars 
von  Böhmen  nicht  in  Wien  war  und  die  Eingriffe  der  Landes- 
gewalt, welche  aus  der  sattgehabten  Huldigung  jederzeit  statt- 
finden konnten,  nicht  gerade  so  unmittelbar  drohten,  und  wie 
es  scheint  in  der  That  nur  selten  oder  gar  nicht  empfunden 
wurden. 

Leider  sind  die  Nachrichten  über  die  innern  Zustände  der 
Städte  in  der  Zeit  König  Ottokars  nicht  umfassend  genug,  um 
ein  vollffenüo-endes  Bild  der  Wirksamkeit  des  Raths  aufzustellen. 
Aber  eines  ist  gewiss:  wenn  es  dem  Rathe  einmal  gelang  seine 
thatsächlich  geübte  Stellung  dadurch  zu  befestigen,  dass  ihm 
die  Reichsstandschaft  zu  Theil  wurde,  so  war  nach  der  Epoche 
des  Literregnums  in  Deutschland  eine  Entwicklung  eines  freien 
Stadtwesens  möglich,  welches  sodann  eine  vollkommene  Ana- 
logie zu  den  im  obigen  Schema  unter  a,  1.  bezeichneten  Städten 
gebildet  haben  würde. 

Die  Frage,  welche  sich  daher  nach  der  sogenannten 
Wiederherstellung    des    Reichs    durch  Rudolf  I.  für  die  Städte 


Ueber  den  Uiiterscliied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  O  ( 

und  insbesondere  für  Wien  erhob,  gipfelte  ausschliesslich 
darin,  ob  Reichsunmittelbarkeit  und  Reichsstaudschaft  oder 
Landstandschaft  und  herrschaftliche  Abhängigkeit  eintreten 
würde.  Gegenüber  diesem  Lebensprincipe  des  Städtewesens 
steht  jede  andere  Betrachtung  zurück,  und  das  Vorhandensein 
einer  starken  reichsstädtischen  Rathspartie  unter  Paltram  gehört 
daher  zu  den  allereingreifendsten  und  wichtigsten  Erscheinungen 
der  gesammten  Stadtgeschichte  von  Wien.  Wer  diesen  Umstand 
auch  nur  einen  Augenblick  vergessen  oder  verkennen  würde, 
von  dem  müsste  man  sagen,  dass  ihm  das  Wesen  der  städti- 
schen Entwicklung  und  der  städtischen  Kämpfe  im  letzten 
Viertel  des  13.  Jahrhunderts  nicht  ganz  deutlich  wäre. 

Bekanntlich  ist  nun  der  Umstand,  dass  wir  keine  volle 
Klarheit  über  das  urkundliche  Material  besitzen,  welches  mit 
der  Geschichte  Rudolfs  I.  und  seines  Sohnes  Albrecht  in  Wien 
zusammenhängt,  einigermaassen  störend  für  die  richtige  und 
leichte  Erkenntniss  der  Entwicklung,  indessen  liegen  doch 
gewisse  feststehende  Thatsachen  vor,  aus  denen  der  Ernst  und 
die  Hartnäckigkeit  der  Situation  vollkommen  deutlich  hervor- 
geht und  welche  man  sich  gegenwärtig  halten  muss:  1.  Die 
Unterwerfung  Wiens  durch  Rudolf  I.  im  Winter  von  1276/77; 
2.  der  Widerstand  und  Aufruhr  gegen  denselben  im  Sommer 
1278;  3.  der  Widerstand  gegen  Albrecht  von  1283—1288; 
4.  die  erzwungene  Huldigung  des  Raths  von  1288  ;  ä.  der  grosse 
Aufruhr  der  e-anzen  Stadt,  welchen  die  Reimchronik  beschreibt 
und  dessen  chronologische  Einreihung  nicht  leicht  möglich  ist ; 
6.  die  Unterwerfunc^  unter  die  Landeshoheit  im  Jahre  1296. 
Alle  diese  Thatsachen,  welche  so  sicher  stehen,  dass  man  sie 
bei  einer  blossen  Untersuchung  auf  das  urkundliche  Material 
hin,  als  selbstverständlich  voraussetzen  konnte,  beweisen  klar, 
welche  gewaltige  Bewegung  durch  zwanzig  Jahre  hindurch  die 
Frage  der  Rathsfreiheit  und  Reichsstandschaft  in  Wien  ver- 
ursacht hatte.  Es  wird  später  unsere  Aufgabe  sein,  das  Resultat 
dieser  Kämpfe  zu  charakterisiren.  Vorläufig  sei  es  gestattet, 
auf  jene  urkundlichen  Zeugnisse  hier  nochmals  zurück  zu 
kommen,  welche  für  die  Beziehungen  Wiens  zum  König 
Rudolf  I.  maassgebend  sind. 


68  Lorenz. 

IV. 

Die  beiden  Urkunden,  welclie  vom  König-  Rudolf  der 
Stadt  Wien  ertheilt  worden  sind,  wurden  in  frühem  Jahren 
zum  Theil  für  unecht  erklärt.  Kamhafte  Forscher,  wie  Böhmer, 
konnten  sich  mit  dem  Gedanken  nicht  vertraut  machen,  dass 
Rudolf  I.  eine  die  Reichsstandschaft  gewährende  Urkunde  der 
Stadt  Wien  in  einem  Augenblicke  ausgestellt  haben  sollte,  wo 
er  mit  dem  Gedanken  umging,  seinen  Söhnen  Oesterreich  zu 
verleihen.  Allein  die  Umstände  waren  stärker  als  der  Wunsch 
des  Königs,  und  dass  Rudolf  der  Stadt  Wien  wirklich  die 
Reichsstandschaft  gewährte,  kann  als  ein  Resultat  der  Forschung 
betrachtet  werden,  welches  heute  allgemein  anerkannt  und 
angenommen  ist.  Die  thatsächlichen  und  urkundliclien  Zeug- 
nisse für  die  Privilegirung  Wiens  als  Reichsstadt  durch  König 
Rudolf  sind  so  überwältigend,  dass  wir  es  immer  als  etwas 
auffallendes  angesehen  haben,  wie  man  an  der  einfachen  That- 
sache  in  der  angeführten  Richtung  zweifeln  könnte.  Wohl  aber 
musste  man  es  Böhmer  zugestehen,  dass  die  Form,  in  welcher 
uns  die  angebliche  Urkunde  Rudolfs  I,  überliefert  ist,  durchaus 
nicht  mit  dem  verloren  gegangenen  echten  Original  gleichlautend 
sein  kann,  und  es  scheint  auch  heute  noch  nichts  stichhältiges 
zur  Rettung  dieser  Form  beigebracht  worden  zu  sein,  ja  wenn 
man  genauer  zusieht,  so  müsste  erst  die  Frage  entschieden 
werden,  welche  Ueberlieferung  als  die  echte  zu  betrachten  sei, 
da  die  handschriftliche  P'orschung  das  Resultat  ergibt,  dass 
das,  was  als  Rudolfinisches  Privilegium  sich  ausgibt,  in  ver- 
schiedenen Formen  vorliegt,  ja  einen  sehr  verschiedenen 
Inhalt  zeigt. 

Hier  ist  nun  in  erster  Linie  auf  den  Unterschied  auf- 
merksam zu  machen,  welcher  sich  in  der  Fassung  des  Wiener 
Stadtbuchs  darin  zeigt,  dass  einer  der  wichtigsten  Artikel,  näm- 
lich der  über  die  Verurtheilung  Paltram's  in  dieser  Ueberlieferung 
weggelassen  ist,  wodurch  allerdings  gewisse  Schwierigkeiten 
behoben  werden  könnten,  welche  sich  durch  die  in  andern 
Abschriften  vorkommenden  Zeugenunterschriften  ergeben.  Es 
ist  aber  klar,  dass  der  Artikel  über  Paltram  gewiss  nicht  will- 
kürlich in  eine  Anzahl  anderer  Abschriften  aufgenommen 
sein    kann,    und    es   mnss    daher    sein  Bewenden    dabei    haben, 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  69 

dass  die  Abschriften,  welche  den  Artikel  mittheilen,  vorzuziehen 
sein  werden.  Wie  soll  man  nun  aber  den  Widerspruch  er- 
klären, der  zwischen  den  Zeugenunterschriften  und  dem  Vor- 
kommen des  Artikels  über  Paltram  besteht?  Tomaschek  und 
Ficker  (Urkundenlehre  I,  S.  252,  und  11,  S.  490)  suchen  die 
Schwierigkeit  dadurch  zu  beseitigen,  dass  sie  zwischen  Actum 
und  Datum  der  vorliegenden  Urkunde  einen  Unterschied  con- 
stituiren,  der  zwar  in  den  Abschriften  nicht  ausgedrückt  ist, 
dessen  Möglichkeit  aber  von  einem  formalen  diplomatischen 
Standpunkt  aus,  gewiss  leicht  zuzugeben  wäre.  Das  Datum 
der  angeblichen  Urkunde  ist  in  allen  Abschriften  auf  den 
24.  Juni  gesetzt.  Das  Actum  müsste  allerdings  erheblich  früher 
erfolgt  sein,  da  der  Bischof  Leo  24.  Juni  1278  längst  todt 
war.  Man  konnte  aber  nicht  verkennen,  dass  das  actum  der 
Urkunde  das  actum  der  Verurtheilung  Paltram's  voraussetzte 
und  da  diese  Verurtheilung  erst  nach  dem  Tode  Leos  erfolgte, 
so  ist  es  klar,  dass  Leo  weder  bei  dem  actum  noch  bei  dem 
datum  anwesend  war.  Aber  wer  einmal  nach  Auskunfts- 
mittelchen  sucht,  findet  sie  überall ;  man  glaubte  also  bemerken 
zu  können,  zur  Zeit  der  Ertheilung  des  reichsstädtischen  Pri- 
vilegiums, wo  Leo  anwesend  war,  actum,  wusste  man  von  der 
später  erfolgten  Verurtheilung  Paltram's  noch  nichts,  und  daher 
war  auch  damals  noch  nicht  von  dem  Artikel  die  Pede ;  als 
man  aber  die  Urkunde  hinausgab,  benutzte  man  die  Zeugen 
des  Actum  und  fügte  die  Verurtheilungsformel  bei.  Allein  eine 
solche  Vorstellung  von  dem  Hergange  der  Sache  enthält  einen 
noch  grösseren  Widerspruch  als  alles  übrige.  Denn  bekanntlich 
empörten  sich  Paltram  und  seine  Söhne,  weil  Rudolf  die  Reichs- 
freiheit und  Rathsrechte  nicht  bestätigt  hatte ;  weil  sie  sich 
empörten,  wurden  sie  verurtheilt  und  weil  ihre  Verurtheilung 
zu  einer  Bedingung  der  Ertheilung  des  reichsstädtischen  Privi- 
legiums gemacht  wurde,  darum  konnte  auch  das  Privilegium 
nicht  vor  der  Zeit  der  Verurtheilung  ertheilt  sein.  Wäre  das 
actum  zur  Zeit  als  Leo  von  Regensburg  lebte  bereits  vollzogen 
gewesen,  so  brauchten  sich  offenbar  die  AVieuer  nicht  zu 
empören  und  Paltram  nicht  verurtheilt  zu  werden.  Es  ist  wohl 
klar ,  dass  unter  diesen  Umständen  der  rasch  aufgegriffene 
Schlüssel  der  neuesten  diplomatischen  Forschungen  auf  den 
vorliegenden  Fall  in  keiner  \A'eise  passt.     Das  reichsstädtische 


70  Lorenz. 

Privilegiuni  Rudolfs  I.  ist  weder  actum  noch  datum  vor  dem 
24.  Juni  1278,  und  es  ist  daher  niemals  von  Leo  von  Regens- 
burg"  bezeugt  worden. 

Auch  mit  der  Zeugenschaft  eines  andern  Mannes,  des 
Stephan  von  Meissau,  der  als  Marschall  von  Oesterreich  unter- 
zeichnet ist,  hat  man  sich  viel  gequält,  weil  er  zur  Zeit  als 
Leo  lebte  noch  nicht  Marschall  war,  aber  in  diesem  Punkte 
hätte  man  sich  die  Arbeit  leicht  ersparen  können,  wenn  man 
alle  Abschriften  der  angeblichen  Urkunde  sorgfältig  verglichen 
hätte,  denn  Stephan  von  Meissau  wird  in  dem  Lübecker  Codex, 
von  welchem  gleich  nachher  zu  sprechen  sein  wird,  gar  nicht 
genannt;  die  Schwierigkeit,  die  er  den  Vertheidigern  der  vor- 
liegenden Form  der  Urkunde  gemacht  hat,  behebt  sich  demnach 
von  selbst  und  es  ist  vielleicht  gar  nicht  nöthig  über  diesen 
Fall  diplomatische  Conjecturen  anzustellen,  ob  die  Kanzlei  ein 
nachträgliches  Zeugenavancement  auch  in  ihrer  Schlussredaction 
berücksichtigt  haben  dürfte  oder  nicht.  Wir  können  unserer- 
seits nur  bemerken:  es  ist  zwar  richtig,  dass  die  bei  der 
angeblichen  Urkunde  Rudolfs  genannten  Zeugen  sowohl  im 
einzelnen,  wie  zusammen  sehr  häufig  genannt  werden,  aber  nur 
im  Jahre  1277  und  nicht  1278 ;  keineswegs  ist  es  aber  gestattet 
dieser  Zeugen  wegen  die  Ertheiluug  der  Reichsfreiheit  um  ein 
Jahr  vorzuschieben,  weil  das  Actum  gerade  der  Urkunde  nur 
in  der  zweiten  Hälfte  Juni  möglich  ist,  datum  und  actum  also 
nach  der  richtigen  Ueberlieferung  aller  Codices  zusammenfallen 
und  wirklich  zum  24.  Juni  gehören. 

Gegenüber  der  Thatsache  nun,  dass  König  Rudolf  I.  am 
24.  Juni  1278  den  Wienern  ihr  altes  reichsstädtisches  Privi- 
legium bestätigt  und  wesentlich  gemehrt  hat,  ist  die  Frage  ob 
die  Form,  in  welcher  wir  es  überliefert  erhalten  haben  echt 
sei,  von  der  ausserordentlichsten  Geringfügigkeit,  dennoch  aber 
erfordert  die  Genauigkeit  auch  diese  Frage  zur  Entscheidung 
zu  bringen.  Wo  man  aber  von  einer  Urkunde  kein  Original 
mehr  besitzt,  dort  wird  man  vor  allen  Dingen  nach  den  Ab- 
schriften zu  sehen  haben.  Wir  stellen  das  uns  hierüber  zu 
Gebote  stehende  Material  jetzt  kurz  zusammen. 

1.  Handschriftlich  un])ekannt  ist  heute  die  Ueberlieferung, 
welche  Lambacher  seiner  Zeit  einem  W^iener-Neustädter  Codex 
entnahm. 


I 


üeber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  71 

2.  Der  Wiener  Hof bibliotheks-Codex  Nr.  352  zuerst  von 
Böhmer  schon  in  den  Regesten  Friedrichs  II.  Nr.  890,  S.  173, 
auch  mit  der  richtigen  Nummer  (Salisb.  416)  ganz  genau  an- 
geführt, jetzt  von  Tomaschek,  Geschq.  I.  51,  abgedruckt. 

3.  Abschrift  des  Eiseubuchs  der  Stadt  Wien,  von  Toma- 
schek a.  a.  O.  benützt. 

4.  Papierhandschrift  der  Lübecker  Stadtbibliothek  aus 
dem  15.  Jahrhundert,  von  Tomaschek  a.  a.  O.  erwähnt,  aber 
nicht  mitgetheilt,  weshalb  wir  die  Varianten  nach  der  gütigen 
Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Mantels'  in  Lübeck,  dem  w^ir  die- 
selben verdanken,  in  die  Anmerkung  verweisen.  - 


'  Die  folgende  Collation  bezieht  sich  auf  den  Text  von  Tomaschek,  Geschq.  I. 
51 — 57.  Universis  imperii  Eomani,  ■ —  ad  «ituicionem  —  condit;  ex  dis- 
pensatione  —  humih'a;!  ac  factuosas.  —  Nach  subditorum  folgt  als  Art.  1 
bereits  Rubrum :  Ut  cives  et  civitas  sint  sub  perpetua  defensione  prin- 
cipum  —  indissolubiliter  aZ^igarunt  —  nos,tri  interest  priuilegiis  decoratum 

—  muniautur.  Ruhr. :  Ut  singulis  annis  iudex  constituatur  communicato 
consilio  eciam  ciuium  —  reges  imperatores  —  communicat  —  consih"«7)i 

—  vel  alicuius  successoris  nostri  vel  sua  —  voluntate.  Ruhr.:  Ut  nuUus 
ciuium  cogatur  ad  aliquod  seruicium  bellicum  nisi  ut  infra  —  solis  i?igredi 
permittantur.  Ruhr. :  Ut  nuUus  judeus  habeat  officium  —  ac  pristinis  tem- 
poribus  inc?!/xerit.  —  Rubr. :  Ut  tantum  ciuis  contra  ciuem  habeat  testificare 
nisi  in  causis  ut  patebit  —  Jura  et  prodente  ciuitatis  ■ —  ciues  et  extra- 
neos.  —  Das  nächste  Rubr.  ist  durchstrichen  —  si  septima  —  se  poterit 
subjecto.  —  Rubr. :  Hec  est  potestas  ad  scolarum  regimen  Wienne  ad 
sanctum  Stephanum  —  Volumus  et  comode  —  per  quid  —  ut  alios 
doctores  —  militaris  vel  alterius  ut  prtia,cl\ixn  est  —  pro  ciuibus  a  con- 
ciuibus  Äabiti  fuerint.  —  Rubr.  7  und  8  fehlen  ad  imperii  torrentis. 
Rubr.  9  fehlt,  sublimium  vel  humilium  fehlt,  vel  criminalibus  bis  mixtis 
fehlt.  Wiennensis  fehlt,  et  feodis  de  quibus  feodi  dominus  judicabit 
(richtiger)  —  salutis.  —  Rubr.  10  und  1 1  fehlt:  conservare  stricte  strictius  — 

Bei  Teneantur  eciam  beginnt  das  Rubr.   12  ohne  Ueberschrift. 

Art.  13.  Rubr.  fehlt  accio  et  tractatus  —  coram  ipsis  —  honori  pro- 
fectui  —  Visum  erit  —  prestabunt  in  futuro  —  contentu  nostre  gracie 
teneant.  —  Rubr.  16  und  17  fehlen.  Mandamus  eciam,  quod  —  rebus 
astare  debeant  et  persona  —  Rubr,  ohne  Aufschrift.  —  Rubr.  19  und  alle 
folgenden  fehlen. 

Art.  24:  MuncÄrmanschaft.  —  Art.  27:  predictis  nostris  civibus. 
Art.  28  fehlt.  Art.  29:  T-Terhardimi  statt  Eberh.  bonis  ipsorum  fisco  nostro 
addiclis  —  exherec^jtatis  —  Wiennensem  uel  ad  bona  — 

Art.  35 :  attemptare  non  presumpserit  — 

Testes  huius  rei  sunt Hertnidus  de  Wildonia  marachalciis 

Stirie,  Heirandus  de  Wildonia,  dagegen  fehlt  Otto  de  Haselowe  judex 
Austrie  generalis;  ferner  fehlt  Stephanus  de  Meissawe,  marschalcus  Austrie 


i2  Lorenz. 

5.  Endlich  ist,  wenn  auch  nicht  als  eigentliche  Abschrift, 
so  doch  von  grösster  Wichtigkeit  die  P'ormel  anzuführen,  welche 
sich  im  Baumgartenberger  Formelbuch,  Baerwald  Fontes  rer. 
austr.  XXV.,  S.  83.,  vg-1.  meine  deutsche  Gesch.  II.,  670,  671, 
findet,  und  deren  Bedeutung-  besonders  darin  liegt,  dass  sie 
einige  Anhaltspunkte  zur  Aufklärung-  der  in  der  Ueberlieferung 
vorhandenen  Verwirrung  zu  geben  vermag-. 

Charakteristische  Unterscheidungen  der  handschriftlichen 
Ueberlieferung  sind :  Eintheilung  in  Rubriken,  Ueberschrit'ten 
derselben,  Auslassung  von  Artikeln,  Auslassung  aller  Zeugen, 
Auslassung  einiger  Zeugen.  Ohne  Rubriken  und  Ueberschriften 
scheint  die  Handschrift  Lambacher's  gewesen  zu  sein,  und 
würde  also  dem  Original  am  nächsten  gestanden  haben.  Alle 
andern  Ueberlieferungen  haben  rubricirte  Ueberschriften,  welche 
bei  Lübeck  und  Wien  352  sehr  wesentlich  von  einander  ab- 
weichen. Da  nun  aber  nicht  sicher  ist,  ob  Lambacher  die 
Rubriken  nicht  aus  eigener  EntSchliessung  fortgelassen,  so  kann 
man  nur  sagen,  dass  es  überhaupt  keine  Abschrift  gibt,  welche 
das  Original  sicher  und  unverändert  wiedergeben  würde.  Unter 
allen  Umständen  ist  mau  mithin  darauf  angewiesen ,  den 
ursprünglichen  wörtlichen  Inhalt  der  Urkunde  zu  reconstruiren, 
beziehungsweise  den  Text  des  Originals  erst  auf  dem  Wege 
kritischer  Methode  festzustellen.  Von  einfacher  Reproduction 
des  angeblichen  Originals  ist  heute  nach  dem  Stande  des  vor- 
liegenden Materials  überhaupt  nicht  die  Rede.    Am  wenigsten 


maister  Chuur(at)  predilectus  fidelis  noster.  Die  Schreibiuig  der  Orts- 
und Personennamen  zeigt  übrigens  einen  wesentlich  veischiedenen  Dialekt. 
Im  übrigen  bemerkt  Herr  Dr.  W.  Mantels,  dem  wir  die  sorgföltige  Colla- 
tioii  zu  verdanken  haben,  dass  von  den  kleineren  Varianten  abgesehen 
wurde.  Verglichen  mit  dem  Abdruck  von  Lambacher  zeigt  der  Lübecker 
Codex  einen  engereu  Anschluss  an  die  Abschrift  des  Codex  der  Wiener 
Hofbibliothek  und  den  darauf  basirten  Text  von  Tomaschek,  von  dem 
er  sich  aber  doch  noch  so  sehr  entfernt,  dass  eine  gemeinsame  Vorlage 
nicht  vorauszusetzen  ist.  Gewisse  Verwandtschaft  zeigt  sich  auch  mit 
dem  Eisenbuch  der  Stadt  Wien,  und  es  wäre  überdies  möglich,  dass  die 
Rubriken-Ueberschriften  des  Lübecker  Codex  von  einem  Bearbeiter  her- 
stammen, welcher  die  kurzem  und  gedrungenen  Ueberschriften  des  Cod. 
Vind.  noch  nicht  kannte,  und  mithin  stammte  die  Lübecker  Abschrift 
aus  einer  altern  Familie  der  Handschriften  als  das  Eisenbuch  und  der 
Cod.  Vind.  Da.«,"«  eine  kritische  Reconstruction  des  Textes  der  Urkunde 
auch   heute  nicht  überflüssig  sein  würde,  ist  wohl  klar. 


Ueher  den  Unterschied  von  Reiehsslädten  und  Landstädten.  73 

wäre  raan  im  Stande  der  Ueberlieferung'  des  Wiener  Eisen- 
buchs zu  folg-en,  welches  den  Artikel  über  Paltram  und  die 
Zeugen,  sowie  das  Datum  gänzlich  fallen  Hess.  Desgleichen 
vermag-  die  deutsche  Uebersetzung  des  Eisenbuchs,  welche 
dieselben  Älängel  hat,  gewiss  nicht  als  Grundlage  des  wahren 
Textes  angesehen  zu  werden,  und  auch  Tomaschek  glaubte  bei 
der  neuesten  Publication  der  Urkunde,  wenigstens-  von  dem 
lateinischen  Texte  des  Eisenbuchs  absehen  zu  sollen.  Wie  es 
scheint  hält  er  den  Text  des  Wiener  Codex  352  als  den 
authentischen,  ohne  jedoch  die  Gründe  dafür  anzugeben,  denn 
dass  die  Abschrift  noch  dem  13.  Jahrhundert  angehört,  ist 
durchaus  unsicher  und  könnte  auch  nicht  als  entscheidendes 
Moment  dafür  gelten,  dass  ihr  Text  der  richtigste  und  sicherste 
sein  müsste.  Vielmehr  wird  der  Schluss  gestattet  sein,  dass 
alle  jene  Abschriften,  welche  rubricirt  und  mit  mannigfachen 
Ueberschriften  versehen  sind,  bereits  eine  abgeleitete  Quelle 
voraussetzen  lassen.  Keiner  von  den  Abschreibern,  die  uns  die 
angebliche  Urkunde  Rudolfs  überliefern,  hat  das  Original  vor 
sich  gehabt,  sondern  sie  setzen  alle  eine  Arbeit  voraus,  bei 
welcher  das  Original  schon  eine  mannigfaltige  Umgestaltung 
erfahren  hatte.  Dadurch  erklärt  sich  nun  auch,  dass  die  Form 
der  vorliegenden  Urkunde  mehr  als  mangelhaft  erscheint  und 
in  einigen  Punkten  Zweifel  erregt,  welche  zur  Zeit  keines- 
wegs als  behoben  betrachtet  werden  dürften. 

Das  von  dem  Könige  Rudolf  angeblich  gegebene  Ver- 
sprechen, er  wolle  nach  stattgehabter  Kaiserkrönung  die  Urkunde 
neu  und  unter  kaiserlichem  Insiegel  ausfertigen  lassen,  hat  in 
den  diplomatischen  Gebräuchen  der  Rudolfinischen  Kanzlei  kein 
Beispiel  für  sich ;  denn  wenn  zur  Rechtfertigung  der  Formel 
auf  jenes  Schreiben  Rudolfs  I.  vom  25.  April  1278  hingewiesen 
wurde,  worin  der  König  sagt,  er  wolle  seinen  Sohn  Hartmann 
zum  römischen  Könige  wählen  lassen,  wenn  er  selbst  werde 
mit  dem  kaiserlichen  Diadem  geschmückt  sein,  so  kann  man 
hierin .  wohl  nur  scherzweise  eine  Analogie  erblicken.  Dass 
hingegen  von  Rudolfs  Kanzlei  auch  ohne  Kaiserkrönung  Gold- 
bullen ausgegeben  wurden,  ist  nicht  nur  durch  einen  Fall  wie 
etwa  (Böhmer,  Reg.  109),  sondern  mehrfach  sicher  zu  stellen. 
Wie  die  Zeugenunterschriften  auf  eine  bis  jetzt  nicht  ermittelte 
Weise  fälschlich  unter  die  Urkunde  vom  24.  Juni  1278  gerathen 


74  Lorenz. 

sind,  so  ist  auch  die  erwähnte  Sanctionsformel  einem  Vor- 
gang zu  verdanken,  welcher  eine  Umarbeitung  des  Originals 
voraussetzt. 

Wie  nun  aber  die  schwankende  handschriftliche  Ueber- 
lieferuug  den  Beweis  gibt,  dass  das  Original  der  Urkunde  in 
der  uns  vorliegenden  Form  nicht  treu  wiedergegeben  ist,  so 
besitzen  wir  jetzt  auch  einen  positiven  Beweis  dafür,  dass  in 
der  echten  Urkunde  Rudolfs  Artikel  enthalten  waren,  die  sich 
in  der  Ueberlieferung  nicht  vorfinden,  denn  Schuster  hat  in 
seiner  trefflichen  Ausgabe  des  Wiener  Weichbildrechtes,  Art.  90, 
S.  94,  die  in  der  That  schöne  Entdeckung  gemacht,  dass  der 
dort  aus  dem  Original- Privilegium  angezogene  Text  über 
, Ebenteuer',  in  den  uns  bekannten  Ueberlieferungen  gänzlich 
mangelt. 

Bei  einer  so  vollständig  unzureichenden  Ueberlieferung 
des  Originaltextes  des  reichsstädtischen  Privilegiums  wii'd  man 
nun  nicht  wohl  geneigt  sein,  den  Mangel  einer  entsprechenden 
Eingangsformel  in  dem  Rudolfinum  als  gerechtfertigt  anzusehen, 
und  wenn  wir  in  einer  früheren  Abhandlung  schon  darauf  hin- 
gewiesen haben,  dass  die  Bestätigungsformel  der  zweiten  Ru- 
dolfinischen  Stadtrechtsurkunde  schlechterdings  nur  auf  eine 
Urkunde  passt,  welche  von  einem  Kaiser  als  Vorgänger  Rudolfs 
ausgestellt  worden  ist,  so  glauben  wir  nicht,  dass  etwas  begrün- 
detes dagegen  bemerkt  wurde.  Wohl  aber  regt  die  in  dem 
Baumgartenberger  Formelbuch  enthaltene  schon  erwähnte  Ueber- 
lieferung noch  zu  mancherlei  Beobachtungen  an.  Wie  man 
leicht  sieht,  beweist  die  Baumgartenberger  Formel,  dass  man 
die  Urkunde  Friedrichs  II.  in  wörtlicher  Fassung  dem  König 
Rudolf  zugeschrieben  hat.  Daraus  geht  also  hervor,  dass  die 
Aneignung  der  Friedericianischen  Arenga  in  der  Rudolfinischen 
Kanzlei  in  der  Weise  erfolgt  ist,  dass  man  bei  der  Ausstellung 
des  Briefes  für  die  Wiener  auch  im  Wortlaute  sich  viel  enger 
an  das  Friedericianum  angeschlossen  habe ,  als  es  sonst  in 
den  uns  vorliegenden  Abschriften  der  Fall  ist,  und  es  wäre 
dann  der  Beweis  geliefert,  dass  die  Bearbeiter  des  Rudolfi- 
nischen Privilegiums  auch  in  diesen  Artikeln  ganz  absichtlich 
den  Wortlaut  des  Friedericianums  veränderten;  ja  die  Baum- 
gartenberger Formel  zeigt  ohne  allen  Zweifel,  dass  sich  der 
echte    Originalbrief    Rudolfs    I.     wirklich    verbotenus    an    das 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Ijandstädten.  75 

Privilegium  Friedrichs  II.  ang-esclilossen  habe,  wie  wir  dies 
vermutliungsweise  in  einer  frühern  Abhandkmg  ausgesprochen 
haben,  ohne  dass  wir  zu  jener  Zeit  mit  dem  Baumgartenberger 
Formelbuch  Bekanntschaft  gehabt  haben :  eine  Bestätigung 
einer  rein  kritisch  festgestellten  Hypothese,  die  uns  bei  dem 
Erscheinen  des  Formelbuchs  zu  nicht  geringer  Genugthuung 
gereichen  konnte. 

Einen  gleichen  Werth  dürfte  man  dagegen  kaum  dem 
Umstände  beilegen,  dass  in  mehreren  Handschriften,  wie  dies 
von  Schuster,  S.  3  und  8,  nachgewiesen  worden  ist,  das  Privi- 
legium Albrechts  I.  mit  einer  auf  König  Rudolf  bezüglichen 
Ueberschrift  mitgetheilt  wird.  Nur  wird  man  freilich  noch 
weniger  behcxupten  können,  dass  die  Lübecker  oder  Berliner 
Handschrift  mit  dieser  Ueberschrift  irgend  eine  Tendenz  gehabt 
hätte,  den  König  Rudolf  gleichsam  als  Schöpfer  des  Wiener 
Rechts  zu  promulgiren.  Gegen  diese  Ansicht  erhebt  sich  ein- 
fach der  Umstand,  dass  der  Schreiber  der  Vorlage  das  Datum 
der  Urkunde,  um  welches  es  sich  handelte,  ganz  ordnungs- 
mässig  beisetzte ;  und  wenn  man  näher  zusieht,  so  beweist  die 
Ueberschrift  nur,  dass  der  Compilator  die  Urkunden  Rudolfs 
abzuschreiben  vor  hatte  und  dass  er  sie  nachher  wegliess  und 
gleich  mit  ^der  Urkunde  Albrechts  fortfuhr.  Die  Abschreiber 
des  Lübecker  und  Berliner  Codex  scheinen  den  Mangel  nicht 
bemerkt  und  ruhig  nachgeschrieben  zu  haben.  Dass  aber  der 
erste  Compilator  die  Urkunden  Rudolfs  in  irgend  einer  Ueber- 
lieferungsform  nicht  aber  diejenige  Albrechts  I.  vor  sich  hatte 
und  anzudeuten  meinte,  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  dass 
er  das  für  das  Privilegium  maassgebende  Regierungsjahr 
Rudolfs  richtig  bezeichnete,  und  bei  der  darauf  folgenden  Ur- 
kunde ganz  richtig  den  Namen  Albrechts  I.  anführte.  Es  ist 
daher  klar,  dass  die  betreffenden  Notizen  des  Lübecker  und 
des  Berliner  Codex  für  die  handschriftliche  Kritik  der  Rudol- 
finischen  Privilegien  kaum  verwerthet  werden  könnten.  Der 
Lübecker  Codex  bringt  ausserdem,  wie  schon  bemerkt  wurde, 
das  Privilegium  selbst  noch  an  einer  spätem  Stelle,  und  wenn 
man  auch  allenfalls  aus  den  bezüglichen  Notizen  den  Schluss 
machen  wollte,  dass  man  im  14.  Jahrhundert  den  hauptsäch- 
lichsten Theil  der  Wiener  Stadtrechte  überhaupt  und  im  All- 
gemeinen   gerne    auf   die    Person    und  den  Namen  des  Königs 


^  b  Lorenz. 

Rudolf  zurückführte,  so  kann  aus  solchen  vag-en  Ang-aben  doch 
in  keiner  Richtung  für  den  Inhalt  der  Originale  und  für  die 
Geschichte  der  Ueberlieferung  der  Urkunden  selbst  etwas 
gefolgert  werden.  Fasst  man  alles  das,  was  sich  aus  sicherer 
handschriftlicher  Grundlage  ergibt  zusammen,  so  lässt  sich  nur 
sagen,  dass  eine  getreue  wörtliche  Abschrift  des  Originals  nicht 
mehr  besteht,  dass  die  kritische  Feststellung  des  Textes  des 
echten  Rudolfinischen  reiclisstädtischen  Privilegiums  immerhin 
etwas  unsicheres  bleiben  wird  und  dass  man  über  Vermuthungen 
in  dieser  Richtung  nicht  hinaus  kommt,  so  dass  auch  die  Be- 
rechtigung einer  Hypothese  hier  nicht  in  Abrede  gestellt 
werden  kann. 

Noch  verwickelter  gestaltet  sich  die  Frage  über  den 
Wortlaut  des  reichsstädtischen  Privilegiums  Rudolfs  I.,  wenn 
man  die  Beziehungen  desselben  zu  der  zweiten  der  Stadt  Wien 
ertheilten  Urkunde  desselben  Königs  wahrnimmt,  welche  be- 
kanntlich in  der  Hauptsache  eine  Wiederholung  der  Leopol- 
dinischen  Statuten  von  1221  enthält.  Dass  zwischen  den  beiden 
Beurkundungen  ein  gewisser  innerer  Zusammenhang  besteht, 
zeigt  besonders  der  Umstand,  dass  die  auf  den  Rath  bezüg- 
lichen Bestimmungen  des  Leopoldinums  deshalb  fortgelassen 
sind,  weil  sie  durch  das  Fridericianum,  wie  wir  wissen,  eine 
wesentliche  Veränderung  erfahren  haben,  und  weil  das  Fride- 
ricianum eben  Grundlage  der  zweiten  Rudollinischen  Bestä- 
tigungsurkunde war.  Nun  ist  aber  auch  dieses  Leopoldinum 
in  manchen  Bestimmungen  von  Rudolf  I.  verändert  worden 
und  wir  sind  auch  diesem  Privilegium  Rudolfs  gegenüber  in 
der  ungünstigen  Lage  den  Wortlaut  des  Originals  nicht  mehr 
zu  besitzen.  Ja  in  gewisser  Hinsicht  ist  die  Ueberlieferung 
dieser  Urkunde  entschieden  noch  schlechter  als  diejenige  des 
reichsstädtischen  Privilegs.  Denn  in  den  Abschriften,  die  wir 
davon  haben,  ist  bekanntlich  das  Prooemium  in  vollem  Wider- 
spruche mit  dem  Inhalte  der  Urkunde  und  bezieht  sich  auf  die 
Bestätigung  und  Transsumption  eines  kaiserlichen  Briefes,  wäh- 
rend das  Leopoldinum  nachfolgt,  und  am  Schlüsse  fehlen  die 
üblichen  Formeln  und  Zeugen.  Die  Ueberlieferung  der  Urkunde 
als  solche  ist  demnach  auch  in  diesem  Falle  höchst  mangelhaft 
und  unsicher.  Man  kann  zwar  allerdings  in  Dingen  dieser  Art 
jede  auch  die  grösste  Unregelmässigkeit  dadurch  erklären,  dass 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  77 

man  sich  vorstellt,  die  Urheber  derselben  wären  eben  von 
einem  Irrthum  befangen  gewesen,  aber  da  es  sich  bei  aller 
Kritik  historischer  Ueberlieferungen  immer  nur  um  ein  gewisses 
Maass  von  grösseren  oder  kleineren  Wahrscheinlichkeiten  han- 
delt, so  möchte  man  in  dem  vorliegenden  Falle  kaum  die 
Voraussetzung  machen  dürfen,  dass  in  der  königlichen  Kanzlei 
Herzog-  Leopold  VI.  oder  Herzog  Friedrich  IL  für  Vorgänger 
König  Rudolfs  und  für  deutsche  Kaiser  gehalten  worden  seien, 
deren  Urkunden  irrthümlich  als  Verleihungen  von  römischen 
Kaisern  aufgefasst  worden  wären.  Es  ist  eben  viel  wahrschein- 
licher, dass  das  fragliche  Prooemium  von  Abschreibern  oder 
Bearbeitern  dieses  urkundlichen  Materials  an  falscher  Stelle 
eingesetzt  worden  und  solchergestalt  ein  offenbarer  Irrthum  ent- 
standen ist.  Während  nun  aber  dieser  Umstand  die  Richtigkeit 
der  Ueberlieferung  schon  früher  sehr  zweifelhaft  erscheinen 
Hess,  zeigt  sich  gegenwärtig  durch  eine  schöne  und  dankens- 
werthe  Entdeckung  von  J,  A.  Tomaschek  der  Gegenstand  noch 
erheblich  verwickelter. 

Es  ist  ein  grosses  Verdienst  des  genannten  Herausgebers 
der  Wiener  Stadtrechtsurkunden  zuerst  auf  den  Zusammenhang 
der  Wiener  und  Kremser  Stadtrechte  aufmerksam  geworden 
zu  sein  und  die  Kremser  Privilegien  Herzog  Rudolfs  IH.  vom 
24.  Juni  1305  stehen  in  der  That  in  so  inniger  Verwebung 
mit  den  Privilegien  von  Wien,  dass  es  sehr  zu  billigen  war, 
wenn  Tomaschek  den  Wortlaut  der  umfangreichen  Kremser 
Privilegien  seinem  schönen  Werke  einverleibt  hat.  '    Wie  nun 


^  Die  beiden  mir  von  der  Krem,ser  Gemeindevorsteliung  freundlichst 
zur  Einsicht  überlassenen  Urkunden  sind  höchst  sorgfältig  geschrieben 
und  lassen  keinerlei  spätere  Hinzufügungen  erkennen.  Da  es  für  die 
Untersuchung  auf  beide  Urkunden  ankommt,  und  die  Fortsetzung  der 
einen,  wie  Tomaschek  gewiss  sehr  richtig  hervorhebt,  wegen  Eaum- 
mangels  in  der  andern  zu  erblicken  sein  wird,  so  kann  man  sagen,  dass 
alles  das,  was  sich  auf  die  Rechte  der  Handwerker  bezieht,  zwischen 
beiden  Urkunden  vertheilt  win-de.  Um  so  wünschenswerther  wäre  es 
daher  aber  gewesen,  dass  Tomaschek  auch  für  die  zweite  in  der  Haupt- 
sache das  Albrechtinische  Stadtrecht  von  1296  transsumirende  Urkunde 
in  seinem  Prachtwerke  Raum  geschafft  hätte.  Manches  tritt  bei  dem 
jetzigen  und  theilweisen  Abdruck  doch  nicht  ganz  genau  liervor;  so  ist 
es  z.  B.  nicht  richtig,  dass  der  Artikel  3"2  des  Albrechtinums  I.  nicht 
vollständig  enthalten  sei.  Er  ist  in  der  Urkunde  wörtlich  vorhanden,  nur 
ist  er  an  eine  falsche   Stelle  gesetzt  und  folgt  erst  nach  dem  Artikel  33 


78  Lorenz. 

aber    auf    diesem    Wege    Tomaschek    zu    dem    nun    durchaus 
anzuerkennenden    und    feststehenden    Resultate    gelaugte,    dass 
die  von  Rudolf  bestätigten  und  erweiterten  Bestimmungen  des 
Leopoldinvuns    in    der  That  keinen    leisesten    Zweifel    an  ihrer 
Echtheit  mehr  zulassen,  so  kann  man  andererseits  die  Bemer- 
kung  nicht    unterdrücken ,  wie    gerade  die  Kremser  Urkunden 
beweisen,  dass  die  Abschriften  des  bezüglichen  Rudolfinischen 
Privilegiums    auch    nicht  vollständig  und  auch   nicht  genügend 
sein  können.     Grerade    die    beiden   Kremser  Urkunden  Herzog; 
Rudolfs,  Avelche  sich  wörtlich  auf  das  Bestätigungsprivileg  des 
Königs    vom  Juni  1278    gründen,    lassen  es  fast    unzweifelhaft 
ei-scheinen,  dass  unsere  jetzt  uns  vorliegenden  Abschriften  auch 
dieses  letzteren  Privilegs  mangelhaft  sind.     Der  Beweis  hiefür 
lässt    sich    aus    folgenden    Umständen    gewinnen,    welche    auch 
schon    aus    dem    sorgfältig  vergleichenden   Abdruck  bei  Toma- 
schek  S.  84  und  86    leicht   zu    entnehmen    sein    werden.     Die 
Rudoliinische  Urkunde    von  1278    liegt   nicht   nur    den   beiden 
Kremser  Urkunden,  sondern  auch  dem  Stadtbrief  Albrechts  IL 
vom   24.  Juli  1340   (Tomaschek,  S.  104  ff.)   zu  Grunde.     Die 
letztere  Urkunde    enthält    aber    erheblich    mehr   Bestimmungen 
als  die  erste  Rudolfinische  von  1278.    Nun  erscheinen  aber  die 
Bestimmungen  der  Urkunde  Albrechts  IL,  welche  in  derjenigen 
König  Rudolfs  I.  fehlen,  bereits  1305  in  den  Kremser  Urkunden. 
So  haben  die  letzteren  nicht  weniger  als  sieben  sehr  erhebliche 
und    umfangreiche,    meist    gewerbsgenossenschaftliche    Artikel 
des    Stadtrechts    Albrechts    IL,    und   zwar    64,  65,  66,  67,  68, 
71,  72,  zu  einer  Zeit,  wo  dieselben  in  Wiener  Aufzeichnungen 
des  Stadtrechts  nach  unseren  Ueberlieferungen  überhaupt  noch 
gar   nicht    vorkommen,  während    die    Kremser  Urkunden  doch 
versichern,    dass    ihr    Inhalt    eine    einfache    Uebertragung    der 
Wiener  Statuten   auf  die   kleinere    Stadt  wären.     Hier  müsste 
man  also  den  ausserordentlichen  Fall  annehmen,  das  Albrecht  IL 
sein  Stadtrecht  für  Wien  nicht  aus  Wiener  Vorlagen,   sondern 
von  Krems  bezogen  habe,  wenn  die  Voraussetzung  richtig  wäre, 
dass    die    Kremser    Vermehrungen    durch    wirkliche    originale 
Amendirung  der  Rudolfinischen  Briefe  entstanden  seien.    Denn 
an  eine  etwa  nach  der  Zeit  Albrechts  IL    stattgefundene  Ilin- 


des   Albrochtiimnis,    gleiclisani    iincliliinkend    —    vielleicht    Verselien   des 
Sclireibera. 


Uetier  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  79 

zafügung  der  fraglichen  Artikel  lässt  sich  bei  den  Kremser 
uns  vorliegenden  Originalurkunden ,  wie  man  sich  auf  den 
ersten  Blick  überzeugen  muss,  durchaus  nicht  denken.  Dazu 
kommt  aber  ein  anderes.  Das  Stadtrecht  Albrechts  II.  schliesst 
sich  der  Hauptsache  nach  viel  enger  an  das  angebliche  Rudol- 
finische  Privileg  von  1278,  als  an  die  Kremser  Urkunden.  Eine 
Entlehnung  aus  diesen  ist  also  undenkbar,  vielmehr  müssen 
sowohl  die  Kremser  wie  die  Urkunde  Albrechts  IL  eine  ge- 
meinschaftliche Vorlage  gehabt  haben,  welche  eben  in  ihrer 
Totalität  nicht  mehr  existirt. 

Hieraus  ist  also  zu  schliessen,  dass  die  Ueberlieferung, 
die  wir  von  der  Urkunde  Rudolfs  I.  in  Betreff  der  Bestätigung 
des  Leopoldinums  besitzen,  mangelhaft  ist,  oder  es  hat  ausser 
der  uns  vorliegenden  angeblichen  Bestätigungsurkunde  von 
1278  noch  irgend  eine  andere  Aufzeichnung  von  Stadtrechten 
Wiens  unter  dem  Namen  des  Königs  Rudolf  gegeben,  welche 
die  Kremser  sich  zu  verschaffen  wussten,  die  sie  dem  Herzog 
Rudolf  1305  vorlegten  und  die  dann  auch  für  Albrecht  IL 
1340  als  Grundlage  gedient  hat.  Es  ist  nicht  unsere  Absicht  eine 
Entscheidung  dieses  Dilemmas  hervorzurufen,  da  wir  uns  für 
den  Gang  dieser  Untersuchung  vollständig  mit  dem  negativen 
Resultat  begnügen  können,  dass  die  Ueberlieferung  der  Rudol- 
linischeu  Urkunden  sammt  und  sonders  mangelhaft  sei.  Wollte 
man  sich  aber  auf  eine  Hypothese  einlassen,  so  würde  der 
Inhalt  jener  Bestimmungen,  welche  in  den  Kremser  Urkunden 
so  gut  wie  in  dem  Stadtrecht  Albrechts  IL  vorkommen,  in 
dem  angeblichen  Bestätigungsbriefe  •  des  Königs  aber  fehlen, 
einen  sehr  deutlichen  Fingerzeig  geben  können.  Es  handelt 
sich  dabei  um  Rechte ,  Avelche  die  Gewerbsgenossenschaften 
erhalten,  und  aus  denen  zwar  keine  eigentliche  Zunfteinrichtung, 
aber  doch  eine  das  Zunftwesen  begünstigende  Tendenz  zu 
erkennen  sein  dürfte. 

Warum  sind  nun  solche  Artikel  in  der  Ueberlieferung 
der  angeblichen  Privilegien  Rudolfs  I.  nicht  zu  finden?  Die 
Antwort  ergibt  sich  aus  der  Geschichte  der  städtischen  Bewe- 
gung im  letzten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts :  Der  Kampf  um 
die  Rechte  des  Rathes  war  —  wenn  wir  das  Wort  in  Wien 
anwenden  dürften  —  ein  patricisches  Unternehmen.  Auf  alle 
Fälle  waren  es  die  Geschlechter,    welche    erst  mit  Rudolf  und 


80  Lorenz.  * 

dann  mit  Albreclit  I.  haderten.  Ist  es  da  nicht  sehr  natürlich, 
dass  Aufzeichnungen,  welche  von  dieser  Seite  ausgingen  keine 
oder  sehr  wenige  Artikel  enthielten,  die  sich  auf  die  ,Gewerke', 
wie  der  Reinichronist  sagt,  bezogen?  Erwägt  man  dies  in 
seinem  ursächlichen  Zusammenhange,  so  wird  man  sich  eben 
in  der  Anschauung  bestätigt  finden ,  dass  das ,  was  uns  als 
Ueberliefernng  königlicher  Urkunden  Eudolfs  I.  vorliegt,  Ent- 
würfe sind,  welche  die  Rathspartei  für  ihre  Zwecke  zusammen- 
gestellt und  unter  einigen  Formeln  der  königlichen  Kanzlei 
Rudolfs  I.  vorgelegt  hatte.  Dass  aber  dadurch  nicht  aus- 
geschlossen war,  dass  der  allergrösste  Theil  der  in  diesen 
Entwürfen  enthaltenen  Bestimmungen  wirklich  echtes  Rudolfi- 
nisches  Material  war,  versteht  sich  von  selbst,  und  ist  auch 
niemals  von  jemand  bestritten  worden.  Ja  die  Entwürfe  lehnten 
sich  der  Mehrzahl  der  Handschriften  nach  zu  schliessen,  so 
genau  wie  möglich  an  die  echten  Rudoltinischen  Urkunden  an, 
was  daraus  mit  Evidenz  hervorgeht,  dass  man  auch  solche 
Artikel,  wie  die  Verurtheilung  Paltram's  und  andere  Be- 
stimmungen nicht  unterdrückte,  welche,  wie  Tomaschek  ganz 
richtig  nachgewiesen  hat,  nicht  einmal  sehr  günstig  für  die 
Bürgerschaft  lauteten.  Niemals  aber  wird  man  nach  dem  Stande 
dieser  Ueberliefernng  zu  der  Behauptung  bemüssigt  sein,  dass 
wir  in  der  handschriftlich  unsicheren  Grundlage  die  diplo- 
matisch treu  und  richtig  wiedergegebenen  Originale  König 
Rudolfs  I.  zu  erblicken  haben.  Wir  sagen:  , bemüssigt  sein'; 
denn  eine  Bemüssigung  ist  dazu  nöthig,  wenn  Abschriften  uns 
unter  allen  Umständen  Vertrauen  einflössen  sollen;  wo  sie  aber 
in  so  unvollkommener  Art  auftreten,  da  scheint  es  wohl  das 
logischere  zu  sein,  dass  die  Abschrift  ihre  gute  Beglaubigung 
erst  nachweise,  nicht  aber,  dass  der  Empfänger  der  Abschrift 
verhalten  sei  ohne  weiters  zu  glauben  und  von  selbst  sich 
ergebende  Zweifel  als  unstatthaft  abzuschütteln.  Die  Legali- 
sirung,  wenn  wir  an  amtliche  Formen  erinnern  sollen,  ist  es, 
die  diesen  Abschriften  fehlt  und  die  nur  dann  für  die  histo- 
rische Kritik  vorhanden  wäre,  wenn  sich  innere  und  äussere 
Merkmale  vereinigteu,  um  über  der  Abschrift  die  fehlenden 
Originale  vergessen  zu  machen. 

Dies    also  ist  der  wahre    diplomatische    Stand  der  Sache, 
dass  man  es  mit  unsicher    überlieferten    und    ungleichförmigen 


Ueber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  nnd  Landstädten.  ol 

Abschriften  zu  tliun  hat,  die  in  der  Rubricirung-  und  Trans- 
scribirung  auch  äusserlich  die  Hand  des  Bearbeiters ,  des 
Codificators,  des  Privatmannes  erkennen  lassen,  und  wodurch 
eine  Ueberlieferung-  g-eschaffen  wurde,  welche  jedenfalls  nicht 
unmittelbar  aus  der  königlichen  Kanzlei  heraus  aiif  die 
Nachwelt  übergegangen  ist. 


y. 

In  einer  früheren  Arbeit  über  die  Wiener  Stadtrechts- 
privilegien König  Rudolfs  I.  ist  unsererseits  Anlass  zu  einem  i 
Missverständnisse  gegeben  worden,  welches  wir  sehr  bedauern. 
Indem  es  uns  dort  darauf  ankam  die  Geschichte  der  Privilegien 
zu  erörtern,  glaubten  wir  den  Nachweis  führen  zu  sollen,  dass 
die  Erzählung  der  steirischen  Reimchronik  über  die  Vorfälle 
in  Wien  unter  Herzog  Albrecht  I.  keine  Erklärung  der  Ur- 
kunden zu  geben  vermöchte  und  dass  man  keineswegs,  Avie 
ältere  Forscher  gethan  hatten,  den  Reimchronisten  herbeiziehen 
dürfte,  um  die  Frage  der  Echtheit  der  Urkunden  Rudolfs  I. 
nach  der  einen  oder  der  andern  Richtung  zu  entscheiden.  Nun 
ist  ohne  alle  Frage  unsere  Kritik  der  Erzählung  des  Reim- 
chronisten sehr  scharf  ausgefallen,  und  man  konnte  nicht  läugnen, 
dass  die  betreffende  Darstellung  fast  unbrauchbar  sei.  Unsicherheit 
über  die  Vorgänge  in  Wien,  Unklarheit  selbst  über  die  Jahreszeit, 
in  welcher  der  Aufstand  gegen  Albrecht  I.  stattfand  und  meh- 
reres  dieser  Art  wurden  als  Resultat  der  Prüfung  festgestellt. 
Dass  man  mithin  bei  einer  urkundlichen  Untersuchung,  bei 
der  es  auf  ganz  specielle  Fragen  ankam ,  dem  Reimchro- 
nisten, der  offenbar  nur  vom  Hörensagen  die  Ereignisse  in 
Wien  kannte  und  durchaus  keine  eigene  Erfahrung  davon  hatte, 
keine  Geltung  beimessen  durfte,  ist  klar.  Keineswegs  aber 
sollte  damit  gesagt  sein,  dass  der  Reimchronist  für  die  Ver-  / 
fassungsgeschichte  im  grossen  Ganzen  nicht  sehr  wichtig  und 
verwendbar  wäre.  Vielmehr  glauben  wir  nunmehr  ganz  aus- 
drücklich darauf  hinweisen  zu  sollen,  dass  für  eine  richtige 
Erkenntniss  der  Stadtrechtsgeschichte  der  Reirachronist  von  der 
allererheblichsten  Wichtigkeit  wäre  und  dass  man  nirgends  wie 
bei  ihm  einen  Einblick  in  die  grossen  Kämpfe  des  letzten  Viertels 

SiUuugdber.  d.  pUil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  litt.  6 


ö^  Lorenz. 

des  13.  Jahrlninclerts  erlangen  kann.  Nichts  wäre  irriger, 
als  zu  meinen,  dass  der  Aufstand  der  Bürgerschaft  gegen 
Herzog  Albrecht  etwa  ein  Mährchen  wäre,  weil  ein  der 
Sache  fern  stehender  Erzähler  sich  in  allerlei  Widersprüche 
verwickelt,  offenbar  unrichtige  Details  mittheilt  und  im  ein- 
zelnen sich  wenig  glaubwürdig  erweist.  Dass  eine  vernichtende 
Kritik  diesör  Einzelnheiten  zu  dem  Irrthum  führen  würde,  der 
ganze  Aufstand  hätte  keine  Bedeutung  gehabt,  konnte  eigent- 
lich nicht  erwartet  werden,  wenn  wir  auch  gestehen  wollen, 
dass  vielleicht  unsere  Untersuchung  gegen  die  Glaubwürdigkeit 
der  betreifenden  Partien  der  Reimchronik  nicht  mit  den  hin- 
reichenden Clausein  und  Cautelen  versehen  war,  da  es  nur  auf 
den  einen  Zweck  ankam,  die  Unzuverlässigkeit  der  Nachrichten 
in  Bezug  auf  die  urkundliche  Frage  zu  zeigen. 

Stellt  man  sich  dagegen  die  Aufgabe,  den  Verfassungs- 
zustand der  Stadt  in  der  Zeit  Herzog  Albrechts  im  allgemeinen 
zu  schildern,  so  gibt  es  keine  ausführlichere  Quelle  als  die 
Reimchronik.  Die  Geschichte  des  Aufstandes  lehrt  uns  vor 
allem  zweierlei,  was  auch  durcli  das  trübste  Medium  der 
Ueberlieferung  nicht  verwischt  werden  konnte,  dass  für  das 
erste  ein  gewaltiger  Gegensatz  zwischen  den  Forderungen  der 
Bürger  und  den  Ansprüchen  der  ländesherrlichen  Gewalt  vor- 
handen war,  und  dass  zweitens  auch  in  Wien  ein  Gegensatz 
zwischen  den  , Reichen'  und  den  Handwerkern  bestand,  durch 
welchen  letztern  es  dem  Herzog  vorzugsweise  möglich  geworden 
war,  Herr  über  die  Bewegung  zu  werden  und  einen  Frieden  zu 
dictiren,  der  die  Aufhebung  aller  politischen  Rechte  der  Stadt 
und  des  Raths  zu  bedeuten  hatte.  In  Bezug  auf  den  letzteren 
Punkt  wird  es  diesmal  unsere  Aufgabe  besonders  sein  zu  zeigen, 
wie  das  Stadtrecht  Herzog  Albrechts  I.  von  1296  die  früheren 
Ansätze  zu  freier  Rathscntwicklung  definitiv  und  dauernd  be- 
seitigte; durch  dasselbe  wurde  Wien  nach  verschiedenen  Ver- 
suchen zu  einer  reichsunmittelbaren  Stellung  zu  gelangen,  für 
immer  in  die  Reihe  unfreier  Landstädte  herabgedriickt.  Bevor 
wir  jedoch  an  die  Besprechung  des  Stadtrechts  Albrechts  I. 
selbst  herantreten,  erübrigt  noch  der  Hinweis  auf  die  Charak- 
teristik, welche  die  Reimchronik  eben  aus  Anlass  des  Wiener 
Aufstandes  von  Herzog  Albrecht  I.  entwirft,  imd  welche  sich 
bis  auf  die  neueste  Zeit  in  der  geschichtlichen  Ueberlieferung 


Ucber  den  Unterschied  von  Keichsstfidten  und  Landstädten.  Sä 

behauptete.  Wenn  man  seit  Böhmer  begonnen  hat  das  harte 
Urtheil  über  Albrecht  I.  auf  ein  richtigeres  Maass  herabzu- 
setzen, so  geschah  dies,  weil  man  in  der  Geltendmachung  einer 
strammen  Landeshoheit,  als  deren  eiserner  Repräsentant  Rudolfs 
Sohn  aufgefasst  werden  rauss,  auch  die  positiven  und  guten 
Seiten  der  Entwicklung  erkannte,  gewiss  dürfte  man  aber  des- 
halb den  Sinn  und  die  Absichten  seiner  Maassregeln  nicht 
verkennen  oder  bescheinigen  woll'en.  In  dem  scharfgezogenen 
Kreise  der  landesherrlichen  Gewalt  Albrechts  I.  gab  es  keinen 
Raum  für  freie  Städte  und  autonome  Räthe  für  einen  politisch 
berechtigten  ßürgerstand  und  reichsunmittelbare  Gemeinden. 
Es  ist  nicht  davon  die  Rede,  dass  die  Landesherren  irgend 
ein  Interesse  daran  gehabt  hätten,  der  Antheilnahme  einer 
Markgenossenschaft  an  begründeten  alten  Gerichtseiurichtungen 
entgegen  zu  treten ,  oder  die  Gemeinden  zu  verhindern  für 
die  öffentliche  Sicherheit  zu  sorgen  und  den  Handel  und  Ver- 
kehr zu  beaufsichtigen,  aber  Bestrebungen,  welche  zu  einer 
politischen  Macht  und  Stellung  der  Städte  führen  konnten, 
wurden  überhaupt  verpönt,  und  vollends  unmöglich  sollte  der 
Versuch  gemacht  werden ,  eine  neben  der  landesherrlichen 
Gewalt  bestehende  reichsunmittelbare  Bürgerschaft  zu  gründen. 
Schon  bei  dem  Abgange  Rudolfs  aus  Oesterreich  scheinen 
die  Bürger  über  die  Gefahr  nicht  im  Zweifel  gewesen  zu  sein, 
welche  ihrer  Freiheit  durch  Albrecht  I.  drohte.  Bekanntlich 
huldigten  die  Geschlechter  dem  Sohne  Rudolfs  als  Reichs- 
verweser, indem  dieser  die  reichsunmittelbare  Stellung  Wiens 
urkundlich  anerkannte.  Wenn  er  nach  seiner  Erhebung;  zum 
Landesherzog  von  den  Bürgern  die  Huldigung  als  solcher  in 
Anspruch  nahm,  so  besitzen  wir  zwar  leider  keine  positive 
Nachricht  dafür,  dass  die  Bürger  die  Anerkennung  der 
Landeshoheit  verweigerten,  aber  die  Thatsache,  dass  Albrecht 
erst  im  sechsten  Jahre  seiner  Landesregierung  die  Huldbriefe 
der  Rathmänner  erlangte ,  spricht ,  wie  wir  denken ,  deut- 
lich genug,  und  es  hiesse  sich  über  die  eingreifende  Wich- 
tigkeit des  Gegenstandes,  um  den  es  sich  handelte,  täuschen, 
wenn  man  nicht  aus  dem  Wortlaut  der  zögernd  gegebenen 
Huldigungen  den  ehernen  Tritt  der  Landesgewalt  entnehmen 
Wollte.  Noch  dauerte  es  aber  weitere  acht  Jahre  bis  Herzog- 
Aibrecht  an  das  Ziel  seiner  Wünsche  gekommen  war,  und  in 

0* 


84  Lorenz. 

dieser    Zeit    wird    man  wohl    annehmen   können,    dass    häufig-e 
Verhandlungen  über  die  Freiheiten  der  Stadt  geführt  wurden, 
dass  die  Bürgerschaft  ihre  Keehte  mehr  als  einmal  verzeichnet, 
zusammengeschrieben  und  vorgelegt  haben  wird,  dass  vor  und 
nach  dem  Aufstande,  den  der  Reimchronist  beschreibt,  eifrige 
Vertheidigung  dessen,  was  auf  Grund  der  Kaiserurkunden  bean- 
sprucht werden  konnte,  stattfand.  Unter  diesen  gewiss  zahlreichen 
Vorlagen,   von    denen    die  Mannigfaltigkeit  der   Ueberlieferung 
Zeugniss  gibt,  wird  es  solche  gegeben  haben,  die  der  Herzog, 
wie  der  Reimchronist  wenigstens  gehört  haben  wollte,  vertilgte 
und    zerriss,    während    andere    ihm    in   Abschriften    neuerdings 
beigebracht    sein    werden.      Der    Friede    selbst    zwischen    der 
Landesherrschaft  und  der  Stadt  zeigt  sich  auf  den  ersten  Blick 
als  ein  Compromiss,  in  welchem  die  Landesgewalt  alles  über- 
lieferte  Recht  unter  ihren  Schutz  nahm,    sofern  es  den  innern 
Wirkungskreis    der    Stadt    in    BetreflF    der    Justiz    und    Polizei 
betraf,    aber    ebenso    bestimmt    alles    zurückwies,    was    an    die 
Rathsautonomie    der    deutschen    Reichsstädte    erinnern    konnte. 
Man  kann  daher  sagen,  das  ganze  spätere  Stadtrecht  hat  sich 
auf  den    Privilegien  Kaiser    Friedrichs  II.  und  Rudolfs  I.  auf- 
erbaut,   aber    es    wäre    ein    gewaltiges    Missverständniss,    wenn 
man  deshalb  meinte,  die  durch  jene  Kaiser  gewährten  Freiheiten 
hätten  sich  in  ihrer  Totalität  entwickelt;    deshalb,  weil    gesagt 
werden    durfte,    dass    das    beste,    was    auch    nachher  die  Stadt 
behielt,    aus    den   Bewidmungen   der  Reichsgewalt  herstammte, 
wird  doch  nicht  verstanden  sein  wollen,  dass  die  ganze  Freiheit 
der  Stadt  erhalten  worden  sei.     Albrecht  I.  Hess  allerdings  in 
quantitativem    Sinne    die   meisten    Statuten    bestehen,    aber   in 
qualitativer  Beziehung  waren  die  entscheidenden   jene,  welche 
er  zurückwies;    und  wenn    ein   jahrelanger  Kampf  bestand,  so 
war    dieser    nicht    um    die    Justiz-    und   Polizeistatuten  geführt 
worden,  die  selbstverständlich  vom  Anfang  an  nicht  bestritten 
waren,    sondern  um  jene  politischen  Rechte  des  Raths,  welche 
auch  wirklich  dem  spätem  Stadtrecht  von  Wien  fehlen.     Her- 
zog Albrecht  I.    war  vollkommen    Sieger    über    die    Ansprüche 
der    Stadt,    genau    wie    es    die    Reimchronik    thatsächlich    als 
Resultat  der  Bewegung  hinstellt;  von  der  Selbständigkeit  einer 
freien  Reichsstadt  war  nicht  das  mindeste  aus  den  altern  Reichs- 
privilegieu  gerettet  worden.     Hiebei  kann  man  die  Bemerkung 


üeber  den  Unterschied  von  Reichsstädten  und  Landstädten.  85 

nicht  unterdrücken,    dass   man  sich  die  Veränderungen  in  den 
Stadtrechten    und    Verfassungsentwicklungen    manchmal    nicht 
genug  absichtlich  und  zielbewusst  vorstellt.    Gerade  die  Fragen, 
um  welche  es  sich  in  dem  letzten  Viertel  des  13.  Jahrhunderts 
in  Wien  handelte,  waren  den  Habsburgern  besonders  von  ihrer 
Heimat  her  sehr  geläufig.    Tief  in  die  Verfassungskämpfe  von 
Strassburg  und  Basel  verflochten,  wusste  König  Rudolf  gewiss 
ganz    genau    die    Tendenzen    zu    beurtheilen,    welche    die    Gre- 
schlechter    des    Raths    ihm    gegenüber    verfochten   hatten,    und 
Herzog  Albrecht  war  keinen  Augenblick  darüber  unsicher,  dass 
er    die    Reichsstädte    in    Schwaben    als    den   Pfahl  im  Fleische 
der  Landeshoheit    zu    betrachten    hatte.     Hier  würde  es  schon 
aus  persönlichen  Verhältnissen  völlig    unhistorisch    erscheinen, 
wenn    man    die    Bedeutung   jener    Aenderungen    abschwächen 
wollte,    welche    sich    durch  Albrecht  I.    in  dem    Rechtsbestand 
der  Wiener  Verfassung  vollzogen.    Es  wird  nicht  gestattet  sein 
zu  sagen,  dass  sich  der  hauptsächlichste  Theil  der  durch  Fried- 
rich n.  gegebenen  Rechte  erhalten,  sondern  es  war  der  grösste 
Theil    davon,  —  die  Hauptsache    wurde    verändert,    und    zwar 
mit    der  vollen  Absicht,    in   den    österreichischen    Ländern    ein 
landesherrliches    Recht    zu    wahren,    dessen    Preisgebung    und 
Verlust  in  der  Heimat  der  Habsburger  das  Aufkommen  fürst- 
licher   Macht    so    sehr    erschwerte,    ja   in    dem    Sinne    grosser 
landesherrlichen  Gewalt  für  immer  verhinderte. 

Betrachtet  man  nun  das  von  Albrecht  I.  gegebene  Stadt- 
recht nach  den  dargelegten  Gesichtspunkten,  so  wird  ohne 
Zweifel  gleich  in  der  Ansprache  der  Bürger  und  der  Stadt 
der  Unterschied  deutlich  gemacht,  der  nun  eintrat,  wenn  man 
sich  der  Urkunde  desselben  Albrecht  als  Reichsverwesers  vom 
Jahre  1281  erinnert,  wo  das  ausdrückliche  Anerkenntniss  Wiens 
als  Reichsstadt  in  Oesterreich  vorkommt.  Im  Gegensatze  hiezu 
steht  es,  wenn  die  Stadt  in  dem  landesherrlichen  Privilegium 
von  1296  ,als  ein  Haubet  und  Behalterinne  unseres  Fuorsteu- 
tumes'  bezeichnet  wird.  Die  Standschaft  der  Wiener  Bürger 
ist  mithin  gleich  in  den  Eingangs  formein  officiell  herabgemindert 
und  die  frühere  Reichsstadt  in  Oesterreich  zu  einer  blossen 
Landstadt  von  Oesterreich  herabgedrückt. 

Dieser  Stellung  ist  es  entsprechend,  wenn  der  Stadt- 
richter wieder,  wie  zur  Zeit  der  Babenberger  von  dem  Herzog 


86  Lorenz. 

ohne  allen  Beirath  der  Bürgerschaft  eingesetzt  wird;  der  Rath 
hat  blüs  das  Beschwerderecht  gegen  denselben  in  den  Fällen, 
wo  er  die  Satzungen  der  Stadt  ausdrücklieh  verletzt,  auch 
geht  die  Klage  der  Räthe  nicht  an  den  Kaiser,  wie  es  nach 
den  Privilegien  Friedrichs  II.  und  Rudolfs  I.  sein  müsste, 
sondern  an  den  Herzog  als  den  höchsten  und  einzigen  Stadtherrn. 
Der  Stadtrichter  ist  nunmehr  ein  vollkommener  Beamter  des 
Landesfürsten,  über  welchen  der  Rath  keinerlei  Gewalt  hat. 
Noch  deutlicher  wird  das  Dienstverhältuiss  des  Stadtrichters 
zum  Herzog  zu  erkennen  sein ,  wenn  man  weiss ,  dass  der 
Stadtrichter  dem  Landesherrn  für  die  Gerichtspflege  Taxen 
bezahlt,  die  sich  jährlich  auf  200  Pfund  belaufen,  und  die 
ausserdem  auch  den  Hofbediensteten  bis  zum  Thürhüter  des 
Herzogs  herab  zu  Gate  kommen.  '  Ob  man  darnach  auch  nur 
nach  Seite  der  Justizpflege  hin  in  Wien  von  einem  autonomen 
städtischen  Gemeinwesen  sprechen  könnte,  muss  dahin  gestellt 
bleiben ;  sicher  unterscheidet  sich  die  Stellung  des  Stadtrichters 
von  derjenigen  des  Landrichters  eben  nur  dadurch,  dass  sich 
jeuer  an  gewisse  besondere  für  das  Weichbild  der  Stadt  selb- 
ständig geltende  Statuten  und  Rechte  zu  halten  hatte,  deren 
richtige  Anwendung  und  Ausführung  der  Landesherr  selbst 
überwacht.  Im  übrigen  werden  die  Bürger  von  einem  landes- 
herrlichen Beamten  gerichtet  und  gebüsst.  Schwieriger  ist 
dagegen  nach  dem  neuen  Stadtrecht  die  Stellung  des  Raths  zu 
kennzeichnen,  welchen  Herzog  Albrecht  nicht  gänzlich  abzu- 
schafien  vermochte. 

Gleich  im  ersten  Artikel  (nach  Tomaschek's  Eintheilung) 
erscheint  demnach  der  Rath  als  feststehende  Institution,  er  be- 

'  In  dem  Berliner  Codex,  Ms.  Germ.  t'ol.  575,  Schuster  S.  7.  C  b,  dessen 
Benutzung  mir  durch  die  dankenswerthe  Bereitwilligkeit  der  kgl.  Biblio- 
thek iu  Berlin  liier  in  Wien  möglich  war,  entliält  auf  fol.  47  folgende 
selir  interessante  Daten:  Ruhr.:  Hie  ist  vermerkt,  was  ein  yeczleicher 
ötatrichter  hie  ze  wien  geit  von  den  gericlit  jerleich  Item  von  erst  dem 
Herzog  in  sein  kamer  11^  pfuud  denar ;  Item  in  der  vasten  circa  dorothee 
XLII.  pf.  d.  Item  hincz  Sant  Claru  XX.  pfund  d.  die  gcb  man  von  dem 
gcricht  ze  .Statlaw  zu  ledcr  Cottcmmer  V.  pfund  d.  Item  hincz  ISant 
Michel  zu  aincr  Mess  XV.  tal  d.  die  geb  man  auch  von  dem  gericht  ze 
statlaw.  Item  dem  von  Puchaim  zu  den  zeittcn  obristen  druksetz  ist 
gewesen  in  Osterreiich  V  pfund  d.  für  ainen  hawsen  in  der  vasten.  Item 
des  herzogen  kamrer  wann  ain  Richter  wirt  II.  tal.  d.  Item  des  herzogen 
TÜJhueter  ain.  j.  t.  d. 


Ueber  den  Unterschied  von  KoiclisstildtBu  uüd  Landstädten.  87 

steht  aus  zwanzig  IMitgliedern,  wie  in  den  reichsstädtischen 
Privilegien  auch  früher  bestimmt  worden  war  (Art.  18),  zu 
denen  der  Richter  unter  allen  Umständen  gehört.  Auch  der 
Richter,  welcher  sein  Amt  niedergelegt  hat,  bleibt  im  Rathe 
der  Stadt  und  zählt  zu  den  zwanzig,  welche  jedoch  das  Recht 
haben,  ihre  Zahl  mit  Genehmigung  des  Herzogs  zu  vermehren 
und  zu  vermindern  (Art.  21).  Was  aber  dem  Rathe  an  Gewalt 
übertragen  ist,  beschränkt  sich  lediglich  auf  die  Regelung  von 
Handel  und  Wandel  und  auf  die  Aufrechthaltung  der  Ordnung 
und  Sicherheit.  Die  rechte  Kur  zu  dem  Rath  geschieht  eben- 
falls mit  Wissen,  Rath  und  Willen  des  Landesherrn,  zu  dessen 
Treue  und  Dienst  die  Bürger  geschworen  sind.  Vergleicht  man 
die  Bestimmungen  über  den  Rath  der  Zwanzig  in  den  älteren 
reichsstädtischen  Privilegien  mit  denjenigen  in  der  späteren 
landesherrschaftlichen  Entwicklung,  so  zeigt  sich,  dass  unter 
Albrecht  I.  sehr  viel  einzelne,  scheinbar  kleine  Veränderungen 
vorgenommen  worden  sind,  welche  sämmtlich  die  Absicht  er- 
kennen lassen,  der  landesherrlichen  Gewalt  einen  grösseren 
Einfluss  zu  sichern.  Die  in  den  reichsstädtischen  Privilegien 
ziemlich  unsicher  bezeichnete  Competcnz  des  Rathes  konnte  in 
Wien,  wie  in  den  meisten  Reichsstädten  unter  kaiserlicher 
Herrschaft  eine  Ausbildung  der  Rathsgewalt  zu  politischer  Stel- 
lung möglich  machen.  Das  Stadtrecht  Albrechts  I.  dagegen 
imtcrband  sorgfältig  alle  jene  Ansätze,  welche  das  städtische 
Gemeinwesen  zu  landeshoheitlicher  Selbständigkeit  zu  bringen 
vermocht  hätten.  Am  schärfsten  drückt  sich  diese  Abhängig- 
keit der  Stadt  von  der  Landesgewalt  in  den  auf  die  Kriegs- 
macht bezüglichen  Bestimmungen  aus.'  Von  eingreifendster 
Wichtigkeit  ist  hier  selbstverständlich  das  Entfallen  des  zweiten 
Artikels  der  reichsstädtischen  Freiheitsbriefe,  durch  welche  die 
Bürger  blos  dem  Reiche  zum  Kriegsdienst  in  nächster  Nähe 
der  Stadt  verpflichtet  waren.  Nach  dem  Albrechtinischen 
Stadtrechtc  ist  der  Bürger  nicht  blos  dem  Landesherrn  selbst 
dienstpflichtig,  sondern  die  Stadt  hat  überhaupt  der  herzog- 
lichen Kriegsgewalt  gegenüber  absolut  gar  keine  Rechte.  Der 
Hofmarschall  logirl  seine  Truppen  in  der  Stadt  ein  und  hat 
dabei  nur  die  Quartieranweisungen  des  Stadtrichters  zu  be- 
achten, welcher  die  Herbergen  der  Truppen  bezeichnet.  Da  sich 
der    herzogliche    Hof  innerhalb    der    Stadtmauern  beflndet,    so 


88  '  Lorenz. 

reicht  wohl  diese  Bestimmung  gerade  aus,  um  vollkommen  klar 
zu  machen,  dass  von  einer  Vergleichung  Wiens  als  Stadt  mit 
den  freien  oder  Reichsstädten  überhaupt  im  -Mittelalter  seit 
Albrecht  I.  gar  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Die  Bestimmungen  über  die  Kriegsmacht  sind  aber  um 
so  merkwürdiger,  als  es  kaum  zweifelhaft  sein  kann,  dass  sich 
die  Stadt  unter  der  Regierung  Ottokars  auf  Grund  des  Friede- 
ricianischen  Freiheitsbriefes  bereits  zu  einem  politisch-selb- 
ständigen Gemeinwesen  in  Betreff  ihrer  militärischen  Gewalt 
emporgearbeitet  hatte;  in  dem  Kriege  zwischen  Rudolf  und 
Ottokar  verfolgte  sie  ihre  eigene  Politik  und  hatte  eine 
eigene  bewaffnete  Macht_,  welche  die  Stadt  vertheidigte  und 
die  Thore  nur  auf  Befehl  des  Raths  öffnete.  Die  Lage  der 
Dinge  hatte  sich  demnach  in  politischer  Beziehung  für  die 
Stadt  vom  Jahre  1276  zum  Jahre  1296  gründlich  verändert 
und  der  landesherrliche  Wille  war  für  Wien  um  so  entschei- 
dender geworden,  als  der  Herzog  seinen  Hofhält  dauernd  hier 
aufgeschlagen  hatte  und  jede  selbständige  politische  Regung  ver- 
pönte. Man  könnte  eine  lange  Reihe  von  Dingen  aufzählen,  welche 
die  vollständige  Theilnahmslosigkeit  der  Wiener  Bürgerschaft 
an  allen  grössern  politischen  Ereignissen  der  Geschichte  nach- 
weist. Wenn  der  grosse  Streit  zwischen  Kaiserthum  und  Papst- 
thum  in  den  Reichsstädten  des  vierzehnten  Jahrhunderts  mäch- 
tige Wellen  schlug,  so  würde  man  sich  in  den  österreichischen 
Städten  vergeblich  um  ein  Anzeichen  umsehen,  welches  die 
Beachtung  dieser  Dinge  erkennen  Hesse,  obwohl  doch  Herzog 
Friedrich  an  den  grossen  Angelegenheiten  unmittelbar  betheiligt 
war.  Es  gibt  daher  auch  unter  den  österreichischen  Städten 
keine  Bündnisse,  keine  Einungen,  kaum  polizeiliche  Verabredun- 
gen zu  gemeinsamer  Verfolgung  von  Räubern.  Alle  Thätigkeit, 
die  sich  nicht  auf  das  gewöhnliche  Marktwesen  oder  auf  die 
Justiz  bezog,  war  seit  Albrecht  I.  dem  Bürgerstande  dauernd 
entzogen. 

Wenn  den  Bürgern  in  Bezug  auf  ihren  Stand  ,sent- 
mässiges  Recht'  zugestanden  wird  und  wenn  sie  (Art.  17  des 
Albrechtinums)  Lehen  zu  ertheilen  berechtigt  werden,  so  ändert 
dies  die  Stellung  der  Stadt  als  Landstadt  gewiss  nicht  und 
bewirkt  ebensowenig  eine  Gleichstellung  des  Bürgerstandes  mit 
dem  der  Reichsstädte,  so  wenig  zwischen  einem  Landedelmann 


I 


Ueber  den  Unterschied  von  Eeichsstädten  und  Landstädten.  89 

und    einem    Reichsfreien    eine    Ebenbürtigkeit    vorhanden    war. 
Alle   Landstädte,    die    unter    fürstlicher    Hoheit   standen,    ver- 
mochten   erst    zu    einer   gewissen    politischen  Bedeutung-  durch 
die    Ausbildung    der    landständischen    Verfassungen    am    Ende 
des    14.    und  dann    im    15.    Jahrhunderte    zu   gelangen.     Doch 
waren  die  Rücksichten,    welche  in  politischen  Dingen    auf  die 
Städte  genommen  wurden,  anfangs  nur  sehr  geringe.  Eine  der 
ersten  ßethätigungen  in  ständischen  Angelegenheiten  von  Seite 
der    österreichischen   Städte    dürfte    vielleicht  in  dem    gemein- 
samen Gelöbniss  der  Städte  Wien,  Eggenburg,  Hainburg,  Kor- 
neuburg und  Neustadt  zu  erblicken  sein,  den  am  10.  Februar 
1364  zwischen  Böhmen  und  Oesterreich  geschlossenen  Erbver- 
trag zu  halten  und  zu  befolgen.  In  der  auf  dem  Hofe  zu  Wien 
am  20.  November  1358    stattgehabten    Huldigung   des  Herzog- 
thums  Oesterreich   für   Herzog  Rudolf  IV.    waren    noch    keine 
Städte  vertreten.    Eine  gesicherte  Theilnahme  an  den  Landes- 
angelegenheiten   finden    die    Städte    eigentlich    erst    seit    dem 
Ständebüudniss    vom    6.    August    1406.    Damals    war    übrigens 
auch  in  der  Verfassung  Wiens    —    sofern    dies    innerhalb  des 
landstädtischen  Rahmens    überhaupt    statthaft  war,    —    ein  ge- 
wisser Fortschritt   gemacht    worden,    indem    genau    100   Jahre 
nach    der   Unterwerfung    Wiens    unter    die    Landeshoheit    das 
Privilegium  ertheilt  wurde,  dass  Bürgermeister  und  Rath  jährlich 
von  der  ganzen  Gemeinde  mit  Stimmenmehrheit,  und  zwar  nicht 
blos    aus    den    Kaufleuten,    Erbbürgern    und  Reichen,  sondern 
auch  aus  den  gemeinen  Handwerkern    gewählt  werden  sollten. 
Doch  ist  es  nicht  unsere  Absicht,  diese  inneren  Entwicklungen 
der  landstädtischen  Verfassung  hier  weiter  zu  verfolgen,  da  ja 
von  Tomaschek  hiefür  neuesten s  alles  wünschenswerthe  trefflich 
zusammengestellt    wurde    (vgl.    S.    LVIII    ff.)    und  da  die  sich 
hieran    anschliessenden    Fragen    für  den  uns  hauptsächlich  be- 
schäftigenden Unterschied  des  Charakters  von  Landstädten  und 
Reichsstädten    keine    weiteren    Aufklärungen    mehr    zu    geben 
vermöchten.  Für  die  erneuerte  Darstellung  der  Hathsverfassung 
in  Wien  würde  ein  Hauptmoment    der  Untersuchung   die  Ent- 
stehung   des   Bürgermeisteramtes    bilden    müssen.     Aber    auch 
der  Bürgermeister  war  kein  selbständiger,  städtischer  Beamter, 
sondern    ein  vom  Landesherrn    designirter  und  beaufsichtigter, 
beziehungsweise  beurtheilter  und  gerichteter  Würdenträger,  der 


90  Lorenz. 

niemals  eine  ähnliche  Stellung  besass,  wie  sie  die  obersten 
fStadtbeamtcn  der  Reichsstädte  bereits  seit  dem  Anfang  des 
14.  Jahrhunderts  hatten. 

So  lässt  sich  denn  zum  Schlüsse  mit  voller  Beruhigung 
sagen,  dass  durch  Herzog  Albrecht  I.  eine  der  folgenreichsten 
und  durchgreifendsten  Veränderungen  in  dem  Leben  Wiens  her- 
beigeführt worden  ist 5  und  nichts  wäre  irriger,  als  wenn  man 
behaupten  wollte,  dass  die  von  Kaiser  Friedrich  II.  und  König 
Rudolf  angebahnte  Entwicklung  Bestand  gehabt  hätte.  Vielmehr 
wurde  sie  in  das  gerade  Gregentheil  umgewandelt  und  eben 
durch  diesen  Umstand  bietet  die  Stadtgeschichte  von  Wien 
die  Gelegenheit,  den  begrifflichen  Unterschied,  der  zwischen 
Reichsstädten  und  Landstädten  festgehalten  werden  muss,  an 
einem  und  demselben  Beispiel  zu  zeigen,  während  man  in  den 
anderen  Fällen  meist  verschiedene  Gemeinwesen  und  Entwick- 
lungen vergleichend  neben  einander  stellen  musste,  um  zur 
Ueberzeugung  zu  gelangen,  dass  auf  diesen  Wegen  sehr  ver- 
schiedene Resultate  erreicht  worden  sind. 

Wollte  man  in  letzterer  Hinsicht  die  Gedanken  noch 
weiter  fortspinnen,  die  sich  an  die  nachgewiesenen  Unter- 
schiede der  Städte  anschliessen,  so  wäre  es  sehr  verlockend, 
einen  Excurs  auf  das  Gebiet  der  ökonomischen  und  Cultur- 
verhältnisse  zu  machen,  doch  dürfte  hier  nicht  der  geeignete 
Platz  zu  einer  genauen  Untersuchung  des  Gegenstandes  sein, 
welche  wir  daher  lieber  für  eine  andere  Gelegenheit  sparen 
müssen.  Nur  einiges  mag  man  mit  Rücksicht  auf  Wien  zu 
sagen  gestatten.  Dasselbe  ist  bereits  im  14.  und  15.  Jahrhun- 
dert als  eine  ausserordentlich  blühende  Stadt  gerühmt ,  mit 
welcher  sich  die  Reichsstädte,  wie  Augsburg,  Nürnberg,  kaum 
messen  könnten.  Von  den  Besitzverhältnissen  der  Bürger- 
schaft, welche  ausgedehnte  Weinbergrechte  und  sehr  viel 
Grundeigenthum  hatte,  und  von  der  günstigen  Lage  der  Stadt 
für  Handel  und  Verkehr  abgesehen,  wird  mau  in  dem  starken 
Friedensschutz,  welchen  eine  so  gewaltige  landesherrliche  Macht 
zu  verleihen  im  Stande  war,  ein  wesentliches  Moment  des 
Aufblühens  der  materiellen  Verhältnisse  erblicken  können.  Die 
östeiTeichischen  Städte  wurden  durch  keine  Fehden  und  Kriege 
belästigt,  wie  die  Reichsstädte.  Jahrhunderte  lang  sah  Wien 
keinen  Feind  vor  seinen  Mauern.  In  dem  weiten  Gebiet,  welches 


Ueber  den  Untcrseliicil  von  Eeichsstädten  und  Landstädten.  91 

der  Landesherr  mächtig  beherrschte,  fand  der  städtische  Kauf- 
mann ausgezeichneten  Schutz.  Die  Strassen  waren  nicht  von 
einer  Unmasse  von  feindlichen  Rittern  wie  in  den  Reichs- 
gebieten belästigt.  Der  landesherrliche  Schutz  kam  den  Städten 
nach  der  materiellen  Seite  ihres  Daseins  zu  Gute.  Aber  auch 
für  alle  ihre  sonstigen  Anstalten  sorgte  die  Landeshoheit.  Die 
hohe  Schule  gründete  der  Herzog.  Die  Kirchen  und  Geistlichen 
stehen  in  keinem  Verhältniss  zur  Stadtgemeinde.  Der  Rath 
besitzt  keinen  Einfluss  auf  irgend  welche  geistliche  Angelegen- 
heiten. Eine  bürgerliche  Bevölkerung,  welcher  im  politischen 
Leben  nie  das  Gefühl  der  Verantwortlichkeit  anerzogen  wurde 
und  welche  keinerlei  Einfluss  auf  die  geistigen  Potenzen  des 
Lebens  zu  nehmen  hat  und  nehmen  kann,  wird  aber  in  ihrer 
Entwicklung  gewisse  andere  Resultate  zu  Tage  fördern,  als 
eine  Stadt,  welche  jederzeit  auf  sich  gestellt,  für  Frieden  und 
Krieg  die  eigene  Verantwortung  in  der  Gesammtheit  und  in 
jedem  einzelnen  erweckt. 

So  ist  es  gekommen,  dass  man  auch  in  der  Literatur  in 
den  österreichischen  Städten  einen  Mangel  der  Theilnahme  für 
grosse  und  merkwürdige  Erscheinungen  der  deutschen  Reichs- 
städte wahrgenommen  hat.  Weder  der  Mysticismus  ,  noch  der 
Meistergesang  kam  in  den  österreichischen  Städten  zur  Gel- 
tung. Blickt  man  vollends  auf  das  Zeitalter  der  Reformation, 
so  wird  der  Unterschied  zwischen  einer  von  einer  streng  katho- 
lischen Landesherrschaft  regierten  Landstadt  und  einer  sich 
selbständig  regierenden  Reichsstadt  erst  recht  heraustreten. 
Manche  ungerechte  Beurtheilungen  des  österreichischen  Volks- 
stammes würden  sicherlich  unterblieben  sein,  wenn  man  sich 
immer  überlegt  hätte,  dass  der  Rath  des  ansehnlichen  und 
mit  den  grössten  Städten  der  damaligen  Welt  wetteifernden 
Gemeinwesens  von  Wien  über  geistliche,  wie  über  politische 
Dinge  nicht  das  mindeste  zu  entscheiden  hatte,  dass  er  über 
keine  einzige  Kirche  verfügte,  nicht  einen  einzigen  Prediger 
bestellte  und  natürlich  schon  ausserordentliches  zu  leisten 
sich  untertiug,  wenn  er  gegen  die  Wünsche  des  Landes- 
herrn die  am  Sonntag  nach  Uernuls  hinausziehenden  Prote- 
stanten von  den  Scharwächtern  nicht  einfangen  und  mittelst 
der  ihm  allerdings  zustehenden  Strafgewalt  nicht  büssen  Hess. 
So  war  denn  die  reformatorische  Bewegung  unter  dem  Bürger- 


92  Lorenz. 

stände  in  Oesterreich  immer  nur  eine  Sache  der  Vereinzelung 
und  einer  blossen  oppositionellen  Stimmung-  geblieben.  Rechte 
in  diesen  Dingen  hatte  nur  der  Adel,  mit  dessen  Kampf  gegen 
die  landesherrliche  GcM'alt  denn  auch  die  Reformation  in  Oester- 
reich stehen  uud  fallen  musste;  aber  dem  Bürgerstande  war 
durch  die  Verfassung  seiner  Städte,  durch  die  von  Albrecht  I. 
durchgeführte  Unterwerfung  seiner  Räthe  unter  die  Landes- 
hoheit die  Theilnahme  an  der  Bewegung  im  Grossen  versagt. 
Niemals  konnte  zu  St.  Stephan  in  Wien,  gleichwie  im  Münster 
zu  Strassburg  durch  Rath  und  Gemeinde  bestimmt  werden, 
dass  ,die  Messe  ab'  sein  solle.  Es  gab  keine  rechtliche  und 
legale  Stellung  des  Rathes  in  Wien,  welche  bedeutende 
Maassregeln  gestattet  hätte.  Da  mochten  durch  landesherrliche 
Anstalten  Handel  und  Wandel  sich  mehren,  steinerne  Häuser 
erstehen  und  manche  Kunst  im  heiteren  Treiben  des  süddeutschen 
Lebens  sich  regen,  aber  die  ernsteren  Eigenschaften  des  Volks- 
charakters und  jene  politischen  Tugenden,  welche  nur  durch  die 
Selbstregierung  freier  Städte  und  durch  das  Gemeingefühl  der 
Verantwortung  aller  und  jedes  im  Laufe  der  Geschichte  be- 
gründet zu  werden  pflegten,  konnten  im  österreichischen  Bürger- 
stande nur  im  geringen  Maasse  gedeihen.  Hierin  aber  sehen 
wir  die  wahren  Wirkungen  der  grossen  Umwandlung  Wiens 
aus  einer  Reichsstadt  in  eine  Landstadt. 


II.  SITZUNG  VOM  9.  JÄNNER  1878. 


Herr  Jakob  Friedländer  in  Wien  überreicht: 

1.  eine  Abhandlung,  welche  betitelt  ist:  ,Die  Idee  als 
das  erziehende  Moment  der  Volkskraft'  mit  dem  Ersuchen  um 
ihre  Aufnahme  in  die  Sitzung-sberichte; 

2.  eine  Schrift:  ,Empedokles  und  seine  Stellung  zum 
Alterthum'  mit  dem  Ersuchen  um  Gewährung  eines  Beitrages 
zur  Drucklegung. 


Herr  Friedrich  von  ßärenbach  (Medvecky)  übersendet 

1.  sein  AVerk:  , Gedanken  über  die  Theologie  in  der  Natur'; 

2.  eine  Abhandlung,  welche  betitelt  ist:  , Beiträge  zu  einer 
kritischen  Erkenntnisstheorie',  und  um  deren  Aufnahme  in  die 
Sitzungsberichte  ersucht  wird. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Academia  Olimpioa  diVicenza:  Atti.  Primo  Semestre  187G.  Vicenza,  1876; 

gr.  80.  —  Secondo  Semestre  1876  e  primo  1877.    Vicenza,    1877;  gr.  S«. 
Academie  Imperial  des  Sciences  de  St.-Petersbourg :  Bulletin.  Tome  XXIV. 

N"  3.  (FeuiUes  22—28).  St-Petersbonrg,   1877;  4». 
Accademia  R.  della  Crusca:    Atti.   Adunanza   publica   dcl    19  di  Novembre 

1877.  Firenze;  80. 
Akademie  der  Wissenseliaften,  königl.  Preussische  zu  Berlin:  Monatsbericht. 

September  und  October  1877.  Berlin,   1877;  S". 
Bärenbach,    Friedrich    von:    Gedanken   über   die   Teleologie    iu   der   Natur. 

Berlin,  1878;  8". 
Bibliotheque  Nationale  en  ls76:  Rapport  k  M.  le  Ministre  de  Tlnstruction 

publique.  Paris,  1877;  4^. 


94 

Dudilc,    Bedu    Dr.:    Karl's    von    Zerotin    liöhmische    Bibliothek    in    Breslau. 

Prag,  1877;  12". 
Gesellschaft,    k.    k.    geographisclic,    in   Wien:    Mittlieilnngen.    Band  XX. 

(N.  F.  X.)  Nr.   10,   11  und  12.  Wien,  1877;  4". 

—  der  Wissenschaften,  OberLausitzische:  Neues  Lausitzisclies  Magazin. 
LITI.  Band,  2.  Heft.  Görlitz,  1877;  8". 

Institut,  koninklijk  voor  de  Taal-  Land-  en  Volkenkunde  van  Nederlandsch- 
Indie:  Bijdragen.  Vierde  Volgreeks.  Erste  Deel,  2^^  Stuk.  'S  Graven- 
hage,  1877;  8«, 

Journal,  the  American  of  Science  and  Arts.  Third  Series,  Vol.  XIV.  (Wliole 
Number  CXIV).  Nr.  84.  December  1877.  New  Haven  1877;  8".  — 
A  Description  of  the  Rochester,  Warrenton  and  Cynthiana  Meteoric  Stones, 
by  J.  Lawrence  Smith.  Louisville,  Kentucky,  1877;  12". 

Mittheilungen  aus  Justus  Perthes' geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 
mann. Ergänzungsheft  Nr.  52.  Gotha,  1877;  4". 

,Revue  politique  et  litteraire'  et  , Revue  scientifique  de  la  France  et  de. 
l'Etranger'.  VIP  Annee,  2«  Serie.  N°  27.  Paris,   1878;  4". 

Society,  the  American   geographica!:    Bulletin.  Nr.  4.  New  York,    1877;  8". 

Statistisches  Departement  im  k.  k.  Handels-Ministerium:  Nachrichten  über 
Industrie,  Handel  und  Verkehr.  XIII.  Band,  3.  Heft.  Statistik  des  öster- 
reichischen Postwesens  im  Jahre  1876.  Wien,   1^7;  4". 

Verein,  Siebenbürgischer  für  romanische  Literatur  imd  Cultur  des  romanischen 
Volkes.  Anulu  X.  Nr.  9—24.  Brasiovu,  1877;  4".  Anulu  XI.  Nr.  1.  Bra- 
siovu,   1878;  4". 

—  für  Nassauische  Alterthuraskunde  und  Geschichtsforschung:  Annalen. 
XIV.  Band.  Heft  1  und  2.  Wiesbaden,  1875  und  1877;  4".  —  Römische 
Ansiedelungen  in  der  Umgebung  von  Wiesbaden  von  Dr.  K.  Reuter. 
Wiesbaden,  1876;  12".  —  Zur  Geschichte  des  Rfimischcn  Wiesbadens.  IV. 
Römische  Wasserleitungen  in  Wiesbaden  und  seiner  Umgebung  von 
Dr.  K.  Reuter.  Wiesbaden,   1877;  12". 

—  Militär-wissenschaftlicher:  Organ.  XV.  Band,  4.  lieft.   1877.  Wien;  8". 


II 0  r  a  w  i  t  7.  Analecten  z.  Gcscli  d.  Reformation  \\,  d.  Humanismus  in  Schwaben.         95 


Analeeten  zAir  Geschichte  der  Reformation  und  des 
Humaiiismns  in  Schwaljen. 


Von 

Adalbert  Hoi'awitz. 


Aus  dem  Codex  latinus  Monncenais  4007,  der  für  die  Aua- 
lecten  zur  Geschichte  des  Humanismus  in  Schwaben 
(Sitzungsberichte  LXXXVI.)  viel  Material  geboten,  werden  die 
folgenden  zweiundsiebenzig  Briefe  aus  den  Jahren  1518  bis 
1527  als  letzte  Lese  aus  jener  Handschrift  mitgetheilt. 

Auch  ihr  Inhalt  ist  ein  Beitrag  zur  Huraanistengeschichte 
Schwabens,  aber  nicht  zu  dieser  allein. 

Eine  andere  Bewegung  ist  es  noch,  die  auch  in  diesen 
Blättern  ihren  Ausdruck  findet,  angestaunt  und  gepriesen,  mit 
Besorgniss  betrachtet  und  angegriffen  wird  —  die  Bewegung 
der  Reformation! 

Gerade  mit  dem  Jahre,  aus  dem  die  ersten  Briefe  der 
folgenden  Sammlung  herrühren,  beginnt  ja  auch  in  Schwaben 
die  lebendigste  Theilnahme  für  Luther,  der  schon  bei  der 
Heidelberger  Disputation  1518  in  der  akademischen  Jugend 
grosse  Begeisterung  erweckte.  ^ 

]\Ian  erkennt  es  auch  aus  den  hier  mitgetheilten  Briefen, 
wie  sehr  Luther's  Wirken  bei  den  bisherigen  Pflegern  des  Huma- 
nismus Beifall  fand,  mag  aber  auch  aus  ihnen  die  Trennung 
der  Geister  erkennen,  die  entweder  Luther  unbedingt  nach- 
folgend zu  seinen  Helfern  und  Freunden  werden,  oder  aber 
durch  die  Schrecken  des  Jahres  1525  abgestossen,  sich  scheu 
von    ihm    zurückziehen,    wenn    sie    nicht    gar  geradezu  gegen 


1  Franciscus  Ireniciis   (Expgesis  Gennaniae)   nennt    ihn   damals  sclion  den 


Antesignamis  der  deutschen  Tlieologen. 


yö  H  0  r  a  w  i  t  z. 

ihn  auftreten,  wie  Joh.  Faber,  der  humanistisch  gebildete 
Generalvicar  von  Constanz. 

Wieder  sind  es  vorwieg-eud  schwäbische  Kreise,  die  hier 
cörrespondiren  (Ravensburg,  Ueberlingen,  Constanz,  Augsburg, 
Freiburg),  aber  auch  Briefe  aus  Ingolstadt,  Speier,  Nürnberg, 
aus  Wittenberg,  ja  selbst  aus  Rom  liegen  vor.  Männer,  deren 
Schicksal  später  so  wesentlich  auseinanderging,  Aleander  und 
Urbanus  Rhegius,  Joh.  Faber  und  Blaurer  u.  A.,  erscheinen 
hier  nebeneinander  in  dem  Freundeskreise  des  Michael  Hummel- 
berger's.  Aber  man  kann  es  schon  aus  den  ersten  Briefen  ent- 
nehmen, dass  die  meisten  dieser  Männer  der  alten  Kirche  treu 
bleiben  oder  wieder  zu  ihr  zurückkehren  werden.  Die  Meisten 
von  ihnen  stehen  unter  dem  Banne  des  Erasmus  oder  des  Zasius. 

Nicht  jeder  vermochte  sich  von  seinen  Freunden,  seiner 
Ueberzeug'ung  gehorchend,  so  loszureissen,  wie  es  Urbanus 
Rhegius  u.  A.  Eck  gegenüber  gethan. 

Bedauerlich  ist  es,  dass  die  Berichte  aus  Wittenberg,  die 
der  daselbst  studirende  Ulianus  sendet,  so  wenig,  ja  fast  nichts 
über  Wittenberg  selbst  und  das  damals  so  hochgesteigerte 
Universitätsleben  erzählen,  sondern  sich  lieber  in  Localklatsch 
und  der  Besprechung  persönlicher  Angelegenheiten  ergehen. 
Manches  aber  bieten  auch  sie,  das  mir  wichtig  genug  schien, 
um  seinetwillen  die  Briefe  ganz  abdrucken  zu  lassen. 

Mag  nun  Einiges  über  den  Inhalt  gesagt  werden. 

Schon  der  erste  Brief  zeigt  aufs  Neue  die  hohe  Achtung, 
in  der  Hummelberger  bei  der  schwäbischen  Gelehrtenwelt  stand. 
Johannes  Alexander  Brassicanus,  der  jugendliche  Sohn  des 
bekannten,  Hummelberger  befreundeten  Philologen  trug  ihm 
eine  wahrhaft  schwärmerische  Zuneigung  entgegen,  in  über- 
schwänglicher  Weise  preist  er  sich  glücklich  in  einem  Zeitalter 
geboren  zu  sein,  in  dem  Erasmus  und  —  Hummelberger  leben. 
Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  er  ihn  und  seinen  Bruder,  den 
Mediciner  Gabriel,  in  Gedichten  verherrlicht;  zu  des  letzteren 
Hochzeit  sendet  er  natürlich  ein  P^pithalamion,  das  ich  als 
eines  der  frühesten  Gedichte  des  Brassicanus  zum  Abdrucke 
bringe.  Mit  ihm  blieb  Hummelberger  stets  in  einem  warmen 
Verhältnisse,  er  ertheilt  ihm  väterliche  '  Rathschläge  und  ist  um 

•  Brassicauus  nennt  ihn  z.  B.  (Nr.  VI)   geradezu  Pater. 


Analecten  znr  Gescliiclite  der  Reformation  und  des  Humanisraas  in  Scliwuben.  ,)7 

seinen  guten  Namen  und  \\m  seine  Wohlfahrt  lebhaft  besorgt 
(cf.  Nr.  VIII).  Er  mahnt  ihn  berühmte  Männer  hochhalten  zu 
wollen,  so  z.  B.  den  Beatus  Rhenanus,  warnt  ilin  vor  dem 
Hofleben,  beklagt  es,  wenn  Andere  seine  Arbeiten  tadeln, 
sucht  ihn  vor  mancher  üebereilung  abzuhalten,  er  möge  es, 
meint  er  (z.  B,  Nr.  XXIII),  nicht  M'ie  gewisse  junge  Leute 
machen,  die  sich  durch  Invectiven  einen  Namen  erwerben 
wollen.  Aber  auch  Brassicanus  lohnt  sein  Vertrauen,  er  unter- 
richtet ihn  über  alles  Wichtigere  in  seinem  Leben,  bespricht 
seine  Pläne  und  Leistungen,  seine  Hoffnungen  und  Aussichten, 
Man  erfährt  dabei  manches  Neue,  so  ersieht  man  aus  Nr.  XXII, 
dass  Brassicanus  sich  um  1519  durch  drei  Monate  bei  Hofe, 
wie  es  scheint,  im  Dienste  des  k.  Orator  Maximilian  von 
Seuenberg  befand,  überblickt  seine  ausserordentlich  rege  litera- 
rische Wirksamkeit  —  rasch  nacheinander  erschienen  sein  Häv, 
der  durch  ihn  verbesserte  Text  der  Eklogen  des  Calpurnius 
und  Nemesianus,  seine  Gedichtsammlung  , Caesar',  die  Schrift 
an  Kaiser  Karl  V.,  die  patriotischen  Ergüsse  gegen  die  Fran- 
zosen u.  s.  w.  Er  selbst  sagt,  er  arbeite  im  Fluge.  Aehnliches 
fanden  seine  Gegner,  die  unter  Anderen  den  ,Omnis'  für  ein  sehr 
jugendliches  Werk  erklärten  (Nr.  XXIII)  und  ihm  überhaupt 
die  Lebensluft  einengten.  Diess  fühlte  Brassicanus  ganz  genau, 
er  bittet  da  wohl  Hummelberger  ihn  gegen  die  ,latrans  grex' 
zu  vertheidigen  (Nr.  VI).  Und  in  der  That  Brassicanus  konnte 
sich  zu  Tübingen  nicht  halten,  nach  längerem  Schweigen,  von 
dem  er  versichert,  dass  es  die  ihn  herumtreibende  Ate  ver- 
schulde (LIV),  schreibt  er  dem  alten  Freunde  endlich  aus 
Ingolstadt  (1522)  voll  Vergnügen,  dass  er  aus  dem  , Felde  der 
Böswilligkeit  aus  T.'  erlöst  sei.  Er  erzählt  von  seinen  neuen 
Lebensplänen,  er  will  —  wie  es  auch  Simler  gethan  —  aus 
einem  Poeten  Jurist  werden.  Die  Antwort  Hummelberger's  (LV) 
ist  etwas  spöttisch  gehalten;  er  beglückwünscht  ihn  aber  zur 
erreichten  Palme  und  macht  schliesslich  eine  dunkle  Anspielung, 
Brassicanus  möge  sich  in  Ingolstadt  nicht  missbrauchen  lassen 
(von  wem?).  Die  letzte  Correspondenz  des  Brassicanus  ist  — 
wie  ich  glaube  —  aus  dem  Jahre  1525  und  behandelt  Fami- 
lienverhältnisse. 

Auch  zu  den  alten  Pariser  Freunden  unterhielt  Hummel- 
berger fortwährend  mehr  oder  minder  rege  Beziehungen.   Hiero- 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  1.  Hft.  7 


«70  11  ü  r  a  w  i  t  z. 

nymus    Aleander    z.    B.    sclireibt    ihm    aus    Rom     (5.    April 
1518)  von  den  vielen  Geschäften,    die  ihn   beengen,    von    dem 
Vertrauen,    das  ihm  der  Papst  und  der  Vicekanzler  schenken, 
wie    sie    ihn    durchaus    nicht    fortlassen    wollen    und    ihm    den 
g-rössten  Lohn    versprächen,    wenn    er   ihnen    etwas    von    ihren 
Lasten  abnähme.     Man  weiss,    wie  Aleander  dann  wirklich  in 
Rom  geblieben  ist,    von  wo  er  (1519)  einen  überaus  höflichen 
Brief  des  alten  Freundes,  der  ihm  auch  in  einem  Briefe  (XIII) 
an  Rosiuus  Grüsse  sendet,  (XX)  mit  den  gewöhnlichen  Klagen 
über  Ueberbürdung  und  Krankheit  aber  auch  mit  freundlichen 
Versprechungen    beantwortet    (XXI).     Auch    an    Kierher,    den 
Pariser  Studiengenossen    findet    sich    ein  Brief  (XXXIII)    voll 
Freuüdschaftsversicherungen ;  Kierher  ist  aber  mittlerweile  ge- 
storben.  Hummelberger  feiert  sein  Andenken  durch  ein  Epitaph 
(cf.  XXXVII),  kommt  bei  diesem  Anlasse  in  Verkehr  mit  dem  Dom- 
herrn und  Dechant  zu  Speier,  Thomas  Truchsess  (XXXIV),  dessen 
er  sich  als  eines  neuen  Freundes  in  einem  Briefe  an  seinen  alten 
Pariser  Genossen,  den  Domherrn  Albert  T.  rühmt  (XXXVIII 
und  XXXIX).  Neben  diesen  Beziehungen  laufen  zahlreiche  neu- 
geknüpfte Verbindungen,  wir  finden  Briefe  an  Ungelter  in  Ulm 
(Nr.  V),  Gerbel  (II),  Br.  Amerbach  (VII),  dem  er  einen  Emenda- 
tionsvorschlag    zur    zweiten    Ausgabe    des    Neuen  Testamentes 
von  Erasmus   macht,    an  Sapidus    (cf.  LVI,  LVII,  LXI),    dem 
er  hohes  Lob  über  seine  Methode  ertheilt  und  klagt,  dass  man 
in  diesen  schweren  Zeiten  (1525)  nicht  einmal  mit  den  Freunden 
in  Verkehr  treten  könne.  Er  mahnt  ihn  trotz  aller  Anfechtungen 
am    Evangelium    zu    halten.     Klagen    über '  die  Pest,    die    den 
Hummelberger,    wie    so    viele  seiner  Zeitgenossen  oft  vertrieb, 
fehlen  hier  so  wenig,  wie  über  den  Mangel  an  Boten;  das  sind 
ja  stehende  Phrasen  in  den  Ilumanistenbriefen,  ebenso  die  über- 
schwängliche  Bewunderung  des  Erasmus,  in  dessen  Hierouymus- 
Briefe  Hummelberger  sich  mit  grösster  Freude  vertiefte.  Reizend 
sind  in  ihrer  einfachen  Naivität  dagegen  alle  jene  Bemerkungen 
rein  persönlicher  Art,   z.  B.  die  idyllische  Schilderung,  welche 
Hummelberger    dem  Apocellus    von    seinem    der  Religion    und 
Wissenschaft    gewidmeten    Stillleben    macht    (XI).     Eben    weil 
Hummelberger   diesen   beiden    sein  Leben  weihte,    eifert   er  so 
heftig  gegen  unwissende  oder  selbstsüchtige  Priester,  diess  ver- 
bindet iliu   mit  der  jüngeren  Humanisiengeneration,  wie  mit  den 


t 


Analecten  zur  Geschiclite  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.  99 

ersten  Reformatoren.  Eben  die  Sehnsucht  nach  Frieden,  in  dem 
man  ungestört  wissenschaftlich  arbeiten  könne,  musste  ihm  aber 
jene  Gräuel  der  Bauernkriege  mit  all  ihren  Verwüstungen  ver- 
dammenswerth  erscheinen  lassen  und  ihn  auch  der  kirchlichen 
Bewegung,  die  Unruhe  erzeugte,  entfremden.  In  den  Briefen  an 
die  Freiburger  Gelehrten  sind  es  meist  wissenschaftliche  An- 
gelegenheiten, die  besprochen  werden.  So  erzählt  Bedrottus  von 
den  griechischen  Studien,  die  er  und  Baetzius  (um  1521)  nach  der 
Grammatik  des  Gaza  unter  Führung  des  Konrad  Hirtzbach 
unternommen,  dem  Baetzius  sei  es  freilich  zu  schwer  geworden 
(cf.  XLVIII  und  LXIX).  Hirtzbach  selbst  schreibt  voll  devoter 
Verehrung  an  Hummelberger  (LI),  berichtet  über  Ursinus  Velius, 
den  Hummelberger  in  seiner  sehr  höflichen  Erwiderung  (LH) 
grüssen  lässt.  Interessant  ist  die  Bitte  Hummelberger's  ihm 
Alles  über  Erasmus  zu  schreiben,  was  Hirtzbach  in  Erfahrung 
bringen  könne,  er  wolle  ihm  über  Luther  schreiben  (LH).  In 
der  That  scheint  Hummelberger  über  den  Wittenberger  Re- 
formator gut  berichtet  worden  zu  sein;  dies  führt  zu  den  Be- 
ziehungen zu  Urbanus  Rhegius,  Thomas  und  Ambros  Blaurer, 
Botzheim,  J.  Faber,  den  Ulianus,  Konrad  Adelmann  und 
Pirkheimer.  1  In  dem  Briefe  an  Konrad  Adelmann  (LXIII) 
beschäftigen  den  Schreiber  viele  Gedanken  zugleich.  Einerseits 
ist  es  die  Sorge  wegen  der  Bauernunruhen,  die  ihn  erfüllt,  er 
fürchtet,  dass  —  wie  es  wirklich  geschah  —  die  Sieger  ihren 
Sieg  missbrauchen  würden.  Eben  so  verständig,  wie  er  in  dieser 
Sache  spricht,  ist  sein  Urtheil  über  Erasmus,  den  gering  zu 
achten  bereits  Sitte  geworden.  Er  hält  diese  Geringschätzung 
für  sehr  thöricht  und  verweist  auf  die  grossen  Verdienste  des 
singulären  Gelehrten  um  die  Welt.  Während  Hummelberger 
dann  die  Wiedertäufer  und  ihre  Bestrebungen  verurtheilt, 
wünscht  er  von  Adelmann  Briefe,  die  Luther  oder  Melanchthon 
an  diesen  geschrieben  und  wenn  es  auch  nur  Abschriften  wären. 
Mit  Melanchthon  trat  Hummelberger  früh  in  Verbindung;  er 
empfiehlt   auch    den    Thomas    Blaurer    an    ihn  (XLI).     In  den 


1  Die  weniger  wiclitigen  Briefe  an  Philonius  (XLV),  Menlishofer  (XII, 
LXVII),  Egeliius  (XXXVI),  Locher  (XXVIII),  (labriel  Hummelberger 
(XXVI),  Lanius  Brigantinus  (L)  können  in  diese  m  Zusammenhange  wohl 
übergangen  werden. 

7* 


100  Horilwitz. 

Briefen  an  den  letzteren  sprach  er  sich  auch  über  Urbanus 
Rhegius  aus  (decus  et  ornamentum  ciuitatis  nostrae  nennt  ihn 
Blaurer)  mit  dem  er  durch  Egell  bekannt  wurde  und  dessen 
Freundschaft  er  sich  zu  besonderer  Ehre  anrechnete.  Freilich 
war  Urbanus  Kliegius  damals  noch  nicht  für  die  evangelische 
Sache  eingetreten.  Als  er  nach  Constanz  übersiedelte,  lebte  er 
(cf.  XVI)  mit  Johann  Faber  in  demselben  Hause  —  sie  standen 
in  den  engsten  Beziehungen;  war  ja  Urbanus  ein  Schüler  und 
Freund  des  Ingolstädter  Professor  Eck!  Offen  spricht  sich 
Hummelberger  ihm  gegenüber  über  den  Verfall  des  Priester- 
thums  aus  (XVII),  nicht  minder  scharf  sind  die  Worte,  in 
denen  Rhegius  diese  Aeusserungen  beantwortet  (XVIII).  Er 
spricht  von  den  ,caeca  animalia^  in  diesem  Stande  und  tadelt 
die  Unsitte  der  Prüfenden,  welche  dergleichen  unwissende 
Leute  in  den  Priesterstand  aufnehmen.  Interessant  ist  dabei 
besonders  die  Aeusserung  der  Vertheidiger  dieser  Maassregel: 
nullos  sacerdotes  breui  futuros  nisi  iuterdum  conniueant  ad 
ruditatem  examinandorum  u.  s.  w.  Und  als  Urbanus  Rhegius 
endlich  ganz  entschieden  für  Luther  auftritt,  sich  die  alten 
Genossen  zu  Feinden  macht,  lässt  Hummelberger  doch  nicht 
von  ihm,  er  zeigt  innige  Liebe  für  ihn,  ist  voll  Sorge,  dass 
Arges  über  ihn  gesprochen  werde  (LXX)  und  vertheidigt  ihn 
gegen  den  erzürnten  Faber  (XLIV). 

Eine  sehr  liebenswürdige  Persönlichkeit  tritt  uns  in 
Botzhemius  Abstemius,  dem  feinen  Domherrn  von  Constanz 
entgegen.  Alle  Richtungen  der  Zeit  linden  in  ihm  ihren  Aus- 
druck, er  treibt  den  Erasmus-Cultus,  eifert  gegen  die  Winkel- 
prediger, ist  voll  patriotischer  Heftigkeit  gegen  die  Franzosen 
(LXIIj,  nimmt  an  Luther  Antheil  und  ringt  mit  rührendem 
Eifer  danach,  das  herrliche  Griechische,  das  aber  so  schwierig 
sei,  zu  erlernen  (XXIX).  Ein  köstliches  Gegenstück  bildet 
jenes  Exemplar  einer,  wie  es  scheint,  ziemlich  verbreiteten 
Gattung  von  Schwindlern,  die  in  Hunumismus  machten^  sich 
mit  Luther's  und  Melanchthon's  Freundschaft  brüsteten  und  sich 
mit  fremden  Federn  schmückten.  Es  ist  ein  Mönch  aus  dem 
Kreise  des  Ulianus,  der  uns  in  der  Correspondenz  des  Sohnes 
desselben  mit  Hummelberger  vorgeführt  wird,  ein  plumper 
dummer  Gesell,  der  den  Picus  geistig  bestiehlt,  zuerst  über 
Melauchthou  schimpft,  als  ihn  aber  Alles  lobt,  sich  des  genauen 


i 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       101 

Verkehrs  mit  ihm  rühmt  (cf.  z.  B.  XL,  XLIII,  XLIX).  Man  wird  es 
Hummelberger  gern  glauben,  dass  jener  Philophoebus  —  so  nannte 
sich  der  Schwindler  —  für  die  glänze  Richtung-  und  Luther,  dessen 
Freund   zu  sein  er  vorg-ab,  discreditirend  wirken  musste. 

Mit  dem  Bauernkriege  begann  die  Wandlung  bei  den 
Meisten;  die  Art  und  Weise  wie  Hummelberger  über  einen 
unglücklichen  Prediger  spricht,  dem  die  Augen  ausgerissen 
wurden,  ist  sehr  wenig  nach  unserem  humanen  Geschmacke, 
auch  die  moralisch  sein  sollenden  Bemerkungen,  die  sich  daran 
knüpfen,  verrathen  grosse  Befangenheit  und  Engherzigkeit,  sie 
leiten  gut  hinüber  zu  den  bitterbösen  Ergüssen  Pirkheimer's 
gegen  die  Sache,  die  er  selbst  einst  begeistert  verehrte.  Für 
die  Charakteristik  eines  grossen  Theiles  der  damals  Leben- 
den ist  die  Correspondenz  Hummelberger's  mit  Pirkheiraer 
(Nr.  LXVIII,  LXIX,  LXXI,  LXXII)  über  den  Verlauf  der 
kirchlichen  Bewegung  ausserordentlich  lehrreich. 


Schliesslich  noch  wenige  Worte  über  die  Art  dieser  Edi- 
tion. Ich  bin  diessmal  von  der  Angabe  von  Citaten  aus  Classikern, 
die  sich  im  Texte  der  Briefe  finden,  beinahe  völlig  abgegangen, 
und  zwar  einerseits  aus  dem  Grunde,  weil  alle  Humanistenbriefe 
von  bewussten  und  unbewussten  Entlehnungen  strotzen,  anderer- 
seits aber  der  Nachweis  den  Kennern  nichts  nützt,  im  Allge- 
meinen die  grosse  Mühe,  die  derselbe  verursacht,  durch  die  end- 
liche Darlegung  einzelner  Stellen,  von  denen  man  beiläufig  ja 
doch  die  Provenienz  wusste,  nicht  gelohnt  wird.  Bei  der  Wieder- 
gabe des  so  verderbten  Textes  habe  ich  von  Emendationen  fast 
ganz  abgesehen  und  auch  arge  Widersinnigkeiten  stehen  lassen; 
die  Emendation  ist  eben  nicht  meine  Sache  und  mag  Berufeneren 
überlassen  bleiben.  Ueberhaupt  geht  meine  Ansicht  dahin,  man 
möge  bei  Humanistenbriefen  nur  frisch  den  Text  abdrucken  und 
sich  mit  dem  nebensächlichen  Beiwerk  nicht  aufhalten;  die  Fülle 
des  edirten  Stoffes  wird  dann  selbst  gewisse  Beziehungen  u.  s.  w. 
erklären. '  Es  gibt  ja  in  der  Wissenschaft  viel  lohnendere  Auf- 
gaben und  lässt  sich  Zeit  und  Arbeitskraft  zweifellos  besser  ver- 
wenden. 


'  Freilich    darf  es    dann    bei   keiner  Publication  an  sorgfältigen  Personen- 
registern fehlen. 


±02  H  0  r  a  w  i  t  z. 

Constanz.  I.  4.  März  1518. 

Joannes  Alexander  Brassicanus  Michaeli   Hummelbergio   suo 

salutem. 

Redditae  sunt  nobis  literae  tuae  Michael  doctissimae  et 
amicae  et  homerica  illa  loto  cyparissique  fructu  refertissimae, 
quibus  me  porrecta  fronte  (quamuis  ne  in  cena  quidem  lau- 
datuin)  in  amicorum  tuorum  pictatium  non  palinxeston  Catullia- 
nam  accipis.  O  me  Arcade  ipso  feliciorem  Soeratico  gaiidet, 
quod  sit  Plato  natus  Athenis  tempore.  '  Ego  cur  non  gaudeam, 
qui  sub  Erasmo  Travia  cy.Tw,  ^  qui  sub  Hummelbergio  Copiae  cornu 
in  lucem  prodierim.  Niobes  natis  me  fortunatiorem  quis  non 
praedicet,  cui  non  illud  apud  Lacedaemonios  de  Hercule  dicenti 
eueniat.  Quis  me  non  Timothei  retiis  fortunam  oepeTToXov  habere 
dicat.  ,Nonopis  est  nostrae  grates  persohiere  dignas.^  Dii  tribuant, 
quibus  ut  ille  ait  scti  ouoev  äsATüTOVj  omnia  (Plautino  calculo)  ^  in  tarn 
procliui  ut  imber.  Habebis,  igitur  me  ubique  Jouis  Sandalion  uir 
optime:  ,Seruiet  officio  spiritus  istetuo.'  Habes  hinc  Epithalamion 
in  nuptias  fratris  tui  Gabrielis  uiri  traditionis  praecellentissimi  a 
me  concinnatum.  Vellem  tarn  bene  placeret,  quam  belle  mihi 
Hummelbergii  Ledaeo  ouo  feliciores  placent.  Plura  mihi  sunt 
apud  Tubingae  Necharanae  academiam,  quibus  in  te  et  fratrem 
lusi,  nescio  an  docte,  uere  tamen  et  amice.  Breui  omnia  uidebis. 
Si  flagitatorem  importunum  (qui  etiam  euangelicis  literis  pro- 
baturj  audis,  mitte  ad  nos  et  non  nisi  certo  nuncio,  Epigram- 
mata  uaria,  quae  Lutetiae  et  Romae  quondam  collegisti,  etiam  si 
amico  fidem  adhibes,  tuum  Exercitationum  libelkim.^  Dabo  omnia 
iterum  sincero  sinceriora.  Vale  bene  et  scribo  frequens  breviibus 
tantum.  Beatus  Rhenanus  polyhistor  ille  iussit  literis  suis  ad 
me   datis,    ut    te    terque  quaterque  salutem.     Non  minus  tardo 


1  Offenbar  verstümmelt. 

2  Es  ist  das  Werk  des  Erasmus  Absolutissimus  de  octo  partium  ora- 
tionis  constructioae  libellus  Arg.  1515  gemeint,  das  auch  1517  zu  Basel 
erschien. 

3  Plaut.  Capt.  II.  2.  86. 

*  Hummelberger  hatte  einen  libell.  exercitationum  p^eschrieben,  an  den  er 
aber  1518  noch  nicht  die  letzte  Hand  gelegt,  et".  Nr.  III.  Ich  glaube  nicht, 
dass  er  gedruckt  wurde,  Iiabe  ihn  auch  in  der  Bibl.  Rhenaua  nicht  auf- 
finden können. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Keforraation  und  des  llumanismue  in  Schwaben.       103 

tardior  in  scribendo  Bebelius  noster.  Coustantiae.   Ex  Aedibus 
D.  Joaunis.     Brief.  '  Anno  XVIII.  Mensis  Martii  die  IV. 


Epithalamion  in  nuptias  Gabrielis  Hummelbergii 
autore  Joanne  Alexandro  Brassicano. 

Diue  Hymenaee  ueni,  redimite  tempora  myrto 

Littorea,  haud  tardo  curre  Hymenaee  gradn, 
Eumpe  moras;  tua  ope  est  opus.  I  cito,  sunt  noua  Musis 

Gaudia,  sunt  celebris  foedera  parta  toi'i. 
Gabriel  egregius  Phoebi  Podalirius  herbis 

Docta  maritali  subdidit  ora  iugo. 
Gaude  Hymenaee  sinu  nitido  formosa  puella 

Fortunae  atque  animi  munere  iuncta  uiro. 
Adspirent  superi,  uentis  connubia  dextris 

Sint  noua,  siut  gremio  uela  secunda  leui 
Sparge  nuces  templis  tectisque  intonsa  iuuentus 

Parue  puer  quinas  lumine  prome  faces 
Cornua  plena  alti  cum  Cynthia  solis  alumna 

Finiet  et  summi  semina  iacta  poli, 
Gabriel  haud  laeuo  ludat  puer  alite  natus 

Coniuge  felici,  pignora  cara  bonis. 
Alma  quies  taedas  foueat.  Pax  aurea  regnet 

Sit  sine  Marte  torus,  sint  sine  lite  lares. 
Diue  Hymenaee  faue,  modo  sis  pro  tempore  ligno 

Factus,  habent  magnum  saepe  colostra  Jouem 
Dum  pecorosa  gregi  fetui-a  accesserit^  esto 

Aureus  et  Croeso  membra  adoperta  geras. 

Michaeli  suo  Hummelbergio,  - 

Maecenati  amicissirao,    Alexander  Brassicanus  poeta    et    orator 

laureatus. 

Parcius  ut  laudem  scribis  te  docte  Michael 
Quis  poterit  digna  te  memorare  chely 


'  Sollte  diess  niclit  Johannes  Brieffe/-  (der  (Jorreapondent  des  Rheiianu.s)  sein? 
-  An  der  Seite  stehen  die  Worte:   Virtute  duce,  comite  fortuna. 


104  Horawitz. 

Quam  ualeam  sola  te  dicere  carminis  umbra 
Ante  oriens  Titan  miserit  Antipodas. 


IL  U.  März   1518. 

Michael  Hummelbergius  Nicoiao  Gerbellio  S.  P.  D. 

Etsi  ad  te  lubens  seniper  scriberem,  fiater  et  amice  pri- 
marie,  facit  tarnen  tabellariorum  penuria,  ut  meis  uotis  frustrer. 
Niliil  certe  mihi  adeo  uoluptati  esset,  quam  te  saepius  meis 
literis  inuisere,  tecuin  et  ioca  et  seria  miscere,  te  meis  oblec- 
tare  et  inuicem  tuis  uoluptatein  capere,  quibus  olim  mihi 
Romae  spiranti,  nihil  contigit  suauius,  nihil  iucundius.  '  Ea 
namque  et  elegantia  et  eriiditione  excultae  sunt,  ut  saepius  me 
harum  lectione  peroblectem.  Nam  eas  thesauri  loco  inter  ceteras 
amicorum  cedro  dignas  epistolas  olim  iam  diligenter  conseruo 
frequentiusque  sub  oculos  reuoeo  et  periueunde  lego,  ne  unquam 
tui,  amici  adeo  nobilis  obliuiscar,  Arbitror,  te  itidem  agere  et 
mei  memoriam  tibi  nun  sine  quadam  dulcedine  semper  in 
promptu  esse.  Rogo  eara  non  obliteres  tarn  diutina  a.T.pcoTi^opia. 
Non  eousque  calamo  et  chartae  quaeso  faueas,  ut  me  tui  et 
earundem  (quod  inquiunt)  Musarum  perquam  studiosum  negli- 
gere,  desiderium  legendi  tuas  aequo  diutius  distinere  et  uolup- 
tatem  hanc  meam,  quam  tuis  ex  literis  capio,  fraudare  uideare. 
Sed  rumpe  moras.  Scribe  uel  Asiaticas  literas  de  ualetudine, 
de  fortuna,  de  omni  denique  uita  tua,  quae  mihi  non  minus 
quam  propria  curae  est,  quod  te  uero  amore  complectar  et 
omnia  tibi  ex  animi  sententia  feliciter  succedere  uelim.  Quod 
uero  ad  me  attinet  domi  meae  XpicTo;rj(7rr;v  ob-/,  oi|j.ai  acsß-^jv  necdum 
ullo  sacerdotio  donatuin  ago.  Proinde  nemini  nisi  deo  et  amicis 
obstrietus,  illi  cumprimis,  dein  mihi  et  amicis  spiro  et  uiuo. 
Sortem  tranquillam  amplector  et  quidquid  medioeris  mihi  for- 
tunae  est,  boni  consulo.  Gabriel  uero  frater  germanus  uxori 
uiuit,  quam  superiori  Jauuario  Pediophani  '^  va  xwv  o[j.o(u)v  parem 


>   Cf.  Analecten  Nr.  XXXVI. 
■2  Feldkirch. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       lOO 

opibus  et  g-enere  duxit.  Sed  et  Joannes  Menlishoferus,  conso- 
brinus  mens,  Constantiae  primis  sanctum  post  pascha  diebus 
(y.ax'  AucGvtov  sixsTv)  nuptias  celebrabit.  Is  Constantienensem 
puellam  xw  -Xsjtw  y.xi  ^vm  aequalem  despondit.  Haec  de  tbr- 
tuuis  nostris,  orwais  ^6-^e  vjv  v/o[j.v^,  hoc  consilio,  ut  tuas  literas 
facilius  impetremus,  quibus  de  re  literaria  et  classicis  uiris, 
qui  istic  sacras  amplexamur  Musas,  nonnihil  ad  nos  scribas 
puto,  quid  parturiant  an  uero  semper  mussitent.  Joanni  lluolphio/ 
Theseo  nostro,  homini  docto,  faceto  commodoque  ko  s[j,oj  Gy[X7:ir/), 
quo  lepidiorem  non  inuenies  altemim  meis  uerbis  salutem  plus- 
quam  saluam  dicas  uelim.  Facito  niemorem  scommatis,  quod  in 
illum  ipsuni  Romae  febiibus  exaestuans  nee  mentis  satis  compos 
ob  magnani  aegritudinem  proieci,  ridebit  scio  ^sAwra  iwvabv  /.al 
aßpbv.  Vale.  Pridie  Eid.  Mart.  MDXVIII. 

Fol.  96. 

III.  20.  März  1518. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Joanni    Alexandro 

Brassicano  S. 

Tuas  literas,  florida  oratione  et  remotiori  lectione  per- 
quam  elegantes  et  doctas,  V.  Id.  Mai'tiis  ^  recepi,  quibus  meas  tibi 
placuisse  et  intelligo  et  gaudeo.  Lubens  mihi  obsequeris,  Alexan- 
der amicissime,  laudas  vit  hortabar  parcius,  non  minus  tarnen 
effusissime,  copiae  uerborum  parcis;  sed  uno  uel  altero  laudis 
quidquid  habes  -a[j.-r(C-/;v  efFundis.  Uocas  me  -/ipa;  'Ai^aXO^ia?  (ut 
graece  dixerim,  quod  tu  latiue  copiae  cornu)  adeo  quidem  paucis 
ceterum  largissimis.  Quippe  quibus  Träca?  xoLq  apsTac,  ciaai 
hopiz'./  tW'y  cAc;  et  omnigenani  eruditionum  abundantiara  contri- 
buis.  Ego  ctsi  tanti  non  sim,  quanti  me  facis  et  tibi  uideor, 
laudes  tarnen  hasce,  studia  haec  mea  utcunque  commendantes 
non  usque  adeo  respuo,  quin  aequissimis  auribus  acceptas  boni 
consulam.  Habent  enim  dulcedinis  nonnihil,  quod  oblectet,  quam- 
quam  plus  aniicae  sint,  quam  uerae.  Epithalamion  tuum  in  nuptias 


'  Ob  dieser  Johannes  Wolf  literarisch  thätig  gewesen,  ist  mir  nicht  nach- 
weisbar. Cf.  über  ihn  übrigens  meine  Änalecten  S.  55.   (269.) 
2  IL  März. 


lOG  Bora  Witz. 

Gabrielis,  -o'j  aoeXscu  [xoij,  Pediophanum  misi,  Quas  tibi  habet 
gratias,  uelliteris  referet.  Epigrammata,  Lutetiae  atque  Romae  a 
me  collecta,  perpauca  sunt,  libris  dispersa,  necdum  in  ordinem 
redacta,  haec  quum  nouitatis  gratiam  prorsus  exuerint,  arbitror 
tibi  lectu  minus  iucunda  fore.  Leges  tarnen  nonnulla  et  breui,  me 
nuntio.  Quandoquideni  istic  primis  sanctum  post  pascha  diebus 
(ut  noster  Ausonius  inquit)  Joannis  Menlishoferi,  xsö  r^;  ix-piaq 
c'.oatTAaXou,  consobrini  mei  nuptiis  ornamento  futurus.  Beatum 
Rhenanum,  sapienti  eloquentia  praeclarum,  omnibus  officiis  ob- 
serua,  cole  et  medullitus  ama.  Dignus  enim,  qui  a  literatis  et  probis 
uere  diligatur.  Quis  te  de  meo  exercitationum  libello  (f,  iJ.äXAcv 
£YX£ipioiw)  certiorem  fecerit,  scire  peruelim;  nam  illum  uix  uni 
aut  alteri  ostendi,  quod  illi  (quae  mea  est  desidia)  extremam 
manum  nondum  imposuerim.  Vale  feliciter  et  me  tuis  literis 
frequenter  oblecta.  XIII,  Kls.  Aprilis  MDXIIX. 

Fol.  97. 

Rom.  IV.  5.  April   1518. 

Hieronymus  Aleander  Michaeli  Hummelbergio  S.  P.  D. 

Quum  esset  ad  uos  rediturus  hie  D.  Correctoris  Copis  > 
familiaris,  uir  profecto  bonae  frugis  bonaeque  peritiae  et  opti- 
morum  morum,  non  potui  non  ad  te  literas  dare,  idque  quum 
scirem,  esse  eum  tui  et  tuorum  amantissimum ;  sed  inprimis 
uirtutum  tuarum  singularium  praeconem  et  admiratorem.  Quid 
autem  potissimum  ad  te  scribam,  nihil  medius  lidius  habeo, 
nisi  illud  scire  uelis,  esse  me  adhuc  Romae,  pontificis  et  uice- 
cancellarii  negotiis  plus  quam  uelim  occupatum;  etenim,  quum 
essem  Leodium  rediturus,  ,nequaquam*,  uterque  dixere,  ,tam 
cito,  quin  tu  potius  aliquantisper  adhuc  apud  nos  moraberis 
et  onerum  nostrorum  aliquid  feres,  neque  deerunt,  ubi  tempus 
locusque  postulabit,  debiti  honores'.  Quibus  quum  responderem, 
esse  mihi  jus  repetendi  domum,  ut  meae  huc  legationis  munere 


'  Wird  wohl  Coppi  lieissen  sollen  und  sich  auf  Wilhelm  Coppus  (auch 
Cojms)  aus  Basel,  Arzt  zu  Paris  (Briefe  Aon  Erasmus,  Leydner  Ausgabe, 
187  E.)  und  Freund  des  Erasmus  (ibid.  170  E.)  beziehen,  den  auch 
J.  A.  Brassicanus  im  flixv  neben  Erasmus  und  Reuchlin  erwähnt. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       107 

perfungerer,  iiialiierunt  ipsi  ad  Leodioruin  principem  super 
hac  re  scribere,  quam  ut  ipsemet  redirem  pati,  polliciti  etiam 
sunt  eidem  principi  fore,  ut  seruitium  hoc  a  me  exhibendum 
nonnihil  etiam  commodi  et  honoris  ipsimet  Leodiensi  praesuli 
afferat.  Quod  Deus  faxit.  Ego  sane  magis  referendi  aliquam 
gratiam  Leodiensi  meo,  optimo  de  me  merito,  quam  proprii 
ullius  commodi  causa  hanc  prouinciam  adsumpsi;  non  inuito 
tamen  aut  inconsulto  prius  Leodiensi,  qui  ea  fini  absentiam 
meam  se  toleraturum  rescripsit,  dummodo  sim  aliquando  ad  se 
rediturus.  Quod  omnino  me  facturum  recipio,  nisi  mors  curas 
meas  intercipiat.  Quod  nisi  luihi  incertissima,  qua  cum  con- 
flictor,  ualetudo  aduersaretur,  sperare  auderem,  aliquid  boni  me 
et  principi  meo  et  amicis  et  mihi  Romae  quaesiturum.  '  In 
qua  re  subinde  ilhid  mecum  repeto:  TSXAaO'.  Srj  y.paoiV/,  /.od  y.JVTcpov 
dTAAo  ttot'  z-Xr,z.'^  Tu  mi  frater,  si  quid  me  interim  uis,  scribe. 
Domus  est  mihi  et  in  cancellaria  et  in  palatio;  uale  et  saluta 
plurimvim  Doctorem  Gabrielera  et  reliquos  omnes  tuos  meo 
nomine  et  uiuere  stude.  Romae,  die  V.  Aprilis  MDXVIIL 
Occupatissime. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  98. 


Ravensburg.  V.  19.  Juni    1518. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Theodorieo 
Ungelter  '■'  Ulmensi  J.  U.  Doctori  S.  P.  D. 

Demandasti  mihi  nuper  Constantiae,  carissime  Theodorice, 
ut  apud  nostros  chartularios  ex  emporetica  charta  ^  tibi  quibus 


'  Es  ist  die  Gesandtschaft  gemeint,  welche  Aleander  im  Auftrage  seines 
Herrn,  des  Fürstbischofs  von  Lüttich,  Erliard  von  der  Mark  für  Stephan 
Poucher,  Bischof  von  Paris,  1516  unternahm,  um  dem  letzteren  den 
Cardinalshut  zu  gewinnen,  was  Aleauder  erreichte.  Zugleich  wurde  er 
mit  Papst  Leo  und  dem  Cardinal  von  Medici  bekannt,  gab  dann  den  Dienst 
des  Lütticher  Bischofs  auf  und  wurde  endlich  Bibliothekar  der  Vaticana. 

2  Od.  Rh.  XX.  V,   18. 

3  Dietrich  Ungelter  stammte  aus  einer  adeligen  patricischen  Familie  aus 
Ulm,  correspondirte  auch  mit  Peutinger;  cf.  Weyermanu:  Nene  Nach- 
richten von  Gelehrten  und  Kün.'itlern  aus  Ulm  357. 

*  Charta  emporetica,  Packpapier.  Pliuius  13,   12. 


1 08  H  0  r  a  w  i  t  z 

libros  tuos  operires  chartacea  reg^ula  fieri  curarem;  quod  fac- 
turum  me  recepi.  Sed  quia  chartulariis  pro  huiusinodi  foliorum 
laxitate  (qualem  coram  monstrabas)  cum  formae  tum  lanei  panni 
(quibus  chaitae  ingerunturj  desuut,  nam  praeter  eam  forinam, 
qua  Augustam  et  epistolarum  chartam  taciunt,  habent  nullam, 
nee  passim  extare  tales  formas,  quas  imperiales  uocant  putarim, 
nisi  forsan  Bononiae,  ubi  pro  libris  templorum  ad  musicas 
notas  inscribendas  liieraticam  chartam  '  faciunt.  Proinde  fit,  ut 
in  hoc  negotio  meum  officium  facere  nequeam  et  si  uelira  ad- 
modum  lubens  non  modo  in  re  tam  leuicula,  sed  etiam  maximae 
molis,  adeo  te  ueueror  et  uere  diligo.  Si  quid  aliud  me  facere 
uelis,  iubeas  fidenter,  faciam,  quod  me  addecet.  Commenda  me 
summo  studio  optimis  uiris  quibusque.  Vale  feliciter,  mi  Theo- 
dorice et  me  mutuum  ama  et  orna.  Rauenspurgi  XIIII.  Kls. 
Julii  MDXVIII. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   99. 


Tübingen.  VI.  3.  Juli  1518. 

Joannes  Alexander  Brassicanus  Michaeli  Hummelbergio 
Rauenspurgensi   S.  P.  D. 

Redditae  sunt  mihi  literae  tuae,  Michael  doctissime  atque 
carissime,  omnibus  eloquentiae  numeris  ad  unguem  absolutissimae. 
Non  miror,  quosdam  uegare,  mihi  lauream  non  Caesareo  munere 
datam,  a[j,r,7avov  o'  h  eh'Kpa.yicfnq  aOövov  otaouYsTv;  sed  ut  inquit  sanc- 
tissimus  uir,  Gregorius  Nazienzenus  OscD  ctoövTo;  oüSev  i(r/j£'.  cpöövo; 
xal  |i.Y3  oiSövTO?  o'job  '.c'/J)z.i  xozoq.  Amicissime  Michael  nemo  est, 
qui  omnibus  satisfacere  possit.  Nee  Juppiter  Pluuius  omnibus 
placet,  homines  ferarum  animos  habent;  sed  utinam  Socratico 
uoto  omnium  essent  fenestrata  pectora,  multi  essent  Sileni  Alci- 
biadis.  Bobelii  Resp.  I).  D.  in  lucem  bonis  auibus  propediem 
ibit.  Chunradum  Pcutingerum  clego  laudaui  carmine  optimae 
inuentionis,  nescio  an  candido;  iudiccnt  docti.  Modo  moi  in 
Caesarem    Panegyriei,    annexis   ad   doctos   uiros   epigrammatis, 

'   Charta    hieratica,    Papier    zum    religiö?eu    Gebrauche    bestimmt.     Plinius 
13,   12. 


Analecteu  zur  Gescliiclito  der  Reformation  nnd  des  Hamanismus  in  Schwaben.        109 

typis  stanneis,  Germano  inuento  (quo  non  melius  sol,  oculus 
mundi,  fons  uitae,  cereus  orbis  uidet)  exibunt,  uidebis  liic  iiie 
de  te  honoriticam  fecisse  raentionem,  quamuis  non  pro  dignitate 
tua^  sed  quantum  ingenii  mei  uena  stridula  admisit.  Enchiri- 
dium  tuum  nondum  satis  perlustraui,  summe  placet,  si  modo 
tam  mala  habej-et,  quam  oua;  faciam  brevi  habeas  Zsvitov  ok  -z 
ÖJ[j,bc  i'ptJTOc,  Quicquid  eg-o  possum,  in  tuis  genibus  situm  est. 
Demum  quod  me  tam  benigne  admones,  habeas  gratias  in- 
numeras.  Nara  Salomon  inter  quatuor  arduas  res  dicit  sibi 
acjva-toTaTov  uiam  uiri  in  adolescentia.  Quicquid  scribo,  tibi 
scribo,  hoc  est  uiro,  omni  modo  integro;  praecipitantia  toaXo^c 
a'.t(a  Twv  y.ay.wv  facit,  ut  graece  scribendo  aliquando  palaestram 
egrediar;  tum  amicum  in  te  meum  cor.  Ego  Virgilium  lego, 
non  frigide,  ut  spero,  frequenti  auditorio,  adolescentibus  assiduis. 
Habes  hie  sermonem  meum,  quem  in  priucipio  studii  habui, 
cum  perlegeris,  iudicio  tuo  adscripto  remittas.  Videor  enim 
mihi  bellus  in  hoc,  poeticae  diuae  tutor.  Ah,  quanto  gaudio  me 
D.  Gabrielis  fratris  tui  literae  affecere,  uellem  scires.  Profecto! 
ni  Alexander  essem,  Gabriel  essem.  Alexander  orbi  magnus 
est,  Alexandro  orbis  angustus  est.  ,Unus  Peleio  iuueni  non 
sufticit  orbis,  aestuat  infelix  angusto  tramite  mundi  piscatorem 
ictum  sapere,'  scripsi.  Habui  cum  amicum  quem  tu  nuper 
salutabas,  quicquid  ego  secum  effudi,  detulit  ad  uulgus,  ut 
multa,  quae  ego  secum  tamquam  cum  Harpocrate  aliquo  cum 
pensili  scra  clauso  tractauerim,  jam  magis  aprica  sint  quam 
in  Plauti  Comoedia  Moechus.  ,Nil  prodest  esse  Epimethea,  sed 
Prometheum.'  Amantissime  pater,  D.  Michael,  defendas  me  a 
latranti  grege,  uum  (?j  dentem  dente  iuuabit  rodere.  Tibi  hoc 
scribo  alias  secretum  meum  mihi.  Vale  bene  meum  decus,  mea 
Sacra  ancora.  Gabrielem  terque  quaterque  saluta,  cui  et  scribam, 
si  opportunitas,  negotii  magister,  paulo  plenius  adspirauerit. 

Tubingae,  inter  malleum  et  incudem.  Anno  restitutae  salutis 
MDXVIII.  Mensis  Julii  die  tertia.  Gabrielis  Carmen  ne  Momum 
timet.  Taceo  quod  Brassicanum.  Raro  apud  me  sunt,  qui  ad  te 
eant  nuntii,  alias  omni  momento  meo  Hummelbergio  scriberem. 
8ed  olini  bene. 

Fol.  c»9. 


110  llorawitz. 

Exemplum  carminis  Gabrielis  Huiumelbergii    Rauensburgensis, 
cuius  in  praecedenti  epistola  facta  est  mentio.  Est  autem  Epi- 
taphium,   Henrico  Bebelio,  '  Justingensi  poetae  positum. 

Musarum,  Charitum  et  Phoebi  cultor  uiridique 

Ornatus  lauro  tempora,  Bebelius 
Doctus,  Pieriis  ditatus  pectoraque  undis, 

Ingenio  sollers  clarus  et  eloquio, 
Uerus  amicitiae  cultor  CHRISTI  que  Sacerdos  — 

Caelo  animo  residet,  corpore  in  hoc  tumulo. 

Fol.  101. 

Ravensburg.  VII.  16.  September  1518. 

Michael  Humraelbergius  Rauenspurgensis  Brunoni 
Amerbaehio  -  Basiliensi  S.  P.  D. 

Fuerunt  mihi  uoluptati  humanissimae  tuae  literae,  Bruno, 
amicorum  primarie,  quibus  tui  memoriam  adeo  dulcem  et  iu- 
cundam  mihi  reddis  multo  iucundissimam.  Acceptum  habes, 
quod  tui  nusquam  sum  immemor,  id  uicissim  mihi  pergratum 
est,  qui  siugulares  uirtutes  in  te  amo,  doctam  utriusque  iuxta 
et  hebraicae  linguae  eruditionem  tuam  suspicio  et  ueneror.  Ut 
interim  antiquam  conuersationem  et  mutuam  familiaritatem 
subticeam,  quae  te  cordi  meo  penitius  insculpsit,  quam  ut 
diutino  silentio  eradi  possit,  scribis  demirari  te  ~y;v  sp.Tr^uaav''  etc. 
Nae    tu    bell  US    homo,    qui  N.    nuUas    urbes    nee  pectora  nosti, 


'  Auch  Melanchthou  feierte  den  Geschiedenen  in  dem  ersten  griechischen 
Gedichte,  das  wir  von  ihm  besitzen,  cf.  Helii  Eobani  Hessi,  Epp.  11. 
III.  ed.  a  Joach.  Camerario.  Lipsiae  1561.  S**.  pl.  0'3;  auch  in  Heyd 
Melanchthon  und  Tübingen  S.  80,  Nr.  4.  Dieses  Gedidit  dürfte  das 
Todcsjalir  Bebel's  weiter  heraufrücken.  Es  ist  kaum  denkbar,  dass  er 
1516  gestorben  sei  und  erst  1518  G.  Hummelberger  das  Epitaph  ge- 
schrieben, oder  aber  M.  Hummelberger  dasselbe  erst  in  diesem  Jahre  dem 
in  Tübingen  lebenden  Brassicanus  gesendet  habe.  Ich  möchte  mich  eher 
für  das  Jahr  1518  als  Todesjahr  entscheiden. 

2  Bruno  Amerbacli,  Sohn  des  bekannten  .Johannes  Amerbach,  in  den  drei 
Sprachen  wohl  bewandert.  Näheres  über  ihn  Briefe  des  Erasraus,  Leydner 
Ausg.  354,   1249,   1604. 

^  Ein  von  der  Hekate  gesandtes  Gespenst. 


Analecten  znr  Geschichte  der  Keformation  un<^  des  Humaiiismns  in  Schwahen.       111 

Consilium  uariosque  dolos  et  artes  ig-noras,  uarios  et  incon- 
stantes  homines  suas  sententias  ceu  Proteus  uultus,  utut  lubet 
uertentes  nusquam  expeitus  es,  facile  miraris  illorum  uersutiam, 
quauis  pila  iioliibiliorem,  quam  haud  inconcinne  £[j.7:ouaav  uocitas, 
raaximam  et  deterriinam  beluam  suliito  in  uarias  forinas  sese 
uertentum,  uiodo  deum  quempiam,  modo  daemonem  se  nobis 
exhibentem  atque  iy.'rzoD'jTf  usque  agentem^  spectrum  territas 
insoutes  mortales.  Qui  R.  uertumiio  plus  iusto  confidunt  qualem 
iam  te  cum  primis  non  tarnen  sine  pii  pectoris  tui  insigni  laude 
arbitrarim,  qui  Germania  simplicitate  technarum  expers  (et  ut 
Horati  uerbis  dicam)  integer  uitae  scelerisque  purus  ex  tua 
innocentia  uersipelles  specus  Saturni  s-oixou;  metiris  atque  pro 
tui  animi  candore  omnes  tui  simillimos,  hoc  est,  bonos  et  probos 
putas,  quorum  tamen  subdolos  mores,  dolosas  technas  et  in- 
explebilem  ©'.AOTuAOJTiav  ne  olfeceris  quidem.  Alioqui  auara  illa 
iugenia  plane  agnosceres  suo  lucro  passim  consulere  per  fas  et 
nefas,  azb  -sv-r^tc?  /.at  tcu  vexpoü  (^opoXoyei'f  prodigiosis  nundinis 
turpique  questu  omnia  inquinare,  Sacra  mutare  profanis  et  ex 
re  quolibet  dulce  censere  lucellum ;  o'j-rw  zap'  r/.s'vci?  y-epcoc 
y.'.zyyrr,z  «'[j.sivcv,  ii  certe  nunc  bominum  mores,  liaec  tempora, 
quibus  ouBlv  Upbv  •/.'  ^uBiv  üv'.e;.  Sed  omnia  deturbata  corrupta  et 
perdita.  Quid  ergo  integrum,  quid  honestum,  quid  sanctum  toT; 
KEv-Äjpc;  istis?  Quippe  qui  sua  pro  libidine  coelum  terramque 
miscent  sursumque  deorsumque  uertunt  omnia  atque  confundunt 
;'.  zaciv  av6pw'::c!t7;v  £/6'.7T0'.  'J;£'jcwv  avav.TcC  [j.'/;/avippä2>oi  v.y:/.C6v 
Ajcwv  atoAwTspi'., '  sceleratissimum  hominum  genus  quod,  summo 
iuri  summam  iniuriam  ex  more  iungit.  Ne  plura.  Plautinus 
palaestrio  (?)  uoce  moderabo  me  ne  quis  me  mulcet  male.  Non 
seniper  tutum  hoc  maxime  saeculo,  uel  de  pessimis  male  loqui. 
Odio  est  ueritas  et  passim  eiecta.  Mendacium  occupat  omnia. 
Sentimus  tacito  in  sinu,  quidquid  uolumus  libere,  non  edisse- 
rimus  quasi  piaculum  sit,  ueritatem  libere,  profiteri^  adeo  ut 
qui  licet  uere  dixerit,  ^  actutum  Lucianicum  T,  mereatur,  crucem 
malam  qua  a  reste  pensilis  longam  ex  sese  faciat    (ut  Plautus 


'  Eur.  Andr.  448;  Diogenian  ed.  Leutsch  C.  21. 

-  Gestrichen  sind  hier  die  Worte :  et  ad  suinmatum  iiitij\.  non  conniuere. 
'  Hier  sind  wieder  die  Worte :    panperi  piscatori  tumidum  negotiatorem  in 
candido  agno  fuluum  leouem  longo  ordine  successisse  gestrichen. 


11^  Horawitz. 

inquit)  Hteram. '  Sed  haec  satis.  Desponsata  est  tibi  puella, 
fornia^  pudicitia,  opibiis,  g-enere  lepida,  spectata,  diues  et  clara. 
Tibi  unice  et  uere  congratulor.  Tuas  nuptias  Deus  secundet 
opto,  ut  potens  in  terra  sit  semen  tuum  et  uideas  natos,  natorum 
gloriam,  diuitas,  perpetuam  pacem  super  domo  tua,  matrem 
filiorum  in  conclaui  laetantem  et  fructum  suum  parientem  in 
tempore  suo.  Quod  ut  felicius  contingat,  adsit  his  nuptiis  tuis 
nie  precatore  non  Atticus  Hymenaeus,  non  Latinus  Thalassio, 
non  Juno,  non  Erato,  sed  uerus  iug-alis  uinculi  et  fautor  et 
auctor,  Deus  Optimus  Maximus,  quo  fauente  inuiolatam  inte- 
gritatem  et  inoffensum  alienis  cubilibus  torum  perseruetis.  Sit 
uterque  uestrum  et  in  hoc  coningio  et  in  omni  uita  felix. 
Vellem  Erasmum  nostrum  in  secunda  hac  noui  instrumenti 
editione^  annotationi  suae,  quae  est  Matthaei  cap.  XIIIL,  dic- 
tionem  Herodiadem  limam  apposuisse.  Eo  namque  loco,  Hie- 
ronymum  secutus,  simul  cum  illo  (mea  opinione)  halluciuatur, 
existimans  Herodiadem  Arethae  regis  filiam,  quum  iuxta  ueriorem 
historiam  Aristobuli  fuerit  et  regis  Ag-rippae  soror;  Aretha 
autem  rex  Arabiae  petreae  fuit,  qui  filiam  Herodi  locarat 
primam  coniugem,  qua  dein  repudiata  Herodes  superduxit 
Herodiadem  fratris  sui  Philippi  uxorem,  Aristobuli  filiam. 
Quam  riualem  illa  non  ferens  adeo  indignata,  ut  patrem  Aretham 
Herodi  redderet  grauissimum  bestem.  Sed  haec  fusius  apud 
Hegesippum  Hierosolymitani  excidii  libro  secundo  et  Sabellicum 
Aeneadis  septimae  libro  primo.  Carissimo  amico  Joanni  Fro- 
benio  meo  nomine  ingenteis  agito  gratias  pro  misso  libello, 
munere  mihi  gratissimo.  Curabo  in  numerato  sint  proximis 
nundinis  Francofordensibus  numeri,  quibus  sacri  nominis  uolu- 
mina  non  tarn  mihi  uendidit,  quam  liberaliter  donaiiit  uir 
omnium  optimus.  Jubeas  uelim  meis  uerbis  saluere  plurimum 
omnigena    eruditione     clarissimos     uiros    Ludouicura    Berum,  ^ 


'  Plautns,  Aulul.   1.  1.  37. 

2  Eratliien  um  1519,  Bas.  Froben,  fol.  Die  Anmerkungen  in  einem  be- 
sonderen Bande. 

^  L.  Bär  aus  B  isel,  hatte  in  Paris  durch  seine  tlieologische  Gelehrsamkeit  ge- 
glänzt (Erasmi  Ej)p.  2.56  A.),  wurde  1513  als  Ordinarius  an  die  Basler  theol. 
Facultüt  berufen.  Er  war  ein  Freund  des  Erasmus,  der  über  ihn  1513 
(Epp.  128.  T.)  unter  anderem  schreibt:  L.  Berns,  uir,  id  quod  constat  Omni- 
bus uirtutum  ac  discipliuorum  ornamentis  cumulatus ;  tum  autem  in  Theo- 


Analecten  zur  Geechicbte  der  Reformation  und  des  Hanianisinus  in  Schwaben.       113 

Frobenium,    Rhenanum    si    uobiscum  uiuit.     Vale  feliciter,  mei 
nusquam  immemor,  Rauenspurgi  XVI.  Kls.  Octobris. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  102. 

VIII.  15.  October  1518. 

Michael   Hummelbergius   Rauenspurgensis  Joanni  Alexandro 

Brassicano  suo  S.  P.  D. 

Sermonem  tuum  in  poeticae  laudem,  iam  pridera  apud 
Tubingensem  celebrem  admodum  et  laudatam  academiam  docte 
a  te  pronunciatum,  iam  tandem  remitto.  Tersus,  elegans  et 
eruditus  est.  Sed  (benignas  aures  praestes  uelim)  nimium 
Caelianus, '  ut  uerear  ne  maligni  quidam  plagii  te  accusent 
protinusque  exclament,  Caeliani  j^apy.'Axr,poc  te  plus  aequo  audacem 
usurpatorem,  omnia  ex  aliena  officina  depromere.  Quamquam 
ego  tibi  uitio  non  uorterim,  in  alienis  hortis  feliciter  enatis 
flosculis  tua  te  serta  exornare,  id  est,  ab  aliis  seile  dicta  in 
tuum  aliquem  usum  uertere,  sed  dederim  potius  laudi  et  uir- 
tutis  titulo  honestarim,  quod  illi  ut  plagium  forte  damnabunt. 
Sed  damnent  usque  licet,  modo  frequens  lectio  et  Studium  tuum, 
quod  hoc  argumento  deprehenditur,  a  bonis  et  doctis  commen- 
detur.  Si  qui  igitur  genuinum  tibi  infigere  uelint  et  Aristarchi 
ueru  fraudem  calumniari,  aduertant  ii  quaeso,  uel  classicos 
auetores  saepius  aliena  pro  suis  edidisse.  Virgilius  Ennio, 
Lucretio,  Naeuio  et  aliis  conplura  subtraxit.  Solinus  in  tantum 
Plinianam  dictionem  affectauit,  ut  a  doctis  non  immerito  Plinii 
simia  appellitetur,  utpote  multa  uerbotim  ab  eo  mutuatus.  Et 
ipse  etiam  Plinius  ita  aliquando  Pomponium  Melam  imitatur, 
ut  quae  ille  scripserit  ad  uerbum  referat,  non  pauca  Macrobius  - 
Gcllio  tacito  in  sinu  refert  accepta,  Martianus  Capella  satis 
multa  ex  Quintiliano  ad  uerbum  in  suos  libros  trauscripsit.  In 
sacris    literis  Damascenus    integris    capitibus  ex  Nysseno  suam 


logica  palaestra  sie  exercitatus,  ut  apud  Parisios,  inter  eos  qui  Doctoris 
titulo  insigniebantur,  primum  meruerit  locum.  Vergl.  über  ihn  auch 
W.  Vischer  Geschichte  der  Universität  Basel.    S.  227  ff. 

'  Caelianus  von  Caelius  Antipater,  cf.  Cicero  ad  familiäres  VIII. 

2  Die  Hs.  hat  ,Mocrobio'. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  LXX.XIX.  Bd.  I.  Hft.  8 


114  Horawitz. 

theologiam  auxit.  Quod  si  his  e  multis,  paucis  quidem,  sed 
suminis  licuit,  quid  prohibet  itidem  tibi  Heere?  et  alieno  natum 
ingenio  sed  difiicili  labore  non  enutritum  tibi  uindicare?  De- 
bentur  nimirum  nobis,  quae  iiostro  sudore  uel  denuo  melius 
toruantur  et  leuig-antur.  Hie  enini  lectionum  dulcis  fructus  est, 
ut,  quae  in  aliis  laudes  et  mireris,  ea  aemulatas  in  aliquem  usum 
tuum  opportuna  deriuatione  conuertas,  ita  tarnen  (quod  in 
saturnalibus  Aurelius  Theodosius  non  uno  loco  docet)  ut  integra 
manere  non  sinas,  ne  aliena  esse  agnoscantur  et  unde  sumpseris 
non  cuiuis  appareat,  aut  si  etiam,  aliud  tarnen  esse,  quam  unde 
sumptum  est.  Sed  de  bis  satis  superque.  Vale  faustiter  et  me, 
ut  facis,  ama.  Eid.  Octobr.  oxi  ■zdyic-:x. 

Fol.  101. 


Ingolstadt.  IX.  2.  November  1518. 

Urbanus  Rhegius  '  Michaeli  Hummelbergio  salutem. 

Hoc  habet  studiosa  amicitia,  amicissime  uir,  ut  citra  arro- 
gantiam  possit  ea  expetere,  quae  honesta  sunt,  immo  efflagitare 
ab  amicis,  quare  quae  uolo  non  inanibus  uerborum  ostenta- 
mentis,  sed  simpliciter  ac  ingenue  scribo,  minime  eorum  in- 
stitutum  probans,  qui  uirtuti  diftidentes  plus  muliebribus  his 
pompis  tribuunt,  quam  oportet  aut  candor  amicitiae  patiatur; 
amieitiam  autem  inter  nos  ueram  esse  nemo  dubitat,  nisi  qui 
Stagiritae  sententiam  ignorat.  Fac  ergo  libellus  iste,  quem 
tabellarius  tibi  committet,  in  aedibus  tuis  custodiatur  et  seruetur, 
donec  ipse  ueniam,  quod  fiet  breui.  -^  Nam  molestissima  nescio 
quae  negotia  me  diutius  apud  Boios  detinent,  quam  speraueram. 
Vale  amicissime  Michael.  Angelostadii  II.  Novembris  An. 
M.  DXVIII  Raptissime,  iam  enim  tabellarius  instabat,  urgebat, 
conuiciabatur  etiam. 

Fol.  102. 


*  M.  Huminelberger  wurde  mit  ihm  durch  Egellius  (cf.  Nr.  X)  bekannt. 

2  Oflenbar  war  Urbanus  Rhegius  nur  zu  einem  kurzen  Aufenthalte  in 
Ingolstadt  von  Constanz  dabin  gekommen,  Anfangs  1519  ist  er  schon  zu 
Constanz. 


Aoalecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Ilumanisraus  in  Schwaben.       115 


Ravensburg.  X.  7.  Januar  1519. 

Michael  Hummelbsrgius  Rauenspurgensis  Rhegio  poetae 

laureato  S.  P.  D. 

Quam  tenere  me  diligas,  eleg-antissime  Urbane,  tuae  literae 
perfacile  ostendunt,  quibus  singularem  erga  me  beneuolentiam 
et  amorem  tuum  plane  cognosco.  Debeo  reuera  Joacimo  meo 
Egellio  ~oi  TOTc  vijv  v£ovjjj.5'!w  multam  gratiam,  qui  me  tuae  ami- 
citiae  insinuauit  et  me  tarn  docto  tamque  iucundo  adauetauit 
amico,  quo  de  vel  summa  quaeque  mihi  audeam  poUiceri.  Ac 
uicissim  lubens  debeam  me  totum  tibi  et  offere  et  deuouere  ac 
Omnibus  offieiis  te  colere  et  obseruare  amicum  adeo  nae  can- 
didum.  Constanter  mihi  persuadeo,  meam  amicitiam  tibi  non 
iniueundam  fore,  quam  iudies  magis  atque  magis  reddam  (si 
Musis  placet)  iucundiorem.  Et  certe  quasi  in  harena  digladia- 
turus  contendam,  mutuo  amore  (nisi  cl»v  acTrict  -/.al  os'jpl  [j.ay,pw 
obuius  insurgas)  te  superare,  sine  tamen  ignominia  tua.  Nosti 
etenim  in  eiuscemodi  pugna  etiam  herbam  porrexisse  '  laudem 
habere.  Ubi  absque  inuidia  etiam  acerrime  manus  conseruntur, 
nee  alterius  palma  alteri  dedecus  parit,  athletae  coronantur 
omnes,  brabeo  donantur  omnes.  Age  igitur  Urbane,  omnium 
urbanissime,  nostram  hanc  amicitiam  crebris  et  politissimis  tuis 
literis  candide  foueas.  Kon  patiar  ipse  uel  ulla  mea  neghgentia 
eam  deturpari,  uel  immodico  silentio  dissolui.  Imo  r.y.^nl  ü-rfiz: 
-y.vv.  Te  O'j[;.o)  ut  usque  graudescat  diligenter  curabo,  ut  qualem 
maxime  optas  amicum,  talem  me  habeas,  quo  ad  uoluptatem, 
honorem  atque  etiam  commodum  utut  lubet  familiariter  utaris. 
Libelli  tui,  de  quibus  tu  alias  plura  coram,  si  inuulgati  sunt, 
me  etiam  domi  meae  salutent,  ut  dum  te  praesentem  non  licet, 
saltem  ingenii  tui  ueram  imaginem,  monumentum  et  pignus 
amoris  habeam.  Me,  ut  coepisti,  amare  pergas  uelim.  Vale  feli- 
citer  carissime  et  eruditissime  Urbane.  Cursim  ex  museo  uostro. 
Rauenspurgi  VII  eid.  Januarios  MDXIX. 

Fol.  102  ff. 


'  cf.  Erasmi  Adagria  316. 


IIb  Horawitz. 

Ravensburg.  XL  )3.  Januar  1519. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis    Jacobo  Apocello  ' 
Phorcensi  latine  et  graece  docto  S.  P.  D. 

Quum  istic  essem,  sing-ulari  beneuolentia  et  praecipuo 
amore  de  me  optime  merebaris,  Apocelle  suauissime,  quod  et 
in  penitissimo  löj  6j;ji.w  (aou  adeo  defixum  est,  ut  nunquain  ex- 
cidere  possit.  Unde  fit,  ut  tui  nunquam  obliuiscar,  nunquam  te 
amare  desinam,  quamquam  uel  id  ex  diutino  silentio  meo 
facile  suspicari  posses,  nisi  candidioris  integ-riorisque  esses 
animi,  quam  ut  de  tui  amantissiuio  male  sentias,  qui  te  haud 
secus  atque  fratrem  tenerrime  diligit.  Ne  igitur  existimes,  me 
aut  tui  oblitum  aut  alieno  a  te  esse  animo,  quod  rarenter  ad 
te  scribo.  Non  te  mens  mea  perdidit  et  si  oculi  uidere  desie- 
rint.  Non  mihi  abest  a  corde  omne,  quod  abest  ab  oculis.  Non 
mihi  Lyncum  obliuio  est,  ut  post  tergum  respiciens  obliuiscar 
priorum.  Non  facile  memoria  uel  absentes  amici  excidunt.  Ne- 
que  ea  mihi  fortuna  arrisit,  quae  me  superbum  et  ueterum 
amicorum  despecticium  redderet,  quam  etiam  nunquam  anxie 
ambierim,  quod  felicem  reddere  non  possit.  Quare  erga  amicos 
omnes  idem  esse  quoad  uitali  aura  fruar  perseuerabo,  nihil 
mutabor  ab  illo  ueteri  Hummelbergio,  bono  et  sincero.  At  haec 
ut  scias  diutini  silentii  causa  est  et  tabellariorum  penuria  et 
quod  nimium  ipse  in  Hieronymianis  literis  philosopher,  2  in 
quibus  cum  maxima  animi  delectatione  atque  etiamnum  in- 
structione  die  noctuque  desudo,  ut,  quo  pacto  uirtutem  ipsam 
arctius  amplexer,  ex  his  ipsis  (nam  nusquam  licet  melius) 
ediscam,  eam  siquidem  omnibus  rebus  praefero,  sx'.  |j-st'  autr^c 
xai  §(atTa  Träaa  y.al  ßio«;  ak\j'!:6q  icTt  y.at  STiTepTr»^?,  quae  sola  beatum 
facit,  qua  sola  itur  ad  astra,  quae  uere  illud  bonuni  est,  quod 
partum  aeternum  est  et  superas  caeli  nos  uehit  ad  auras.  Nihil 
itaque  uel  parum  admodura  temporis  mihi  dilabitur,  quod  non 
uel  lectioni  uel  scriptioni  uel  etiam  (quod  ex  sacro  ordine 
debeo)  orationi  et  sacrificio  impertiam,  si  quod  amicis  tribuen- 
dum  est,  istud  sane  sufi"urandum,  non  mutuandum  est.    Age  et 


*  Jacob  Apocellus,  ein  Freund  des  Erasmus,  cf,  Epp.  898. 

-  Es  sind  die  Briefe  des  Hieronymus  gemeint,  die   1516  erschienen.  j_ 


Analecten  zur  Geschichte  der  Beformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       117 

tu  carissime  Jacobe,  si  qua  tandem  aliquando  te  digna  oiferetur 
conditio,  sacerdotium  puto,  quo  honesta  et  decenter  uiuere 
possis,  uelis  lubens  amplexari,  te  suauissimae  patriae  et  otio 
illi  literario  omnium  suauissimo  totum  reddere,  Deo,  tibi  et 
amicis  uiuere,  non  in  uanis  istis  litibus  consenescere,  quae 
uelis,  noiis,  deteriorem  semper  te  reddunt,  neque  in  Romanis 
deliciis  /.al  twv  yjoovwv  coXo'.y.'.ff[/,oT?,  -/.a-a  7Vo'j/.'.avbv  eiireTv^  tanquam 
lotum  gustaueris,  '  ad  uitae  usquam  finem  delitescere,  immo 
putrescere  et  perire.  Vale  ac  salue,  mei  nusquam  immemor. 
Rescribe  ut  ualeas.  Sed  et  haec  mea  non  modo  tibi,  uerum 
etiam  ceteris  amicis  nostris,  qui  istic  non  tam  spirant  quam 
speraut  uitam  meliorem,  scripta  sunto  :  puto  Hieronymo  Placido, 
Paulo  Gereandro,  Theodorico  Vafro,  Matthiae  Storio,  Joanni 
Badrae ,  Ascanio  Hierardo  Vercellano ,  quibus  omnibus  meo 
nomine  plurimam  salutem  dicito.  Iläa'.v  eppcocc.  Ex  Museo  nostro. 
Rauenspurgi,  Eidibus  Januariis.  MDXIX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   104. 


Ravensburg.  Xll.  13.  Januar  1519. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Joanni  M.  -  amioo 

salutera. 

Ne  uelis  in  falsis  istis  Romanae  urbis  deliciis  diutius 
uersari  te  oro  carissime  Joannes.  Habes  hie  sacerdotium  non 
omnino  malum,  ex  quo  iuxta  tuam  conditionem  uiuere  potes 
non  indecenter.  Qui  hactenus  mundo  famulitium  praestitisti, 
nunc  tuum  beneficium  possidere  et  Deo  seruire  incipe.  Clamant 
fundatorum  tui  beneticii  in  purgatorio  animae  et  se  abs  te 
negligi  queruntur.  Accelera  igitur.  Sacris  Christi  initiare,  ut 
debita  sacerdotio  tuo  exerceas  officia.  Alioqui  formidandum,  ne 
iustissimus  Dens  rationem  tecum  positurus  alienum  sanguinem 
de  tuis  manibus  requirat.  Consule  tibi,  consule  animabus.  Vale 
feliciter.  Ex  Rauenspurg.  Eid.  Jauuariis  MDXIX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  p.  104. 


1  Erasmi  Adagia  551. 

2  Sollte  dies  der  Constanzer  Johann  Jacob  Menlishofer  sein? 


118  Horawitz. 


Ravensburg.  XIII.  13.  Januar  1519. 

Michael  Hummelbergius   Rauenspurgensis   Stephane  Rosino  ' 

Augustano  S.  P.  D. 

Tot  tantaque  erga  me  sunt  beneficia  tua,  uir  praestantis- 
sime,  ut  iion  debeam  tui  usquam  obliuisci,  sed  semper  optima 
quaeque  meo  iure  tibi  comprecari,  quo  certe  nihil  factito  fre- 
quentius,  si  mihi  fidem  habes,  homini  tibi  deditissimo;  cur 
autem  non  haberes,  qui  me  intus  et  in  cute  (ut  dicitur)  num 
ater  an  albus  sim  nosti  et  meam  in  te  obseruantiam,  dum 
istie  essem,  mutua  conuersatione,  qua  te  nimium  forsan  quam 
decebat,  familiariter  usus  sum,  habes  exploratissimamV  Quam 
nolim  existimes  uel  tantilio  minutam.  Adhuc  tecum  creberrime 
conuersor,  etsi  corpore  long-e  dissitus,  animo  tamen,  cui  nihil 
non  peruium,  tibi  semper  adhaereo.  Hoc  tibi  absens  etiam, 
praesens  sum,  maxime  dum  literis  colloquor,  quod  cum  rarius 
forsan  faciam,  nulla  tabellariorum  [copia?J  et  rerum  scriptu  dig- 
narum  penuria.  Quum  enim  te  dignum  nihil  oecurrat,  solis  nugis 
te  offen dere  haud  uelim,  hominem  tanta  negotiorum  cura  et  mole 
oneratum.  Quod  uel  nunc  mihi  fuisset  obseruandum,  nisi  sin- 
gularis  erga  te  amor  meus  hunc  laconismon  plane  exegisset, 
quo  ineunte  hoc  anno  sospitatem  et  rerum  omnium  felicem 
successum  bono  et  prospero  quodam  omine  tibi  exopto,  et  te 
corde  meo  necdum  excidisse  tibi  persuadeo,  cui  altius  insides, 
quam  ullum  silentium  quarauis  longum  deiicere  queat.  Vale 
feliciter,  uir  clarissime,  me  ut  olim  coepisti  vere  dilige.  Tuis 
literis,  dum  per  otium  licebit,  oblecta.  Die  salutem  meo  nomine 
D.  Caspari  Wirt,  -  Hieronymo  Aleandro  Leodiensis  Episcopi 
oratori,  praeceptori  meo  et  amico  suauissimo.  Cursim  ex  Ra- 
uenspurg.  Eidibus  Januariis  MDXIX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Munac.  4007,  fol.   104. 


'  Kaiserlicher  Gesclicäftsträger  in  Rom.  lieber  ihn  L.  Geiger,  Leben 
Jüliannes  Rciiclilin's,  S.  iM7,  403,  417,  und  Horawitz,  Zur  Biographie 
und  Correspondeuz  J.  Reuclilin's  passini. 

2  Caspar  Wirt,  cf.  Geiger  1.  c. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       119 


Constanz.  XIV.  18.  Januar  1519. 

Urbanus   Rhegius    Michaeli    Hummelbergio    Rauenspurgensis 

S.  P.  D. 

Delectarunt  me,  amicissime  uir,  mirum  in  modum  literae 
tuae,  quas  Musae  tibi  dictarunt  et  Charites,  adeo  eleg'antia 
quaedam  rara  atque  humanitas  incredibilis  inter  legendum 
arriserunt.  Utinam  Michael  mihi  tecum  esse  liceret,  ut  illos 
lepores,  has  tuas  munditias  ex  ore  Nestoreo  coram  haiirirem. 
Scribe  ad  me,  quoties  occasio  datur,  ego  uicissim  non  ea  qui- 
dem  uenustate,  qua  tu,  rescribam,  in  eruditione  illa  politissima 
uinci  me  abs  te  uideo,  uinci  gaudeo,  ceterum  in  amicitia  since- 
risque  officiis  uinci  me  non  patiar.  Literas  tuas  ad  curiam 
Romanam,  ut  primum  Joannes  Faber '  tabellarium  habebit, 
transmittam  et  si  quae  sunt  alia,  iube  et  impera  et  Urbani 
amicitiam  experieris  minime  esse  sterilem.  Vale.  Constantiae 
XIIX.  Januarii  Anno  MDXIX. 

Fol.  103. 


Ravensburg.  XV.  14.  Februar  1519. 

Michael  Hummelbergius  Urbano  Rhegio  S. 

Qui  has  tibi  reddidit,  Urbane  suauissime,  mei  est  aman- 
tissimus  et  Musarum  praecipuus  cultor.  Legit,  quae  ad  me 
dedisti,  epistolia  elegantissima.    Audiuit  uel  ex  me  tuae  erudi- 


*  Johannes  Faber  in  Constanz,  später  Bischof  in  Wien,  geboren  1478  in 
der  schwäbischen  Reichsstadt  Leutkircli,  wurde  1518  Generalvicar  in 
Constanz.  Papst  Leo  X.  verlieh  ihm  den  Titel  eines  Protonotar,  in  der 
Folge  war  er  einer  der  heftigsten  Gegner  der  Reformation.  Er  reiste 
15'21  nach  Rom,  hier  erfolgte  der  Umschlag  seiner  Meinungen.  Schon 
1522  schrieb  er  gegen  Luther,  1523  disputirte  er  gegen  Zwingli,  1524 
erschien  er  auf  dem  katholischen  Conveut  zu  Regensburg,  Hess  eine 
Schrift  gegen  Luther,  den  ,malleus  haereticorura',  drucken,  wurde  Rath 
und  Beichtvater  Kaisers  Ferdinand  I.  und  starb  1541;  cf.  Kettner, 
dissertatio  de  J.  Fabri  vita  et  scriptis,  Leipzig  1735;  cf.  auch  meinen 
Brusch.  52,  210,  244. 


120  Horawitz. 

tionis  praeconium.  Unde  in  tui  admirationem  totus  raptus  est, 
adeo  quidem,  ut  magis  cupiat  nihil,  quam  te  de  facie  noscere 
et  coram  audire  loquentem.  Monuit  (cum  enim  uei'a  mihi  iunc- 
tus  sit  amicitia,  hortari  haud  oportuit),  se  tibi  commendarem, 
quod  pro  meo  candore  facturum  me  recepi.  Quare  pro  tuo  in 
me  amore  horainem,  humaniorum  literarum  studiosum  et  pium 
Christi  sacerdotem,  ea  amplexare  beneuolentia,  qua  bonos  et 
studiosos  soles,  id  est,  praecipua  atque  sincera.  Feci  Caesari, 
nuper  fatis  erepto,  monumentum,  quod  eius  imagini,  museo  meo 
sacrandae,  subscribendum  curabo,  sed  certus  uerusque  annorum, 
mensium  dierumque  uitae  et  imperii  eius  numerus  me  fugit,- 
hunc  si  tu  habes,  adscribas  obsecro  et  schedulam  ipsam  hoc 
nuntio  remittas.  Vale.  XVI.  Kls.  Martis  MDXIX. 

Fol.  105. 


Ravensburg.  XVI.  Februar  1519.(?) 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Joanni  Fabro, 
Vieario  Constantiensi  S. 

Si  meis  literis  tuam  dignationem  rarius  accedo,  non  fers 
opinor  moleste,  nam  aliis  negotiis  et  quidem  maximis  adobrutus 
occupatior  es,  quam  ut  meas  nugas  lubens  audias.  Quibus 
tamen  si  pro  otio  delectari  iioles,  copiam  tibi  Urbanus,  poeta  ^ 
facundissimus  taciet,  cui  cum  scribo,  etiam  tibi  scribo,  habitatis 
communes  aedes,  legite  et  communes  literas.  Amicis  sunt  omnia 
communia.  Sit  et  tibi  amico  communis  mecum  labdr.  Scripsi 
ego  Matthiae  -  et  reliquis  amicis  nostris,  literas  inclusas  tu 
propere  Romam  transmittito ;  hoc  mihi  gratum,  Matthiae  iucun- 
dum,  tibi  decorum  esse  arbiträre.  Vale.  Febr.  Rauenspurgi. 

Fol.  106. 


'  Urbanus  Rheghts  wird  poeta  genannt  nicht  blos  nach  der  Sitte  der  Zeit, 
welche  die  Humanisten  so  nannte,  sondern  auch  wegen  der  durch  Kaiser 
Maximilian  1517  (im  Herbst)  an  ihm  vollzogenen  Dichterkrönung;  cf. 
Uhlhorn,  Urbanus  Khegius,  bes.  345. 

2  Wohl  Ulianus. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  nnd  des  Hnmanisinns  in  Schwaben.       ll^l 
Eavensburg.  XVIL  15.  März  1519. 

Michael  Hummelbei'gius  Rauenspurgensis  Urbano  Rhegio 
poetae  laureato  suo  salutem. 

Saluus  sis,  Urbane  carissime.  Quod  sacerdotii  tui^  augusti 
et  diuini  muneris,  primitias  DEO  optimo  maximo  pura  sancta- 
que  mente  obtulisti,  '  tibi  uere  congratulor  et  rion  tibi  modo, 
sed  quoque  sacerdotali  ordini,  quem  te  cum  docto  tum  pio 
sacrifico  exornatum  esse  gaudeo.  Atque  utinam  multos  tui 
similes,  id  est,  singulari  uirtute  et  multiiuga  eruditione  prae- 
stantes  haberet,  quibus  7:apa  iwv  äs'pYcov  y.xt  sy-^Owv  sacra  uindi- 
caret  mysteria.  Sed  quominus  habeat,  obsunt,  quorum  humeris 
hocce  negotium  sedet,  qui  in  Christi  militiam  multos  imbelles 
conniuentibus  oculis  passim  transuehunt.  Sed  dictum  hoc  illis 
odiosum  est,  neque  tu  me  dicere  putas  decere,  at  uolat  irre- 
uocabile  uerbum.  Ita  fortassis  in  fatis  est,  ut  sint  multi  sacer- 
dotes  et  pauci  sacerdotes,  multi,  qui  sacras  preculas  circum 
aras  et  sacraria  mussent.  Qui  uero  sacrorum  discipliuam  et  re- 
condita  teneant  sacramenta,  pauci,  multi,  qui  sanctum  panem 
et  praeclarum  benedictionis  calicem  pro  sacris  aris  in  sacro- 
sancta  mysteria  conliciant  iuque  populi  conspectum  agant.  Sed 
qui  cum  illo  rerum  opiiice  ac  nostro  DEO  secundum  interio- 
rem  hominem  inuisibilem.  quem  (ut  apostolus  ait)  in  fictilibus 
uasis  habemus,  uiuant  et  ex  deifica  illa  communione  ad  DEI 
similitudinem  atque  consortium  transeant,  pauci.  De  his  ne 
plura.  Tu  ut  bonis  auspiciis  coepisti.  rei  diuinae  da  operam  et 
religiosam  et  frequentem,  mei  non  immemor,  ipse  uicissim  tui 
memor  ero.  Qui  has  ad  te  literas  simul  et  monumentum  per- 
fert,  quod  ad  antiquitatis  imitationem  effictum,  Caesaris  imagi- 
nem  meae  bibliothecae  sacrandam  exoinabit,  splendidos  illius 
titulos,  uirtutcs,  honores  plerosque,  omnes  Xay.ojviy.w;  complectens. 
Si  quid  pro  acri  tuo  iudicio  addendum  monumento  censes,  tu 
ipse  adde  et  totum  in  quadrum  redige.  Velim  enim  id,  quid- 
quid  est,  ad  tuara  censuram  uel  stare  uel  cadere.  Igitur  uel 
album  calculura  illi  adiicito,  si  examussim  elimatum  existimas, 


'  Man  ersieht  aus  dieser  Stelle,  dass  Urbaims  wohl  im  Anfange  des  Jahres 
1519  in  Constanz  die  Weihen  erhalten. 


\22  Horawitz. 

uel  nigro  praefigens  0  (theta)  Augusti  spongia  totum  deleto,  si 
Musis  uon  faiientibus  fuerit  exaratura,  aut  in  eum  locum  dam- 
nes,  quem  apud  Plautum  satyri  inuisunt.  Vale  feliciter.  Rauens- 
purgi,  Eid.  Mart.  MDXIX. 

Fol.  106. 

Constanz.  XVIII.  19.  März  1519. 

Urbanus  Rhegius  Michaeli  Hummelbergio  suo  S. 

Gratularis  mihi,  doctissime  Michael,  ob  honorem  sacer- 
dotii,  bene  profecto  et  prudenter.  Tanta  enim  res  sacerdotium 
est,  ut  maximi  olim  principes  et  imperatores  sacerdotii  acces- 
sione  suos  apices  putarint  exornari.  Id  uero  omnium  longe 
maximum  foret,  si  ipse  sacerdotali  ordini  honori  essem,  quod 
tu  quidem  existimas,  sed  amice  nimium,  non  enim  eius  uel 
ingenii  sum,  uel  eruditionis,  ut  magnopere  mei  nominis  in- 
scriptione  haec  militia  insigniatur,  sed  indoctorum  in  nostra 
classe  tanta  multitudo  est,  ut  forsan  inter  aliquos  tribunus 
uideri  possim,  nee  iniuria  stomacharis,  quod  tot  caeca  animalia 
quotidie  deo  offeruntur_,  in  quibus  nee  morum  candor  nee  eru- 
ditio  uUa  conspicitur;  soleo  manibus  et  pedibus  obluctari  exa- 
minatoribus,  qui  idiotas  et  analphabetos  in  nostrum  numerum 
asciscunt ;  hi  uero  probe  se  tuentur,  nullos  (inquiunt)  sacerdotes 
breui  futuros,  nisi  interdum  conniueant  ad  ruditatem  exami- 
nandorum,  quod  quidem  esse  quam  uerissimum  nuper  didici ; 
nam  cum  audirem  examen,  inter  triginta  uix  unum  aliquem 
mediocriter  doctum  uidi.  Ceterum,  quod  ad  Caesaris  imaginem 
scripsisti,  epitaphium  maxime  probo,  ut  quod  feliciter  ad  anti- 
quorum  imitationem  sit  factum.  Sacerdotes  mei  Augustae  sunt 
excusi, '  uerum  nondum  aduecti  Constantiam ;  ubi  eos  habuero, 
mittam  ad  te  quam  primum,  non  quod  ulla  in  his  eruditio  sit, 
quae  te,  uirum  solide  dectum,  queat  oblectare,  sed  ne  parum 
ofüciosus  esse  uidear.  Vale.  Constantiae.  XIIII.  Kls.  April.  "^ 

Fol.    107. 


^  E.S  ist  die  Erstlingsschrift  des  Urbanus  Rhegius:  de  dignitate  sacerdotum 
gemeint,  die  er  dem,  Coustauzer  Bischöfe  Hugo  von  Hohen-Landenburg 
gewidmet. 

2  Es  ist  zweifellos  das  Jahr  1519  anzusetzen;  cf.  XVII. 


Analecten  znr  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       123 

Ravensburg.  XIX.  5.  April  1519. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Urbano  Rhegio 

Poetae  salutem. 

Habeo  tibi  gratias  pro  scheda  a^!co(ji,aT(j)v.  Collegisti  stu- 
diose  omnia,  disputasti  scio  acriter  et  directa  in  te  concer- 
tantium  spicula  ita  prociil  dubio  retorsisti,  ut  te  illaeso  suos 
tantiim  iug-ularint  auctores.  Celebri  uictoria  potitus  de  rudiariis 
Theologis  ipse  tiro  triuinphum  egisti,  mea  sententia  speciosum. 
Sunt  tarnen  dicaces  quidam,  qui  hordearium  •  istum  rhetorem, 
qui  in  publice  hypocausto  (ut  ait),  ubi  nihil  minus  quam  de 
literis  agitur,  ubi  nee  docti  uiri  sunt,  nee  libri,  disciplinarum 
fructus  collegit^  legerunt,  illi  non  adeo  insignem  tibi  asserunt 
tiiumphum,  quod  in  ea  (ut  inquiunt)  hareua  depugnaueris,  quae 
careat  strenuis  gladiatoribus.  Quam  cauillationem  inuidiosissima 
illa  insularis  rhetoris  obtrectatio  eis  suggessit.  Quibus  tarnen 
pro  mea  in  Constantienses  obseruantia  respondi,  neque  opti- 
morum  librorum,  neque  multa  eruditione  praestantium  uirorum 
Constantiam  inopem  esse,  quos  si  tarn  diligenter  ille  quam 
impigre  ludiones  et  scortilla  disquisiuisset,  haud  dubie  inue- 
nisset  compluris,  neque  oportuisset  suae  imperitiae  et  igno- 
rantiae  (ut  de  se  ipse  scribit)  librorum  doctorumque  hominum 
penuriam  praetexere  causam.  Et  non  iniuria  temerariae  detrec- 
tationis  poenas  dedisset  dignas  D.  Botzemio  ^  uiro  de  facie 
mihi  ignoto,  tua  tarnen  atque  multorum  praedicatione  eleganter 
docto,  nisi  ante  cineres  omni  conatu  obstitisset  epicureus  ille 
Aureolus,  quem  Turregum  einem  Constantia  mysten  fouit.  Vale 
feliciter.  Rauenspurgi  Non.  April.  AN.  MDXIX. 

Fol.   107. 

Ravensburg.  XX.  5.  April  1519. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Hieronymo  Aleandro 
Mottensi  praeceptori  suo,  reuerendissimorum.  Dominorum  Car- 
dinalis de  Medicis  et  Leodiensis  Episcopi  a  seeretis  S.  P.  D. 

Quod  mei  crebram  memoriam  habes,  Hieronyme  praeceptor, 
undecunque    doctissime,     est    cur    niultum    gaudeam;    nam    me 


'  ,Hordeaniis  rhetor',  cf.  Suet.  Rh.  2.  Bezeichnung  für  einen  Aufgeblasenen. 
-  Die  Hs.  hat  ,Potzhemio'.  Es  ist  Absthemius  Botzheim. 


124  Horawitz. 

adhuc  tibi  curae  esse  atque  abs  te  amari  plane  intelligo.  Huma- 
nissime  semper  meciim  agis,  mi  Aleander,  qui  apud  Parisios  ' 
olim  praesens  artissimo  amore  me  complectebaris,  nunc  uero 
absens  Romae,  in  multa  neg-otiorum  procella,  multa  sacerdotiorum 
accumulatione,  multa  denique  bonorum  dignitatumque  accessione 
me  liumilem  Cbristi  sacerdotem  ac  ne  tenui  hactenus  ara  do- 
natum,  sed  parentum  labore  parta  paupertate  uictitantem,  tu 
sacerdos,  multis  aris  magnus,  amare  me  nunquam  non  pergis. 
Quod  singulari  tuae  uirtuti  candidissimoque  animo  tuo  facile 
tribuerim,  qui  in  omni  fortuna  semper  sibi  constat,  in  aduersa 
fortis  est,  in  secunda  modestus,  in  utraque  constantissimus.  Eas 
ingenui  animi  tui  dotes  praeter  diuinam  uariarum  linguarum 
eruditionem  in  te  cognoui  alias  et  etiam  nunc  maxime  agnosco, 
quando  me  tuae  memoriae  ita  defixisti,  ut  nunquam  non  de 
Salute  mea  non  sis  sollicitus.  Quotiens  conterraneis  meis  con- 
grederis,  toties  de  incolumitate  et  omni  fortuna  mea  anxie  (ut 
scribunt)  sciscitaris.  Cur  hoc?  nimirum  quia  me  unice  amas, 
incundum  ducis  ueteris  et  amici  et  discipuli  meminisse,  de  illo 
ubiuis  gentium  bene  sentire,  loqui  et  sperare.  Quod  nisi  me 
tibi  uel  ex  intimo  pectusculo  cognitum  scirem,  profecto  agerem 
frequentissimis  et  longissimis  epistolis,  ut  optimam  de  me  exi- 
stimationem  tuam  adaugerem,  sed  maiorem  arbitror,  quam  quae 
augeri  queat.  Nosti  me  ex  diutina  et  familiari  conuersatione 
nee  omnino  malum  nee  usque  erga  te  praeceptorem,  immo 
parentem  meum  ingratum  fuisse,  nee  etiam  fore  persuasum 
habeas  uelim.  Tuis  institutis  in  hominem,  alioqui  religiosi  et 
pii  animi  creui.  Utinam  atque  utinam  dignas  gratias,  quas 
referrem  tibi  haberem,  at  habeo,  si  relatas,  quas  habeo  exi- 
stimas.  Vale  feliciter  carissime  praeceptor  et  me  amare  tuo 
amore  teuere  et  arte  pergas  oro.  Rauenspurgi.  Non.  April. 
MDXIX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Moiiuc.  4UU7,  fol.   1U8. 

Rom.  XXI.  21.  Juli   löH). 

Hieronimus  Aleander  Mottensis  Michaeli  Hunamelbergio  R.  S. 

Michael  suauissime  salue.    Quaeso  te  per  libros  tuos,  per 
caritatem  nostram,    aut   si    quid   tibi  liac  est  carius  dulciusque, 


'  cf.  meinen  M.  Hummelberger. 


Analecten  zur  Geschiebte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       125 

ita  ex  hoc  quamuis  breui  epistolio  araicitiae  meae  perseueran- 
tissimum  tenorem  coIHgas,  ut  ex  unguibns  o  <Pv.oiaq  e^e^vo;  oXov 
Tov  XsGVTa.  Accepi  superioribus  diebus  literas  tuas  non  minus 
mihi  iucundas,  quam  literatas,  sed  nunc  cum  ancipiti  ualetudiue, 
nunc  cum  assiduis  negotiis  colluctans,  ita  huc  illuc  in  diuersa 
trahor,  ut  non  potuerim  adhuc  ad  te  respondere,  quid  inquam 
iuste  respondere?  Immo  ne  ista  quidem  paucula  scriberem,  nisi 
uenerabilis  uir,  Dominus  Antonius  Richlichius  ^  utriusque  nostrum 
amantissimus  iamiam  discessurus  me  ad  respondendum  exstimu- 
lasset,  idque  sumpto  hodie  contra  Hippocratis  oracula  pharmaco 
nimis  debilem.  Narrabit  tibi  alia  Richlichius  noster,  id  solum 
ego  significo  me  esse  omnino  tuum,  neque  unquam  hunc  animum 
meum  mutatum  iri,  etiam  si  quadragies  millies  iniqua  sors  longe 
maiore  interuallo  nos  dissepararet.  Sed  non  ita  dei  nos  oderint, 
quin  aliquando  procurato  tibi  per  me  canonicatu  Leodiensi  una 
dulciter  uiuamus.  Uale  et  me  doctis  Germanis  commenda. 
Romae  in  Cancellaria  apostolica  XXI.  Julii  1519. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   112. 


Augsburg.  XXII.  2.  Augixst  1519. 

Joannes  Alexander  Brassicanus  Michaeli  Hummel bergio  R.  S. 

Salue  MICHAEL,  doctissime  atque  amicorum  Optime 
Maxime.  Quam  uertat  pilam  et  quo  cardine  uiuat  tuus  Brassi- 
canus iuuenis,  accipe  paucis.  Praeteriere  iam  tres  menses, 
quibus  ego  me  aulae  magnifici  atque  generosi  domini,  domini 
Maximiliani  de  Seuenberg,  catholici  Hispaniorum  et  Roma- 
norum regis  diui  Caroli  oratoris  dexterrimi  deuinxi,  passim  huc 
atque  illuc,  mustelam  etiam  Plautinam^  uincens,  uagor.  Ubi 
sim,  plane  nescio.  Ita  me  aulicum  illud  mare  sursum  atque 
deorsum,  rursum  atque  prorsum  uoluit.  Dil  tribuant  meliora 
peractis.  Tubingensem  illam  conditionem  non  ferret  quoque 
tressis  agaso.  Itaque  bene  mihi  consultum  esset,  si  uno  atque 
eo  stato  possem  esse  loco,   uerum  cum  fieri  non  possit  et  mea 


1  lieber  A.  Richlichius  konnte  ich  leider  nirgends  eine  Notiz  auffinden. 

2  Plautus  Stich.  8.  2.  43. 


120  Hoiawit2. 

et  fati  causa,  boni  aequique  hanc  mihi  consulo  fortunam,  eo 
tarnen  modo  institui,  me  iam  uelle  ultimum  uale  aulae  dicere; 
,augurio  hoc  fausto  dextera  cantet  auis'.  Haec  sunt  amicorum 
optime  atqiie  optimorum  amicissime,  quae  te  scire  uolo.  Ceterum 
misi  ad  te  superioribus  diebus  meam  OMNEM. '  Tum  Calpurnii 
atque  Nemesiani  nostro  puluere  utcunque  restitutas  eclogas- 
apud  nostrum  Herckmannum ;  •'  cupio  ut  haec  salua  fide  reddita 
sint.  Habes  liic  meum  Caesai'em,  ^  tuo  nomine  in  frontispicio  in- 
signitum.  Moguntiae  excuduntur  nostra  haec  omnia,  scilicet 
Carolinon  Idyllion,  Eleg-eiae,  Dialogi,  Epigrammata  et  Xenia. '' 
Videbis  et  hie  tui,  ut  merito,  honorificam  factam  mentionem. 
Iam  Augustae  dialog'um  emitto  contra  Gallum,  imperium  am- 
bientem,  cum  epistola  Germaniae  ad  Carolum  et  Caroli  ad 
Germaniam  et  Epitaphio  ambidextri  hominis,  Conradi  Rosaui; 
habebis  omuia,  proxima  occasione  oblato  nuntio.  Tu  bene  de 
nobis  spera  semper.  Omnia  illa  quasi  uolanti  mihi  scripta  sunt. 
Sedendo  forte  aut  doctius  aut  melius  ludam,  nunquam  immemor 
mei  liumauissimiHummelbergii,  quam  utinam  contingat  aliquando 
et  uidere  et  alloqui.  Nil  mihi  optatius  eueniet  unquam;  Augustae 
iam  uersor  et  hinc  me  abiturum  puto,  cum  neque  sanitas  neque 
Studium  meum  patiatur  aulam  diutius  sequi.  Quare,  Michael 
carissime,  scribe  nobis  quamprimum  poteris,  Tuus  ubique  sum 
et  gaudeo  me  Hummelbei'gii,  hoc  est  hominis  et  integ-ritate  et 
eruditione  prima  niue  candidioris,  esse.     Vale  meum  delicium. 


1  Ilav  oder  Omiiis,  eine  gelehrte  Spielerei  des  Brassican,  eiu  Gedicht,  in 
dem  in  jeder  Zeile  das  Wort  ,Ouinis'  vorkommt,  erschien,  nachdem  er  es 
am  14.  März  zu  Tübingen  vollendet,  im  April  auf  Kosten  des  Johannes 
Knobloch  zu  Strassburg;  gedruckt  wurde  es  von  Anshelm.  Es  ist  dem 
Tübinger  Theologen  Ernest  Bamph  (Bamfus)  gewidmet  und  zählt  zwölf 
Blätter.  Es  ist  auch  abgedruckt  bei  Dornanius  Amphitheatrum,  I.  719  fi'. 

2  Calpurnius  sieben  Eklogen  wurden  zur  Zeit  des  Nero  gedichtet,  es  sind 
Nachahmungen  des  Theokrit  und  Vergil,  ihres  Nachahmers  und  Plagiators 
Nemesianus  vier  Eklogen  (zwei  Jahrlnmderte  später)  wurden  zusammen 
mit  Calpurnius  zum  ersten  Male  1471  zu  Rom  herausgegeben,  cf.  Teuffei 
R.  L.  G.  667  S. 

^  Joh.  Herckmann,  Mönch  von  Salmansweiler,  ein  Freund  Hummelberger's, 
war  es,  bei  dem  Brassicanus  als  Gast  verweilend,  ein  Gedicht  zu  seinem 
Omnis  schrieb. 

*  Ist  eine  Gedichtsammlung,  die  Brassicanus  dem  M.  Hummelberger  widmete. 

'->  Ist  die  Schrift:  In  Carolum  electum.  Augustae  1519.  Die  Werke  scheinen 
also  in  Mainz  nicht  angenommen  worden  zu  sein. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  dos  Humanismus  in  Schwaben.       xJi 

Ex  Aug-usta  Vindelicorum  anno  a  nato  Christo  MDXIX.  Mensis 
Augusti  die  II.  Saluus  sit  nieus  atque  tuus  Philo,  cui  et  ali- 
quando  Caesarem  legend  um  exhibeas.  Grunnii  Crocottae  Testa- 
meutum,  cuius  Erasmus  in  Moriae  limine  meminit  et  alibi  diuus 
Hieronymus,  Listrius  nou  adducit  neque  Erasmo,  neque  lectori, 
neque  sibi  satisfaciens ;  ego  Moguntiae  in  antiquissimo  libro 
repei'i  atque  repertum  summa  cura  exscripsi.  Videbis  et  tu 
propediem,  uidisses  iam,  nisi  me  nuntii  molesta  celeritas  atque 
alii  Sisyphii  labores  interturbassent.  Vale  atque  spera.  * 

Quasi  non  cirratorum  turba  Milesiorum  in  scholis  figmenta 
decantet  et  testamentum  suis  Bessorum  cachinno  membra  con- 
cutiat  atque  inter  seui-rarum  epulas  niigae  istiusmodi  frequen- 
tentur.  Idem  to.  5.  fol.  72.  ad  Eustochium:  Testamentum  autem 
Grunii  Corocottae  PorcelH  decantant  iu  scholis  puerorum  agmina 
cachinnantium.  ^ 

Fol.   U2. 


Ravensburg.  XXIII.  19.  August  1519. 

Michael   Hummelbergius   Rauenspurgensis   Joanni  Alexandre 
Brassieano  poetae  laureato  salutem. 

Quas  ex  Vindelicorum  Augusta  ad  rae  misisti  literas, 
Alexander  carissime,  sexta  Augusti  obuiis  (quod  dicitur)  ulnis 
recepi,  pellegi,  et  exosculatus  sum  non  semel;  adeo  gratum 
mihi,  quidquid  a  Brassieano  meo  profisciscitur.  Miror  autem 
omnium  maxime,  cur  te  aulae  deuoueris,  ubi  studiosis  homi- 
nibus  sacri  prorsus  est  nihil.  Meo  consilio  obtemperaturus 
excute  iugum  hoc  quam  primum  et  ab  aulica  seruitute  atque 
tyrannide  in  pristinam  libertatem  te  uindica,  v.  olcv  te.  Otium 
illud  literarium  omnium  iucundissimum  pro  uiribus  amplexare, 
ut  in  dies  magis  atque  magis  cultiori  eruditione  animum  exornes 


'  Ad  marginem  durchstrichen:  Hieronymus  To.  3.  fol.  92  aduersus  Ru- 
finum. 

-  Das  Testament  des  Grunnius  Porcellus  Corocotta,  ein  Schülerwitz  in 
Dornauii  Amphitheatnim,  II.  48.  In  den  Werken  des  Brassicanus  ist  es 
bei  der  Ausgabe  der  Prouerbiorum  symuiicta.  Viennae   1532. 


128  Horawitz. 

tuura,  Inter  aulicas  sordes  nunc  exulantem.  Libellum  tuum  titulo 
jOninis'  inscriptum  non  habni,  necdum  etiam  apud  quemquam 
uidi.  Audio  tarnen  vsavtav  as  \>.i'ka.  wex^p.v.Giq  illum  lusisse,  nescio 
uero  iudicione  an  tui  odio  ita  censeant  critici.  ,Caesarem^ 
recepi,  quas  meo  iure  debeo  tibi  et  habeo  et  ago  gratias. 
Vellem  pro  Pythagorico  instituto  sacram  et  pontificiam  coronam 
te  non  carpsisse,  sed  abstinuisse  ab  intern pestiuis  illis  salibus 
atque  scommatibus,  quae  non  inscite  Diuus  Hieronymus  puerili 
adserit  iactantiae.  Planeque  hunc  morem  non  prudentum,  sed 
auöaBwv  adulescentum  esse  uoluit,  qui  per  aetatem  /.al  aTcsipiav 
ignari  rerum  facile  in  praeceps  feruntur,  maxime  cum  gestiant, 
ex  illustrium  et  summatum  uirorura  sugillatione  suo  nomini 
famam  parere,  Sed  cum  procacitas  ista  loquendi  et  principum 
uirorum  uel  iusta  reprehensio  multis  male  cesserit,  cautius  et 
modestius  xf,  Tuapprjc'a  uelim  utaris.  Atqui  in  Dialogo  aduersus' 
Gallos,  de  nostra  Germania  nusquam  non  male  meritos,  tibi 
liberius  -app'/;(7tasc'.v  haud  grauatim  concesserim.  Exspecto  a  te 
nuper  inuentum  SUIS  testamentum,  cuius  sacer  Hieronymus 
plus  semel  meminit,  nempe  tomo  V.  folio  LXXI  ad  Eustocliium 
in  VIII.  commentariorura  Esaiae  librum  •;rpoot[j.'.a'Cojv.  Testamen- 
tum  autem  (inquit)  Grunii  Corocottae  Porcelli  decantant  in 
scholiis  puerorum  agmina  cachinnantium.  Item  aduersus  Rufinum 
tomo  III  fol.  XCII.  Quasi  non  cirratorum  turba  Milesiorum  in 
scholis  figmenta  decantent  et  testamentum  suis  Bessoi'um  ca- 
chinno  membra  concutiat;  liactenus  Hieronymus.  Quae  ea  causa 
huc  transcribere  libuit,  ut  si  testamento  isti  quidpiam  praeludere 
uelis,  habeas  quibus  tua  et  locupletes  et  ornes  atque  felicius  qui- 
dem,  quam  liminarem  Caesaris  epistolam,  quae  mihi  uisa  est  Si- 
bylla  indigere  interprete.  Non  quod  ipse  non  intelligam,  longa  ista 
Plauti  uocabula,  'i  •/.'  a[j.ol  [j-STa^b  oov.sT?  -(iXo'mz  avTsyesOa-.,  sed 
quia  plus  aequo  affectata  dictione  omnia  inuoluis  et  quasi  cum 
matre  Euav5pou  colloquens,  tlo/Jm  tm  g-aötm  «vavvioaTYjv  aij.ßAÜ(77.£t?. 
Haec  mi  Alexander,  amicorum  primarie,  non  reprehendendi 
studio,  sed  admonendi  causa  scribo,  atque  eo  animo,  quo  omnia 
soleo,    sincero    scilicet    et    amico.     Tu  si  me  uere  amas,    quod 


1  ,impudentis9iiTi09',  war  früher  unterstrichen,  wurde  aber  von  einer  späteren 
Hand  getilgt. 


" 


Änalecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Hnraanismus  in  Schwaben.       \2u 

facis,  non  alio  uelim  accipias.  Gabriel  noster  eü  iyei.  Vale  feli- 
citer,  (fOvOv  ^lop.  Cursim  Rauenspuigi  XIIII  Kai.  Septembr. 
AN.  DN.  MDXIX. 

Fol.   113. 


Altdorf.  XXIV.  4.  October  1519. 

Michael  Huramelbergius  ß.   Philippo  Engentino  '  S.  D.  P. 

Nihil  mihi  laetius  fuit  tuis  literis,  Engentine  carissime, 
ex  quibus  wc  ex.  twv  ovü^^wv  caov  -bv  Xeovia  5  ^eideicuq  exsTvot;  tuum 
erg-a  me  animiim  aguoui  totum  beneuolum,  totum  sincerum, 
totum  candidum;  oro  te  per  sacras  Musas,  aut  si  quod  habes 
carius  numen  obsecro  et  obtestor,  eundem  erga  me  semper 
habeas,  nee  quauis  causa  mutes.  Enitar  ipse  pro  uiribus,  ne 
unquam  te  pudeat  amicitiae  nostrae,  quam  mutuo  amore  atque 
officio  nusquain  sinam  labefactari  aut  dissui.  Perge  igitur,  ele- 
gantissime  Philippe,  ut  feliciter  coepisti,  me  amare  unice  et 
uere.  Nihil  constantius  persuasum  habeas  uelim,  quam  me 
totum  esse  tuum.  In  otio  et  domi  constitutus  amicitiam  hanc 
nostram  crebris  et  Asiaticis  literis  Herculeo  nodo  artius  con- 
stringam,  modo  amoenissimo  ingenio  tuo  nugae  meae  non  dis- 
pliceant.  2  Nunc  infacetum  rus  me  detinet,  in  quod  popularis 
ista  et  dira  lues  me  damnauit.  Aay.(i)vtG[j.bv  ut  bonus  es  uir, 
boni  consulito.  Urbs  olim  et  plura  et  iucundiora  dabit.  Aueto 
(pO.ov  tpöii;. 

Ex  Altorf  IUI.  Nonas  Octobris  MDXIX. 
Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  114  b. 


'  Pliilipp  Engentinus,  eigentlich  Engelbrecht,  aus  dem  badischen  Orte  Engen, 
studirte  zu  Wittenberg  und  Freiburg.  An  letzterer  Universität  war  er 
Lehrer  der  Poetik.  Er  verfasste  mehrere  dichterische  Werke,  erklärte  sich 
für  die  Reformation  und  war  befreundet  mit  Hütten,  Erasmua,  B.  Rhe- 
nanus,  Spalatin  und  vielen  Anderen.  Er  starb  l.'>28  zu  Strassburg.  Vgl. 
meinen  Aufsatz  über  Engentinus  in  der  AUg.  deutschen  Biographie. 

2  Mit  den  , nugae'  dürften  wohl  Hummelberger's  Gedichte  gemeint  sein. 


Sitzungsber.  d.  phil.-hiat.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Uft. 


130  Bora  Witz. 

Feldkirch.  XXV.  21.  October   1519. 

Philippus  Engentinua  Michaeli  Hummelbergio  S.  P.  D. 

Ostendit  mihi  literas  ad  se  tuas  Gabriel  '  frater  tuus,  rei 
medicae  consultissimus  homo,  in  quibus  honorificam  de  me 
facis  mentionem,  quod  tuum  de  me  iudicium  insigni  tuae 
humanitati  ascribo  potius,  quam  ut  uerum  agnoscam.  Scio  enim, 
qua  sis  humanitate  praeditus,  qua  modestia,  quamquam  tibi 
placeat,  si  quid  ex  ueterum  penu  in  lucem  deproraitur,  id  quod 
abunde  nee  minus  suauiter  narrare  solebat  Beatus  noster  Rlie- 
nanus,  2  dum  Basileae  in  Frobenianis  aedibus  simul  diuersa- 
bamur.  Ab  eo  tempore  summo  semper  te  complexus  sum  amore. 
Non  enim  non  possum  amare  illustres  eruditione  uiros,  prae- 
sertim  quorum  opera  foeda  illa  barbariei  colluuies  ex  Germania 
tandem  profligatur.  Uli  nunc  sunt  in  ordinem  colligati  atque 
ita  extra  ingeniorum  aleam  positi,  ut  Pyrgopolynices,  Arco- 
trogus  et  siqui  sunt  insulsissimi  Schulten  •'  nihil  officere  queant. 
Dii  boni,  quam  salsa  ad  hanc  tragicomoediam  scholia  addidisti. 
Recte  iudicas,  ita  sapiunt  eruditi  omnes.  Quis  oro  talem  litera- 
torum  faecem  aequo  animo  ferre  potest?  Non  multis  abhinc 
mensibus  ob  Dodoneum  illud  omnes  (ut  tu  uocas)  paene  in  peri- 
culum  me  coniecissem,  adeo  impatienter  fero,  si  nugatores  illi 
Erasmo  et  ceteris  Germaniae  luminibus  conferuntur,  inter  quos 
egregius  est  Thraso  quidam,  quem  ob  ius  hospitalitatis  obticeo, 
cuius  insignem  stultitiam  saepius  intra  me  rideo.  Commen- 
tabimur  aliquando  de  his  rebus  plura;  forte  erit,  ut  istac  iter 
sim  facturus,  nam  plane  constitui  me  in  bellum  profecturum,  ■• 
si  ab  imperio  delectus  erit,  qui  nunc  in  exilio  sum,  nee  breui 
reditum  ad  Friburgum  sperem  ob  saeuissimam  pestilentiam, 
quae  illic  (ut  scribit  ad  me  Zasius, '"')  adeo  grassatur,  ut  in  paucis 
mensibus  aliquot  milia  absumpserit:  interim  hie  manebo,  donec 


'  Mit  Gabriel  ist  G.  Hummelberger,  Michaels  Bruder,  Arzt  zu  Feldkirch, 
Botaniker  gemeint,  der  sich  auch  literarisch  versuchte. 

2  lieber  Beatus  Rh enanus  cf.  meine  Aufsätze  in  den  Sitzungsberichten  der 
Wiener  k.  k.  Akademie  der  Wissenschaften  1872  und  187.S. 

'  ,Pyrgopolynices',  Name  der  Hauptperson  in  Plautus  miles  glor.  ,Artotrogus', 
der  Parasit  aus  demselben  Stücke. 

*  Es  ist  das  ein  ähnlicher  Fall,  wie  der  des  Urbanus  Rhegius. 

5  Der  Brief  ist  in  der  Sammlung  der  Epp.  Zas.  nicht  enthalten. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Scliwabeu.       131 

belli  duces  nos  certiores  fecerint;  habeo  autem  mecum  fidos 
coramilitones,  qui  ut  literaium  olim  mecum  stipendiis  moruerunt, 
ita  in  praesentiarum  una  belli  aleam  tractabunt.  Vale  candi- 
dissime  vir  et  me  mutuiter  ama.  Ex  Veltkirch  XI.  Kai.  Octobres. 
Anno  MDXIX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   114. 


XXVL  28.  October   1519. 

Michael  Hummelbergius  Bauenspurgensis  Gabriel!  Hummel- 
bergio  R.  fratri  suo  salutem. 

Quas  ad  te  scribo  literas  nolim  te  circumferre  et  infacetas 
nugas  meas  passim  doctis  ostentare.  Quae  ad  te  scribo,  prae- 
cipito  omnia  atque  utcunque  subeunt  mentem,  calamus  deping^it 
ruditer  et  sc  aypou,  longius  ullo  colore  non  quaesito.  Siquidem 
tecum  familiariter,  ut  addecet,  ago,  non  ostento  Ingenium,  quod 
forsan  factitandum  est,  cum  ignotis  nos  ipsos  insinuamus  aut 
doctorum  nobis  conciliamus  amorem.  Quare  uellem  te  meas 
literas  plus  aequo  facetiores,  immo  in  E.  iusto  dicaciores,  Phi- 
lippo  '  non  ostendisse  et  si  commendet  maxime  eos  sales,  qui 
mihi  serotina  hora  forsan  bene  poto  exciderunt.  Quales  autem 
fuerint,  me  praeterit,  nam  illius  epistolae  exemplum  non  retinui, 
quod  si  apud  te  adhue  extat,  eam  describas  denuo  et  mittas 
uelim,  ut  -appr,c'av  meam  agnoscam.  Vale  feliciter  V.  Kls. 
Novembr.  MDXIX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   11 -Ib. 


Weingarten.  XXVII.  16.  November  1519. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Matthiae  Uliano 

Doctori  -  m.edico  suo  S. 

Heu,    heu  Matthia,    uir  optime!    Abiit  et  fatis  ereptus  est 
Schlachtherius  3    noster,    deliciae    nostrae,    quibus    periucunde, 

'  Wohl  Philippus  Engentinus. 
2  Stadtarzt  von  Ravensburg. 

^  Die  Schlachtner  sind  ein  noch  jetzt  in  Ravensburg  existirendes  Geschlecht. 
Vgl.  Eben,  Geschichte  von  Ravensburg. 

9* 


1Ö2  Hör  a  wi  tz. 

quoties  g-enio  liberius  indulgere  cordi  erat,  fruebamur  ac  sine 
quibus  nihil  nobis  dulce,  nihil  suaue  erat,  adeo  oranium  (quod 
dicitui)  horarum  hie  erat  homo,  ut  qualem  qualem  optaueris 
facile  praestiterit,  in  seriis  g-rauem,  in  iucundis  facetum,  in 
Omnibus  par  ing-enium,  ubique  integrum  uitae  scelerisque  purum. 
Huius  repentinam  mortem  non  immerito  lug-emus  ambo,  non 
ipsius  sed  nostra  causa,  qui  tam  faceto  conuiua,  tarn  iueundo 
amico  sumus  orbati.  Nostra  erg"o  causa  recte  dixerim  non 
illius,  neque  enim  lugen dus  est,  qui  cum  omnem  aetatem  suam 
integre,  innocenter  et  caste  uixit,  etiam  sancte  mortem  oppetiit. 
Congruit  namque  actae  uitae  conuenire  finem.  Liberatus  cor- 
porea  mole,  animae  carcerem  exiliit,  non  quo  pius  Aeneas, 
Tullus  diues  et  Ancus,  furuae  ad  regna  Proserpinae,  sed  quo 
uiri  iusti  et  sancti,  quorum  mors  pretiosa  in  conspectu  domini, 
ad  uere  beatorum  insulas  et  caelestia  regna,  ubi  quae  nee  auris 
audiuit,  nee  oculus  uidit,  nee  in  cor  hominis  ascenderunt,  prae- 
parata  diligentibus  deum,  nunc  luce  pomeridiana  clarius  in- 
tuetur,  uidet  et  quouis  Coryceo  melius  audit.  Hoc  uero  est, 
quod  non  mediocriter  me  solatur,  ut  minus  acerbe,  quamquam 
acerbissime,  feram  carissimi  hominis  mortem,  sed  uerius  iuxta 
sacras  et  apostolicas  literas  dormitionem;  qui  namque  olim  ad 
ueram  aeternamque  uitam  resurrecturus  est,  certe  non  mortuus  est, 
sed  dormit  uitae  somnum,  quem  (praeter  quos  aduentus  domini 
uiuentes  reperiet)  dormiemus  omnes.  Ibimus  Matthia,  ibimus 
otius  serius;  nam  omnibus  linquenda  tellus  et  domus  et  horti 
et  placens  uxor  et  quidquid  hie  carum  est,  nihil  nos  inter  opes 
inopes  sequetur  praeter  inuisam  Libitinam.  Occupabit  omnia 
heres,  uel  centum  custodita  clauibus.  Ne  plura:  plura  tarnen. 
Si  8chlachterium  nostrum  quidpiam  remoretur,  quo  minus  recta 
ad  superos  auolarit  mancipeturque  adhuc  carcere  diro,  quo 
necdum  omnino  detersis  labeculis  defunctorum  recluduntur 
animae  et  prae  luctu  et  dolore  anxius  clamet:  Posuerunt  me 
in  lacu  inferiore  et  tenebris  et  umbra  mortis,  ea  causa,  mise- 
remini mei,  miseremini  mei,  nos  saltem  amici  mei,  quia  manus 
domini  tetigit  me;  conemur  certa  exauditionis  spe  de  profundis 
et  intimis  cordis  penetralibus  clamare  ad  dominum  et  diuinum 
exorare  numen,  ut  liberet  eum  ab  ore  rugientis  leonis,  ne  ab- 
sorbeatur  a  Tartaro.  Ne  et  ipse  queratur  aduersus  dominum 
inquiens:     Longe    fecisti    notos    meos    a    me,    posuerunt    me 


i 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       133 

abominationem  sibi.  Elongasti  a  me  amicum  et  proximum  et 
notos  nieos  a  miseria  mea.  Sed  potius  nostris  adiutus  preculis 
mutato  in  gaudium  dolore,  dulce  cantillet:  Anima  mea  erepta 
est  de  laqueo  daemonum,  laquens  contritus  est,  et  eg'O  liberatus 
sum,  constitutus  iam  in  domo  domini,  haec  requies  mea  in 
saeculum  saeculi,  hie  habitabo  quura  elegi  eam.  Haec  non  tarn 
dolori  meo  quam  consolationi  indulgens  tristissimus  scripsi, 
rog-ans  te  et  per  Deum  obsecrans,  ut  eam  caritatem,  quam 
uiuenti,  etiam  pie  defuncto  impertias.  Ego  quidquid  meis  erga 
deum  precibus  et  sacriiiciis  auxilii  adferre  potero,  haud  segnis 
ero,  sed  lubens  merito  exhibebo.  ßaptim  ex  Vinea  domiui 
Zebaoth.  XVI.  Kls.  XBRIS. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   115  f. 


Ravensburg.  XXVIII.  23.  März  1520. 

Michael  Huminelbergius  Rauenspurgensis  Jacobo  Philomuso  • 

poetae  laureato  S.  P.  D. 

Etsi  te,  uir  eruditissime,  ob  praeelarum  ingenium,  singu- 
larem  eruditionem  et  humanitatem  tuam  magna  semper  bene- 
uolentia  complexus  sim,  nulla  tamen  hactenus  oblata  est  occasio, 
qua  tibi  eam  literis  significarem,  nisi  iam  pridem  quin  Grego- 
rius  et  Joannes  Baetzii  -  fratres  germani,  propinqui  mei,  in  tua 
uerba  iurarunt  tui  facti  discipuli.  Per  eos  ipsos  enim,  ut  tuae 
me  amicitiae  insinuarem,  tibi  saluam  dici  salutem  uolui,#  non 
ausus  ■*  prae  pudore  amusis  literis  meis  te,  uirum  adeo  elegan- 
tem alloqui,  quod  forte  intelligentes  illi  tuas  ad  me  priores 
petierunt,  ut  me  hoc  modo  ad  scribendum  animarent,  sed  reuera 
necdum  expetierunt,  quod  tu  prae  modestia  tua  et  humanitate 
primas  mihi  dare  uelis,  lepide  inquiens,  a  sacerdote  benedictionem 
procedere  debere,  et  certe  nee  inscite,     Nam  et  Melchisedeck, 


1  Jacob  Locher,  Philomusus,  der  bekannte  Ingolstädter  Dichter  und 
Philolog:  cf.  meine  Schrift:  Zur  Biographie  und  Correspondenz  Johannes 
Reuchlins,  S.  173  (59),  Nr.  9  und  Hehle  ,J.  Locher'  (im  Programm  des 
Gymnasiums  zu  Ehingen). 

2  Die  Baetze  waren  Verwandte  Hummelberger's,  Johannes  studirte  in  Ingol- 
stadt zwischen   1519  und  1522. 

3  ,non'  ist  ausgestrichen. 


Id4  Horawitz 

sacerdos  dei  excelsi  benedixit  Abram,  sacer  profano;  et  eg-o 
reuera  tibi  iam  saepius  uel  inscio  in  diuinis  etiamnum  sacri- 
ficiis  aliquoties  benedixi,  utque  tu  ac  tua  omnia  salua  essent, 
niimen  adoraui,  quod  his  literis  sancte  assero,  ut  constanter 
persnasum  habeas,  me  uere  te  amare  obseruareque,  nihil  abs  te 
exig-ere,  nisi  ut  me  mutuum  ames  et  aliquando  tersissimis 
literis  oblectes  et  ornes  nee  unquam  patiaris  te  in  amore  de- 
uinci,  quod  faciens  tibi  gloriam,  mihi  decus  paries.  Vale  feli- 
citer.  Ex  Museo  nostro  Rauenspurgi.    X.  Kls.  Aprilis  MDXX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   120  b  e  fol.   lila. 


Constanz.  XXIX.  26.  März  1520. 

Joannes  Botzhemus  '  J.  TJ.  Doctor  et  Canonieus  Constantiensis 
Michaeli  Hummelbergio  Rauenspurgensi  S.  P.  D. 

Retulit  mihi  doctissime  Michael  tuum  in  me  bonae  salutis 
uotum  et  idem  saepius  repetitum  consobrinus  tuus,  Doctor 
Joannes  Menlishofer,  ^  amicissimus  mens,  homo  omnibus  amari 
dignus.  Is  ut  alias  frequenter,  sie  hoc  me  hilarauit  laetitia, 
dum  amicitiam  meam  te  desiderare  aiebat,  cuius  iam  pridem 
mag-no  mihi  redimenda  fuerat,  si  licuisset;  iamdudum  enim 
egregios  ingenii  tui  uirtutes  animus  meus  resciuit,  sed  cum  nae 
inferiorem  agnouissem  quam  ut  tecum  literis  agere  conueniret, 
consultius  mihi  fore  existimabam  a  scriptione  (uerecundiae  fuco) 
temperandum  quam  temeritate  labendum,  mutauit  autem  con- 
silium  meum  uulgata  illa  tua,  qua  polles,  modestia  doctrina- 
rumque  tuarum  insig-nis  excellentia,  quarum  ut  ipse  maxime 
sum  expers,  sie  easdem  sitio  maxime.  Addidit  autem  nonnihil 
feruoris  animo  meo  Faber  ille  noster,  Constantiensis  uicarius, 
qui  me  nescio  qua  fascinauit  amicitia  et  ita  me  fascinauit,  ut 
alter  ab  altero  fere    nunquam  absit ;    is    proximis    diebus    mihi 


1  Johannes  von  Botzheim  mit  dem  Beinamen  Abstemiu,s,  ein  feingebildeter 
humanistisch  gesinnter  Domherr,  Freund  desErasmus,  den  die  Zimmer'sche 
Chronik  III.  205,  wie  es  scheint,  sehr  gut  mit  den  Worten  charakte- 
risirt:  ,ein  holdseligs,  höf lieh's  Männle,  ein  guter  Musicus',  war  1480 
geboren  und  starb  zu  Freiburg  im  Breisgau   1535. 

2  Joannes  Menlishofer  war  ein  wissenschaftlich  gebildeter  Arzt. 


Analecten  znr  Geschichte  der  Reformation  und  des  Hnmanismne  in  Schwaben.       loO 

in  aurem  insusurrauit  te  propediem  praeceptorem  nobis  affuturum, 
quod  tarn  exspecto  auide,  ut  quod  maxime,  licet  unum  hoc  me 
pungat,  quod  multo  dispari  principio  distamus,  nam  ea  quae  mihi 
tradenda  sunt  prima  principia,  Faber  ante  duo  lustra  ad  nauseum 
imbibit;  tametsi  poUiceamur  et  ipsum  mecum  elementaria  re- 
sumpturum  initia,  uereor  tarnen  tarditatem  rudis  ingenii  inei, 
infelicitatis  propriae  conscius,  uohiisse  tarnen  quantum  licebit 
adnitar.  Sed  de  hoc  coram  phira.  Quod  omnium  prinium  uolo 
crescere  inter  nos  quotidie  amicitiae  nexum,  cupio  non  ut  paribus 
officiis  aequari  tibi  possim,  sed  quia  optimorum  uirorum  indice 
apud  me  uelim  accessione  felici  familiaritatem  augeri,  gestit  itaque 
animus  mihi  de  ineundo  tecum  amicitiae  sacramento,  cuius  uir- 
tutes  et  amo  et  suspicio.  Sed  ne  blanditiae  longiores  uei'i  cor- 
rumpant  dignitatem,  paucis  finem  facio,  ob  hoc  tamen  plurimum, 
ut  inopiam  sermonis  breuitas  affectata  contegat.  Bene  uale  et 
Botzhemo  (quantus  est)  tuo,  quantumuis  libere  utitor,  quem  et 
redama.  Ex  Constantia.  XXVI.  Martii  AN.  MDXX. 

Fol.  121. 


Ravensburg.  XXX.  5.  April  15'20. 

Michael  Hummelbergius   Rauenspurgensis    Joanni  Botzhemo 
J.  U.  Doctori  et  Constantiensis  eeclesiae  Canonieo. 

Salue  Potzheme,  uir  praestantissime.  Pergrata  est  mihi 
amicitia  tuis  literis  mecum  contracta,  quam  cum  semel  felici 
omine  iniui,  adnitar  cum  summa  ueneratione  semper  obseruare ; 
nara  non  solum  mihi  decori,  sed  etiam  tibi  uoluptati  fore  exi- 
stimo.  Cum  enim  hominum  sit  alioqui  studiosorum,  non  potest 
non  cum  summa  delectatione  esse  Aristotelis  calculo.  Nee  plane 
(Isocratis  seutentia)  suspicandum  est,  quod  uel  alterutrius  ab- 
sentia,  uel  longa  aetate  obliteretur.  Quare  quod  studiosum  et 
uirtute  praeditum  uirum  cum  primis  addecet,  sincere  araa  et 
uere  atque  unice  redamaberis.  Quod  ad  graecarum  literarum 
attinet  Studium,  non  est  cur  tardidatem  (ut  tute  scribis)  rudis 
ingenii  tui  uerearis,  quod  pari  passu  cum  Fabro  incedere  ne- 
queas;  nam  ingenii  tui  dexteritatem  noui  consobrini  mei 
relatu ;  hac  uel  una  parasanga  praecursitantem  assequi  poteris. 


lOD  Horawitz. 

Saepiuscule  enim  celerem  praecucurrit  tardus  atque  Volcanus, 
etsi  Hoinero,  Hesiodo,  Apollonioque  ai^.fpiYui^eic,  id  est,  utrinque 
claudus  sit,  Martern  tarnen  assequitur  gradiuum.  Nihil  igitur 
te  deterreat;  mira  breuitate  fundamenta  iaciam  nee  minori 
facilitate  Attica  mirificis  tradam  rudimenta  figuris.  •  Gratum 
opus  iagenii,  si  quis  inertis  erit.  Sunt  ut  nosti  uaria  negotia 
Fabrum  remorantia,  ne  eam  quam  uelit  literis  operam  impendat, 
quibus  illo  interim  occupato  tu  otium  tuum  omne  literis  acco- 
modabis.  Illo  pro  tribunali  sedente  et  iudicante  tu  inter  graecas 
Musas  domi  tuae  deliciaberis,  quodque  tum  ille  negliget,  tu 
lucrifacies,  si  uoles.  Vale  faustiter  et  me  ut  coepisti  amare 
pergas  uelim.  Cursim  ex  museo  nostro.  Rauenspurgi,  Nonis 
Aprilis.  MDXX. 

Fol.  122. 


Constanz.  XXXI.  18.  Juni  1520. 

Thomas  Blaurerus  -  Michaeli  Hummelbergio  salutem. 

Paucis  iam  ad  te,  uir  humanissime,  non  quia  negotiis  co- 
hiberer  uel  nuntii  celeritate  aut  alio  quouis  impedimento,  quibus 
interturbamur  scribentes,  sed  iudicio  id  et  non  imprudenti. 
Sunt  quos  epistolarum  breuitas  oblectet,  praesei'tim  semidocta- 
rum,  quales  ego  forsan  reddidero,  sunt  e  regione,  qui  copiosas 
expostulent;  his  uero  cum  nonnullis  nihil  fastidiosius  sit,  operae 
pretium  uidebatur,  si  nunc  tales  mitterem,  quales  desiderari 
possent,  fastidiri  non  possent.  Q.uare  si  tu  ex  eorum  es  numero, 
quibus  Asiana  illa  redundantia  uel  arrideat  uel  non  displiceat, 
fac  sciain.  Superest  nobis  otii,  materiae,  supellectilis  (ni  fallor) 
satis,   supellectilis    quidem    non    dico    eximiae,    sed  rursum  non 


'  Hummelberger  will  offenbar  jene  Figuren  anwenden,  die  er  in  seiner 
Grammatik  (erst  lö'6'd  von  Beatvxs  Rhenanus  herausgegeben,  cf.  meinen 
Hummelbcrger,  S.  16)  angewendet,  und  die  sich,  wenn  ich  nicht  irre, 
auch  in  Oekolampad's  Dragmata  finden. 

2  Thomas  Blaurer  studirte  zuerst  bei  Zasius  in  Freibuig,  begab  sich  dann 
nach  Wittenberg,  von  wo  er  seinem  Bruder  Luther  nicht  genug  rühmen 
konnte,  er  sandte  ihm  auch  Schriften  desselben,  welche  in  Ambrosius 
jene  Wandelung  hervorbrachten,  die  ihn  zur  Flucht  aus  dem  Kloster 
(1622)  trieb.  1524  kehrte  Thomas  aus  Wittenberg  zurück. 


Analecten  znr  Geschichte  der  Reformation  und  des  HumanismDs  in  Schwaben.       137 

adeo  curtae,  ut  facile  quod  uoles  impeti*es  -/.cd  xauxa  \j.h  o-q  xajTa. 
Meos  in  hac  re  mores  sie  intellige.  ut  putes  me  nulluni  genus 
literarum  spernere,  modo  sint  frequentes  et  crebro  missae ;  tum 
uix  aliquid  praeterea  me  uehementius  expectare  quam  tuas ; 
nempe  humanissimi  modestissimique  q^^os(!)  adhuc  uiderim,  et 
ut  nihil  mentiar  candidissimi:  quas  quidem  uirtutes  tuas  luben- 
tius  apud  alios  praedicaturus  sum,  quam  apud  te,  uirum  adu- 
lationis  impatientem.  Inprimis  tamen  sie  habe,  te  nostro  animo 
et  esse  et  semper  fore  carissimum  simul  et  honoratissimum, 
nee  id  sane  minus  ex  desiderio  nitro  promicante  quam  ex 
officio,  quo  astringor.  Tu  nos  tuis  literis  exhilarare  poteris, 
referente  D.  Urbano  Regio,  decore  et  ornamento  eiuitatis  nostrae, 
eodemque  in  nos  non  parum  benefico,  qui  et  nostras  detulit. 
Vale  ex  Constantia  XIIII.  Kls.  Julias  MDXX.  Fratrem  habeo 
bonarum  literarum  amantem,  cultorem  eruditorum  hominum, 
qui  cum  (ut  apud  me  nunc  est)  hoc  epistolium  legeret,  et 
simul  ipse  narrarem  de  doctrina  et  moribus  tuis,  coepit  te  non 
mediocriter  diligere  et  nunc  iubere,  ut  te  suo  nomine  salutarem 
atque  etiam  commendarem,  quod  facio.  ' 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  122. 


Ravensburf^.  XXXII,  27.  Juni  1520. 

Michael  Huminelbergias    Rauenspurgensis    Thomae  Blaurero 

Constantiensi  S.   S. 

Reddidit  mihi  tuas  literas  D.  Ui'banus  Regius^  utriusque 
nostrum  amantissimus,  quibus  cum  nihil  elegantius,  nihil  doctius, 
nihil  denique  humanius  legerim,  nihil  etiam  his  habui  neque 
gratius  neque  iucundius.  Unice  miror  et  amo  ingenium  tuum, 
o'jTO)  cpiXöxaXov,  quod  moneo  ne  unquam  neglegas,  sed  probatis 
moribus,  spectata  uirtute  et  clara  utriusque  linguae  eruditione 
ut  coepisti  adornare  pergas,  ut  olim  Constantiam,  clarissimam 
ciuitatem  et  dulcem  patriam  tuam,  uel  solus  humanitati  et  eru~ 


•  Es  ist  der  bekannte  Reformator  Ambrosius  Blanrer  gemeint,  der  damals 
noch  im  Kloster  Alpirsbach  weilte.  Cf.  Pres  sei,  Leben  Blaurer's,  Stutt- 
gart, Liesching,   1»61,  und  Th.  Keim,  Ambrosius  Blaurer,  Stuttgart  1860. 


138  Horawitz. 

ditioni  adseras,  Paceanamque  '  iniuriam  ig.iaq  uindices.  Ceterum 
quod  tuas  creberrimas  polliceris,  mihi  gaudio  est  non  mediocri; 
nam  eiusmodi  elegantiolae,  quibus  tuae  scatent  literae,  non 
parum  meum  animum  oblectant.  Utque  eas  frequentissimas  mi- 
nime  fastidio,  ita  maxime  desidero,  siquidem  Asianam  prolixi- 
tatem  in  araicorum  literis  lubens  amplexor,  /.al  Tcacr-r)  t^  '\''^y,fi 
ä7:o5£/o|X3(t  ouce  aOepi^oj  r)]v  ßatioAcviav,  quamquam  ipse  tw  Kx/.c- 
v'.cjxo)  plerumque  et  meo  quodam  more  utor,  quod  non  nesciam 
dictionem  meam  ouosv'  av5pa  -:ep'l)v:/.  Salutem  fratris  tui  nomine 
mihi  ascriptam  gratissimo  accepi  animo,  uicissimque  illi  candi- 
dam  rescribo,  quam  ei  meis  uerbis  dicito.  Eius  eruditionem 
et  integritatem  dum  Urbanus  nuperrime  niecum  agens  dignis 
efFerret  modis,  coepi  illico  hominem  amare  atque  optare,  ut  per 
te  eius  amicitiae  insinuarer,  quod  ut  fiat,  diligenter  cura.  Uale 
feliciter  Thoma,  mi  carissime  atque  me  ut  coepisti  crebris  lite- 
ris oblecta  et  ama  mutuiter  eösXo)  yäp  sy*^  '^'^^  c?va'.,  öv.  tj  ey^oq. 
z'.c  v.al  |jiv  cXoc.  Rauenspurgi,  ex  Museo  nostro.  V.  Kls.  Jul. 
MDXX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac,  4O07,  fol.   122  f. 


XXXIII.  9.  September  1520. 

Michael  Humraelbergius  Rauenspurgensis  Joanni 
Kierhero  S.  S.  ^ 

Ubi  ubi  es,  plurimum  te  saluere  uelim  Kierhere,  amico- 
rum  optime.  Prosequebar  te  olim  praecipua  beneuolentia  et 
uera  caritate,  quod  complura  in  te  optimi  cuiusque  amore 
digna  agnoscerem  et  te  semper  de  me  quam  optime  merei'i 
sentirem.     Qua    causa    post   meum  a  Parisino    contubernio    tuo 


1  Die  Hs.  jPaeanamque'.  —  ,Paceana  iniuria'  glaubte  ich  emendiren  zu 
müssen,  obwohl  ich  auch  nicht  erklären  kann,  was  Richard  Pace,  der 
Freund  des  Erasmus,  speciell  gegen  die  gute  Stadt  Constanz  verbrochen 
haben  soll.  1517  erschien  seine  Schrift  ,de  fnictu,  qui  ex  doctrina  capitur' 
zu  Basel;  ich  konnte  sie  aber  nicht  einsehen,  weiss  deshalb  nicht,  ob 
sie  derartiges  enthält. 

2  Kleiber  war  ein  Jugendfreund  des  Hummelberger,  der  auch  in  Paris  mit 
ihm  studirte;  cf.  meinen  Hummelberger  passim. 


i 


Analecten  zur  Geschichte  der  Beformation  nnd  des  Humanismus  in  Schwahen.       lo9 

discessiim  ad  te  scripsi  saepe,  ne  meam  erga  te  caritatem 
locorum  intercapedine  deferuescere  putares,  recepi  et  a  te, 
candidi  erga  me  animi  tui  testes,  uicarias  literas  complusculas, 
easdem  humanissimas  elegantissimasque.  At  nescio  quo  fato 
inde  accidit,  ut  ipse  Latiimi  adirem,  tu  Germaniam  repeteres, 
nee  alter  interim  alteri  quidquam  scripserit,  haud  dubie  hac 
causa,  quod  neuter,  ubinam  alter  ageret,  resciret  atque  hactenus 
quoad  habitationis  locum  nobis  ipsis  essemus  ignoti.  Sed  ne 
diutius  nos  mutuum  ignoremus,  mitto  hasee  Spiraiu,  ut  te  istic 
disquirant,  salutent  et  fortunas  tuas  ualitudinemque  et  sospita- 
tem  experiantur,  simul  etiam  mei  apud  te  memoriam,  si  forte 
antiquata  sit,  renouent  atque  ad  me  tuas  impetrent,  quas  aui- 
dissime  desidero.  Igitur  si  te  Spirae  inuenerint,  eas  obuiis  ulnis 
et  hilari  fronte  suscipe  et  ob  ueterem  amicitiam  nostram  uel 
centies  exosculare  ac  prorsus  dignas  arbiträre,  quibus  lubentis- 
sime  respondeas.  Porro  qui  eas  tibi  reddidit  tabellarius,  muni- 
ceps  meus  est.  Uuormaciam  petit  et  in  reditu  te  iterum  adibit, 
quare  pro  tuo  in  me  amore  non  graueris  me  suauissimis  literis 
et  Alberti  nostri  Truchsess  oblectare  ornareque.  Vale  feliciter. 
V.  eid.  Septemb.  MDXX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Mouac.  4007,  fol.   123. 


Speier.  XXXIV.  18.  September  1520. 

Thomas  Truchsess  Deeanus  Spirensis  Michaeli  Hummelbergio 

Rauenspurgensi  S.  D. 

Ornatissime  et  eruditissime  uir,  binas  literas  tuas,  quarum 
unas  ad  Albertum  Truchsess  consanguineum,  ad  Joannem  Kier- 
heruui  alteros  dedisti,  singulari  tiducia  fretus  accepi,  apenii, 
legi,  quae  nil  nisi  quod  humanitatis,  incomparabilis  beneuolen- 
tiae  et  sincerae  caritatis  est,  et  spirant  et  redolent.  Quo  uero 
statu  res  et  utriusque  conditio  sese  habeat,  nolui  posterius 
ignorares.  Albertus  ob  reliquias  fortasse  Gallici  morbi,  quem 
uocant,  curae  medicorum  Augustae  sese  submisit,  pristinam  de- 
siderans  recuperare  ualetudinem.  In  quintum  mensem  a  Spira 
abfuit,  qui  quamprimum  redierit,  tuas  illico  curabo  habeat. 
Noster  Joannes  Kierherus.    homo  dum  uiueret  impense  doctus, 


140  Horawitz. 

qiii  mihi  contubernalis  amplius  decennio  conuixit,  cuius  fami- 
liaritate  et  consuetudine  ac  prae  ceteris  quibus  pollebat  uirtuti- 
bus,  integritate  et  doctrina  admodum  delectabar,  prioris  anni 
decimi  noni  mense  Julio  e  uiuis  excessit,  cuius  Spiritus  aeuo 
fruatur  sempiterno.  Is  aeque  ante  aliquot  annos  purulentissimis 
pustulis  laborauit,  quarum  reliquias  dum  medica  cura  unguentis 
amouere  et  penitus  propellere  studeret,  nescio  quo  sinistro  fato, 
guttur  faucesque  (illic  enim  unguentum  insedit)  adeo  tumuerunt, 
ut  homini,  omni  humano  tum  consilio  tum  auxilio  destituto, 
misere  interitum  afferent,  id  quod  ut  alia  hacteuus  aequo  animo 
tuli.  '  Ubi  pro  tuo  ingenio  sepulcrum  eius  elogio  decoraueris, 
ut  tua  est  humanitas,  communicato.  Vale  humanissime  uir  has- 
que  meas  ineptias  boni  consule.  Ex  Spira.  XVIII.  Septem- 
bris  MDXX. 

Fol.  123. 

XXXV.  16.  October  1520. 

Osualdus  TJlianus^  Michaeli  Hummelbergio  salutem. 

Tum  singularis  humanitas  tua,  qua  soles  studiosos  passim 
complecti,  tum  amicitia,  quae  tibi  cum  patre  meo  priuatim  inter- 
cedit,  uix  tandem  animarunt  me,  ut  ad  te,  uir  doctissime  scri- 
berem.  Hactenus  enim  recordatio  uirtutis  atque  eruditionis  tuae, 
qua  communem  patriam  illustras,  dici  uix  potest,  quam  mihi 
iucunda  fuerit,  cum  ob  alia  multa,  tum  quod  patri  contigisset 
talis  amicus  iam  seni  et  aliarum  uoluptatum  oblito,  ita  hanc 
unam  hac  aetate  optanti,  ut  dextro  aliquo  ac  erudito  amico  frui 
liceat,  qualem  tu  procul  dubio,  quae  uirtus  et  humanitas  tua 
est,  praestas.  Nunc  uero  tempei'are  mihi  non  possum,  quin 
petam,  ut  ad  paternam  amicitiam  nos  quoque  adcenseas.  Id 
quod  et  pie  et  pro  candore  tuo  uideris  facturus,  neque  enim 
non  potes  non  complecti  xbv  (pt'Xou  cpfAcv  ei  yap  x.otvä  töc  (piAwv 
eaxi,  |j.aXtcTa  BsT  -/.oivsuc  twv  ^(Xwv  sivai  ichq  ifCkouc ;  nisi  quis  ami- 
cicior  patri,  quam  tilius  est,  haud  poteris  nos  temere  repudiare, 


'  Ueber    die    ,Malafrances'    und    ihre    Verbi 'ituiig^    in    jenen    Tagen    siehe 

S  trau  SS,  Uhich  von  Hütten. 
2  Ein  Brief  von  Melanchthon  an  ihn,  Corpus  Ref.  I,  627. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismuu  in  Schwaben.       141 

praesertim  cum  petainus  rem  et  per  sese  honestam  et  quae 
humanitatem  quoque  tuam  pluribus  commendatura  sit.  Ceterum, 
quaeso,  per  bonitatem  tuam  studia  nostra  patri  quam  dilig-en- 
tissime  commendes.  Nam  omnino  euitemur,  ne  illum  aliquando 
nostri  pudeat.  Philipp!  Melanchthonis  praeceptoris  mei  literas 
ad  te  mitto,  '  is  se  tibi  unice  commendat.  Epistolam  meam  de 
monachorum  uotis  si  legisti;  et  hanc  breuiculara  leg-e,  quam 
Chartusiano  inscripsi  et  mecum  xa  (papiaai'wv  \-qp-q[iot.i:x  ride,  Vale 
feliciter,  uir  doctissime.  Die  Sancti  Galli.  Anno  MDXX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   126. 


Schwarzwald.  2  XXX VI.  17.  October  1520. 

Michael  Hummelbergius  Joaohimo  Egellio  medico  suo  S. 

Kierherum  utriusque  nostrum  nomine  nuper  salutaturus 
misi  Spiram,  ut  nosti,  literas,  quas  nobilis  et  eruditus  uir, 
Dominus  Thomas  Truchsess_,  Spirensis  ecclesiae  Decanus,  Kier- 
heri  dum  uiueret  Maecenas  atque  patronus,  obuiis  ulnis  ut 
dicitur  recepit,  legit,  dignasque  censuit,  quibus  uel  ipse  elegant! 
dictione  responderet.  Scripsit  ad  me  Kierheri  loco  humanissime, 
immaturam  eins  obitum  significauit,  hortatus  est,  epitaphium 
scriberem  atque  ad  se  mitterem  Spiram.  Quam  autem  ipse 
scribendis  carminibus  sim  insolens  nosti,  tarnen  uiro,  adeo  nobili 
et  de  me  bene  speranti  non  obtemperare  nee  audeo,  nee  debeo. 
Confisus  de  humanitate  eius,  qua  boni  laturum  spero,  quidquid 
a  me  uel  indoctius  lusum  fuerit,  scripsi  his  inclusum  decem 
uersuum  epigramma,  quo  Kierheri  nostri  umbram  lectori  loqui 
fingo.  Tu  tuo  more  diligenter  legito  iudicatoque  iuste,  si  meretur, 
proba,  sin  minus,  emenda.  Nee  graueris  ipse  me  hortatore, 
etiaranum  aliud  scribere,  quo  antiquam  erga  KieVherum  obser- 
uantiam  tuam  testeris.  Non  enim  minus  uita  funetis  quam 
superstitibus  amicis  nos  nostraque  debemus.  Scribe  igitur,  quod 


'  Es  ist  der  Brief  im  Corpus  Ref.  I,  266,  vom  14.  October.  Das  ,literis' 
in  der  vorletzten  Zeile  i.st  ein  Lesefehler,  es  muss  —  wie  ich  aus  der 
Handschrift  ersah   —   lituri.s  heissen. 

2  Anders  kann  ,lerna  obscurorum'  wohl  niclit  übersetzt  werden. 


1 42  Horawitz. 

cum  meo  aliquando  Spiram  mittam  et  uel  tantillo  beneficio 
tantum  nobis  uirum  demereamur.  Quam  uehementer  id  cupiat, 
lectis  literis  eius  intellig-es,  eas  pariter  his  adnexui.  Quod  ad 
DOS  attinet,  uon  omnino  secure  hie  ag^imus  neque  tuto.  Pesti- 
fera  lues  proscriptionem  nobis  minitatur,  nisi  per  aeris  tempe- 
riem  patrios  lares  redire  liceat.  Abstulit  pestis  Menlishofero 
Dostro  filium  natu  minimum,  optimae  et  incomparabilis  spei 
puellum.  Periit  Simoni  N.  formosissima  uirguncula,  (proh  scelus) 
duodeuiginti  annos  nata.  M.  B.  adhuc  aegre  spirat  et  orco  est 
admodum  propinquus.  Ut  in  sordida  turba  grassetur,  non  dis- 
quiro,  praestat  enim  nescire.  Videor  mihi  hie  in  Cimmeriis 
uersare  tenebris,  adeo  nemo  est,  intelligis  quid  uelim,  satis. 
Vale  ex  Lerna  obscurorum.  XVI.  Kai.  Novembr.  MDXX. 

Fol.  124. 

XXXVII.  1520. 

Joannis   Kierheri    Selestadiensis    epitaphium    per   Michaelem 
Hummelbergium  Rauenspurgensem. 

Siestadium  genuit  nie  einem  Spiraque  mysten 

Fecit  et  exstinetum  nune  retinet  cinerem. 
Doetus  Joannes  elaris  dieebar  amieis 

Kierherus,  patriae  gloria  magna  suae. 
Ornauit  sophiae  praeeeptis  Gallia  quondam, 

Perdidit  et  morbo  Gallia  saeua  suo. 
Qui  legis  ista,  preeor  elari  per  numen  Olympi, 

Vota  piasque  preees  Manibus  adde  meis, 
Ut,  si  quas  patior  diras  pro  erimine  poenas, 
Liberer  aetutum  coelitibusque  fruor. 

JOANNI  KIERHERO  SELESTENSI, 

PHILOSOPHO,    POETAE   ET   ORATORI  DISERTISSIMO, 

CHRISTIANAE  PIETATIS  CON  SACERDOTI 

MICHAEL  HVMMELBERGIVS,  RAVENSBVRGENSIS 

DULCISSIMO  OLIM  CONTVBERNALI  SVO 

ET  AMICO  INCOMPARABILI 

POSVIT,  LIBENS 

MERITO. 

AN.  DN.  M    D.  XX. 

Fol.   124. 


Analecteu  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Hnmanismns  in  Schwaben.       14:d 

Ueberlingen,  XXXVIII.  22.  November  1520. 

Michael  Huramelbergius  Thomae  Truehsess,  Deeano  Spirensi 

salutem.  , 

Accipe  uir  nobilissime  epitaphium,  quo  te  hortatore  Kier- 
heri  nostri,  uiri  amoenissimi  ingenii,  sepulcrum  adorno  atque 
simul  meo  et  dolori  et  amori  indulgeo.  An  uero  tuo  desiderio 
tarn  tenui  filo  deducto  epigrammate  satisfecerim,  nescio^  per- 
suaswm  tarnen  habeo,  te  pro  genuina  humanitate  tua  boni  con- 
sulturum,  quod  adeo  simpliciter  amiciterque  pro  Kierhero 
scribitur,  tibi  unice  dilecto.  Proinde  ut  tibi  gratificarer,  monui 
et  Gabrielem  fratrem  germanum  et  Joacimum  Egellium  cogna- 
tum  meum,  utrosque  consummatae  peritiae  medicos  et  Kierheri 
amantissimos  olim  sodales ,  ut  illum  suis  elogiis  decorarent 
suamque  erga  Kierherum  obseruantiam  testarentur.  Qui  mihi 
libenti  obsecuti  animo,  scripserunt  bis  inclusa  epitaphia,  quae 
obuiis  ulnis  ab  te  suseepta  hilari  pelleges  fronte  atque  nos  in 
clieutum  tuorum  pittacium  adscribes,  quod  cupimus  uehementer 
admodum.  Bene  ualeat  R,  T.  D.  et  me  uero  amore  mutuum 
amet  et  ornet.  Cursim  ex  Uberlinga,  ubi  ob  grassanteni  donii 
pestem  ev  -f,  xaiv  äo'.cwv  a^opa  exul  ago.  Daciv  e^pwao.  X.  Kai. 
Xbris  MDXX. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  125  b. 


Ueberlingen.  XXXIX.  22.  November   ir)20. 

Michael  Hummelbergius  Alberto  Truehsess,  Canonico 

Spirensi  S. 

Scripseram  ad  te  superioribus  diebus  Spiram,  optime 
Alberte,  sed  aberas  tum,  Augustenslum  medicorum  (ut  fere- 
batur)  curae  commissus.  Rescripsit  autem  ad  me  tuo  nomine 
uere  nobilis  ille  et  praestans  uir,  D.  Thomas  Truehsess,  Spi- 
rensis  ecelesiae  Decanus  meritissimus,  consanguineus  tuus,  tibi 
ob  egregias  animi  dotes  omnibus  modis  amandus,  obseruandus 
et  imitandus.  Cuius  literas  primum  cum  dolore  legi,  quia  prae- 
ceptoris  tui,  coutubernalis  uero  mei,  amantissimi  Joannis  Kier- 


144  Horawitz. 

heri  immaturam  mortem  denunciai'ent.  Sed  mox  eisdem  conso- 
latus,  quia  in  defuncti  locum  nouus  mihi  accesserit  amicus  atque 
adeo  insignis,  longe  propulso  dolore  non  mediocrem  cepi  gaudium, 
id  maxime  ea  causa,  quod  uir  tam  claris  ortus  natalibus,  tarn 
candido  praeditus  animo,  tam  praeclara  dignitate  auctoritateque 
ornatus  me  non  indignum  censuit,  quem  suis  literis  salutaret, 
alloqueretur  et  toto  complecteretur  pectusculo.  In  quo  singu- 
larem  eius  animi  caudorem  ac  praecipuam  quandara  humani- 
tatem  et  uirtutem  cognoui.  Sola  enim  uirtus  est,  quae  summos 
uiros  adeo  faciles,  benignes,  comes  xat  euTipocr^YÖpoui;  facit,  ut 
neminem  uel  infimae  sortis  despiciant.  Literas  eas  cum  ob 
elegantiam  suam  tum  ob  exquisitam  eruditionem  cedro  dig- 
nissimas  inter  cariorem  literariam  supellectilem  meam  reconditas 
ceugemmam,  quoaduiuam,  adseruabo  et  sub  oculos  saepius  reuo- 
catas  exosculabor  frequentissime  neque  unquam  non  ueham  lau- 
dibus  tam  celebrem  humanitate  uirum,  nunquam  non  amabo,  nun- 
quam  non  obseruabo  atque  huius  meae  obseruantiae  testem  esse 
uelim  et  hanc  et  alteram  epistolam  meam,  qua  illi  positum  Kier- 
hero  monumentum  dedico,  quod  etsi  duriusculum  y.at  ä'iJLOucov  sit, 
opiuor  tarnen  uel  ex  eo  placiturum,  quod  erga  Kierherum  sincerum 
amorem,  erga  se  uero  propensum  animum  meum  et  officium  facile 
deprehendet.  Tuo  itaque,  nobilis  Alberte,  congeneri  illi  tuo  nie 
non  uulgariter  commenda  atque  in  uerum  amorem  mei  incita  uehe- 
menter.  Ama  me  etiam,  ut  olim  apud  Parisios  coepisti,  arden- 
tissime,  quod  tibi  ut  decorum  ita  et  iucundum  fore  arbitrabor. 
Rescribe  quando  per  otium  tabellariumque  licebit.  Uale  feli- 
citer.     Ex  Uberlinga  X.  Kls.  Xbris  MDXX. 

Aus  dem  Cod.  lat  Monac.  4007,  fol.   125  b. 


Ravensburg.  XL,  8.  Februar  1521. 

Michael  Hummelbergius   Osualdo  Uliano  Rauenspurgensi 

salutem. 

Literas  tuas,  quibus  amicitiam  nostram  tantopere  affectas, 
porrecta  fronte  recepi  mi  Osualde.  Gratus  est  mihi  tuus  erga 
me  animus,  grata  beneuolentia  et  dilectio  tua,  ex  quibus  raram 
ingenii  tui  uirtutem  et  singulareni  candorem  cognosco.  Proinde 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       145 

lubenti  et  corde  et  animo  te  meorum  amicorum  -iriTravio)  '  et 
ratiouario  inscribo  et  g-audeo  non  parum,  te  amico  me  auctiim 
esse,  quem  uero  amore  prosequar  nee  prius  amare  desinam, 
quam  uita  hac  defungar.  Igitur  studiosissime  Osualde  perge, 
ut  coepisti,  me  uera  caritate  complecti.  Amat  me  parens  tuus, 
uir  niuei  pectoris  et  integerrimi  animi,  omnibus  officiis  rae 
colit,  ueneratur  et  obseruat,  huius  tu  uelis  Imitator  esse  et 
amicorum  quemadmodum  et  bonorum  simul  successor  et  heres; 
Trpe-si  ^(cup  lohq  TraToxq  wc-sp  t^q  oucta?,  o'jto)  y.ai  tvji;  (^Odaq  ty^;  TcaTpav;? 
•/.A'r]povo|j.sTv,  w?  <fr,ah  o  'IcoxpaTY;?.  2  Quod  autem  monuisti,  ut  patri 
tua  studia  commendarem,  lubens  tibi  morem  gessi,  primum  per 
literas;  nam  Rauenspurgo  aberam,  quando  mihi  tuae  redde- 
bautur,  dein  reuersus  coram  uerbis  itidem  feci,  nee  minus  dili- 
genter.  Persuasi  patrem,  ut  quas  hactenus  tuas  esse  non  credidit, 
nunc  tuas  literas  constanter  credat,  tcOt'  sct'.v  tuo  Marte,  tuo 
ingenio  et  scriptas  et  effictas,  nee  tarnen  patrem  in  hanc  sen- 
tentiam  duxi,  sed  etiam  Coenobitam  illum  quicum  tibi  de 
monachorum  uotis  controuersia  fuit  uel  inuitum  traxi;  qui 
certe  non  amplius  suo  more  acrius  obiurgabit,  te  alienis  pennis 
(bc  AicwTCiiov  y.cpaxa  gloriari,  quo  uitio  nemo  est  illo  magis  ob- 
noxius.  Quid  enim  in  ultima  ad  te  epistola  illum  auctorem 
agnoscit,  nisi  quod  leuiculum  est?  et  audet  tantum  non  in  te 
coarguere,  quod  ipsemet  nunquam  non  factitat.  Certe  quando 
eam  epistolam  legi  (omnia  namque  mihi  pater  tuus  communicat) 
oh  [J.SVOV  elq  tov  aapcwvicv  YsXwTa,  oCkkcx.  y.al  elq  zov  iAsuöspov  y.av^aJiJLbv 
cAo;  i-Ayyht'.q  subiude  mecum  exclamans:  O  plagiarium  insignem, 
o  mataeologum  impudentera,  qui  alieno  sese  ornatu  uenditat, 
alieno  ingenio  partam  laudem  sibi  uindicat  ac  sufFurata  eru- 
ditione  se  eniditum  foede  mentitur.  Qui  ne  modo  tibi,  uerum 
etiam  nobis  cep-vb;;  y.al  [xsTstops;  et  mirandum  quoddam  numen 
oüpavdOcv  delapsum  uideretur,  hortatus  est  clanculum  per  schedam 
patrem  tuum,  eam  epistolam  etiam  nobis  sacerdotibus  hie  com- 
monstraret,  quod  factum  illi  praeter  spem  infeliciter  cessit,  nam 
plagium  agnouimus  et  pleraque  omnia  Joanne  Pico  furto  sub- 
lata  deprehendimus,  e  cuius  apologeticis  quaestionibus  uerbotim 
exscripsit,    somnians   praeter  se  unum  Picuni  legisse  neminem, 


'  Die  Hs.  ,::uxTaTito'. 
2  ,Isocrates'  p.   1.  B. 
SitzuDgsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  10 


146  Horuwitz. 

adeo  ambitiosa  obcaecatus  est  arrogantia  superciliosus  frater. 
Quid  uero  de  altera  epistola  ad  patrem  scripta?  nonne  ob  hanc 
etiain  de  plag-io  conuentus  et  accusatus  legis  Flauiae  animad- 
uersione  puniri  poterit?  Dispereain  si  lineas  plus  minus  x 
protulerit  in  foliata  epistola  aliunde  non  subductas,  habes  fidem 
uerbis  meis,  si  Pici  senioris  epistolas  pellegisti,  unde  omnia 
sunt  mutuata.  Uide,  mi  Uliane,  quam  curiose  sublegit,  quibus 
patrem  moueat  persuadeatque,  ut  te  humanioribus  studiis  prae- 
mature  abstractum  sordidis  tradat  |ji.aTa'.oACYO'.(;  perdendum,  qui 
nusquam  christianam  pietatem,  sed  barbaram  contentionem  uulgo 
docent,  non  religiosum,  sed  litigiosum  faciunt  auditorem.  Ac 
non  potius  inhortatur,  ut  imposito  tandem  aliquando  politioribus 
oratorum  studiis  colophone,  ad  uerum  et  diuinum  scripturarum 
utriusque  testamenti  sacrarium  te  conferas,  ubi  Osoo'.oaxTOi;  theo- 
logis  conuerseris,  qui  tuam  aniraam  uera  religione,  uera  pietate, 
uera  et  sapientia  purgent^  illustrent  et  perficiant.  Hoc  mea 
sententia  monuisse  praeceptorem  decuisset,  nisi  timeret,  se  ma- 
gistrum  a  discipulo  aliquando  superatum  iri;  -jroXAol  Yotp  [xaö-^Tat 
xpeiTxovs«;  otoaa/.aA(ov.  Hinc  sollicitus,  hinc  anxius  ille  atque  in 
hoc  percallidus,  quod  intus  tantum  canit  «jj-ouac?  6  [xojatxb?  sibi 
et  patri  tuo,  quem  in  recessu  solum^  non  in  compitis  legere 
uelit  literas,  et  si  uisum  fuerit  etiam  te  non  repellit  a  lectione, 
quasi  uel  per  aetatem  uel  per  alia  studia  impeditus  Pici  scripta 
necdum  legeris,  ut  furtum  agnoscere  queas.  Ceteros  omnes 
omnino  arcet,  ueritus,  ne  agnito  plagio  ludibrio  habeatur,  huius- 
modi  praestigiis  existimationem  nominis  sui  apud  patrem  tuura 
hactenus  tutatus  est  bonus  frater.  Quam  cate  uero  et  subdole 
Philippum  nostrum  summis  laudibus  extulit,  prius  per  igno- 
miniam  nigrum  et  somniatorem  a  se  appellatum.  Videt  huic 
doctos  omnes  omnigenam  omnis  liberalioris  disciplinae  erudi- 
tionem  uno  ore  tribuere  et  ne  ipse,  si  non  item  tribuat,  in- 
doctior  habeatur,  laudat  paene  immodice,  stilum  uertit  et  pali- 
nodiam  canit.  Cupit  griphos  quosdam  a  Philippo  solui,  non  ut 
doceatur  se  iudice  doctissimus,  sed  ut  ingcnium  ostentet,  uer- 
satile  et  multiplex  scilicet.  Prae  se  uno  rüdes  arbitratur  omnes, 
ipse  Omnibus  agrestior,  aliena  eruditione  sibi  Suflfenus  ^  auet 
nobis    esse   miraculo.     Affeetat  Melanchthonis   literas,    sui    (ut 


'  Schlechter  und  eitler  Dichter  zui"  Zeit  des  CatuU.    cf,  Cat.  XXII. 


I 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humauisiuus  in  Schwaben.       147 

ait)  fructum  amoris,  quasi  nemo  uideat  ad  hoc  oblique  extor- 
quere,  ut  ex  his  circumlatis  solam  gloriam  aucupetur  et  tani 
exiraii  amici  iactet  amicitiam.  Hie  certe  frigidi  amoris  erit 
fruetus,  quem  in  herba  adliuc  existentem  optauerim  non  matu- 
rescere  et  non  nasci  omnino  quam  natum  turpiter  perire,  Perit 
enim  quidquid  putido  penu  reconditur.  Atqui  si  adeo  ingenuo 
et  erudito  est  ingenio,  quali  se  putat  esse,  cur  non  de  mona- 
chorum  uotis  aliquid  dissertat,  quod  rei  conueniat?  Cur  tua 
argumenta  deserit  et  noua  «7:0  rr^c  tpucrew;  effingit?  Cur  denique 
probe  inceptam  disputationem  emendicatis  quaestionibus  (seu 
ut  ipse  uocat  problematibus)  interturbans  non  prosequitur? 
Fortasse  huiusmodi  opum  inops  nihil  habet;  quod  uel  tenuiter 
edisserat,  faciliusque  sua  quam  aliena  diluit  argumenta  et  noua 
mota  tragoedia  obliterat  ueterem,  ut  aliquo  modo,  quibus  in- 
uolutus  est  tricis  ^  sese  explicet  et  captus  iterum  liber  fiat. 
Haec  sophistarum  ars  est,  quam  callenter  et  ipse  callet.  Sed 
longior  tecum  sum  quam  par  est,  et  nimis  frigide  pro  re  parua 
iv.oc-6\).^r,v  et  magnum  (ut  dicitur)  sacrificium  facio.  Verum  mea 
erga  te  pietas  et  dilectio  calamum  quam  institueram  longius 
abduxit.  Faueo  studiis  tuis  ex  animo  eoque  indigne  fero  ob 
his  te  per  male  sanum  monachi  consilium  distrahi.  Velim  enim 
te  oratoria  optime  institutum  esse,  priusquam  eloquentissimorum 
ueterum  theoiogorum  commentarios  euoluas.  Boni  igitur  con- 
sulas  meam  hanc  epistolam  impendio  loquaciorem;  in  posterum 
breuior  ero.  Si  quid  in  rem  tuam  cousulere  potero,  confidenter  petito 
et  simul  dictum  et  factum  puta.  Uale  feliciter,  Osualde  carissime  et 
Omnibus  modis  enitere  esse  quod  audis,  nempe  optimi  patris  in- 
comparabilis  spei  filius,  patriae  et  amicorum  futurum  decus  et  orna- 
mentum.  Kauenspurgi,  ex  Museo  nostro.  IV.  eid.  Febr.  MDXXI. 
Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   126  ff. 

Ravensburg.  XLI.  10.  Februar   1521. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Blaurero 
Constantiensi  salutem. 

Redii    tandem    ex    obscurorum    lerna    ad    museum    hocce 
meum,  secretum  illum  domus  meae  recessum  non   inamoenum, 


'  Die  Hs.  bat  ,trichia'. 


10* 


148  Horawitz. 

ubi  cum  sum,  solus  sum;  nemo  obstrepit,  nemo  turbat.  Nus- 
quam  tarnen  minus  solus  sum.  Obuersantur  memoriae  absentes 
amici,  immo  sese  oculis  conspiciendos  insinuant  saepissime, 
non  corporis  sed  animi  imagine,  amantissimis  expressa  epistolis. 
Quas  dum  lego,  (lego  autem  frequenter),  uideor  mihi  eos  ipsos 
coram  uidere,  amplecti,  osculari  et  suauiter  alloqui  atque  omnino 
praesentes  habere  etiam  longe  absentes.  Proinde  nee  tu  elegan- 
tissimi  Thoma  absens  es  quamquam  etiam,  Nam  candidum  et 
pium  animum  tuum  epistolis  tuis  coram  positis  impressum  cerno, 
hasce  meas  qualescunque  mutuae  amicitiae  aequissimo  iure 
efflagitantem,  qui  nulluni  literarum  genus  spernit,  modo  siut 
frequentes  et  crebro  missae.  Agnoscis  opinor  uerba  tua,  quibus 
uix  aliquid  uehementius  expectas  quam  meas  epistolas.  Eas 
cum  tibi  non  iniucundas  sciam,  lubenti  scribo  animo,  certus 
te  boni  consulturum,  quidquid  animo  adeo  simplici  et  sincero 
a  me  scriptum  fuerit.  Atque  utinam  non  ea  esset  tabellariorum 
penuria,  te  meis  totum  adobruerem,  nisi  forte  aut  argumenti 
inopia,  aut  tua  id  uetarent  studia,  quibus  me  raucum  anserem 
importune  obstrepere  non  deceret.  Quod  ne  uel  nunc  faciam, 
lougiore  epistola  non  utar.  Cum  uero  tuis  maiorem  scribendi 
ansam  praebueris,  in  longum  crescent  meae  epistolae.  Scribes 
autem,  si  per  otium  licebit,  Asiatica  redundantia,  ut  ualeas, 
quid  agas,  quod  Studium  quibus  praeceptoribus  amplectaris. 
Commendaui  te  D,  Philippo  Melanchthoni  mei  amantissimo, 
tu  eins  lateri  quantum  potes  adhaere,  ut  doctus  docto  conuer- 
sans  doctior  euadas.  Osualdo  Uliano  perfamiliariter  utere,  quem 
ego  diligo,  tu  saltem  ama  et  communiter  mecum  posside  meos 
amicos.  Uale  feliciter  et  me  ut  soles  uehem enter  ama,  literis 
tuis  oblecta  et  orna.  Ex  museo  nostro  Rauenspurgi.  IV.  Eid. 
Febr.  (1521.) 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  128  f. 

Wittemberg.  XLII.  28.  April  1521. 

Osualdus  Ulianus  Michaeli  Hummelbergio  S. 

Salue  uir  doctissime!  Quo  maior  omni  expectatione  ac 
spe  raea  fuit  ista  tua  propemodum  liberalitas,  eo  gratiorem 
fuisse    facile    potes    aestimare.     Nam    cum  in  epistola  mea  hoc 


Analecten  zur  Geschichte  der  Eeformation  nnd  des  Humanismus  in  Schwaben.       149 

modo  egissem,  ut  inter  tuos  nie  quoque  qualicunque  loco  reeen- 
seres,  nullo  quideni  nierito,  sed  in  patris  gratiam,  cui  me  uelut 
ille  in  symposiis  umbrae  uice  adiung-ebam,  tu  inter  piincipes 
statim  amicos  eollocas  et  amicitiae  auspicia  epistola  tali  dedicas, 
quam  ego  admirari  uerius_,  quam  imitari  aut  compensare  possum. 
Nae  tu  egregie  tui  prodigus  es,  qui  te  tarn  faniiliariter  insinues 
homini  e  media  plebe.  Sed  hoc  magis  laudabere,  quo  christia- 
nius  est  exemplum  tuum.  Philosophicum  est  amare,  quos  uirtus, 
opes,  eruditio  commendant.  Christianuni  est,  inter  primos  am- 
plecti  uel  abieetissimos,  in  his  tibi  me  uiro  XpicTov  «fpovouvxt 
insinuo.  Uides,  qua  te  obligem  et  obstringam  ratione,  sed  quam 
non  dubium  est,  quin  probaturus  sis,  quaudoquidem  Xpicibv 
fpovsTc.  Porro  non  omnino  gratis  amabis,  nam  et  redamamus 
et  ita  amicitiam  ambiui  tuam,  ut  sperem,  fore  nos  olim  non 
indignos,  quos  ames,  Gratissimum  est,  quod  apud  patrem  causam 
nustram  agis  xaTa  tc-j  A"^poüvTOc  /.spaTwaiou  [j-ovä/ou.  Est  enim  longo 
iam  tempore  nobis  molestus.  Sed  nosti  hoc  hominum  genus 
ä'-/0o;  apoupa;  iiwciov  ut  ille  inquit.  Viderer  de  fide  tua  dubitare, 
si  multis  a  te  contendereni,  ne  desereres  patrocinium  causae 
meae.  Nam  cum  ipse  satis  intelligas,  quid  amico,  quid  iuueni 
pro  chi'istiana  caritate  debeas,  quid  attinet  te  monere  officii? 
Porro  futurum  spero,  olim  ut  intelligas  non  perisse  tibi  bene- 
ficia  in  nie  tua.  Uale  decus  nostrum.  Uittembergae  IV.  Kai. 
Maii  MDXXI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  129. 


Raven.sburg.  XLIII.  6.  Juni  1521. 

Michael  Hummelbergius  Osualdo  Uliano  Bauenspurgensi 

salutem. 

Tantus  erga  patrem  tuum  amor  mens  est,  ut  non  possit 
esse  maior,  suauissime  Osualde,  mihi  tanquain  f'rater  dilecte. 
Cumque  illum  unice  deamem,  qui  tieret,  quaeso,  ut  quidquid 
illius  est  non  pariter  amarem  et  quidem  ardentissime?  Nihil 
autem  patris  magis  est  atque  optimae  indolis  tilius,  qui  patrem 
candidissimo  animo  adeo  refert.  Licet  natu  minor  sis,  literarum 
tamen  elegantia  me  wc  ot.KrfiC>K  maior  es,  ut  non  mox,  pro  tua 
sententia    mei    prodigus    sim^    i?i    ipse   uir   iam    te    iuuenem    ut 


150  Horawitz. 

aetate  parem  complectar.  Docuit  nos  suo  exemplo  Christus 
nernineni  paruulum  despicere,  et  Paulus,  omnibus  omnia  fieri, 
ut  mutua  beneuolentia  et  caritate  pietateque  nos  mutuum  Christo 
lucremur,  qui  solus  uera  est  Caritas  pietasque.  Noluit  Paulus 
l'imothei  iuuentam  contemni;  sed  prudentiam  senilem  in  illo 
uigentem  complecti,  Nolim  etiam  ego  te  mihi  ob  aetatem  de- 
spectum,  sed  ob  ing-enii  et  iudicii  felicitatem  commendatissimum 
esse;  id  quod  tuae  literae  omnino  efflagitant;  nihil  enim  te 
minus  quam  iuuenem,  nihil  magis  quam  senem  moribus  testantur, 
adeo  peculiari  modestia  sunt  adornatae  et  ambitione  prorsus 
omni  uacant.  Non  immerito  itaque  te  inter  primarios  etiam 
colloco  amicos,  qui  tua  cum  erudita  elegantia  tum  eximia  uir- 
tute  id  certe  promereris,  ob  quod  etiam  hanc  amicitiam  nostram 
non  minus  mihi  quam  tibi  arbitrarim  fore  decori  et  non  minus 
mihi  quam  tibi  ambiendam,  ubi  contraeta  iam  non  esset.  Igitur 
meo  quodam  iure  te  officiosissime  debeo  colere  et  eum  me  tibi 
tum  apud  patrem  tum  alios,  a  quibus  tua  pendet  res,  praestare, 
qualem  uirum  decet  integrum  et  tu  omnino  cupis.  Ceterum 
quae  tw  y-cpattoaiw  et  eleganter  et  erudite  rescripsisti,  perpla- 
cuerunt.  Is  quando  superioribus  diebus  a  patre  tuo  coram  audiit, 
alienas  illas  nugas,  quas  tum  suas  raentiebatur,  me  nihili  fecisse 
ac  plane  risisse,  ut  aliunde  mutuatas,  totus  pudendo  rubere 
suffusus  obstupuit  et  ne  ypu  '  quidem  contra  dixit.  Solet  6  xü^oq 
omnibus,  qui  Ittingum  ueniunt,  literatis  controuersiam  istam 
ostendere  et  praelegere;  at  non  tibi,  sed  Philippe  tribuere,  quae 
in  tuis  exarasti  articulis,  ut  non  cum  puero  sed  uiro  uideatur 
audere  manum  conserere  avYip  oL-KTÖXeiioq  v.cd  oi'xxKv.iq,  oq  oüxe  uot' 
ev  TToXs'fjLw  ivapi9[;/.c?,  out'  bn  ßouX^  '■*  ut  homerice  dixerim,  proinde 
suaderem  illum  suae  insaniae  relinquendum,  nisi  praeceptori 
grata  etiam  gratia  deberetur  et  fortassis  nihil  tuis  studiis  obest, 
si  uel  cum  illo  stilum  exerceas,  ut  eloquentiam  assequaris  ube- 
riorem;  haec  enim  profecto  neque  solida  atque  robusta  fuerit 
unquam  Fabio  autore,  nisi  multo  stilo  uires  acceperit,  qui  ut 
laboris,  sie  utilitatis  etiam  longe  plurimum  adfert.  üale  feliciter 
et  me,  ut  coepisti  mutuiter  amare  pergito. 

Rauenspurgi  VIII.  eid.  Junii  MDXXI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   130  f. 


1  Zenob.  5.  54  Aristoph.  Plutus   17. 

2  Nach  II.  II.  202. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       151 

Ravensburg'.  XLIV.  1.  August  1521. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Joanni  Fabro 

J.  U.  Doetori  S.  S. 

Quid  est  optime  Faber,  quod  tibi  cum  Ehegio  non  con- 
uenit?  '  qua  re  ab  illo  lacessitus  aut  uiolatus  es,  ut  de  ipso 
nunc  adeo  sinistre  sentias.  Credidi  hunc  ipsuui  omnium  fore 
gratissimum  erga  te  maxime,  a  quo  innumeris  affectus  sit 
beneficiis  et  cui  secundam  fortunam  suam  cum  primis  debeat 
atque,  ut  semper  id  ipsum  credam  cogit  me  frequens  ac  hono- 
rifica  in  eius  ad  me  literis  tui  mentio.  Nunquam  te  nominat, 
(nominat  autem  frequenter),  quin  Maecenatem  et  patronum  suum 
te  appellet,  quod  mea  sententia  oppido  quam  grati  indicium 
est  animi  et  tibi  admodum  bene  uolentis.  Quod  si  forte  Eccium 
tuum  iniuriola  aliqua  affecerit,  id  te  alienare  ab  illo  omnino 
non  debet,  ut  tarn  sancte  et  pure  cum  Rhegio  contractam  ami- 
citiam  dissoluas,  forte  prior  laesus  est  Rhegius,  ut  in  Eccii 
dorso  iustius  haec  cudatur  faba.  ^  Proinde  tui  sit  officii,  qui 
aeque  utrunque  amasti,  aeque  ab  utroque  ornatus  es,  utrumque 
alteri  reconciliare  et  quidquid  dissidii  causa  est  penitus  e  medio 
tollere,  quod  te  pro  singulari  tua  humanitate  facturum  non 
dubito.  Dialogum  Contzi  et  Fritzi  ^  necdum  uidi,  si  tu  habes, 
mihi  legendi  copiani  facito.  Non  facile  illorum  sententiae  acces- 
serim,   qui  hunc  Rhegio  ascribunt  autori.     Nam  in  tarn  celebri 


'  Die    durchaus   entschiedene   Stellung,    ^ie   Urbanus   Rhegius   für  Luther 
einnahm,  mag  in  Faber  diesen  Aerger  erregt  haben. 

2  Terenz,  Eunuch  2,  .8,  89.  Erasmi  Adagia  52. 

3  Es  ist  der  , schöne  Dialogus',  der  überschrieben  ist: 

CÜNZ  und  der  FRITZ, 

Die  brauchent  wenig'  witz 

Es  gilt  umb  si  ain  klains 

So  seinds  der  sach  schon  ains. 

Si  redent  gar  on  trauren 

Und  sind  gut  luthrisch  bauren. 
Abgedruckt  in  , Satiren  und  Pasquille  aus  der  Reformationszeit'  von  O.scar 
Schade  II.  119  ff.  Obwohl  Uhlhorn  die  Autorschaft  des  Urbanus  Rhe- 
gius anzweifelt,  so  scheint  es  doch  selbstverständlich,  auf  die  Aeusserung 
Hummelbcrger'.«!  nicht  zu  viel  Wert  zu  legen,  da  dieser  offenbar  sich 
alle  Mühe  gibt  Faber  zu  beschwichtigen. 


lo2  Horawitz. 

urbe  ueritatis  euangelizatori  malus  grauiusque  onus  incumbit, 
quam  ut  ad  eiusmodi  nugas  animum  aduertat.  Otiosorum  sunt 
haec  nugamenta,  non  grauium  uirorum,  quibus  tempus  omne 
seriis  teritur  studiis.  Vale  feliciter!  Rauenspurgi  Kls.  Augusti 
AN.  MDXXI. 

Fol.  130. 

Ravensburg.  XLv.  6.  August  1521. 

Michael  Hummelbergius  Joanni  Philonio  S.  S. 

Dum  ageres  domi  tuae,  cura  tibi  erat,  me  literis  inuisere 
et  officiis  obseruare;  nunc  uero  paulo  longius  absens  ne  uei'- 
bulo  quidem  uno  salutem  mihi  demandas.  Prius  in  rure  urbanus 
eras,  nunc  in  urbe  rusticus  es  Philo.  Quid  est,  quod  tantum 
te  nunc  mutauit  ab  illo,  quod  ex  uocali  adeo  mutum  te  fecit, 
ut  magis  mutus  sis,  quam  pisces?  Num  in  Seriphum  translatus 
es,  ut  ceu  ranae  obmutueris.  Nemo  silens  placuit.  Si  me  ut 
coepisti  utque  facis  amas,  scribe  tandem  aliquando  de  uale- 
tudJne  tua,  statu  atque  fortuna  omni.  Nosti  quam  amanter  quos 
semel  amplexari  coepi,  prosequar,  quam  anxie  illorum  salutis 
curam  habeam  non  minus  atque  propriae,  tuae  autem  cum 
primis,  quem  cum  ob  alia  tum  ob  candidum  et  beneuolum  erga 
me  animum  non  mediocriter  amo.  Ne  igitur  me  de  rebus  tuis 
diutius  suspensum  et  sollicitum  teneas,  accipe  calamum,  exerce 
articulos  et  literis  tuis  me  oblecta.  Porro  quid  ad  nos  attinet 
et  tibi  iucundum  est,  sospites  et  incolumes  sumus  omnes,  cupi- 
mus  et  te  ex  animo  esse  saluum.  Raphael  accipitrario  aucupio 
suo  more  (hoc  est  strenue)*  operam  impendit;  ramales  accipitres 
habet  duos,  alterum  hornotinum,  quo  nunc  ad  perdices  utitur, 
alterum  anniculum  et  deplumem  aniario  adhuc  reclusura,  quo 
ineunte  autumno  anates,  lepores,  nedum  perdices  aucupabitur. 
Utinam  nobiscum  esses.  Abundamus  hoc  aestate  perdicibus, 
quibus  hiberno  tempore  ob  rarara  niuem  et  aeris  clementiam 
nulla  praetensa  sunt  retia,  ut  caperentur.  Sed  satis  tibi  in  hoc 
pistrino  posito  est,  oportet  meminisse  tantum  harum  deliciarum. 
Ne  plura,  nam  ,multa  loquens,  et  cuncta  silens,  non  ambo  place- 
mus'  iuxta  Ausonium.  Tu  cura  ualeas  et  nos  ames.  Rauens- 
purgi VIII  eid.  Sextiles  MDXXI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.    131. 


Analectcn  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       lOd 

XL  VI.  10.  Au^st  1521. 

Osualdus    Ulianus    Rauenspurgensis    Michaeli  Hummelbergio 

salutem. 

Legem  nobis  Isocrates  sanxit,  r.pi-tvt  lohq  tzccX^olc  üciiep  Tr;q 
obaiac,  o'jtcj  xai  Tyj<;  o/iAia;  if,q  ■;raTpr/,^(;  -/.AYjpovo.aetv,  illius  auctoritatem 
nos  quoque  secuti  amicitiam  tuam,  ratione,  ni  fallimur  lon^^e 
honestissima.  Et  cum  haec  amicitiae  fundamenta  iacta  sint,  sie 
tu  nunc  me  omnibus  officiis  largissime  obruis,  ut  propemodum 
mei  me  pudeat,  qui  me  cum  tanto  uiro  commiserim.  Sed  erit 
humanitatis  tuae,  si  tuis  officiis  nostra  non  responderint,  cogi- 
tare,  iunxisse  nos  amicitiam  tecum,  non  suscepisse  certamen 
officiorum,  in  quo,  ita  me  ames,  uoluptas  est;  nam  bono  meo 
uincor.  Patrem  tibi  commendo  et  liac  ratione,  ut  illi  Christi 
shx-^yiMo'>  commendes,  quo  ista  aetate  potissimum  consciam 
armet  et  muniat.  Quid  autem  in  causa  est,  quod  noster  Cartu- 
siensis  tam  longo  tempore  tarn  ferox  bellator  conquiescit? 
contra  quam  ab  Homero  auctore,  ut  uolunt,  disciplinae  mili- 
taris  primario,  praecipitur  i'/J.Yr,  S'  ava-vsutji?  TroAqAo-.o.  Num  quem 
uouum  militem  scribit?  num  quas  nouas  copias  instruit?  num 
quas  parat  insidias  nobis?  At  non  fallet,  ne  si  decem  quidem 
Picos,  ut  ille  optabat  decem  Nestoras  in  consilio  habeat. '  Vale 
faustissime.  Die  S.  Laurentii  MDXXL 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   131  b. 

XLVIL  1521. 

Michael  Hummelbergius   Osualdo  TJliano  Rauenspurgensi  suo 

salutem. 

Quod  patri  tuo  tc  toü  XpicTOj  eüaY^^-eXicv  commendem,  frustra 
hortaris,  nam  illud  commendatissiraum  habet  choq  £ÜavY;Ar/.ö(;, 
cAcc  yp'.sTtavcc  i^-i.  Quod  pium  candidumque  arguit  animum, 
omnibus  probe  doctis  et  piis  hominibus  ex  animo  fauet.  Felix 
tu,  tam  sincero  patre  natus,  longe  autem  felicior  futurus,  si  ut 
coepisti,  illum  cum  literis  tum  pietate  exculto  animo  superare 
perrexeris,  atque  adeo  ut  primum  tuae  familiae  columen  non 
tam  dicaris,  quam  etiam  uere  existas,  Ouy.ouv  ßxXX'  oIitwc,   x'(  y.dv 


'  II.  II.  370  fr. 


154  Horawitz. 

Tt  96(1);;  a'vSpecrat  yev/jai  ut  apud  Homerum  ^  inquit  ad  Teucrum 
Agamemnon.  Carthusius  ex  eo  hominum  genere,  quibus  nemo 
placet  satis  nee  ipsi  aliis^  quibus  nihil  rectum  uidetur,  nisi  quod 
ipsi  somniarint,  ne  dicam  senserint,  cum  in  suam  sententiam 
te  fortiter  reluctantem  pertrahere  nequeat  frustraque  laboret  in 
tot  scriptorum  euoluendis  commentariis,  e  quibus  TravoTiXi'av  illam 
suam  desumit,  nam  domi  suae  nihil  habet,  quod  controuersiae 
huic  deseruiat,  consulto  tandem  oblatam  abs  te  perpetuam  oi\x- 
vY)aTi'av  acceptabit,  non  enim  honestiore  praetextu  hac  pugna 
excedere  potent.  Quod  si  fecerit,  se  deuictum  fatebitur,  sin 
minus,  insane  insanire  existimabitur  et  omnino  helleboro  pur- 
gandus  erit,  qui  uelit  contra  torrentem  nisi  v.ou  izpoq  xpetccjova? 
avTi^spil^siv  ^o-q  \xh  yacp  iuxta  illud  Hesiodi  var^?  t£  cxspexai,  r.pöq 
x'  xXayj^jVJ  aX^sa  Tzdayj'..  2  Vale  leliciter. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   131  f. 

Freiburg.  XLVIII.  15.  October  1521. 

Jacobus  Bedrottus  ^  Pludentinus  Michaeli  Hummelbergio 
Rauenspurgensi  salutem. 

Et  ingenii  tui,  ut  erecti,  ita  omne  studiorum  genus  eru- 
diti  candor  et  Jo.  Baetzius  amicus  noster  communis,  ut  tibi  his 
obstreperem,  submonuerunt.  Ilkid  quem  non  ad  amandum  illicit, 
quem  non  ut  se  tui  amore  captum  prodat,  inhortatur?  Huic 
ob  eruditionem  non  uulgarem  moresque  integerrimos  mihi  ca- 
rissimo,  uerum  eo  nomine,  quod  se  Humelbergii  cognatum 
gloriam,  ^  subinde  multo  cariori,  non  potui  non  gerere  morem. 
Boni  igitur  meam  consulito  impudentiam,  qua  ex  sorte  usuram 
me  facturum  nihil  est  quod  dubitem.  Porro  si  tertius  accesserit 
fructus,  hoc  est  si  in  amici  rem  nonnihil  effecero,  Babylona  me 
uicisse,    ut  in  prouerbio  est,  putabo.     Ut  uero  Michael  optime 


1  II.  VIII.  282. 

2  Hesiod.  oper.  208. 

3  J.  Bedrottus,  Mathematiker  und  Gräcist  zu  Freiburg;  cf.  Schreiber, 
Geschichte  der  Universität  Freiburg  I.  87  S.  Der  Lehrer  der  in  dem 
Briefe  erwähnt  wird,  ist  Konrad  Heresbach,  cf.  über  ihn  Schreiber 
a.  a.  O. 

*  Vielleicht  ,qui  quod  gloriatur'. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  nnd  des  HnmanisniTis  in  Schwaben.       1  00 

uoti  ratio  tibi  constet,  audi.  Obtig-it  nobis  tandem  uirgula,  ni 
fallor,  diuina  Graecarum  literarum  professor,  quem  doctiorem 
fideliorem  ne  dicam,  haud  in  procliui  est.  Nos  quominus  occa- 
sionis  neglectae  poenas  aliquando  sumat  poenitentia,  ut  Gazae 
gramraatica  nobis  priuata  opera  enodaret,  impetrauiums  idque 
improbe  adeo  feruens  initio  nos  Graece  discendi  cepit  ^  desi- 
derium.  Sed  quid?  Baetzius  desertor  hastam  abiicit,  a  coepto 
resilit  consilio,  praeceptionura  grammaticarum  (quas  ut  sunt 
subamaras  causatur)  taedium  deuorare  detrectat.  Ad  haec  Musas 
Latinas,  quas  ardentissime  deperit,  infensas  metuit,  si  eum  et 
Graecas  amare  resciuerint,  cum  nusquam  uehementius  cele- 
brentur  quam  si  quem  repererint,  qui  ex  pari  utrasque  uene- 
retur,  tantum  abest  ut  sint  zelotypae.  Amiculorum  bona  pars 
tentauimus,  quo  persisteret,  ne  fugam  capesseret,  uerum  surdo 
fabulam  ceciniraus.  Tu  qui  utraque  lingua  praestas,  citra  pul- 
uerem  efficies,  quod  aliis  äSuvatcv  fuerit.  Proin  per  sanguinem 
illum  auitum,  per  amicitiae  sacra  Baetzium  cohortare,  quo  in 
Graecas  literas  incumbere  non  grauetur.  Indubie  namque  tuis 
eum  iussis  obsecuturum  speramus.  Vide  mi  Michael,  quam 
tenere  amem  candidissimum  amicum,  quem  rebus  suis  con- 
sultum  uelim;  in  quo  si  peccauero,  amori  tribuas  qui  forsan 
plus  aliquando  amanter,  quam  exacte  negotium  expendit.  Tu 
si  uacat,  uel  breuissima  scheda  amicitiam  tuam  testare.  Vale 
in  domino  Jesu,  doctissime  uir.  Ad  lucernam.  Friburgi,  Idibus 
Octobris  MDXXI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   133. 


Eavensburg.  XLIX.  31.  October  1521. 

Michael  Huramelbergius  Jaeobo  Bederoto  salutem  P.  D. 

Literis  tuis,  omnis  elegantiae  et  humanitatis  plenissimis, 
ut  iusta  epistola  nunc  respondeam,  non  uacat.  Occupatior 
namque  sum,  quam  ut  Asiana  copia  uti  queam.  Etsi  negotiis 
non  distringar,  diuexor  tamen  non  parum  timore  inualescentis 
heic    luis.     Idque    adeo    ut    uix    mente    constem,    cu  -(äp   ä7:a0r,c 


'  jCoepit'  die  Hs. 


156  Horawitz. 

•ASpaTwatö?  el\).t,  ut  non  turber  aduersis  rebus,  quamquam  illas  uel 
forti  animo  uidear  sustinere,  timeo  tarnen  nonnihil  caro  huic 
capiti  meo,  quo  inter  res  caducas  nil  pretiosiiis  possideo. 
Proinde  tuae  erit  humanitatis,  boni  consulere  Chilonicam  breui- 
tatem,  quod  si  feceris  me  totum  obstring-es  tibi  et  efficies 
omnino,  ut  tecum  deinceps  sim  copiosior  in  studiosa  hac  ami- 
citia  üostra  obfirmanda,  quae  in  tantum  mihi  grata  est,  ut 
Omnibus  modis  obseruandam  putem.  Accedit  enim  lionori 
meo,  quod  abs  te  amor  et  color,  homine  adeo  candido.  De 
Baetzio  non  est,  cur  timeas  Graeci  exercitus  signa  deserturum; 
adegi  hominem  militari  sacramento,  ut  Graeca  castra  quoque 
dimoueantur  sequatur.  Tu  cnra  ne  inpedimenta,  quae  secum 
uehit  multa,  hominem  remorentur.  Si  plus  aequo  grauant, 
adiuta  illum  ut  commodius  ferat.  Quod  enim  a  duobus  tribusue 
lertur,  leuius  fertur.  Vale  feliciter!  Rauenspurgi  pridie  Kalend. 
Nouerabris  MDXXI.  Domino  Chuonrado  Graeco  interpreti  uestro, 
si  tibi  familiaris  est,  meo  nomine  salutem  dicito,  etsi  hominem 
de  facie  non  norim,  amo  tamen  uehementer  ob  singulai*em 
eruditionem  et  animi  candorem,  quibus  eum  praestare  optimi 
quique  uno  ore  decantant,  si  uidebitur,  insinua  me  in  ami- 
citiani  tuis.    Iterum  uale. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Mouac.  4007,  fol.   135. 


L.  11.  December  1521. 

Michael   Hunamelbergius    Joanni    Lanio    Brigantine   neophilo 

suo  salutem. 

Non  rescripsi  tibi  hactenus  Joannes  studiosissime,  quia  te 
putabam  me  inuisurum  domi  meae,  ut  ex  me  coram  plura  quam 
absens  per  epistolam  cognosceres.  Quod  ut  ocius  faceres,  Gre- 
gorius  Baetzius  non  semel  te  inhortatus  est,  nisi  meo  non  ob- 
temperarit  mandato.  Öed  tu  aduentum  hune  tuum  ea  forte 
causa  differs,  ut  meas  literas,  quas  tantopere  desideras,  prius 
habeas  monumentum  mutui  amoris,  hospitalitiam  tesseram, 
quam  tecum  referens  continuo  a  me  agnoscaris  et  humaniter 
hospitio ,  uelut  uerus  amicus  et  uerus  hospes  suscipiaris. 
Atque    eas    florulentas,    mellitas,    nectareas,    ut   inquis    tu,    ego 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       157 

iieio  nihil  in  illis  tale  agnosco,  quod  adeo  efferendum  sit,  nisi 
amor,  ut  assolet,  uerum  iudicium  praeuortat.  Non  tanti  ingenii 
sum,  ut  quidpiam  possiin,  ob  quod  clarissimis  illis  lieroibus, 
abs  te  nuper  recensitis  comparari  debeam.  Non  numen  sum ; 
quid  igitur  me  immortalibus  aequas?  Utut  tarnen,  si  quid  sum, 
id  omne  gratia  Dei  sum.  Huic,  non  mihi  tribuendum,  quidquid 
usquam  in  me  boni  est;  nam  huius  solius  beneficio  praestamus, 
si  modo  uel  ingenio,  uel  eruditione  aut  etiamnum  animi  candore 
praestamus.  Ne  multa,  quamquam  fortassis  etiam  unice  optas  et 
maxime  eodem  genere  scripti,  quo  tu  me  primum  salutasti,  nempe 
ligato.  Sed  uideris  mihi  e  pumice  aquam  postulare,  si  ea  a  me 
exigis,  qai  ipse  sitio,  et  quorum  prorsus  inops  sum.  Qui  enim  car- 
mina  scriberem,  quem  Musae  iam  olim  destituerunt  atque  adeo,  ut 
ne  soluta  quidem  oratione  feliciter  aliquid  possim?  Tamen  ausim 
per  locum,  uel  illis  inuitis,,  uno  et  altero  uersiculo  colophonem 
addere  epistolio: 

Xs'.paYpa,  ne  tibi   seribantur  nunc  plura  uicissim 
Causa  est,  nam  molles  comprimit  articulos. 
Vale  feliciter  et  me  ut  coepisti  pergas  uelim  amare  sincere. 
V.  eid.  decembr.  MDXXI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.    134b. 


Freiburg.  LI.  15.  März   152-2. 

Conradus  Hirtzbaehius  Michaeli  Hummelbergio  suo  salutem. 

Ne  ego  homuncio  tibi  uidear  uel  ambitiosulus  uel  in- 
signiter  audaculus,  qui  sie  a-j-oixixMc  scribere  ausus  sim  ad  te, 
uirum  cum  eruditum  tum  auctoritate  non  leuem,  praesertim 
nee  facie,  ut  dicitur,  nee  fama  nee  alia  quauis  ratione  tibi 
notus!  Sed  ignoscis  sat  scio,  quae  tua  est  toties  mihi  praedicata 
humanitas,  siinul  atque  cognoueris  me  nulla  huc  nee  ambitione 
nee  gloriola  permotum ;  sed  fama  primum  nominis  tui,  deiude 
efflagitationibus  Joannis  Baetzii  modo  modo  compulsus,  nempe 
hominis  mihi  ob  eruditionem  haud  quaquam  uulgarem  moresque 
castissimos,  ut  qui  assiduam  nobis  in  Graecis  autoribus  operam 
impendit,  uehementer  caro.  Quamquam  mihi  tu  iampridem 
atque    adeo    puero    eruditionis  insignis  atque  probitatis  nomine 


lOö  Horawitz. 

et  notus  fueris  et  ambiendus  uidebaris  et  talis,  breuiter  cui 
animura  beneuolentem  declararem,  usque  adeo  tarnen  2y.vir)pö(; 
ad  scribendum  esse  consueui  ut  uix  necessariis  scribere  libet. 
Accedit  huc^  quod  cum  oiixoc,  b  Yp5'-[j.[j.aT056poc  has  a  me  extor- 
queret,  eodem  momento  et  Erasmi  et  Buschii  ad  nie  adlatae 
sunt  literae  et  quibus  iz,  ajj-ayavwv  (?)  respondendum  erat.  Proinde 
tu  iam  hanc  Laconicam  nostram  epistolam  öu  tiOsso.  Scribam  ad 
te  alias  copiosius  et  fortassis  accuratius,  ubi  plus  otii  nactus 
fuero.  Interim  uale  musice,  /.ai  -rbv  TrpociptAeovTa  [xyj  dTiößaXXs,  ouSev 
yap  TCept  zXeovo?  £7uoir/(7ä|Ay]v,  vj  uto  avSpb(;  xotoDBs  avTisiXstaOai.  Daaiv 
l'ppwco.  Friburgi  XV.  Martii.  Salutat  te  Caspar  Ursinus  Uelius,  ^ 
qui  iam  bimestri  fere  hie  apud  nos  degit. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  137. 


LH.  12.  April  1522. 

Michael  Huramelbergius  Conrad©  Hirtzbaehio  Salutenx. 

Literae  tuae  longe  omnium  elegantissimae  tandem  mihi 
sunt  redditae,  quibus  certe  uerum  agnosco,  quod  toties  de  te 
praedicauerat  Baetzius  6  i]xoc,  (juyysvy)?,  <J0?  Ss  [xaOrjTYjc:  nempe  te 
hominem  esse  candidum,  eruditum  et  breuiter  omnium  Gratiarum 
et  Musarum  dotibus  praeditum,  cui  nunc  uel  tuae  literae  affatim 
suffragantur.  Tam  singularem  enim  modestiam  et  praecipuum 
aninii  candorem  praeter  insignem  eruditionem  prae  se  ferunt, 
ut  te  nisi  humanuni  et  sincerum  pieque  doctum  et  facundum 
hominem  non  possim  iudicare.  Si  enim  auis  agnoscitur  cantu 
(quod  nostrates  dicere  solent),  maxime  etiam  ex  literis  suis 
homo  quippe  ueram  animi  imaginem  exprimentibus.  Praeterea 
Tr;v  xaAYjv  ez'.UToXriV  ccj  w;  xv/,\j.r0O^>  ~r^c,  z.^hc  Y)|j,ac  cptXi'ac  et  carum 
margaritum,  quoad  uiuam,  adsei'uabo,  amplexabor  subinde  et 
exosculabor,  animi  tui  beneuolentis  mihi  pignus  et  monumentura. 
Non  peius  illas  tractauero  atque  eruditissimi  communis  amici 
nostri  Casparis  Velii  literas.  Quasquas  bonus  ille  Romam  mihi 
olim  tramisit,   huc   per   tantum    iter   mecum    allatas,    adhuc   et 


'  Caspar  Ursinus  Velius  wurde  am  1.  Februar  1522  als  Dbctor  und  Cano- 
nicus  von  Breslau  immatriculirt.  (Freiburger  Matrikel.) 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       159 

habeo  et  ueneror  wc  [j.vr,[j.:<;'jvjv  adeo  cari  sodalis,  ne  sui  me 
putet  oblitum;  altius  illum  corculo  meo  suffixi  quam  ut  ulla 
obliuio  possit  auellere.  Ne  plura.  Nolim  importunus  rem  seriam 
ag-euti,  hoc  est,  utriusque  linguae  praelectionibus  occupato  plus 
nimio  obstrepere.  Tu  hoc  certo  persuasum  habe,  me  totum 
quidquid  sum  tuum  esse  atque  nunquam  non  fore  nominis  tui 
et  dignitatis  et  honoris  egregium  adsertorem  et  uindicem, 
modo  simul  pergas,  ut  coepisti,  me  uere  et  arcte  redamare,  ac 
oblectare  interdum  suauissimmis  literis,  quod  uicissim  me  fac- 
turum  recipio.  Dominum  Casparem  Velium  cum  ueterem  tum 
praecipuum  amicum  meum  saluere  plurimum  iubeo,  si  adhuc 
uobiscum  agit,  fac  sciam;  scribam  illi  mei  amoris  constantiam. 
Joannen!  Baetzium  tibi  unice  commendo;  quae  ad  illum  de 
rebus  Lutheranis  nonnunquam  scribo,  tibi  communia  esse  uelim 
omnia  atque  uicissim  de  Erasmicis  ut  cum  illis  conueniant 
abs  te  audire  uehementer  cupio  v.a\  outw  -/.aXGx;.  Vale.  Pridie  eid. 
April.  MDXXII. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  137. 


Ravensburg.  LIII.  October  (?)   1522. 

Michael  Hummelbergius  Joanni  Baetzio  salutem  suam. 

Tandem  post  abitum  tuum  redditae  sunt  mihi  N.  literae. 
Dens  bone,  quam  elegantes,  quam  eruditae!  Non  arbitrarim  uel 
Huguicionem  uel  Papiam  uel  denique  Graecissam  •  aut  quen- 
cunque  alium  ex  hoc  doctorum  ordine  politius  scribere  po- 
tuisse.  Habet  passim  selectissima  uerba  et  sententias  praegnan- 
tissimas,  nusquam  non  fluit  ex  ore  Musarum  dulcis  illius  oratio. 
Quid  multa?  deficiet  me  dies,  si  illius  flores  recensere  per- 
rexero.  Utinam  frequens  ad  te  scriberet,  ut  haberes  quem  in 
scribendis  epistolis  feliciter  imitareris.  Quid!  tun'  rides?  ego 
uero  serio,  non  ioculo  scribo;  sed  tarnen,  ut  ingenue  fatear, 
nullo  iudicio  nisi  forte  eo,  quo  male  feriati  homines  tersum  et 
doctum  iudicant,  quidquid  non  intellexerint.  Et  ego  dispeream, 
si  uel  unam  lineam  N.  literarum  intelligam,  adeo  obscurus  est, 


'  Lehrbücher  der  alten  Schule. 


160  Horawit«. 


ut  qui  obscurissimus  et  qui  Delium   suffocaret  natatorem.  Vale. 
E  niuseo  nostro.  Rauenspurg^i  MDXXII. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   140b. 


Ingolstadt.  LIV.  6.  November  1522. 

Joannes  Alexander  Brassicanus  Michaeli  Hummelbergio 
Rauenspurgensi  suo  salutem.  ^ 

Ego  uero  Michael  aniantissime  plane  sira  /.uvwto;?  ille 
Homericus,  qui  nulla  apud  te  excusatione  utor,  niminim  quem 
tarn  diuturno  silentio  praeterierim,  quam  non  ferre  queat 
Angeronae  -  mysta  quispiam  aut  Harpocratis  familiae  deuinc- 
tissimus,  cuius  equidem  si  me  reum  agis  forum  non  declino, 
uerum  ad  eruditissimam  tuam  modestiam  ac  modestissimam  eru- 
ditionem  prouoco,  ad  quam,  ut  augnror,  apostolos  non  abnues, 
nam  ita  me  superiori  anno  quaedam  Ata  sursum  atque  deorsum 
uoluit,  ut  mei  iam  memiuisse  non  potuerim  et  hac  sane  ratione 
omnium  amicorum  memoria  mihi  pariter  exciderit.  Porro  iam 
ösbi;  axb  irr]y3:v^(;  iizin^ccidq  me  tranquillitati  literariae  pulchre 
restituit.  Diis  sit  gratia,  qui  me  tandem  Ingolstadium  ex  illa 
T.  campo  maleuolentiae  promouerunt.  ^  Profiteor  hie  elegan- 
tissima  quadam  harmonia  Graeca  cum  Latinis,  honorifico  p.ä  xbv 
Aia  salario  ac  auditorio  mire  celebri,  unum  optauerim  tanta 
cum  fruge  quam  inaestimandis  sudoribus;  nam  et  hoc  Theodorus 
quidam  grammaticus  apud  Plutarchum  conquaeritur,  se  uide- 
licet  auditoribus  uei'ba  dextra  manu  porrigere,  ipsos  uero  sini- 
stra  recipere.  At  breui  dabitur  hie  in  sublimiorem  cathedram 
couscendere;  neque  enim  me  frustra  iureconsultorum  collegium 
hie  doctoratu  LL.  exornauit,  ut  habeant  qui  paulo  Latinius  ac 
per  hoc  longo  penitius  iurium  scita  possit  enarrare. '  Quod  si 
Christus  aderit,  cuius  praesidio  molimur  quidquid  recte  tandem 


'  Der  ganze  Brief  ist  in  der  Handschrift  durchstriclien. 

2  Angerona,  die  Göttin  der  Angst. 

3  Ist  wohl  Tübingen  gemeint. 

*  Ueber  Brassicanus'  Ingolstädter  Aufenthalt,  der  nicht  seinen  Erwartungen 
entsprach,  sielie  Prantl,  Geschichte  der  Ludwig  Maximilians-Universität. 
I.  208  ff. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  HnmanismuR  in  Schwaben.       161 

auspicamur,  habebis  olini  e  iureperitis  non  infimum  professorem 
tuum  Brassicanum.  Sic  enim  mihi  subiude  cristas  erig-it,  tametsi 
nihil  tale  merito  CL.  meus  Cantiuncula  '  uostri  saeculi  iure- 
consultorum  primas.  Ad  quem  nuper  g-ustum  aliquem  dedi 
mearum  epiphyllidum  in  quosdani  tc  locos,  incitatus  hue  et  a 
Budaeo  et  ab  Alciato  nostris  Papinianis,  aut  si  quod  magis 
excelsum  ac  aeque  honorificum  in  illos  dici  potest.  Illorum  si 
non  exprimo,  tarnen  uestigia  semper  adoro.  Tuum  erit  interea, 
mi  Michael,  olim  iani  feliciter  incepta  famih'arite  me  perpetuo 
prosequi,  eg-o  enim  amo  te,  ut  qui  maxime,  quemadmodum  et 
eruditio  tua  et  uitae  singularis  integritas  iure  quodam  suo  sibi 
uindicant.  Bene  uale  ac  uel  paucis  scribe,  quo  tuum  hunc 
insignem  in  me  ardorem  nondum  elanguisse  liquido  sentiam. 
Saluta  fratrem  tuum  D.  Gabrielem  ad  quem  breui  scribam; 
nam  isto  tempore  praelectionum  publicarum  onus  istuc  im- 
pediuit.  Ingolstadii.  Anno  a  nato  Jesu  MDXXII.  IXbris  die.  VI. 
Fol.   141. 

Ravensburg.  LV.  13.  December  1522. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis   Joanni   Alexandro 
Brassicano  poetae  et  iure  consulto  S.  S. 

Diutinam  istam  tuam  xr.pcart^'opix/  non  tam  grauatim  et 
moleste  fero,  quam  tu  forte  arbitraris,  lampridem  id  animad- 
uerti  te  LL.  (legum)  studia  amplexum  esse  atque  adeo  ardenti 
animo,  ut  prae  nimia  in  illis  exercitatione  et  diligentia  uix 
tantum  otii  tibi  fuerit,  ut  tui  ipsius  memineris,  nedum  mei 
aliorumue  amiculorum.  Unde  merito  debitam  studiis  et  sudo- 
ribus  tuis  lauream  tandem  assecutus  es,  quam  et  ego  pro  mea 
erga  te  beneuolentia  tibi  unice  gratulor  atque  id  meo  quodam 
iure.  Quum  enim  te  ob  felix  illud  iogenium  tuum  et  faustum 
meliorum  literarum  Studium  uere  amare  occoeperim  neque  tu 
interim  tibi  unquam  defueris,  sed  semper  rem  strenue  gesseris, 
ut  inprimis  te  decuit,  nunquam  ardens  erga  te  amor  meus 
deferbuit,  nunquam  elanguit.     Sed  qualis  principio  eoepit,  talis 


'  Ueber    Caatiuucula    erscheint    demnächst    ein    Werk    von    Ri viere    in 

Brüssel. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hiHt.  Ol.  LXXXIX.  Bd.  1.  Hft.  11 


162  Horawitz. 

esse  perseuerauit,  touto  iaitv  totus  sincerus,  totus  candidus.  Quod 
ut  tibi  gratum  est,  ita  mihi  iucundum  uicissim,  te  raei  non 
omuino  esse  oblitum.  Vale  Brassicane  amantissime  et  si  me 
amas,  imo  si  Christum,  faue  ex  animo  herbescenti  eins  euan- 
gelio  ac  adorato  numine  precare,  ne  zizaniorum  praetextu  im- 
pie  eradicetur  frumentum.  Noli  obsequi,  si  qui  abuti  uelint  tuo 
ingenio  et  stilo,  ne  cum  illis  Barabam  libertati  donare  et  Chri- 
stum cruci  suffigei'e  uidearis.  llaXtv  sppw^o.  Kauenspurgi.  Eid. 
Xbris.  An.  MDXXII. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   141. 


LVI.  1523. 

Joannes  Sapidus  '  Michaeli  Hummelbergio  S.  S. 

lucredibile  est,  quantum  ego  gratuler  silentio  erga  te  meo, 
quod  quo  magis  fuit  longum  ac  mutum,  hoc  plures  abs  te  mihi 
literas  extudit;  scripsisti  semel  Roma  ad  me,  accepl  iam  plus 
minus  tres  epistolas  istinc  ad  nos  missas,  in  quibus  omnibus 
ueteris  amici  animum  ita  agnoui,  ut  nihil  unquam  maiori  uo- 
luptate.  Decretum  erat  mihi  perpetuo  silere,  quod  uidebar 
facturus  magno  meo  commodo;  amicorum  enim  officia  omnibus 
anteponenda  puto,  sed  suspicio  mutati  mei  in  te  animi  insti- 
tutum  non  permisit,  ut  quam  tu  ex  eo  induere  potuisses,  esto 
rusticitatis  fuisset.  At  illud  idem  quauis  ciuilitate  mihi  quoque 
potius  fuisset;  nam  fieri  potest,  ubi  has  nugacissimas  nugas 
legeris  meque  adeo  tibi  prodidero,  desines  tandem  Sapido 
scribere,  desines  eum  aliquid  esse  putare,  et  quod  magis  timeu- 
dum,  des  inesforte  amare.  Vide  in  quot  discrimina  mos  suspicioni, 
quam  dixi,  gestus  me  adducit.  Attamen  quoeunque  modo  pecca- 
uero,  scio  te  aequo  me  animo  excepturum  siue  tacuero,  siue 
respondero ;  ita  enim  mihi  perspecta  est  tua  humanitas,  ut  nihil 
aeque.  Iam  puer,  qui  mihi  per  literas  tuas  tanta  diligentia 
commendatur,  sentiet  Hummelbergium  apud  Sapidum  plurimum 
ualere.  Christo,  cuius  me  (qui  tuis  est  spiritus)  mones,  ita  me 
dedicaui,  ut  nullus  casus  unquam  auellere  possit.   Credere  non 


'  Der  bekauute  Öclilettstädter  Schuhuauu. 


Aiialecten  znr  Geschichte  der  Reformation  uml  des  Humanismus  in  Schwaben.       163 

potes,  quot  inimicos  mihi  pepererim  euang-elii  causa,  quantum- 
que  dispendii  perpessus  sim;  non  possem  sustinere,  nisi  scirem 
rem  christianam  non  aliter  constare.  Eg-o  Christi  ero,  donec 
uixero,  nisi  is  me  non  uelit,  quod  auertat,  suum  esse.  Pluribus 
agere  iam  non  licet  posthac  forte  licebit.  Vale.  Saluta  fi-a- 
trem  tuum  Gabrielem  et  Joachimum,  homines,  nt  audio  ut 
integerrimos  ita  quoque  doctissimos.  MDXXIII. 

Folio   142  b. 


Ravensburg.  LVII. 


152.S. 


Michael  Hummelbergio  Rauenspurgensis  Joanni  Sapido 

Selastadiensi  S.  S. 

Miraris,  scio,  quod  quum  iam  binas  abs  te  literas  recepe- 
rim,  tibi  ne  unas  quidem  rescripserim.  Sed  desines  mirari,  si 
iam  intellexeris,  primum  ob  tabellariorum  penuriam,  dein  ob 
negotiorum  turbam  non  licuisse  tibi  respondere ;  porro  quid  tum 
neglectum  fuit,  nunc  resarcietur.  Ut  tu  pulchre  silentio  tuo 
gratularis,  quod  quo  magis  diuturnum  fuerit  eo  plures  a  me 
impetrarit  epistolas,  ita  uicissim  ego  loquentiae  fnam  eloquen- 
tiam  meam  nullam  agnosco)  non  minus  gratulor,  quae  id  effecit, 
ut  mutum  redderet  uocalem  et  (quod  ioculo  dicam)  ex  rusti- 
cano  ciuilem  faceret  hominem,  qui  non  amplius  sinistra  neglectae 
amicitiae  suspicione  premi  se  pateretur,  sed  consulto  tandem 
quid  erga  ueterem  amicum  animi  gereret,  palam  proderet  aman- 
tissimisque  literis  suam  in  amando  constantiam  atque  candorem 
testaretur.  Quod  ut  benignum  ita  necessarium  fuit,  quum  ami- 
citias  magis  dirimat  nihil  f,  [xa/.pa  a-poc-/]Ycpix,  magis  seruet  nihil 
Y^  äy.pa'.c;v)^c  y.a-.  Qxi).r,q  aaizcncii^c.  Quamquam  haec  nostra  tam  alte 
suas  egerit  radices,  ut  nulla  cuiusuis  rei  iniuria  euelli  eradi- 
cariue  queat.  Praeterea  non  est  cur  timeas,  ut  lectis  tuis  nugis 
(quod  ipse  inquis  nimium  candide)  desinam  Sapido  scribere, 
desinam  eum  aliquid  esse  putare  et  fors  desinam  amare  etiam, 
quanto  enim  crebrius  adeo  eruditas  nugas  mihi  communicaueris, 
tanto  officiosius  rescribam,  tanto  pluris  te  f'aciam,  tanto  artius 
et  sincerius  te  mutuo  amore  prosequar.  Nulla  re  magis  grati- 
ficari  mihi  absens  poteris,   quam  si  frequenter  ita  probe  mecum 

11* 


164  Horawitz. 

per  literas  nugatus  fueris,  quibus  te  ceu  praesentem  iucundis- 
sime  colloqui  putabo  et  cum  te  coram  obuiis  ulnis  suscipere  et 
amplecti  exoscularique  non  liceat,  licebit  tarnen  hoc  officio  animi 
tui  imagiiiem  amantissimam  aliquam  epistolam  tuam  obseruare 
colei'e  et  uenerari.  lam  quod  pueros  meo  hortatu  amanter  am- 
plecteris,  habeo  gratiam  optime  Sapide.  Quod  Christum  sequeris 
et  reflorescentem  euangelii  doctrinam  puellos  tuos  edoces  et 
apostolica  dogmata  pure  et  sincere  profiteris,  est  mihi  iucundis- 
simum.  Non  parum  refert,  quibus  institutis  primam  aetatulam 
formaueris.  Nihil  adeo  haeret  animo,  ut  quod  primis  annis  im- 
bibitum  fuerit.  Si  qui  in  ueros  christianos  euasuri  sunt,  ut  a 
cunabulis  xal  twv  ä-KaK&'i  ovuywv  Christum,  in  cuius  uerba  ev  xw 
Xouipw  -(x'ki-^yE'^eaiaq  iurarunt,  agnoscant  necessum  est.  Nullo 
beneficio,  mihi  crede,  plus  tibi  Christum  demereri  poteris,  quam 
si  innocentem  adhuc  iuuentam,  quam  ne  ipse  quidem  Christus 
in  terris  conuersatus  dedignatus  est,  iuxta  christiana  id  est 
euangelica  Trapaoo^a  diligenter  et  sancte  institueris,  ut  non  mun- 
dum  sed  deum  discat  amare  et  timere.  Haec  autem  quum 
feceris,  amabiiis  deo,  mundo  uero  eris  odibilis,  qui  te  nunquam 
non  prosequatur.  Sed  confide  et  auimosus  atque  fortis  esto. 
Uiuit  adhuc  Christus,  qui  prior  aduersantem  mundum  sustinuit 
et  uicit.  Sustinebis  et  tu  atque  sane  in  ipso  simul  uinces.  Pecu- 
liaris  in  hoc  saeculo  christianorum  crux  et  tribulatio  et 
persecutio  nee  aliter  haec  sacra  constant.  Sed  beati  praedicantur 
Interim,  qui  persecutionem  patiuntur  propter  iustitiam,  et  con- 
solantur  praeterea,  quod  ipsorum  sit  regnum  coelorum,  in  quo 
multam  recepturi  sint  mercedem.  Non  curae  sit  igitur,  si  euan- 
gelii causa  multos  tibi  pepereris  hostes.  Praestat  uel  unum  solum 
DEVM  habere  fauentem  quam  mundum  uniuersum.  Potis  est 
Christus  te  strenue  tueri,  modo  constanter  et  uere  illi  confidas. 
In  huius  itaque  pace  et  caritate  cum  fide  feliciter  ualeas  et 
me  ut  fratrem  carissimum  mutuiter  amare  pergas.  Rauens- 
purgi.  '  An.  MDXXIII. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Mouac.  4007,  fol.   142f. 


1  ,ante  Kai.'  Husgestrichen 


Änalecten  zur  Geschichte  der  Keformation  und  des  Hnmanismus  in  Schwaben.       185 

C OD  stanz.  LVIII.  18.  September  15'23. 

Ambrosius  Blaurerus  '  Michaeli  Hummelbergio  saltitem  suam. 

Accepi  literas  tiias,  ornatissime  Michael,  quae  cum  mihi 
alioqui  non  possint  non  esse  gratissimae,  quippe  diu  multum- 
que  desideratae,  tarnen  hoc  nomine  non  paulo  tum  gratiores 
tum  iucundiores  fuere,  quod  Thomae  -  nostri  Hteris  comitatae 
uenerunt;  eas  nondum  resig-naui,  quod  mater,  cui  inscriptae 
sunt,  non  sit  domi;  sed  interim  tarnen  dum  illa  redeat,  tuis  me 
lubenter  oblecto,  in  quibus  illud  uehementer  demiror,  cur 
ipse  mireris,  quo  consilio  frater  mulieres  plus  satis  curiosas, 
tibi  potius  quam  mihi  commonendas  erudiendasque  commiserit, 
ceu  uero  tu  non  longo  sis  et  doctior  et  ad  docendum  appositior 
quam  ego.  Mihi  crede,  non  fallitur  iudicio  frater,  nee  ignorat, 
quot  hie  me  parasangis  praecurras,  pariter  quam  reddatur  etiam 
illis  ex  quotidiano  conuictu  diluta  mea  auctoritas.  Ad  haec 
subolet  illi  et  aliud  quiddam,  nempe  huius  me  curiositatis 
autorem  esse,  ac  illas  me  subornasse,  ut  istiusmodi  anxie  quae- 
rerent,  cum  nihil  fecerini  minus.  Quin  etiam  mater  et  soror 
non  sua  sed  aliorum  causa  (qui  undecunque  possunt  calumniandi 
materiam  praecerpunt)  diligentius  erudiri  uoluerunt.  Porro  quid 
responderit,  multis  paginis  certiorem  te  propediem  faciemus. 
Gratiam  tibi  habeo,  quod  tuam  etiam  epistolam  miseris,  eam 
remittam.  ubi  post  dies  aliquot  in  tabellionem  quempiam  in- 
cidero.  Uidisti,  puto,  miracula  nonnulla,  quae  suffraganeus  noster, 
factitius  ille  episcopus  inuolganda  curauit;  huic  ficto  titulo 
Philadelphus  quidam  Rhegius  obiter  respondit.  Nihil  praeterea 
noui  est  apud  nos,  quod  quidem  scire  te  magnopere  referat. 
Vale  in  Christo  Jesu,  cui  rae  piis  ac  sedulis  uotis  commenda. 
Salutant  te  mater  et  soror  exspectantes,  ut  iniunctum  tibi  a 
Thoma  munus  diligenter  et  grauiter  obeas.  Plnra  non  possum, 
nisi  ut  tibi  persuadeas  me  tui  longe  studiosissimum  esse,  nee 
quenquam  me  perinde  suspicere  et  uenerari  atque  Hummel- 
bergium  meum.  Ex  Constantia,  XIIII,  Calend.  Octobr.  Anno 
MDXXIIL 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007. 

'  Der  bekannte  Reformator. 
2  A.  Blaurer's  Bruder. 


166  Horawitz. 

Ravensburg.  LIX.  30.  November  1523. 

Michael  Hummelbergius  Osualdi  Uliano  salutem. 

Rogo  me  certiorem  facias,  quid  per  Musmannum  ad  te 
atque  Philippum  '  scripserit  Philophoebus.  Sic  se  quidam  apel- 
labat  homo  uanissimus,  qui  mensibus  aliquot  aduersa  laborans 
ualetudine  patre  tuo  usus  est  medico.  Sed  ut  scias,  quid  hominis 
fuerit,  audi.  Quum  huc  uenit,  pro  doctore  legum  et  laureato 
poeta  se  palam  uendidit  et  a  multis  (non  audeo  dicere  ignauis) 
talis  habitus  est,  nimirum  quod  Latine  calleret  satis  Latialiter  et 
aliquando  uersus  faceret,  Graeceque  et  Hebraice  se  nosse  aliquid 
iactaret ,  quod  et  harum  literaruni  rudibus  facile  persuasit. 
Venerat  iam  plerisque  in  admirationem  ob  magnas  de  se  iac- 
tatas  glorias.  Lutheri  atque  Melanchthonis  non  uulgarem  con- 
suetudinem  praedicabat,  mirum  in  modum  gestiebat,  quum  se 
in  quadani  legatione,  quam  Pragam  dux  Fridericus  destina- 
uerat,  non  postremum  fuisse  reeitabat.  Id  autem  eins  legationis 
fuisse  consilium,  ut  Bohemos  suorum  errorum  redargutos  Luthe- 
rana et  uere  christiana  dogmata  erudirent,  quod  et  adprobe 
effecerint.  Asseuerabat  se  cum  nescio  quibus  uariarum  lingua- 
rum  eruditis,  qui  istic  essent,  biblia  noua  Latina  donasse 
colonia  feliciore  Hieronymiana.  Quid  multa?  me  dies  deficeret, 
si  omnes  glorias  eins  recensere  uellem,  et  quorum  excellentium 
uirorum  usus  esset  amicitia  et  tamiliaritate ;  nullus  eruditorum 
usquani  est,  quem  non  noscitet,  non  suum  appellet,  licet  nun- 
quam  uisum.  Ego  quum  Uberlingii  facta  uindemia  (eo  tempore 
huc  uenerat)  domum  rediissem,  me  multi  compellabant  horta- 
banturque,  ut  tanti  politiorum  literarum  herois  amicitiam  am- 
birem,  arbitrati  multum  decoris  ex  illius  commercio  mihi 
accessurum,  utpote  hominis,  quem  omnes  ob  multiiugam  eru- 
ditionem  suspicerent  et  admirarentur  quod  omnino  beatus  forem 
eius  congressu.  At  quanto  magis  illum  mihi  praedicabant,  tanto 
suspectior  esse  coepit  iactata  eruditio  et  simulati  mores.  Gerte 
ego  exosus  petulantem  arrogantiam,    ne  uerbulo  hominem  allo- 


'   Offenbar  Melanchthon. 


Aoalecten  zur  Geschichte  der  Beformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       1  67 

qui  uolui,  arbitratus,  quod  res  erat,  suis  praestig-iis  prorsus 
fascinasse  illos  laudatores  suos,  iit  probuin  uirum  erederent, 
qui  intus  et  in  cute  nequam  esset.  Nee  me  raeum  fefellit  arbi- 
trium,  qui  alias  uel  meo  periculo  cum  apud  Parisios,  tum  apud 
Romanos  huiuscemodi  impostores  noscere  didici.  Atque  hinc 
primum  Philophoebi  fraudem  agnoui.  Videram  apud  Joannem 
Geldrichum  epigrammata  quaedam,  quae  ille  suo  praescripto 
nomine  sibi  ipsi  tribuerat,  ego  uero,  quum  ante  omnes  aliquot 
typis  procusa  legissem  agnosceremque  uerum  et  genuinum 
eorum  autorem,  risi  primum  stultum  facinus  moxque  frontem 
caperans  detestatus  sum  insignem  plagiarium,  ratus  etiam  scele- 
ratiora  andere  tantum  nebulonem  ac  tacito  in  sinu  gaudens, 
quod  hominis  congressum  euitassem,  per  ludum  atque  ioeum 
hoc  de  ipso  feci  epigramma,    Thomam  Morum    alicubi  imitans. 


In  Philophoebum  ueterum  integra  carmina 
suffurantem. 

Qui  fuit  antiquis  animus,  qui  spiritus,  idem 
Est  quoque  donatus  nunc  Philophoebe  tibi. 

Saepe  etenim  uersus  et  carmina  ludis  amoena, 
Quae  tibi  praescripsit  uir  Philophoebe  bonus. 

Porro  cum  iam  conualuisset  et  patri  tuo  ac  Victori  aro- 
matario  nee  non  et  aliis,  qui  uictum  ministrassent,  satisfacien- 
dum  foret,  ille  autem  ne  obolum  quidem  haberet,  quo  uel  restira 
emeret,  aliam  commentus  est  technam,  ut  non  istos  tantum, 
sed  adhuc  alios  falleret  et  sibi  uiaticum  pararet.  Affinxit  se 
sacerdotiorum  impetrandorum  causa  Romanensem  legatura  (qui 
Constantiae  Christum  cum  altaribus  uendere  dicitur)  aditurum, 
rediturum  uero  post  triduum.  Ad  eam  siquidem  adornandam 
profectionem  a  quibusdam  male  prudentibus,  quidquid  clinodio- 
rum  potuit,  commodato  accepit.  Conduxit  et  equum,  ut  doctor 
scilicet  abequitaret,  quamquam  pedes  huc  uenerit ;  quumque 
tandem  ad  iter  se  accinxisset,  non  eam,  quae  Constantiam  ducit, 
sed  aliam  ingressus  est  uiam  et  tuto  abiit,  rediturus  ad  Latinas 
neomenias  atque  sie  nostros  sibi  fidentes  belle  delusit  purus 
putus  impostor.     Fugitiuum   alio    epigrammate  sum  insectatus : 


168  Horawitz. 

In  quendam  nebulonem,  qui  ab  animi  candore  se 
Philophoebum  falso  adpellitabat,  quandoquidem  ab 
impostura  et  furacitate  Hermophili  nomen  magis  con- 

uenisset. 

Clara  geris  frustra  nebulo  cognomina  Phoebi 
Meute  carens,  ideo  nee  Philophoebus  ei*is. 

Sed  quia  multorum  res  surripis  et  fugis,  inde 
Conuenit  ut  nomen  Hermophili  teneas. 

Hoc  ipsum  meum  imitatus  Egellius  meus  Orestes  aliis 
uerbis  sie  expressit: 

Quidam  se  tumidus  Philophoebum  dicere  gestit 

Infenso  prorsus  numine  Phoebe  tuo. 
Sed  quia  consueuit  res  tollere  dehinc  fugitare. 
ludice  me  uerus  dicitur  Hermophilus. 

Praeterea  fluxarum  rerum  damna  ferri  possent,  nisi  malus 
rei  euangelicae  intulisset.  Quum  enim  Lutheri  atque  Melanch- 
thonis  amicitiam  perpetuo  iactasset  et  se  publice  uoluisset 
Lutheranum  adpellari,  quod  probier  esse  inde  crederetur,  effecit, 
ut  nunc  pessime  hie  audiant,  quicunque  Luthero  et  euangelio 
fauere  pergunt,  quasi  omnes  hi  eiusdem  sint  farinae.  Palam 
igitur  in  angulis  obloquuntur  hypocritae  et  pro  sacris  etiam 
nostris  quiritantur  parochi,  populum  non  ad  Christum  adduci, 
sed  ad  orcum  abduci  a  Lutheranis ;  quales  enim  sint,  qui  Lu- 
theri doctrinam  foueant,  iam  furacem  et  fugitiuum  Philophoebum 
prodidisse  et  ab  hoc  uno  reliquos  uolunt  cognosci  omnes. 
Mirum  quod  non  etiam  reliquos  apostolos  omnes  proditionis 
accusant,  quum  ex  illorum  ordine  scelestissimus  Judas  Iscariotes 
Christum  dominum  prodiderit  et  Judaeis  uili  argento  uendiderit. 
Sed  quid  te  moror  his  nugis.  Profecto  non  erat  animus,  quid- 
quam  eius  rei  ad  te  scribere,  nisi  illum  nescio  quid  literarum 
ad  te  et  Philippum  dedisse  nunc  primum  obfecissem.  Tu  boni 
consule  loquacitatem  meam,  nisi  enim  te  ex  animo  diligerem, 
non  tam  libere  tecum  agerem.  Vale.  Kauonspurgi,  pridie  Cal. 
Xbris  MDXXHI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   149  f. 


Analecten  zur  Geschiebte  der  Reformation  nnd  des  Hnmanismns  in  Schwaben.       169 

Ravensburg.  LX.  23.  Februar   1524. 

Michael  Humm eiber gius  Thoraae  Blaurero  Constantiensi 

salutem  suam. 

Tametsi  frequenti  scriptione  sua  mihi  affatim  satisfaciat 
Menlishoterus  meus,  nescio  tarnen  quam  uolupe  foret  cordi  meo, 
si  tuas  etiam  crebrius  legerem ;  nosti  quam  oblectet  res  eadem 
si  diuerso  fuerit  adornata  habitu.  Profecto  mihi  iucundae  sunt 
Menlishoferi  literae,  quia  simplices  et  candidae,  tuae  uero 
omnium  iucundissimae,  quia  ultra  insignem  candorem  etiam 
pietati  coniunctam  habent  eruditionem,  eas  tarnen  abs  te  mo- 
leste  extorquere  non  ausim,  quandoquidem  non  ignoro  te  plerum- 
que  seriis  studiis  occupatum,  a  quibus  te  distrahere  piaculum 
fuerit,  unde  malim  me  prorsus  negligi,  quam  te  grauioribus 
studiis  toto  animo  non  intendere.  Satis  est  mihi  undique  laudata 
animi  tui  sineeritas  et  constantia.  Pro  qua  si  interdura  etiam 
scripseris,  maxime  quum  ab  urgentioribus  negotiis  feriatus  fueris, 
gratum  erit  mihi,  sin  minus,  non  erit  ingratum.  Amicorum  omnia 
susque  deque  et  aequanimiter  ferens  sioa  £u  iiOscOa'.  et  fre- 
quens  colloquium  et  diutinum  silentium.  Ceterum  gaudio  et  non 
mediocri  uoluptati  est  mihi  xa  r.spi  cou  e.hvjyßc  iyv.v.  Bono  esto 
animo,  iunget  tibi  stabili  connubio  coniugem  commodam  Deus, 
cui  hoc  negotii  commendasti,  si  quidem  non  libidinis,  sed 
sobolis  procreandae  causa,  nuptias  afFectas.  Atque  utinam  uxo- 
rem  assequaris  dignam  tuis  moribus,  hoc  est  modestam,  sobriam, 
castulam,  in  Omnibus  fidam  et  deum  timentem,  tibi  etiam  reue- 
renter  obtemperantem  in  omnibus.  Ma-/.xp'.0(;  öax'.q  y.o'jp'.oiYjv  'KT,i^s.T 
dTAcyov.  Sed  heus  tu  Thoma  ■Apdv.axz,  quos  mihi  in  calce  tuarum 
literarum  ciues  commendas  ut  eurem  ?  quo  uicissim  habeas,  quos 
heic  Salute  tua  impertias.  Oü/.  o'ixat  xou?  tcoaXouc  vqaoe  Tr,q  ttoXswc, 
aAAa  ixäXXov  loiwTac  tsuc  7.a-:oiy.sjvTac  sv  tco  e|xw  olV.to.  Quum  enim 
priuatim  agam  et  a  Deo  in  publicum  necdum  sim  euocatus 
religio  est,  si  mea  me  auctoritate  in  apostolicam  functionem  et 
diuini  uerbi  praedicationem  publice  ingeram.  At  si  istos,  qui- 
buscum  inter  priuatos  parietes  farailiariter  conuersor,  nun  aliud 
facis,  quam  quod  equum  ultro  currentem  admotis  calcaribus 
exstimulas;  apud  istos  enim  accurate  meum  facio  officium  et 
uere  ciues  meos  reputo  domesticos,  qui  eandem  mecum  domum, 


170  Horawitz. 

quasi  ciuitatulam  quandam  incolunt.  Ouoev  yap  scTtv  oiXko  b  zoAÜav- 
opoq  7.7.'.  £Ü  vati[/£vo?  oi7,0(;  -/^  710X1)^7107  /.al  01  xaToaoOvxs?  iroAtTat.  Ex 
his  itaque  tot  habes,  quos  salutes,  quot  ex  tuis  ego.  Primum 
uenerandae  senectutis  parentem  rneum^  qui  undecima  hora  in 
reflorescentem  uineam  Domini  Zebaoth  conductus,  pondus  diei 
et  aestum  improba  tolerantia  uincit;  Tiav-ca  0'  a^ia  x^q  euaeßeiac 
cppovwv  inter  senatores  nostrates  alter  Gamaliel  est.  Dein  soror- 
culam  alteram  natu  maiorem,  (nam  minor  Uberlingii  maritum 
habet)  xal  tccüxt^v  Tcapa  Oeou  Ocqibv  zcaiv  Trpoaf/.svouaav  sanamque  doc- 
trinam  TuavTi  axT^Oei  amplexantem.  Praeterea  fratrem  natu  mini- 
mum,  licet  illiteratum,  non  impium  tarnen.  Hos  inquam  tibi 
pari  numero  recensui,  quos  uicissim  salutes.  Quodsi  adhue 
alios  pro  Vannio  et  forte  Botzhemo  uoles  extra  domestieam 
consuetudinem,  en  tibi  Ulianum  et  Egellium  medicos,  quos  ipse 
non  minoris  facio,  quam  Lucam  medicum  Paulus.  Hi  certe 
cum  aliis  quibusdam,  quorum  nomina  in  libro  uitae  scripta 
sunt,  nusquam  dissimulant  euangelium ;  quod  uero  hie  plures  et 
potentiores  perg-unt  dissimulare,  fortasse  pro  dei  uoluntate  sie 
pergunt.  Is  cuius  uult  miseretur  et  quem  uult  indurat.  Illorum 
corda  nondum  reserata  sunt  fide,  ut  credant  magnalia  Dei  ne- 
que  oculi  illuminati,  ut  uideant  et  cognoscant  uerbi  Dei  et 
regni  spiritus  mysteria.  Nam  ipsorum  incredulitas  et  impietas 
in  tantum  mentis  caeeitate  et  cordis  duritia  percussa  est,  ut 
prorsus  aerem  uerberet,  qui  illis  ueram  pietatem  uelit  prae- 
dicare.  Pro  eiusmodi  fratribus,  quum  non  possim  aliud,  oro 
indesinenter,  ut  uocentur  et  trahantur  ad  cognitionem  Christi 
et  euangelicae  ueritatis.  Atque  sie  reor,  me  non  male  functum 
esse  meo  priuato  officio.  Si  tu  aliter  sentis,  lubens  audiani  te 
ornate  et  copiose  meliora  docentem.  Vale  mi  Thoma  et  me, 
quod  facis,  in  Christo  fratrem  ardenter  ama.  Rauenspurgi,  in 
peruigilio  diui  Matthiae.  Anno  MDXXIIII. 
Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  152. 


Ravensburj^.  LXI.  8.  Mai   1525. 

Michael  Hummelbergius  Joanni  Sapido  S.  S. 

Non    mireris    mi  Sapide,    si  pluribus   tecum  in  praesentia 
commentari  cessem.  Nosti  temporis  huius  malignitatem  et  turbu- 


Analecten  znr  Geschichte  der  Reformation  und  des  HnraaniBmas  in  Schwaben.       171 

lentas  istas  turbas,  quibus  tota  fere  conquatitur  Germania,  per 
quas  nee  mihi  nee  bono  cuiquam  cum  absentibus  amiculis  per 
literas  agere  integrum  et  tutum  est.  Facile  enim  omnia,  si 
forte  fortuna  interceptae  fuerint  literae,  in  calumniam  trahuntur 
BioTi  aiyöcv  ä[j(,£ivov.  Si  tu  feliciter  uales,  est  quod  uere  opto,  ego 
quoque,  ut  harum  rerum  fert  conditio,  non  omnino  male  ualeo. 
De  seruili  tumultu  etiam  apud  nos  orto  et  contbederatorum 
exercitu  nuperrime  nonnihil  compresso  et  sedato  hunc  tabella- 
rium  audies,  modo  auidus  sis  nostrarum  rerum.  Vale.  Cursim 
Rauenspurgi,  VIII.  eidus  Maii  Anno  domini  MDXXV. 

Fol.  153. 


Ravensburg.  IjXII.  1.  August  1^25. 

Michael  Hummelbergius  Joanni  Botzhemo,  Canonico  Constan- 

tiensi  S.  S. 

Nal  tu  probus  homo  es  mi  Botzheme,  qui  pro  paucis 
lineis  et  uersiculis  meis  iustam  reddis  epistolam,  adnexa  simul 
Muncerana  tragoedia.  Nee  id  tantum,  sed  insuper  nostra  im- 
pense  laudas,  certe  non  iudicio  sed  amore,  cui  nonnunquam 
placet,  quod  alioqui  displicet;  illi  uerum  facile  amori  liic  error 
condonatur,  qui  si  nil  aliud  efficit,  studia  saltem  haec  nostra 
qualiacunque  commendat  et  ad  similia  facienda  incitat.  Non 
reddidissem  iTj.-^pdix[j.(xxot.  ista  Latine,  nisi  cum  eis  et  totus  auctoris 
commentarius  mihi  probatus  fuisset,  quem  profecto  Hierony- 
miano  praeferre  nihil  sum  ueritus,  utpote  qui  prophetiae  obscu- 
rius  dicta  penitius  excutiat  et  luce  illustret  clariore.  Munceranam 
tragoediam  legi,  e  qua  nunc  melius  intelligo,  quae  de  hoc  uiro 
superiore  Maio  ad  me  scripserat  Philippus,  eum  ex  Sueuico 
tumultu  tarn  ferocem  factum  esse,  ut  etiam  in  Turingis  latro- 
cinia  excitaret.  '  Video  enim  lectis  illius  confessionibus,  eum 
Sueuiam  et  uicinas  regiones  peragrasse  et  cyclopicam  istam 
turbam  solicitasse  ad  seruilem  tumultum.  Epistolam  Philippi,  quia 
perbrcuis  est  et  tibi  placitura,  transcribere  et  his  adeludere  non 
grauabor,  pro  quo  uicissim  tu  mihi  Erasmicam  aliquara  trans- 
mittas,  ut  iuxta  prouerbium  yip^c,  /ap'.v  ■ziy.r^.    Utcunquc  tu  inter 

'  Der  Brief  des  Melanchthon,  Corpus  Ref.  I,  740. 


172  Horawitz. 

sacrum  et  saxnm  stes,  cura  te  senxes  inte^um,  rebus  angustis 
animosus  atque  fortis  appare,  inquit  ille,  et  ea  sequere,  quae 
certa  scias  esse  et  necessaria.  Quod  in  tanto  Germania  nostra 
uersatur  discrimine,  temerariorum  quorundam  concionatorum 
insaniae  et  stultitiae  tribuo,  qui  nulla  publicae  tranquillitatis  et 
pacis  ratione  habita  passim  euangelicas  g-emmas  sine  delectu 
porcis  et  canibus  proiiciunt  coneulcandaSj  hoc  est  profanae  et 
efferae  multitudini  euangelium  produnt,  quae,  in  omne  uitium 
natura  sua  praeeeps  et  sua  tarnen  quaerens,  prius  legibus  ceu 
freno  esset  continenda  coercendaque,  quam  donanda  libertate. 
Haec  etenim  dum  neque  tempore  opportune  neque  loco  apto 
liberius  praedicatur,  facile  in  licentiam  quiduis  audendi  uertitur, 
quod  vulgo  fieri  uidemus  non  sine  damno  nostro.  At  faxit  deus, 
ut  his  calamitatibus  aliquando  eripiamur  et  sectemur  ea  tamen, 
quae  sunt  ad  eius  gloriam  et  nostram  salutem.  Linguam  Eras- 
micam,  ut  primum  istue  allata  fuerit^  mihi  coemito,  nulla  adeo 
me  uoluptate  afficiunt  ut  Erasmi  scripta,  quod  sint  pi'aeter 
eruditionem  et  elegantiam  etiam  singulari  semper  modestia  in- 
signiter  adornata.  Sed  cur  non  sinit  ualere  Sorbonenses 
sophistas,  omnino  indignos,  qui  ab  Erasmo  uel  male  audiant? 
Herostratus  Dianae  templum  in  Epheso  adeo  multis  annis  et 
opibus  totius  Asiae  exstructum  momentaneo  incendio  perdidit, 
ut  immortalem  sibi  famam  pareret  et  nobilis  fieret  in  scelere. 
Sic  illi  [xaxaiöXoYOc,  cum  sese  prorsus  illaudatos  norint  et  neque 
ulla  mentione  eruditorum  hominum  ullaue  memoria  saeculorum 
dignos,  Erasmum  undique  et  ingenii  felicitate  et  animi  candore 
insignem  uirum  maledictis  et  conuiciis  adoriuntur,  ut  illius 
(XTCoXoYtaig  et  defensoriis  rescriptis  etiam  cum  sua  ignominia  toti 
orbi  cognobiles  iiant  et  immortales.  Sed  talia  sunt  Gallorum 
ingenia,  ut  etiam  cum  dedecore  cupiant  celebrari.  Sed  ualeant 
leuiculi  homines.  Tu  quoties  quoties  Erasmo  scribes,  meis  uerbis 
plurimum  saluere  iubeto.  Vaticinium  his  iunctum  tibi  dono 
mitto.  Videtur  ille,  quisquis  fuit,  res  huius  saeculi  non  omnino 
ignorasse,  quocunque  tandem  spiritu  edoctus  fuerit,  de  quo  ipse 
mecum  nonnihil  dubito.  Vale  feliciter  et  scribe  ad  me  saepe; 
nam  alii  omnes  cessant.  Etiam  Menlishoferus  mens  factus  est 
in  scribendo  segnior.  Iterum  uale !  Kauenspurgi,  kls.  Sextilibus 
M.DXXV. 

Aus  dem  Cod.   lat.  Monac.  4007,  fol.  153  ff. 


Analecten  zur  (ieschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       1  7o 


Ravensburg-.  LXIll.  4.  September  1525. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  Conrado  Adelmanno 
ab  Adelmansfelden  '  salutem. 

Literas  tuas  XII.  Aug-usti  scriptas  XXIX.  eiusdem  recepi. 
Non  alia  meae  cessationis  causa  est,  quam  tuae;  deinceps  forte 
per  publicam  tranquillitatera  et  frequentiores  tabelliones  licebit 
saepius  scribere.  Suppresso  eteniru  rusticorum  furore  et  seruili 
isto  tumultu  et  incendio  exstincto  apertae  erunt  publicae  uiae 
et  libera  tutaque  nuntiorum  peregrinatio.  Atque  utinam  faxit 
Deus,  faciens  pacem  et  creans  malum,  quod  ille  dixit,  ut  nobis 
et  communi  patriae  prospera  sit  haec  de  cyclopica  turba  uic- 
toria,  et  erit  profecto  si  proceres  utantur  uictoria,  sin  uero  abu- 
tantur,  timendum  ne  Cadmea,  quod  dicitur,  futura  sit.  Agnoscit 
iam,  opinor,  suam  temeritatem  et  stultitiam  rustica  progenies, 
licet  sero  post  acceptam  cladem,  et  iuste  imperata  facere 
non  recusat.  Utinam  et  racematores  quidara,  qui  in  deuorandis 
pauperum  sudoribus  nihil  reliqui  faciunt,  suam  tyrannidem 
et  auaritiam  simul  agnoscerent;  nam  multi  ex  illorum  numero 
sua  rapacitate  ansam  dedisse  uidentur  huic  rebellioni  et  tumul- 
tui,  ut  utrimque  iniustitia  et  iniquitas  meruerit  dei  flagellum. 
Poenas  luerunt  rustici,  proceres  uideant  non  tantum,  ut  non 
saeuiant  crudeles  in  subjectos,  sed  etiam  ut  iniqua  onera  et 
iniustas  exactiones,  si  quae  sunt,  tollant  et  non  reducant  popu- 
lum  in  Aegyptum  equitatus  numero  subleuati,  ne  pariter  incidant 
in  manus  domini,  qui  quum  surrexerit  ad  concutiendam  terram 
non  minus  magnum  et  potentem  quam  paruum  et  inopem 
perdere  potest.  Quod  de  Erasmo  petis,  absoluit,  ut  audio, 
insignera  librum ,  quem  ,Linguam'  inscripsit,  hunc  neque 
uidi  neque  compertum  habeo  typis  excusus  sit  necne.  Pari- 
sifenses  theologi  Erasmum  editis  libellis  feruntur  uariis  conuiciis 
conspuisse,  quibus  nunc  respondet  et  ostendit,  quam  non  sit 
edentulus  ipse.  Si  quibus  apud  uos  eius  uiri  uilescit  autoritas, 
ii  non  intelligunt,  quantum  suis  scriptis  profuerit  Germaniae. 
Multi  eiusmodi  sunt  ingenio,  ut  si  eruditissimos  optiniosque 
uiros  aliqua  nota  uel  efficta  contaminarint,  inde  famam  aucupari 


'  Der  bekannte  Augsburger  Domherr. 


174  Horawitz. 

et  clarescere  uelint  nobilesque  fieri  in  bonoi'um  oblocutione. 
Gerte  nouit  Erasmus,  uir  omnium  saeculormn  memoria  dignus, 
quid  agat,  quid  scribat,  tametsi  non  omnibus  placeat,  quibus 
ad  contentiones  et  pugnas  semper  ferox  est  animus;  nouit  in- 
quam,  cur  oinnia  faciat  et  rationem  factorum  reddere  potest 
non  despicabilem.  Quid  uero  consilii"  animo  gerat,  non  cuiusuis 
est  coniioere,  bonorum  uirorum  est,  bene  sentire  de  istoc 
homiue,  cuius  praecipuas  animi  dotes  tum  aguoscemus,  cum 
amiserimus,  si  amitti  potest,  qui  etiam  post  sua  fata  animi  sui 
imagine,  hoc  est  luculentissimis  scriptis  inter  studiosas  perpetuo 
uersabitur.  Si  quae  tibi  uel  Martini  uel  Philippi  ad  bonae  me- 
moriae  fratrem  tuum  sunt  epistolae,  ut  uidetur,  me  eorum 
participem  fieri  uelim,  si  non  autographorum,  saltem  exemplo- 
rum  earundem;  sique  uisum  fuerit  et  a  te  desideratum,  uicissiui 
ego  te  istius  ad  me  literarum  participem  facere  non  grauabor, 
idque  ita,  ut  utrobique  alienis  careant  lectoribus,  si  quid  forte 
illis  inesset,  quod  publicum  fieri  non  oporteret  deberetue.  Quid- 
quid  igitur  eius  rei  miseris,  bona  fide  recipies,  si  uero  nihil 
ob  iustam  causam  aliquam  tibi  non  succensebo.  Quod  apud 
Heluetios  quosdam  et  superiores  Rhaetos  se  rebaptisant  non- 
nulli,  pura  puta  insania  est  et  Picardicus  error,  quem  gloriosis 
quibusdam  rerum  nouatoribus  omnia  Satana  autore  turbantibus 
debemus.  Si  Abrahami  semini  administrata  circumcisio  euan- 
gelii  Signum  efficax  fuit,  quid  prohibet  puerorum  baptismum 
efficacem  esse^  ut  adultos  denuo  oporteat  rebaptisari?  Potest 
certe  Spiritus  sanctus  etiam  in  eo  esse,  qui  necdum  per  aetatem 
ratione  uti  potest,  ut  in  nonnullis  fuisse  scriptura  testatur.  Vale 
in  Christo  Jesu  semper  felicissime!  Rauenspurgi,  pridie  Nonas 
Septeinbris.  Anno  Domini  MDXXV. 

Aus  dem  Cod.  lat.   Moiiac.  4007,  fol.   155. 


LXIV.  1525? 

Joannes  Alexander  Brassicanus  Michaeli  Hummelbergio 

uYiaive'.v. 

Ago  tibi  gratias  immortales,  amicissime  Michael,  pro  lite- 
rariis  illis  mouumeutis  insigui  gratia  ac  festiuitate  commendatis, 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       175 

quam  tu  mihi  nuper  fidelissime  communicasti.  '  En  accipe  quod 

iamdudum    ....    disee ignarus  negotii,  quod 

causa  sororis  meae  istiac  mihi  exhibitum  fuit.  Utut  sit,  tu 
meas  partes  age  et  ita  eruditae(?)  mulieres,  ut  circa  necessaria 
tantum  sint  occupatae,  id  est  ea,  quae  certae  sunt  fidei.  Alia 
uero,  quae  extra  fidem  controuersantur  missa  faciant.  Ut  enim 
circa  ista  curiositatis,  ita  circa  illa  pietatis  est,  uelle  esse  in- 
geniosas.  Hoc  est,  opinor,  quod  in  suis  literis  uoluit  Thomas, 
quas  lectas  aliquando  mihi  remittas.  Matrem  tuam  et  sorores, 
caras  deo  mulieres,  meis  uerbis  saluere  iubeas.     Vale. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  147  f. 


Ravensburg.  LXV.  23.  August  1526. 

Michael  Hummelbergius  ITrbano  Rhegio  suo  salutem. 

Quid  mihi  otium  meum  commemoras,  Urbane  »iXTaxe?  An 
ipsum  mihi  inuides?  Osö;  zou  col  t6  -f  s^w/.ev.  ^  Gerte  Deus  nobis 
haec  otia  fecit,  inquiunt  utriusque  linguae  uates.  Non  respuen- 
dum  est,  quod  diuina  largitur  bonitas,  otium  sit  negotiumue. 
Sed  audi  tu.  .  Otium  meum  non  est  absque  negotio  neque 
uicissim  negotium  siue  otio,  hoc  siquidem  utor,  illo  neutiquam 
abutor.  Institutum  mihi  est,  quid  agam  et  id  ago  nullo  negotio, 
studeo  ibi,  mentem  et  animum  ibi  oblecto  meum,  iuxta  Ennii 
sententiam,  corpus  subinde  temperato  labore  exerceo  et  in  ser- 
uitutem  redigo,  ne  piger  asellus  ille  contra  dominum  suum  ts 
TT^cuixa  lasciuiat.  Nosti  suburbanos  hortos  nostros,  hi  non  tantum 
deliciarum  quantum  laboris  et  exercitii  exhibent.  Domi  tametsi 
non  sit  uxor  alenda,  non  liberi  educandi  ut  tibi,  est  tarnen 
communis  mihi  cum  parente  rei  familiaris  cura  ita,  ut  nihil 
minus  mihi  quam  otium  commemorare  possis,  nisi  forte 
circa  rem  uxoriam  et  sacri  coniugii  munia  id  intelligi  uelis; 
tum  lubens  cesserim  tt)  gy]  Y''*;Vt1  ®^  patiar  etiam  exprobrari 
mihi,    nedum    commemorari    ä7:par'!av.     N:[ji.(l(j)   2s  töye  vOv  ä^(a\).o-/ 


'  Von  hier  ist  das  ganze  Blatt  weggeschnitten,   so    dass  nur  wenige  Ober- 
längen der  Zeilen  von  ,P]n'  an  zu  erkennen  sind. 
2  11.  I,   178. 


176 


Hora  wit  z. 


|j,£V£iv  y.aXbv  uTrapys'.v  Sta  tvjv  evscriwffav  ava"^fX7;v.  Fausto  sed  impio 
pede  (jÖovoYovoc  pergit  obstruere  riruas  omnes,  ne  uspiam  to  uSwp 
TO  Cw'^  hunc  locum  inundet  liatque  in  ipso  -r]  i:ri-{ri  uoaxoq  aXXo- 
[xevou  elq  (^wYiv  a?wvi5v.  Prae  inuidia  totus  marcescit.  Est  eniiu 
huius    mali    hoc    bonum^    iit    autorem    suum    tabefaciat   y-a-ca   xb 

X)  (pöövoi;  ecTt  xavtiaiov,  sj^et  Ss  it  xaXbv  Iv  eauTW 
Tr,7,ti  yäp  (pGovepwv   o[j,[j,aTa  xat  xpaoir^v. 

Hoc  nos  Latine  reddidimus  plus  uere  quam  eleganter  oütux;: 

Inuidia  nihil  est  peius,  laudatur  at  inde 
Auetori  quod  cor  torqueat  atque  oculos. 

Aut    si    uis  aliter,    ut  in  inuidum  ipsum  stringas  Carmen: 

Triste  malum  liuor  uirtutem  continet  in  se: 
Turbat  namque  oculos  liuide  corque  tuum. 

OuTO)  ypCi[j.oi.i  Tri  ^H-Tl  «'^p'Zsia  ev  toutw  tw  £7cta/,iw  [xouaet'w.  Haec 
tecum  fortassis,  quam  par  est  pluribus,  quia  uidebaris,  dum 
tuas  relegerem,  coram  assidere  et  iucundissime  fabulari  mecum, 
Vale.  Rauenspurgi  XXIII  Sextilis  MDXXVI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  169. 


Ravensburg.  LXVl.  9.  October  1526. 

Michael  Hummelbergius  Rauenspurgensis  D.  Joanni  Botzhemo, 
Canonico  Constantiensi  suo  salutem. 

Sudatum  est  a  multis,  ut  euangelistas  de  sancti  Petri 
negationibus  quasi  (?)  diuersa  scribentes  conciliarent,  quum 
reuera  omnes  conueniant.  Tametsi  Joannes  euangelicae  suae 
historiae  capite  duodeuigesimo '  ab  aliis  dissentire  uideatur, 
quod  tarn  in  Graecis  quam  Latinis  libris  eius  legatur:  JESUS 
comprehensus  et  ligatus  priraum  ad  Annam  abductus  et  Petrus 
sequens  Jesum  ibi  primum  abnegasse  eum  et  post  multa  sub- 
iungatur:  Jesus  ab  Anna  ad  Caiapham  missus,  ubi  eum  bis 
abnegauit  Petrus,   ut  ita  darum  possit  apparere  primam  nega- 


1  Ad  marg. :  Restitutus  locus  Jo.   18. 


Analecten  zur  Geschichte  der  lieformation  und  des  Hamanismus  in  Schwaben.       \  i  ( 

tionem  apudAnnam  factamesse.  reliquasapudCaiaphamrefragan- 
tibus  licet  euaug-elistis  aliis,  omnes  Petri  negationes  in  Caiaphae 
aedibus  factas  scribeutibus.  Tarnen  mi  Botzheme,  si  attenditur 
uera  Joannis  lectio,  ad  amussim  heic  conueniunt  omnia  et  nihil  est 
quod  dissonet,  siquidem  id  ipsum,  quod  alii,  etiam  Joannes  con- 
corditer  scribit  nempe  in  Caiaphae  domo  Petrum  ter  abnegasse 
Jesum.  Heine  autem  dissonantiae  accepta  est  opinio,  quae  etiam 
in  Graeeis  uedum  Latinis  euang-eliortim  codicibus  aliqua  apud 
Joannem  desiderantur  uerba  scriptorum,  opinor,  incuria  amissa, 
quae  si  suo  loco  restituantur  nihil  erit,  quod  inter  euangelistas 
non  constet.  jSIam  quod  uulgata  hodie  tarn  Graeca  quam  Latina 
habet  lectio,  non  sine  mendo  est.  Ea  autem  haec  est  -^ :  ouv  cKeipa. 
xal  5  yOJ.xpyoz  y.at  cl  uTTr^psTai  xtov  'louoaiwv  auveXaßcv  xbv  'Ir^ccuv  /.ai 
eor^aav  auTov  y.al  aTr/^v^Y®''  '  auTbv  2  'Kphc,  'Ävvav  Trpwicv  •  r]  yacp  TisvÖspo^ 
ToO  KaVäsa,  oq  r,\  ap'/'.spsu;  to'j  ivtauxoj  ey.sivoj.  ^  ^v  3s  Ka'iämq  b 
a'JiJ-ßouXsüaa?  toT<;  'lo'joa'lo;;  —  v.xl  xä  Xo'.TCä  id  est:  Cohors  autem  et 
tribunus  et  ministri  Judaeorum  comprehenderunt  Jesum  et 
ligauerunt  eum  et  abduxerunt  eum  ad  Annam  primum.  Erat 
enim  socer  Caiaphae,  qui  erat  pontifex  anni  illius.  Erat  autem 
Caiaphas  qui  consilium  dederat  Judaeis  etc.  Ibi  post  uerba 
haec  in  qui  erat  pontifex  anni  illius  mox  scribendum  et  legen- 
dum  est  xal  a-ecTS'.Aav  ■*  aij-bv  OcC£[j.evov  Tipoc  KaVacpav  tov  apyiepea 
i.  e.:  et  miserunt  eum  ligatum  ad  Caiapham  pontificem.  Ut  iam 
inde  sequatur:  ,Erat  autem  Caiaphas,  qui  consilium  dederat 
Judaeis^  Quod  si  continuato  sie  ordine  legatur,  omnis  tolletur 
discrepantia  et  conciliandi  labor.  Porro  quod  dein  in  ipsa  histo- 
riae  narratione  repetitur:  ,Et  misit  eum  Annas  ligatum  ad 
Caiapham  pontificem'  nihil  refert;  nam  ibidem,  quod  alioqui 
non  infrequens  est  euangelistis,  reuocatur  historiae  progressus 
ad  primam  Petri  negationem,  ut  reliquae  duae  etiam  descri- 
bantur  iam  per  pontificis  et  Jesu  de  doctrina  et  discipulis  eius 
coUocutionem  intermissae.  Et  hunc  ad  superiora  reditum  aperte 
indicant  haec  repetita  uerba:  Erat  autem  Simon  Petrus  stans 
et  calefaciens  se  etc.    Atque  hanc  sinceram  et  ueram  esse  lec- 


'  Ti.schendorf :  rJYayov. 
2  Fehlt  bei  Tischendorf. 
•^  ,^v'  bei  Tischendorf. 

*  Tischendorf:  öi.Tiiazv.\vi  oJv  auiöv  ö  "Avva;  ücOc[i;'vov. 
SiUuugBber.  d.  pLil.-hist.  Cl.  1.XXXIX.  Bd.  i.  Hft.  12 


178  Horuwiiz, 

tionem,  a  me  olim  obseruatum  est  apud  Cyrilluni,  qui  hunc 
locuin  sie  et  legit  et  iuterpretatur.  Praeterea  heic  Graecum 
scriptorem  Am.  AlexaDclrimun  in  cuntiuuata  euangelicae  histo- 
i'iae  narratione  diuersum  scribentem  nihil  moror.  Nam  fieri 
potuit,  ut  uel  ipse  inciderit  in  mendosum  Graecum  codicem. 
Habes  igitur  nunc  percare  Botzheme,  quod  tibi  nudius  nonus 
coram  pollicebar,  nempe  locum  apud  Joannem  a  me  obser- 
uatum et  praeterea  a  nemine  alio,  quod  sciam  aut  si  etiam 
obseruatum  ab  aliquo,  conniuentibus  tamen  oculis  praeteritum, 
ne  forte  malignis  quorundam  iudiciis  ansa  praeberetur  calum- 
niandi  etiam  Graecos  Codices  ceu  minus  integres.  Quia  saeuit 
Basileae  pestilitas,  oremus  Christum,  ut  incolumem  nobis  seruet 
Erasmum,  solidura  decus  nostrum.  Vale  feliciter!  Rauenspurgi. 
VII.  eidus  Octobris  MDXXVI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   159  fi'. 


LXVII.  October(?)  1526(?). 

Michael  Hummelbergius  Joanni  Menlishofero  Medioo 

salutem  suara. 

Dominum  Georg-ium  a  Fraintsperg-  '  iam  superatis  Alpibus 
et  expugnatis  claustris  aiunt  cum  exercitu  Caesariano  Vene- 
torum  ingressum  agros,  Genuam  appulisse  ferunt  Hispanicum 
pedidatum  classe  aduectum,  addunt  Venetos  audito  Germa- 
norum  Hispanorumque  aduentu  mox  Mediolanensem  soluisse 
obsidionem  et  ad  sua  tutanda  propugnandaque  abiisse.  Heu 
nos  miseros  Christianos,  qui  intestinis  bellis  tam  atrociter  nos 
ipsos  perdimus,  quum  externus  nobis  immineat  hostis  et  com- 
mune Omnibus  periculum.  Reuera  ponendum  esset  mutuum 
odium  et  sapienda  omnia  bella,  ut  communibus  copiis  communi 
hosti  obuiam  iretur,  non  expectandum,  quousque  proximus  ar- 
deret  paries,  ne  tam  ignominiose  seraper  praeda  esseraus  im- 
manissimo  Turcae,  cuius  imperium  nihil  adeo  auxit  ut  socordia 
nostra  et  christianorum  principura  perpetua  discordia.  Jure  nos 
mouere  deberet  ad  concordiam  et  nostri  tuitionem  tanti  hostis 
potentia  et  feralis  immanitas,  qua  tam  atrociter  Huugaros  per- 


Der   bekannte  Landskneehthauptmunu   Fruiulsbeig'. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Refoimatiou  und  des  Humduismus  in  Schwaben.       179 

secutus  est,  non  sexui,  non  aetati  parcens.  Sed  cui  parceret 
tarn  perfidus  et  atrox  hostis,  qiii  hoc  suum  Imperium  nisi  par- 
ricidiis  sibi  parauit,  patre  Baiazetho  ueneno  sublato,  Suithan 
Ahmato  et  Curcure  fratribus  strang'uhitis,  ne  consortem  haberet 
imperii.  Sed  hie  dei  flag-eHum  et  uirg-a  est,  qua  uisitat  iniqui- 
tates  nostras  etc.     Vale. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   IGOb. 


LXVIII.  1526. 

Michael  Hummelbergius  Bilibaldo  Pirckheimer  (Bireheimero) 

Nerobergensi  S. 

Quia  Philippum  illum  nostrum  ex  animo  diligis  et  reue- 
renter  colis,  non  graue  tibi  erit,  adnexas  istas  literas  ei  Witten- 
bergam  primo  tabellario  transmittere.  In  quo  utrique  nostrum  haud 
parum  gratificaberis.  Bene  ualeas  vir  clarissime  et  conforteris  in 
domino  et  potentia  uirtutis  eius  et  in  uerissima  illa  ueri  corporis 
et  sanguinis  Christi  assertione  contra  omnem  damnati  dogmatis 
innouatorum  insipientiam,  quae  ceu  fumus  aliquando  euanescet. 

Ans  dem   Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.    161b. 


Nürnberg.  LXIX.  1.5.  December  1526. 

Bilibaldus  Pirckheymerus  Michaeli  Humraelbergio  suo  salutenx 

in  Christo. 

Literas  tuas  mi  Hummelbergi  quam  primum  ad  Phi- 
lippum mittam.  Respondi  Oecolampadio  per  libellum  aliquan- 
tulum  priori  longiorem,  qui  nunc  excuditur,  ibit  ad  te  quam 
primum  fuerit  absolutus;  pudet  me  profecto,  quod  tam  uiru- 
lentis  scriptis  respondere  cogor,  licet  id  modeste  facere  uidear; 
nam  quis  se  penitus  continere  posset,  ut  non  aliquando  respon- 
deret?  Aequus  forsitan  lector  ueniam  mihi  dabit;  reliquos  nil 
moror.  Sperabam  aliquando  ueritatem  in  lucem  pj'ogressuram, 
sed  ut  uideo  oinnis  spiritus  libertas  in  carnalia  uertitur  desi- 
deria  fiuntque  prioribus  peiora  posteriora.  Uerbis  omnes  euan- 
gelicam    profitemur    ueritatem,    factis    uero    penitus    uegamus, 

12* 


1 80  H  0 1-  a  w  i  t  z . 

Dens    nobis    succurat.     Bene    uale    mi    Hummelbergi !     Nurem- 
bergae  XV.  Decenibris  Anno  MÜXXVI. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   101  f. 


Ravensburg.  LXX.  1.  März  1527. 

Michael  Hummelbergius  Urbano  Rhegio  Theologo  Doctori  S.  S. 

Turbauit  te  proxima  mea  epistola  et  non  immerito;  nam 
inauspicata  et  dira  quaedam  secum  ferebat.  Sed  noli,  obsecro, 
succensere  mihi,  qui  et  ipse  tua  causa  turbatus  talia  scribebam ; 
nosti  enim  quantum  te  ainem,  colam  et  obseruem,  ut  non  possit 
mihi  non  commune  esse,  quidquid  tuum  est,  uel  felicitatis  illud 
sit,  uel  infelicitatis.  Saeua  de  te  narrabant  sacrifici,  saeuiora 
minabantur  profani,  saeuissima  inde  animum  meum,  quia  cai'o 
timebam  capiti,  affligebat  turbatio,  e  qua  ut  me  eximerem,  non 
uidebam  tum  aliud  idque  melius  consilium,  quam  ut  abs  te  rei 
ueritatem  sciscitarer  et  edocerer.  Interim  tamen  me  consola- 
batur,  quod  sperarem  ab  aemulis  quibusdam  tuis,  quos  satis 
multos  habes,  omnia  conficta  et  ementita  esse,  qualia  te  re- 
scribente  agnoui  et  gauisus  sum  admodum;  non  est  cur  tibi 
amplius  infestos  milites  uarrem,  illos  iam  domi  ualere  sinam. 
Ex  si  non  potero  laeta  scribere,  tristia  non  offundam,  nisi  ita 
me  cüg-at  amor  erg-a  te  meus  seu  magis  pro  tua  salute  anxietas 
animi  mei,  quem  sie  male  affectum  per  te  consolari  oporteat. 
Vale  feliciter  et  scripta  mea  qualiacunque  semper  boni  consule. 
Rauenspurgi.  Kls.  Martiis.  MDXXVII. 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   163. 


Ravensburg.  LXXI.  1.').  März  1527. 

Viro  pietate  meritisque  graui  Bilibaldo  Pirekheymero  Patricio 
Nurembergensi  Michael   Hummelbergius    Rauenspurgensis  S. 

Ain  tu  o)  T,Tm>y)  ä'picTS  esse,  qui  Martinum  prius  aliter 
sensisse  dicant  de  eucharistia,  quam  nunc  scribat?  ais  certe. 
Sed  illos  ego  non  alios  opiuor,  quam  sacratissimae  eucharistiae 


Analecten  zur  Geschielite  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       181 

desecratores,  ex  cohorte  illa  sacramentaria  ~ft  iuy^xp'.üTia  -avTc- 
ouvä[;,(o  T£  Xbvo)  Osou  £/OpoTaTcii(;  ävopai;,  quibus  nihil  hie  sacmim 
praeterquam  domiuicae  cenae  memoria.  Martinus  meu  iiidicio 
in  ea  assertione,  qua  in  eucharistia  sacratissima,  corporis  et 
sanguinis  Christi  praesentia  et  pie  et  iiere  asseritur,  constans 
semper  fuit;  darum  id,  opinor,  est  ex  raultis  retro  annis  editis 
sermonibus  eius  et  ex  libello,  quem  de  eucharistiae  adoratione 
ad  Valdenses,  qui  in  Marcomraanis  sunt,  edidit,  priusquam 
suam  stultitiam  Carolstadius  6  '/.cczapy-ö-a-oc  orbi  proderet,  post 
quem  non  adeo  longo  Zuinglius  et  Oecolampadius  contra  catho- 
licae  ecclesiae  sententiam  et  sensum  auspicati  sunt  scribere, 
ut  ita  Martinus  in  hac  materia  nequaquam  possit  insimulari 
stilum  uertisse  et  magis  Carolstadii  odio  quam  ueritatis  causa 
aliter  nunc  scribere,  Sed  haec  nonnullorum  ars  est  et  uersutia, 
ut  si  quis  alicubi  suam  sententiam  non  usque  quaque  aperte 
et  pomeridiana  luce  clarius  edixerit,  mox  in  diuersae  sententiae 
suspicionem  rapiatur.  Sic  sacramentarii  quidam  post  sanctos 
patres  etiam  Optimum  et  innocentissimum  Erasmum  sui  erroris 
au|j.[xayov  fecissent,  ni  ipse  actutum  editis  scriptis  sententiam 
suam  denuo  aperuisset.  Unde  non  mirum,  si  isti  etiam  nunc 
arrepto  aliquo  obscurius  et  non  satis  definite  scripto  negotium 
Martino  facessant,  quod  non  ex  animo  sed  potius  ex  Carol- 
stadii odio  piam  hanc  causam,  id  est,  corporis  et  sanguinis 
Christi  in  eucharistia  ueritatem  tueatur.  At  ualeant  isti  eucha- 
ristiae profanatores  christianaeque  reipublicae  turbatores.  Quum 
Argentorati  eucharistia  tota  conciderit  (ut  fama  refert)  et 
Augustae  Ulmaeque  atque  multis  locis  aliis  ruinam  minetur, 
timendum  ne  etiam  istic  periclitetur.  Quod  malum  ubi  ita 
passim  inualuerit,  quam  perniciem  sit  allaturum,  qui  non  pro- 
spicit,  certe  tcu  aczaAay.oc  vjfAÖxepiq  io-i  xal  w;  aX-^Ow;  riioü 
oeTcOa'.  coy.cT  ay.päTOu  zt  i/.AsßcpiJ;  nam  plane  insanit  et  mentis 
caecitate  grauiter  laborat.  "Ey.si  Oeb^  sV.oty.ov  ö|j.[xa,  inquit  ille  et 
Paulus  apostolus  Christi:  sxotxo?  6  v.üp'.oq  nee  sinit  ueritatem  im- 
pune  eonculcari.  Granate  ferebam  olim  (ut  id  obiter  dicam) 
populäres  meos  instauj'ationi  ecclesiasticae  doctrinae  tam  per- 
tinaciter  obsistere  mc  xpocexi  ävOtoTav-a'.  et  non  patiuntur  ne  7pj 
quidem  pro  sacra  eoncione  declamare,  quod  AojOY;pav'.c|ji,bv  (non 
licet  dicere  aliter)  quouis  modo  resipiat  et  pristinis  papisticis 
ritibus    et    ceremoniis    aduersetur.      Verum    quum    iam  uideam, 


182  Horawitz. 

bonam  causam  plerumque  male  tractari  et  multa  tumultuose 
seditioseque  agi,  nee  non  aliter  euenire  pleraque  omnia  quam 
aliquando  putabatur  fore  et  ut  a  sinistra  —  erecti  non 
Stent  tarn  firmiter,  quin  facile  leui  ag-itati  uento  —  ad  dexteram 
praecipites  dq  xöv  ßäpaOpov  ruant,  multo  leuius  fero  et  prope- 
modum  in  eam  ducor  sententiam,  ut  in  tanta  opinionum  uarie- 
tate  et  omnium  dissensione  putem  minus  impium  esse  in  re- 
ceptis  istis  moi'ibus  ad  tempus,  quod  Domino  placuerit,  eos 
oberrare,  quam  non  tam  uere  suscepto  quam  uane  iactato 
euangelio  statim  pro  carnis  libidine  et  desiderio  ab  eo  de- 
sciscere  atque  in  Daemoniorum  doctrinam  prolabi,  confidenter 
interim  sperans,  Dominum  suo  tempore  uerbo  euangelii  sui  pure 
et  sincere  annunciato  eos  uisitaturum.  Nunc  porro  quia  sacer- 
dotum  quorundam  raras  et  inauspicatas  nuptias  mihi  commemo- 
rasti,  ego  tibi  alterius  cuiusdam  nuptias  non  minus  risu  dignas 
enarrabo.  Apud  Hegaeos  sacerdos  quidam  tumultuantium  agri- 
colarum  cohortes  secutus  scribam  exercitus  egerat  agricolasque 
in  seditione  illa  seu  iuste  mota  confirmarat,  prodito  adhoc 
porcis  euangelio  non  euangelice.  Deinde  periclitantibus  rebus 
et  profligatis  agricolis  ipse  captus  fuit,  quaestioni  inde  subiectus 
fassus  est  se  autorem  seditionis  suae  cohortis;  mox  lata  contra 
eum  supplicii  sententia  a  carnifice  erutis  oculis  lumine  pri- 
uatus  est.  Quod  malum,  quae  poena  non  tantum  ipsum  afflixit, 
ut  eius  carnis  pruritum  feruoremque  exstinguere  potuerit,  fla- 
grauit  in  eo  libido  et  cassis  oculis  persanatis  in  dies  magis 
magisque  incendium  auxit,  quod  nihil  praeter  uxorem  ratus  est 
exstincturum.  Hanc  ut  ambinit,  mox  assequutus  est  monialem, 
quae  eius  miserta  nupsit  uiro  huic  exoculato.  Contractis  spon- 
saliis  ambo  Constantiam  profecti  ibi  solenni  more  nuptias  cele- 
brarunt.  Vide  nunc  horum  temporum  mores,  ut  et  cum  morbo 
et  cum  mala  fama  facile  nubatur,  modo  pater  iubeat;  uetus 
scilicet  ille  Adam,  carnis  illecebra,  nihil  est  quod  repudiosas 
facit  nuptias.  lam  si  longior  sum  eu  tiöeao,  ze-äotöwc;  ^äp  xr) 
(PtXavOpwTrta  cou  'i'(p(x<])ci.  aoi  eKeu^ep&q,  qualiter  cum  sinceris 
hominibus  et  ueris  amicis  agens  soleo,  qualem  iam  te  etiam 
ex  literis  tuis  et  picta  tcj  TrpsacoTTiiou  aou  tabella  nuper  abs 
te  mihi  donata  cognosco,  praeclaris  uidelicet  animi  et  cor- 
poris tui  imaginibus,  quibus  loye  vuv  ob  oculos  positis  uisus 
sum    mihi    lateri    tuo    assidere    et    tecum    corani    -qoihiq    collo- 


Analecten  zur  Geschichte  der  Reformation  und  des  Humanismus  in  Schwaben.       Ibo 

qui.     Bene    uale.    A    museo    nostro    Rauenspurgi.    Eid.    Martii 
MDXXVIL 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.   163. 


Nürnberg  (?).  LXXII.  1527  (?). 

Bilibaldus  Pirkheymer  Michaeli  Hummelbergio  S.  S.  i 

Q[uum?] 

Simii  Lutheriani,  qui  dum  omnia   emen- 

dare  contendunt  omnia  euertere;  hinc  seditiones  illae,  turbae 
ac  sectae  literarumque  ac  omnium  disciplinarum  ruina,  quae 
omnia  Erasmus  praeuidit  et  cum  eo  multi  uiri  cordati,  qui  ob 
id  defectores  ac  sancti  euangelii  desertores  uocati  sunt.  Nam 
quam  primum  quis  in  nebulonis  alicuius  uitia  inuehitur^  con- 
festim  et  contra  euang'elicam  egit  ueritatem,  uerum  quemad- 
modum  mundus  (ut  de  Deo  taceam)  priorum  impostorum  uitia 
pati  nequiuit,  ita  et  liypocritarum  et  nebulonum  quorundam 
pessima  scelera  haud  ferre  poterit,  etiam  si  aliquantisper  euan- 
gelii proelientur  praetextu.  Marchio  uicinus  n oster  priorem 
reduxit  ordinem  sacerdotesque  maritales  omnes  ex  sua  eiecit 
ditione,  qui  urbem  hanc  fere  implerunt,  nihil  aliud  agentes, 
quam  discidia  et  turbas  cientes,  quapropter  sacerdos  quidam 
pridie  publice  ense  caesus  est,  qui  non  solum  uulgus  rebap- 
tisare  ausus  est,  sed  et  seditionem  nouam  suscitare  uoluit,  quae 
latius  serpit,  quam  quisque  putasset.  Audiuimus  et  Basileae 
plures  ex  urbe  eiectos  esse,  multosque  adhuc  horrendis  erro- 
ribus  obnoxios  delitescere  et  hie  est  euangelicus  ille  fructus, 
quem  quidam  non  satis  laudare  possunt,  dum  reiectis  ac 
omissis  omnibus  operibus  super  iide  mortua  tantum  aedificant 
et  in  summa  priores  illi  impostores  priora  etiam  exspectant 
tempora,  ut  rursus  mundum  decipiant;  moderni  uero  omnem 
spem    in    seditionibus  habent,    quoniam  de  communi  diuidundo 


1  Diese  Aufschrift  ist  nur  nach  den  Oberlängen  von  Bilibaldus  Pirkheymer 
zu  vermiithen,  die  Unterlängen  sammt  circa  neun  Zeilen  sind  wegge- 
schnitten, ad  marginem  sind  nur  die  Worte:  ,Pronidus  Erasmus'  und 
,obstinati  iusticiarii'  zu  lesen. 


184  Horawitz. 

sperant  et  haec  peccata  nostra.  Ceterum  quam  sapienter  Lutherus 
egerit  et  quum  prius  se  apud  Ang-liae  regem  excusaret  et  nunc 

tarn  furenter  '    [in  illum  et  alios  debacchatus  est] 

admodura    fluctuat    ac    nescit   [quia 

facere debeat]    adeo    ut    multi    a   praedica- 

tionibus  audiendis  abstineant,  quum  hodie  aliquid  asseritur, 
cras  uero  negatur  aut  potius  una  ac  eadem  hora  penitus  di- 
uersa  ebuccinentur.  Fiebant  sub  initium  contributiones  in  pau- 
peres  copiosae,  uerum  quum  primum  auditum  est,  ex  hac  pe- 
cunia  praedicatores  quoque  uiuere,  omnes  manus  subtraxerunt, 
quum  aliunde  sit;,  unde  sustentari  possint,  nee  tu  putes  quosdam 
centum  aut  ducentum  aureis  annuatim  esse  contentos;  sed  longe 
plus  accipiunt  ac  interim  conqueri  non  cessant,  ac  si  penitus 
nihil  acciperent,  urgent  enim  uxores  et  iam  patres  efficiuntur, 
multis  itaque  indigent  ac  unico  momento  ditescere  quaerunt, 
nee  spe  frustrantur,  sed  mirum  in  modum  et  aedibus  et  pre- 
tiosa  suppellectili  reliquisque  necessariis  ditantur.  Quidam  ex 
eiSj  quum  bis  diebus  octo  pocula  argentea  deaurata  emisset  ac 
uxori  ostenderet,  inquit:  ,o  quantum  ditabimur  uxor  mea,  si 
fides  haec  diu  durabit^;  quod  ancilla  audiens  publicauit  non 
sine  multorum  indignatione  ac  risu  etiam.  Interim  uero  ita  sibi 
ipsis  prouiderant,  ut  iam  quadragesimali  tempore  nisi  unus  quo- 
tidie  tametsi  sex  sint  numero  concionetur  ac  si  tam  ingens  multi- 
tudo  in  una  ecclesia  congregati  ac  audire  posset;  fugiendus  enim 
labor  et  sequenda  est  inertia  dulcissima;  sed  tandem  et  uulgus 
oculos  aperire  incipiet,  immo  iam  uidere  coepit.  Principes  post 
festum  Paschae  Ratisponam  conuenient,  ubi  contra  sectam  hanc 
deliberabunt;  deus  tribuat,  ut  omnia  ad  laudem  suam  cedant. 
Ego  non  solum  a  publicis  negotiis  quantum  licet  abstineo,  sed 
et  priuata  ac  amicorum  praeterquam  in  admodum  necessariis 
reiicio,  non  solum  ob  ualetudinem  aduersam,  qua  identidem 
crucior,  sed  quia  post  tot  labores  mihi  otium  concedendum  puto, 
post  sacras  igitur  literas  admodum  mathematicis  oblector  et  qui 
Ptolemaeum   meum  impressit  propter  infinitos  errores  et  depra- 

uationes (MDXXVII  [?]). 

Aus  dem  Cod.  lat.  Monac.  4007,  fol.  166. 


'  Hier    ist    wieder  Alles    weggeschnitten,    das   eingeklammerte   ist   nur   aus 
einem  Reste  von  Oberlängen  hergestellt. 


Analecten  zur  Geschichte  der  Kcforniation  und  des  Humanismus  in  Schwahen.       185 


Personen-Register. 


A. 

Adelmann  Konrad  Seite  99,  173. 

Alciatns   161. 

Aleander  Hieronymus  96,    98,    106, 

107,   118,  123,   121. 
Amerbach  Bruno  98,  110. 
Anshelm  126. 
Apocellus  98,   116. 
Atireolns  123. 

B. 

Badra  117. 

Baetzius    99,     133,    154,    155,    156, 

157,  158,  159. 
Bamph  126. 
Bebel  103,  108,  110. 
Bedrottus  99. 
Ber  Ludwig  104. 
Blaurer  Ambros  99,   137  und  n.  165, 

169. 
Blaurer  Thomas  96,   99,    100,    136, 

137,   147,  165. 
Botzheim    99,    100,    123,    134,    135, 

170,  171,   176. 
Brassieanus  Johann  Alexander  96, 

97,    102,    103,    105,    108,    109,  110, 

113,   125,   126,  127  und  n.  154,  155. 
Brieffer  i03. 
Budaeus  161. 
Busch  158. 

c. 

Cantiuncula  161. 
Carlstadt  181. 
Chuonradus  interpres  156. 
Coppi   106. 


E. 

Eck  Joh.  96,   100,   151. 

Egell  Joach.  100,  114,  115,  141, 
143,  163,  168,   170. 

Engentinus  129,  130,   131. 

Erasmus  96,  98,  99,  100,  102,  106, 
112,  127,  129  n.,  130,  134,  138, 
158,  172,   173,   174,   178,  181,    183. 

Erhard  von  der  Mark  107. 

F. 

Faber   Joh.    96,    99,    100,    119,   120, 

134,  135,   136,   151. 
Ferdinand  I.   119. 
Frohen  112. 
Frundsberg  Georg  178. 

G. 

Gaza  99. 
Geldrich  167. 
Gerbel  Nie.  98,  104. 
Gereander  Paul  117. 

H. 

Heinrich  von  England  184. 

Herckmaun  126. 

Hirtzbach  99,    154,   157,  158. 

Hohenlandenberg  Hugo  von,  122. 

Hummelberger  Gabriel  96,  102, 
103,  104,  106,  107,  109,  110,  129, 
130,  131,  143,  152,   161,  163. 

Hummelberger  Michael  96,  98,  99, 
100.  101,  102,  103,  104,  105,  106, 
107,    108,   109,  110,   113,  114,    116, 


loD      Horawitz.  Analecten  z.  Gesch.  d.  Reformation  u.  d.  HnniaDisinns  in  Schwaben. 


117,  118,  119,  120, 

124,  126,  127,  128, 

134,  135,  136,  137, 

141,  142,  143,  144, 

15],  152,  153,  154, 

160,  161,  162,   163, 

170,  171,  173,  174, 

179,  180,  183. 
Hütten  Ulr.  129. 


121,  122,  123, 

130,  131,  133, 

138,  139,  140, 

147,  148,  149, 

155,  156,  158, 

165,  166,  169, 

175,  176,  178, 


Irenicus  95. 

K. 

Kierher98,  138,  139,  141,  142,  143, 

144. 
Knoblocb   126. 

L. 

Lanius   156. 
Leo  X.   107,   119. 
Listrius    127. 
Locher  133. 

Luther  95,    99,    100,    101,  119,  151, 
166,   168,  174,   180,  181,  184. 

M. 

Melanchthon    99,    100,    110,     141, 

1«6,   168,  171,  174,  179. 
Menlishofer    105,    106,     117,     134, 

142,  146,  148,  169,  172,   178. 
Morus   167. 

0. 

Oe  colampadius  136  n.,    179,    181. 

P. 

Face  Rieh.   138. 
Peutinger   107,   108. 
Philonius  152. 
Picus  100,  145,  146. 
Pirkheimer  151,   179,   180,  183. 


R. 

Rhegius  Urbanus  96,  99,  100,  114, 
115,  119,  120,  121,  122,  123,  137, 
138,  151,  165,  175,  180. 

Rhenanus  Beatus  97,  102,  106,  112, 
129  n.,  130,   136  n. 

Richlichius  Anton  125. 

Rosanius  126. 

Rosinus  98,  118. 

S. 

Sapidus  98,  162,  163,  170. 
Schlachter  131. 
Seuenberg  97,   125. 
Öimler  97. 
Spalatin  129  n. 
Storius  117. 

T. 

Truchsess  Albert  98,   139,   143. 
Truchsess    Thomas    98,    139,    141, 
143. 

u. 

Ulianus  Matthias  96,  99,  100,    120, 

131. 
Ulianus  Oswald  140,  144,  148,  149, 

153,  166. 
Ungelter  98,  107. 
Ursin  US  Velius  99,  158,  159. 

V. 

Vafer  Theod.  117. 
Vannius  170. 
Vercellanus   117. 


Wirt   118. 
Wolf  Joh.   105. 


w. 


z. 


Zasins  Ulr.  98,   130. 
Zwingli  119,  181. 


III.  SITZUNG  VOM  16.  JANNER  1878. 


Die  Weisthümer-Commission  legt  den  dritten  Bericht  über 
die  von  dem  c.  M.  Herrn  Professor  Dr.  Bis  eh  off  zu  Graz  in 
ihrem  Auftrage  vorgenommenen  Weisthümer  -  Forschungen  in 
Steiermark  und  Kärnten  vor. 


Herr  Dr.  Karl  Jicinsky,  Director  der  Domäne  Neuhaus 
in  Böhmen,  legt  das  von  dem  Grafen  Hermann  Czernin  auf  seiner 
zweiten  Gesandtschaftsreise  nach  Constantinopel  in  den  Jahren 
1644  bis  1645  geführte  Tagebuch  (in  Uebersetzung),  mit  dem 
Ersuchen  um  seine  Veröffentlichung  vor. 


Von  dem  w.  M.  Herrn  Hofrath  von  Miklosich  wird  eine 
Abhandlung  des  Herrn  Universitäts-Professors  Dr.  J.  Gebauer 
in  Prag  übermittelt,  welche  , lieber  die  weichen  e-Silben  im 
Altböhmischen'  betitelt  ist,  und  um  deren  Aufnahme  in  die 
Sitzungsberichte  ersucht  wird. 


Das  c.  M.  Herr  Professor  Dr.  R.  von  Zeissberg,  legt 
eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  ,Zur  Kritik  der  vita 
B.  Hartmanni  episcopi  Brixinensis'  vor,  mit  dem  Ansuchen 
um  Aufnahme  derselben  in  das  Archiv. 


An  Druckschriften  wurden   vorgelegt: 

Academy,    the  American,    of  Aits   and    Sciences:    Proceedings.    New    Series. 

Vol.  V.  Whole  Series.  Vol.  XIII.  Part  I.  from  May  1877  to  November  1877. 

Boston,  1877;  8". 
Bonn,    Universität:    Akademisclie     Gelegenheitssthriften     des    Jahres     1876; 

49  Stücke;  4"  und  8". 


188 

Garoin  dp  Tassy:    La    Langue  et  la  Litterature    Hindoustanies    en    1877; 

Revue  annuelle.  Paris,   1878;  8". 
Handels-    und    Gewerbekammer    in    Wien:    Bericht    über   den   Handel,    die 

Industrie  und  die  Verkehrsverhältnisse  in  Nieder-Oesterreich  während  des 

Jahres  1876.  Wien,   1878;  8". 
Istituto    R.    di    Studi    superiori    pratici    e   di    perfezionamento    in    Firenze: 

Publicazioni.  Repertorio  sinico-giapponese.  Fase.  II.  ituku-mamorikataua. 

Firenze,  1877;  4«. 
Joanneura,    steiermärkiseh-landschaftliches,    zu  Graz:    LXV.    Jahresbericht 

über  das  Jahr  1876.  Graz,    1877;  4".    —    Der  sogenannte  Leobner  Helm 

im  Joanneum  zu  Graz.   1878;  4^. 
Loth,  Otto  Ph.  Dr.:    A  Catalogue  of  the  Arabie  Manuscripts  in    the    library 

of  the  India  Office.  London,  1877;  A'\ 
Mühry,  Adolf  Dr.:  Ueber  die  exacte  Natur-Philosophie.  Göttingen,  1877;   ri'\ 
P ichler,  Fritz  Dr.:  Studien  über  Teurnia.  4". 
,Revue    politique    et    litteraire*    et    ,Revue   scientifique    de    la   France    et    de 

l'Etranger'.  VH«  Annee,  2<=  Serie,  Nr.  28.  Paris,  1878;  4». 
Rossi  Scott i,  Giov.   Battista:  Alla  memoria  de  Conte  Giancarlo  Conestabile 

della  Staflfa.  Perugia,   1877;  8». 
Trafford,  F.  W.  C. :  Amphiorama  ou  La  vue  du  Monde.  Lausanne,   1877;  8". 


Bischoff.   Beriebt  über  WeistUümer-Forschungen.  189 


Dritter  Bericht  über  Weisthünier-Forsehungen. 

Erstattet  von 

Dr.  Ferdinand   Bischoff, 

correspondirendem  Mitgliede  der  k.  Akiideuiie  der  Wissenschaften. 


I. 

Steiermark. 

Ijaut  meiner  in  den  Sitzung-sberichten  (Bd.  LXXXIII 
und  LXXXV)  abgedruckten  Berichte  über  Weisthümer-For- 
schungen  in  Steiermark  war  bisher  der  südliche  Theil  dieses 
Landes  von  Ehrenhausen  an,  und  der  mittlere  Theil  von  Kind- 
berg an  nordwärts,  von  mir  nach  Weisthümern  noch  nicht 
durchforscht  worden.  Nachdem  die  Aussendung"  einiger  Hun- 
derte von  Briefen  fast  gar  keinen  Erfolg  hatte,  machte  ich  im 
April  1877  einen  Ausflug  in  den  bezeichneten  nördlichen 
Landestheil,  der  sich  bis  nach  Mürzzuschlag  erstreckte.  In 
Krieg  lach  fand  sich  ein  Vergleich  der  Dorfnachbarschaft 
Wartberg  vom  Jahre  1672,  im  Schlosse  Hohenwang  eine 
Wiesen-,  Wald-  und  \\'eideordnung  der  Herrschaft  Hohenwang 
vom  Jahre  lü06  in  einem  Protokoll  vom  Jahre  1589  u.  f.  In 
diesem  Protokolle,  welches  mir  vom  Herrn  Gutsverwalter  zur 
Benützung  gütigst  überlassen  wurde,  linden  sich  auch  ziemlich 
viele  Vermerke  über  Banntaidinge ,  welche  in  den  Jahren 
1649 — 1675  in  Neuberg  gewöhnlich  im  Juli  oder  August, 
und  in  Ratten,  zur  Herrschaft  Kranichsberg  gehörig,  im 
Mai  oder  Juni  abgehalten  wurden.  Die  Herrschaft  Hohenwang 
liess  nämlich  in  diesen  Banntaidingen  durch  Abgeordnete  be- 
harrlich Protest  erheben,  in  Ratten  wegen  strittiger  Burgfrieds- 
grenze, in  Neubei'g  wegen  des  sogenannten  Fresengrundes,  und 
vermerkte  diess  sorgfältig  im  Protokoll.  Die  Banntaidings- 
artikel  vuu  Neuberg  und  Ratten  wurden  schon  im  ersten  Berichte 


190  Bise  hoff. 

nachgewiesen.  Vergebens  wurden  auf  dem  Dachboden  des 
Schlosses  Feistritz  mehrere  Kisten  voll  alter  Schriften  durch- 
sucht und  ebenso  vergeblich  blieben  die  Nachforschungen  im 
Markte  Mürzzuschlag,  dessen  Archivalien  zum  grössten  Theil 
dem  steiermärkischen  Landesarchive  zugekommen  sind,  und 
in  Mariazell  bei  der  k.  k.  Forst-  und  Domänenverwaltung, 
bei  der  St.  Lambrechter  Gutsadministration  und  beim  Gre- 
meindeamt. 

Beiläufig  um  dieselbe  Zeit  durchsuchte  ich  das  noch 
immer  ziemlich  reichhaltige  aber  bedeutungslose  Archiv  im 
Schloss  Gösting  und  später  das  wichtigere  zu  Freiberg  bei 
Gleisdorf  leider  ganz  vergebens. 

Auch  meine  Nachforschungen  im  Süden  des  Landes  hatten 
fast  nur  negative  Ergebnisse.  Im  Markte  Leutschach  ver- 
wahrte die  Communeverwaltung  ausser  Privilegien,  Acten  und 
Urkunden  aus  dem  17.  bis  19.  Jahrhundert  noch  fünf,  jetzt 
dem  historischen  Verein  für  Steiermark  geschenkte  Raths- 
protokollbücher  vom  Jahre  1615  bis  1740,  welche  zwar  viele 
Aufzeichnungen  über  Gemeindeversammlungen  bei  den  Richter- 
und Rathswahlen,  Aufsteckung  und  Abnahme  der  Freiung,  zu 
Grenzberichtig'ungen  u.  s.  w.  enthalten,  aber  weder  Banntaidings- 
oder  Beschwerdeartikel  noch  eine  Gemeindeordnuug.  Die  Ge- 
meinde Arnfels  soll  ihren  ganzen  Vorrath  von  Archivalien  im 
Jahre  1825  durch  Brand  verloren  haben;  bei  der  Gutsver- 
waltung im  Schlosse  daselbst  habe  ich  Urbarieu  von  Arnfels, 
Schmierenberg,  Doruegg  und  andere  da  noch  vorfindige 
Schriften  ohne  Erfolg  durchgesehen. 

Nichts  für  meine  Zwecke  besitzen  laut  brieflicher  Mit- 
theilungen die  Gemeindeämter  zu  Hohenmauthen,  Mahren- 
berg und  Windisch-Graz.  Kein  Weisthum  fand  sich  in  dem 
mir  vom  Reichsrathsabgeordneten  Herrn  v.  Carneri  zur  Einsicht 
zugesendeten  Urbarium  der  Herrschaft  Wild  haus,  dem  ein- 
zigen noch  in  seinem  Besitze  befindlichen  älteren  auf  Wildhaus 
bezüglichen  Schriftstück  ;  keines  in  dem  erst  jetzt  bis  auf  wenige 
unbedeutende  mir  vorgewiesene  Reste  total  geleerten  Archive  der 
nun  im  Besitze  des  Grafen  Brandis  stehenden  Herrschaft  Ober- 
Marburg;  keines  in  dem  fürstbischöflichen  und  Dom- 
capitelsarchiv  zu  Marburg.  Die  Archivalien  der  Gemeinde 
Marburg    sind    im    steiermärkischen    Landesarchive.      Bei    der 


Bericht  über  Weistliümei-Forschuug.-n.  191 

Herrschaft  Fall  befinden  sich  noch  einige  Urbarien,  Land- 
gerichts- und  Bergtaidings -Protokolle  und  Urkunden,  aber  für 
die  Weisthümersaminlung  war  aus  denselben  nichts  zu  gewinnen. 
Die  Archivalien  der  Herrschaft  Haus  am  Bacher  waren  schon 
vor  dem  Jahre  1825  als  Maculatur  verkauft  worden.  Das  ge- 
ordnete Archiv  im  Schlosse  Gutenhaag  verwahrt  nun  fast  nur 
neuere  auf  die  bestehenden  Rechtsverhältnisse  bezügliche 
Schriften  und  einige  ältere  Kaufverträge,  nachdem  schon  vor 
Jahren  eine  Ladung  alter  Schriften  von  dem  Besitzer  Herrn 
V.  Pauer  dem  steiermärkischen  Landesarchive  zugesendet  worden 
war.  Auch  zu  Wein  bürg  und  Brunnsee,  wo  mir  seitens  des 
Herzogs  von  Berry  und  seines  Güterdirectors  die  liebenswürdigste 
Aufnahme  zu  Theil  ward,  gaben  die  dürftigen  Archivsreste  keine 
Ausbeute.  Das  Archiv  im  Schlosse  Ober-Mureck  war  leider 
unzugänglich  und  das  der  Stadt  Mureck  enthält  zwar  noch 
einige  Protokolle  seit  dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts,  welche 
die  Abhaltung  allgemeiner  Bürgerversammlungen ,  wobei  die 
Gemeindeordnung  und  das  Bürgerprotokoll  verlesen,  über  ge- 
meiner Bürgerschaft  Beschwerdeartikel  u.  A.  verhandelt  wurde, 
ersehen  lassen;  aber  Wcisthümer  sind  keine  da.  Auch  soll 
das  Bezirksgericht  daselbst  laut  Angabe  des  Herrn  Bezirks- 
richters keine  alten  Schriften  besitzen.  Auf  wiederholte  schrift- 
liche Anfragen  in  Halbenrain  ist  mir  bisher  keine  Antwort 
zugekommen.  Radkersburg,  Luttenberg  und  die  dort  lie- 
genden Schlösser  blieben  unbesucht,  weil  Herr  v.  Pichl-Gam- 
senfels ,  Bezirkscorrespondent  des  historischen  Vereines  für 
Steiermark,  freundlichst  sich  bereit  erklärt  hatte ,  dort  selbst 
Umschau  nach  Weisthümern  halten  zu  wollen.  Seitdem  erhielt 
ich  von  ihm  die  Mittheilung,  dass  er  das  Radkersburger  Ge- 
meindearchiv und  einen  grossen  Theil  des  Luttenberger  ohne 
Erfolg  durchsucht  und  auch  in  dem  Verzeichnisse  der  Archi- 
valien des  Schlosses  Ober-Radkersburg  keine  Spur  eines 
Weisthums  gefunden  habe,  sowie  auch,  dass  im  Schloss  Mallegg 
keine  alten  Schriften  mehr  vorhanden  seien,  nachdem  das  was 
da  war,  nach  Udine  gesendet  worden.  Erfolglos  blieben  auch 
meine  Nachforschungen  in  Anken  stein,  Fried  au,  Wurm- 
berg, Ober-Pettau,  Gonobitz  (Gemeinde  und  Schloss),  Ge- 
meinde Windisch-Feistriz  (die  Schlossregistratnr  war  wegen 
Abwesenheit  des  Verwalters  unzugänglich,  soll  aber  nach  Aus- 


192  Bischoff. 

sag-e  des  Grafen  Dr.  Ig-naz  Alterns  keine  älteren  Schriften 
enthalten),  in  Gemeinde  und  Schloss  Wölau,  Schioss  Sallach, 
Schloss  Lemberg-,  und  in  den  Gemeinden' Sachsenfeld  und 
Weiten  stein.  Aus  den  wenigen  Ueberresten  des  ehemaligen 
Archivs  der  Herrschaft  Weitenstein  überliess  mir  der  Gewerke 
und  Güterdirector  Mullei  ein  Urbarium  der  Herrschaften  Nassen- 
fuss,  Wisell,  Windisch-Landsberg^,  Peilenstein,  Weitensteiu  und 
St.  Georgen  aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  zur  Be- 
nützung, welches  eine  Instruction  für  den  Pfleger  von  Neu- 
Weitenstein  enthält,  die  in  Ermanglung-  eines  Weisthunis  in 
die  Weisthümersammlung  aufzunehmen  sein  dürfte. 

In  Cilli  wurde  eine  grosse  Masse  gänzlich  ungeord- 
neter Acten  und  Bücher  in  einem  fensterlosen  Gewölbe  neben 
der  Rüstkammer  der  Feuerwehr  im  Stadthause  durchsucht  und 
fanden  sich  da  einige  Rathsprotokolle ,  aus  deren  ältestem  zu 
entnehmen  war,  dass  am  2.  Juli  1687  beiläufig  hundert  und 
dreissig  Stadthäuser,  darunter  auch  das  Rathhaus  mit  seinen 
besten  Schriften  abgebrannt  sei.  Diese  Protokolle  bezeugen 
auch  die  Abhaltung  allgemeiner  Bürgerversammlungen  in  Cilli^ 
gleich  denen  in  andern  Gemeinden :  aber  Banntaidingsartikel 
enthalten  sie  nicht.  Gleich  erfolglos  blieben  meine  Nachfragen 
in  der  Stadt-Propstei,  beim  Kreisgericht,  Grundbuchsamt  und  bei 
der  Bezirkshauptmannschaft  in  Cilli,  ferner  auch  ein  wiederholter 
Besuch  des  nahegelegenen  sogenannten  Edelthums  oder  Schöffen- 
amtes Tüchern,  dessen  Freiheiten  übrigens  schon  im  zweiten 
Berichte  nachgewiesen  wurden,  und  ein  Ausflug  in  den  Markt 
Tuff  er,  wo  ich  aber  nur  beim  Gemeindevorstand  anzufragen 
Zeit  hatte.  Nach  Lichtenwald,  Montpreis,  Drachenburg 
und  Rann  ging  ich  nicht,  weil  laut  brieflicher  Nachrichten 
die  dortigen  Gemeindeämter  keine  älteren  Schriften  besitzen ; 
vergebens  waren  auch  meine  Nachforschungen  im  Markt-  und 
Schlossarchiv  zu  Rohitsch,  obgleich  mir  von  anscheinend 
sehr  verlässlicher  Seite  brieflich  versichert  worden  war,  dass 
in  der  Gemeindekanzlei  mehrere  alte  Markt-Ordnungen  (sollte 
heissen     Privilegien)  vorhanden  wären. 

Vor  und  nach  dieser  Bereisung  des  südlichen  Landes- 
theiles  habe  ich  nach  Thunliclikeit  auch  die  bei  der  steier- 
märkischen  k.  k.  Statthalterei  verwahrten  Archivalien 
durchforscht,    namentlich  die  sogenannten  Miscellauea  und  die 


Berirht  über  Weisthümer-Forschnngen.  1  93 

innerösterreichischeu  Hofcameral-Registraturhancllungen ,  wäh- 
rend in  die  riesigen  Massen  der  innerösterreichischen  Hof- 
kammer- und  der  Regierungsacten  bisher  nur  ganz  flüchtige 
Einblicke  möglich  waren.  Die  innerösterreichische  Hofcameral- 
Registraturhandlungen  enthalten  sehr  viele  Schriftstücke  über 
die  Reformirung  des  landesfüi'stlichen  Urbars  in  der  zweiten 
Hälfte  des  16.  Jahrhunderts  und  später,  namentlich  sehr  viele 
Berichte  und  Kundschaften  über  die  Rechte  und  Besitzver- 
hältnisse der  Inhaber  der  landesfürstlichen  Urbargüter,  bezie- 
hungsweise über  die  Verpflichtungen  der  Unterthanen,  auf 
deren  Grundlage  sodann  die  neuen  Urbarien  verfasst  wurden. 
Obwohl  dabei  hauptsächlich  die  einträglicheren  Rechte  in  Be- 
tracht kamen,  finden  sich  doch  auch  mitunter  Nachrichten  über 
Banntaidinge  und  ich  Hess  mir  deren  Sammlung  um  so  ange- 
legener sein ,  je  mehr  meine  sonstigen  Nachforschungen  nach 
Weisthümern  in  Innerösterreich  die  traurige  Ueberzeugung 
begründeten,  dass  viele  dieser  Urkunden  unwiderbringlich  ver- 
loren sind.  Die  auf  Steiermark  bezüglichen  Ergebnisse  meiner 
bisherigen  Untersuchungen  im  Statthaltereiarchiv  beschränken 
sich  auf  Nachstehendes.  In  den  die  Herrschaft  Wolken  stein 
betreuenden  Acten  fand  sich  eine  dem  16.  Jahrhundert  an- 
gehörige  Abschrift  der  Wolkensteiner  Landgerichtsordnung 
vom  Jahre  147<S  zur  Vergleichung  mit  den  bereits  fiüher  nach- 
gewiesenen Handschriften  derselben,  ferner  ein  beachtens- 
werthes  Verzeichniss  der  Gerechtigkeiten  und  Einnahmen  der 
Herrschaft  und  des  Landgerichts  Wolkenstein ,  aufgezeichnet 
von  Martin  Gadallt,  ehemals  Landgerichtspfleger  daselbst  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts.  Dieser  instructive, 
zumeist  die  vom  Landpfleger  einzuhebenden  und  zu  verrech- 
nenden Abgaben  in  Geld  oder  andern  Gegenständen  betref- 
fende Bericht  an  die  Urbars-Reforincommission  enthält  folgende 
auf  Banntaidinge  bezügliche  Stelle  :  Item  ain  landtspfleger  soll 
auch  nach  altem  geprauch  die  gewöndlichen  wandlstett  in  dem 
landtgericht  an  denselbigen  ortten  in  iedem  iar  halten  und 
handien  und  gemängkhlich  in  der  vasten  gibt  es  di  recht  zeit 
und  gelegenheit  darzue,  sollhe  wandlstet  zu  verrichten,  und 
was  an  sollichen  wandlstetteu  allenthalben  verzert  wiert,  das 
gebürt  sich  erstlichen  von  denselbigen  wändl  und  straö"en  da- 
von aufzuheben  und  alsdan  von  den  übrigen  wändl  oder  summa 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Gl.  LXXXIX.  Bd.  I    Hft.  13 


194  Bisclioff. 

g^ebürt  nun  dem  landtspfleg-er  der  viert  pfening-,  desgleichen 
den  grichtspottn  auch  der  viert  thaill  davon  aufzuheben  und 
das  überig  vollgt  nun  alsdan  des  herrn  gnaden  zu  empfang  zu 
verraitten.  Was  aber  in  dem  landtgricht  sich  ausserhalb  der 
wändlstett  in  grichtsfälln ,  in  viecli  oder  andern  begibt  und 
zuetregt,  das  dem  gricht  zu  straf  verfallen  thuet,  von  dein- 
selbigen  soll  dem  landtspfleger  der  halb  thaill  gebürn  und  der 
ander  halb  thaill  des  herrn  gnaden  in  empfang  verrait  werden. 
In  einem  beiläufig  in  dieselbe  Zeit  gehörigen  Verzeichnisse 
von  Fragen  über  Rechte  der  Herrschaft  Wolkenstein  steht 
unter  Nummer  10:  Aus  was  Ursachen  die  wandlstet  oder  pau- 
thading  in  so  lang-er  zeit  nit  g-ehalten  worden  und  was  es  für 
ain  Ordnung  darin  hat?  —  In  den  Acten,  die  Herrschaft  Sem- 
riach  betrefiFend,  finden  sich  nachstehende  Nachrichten  über 
Banntaidinge  in  Semriach  und  in  der  Tulwiz.  Des  landt- 
g-erichts  hall)er  .  .  zaigeu  wir  hiemit  gehorsamblich  an,  dass 
deren  zway  zu  diesem  pfandschilling  gehören ;  ains  wierdet 
das  landtgericht  Serabriach  das  ander  in  der  Tulbicz  genannt, 
bei  deren  iedwedern  seien  von  alters  her  paanthaiding^  gehalten 
worden  und  hat  nemblich  das  hieige  ain  iedweder  marktrichter, 
in  der  Tulbicz  aber  ain  ambtmann  daselbs  zu  besiezen.  Bisher 
nicht  aufgefundene  Banntaidingsbücher  dieser  beiden  Land- 
gerichte werden  in  folgenden  Stellen,  die  ebenfalls  einer  Rela- 
tion ,  an  die  Reformiruugs-Commissäre  erstattet,  entnommen 
sind,  erwähnt:  Das  landtgericht  Sembriach  und  wo  dasselbe 
hin  confinirt,  auch  wies  mit  den  straften  und  wandln  geschafften, 
da  werden  E.  H.  hieneben  aus  dem  Sembriachischen  panthai- 
dungsbuech  .  .  bericht  haben.  Weiter:  Vischwasser  betreff'end 
wais  ich  g-ar  umb  khains  an  dem  Dulbitzpach  und  wirdt  auss 
dem  Tulbizer  panthaidungsbuech  .  .  iärlichen  verlesen ,  aber 
der  von  Stubenberg  lasst  iärlichen  durch  zwen  burger  von 
Passail  widersprechen  .  .  ,  Diese  Berichte  sind  meines  Erachtens 
aus  dem  Jahre  1580.  Das  Voi'handensein  einer  Gerichtsordnung 
des  I^andgerichts  Pflindsberg-  vom  Jahre  1023  bezeugt  eine 
Relation  über  diese  Herrschaft,  welche  diese  Ordnung  wieder- 
holt citirt.  Aus  einem  weiter  nicht  bekannten  , Marktbuch'  von 
Weisskirchen  wurde  1581  die  Beschreibung  des  Burgfriedens 
von  Weisskirchen  copirt,  welche  den  Eppensteiuer  Acten  bei- 
liegt.    Als  brauchbar    für   die  Weisthümersamralung   habe    ich 


Bericht  übpr  Weisthütnpr-Forschnngen.  195 

ausgelioben  eine  Almordiuing-  der  Herrschaft  Sölk  vom  Jahre 
1577  und  eineu  Vero^leieh  zwischen  Herrschaft  und  Bürger- 
Schaft  von  Eibiswald  vom  Jahre  1561.  Die  ebenfalls  hier 
verwahrte  Marktordnung:  von  Aussee  vom  Jahre  152.3  hat 
zwar  nicht  die  Form  eines  Weisthums,  war  aber  so  wie  deren 
spätere  Reformationen  in  der  allgemeinen  Versammlung  der 
Gemeinde  vorzulesen,  Uebrigens  wird  über  deren  Aufnahme 
in  die  Weisthümersamnilung  erst  noch  zu  entscheiden  sein.  — 
In  den  zahllosen  von  mir  nicht  durchgesehenen  Fascikeln  des 
Statthaltereiarchivs  steckt  vielleicht  noch  manches  Banntaidinff- 
buch,  obwohl  mir  diess  nicht  sehr  wahrscheinlich  ist;  aber  so 
lange  dieses  grosse  Archiv  nicht  anders,  nämlich  nach  wissen- 
schaftlichen Gesichtspunkten,  geordnet  sein  wird,  ist  es  mir 
wenigstens  unmöglich,  dasselbe  vollständig  zu  durchforschen. 
Ich  kann  übrigens  nicht  umhin,  die  Mittheilungen  über 
dasselbe  zu  schliesseu,  ohne  Seiner  Excellenz  dem  Herrn  Statt- 
halter Guido  Freiherrn  von  Kübeck  für  die  Ausfertigung  eines 
offenen  Empfehlungsschreibens  an  alle  Archivsvorstände  im 
Lande,  und  fiir  die  Erlaubniss  der  Benützung  des  Statthalterei- 
archivs hier  öffentlich  den  geziemenden  Dank  zu  sagen. 

Unbeantwortet  blieb  bisher  meine  Nachfi'age  nach  Weis- 
thümern  im  fürstbischöflichen  Archive  zu  Graz.  Vom 
Herrn  Verwalter  der  Deutschen  Orde ns- Com m  ende  am 
Lech  in  Graz  erhielt  ich  die  Nachricht,  dass  in  der  in  seiner 
Verwahrung  befindlichen  Registratur  nur  neuere  Schriften  vor- 
handen wären. 

Das  Archiv  der  Finanzprocuratur  besitzt  ein  Salz- 
burger Urbar  (siehe  meinen  Bei'icht  im  14.  Heft  der  Beiträge 
zur  Kunde  steiermärkischer  Geschichtsquellen,  S.  36),  worin 
ein  Weisthum  über  die  Grenzen  und  Rechte  der  Salzburger 
Kirche  zu   Pettau  vom   Jahre    1322  enthalten   ist. 

Einen  kaum  gehoft'ten  und  darum  doppelt  erfreulichen 
Fund  ergab  die  freundlichst  gewährte  Durchsicht  der  nur  mehr 
sehr  wenigen  Archivalien,  welche  Baron  Sessler-Herzingrer  in 
Graz  besitzt,  nämlich  die  Landgerichtsordnung  von  Gross- 
lobming  mit  dem  Bannbuch  vom  Jahre  1024  und  einigen 
andern   brauchbaren  Schriftstücken. 

Zu  neuerlichem  Danke  verpflichtete  mich  Herr  Stifts- 
archivar  Jakob    Wichner    in   Admont    durch    Zusendung    einer 

13* 


196  Bischoff. 

Bergrechtsordnung  aus  einem  Admouter  Bergreclitsregister  vom 
Jahre  1513  und  einer  Strubfergenorduung  vom  Jahre  1440 
und  1456. 

Mein  Collega  A.  R.  v.  Luschin  übergab  mir  ein  Frag- 
ment eines  weiter  nicht  bekannten  Banutaidinges  von  Nieder- 
lamm, der  Schrift  nach  vermuthlich  aus  dem  16.  Jahrhunderte, 
dem  leider  nur  Nachstehendes  zu  entnehmen  ist:  Pantading  zu 
Niederlamb.  Item  da  der  richter  pantading  daselbs  besiezen 
will,  so  mues  ers  geen  Neydau  ansagen,  das  man  darzue  ain 
diener  schickht  unnd  darnach  so  sagt  der  richter  daselbs  den 
nachbaurn  an  zue  Niderlamb  unnd  Stain  unnd  wann  man  von 
dem  pantading  von  .  .  Auf  der  zweiten  Seite  des  nur  zur 
kleineren  Hälfte  erhaltenen  Blattes  steht:  des  die  herrschaft 
erfuere  und  erindert  wuerde,  soll  darumben  wie  billig  gesti'aöt 
werden  .  .  Item  es  soll  auch  der  richter  eben  acht  haben,  damit 
rechte  waag  und  mass  im  aigen  gehaltten  und  gegeben  werd, 
Avie  von  alter  herkumben  ist,  wo  aber  ainer  mit  ainer  falschen 
waag  oder  .  .  . 

Von  der  akademischen  Weisthümer-Commission  erhielt  ich 
unlängst  Copien  des  Banntaidings  zu  Münnichwald  und  ,der 
verpot  und  Ordnung  der  lewt  in  dem  Donerspach^ 

Endlich  nenne  ich  noch  einige  nachträglich    im  Landes- 
archive aufgefundene  Schriftstücke,   nämlich  die  Göss'er  Stift- 
artikel; die, Gerechtigkeit' der  laudesfürstlichen  Urbarsieute  in  der 
Stanz;  das  leider  stark  beschädigte  Bannbuch  der  Kapfenberger 
Unterthanen  in  der  Pöllau'er  Pfarre;  eine  Instruction  betreflPend 
das  Lesen  auf  den  Weickersdorfer  und  Brunnthaler  Bergen  ; 
zwei  Handschriften  des  Wachseneck'er  Banntaidings,  Urbarien 
von    St.    Dionisen     und    von    Veits berg    mit    den    bereits 
bekannten    Stiftartikeln ;    eine    Viehtriebsordnung    der    Magda- 
lenenkirche    zu    Tragöss,    und    eine    Aufzeichnung    übei-    die 
,Kuegat'  vor  dem  Marburger  Richter  im  Marburger  Stadtbuch. 
Im  Horneck'er  Urbar  fand  ich  eine  Berufung    der  Freiung  am 
Kirchtag  zu  Preding,  wie  mir  später  einige  auch  in  Kärntlien 
vorkamen.    Weisthümer  sind  diese  Kundmachungen  des  Markt-, 
Polizei-  und   Strafi'echts   bei  Aussteckung   der  Freiung    freilich 
nicht,    die  eine  oder  andere  derselben  dürfte  aber  doch  in  die 
Weisthümersammlung  aufzunehmen  sein,  da  sie  gewissermassen 
die  Banntaidinge,  Ortsstatuten  und  dergleichen  ergänzen,  alther- 


* 


Bericht  über  Weisthümer-ForBchnngen.  197 

kömmlich  und  meist  sehr  kurz  sind.  Eine  Relation  des  Abtes 
von  Neuberg'  an  die  kaiserliche  Urbar  Reformirung's-Commission 
vom  Jahre  1544  enthält  unter  Anderem  Folgendes:  Weiter  ain 
beswer,  das  seiner  g-naden  phleger  Jacob  Hinterhofer,  der  er- 
schossen worden,  hat  aufbracht  iährlich  von  der  herschaft  Clani 
in  unser  gegent  der  Prein  mit  iren  holden  ain  pantädung  zu 
besetzen,  das  von  alter  nit  gewesen,  sonder  man  hat  nur  ir  pig- 
merkh  müntlich  iärlich  vermelt  und  nichts  mer;  welliches  auch 
wider  unsers  gotshaus  gnad  und  gabbrief  ist,  wenn  niemant  in 
der  gemelten  gegent  Prein  pantäding  zu  halten  hat,  als  wir, 
darzue  aller  herren  holden,  die  dariuen  siezen,  komen  und  iren 
panphening  erlegen  sollen,  auch  all  wändl  fäl  und  puessen,  was 
sich  darinn  begibt,  niemants  anders  zu  straffen  und  zu  nemben 
hat,  dan  wir,  ausgenommen  auf  andern  herren  heusern  inerhalb 
der  dachtropfen.  Weiter  folgt  da  eine  ähnliche  Beschwerde  gegen 
den  Grafen  von  Montfort,  der  etliche  Güter  und  Gülten  in  Neu- 
berg besitzt,  wovon  er  Zins  nimmt  und  sieh  alle  Obrigkeit  an- 
masst,  auch  die  Leute  in  seine  Stift  fordert,  da  doch  die  Stiftung, 
und  alle  Obrigkeit  nur  der  Kirche  Neuberg,  ihm  aber  nur  die 
•plosen  dienst'  gebüren. 

Zu  der  im  ersten  Bericht  befindlichen  das  Banntaiding 
zu  Märktl  betreffenden  Notiz  füge  ich  nachträglich  die  Be- 
merkung hinzu,  dass  das  dort  citirte  Banntaidingsprotokoll 
Vermerke  über  das  jährlich  am  Erchtag  nach  Martini  im  Amts- 
hause des  Stainer  Landgerichtes  zu  Märktl  abgelialtene  Bann- 
taiding vom  Jahre  1737  bis  1792  enthält,  worin  zweiundfünfzig 
Gemeinden  durch  ihre  Richter  oder  durch  ein  oder  zwei  ihrer 
Mitglieder  vertreten  waren,  welche,  nachdem  ihnen  ihre  Eides- 
pflicht vorgehalten,  dem  Vorsitzenden  Landgerichtsverwalter  und 
dessen  zwei  Beisitzern  anzuzeigen  hatten,  was  ihnen  von  Land- 
gerichtsfällen, namentlich  von  Diebstahl,  Ehebruch,  Blutschande, 
Blutrunst,  Mord,  Raub  und  dergleichen  bekannt  war.  Im 
Protokoll  sind  die  Personen  genannt,  welche  beim  Banntaiding 
erschienen,  beziehungsweise  nicht  erschienen ,  und  deren  An- 
zeigen vermerkt.  In  den  allermeisten  Fällen  wussten  die  Er- 
schienenen nichts  anzugeben.  Nach  dem  Jahre  1792  ist  nichts 
mehr  eingetragen  worden,  obwohl  die  grössere  Hälfte  der 
Blätter  des  Protokollbuches  noch  unbeschrieben  war;  vielleicht 
ist  seit  jener  Zeit  kein   Banntaiding   mehr   abgehalten  worden. 


198  Biscfroff. 

Zum  Schhuss  dieses  Berichtes  über  Weisthümer-Forschungen 
in  Steierniai'k  lasse  ich  das  Verzeichniss  der  zuletzt  gefundenen 
Stücke  mit  näherer  Bezeichnung  der  Handschriften,  worin  sie 
sich  beiinden,  hier  folgen. 

Ad  munt. 

a)  Vermerkh  das  recht  des  pergkhrecht  in  Steyr  und  wie 
man  das  besitzen  soll. 

Item  welicher  da  khumbt  zu  dem  perkhtaiding  etc. 

Der  letzte  (16.)  Artikel  beginnt:  Item  welicher  perkhgnos 
sein  herrn  sein  perkhrecht  oder  grünt  entzeucht  .  .  . 

Zwei  Blätter  Papier,  kl.  fol.,  aus  einem  Admonter  Berg- 
rechtsregistcr  vom  Jahre  löl«3  in  dem  Admonter  Ötiftsarchive. 

b)  Ordnung  der  Strubfergen  beschehen  des  Suntags  Letare 
zu  Mittervasten  Anno  dom  OC"  quadragesimo  (1440). 

Von  erst  wann  es  sich  gibt  .  .  . 

Letzter  (9.)  Artikel:  Item  welch  die  sind,  die  auf  die 
hueb  treybent  .  .  . 

Sodann:  Hienach  beschribn  die  Strubfergen  (18  Namen). 
Die  vierer  (4  Namen).  So  sind  gesaezt  zu  der  gemain  arbait 
(33  Namen),  hiernach  noch  zwei  Artikel.  Schluss:  uncz  er  den 
guidein  hat  aussgericht. 

Drei  Papierblätter,  kl.  fol.,  im  Admonter  Archive. 

c)  Ordnung  der  Strubfering  besehen  am  phincztag  nagst 
vor  Allerhey lingtag  Anno  OC  quinquagesimo  sexto  (1456). 

Von  erst  das  der  welliger  das  treuleich  etc. 

Letzter  (12.)  Artikel:  Auch  was  der  mayr  sein  ...  an 
in  kumbt. 

Südann :  Vierer,  und  noch  drei  Artikel  und  ein  Verzeicli- 
nisö  der  Strubfergen. 

Gleichzeitige  Papierhandschi'ift,  kl.  Quart.  7  beschr.  Bl. 
a.  a.  0. 

Aussee. 

Marktordnung  vom  Montag  St.  Veitstag  1523,  erlassen 
von  den  1.  f.  Keformations-Commissären,  in  35  Artikeln.  Im 
letzten:  Sollen  .  .  solche  ordnung  alle  iar,  oder  so  oft  es  die 
notdurft  erfordert,  in  gemainer  besambung  offeniich  verlesen 
und  die  articUl  berueffeu  lassen. 


Bericht  über  Weisthümer-Forschungi-n.  199 

Vidimirte  Abschrift  vom  4.  März  1546  im  steierm.  Statt- 
haltereiarchiv, Abth.  I.  Ö.  H.  C.  K.  H.  Steyer. 

Donnersbach. 

Vermerkcht  die  verpot  und  all  ornung  der  leut  in  dem 
Donerspach.     06  Artikel  und  Gerichtsgrenzen. 

Copie  aus  Grimm's  Nachlass  im  Besitze  der  Weisthümer- 
Commission,  entnommen  dem  Codex  Berol,  ms.  germ.  fol. 
Nr.  248  a.  1443. 

Eibiswald. 

a)  Vertrag  u.  Vergleichung  deren  zehen  eingelegten  articl 
zwischen  .  .  Herrn  Wilhalbmen  von  Eybesswalde  und  N.  richter 
rath  u.  gemainer  burgerschaft  des  markhts  zu  E.  a.  1561 
Suntag  vor  St.  Mathias. 

Gleichzeitige  (V)  Abschrift  im  steierm.  Statthaltereiarchive. 

b)  Der  burgerschaft  zu  Eybesswald  bericht  über  etliche 
articl  (^betreffend:  Fischteiche,  Maletizrecht,  Hochgericht  und 
Bürgerrobot)  vom  7.  Juli  1576. 

Original  Steir.  Statth.  Arch.  a.  a.  O. 


Gö 


SS. 


Urbar  des  fürstl.  Stiftes  Göss  eigene  Gülten  betreffend, 
V.  J.   1602,  enthält  fol.  7  fg.  (27)  Stiftartikel. 

Papierhandschrift  Nr.  268  des  steierm.  Landesarchives. 

Grosslobming. 

Ein  im  Besitze  des  Baron  Sessler  in  Graz  befindlicher 
Papiercodex,  kl.  Quart,  80  beschriebene  Blätter  stark,  aus 
dem   17.  Jalirh.,  enthält: 

a)  Wehr  die  priegen  machen  soll ,  wie  von  alters  her- 
khomen  ist,  3  S. 

b)  Richterdienst  oder  Vogthaber,  9  Bl. 

c)  Thanerischcr  purckfridtse  xtract  u.  Gemein- 
gerechtigkeit, 2  Bl. 

d)  Mauthbeschreibung,  2  Bl. 

e)  Pidtmarckhen  dess  purkhfridl  zu  Eiuacli  ob  Stadl,  o  S. 

f)  Landgerichtsgartenberainung  u.  Beschreibung  der  kirch- 
täg,  4.  S. 


200  BiBchoff. 

g)  Neue  und  ietzt  von  villn  ialirn  observirte  landt- 
gericlitspitmarkh,  2  S. 

h)  Pan -Ordnung  von  1624,  St.  Veits  Tag.  13  Artikel 
nebst  Eingang  und  Schlusswort.  9  Bl. 

i)  Verzeicliuiss  Derjenigen,  welche  Malefizpersonen  zu 
bewachen  und  abzuführen  schuldig  sind.  2  Bl. 

k)  Gemain  versarablung ,  welche  allzeit  geschieht  an  s. 
Georgi  tag  (1682  am  27.  April;,  2.  S. 

1)  Ein  Artikel  aus  der  steierm.  Laudgerichtsordnung, 
2  Bl.  Mauthbestand  und  Vogteiholden,  2  Bl. 

m)  Die  Gemain  u.  gemains  gerechtigkeit,  auch 
die  aufnerabung  der  halter  .  .  von   1654  und  1655,  9  Bl. 

n)  Landgerichtsverwalters  Instruction  und  Memorial  vom 
Jahre  1683,  30  Bl. 

o)  Welche  Holden  Hasen  jagen  helfen,  bez.  Treiber 
schicken  müssen,   1   Bl. 


'j 


Hohenwang. 

Das  jProttogol  der  herrschafft  Hohennwang  von  dem 
22.  Februarii  a.  1589'  fg.  enthält  auf  S.  28  bis  39  eine  Wiesen- 
bewässerungs-  und  eine  Waldordnung  der  Herrschaft  vom 
Jahre  1606,  24.  April  in  zweifacher  Ausfertigung. 

Die  Handschrift  gehört  der  Herrschaft  Hohenwang. 

Kapfenberg  (Pöllau). 

Panbuech  aller  Kapfenbergerischen  unterthanen  ins  Achacz 
Mauerhofer  ambt  in  Pollinger  pfarr  gelegen,  so  von  der  herr- 
schaft  zu  erhaltung  gueter  Ordnung  und  manszucht  von  unvor- 
denklichen iahren  hero  iederzeit  zwischen  Ostern  und  Pfingsten 
zu  halten  verordnet,  iezo  aber  durch  mich  Blasien  Lechner 
widern mben  abgeschriben  worden,  beschehen  zu  Pöllau  den 
20.  iunii  1624  iahrs. 

Stark  verletzte  Papierhandschrift  im  steierm.  Landesarchiv, 
noch  nicht  signirt,  16  Blätter,  kl.  8",  auf  deren  2. — 5.  ein 
Bruchstück  des  genannten  Bannbuches,  bez.  Banntaidinges  ge- 
schrieben steht;  die  meisten  der  übrigen  Blätter  enthalten  Ver- 
zeichnisse der  Unterthanen. 


Bericht  über  Weiethümer-ForBchuugen.  201 

Marburg. 

Das  Marburger  Stadtbuch,  welches  im  Landesarchiv  unter 
der  Zahl  2714  Manuscr.  im  Original  und  unter  Nummer  939  in 
Abschrift  aufbewahrt  wird,  enthält  unter  Anderem  auch  das 
landtgerichtspuech  im  Jahre  1526  von  den  1.  f.  Reformirern 
verfasst ,  und  in  diesem  steht  auf  Bl.  284  fg.  des  Originals 
und  BI.  347  der  Copie  ein  Vermerk  über  die  ruegatt,  die  ein 
richter  zu  Marpurch  zwier  im  jar,  zu  s.  Georgen  tag  und  pald 
nach  dem  lesen,  reitten,  besitzen  und  den  pawern  den  eid  vor- 
halten soll. 

Mönch  wald. 

Banntaiding  zu  Münnichwald,  25  Artikel  aus  einer  dem 
Gutsbesitzer  Dr.  V.  Richter  zu  Glocknitz  gehörigen  Hand- 
schrift des  16.  Jahrhunderts  für  die  Weisthümer-Commission 
copiert  von  Dr.  Winter. 

Neuberg. 

Instruction  wie  guette  Ordnung  vor  und  nach  dem  lesen 
solle  fürgenommen  werden;  5  Artikel  in:  Extract  aus  dem 
grundtpuech  der  perckhrecht  am  Prunner  Weiggerstorfer  und 
Prunnthaler  pergen,  a.  1593. 

In  Handschrift  3130  und  2119  des  steierm,  Landesarchives. 

Pettau. 

Anno  dorn,  milles  .  trecentes  .  vices  .  secundo  metas  et  jura 
ecclesie  Salczburgensis  in  Pettovia  tarn  civitatis  quam  predii 
prout  a  senioribus  et  tidelibus  veraciter  sunt  cognita  parti- 
culariter  annotavi.  Sciendum  itaque  ...  3  Absätze  und  eine 
Notiz  auf  Lonsberg  bezüglich. 

In  einem  im  Jahre  1322  geschriebenen  Pergamentcodex, 
kl.  Quart  mit  der  vSignatur  VI  ^  am  Einband  ,  im  Besitze  der 
k.  k.  Finanzprocuratur  in  Graz. 

P  r  e  d  i  n  g. 

Kürchtag  ausruefung  im  Markt  Preding ,  4  Artikel  im 
Urbar  der  Herrschaft  Horneck  vom  Jahre  1003  im  steierm. 
Landesarchive. 


202  •  Bischoff. 

St.  Dionisen. 

Urbar  und  Handelbuch  v.  1460  enthält  die  Urschrift  der 
im  ersten  Berichte  angeführten  8tiftartikel  u.  s.   w. 
Handschrift  1588  des  steierm.  Landesarchives. 

Sölk. 

Abschrift  der  albni  Ordnung  bei  der  h.  Sölckh,  im  Statt- 
haltereiarchiv, Abth.  I.  O.  Hof kammer-Registratur ,  Steier  59, 
Fase.  2;  3  Bl.  von   1577. 

Stantz. 

Hie  ist  vermerckht  alle  gerechtikait,  so  unsers  aller  gne- 
digisten  herrn  des  römischen  kaiser  .  .  .  urbarsleut  hie  in  der 
Stantz  haben.   14  Artikel. 

Papierhandschrift,  2  Bl.  kl.  Quart,  16.  Jahrh.,  mit  der 
Aufschrift  von  der  Hand  des  Herrn  Wolfgang  v.  Stubenberg : 
Abschrifft  des  panbrief,  so  vor  der  stift  offenlich  verlössen 
wern  soldt;  im  steierm.  Landesarchive. 

Tragöss. 

Urbar  der  Magdalenenkirche  enthält  eine  Ordnung  des 
Viehtriebs,  der  Wasserleit  u.  A. 

Handschrift  3405  im  steierm.  Landesarchive. 

Veitsberg. 

Urbar  v.  J.  1586  enthält  die  im  ersten  Bericht  angeführten 
Stiftartikel  u.  s.  w. 

Handschrift  609  im  steierm.  Landesarchive. 

Wachsenegg. 

Banntaiding  (s.  den  Bericht  in  Sitzungsb.  Bd.  LXXXV,  33) 
in  zwei  im  steierm.  Landesarchive  befindlichen  Urbarien  der 
Herrschaft  Wachsen  egg  aus  dem  Jahre  1628. 

Wartenberg. 

Vergleich  der  gesammten  Nachbarscludt  zu  Wartenberg 
vom  16.  Mai  1672,  16  Artikel  im  Original  im  Besitze  des  Ge- 
meindeamtes zu  Kricglach. 


Bericbt  über  WeiBthümer-Forschungen.  20o 

Weitenstein. 

Vermerkht  die  Ordnung-,  die  Kristofen  von  Weispriach 
und  ein  ieden  sein  nachkoraen  phleger  zu  Neu-Weittenstain 
von  den  comissarien  in  der  reformierung-  geben  ist.  —  10  Ar- 
tikel im  Urbar  der  bischöflichen  Gurker  Herrschaften  in  Krain 
und  Steiermark  aus  dem  Anfang  des  16.  Jahrb.,  im  steierm. 
Landesarchiv. 

Wolkenstein. 

Abschrift  des  sog.Wolkensteincr  Landbriefes  vom  Jahre  1478 
aus  dem  16.  Jahrb.  im  steierm.  Statthaltereiarchiv,  Abth.  I.  0. 
H.  C.  Registr.  Steyer  59,  Fase.  4.  Daselbst  ist  auch  das  Ver- 
zeichniss  der  Gerechtigkeit  zu  der  Herrschaft  und  Landgericht 
Wolkenstein,  verfasst  von  Merttn  Gadalt,  ehemals  Landpfleg-er 
daselbst.  Pap.  4  Bl.,  wohl  aus  den  ersten  Jahren  des  16.  Jahrh. 

Schliesslich  kann  ich  schon  hier  die  Bemerkung  nicht 
unterdrücken,  dass  bisher  meines  Wisserjs  keine  Banntaidinge 
und  auch  keine  Stiftartikel  in  windischer  Sprache  aus  Steier- 
mark bekannt  geworden  siud^  obwohl  es  nach  meiner  Meinung 
gar  keinem  Zweifel  unterliegt,  dass  Stifttage  und  Banntaidinge 
auch  in  Gegenden  mit  windischer  Bevölkerung-  gehalten  wurden. 


II. 
K  ä  r  u  t  h  e  11. 


Abgesehen  von  den  im  ersten  Bande  der  österreichischen 
Weisthümer  abgedruckten  Ordnungen  und  Satzungen  der  Herr- 
schaft Lengberg  und  von  einigen  Gerichtsweisthümern,  Kund- 
schaften u.  dgl.  ist  meines  Wissens  bisher  kein  Weisthum  im 
eigentlichen  Sinne  aus  Kärnthen  durch  den  Druck  bekannt 
geworden.  Nur  eine  Notiz  über  das  jährlich  im  Markte  St.  Paul 
abzuhalten  gewesene  Banntaiding  hat  Ankershofen  im  Archiv  für 
Topogiaphie  und  Geschichte  von  Kärnthen  (III,  9)  aus  einem 
Urbar  des  Stiftes  St.  Paul  veröffentlicht,  ohne  dass  dieselbe  Ver- 
anlassung zu  weiteren  Nachforschungen  nach  Banntaidingen  in 
Kärnthen  geworden  wäre,  deren  Institution  und  allgemeine  Ver- 
breitung meines  Erachtens  schon  das  Kärnthner  liandrecht  vom 


204  Bischoff. 

Jahre  1338  und  dessen  spätere  Conrirraationen  bezeug-en,  indem 
es  da  heisst:  Ez  sollen  oueh  alle  leut  in  unserm  lande  ze 
chernden  ze  gemainen  tagen  gen  dristund  in  dem  iar  in  allen 
unsern  landgerichten  und  sagen  bei  dem  ayde,  den  si  da  sweren 
rauezzen ,  ob  icht  schedliches  oder  ungerichtetes  '  sei  in  dem 
lande  und  ob  icht  sei,  daz  dem  gericht  ze  pezzern  ist.  Da  ist  zwar 
nur  vom  Rügen  die  Rede,  aber  Rügen  und  Beschwerden  waren 
auch  noch  im  17.  und  18.  Jahrhundert  einer  der  wichtigsten 
Gegenstände,  wenn  nicht  geradezu  der  einzige  Gegenstand  soge- 
nannter Banntaidinge  in  Kärnthen  wie  in  Steiermark,  wie  diess 
meine  frühern  und  die  nachstehenden  Mittheilungen  ersehen  lassen. 
Der  Weisthümer-Commission  sind  bisher  nachbenannte  für 
ihre  Sammlung  brauchbare  Stücke  aus  Kärnthen  zugekommen: 

Ai'noldstein. 

a)  Copia  baider  Arnoldtstain-  und  Gaillitzer  nachbarschaften 
aufgerichter  Ordnung  von  vichwaid  und  bluembsuech.  8  Artikel. 

b)  Wie  es  mit  der  behülzung  prett-  schündl-  und  greut- 
machung  gehalten  werden  soll.   11  (12)  Artikel. 

Papierhandschrift,  6  Bl.  fol.  überschrieben:  Rapulatur, 
vom  Jahre  1644,  im  Besitze  des  k.  k.  Ackerbau-Ministeriums. 

c)  Arnoldstainerische  gerichtsordnung  .  .  .  vom  Jahre 
1715.  38  Artikel  mit  der  Gerichtsordnung  von  Strassfried 
meist   gleichlautend. 

Zehn  Blätter,  Folio,  Papier.  18.  Jahrb.,  im  Besitze  des 
k.  k.  Ackerbauministeriums. 

Hütte  nberg. 

Das  ist  der  purchfrid  ze   Hütenberch. 
Abschrift  aus  den  Salzburger    Kammerbüchern ,    VI   f.  8, 
aus  J.   Grimm's  Nachlasse.  2  Papier-Bl. 

Sanct  Paul. 

Ponthaidung  (die  oben  erwähnte  Notiz),  hierauf:  Der 
burger  schuldigkhait  u.  Obligation  gegen  dem  gottshausz,  ent- 
hält 15  Artikel  und  eine  Einleitung. 

'  So  in  dem  Abflruck  im  Archiv  f.  Top.  u.  Gesch.  Kärnthens,  III,  55; 
die  gedruckte  Landhandfeste  hat:  ungerechtes;  es  wird  wohl  lauten 
sollen:  iingerichts. 


Bericht  über  Weisthütner-Forscliungen.  20o 

Neue  Abschrift  aus  einem  Urbar  von  St.  Paul  nach 
dem  Jahre  1638. 

Strassfried. 

Ordnung-  u.  saezung-  etlicher  puncten ,  so  den  gerichts- 
leuten  im  gericht  Strassfriedt  fürzuhalten  ...   37  Artikel. 

Acht  Blätter,  Fol.,  Pap.,  Ende  des  17.  Jahrh.  und  noch 
zwei  Handschriften  mit  derselben  ,Pohnordnung'  aus  den  Jahren 
1722  und  1738,  sämmtlich  dem  k.  k.  Ackerbau- Ministerium 
gehörig-. 

Wasser  neu  bürg. 

Pantaidingbuech  zu  Wasserneuburg  66  und  25  Artikel. 
Handschrift  Nr.  130  v.  c.  1581,  29  Bl.  Quart,  Papier,  im 
fürstl.  Schwarzenberg-'schen  Archiv  in  Wien. 

Wieting. 

Hie  sindt  geschriben  die  stiftrecht  der  nachperschaft  Wie- 
ting. 45  Artikel. 

Abschrift  aus  dem  Urbarium  von  St.  Peter  vom  Jahre 
1515,  Papier  fol.  sign.  J.  N.  28  Bl.  281^—286'^. 

In  die  Sammlung  aufzunehmen  ist  vielleicht  auch  die  im 
Archive  des  k.  k.  Ackerbau-Ministeriums  befindliche  und  der 
Weisthümer-Commission  zur  Abschrift  überlassene  Bambergische 
Waldordnung  für  die  Uuterthanen  in  Bleiburg,  Cauale,  Mal- 
borghet  und  Tarvis  vom  Jahre  1506  (25  Artikel.) 

Der  Versuch,  die  Weisthümersammlung  mit  noch  unbe- 
kannten Stücken  aus  Kärnthen  vermittelst  schriftlicher  An- 
fragen zu  vermehren,  schlug-  —  wie  in  Steiermark  —  fast 
gänzlich  fehl.  Auf  etwa  vierhundert  Briefe,  welche  ich  nach 
allen  Richtungen  ausgesendet,  habe  ich  kaum  mehr  als  fünfzig 
Antworten  erhalten  und  die  meisten  derselben  meldeten  gänz- 
lichen Mangel  an  Archivalien.  üennoch  und  obw^ohl  ich 
wusste,  dass  schon  von  andern  Seiten  und  namentlich  von 
Ankershofen  viel  geschehen  ist,  um  die  beachtenswertheren 
Geschichtsquellen  Kärnthens  aus  ihren  Verstecken  hervorzu- 
ziehen, Hess  ich  mich  nicht  abschrecken,  in  dem  schönen 
Ländchen  selbst  nach  Banntaidingen  zu  suchen,  da  ja  darnach 
speciell  noch  Niemand  gesucht  hat  und  die  Möglichkeit,  solche 
oder  andere  bisher  nicht  oder  nicht  genug  beachtete  Geschichts- 


206  nischoif. 

denkniale  zu  linden ,  keinesfalls  ausgeschlossen  war.  Ans- 
la^erüstet  mit  einem  offenen  Empfehlungsschreiben  Si\  Excellenz 
des  Herrn  Statthalters  von  Kärnthen ,  welcher  überdiess  die 
Güte  hatte,  an  die  ihm  unterstehenden  Bezirkshauptmann- 
schaften die  Auffordei'ung  zur  Förderung  meines  Unternehmens 
zu  richten,  habe  ich  den  grössten  Theil  der  Herbstferien  1877 
archivalischen  Forschungen  in  Kärnthen  gewidmet.  Ich  begann 
damit  in  Unterdrauburg,  indem  ich  während  des  Wechsels 
der  Postpferde,  den  Bürgermeister  über  das  Vorhandensein 
alter  Schriften  befrug;  war  aber  leider  nicht  bemüssigt,  mich 
da  länger  aufzuhalten.  In  Lavamünd  hatte  ich  schriftlich 
wiederholt  vergeblich  angefragt  und  hielt  nach  dem  Misserfolg 
in  Unterdrauburg  für  räthlicher  hier  nur  durchzureisen ,  als 
wahrscheinlich  erfolglos  einen  ganzen  Tag  sitzen  zu  bleiben. 
Dagegen  konnte  ich  nicht  unterlassen,  mich  mit  dem  St.  Paul  er 
Stiftsarchiv  genauer  bekannt  zu  machen,  obwohl  die  akademische 
Weisthümer-Commission  das  Banntaiding  des  Marktes  St.  Paul 
bereits  erhalten  hatte.  Im  Stifte  freundlichst  aufgenommen, 
konnte  ich  den  ganzen  Tag  über  im  Archive  selbst  arbeiten, 
und  auch  noch  für  die  Abendstunden  Handschriften  auf  das 
mir  angewiesene  Zimmer  zur  Untersuchung  und  Abschrift 
nehmen.  So  war  es  mir  möglich  in  verhältnissmässig  kurzer 
Zeit  eine  gewaltige  Menge  von  Handschriften  ziemlich  genau 
durchzusehen  und  auch  den  ganzen  übrigen  Bestand  dieses 
Archives,  abgesehen  von  dem  aus  St.  Blasien  überkommenen 
Theile,  wenigstens  flüchtig  kennen  zu  lernen,  obgleich  es  an 
einem  Archivskataloge  fehlte.  Begünstigt  war  meine  Arbeit 
auch  durch  den  Umstand  ,  dass  der  Aveitaus  grösste  Theil  des 
Archivsinhaltes,  wenn  ich  nicht  irre,  von  Bcda  Schroll  materien- 
weise räumlich  geordnet  ist.  Ich  wendete  mich  zunächst  der 
langen  bis  zum  Jahre  12<S9  hinaufreichenden  Reihe  der  Stifts- 
urbarien  im  ersten  Zimmer  des  Archivs  zu,  und  fand  da  bald  jenes 
Urbarium,  aus  welchem  die  im  Besitze  der  Weisthümer-Com- 
mission betindliche  Abschrift  des  St.  Pauler  Banntaidings  ge- 
nommen war,  ferner  das  sehr  werthvolle  Urbar  des  Abtes 
Hieronimus  vom  Jahre  1G38,  woraus  Aukershofen  die  oben 
erwähnte  Notiz  und  einige  andere  Stücke  im  Archiv  für 
Topographie  u.  s.  w.  mitgetheilt  hat,  und  welches  auch  das 
St.  Pauler  Banntaiding  und  noch  andere  Stücke  enthält,  deren 


Rericht  nlior  Weist hümei-Foi-pclmngPti.  zO  l 

einii2;e  für  die  Weisthüniersammlung  brauchbar  scliienen.  Zur 
Abschrift  dieser  und  zur  Vergleichung-  mit  der  bereits  vor- 
handenen Absclirift  des  Banntaidings,  wurde  dieser  Codex  aus- 
geliehen. Die  übrigen  Urbarien  boten  kein  Weisthum,  keine 
Banptaidinge  oder  Stiftartikeh  In  einem  von  St.  Lorenzen, 
vom  Jalire  1622  stellt  eine  Holzordnung  vom  Jahre  1593,  die 
Beschreibung  des  Markt-  und  Burgfrieds,  und  Vermerke  über 
Landgerichts-  und  Malefizsachen,  Richterwahl  und  Eid  und 
Anderes,  wie  man  solche  auch  in  andern  Urbarien  häutig  findet. 
Aus  dem  Leon  steine r  Urbar  vom  Jahre  1482  notirte  ich 
P\jlgendes:  Vermerkht  die  panphening,  die  geit  man  zu  dreien 
quatembern  im  iar,  zu  plingsten,  zu  st.  Michels  tag  und  zu 
weinachten.  Dieses  Urbar  enthält  auch  eine  Kundschaft  über 
die  Gerichtse-renzen  von  Leonstein. 

Der  Durchsicht  der  Urbare  folgte  die  der  hei-rschaft- 
lichen  Hofgerichts-  oder  Amtsprotokolle  aus  dem  17.  und 
IX.  Jtdn-hunderte,  worin  ich  sehr  viele  Vermerke  über  in  den 
Jahren  1G44  bis  1720  im  Markte  St.  Paul  abgehaltene  Bann- 
taidinge  fand,  die  ich  sorgfiiltig  beachtete.  Diese  Banntaidiuge 
fielen  gewöhnlich  in  den  März,  während  die  Richter  wähl  erst 
um  Georgi  vorgenommen  wurde.  In  den  Protokollen  Avurde 
stets  und  in  erster  Reihe  vermerkt,  was  dem  Magistrat  und 
der  gesammten  Bürgerschaft  vom  Hofrichter  oder  Secretär  zur 
Darnachhaltung  vorgetragen  wurde;  z.  B.  Den  13.  Merz  1644 
ist  die  pandetung  im  markch  gehalten  und  dem  magistrat  und 
der  burgerschaft  .  .  .  biss  in  neunzehen  puncten  vorgehalten 
und  bevollen  worden  dem  richter  ein  wachsames  aug  zu  haben 
.  .  .  Nun  folgen  die  19  Artikel.  Meist  blieben  sich  diese  Be- 
schwerden und  Anforderungen  der  Herrschaft  durch  hlngere 
Zeit  im  Wesentlichen  gleich,  so  dass  es  nicht  nöthig  war, 
dieselben  immer  wieder  in  das  Protokoll  einzuschreiben.  Man 
schrieb  daher  z.  B.  nur:  Den  ditto  (9.  Apr.  1656)  ist  die  pan- 
tädung  im  marckht  lauth  dises  prothoeols  ebenfals  wie  vorver- 
gangenen iahrs  den  12.  Martii  1655  gehalten  worden,  oder: 
den  2!^.  April  1663  ist  die  panthadung  alda  im  markht  au- 
gestelt  und  sein  der  burgerschaft  die  ordinari  beschwärpuncta 
fürgehalten  worden.  Ich  habe  zwei  Verzeichnisse  dieser  ge- 
wöhnlichen Beschwerpunkte  und  weiter  noch  manche  von  der 
Herrschaft  in  diesen  Versammlungen    verkündete   Normen  für 


208  Bis.-hoff. 

die  Weistliümersammlunio'  abgeschrieben.  Die  iu  dem  aus  dem 
St.  Pauler  Urbar  copirten  Banntaiding-  enthaltenen  Artikel 
sind  zweifellos  ebenfalls  ein  solches  Verzeichniss  aus  früherer 
Zeit  und  manches  Banntaiding  mag  auf  diese  Art  entstanden 
sein.  Dazu  kamen  dann  die  mannigfaltigen  Beschlüsse  der 
Bürgerschaft  über  gemeinsame  Angelegenheiten,  natürlich  ,ad 
ratificationem'  der  Herrschaft  und  überdiess  wurden  da  auch 
verschiedene  Beschwerden  Einzelner  verhandelt  und  erledigt. 
Daher  führte  die  Bürgerschaft  abgesondert  von  der  Herrschaft 
auch  "Protokoll  über  die  Banntaidinge,  wie  ich  ein  solches  in 
dem  einzigen  noch  im  Besitze  der  Gemeinde  St.  Paul  befind- 
lichen Marktgerichtsprotokoll  vom  Jahre  1705  fg>.  über  das  am 
14.  Mai  1708  abgehaltene  Banntaiding  mit  Beschlüssen  über 
Gänse-  und  Schweinhalt,  Fleischhacker  und  Anderem  fand, 
worin,  nebenbei  bemerkt,  auch  eine  Berufung  der  P^reiung, 
wenn  ich  nicht  irre,  aus  dem  Ende  des  18.  oder  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  eingetragen  ist.  Ich  habe  auch  die  im  Stifts- 
archive aufbewahrten  Protokolle  der  Herrschaften  Lavamünd, 
Loschenthal  und  Kollegg  aus  den  Jahren  1612  bis  IGGO  durch- 
gesehen, aber  darin  weder  Banntaidings-  oder  Stiftartikel  noch 
irgend  eine  auf  Banntaidinge  bezügliche  Notiz  gefunden.  Da- 
gegen fand  ich  zwei  derartige  Notizen  in  einem  nicht  signirten 
Papier-Codex,  der  Stücke  aus  der  Kärnthner  Landhandfeste, 
das  steiermärkische  Landrecht  und  andere  Rechtsaufzeichnungen 
enthält  und  einst  im  Besitze  eines  bischöflichen  Pflegers  zu 
Strassburg  gewesen  sein  dürfte.  Die  eine  der  auf  Banntaidinge 
bezüglichen  Bestimmungen  steht  in  einem  Schriftstück,  welches 
nachstehende  Ueberschrift  hat:  ,Vermerkht  die  Ordnung  und 
articl  aines  gemainen  nucz,  so  durch  gemain  landtschaft  in 
Kärndtn  fürgenomen.  beschechen  am  Mittwoch  an  den  heilligen 
weichnacht  feyertagen  a.  d.  (14)92,'  ist  dessen  drittel-  Artikel 
und  lautet  folgendermassen :  Item  von  der  geringen  wändl 
wegen  der  gericht  und  pannthaidungen  ist  der  verordneten 
beschlossener  rathschlag,  das  die  panuthaiding  bei  den  gerichten, 
wie  von  alter  herkhumen,  wider  beseczt  werden ;  und  wo  sie  die 
puessfelligen  aus  der  richter  hertickait  nit  nach  billichen  dingen 
vertragen  mügen,  das  die  selben  verhanndlten  nicht  mit  gewalt 
zu  unbillicher  puess  genöt,  sonder  wie  die  von  alter  herkhumen, 
nemen,    und  wie  im  dieselb  puess  mit  recht  bei  den  bemelten 


Bericht  über  Weisthüraer-Forschtingen.  209 

pannthaiding  erlaubt  wierdet.  —  Die  andere  jener  Bestimmung-en 
ist  der  drittletzte  Artikel  einer  Reformation  der  Ordnung  des 
gemainen  nutz  vom  Mittwoch  nach  St.  Dorotheatag  1503  und 
lautet:  Ain  jedes  dorf  oder  angesessen  mann  solle  seine  haldt 
und  pidmarch  ihrer  gemaiu  iärlich  zu  der  panthaidung  melden 
und  dasselbs  von  ainem  ambtmann  soll  aufgeschriben  werden, 
damit  es  hinfur  allzeit  zu  ainer  pannthaiding  öffentlich  gemelt 
werdt  u,  s.  w.  Die  erste  der  hier  mitgetheilten  Bestimmungen 
wurde  in  die  Reformation  von  1503  nicht  aufgenommen. 

Die  flüchtige  Durchsicht  der  im  Stiftsarchive  vorhandenen 
Acten  und  Urkunden  ergab  keinen  Gewinn.  Ich  reihe  an  diese 
Bemerkungen  den  Ausdruck  meines  besten  Dankes  für  alle  im 
Stifte  genossene  Freundlichkeit  und  Grefälligkeit.  Von  einem 
der  jüngeren  Geistlichen  daselbst  erfuhr  ich,  dass  er  beim 
Gemeindeamte  zu  St.  Andrä  noch  vor  nicht  langer  Zeit  bis 
ins  16.  Jahrhundert  zurückreichende  Acten  und  Bücher  gesehen 
habe,  auf  welche  Nachricht  hin  ich  mich  in  St.  Andrea  aufzu- 
halten entschloss,  ungeachtet  briefliche  Anfragen  aus  Gemeinde- 
amt unbeantwortet  geblieben  waren  und  ich  von  dem  in  St.  Paul 
zufällig  anwesend  gewesenen  Rector  des  Jesuitencollegiums 
in  St.  Andrä  erfahren  hatte,  dass  unter  den  in  seinem  Besitze 
befindlichen  auf  die  ehemalige  Herrschaft  St.  Andrä  bezüg- 
lichen Schriften  keine  der  von  mir  beschriebenen  Art  vorhanden 
seien.  Ich  hatte  diesen  Entschluss  nicht  zu  bereuen;  denn 
bald  hatte  ich  aus  den  in  einer  Kammer  neben  der  Gemeinde- 
kanzlei ordnungslos  aufgestapelten  staubbedeckten  Acten, 
Büchern  und  Urkunden  nahezu  zwanzig  Raths-  und  Gerichts- 
protokolle aus  den  Jahren  1534  bis  1713  hervorgeholt,  die, 
wie  die  St.  Pauler,  zahlreiche  Vermerke  über  Banntaidinge 
enthalten.  Mit  diesem  Worte  sind  in  den  Protokollen  vier 
jährliche  allgemeine  Versammlungen  der  Bürgerschaft  bezeichnet, 
von  denen  eine  am  ersten  Freitag  in  der  Fasten,  eine  am 
Freitag  vor  Georgi  ,  eine  am  14.  August  und  die  letzte  am 
Freitag  vor  Martini  regelmässig  stattfand.  In  allen  diesen  Bann- 
taidingen  wurden  verschiedene  gemeinsame  und  Privat-Ange- 
legenheiten  verhandelt,  Beschlüsse  gefasst,  Verordnungen  kund- 
gemacht, wenigstens  in  dem  Fastenbanntaiding,  in  dem  vor 
Georgi  und  dem  vor  Martini,  konnten  auch  neue  Bürger  auf- 
genommen ,     gemeine     und     Privatbeschwerden     vorgebracht, 

Sitzungsber.  d.  phil.-bist.  CI.  I.XXXIX.   Bd.  I.  Htt.  14 


210  Bischoff. 

Klag-en  u.  s.  w.  gerichtlich  erledigt  werden.  Daneben  scheint 
aber  jede  dieser  Versammlungen  ihre  besonderen  Zwecke  gehabt 
zu  haben.  Die  protokollarischen  Aufzeichnungen  sind  leider 
sehr  unvollständig;  doch  ist  aus  denselben  ersichtlich,  dass  am 
Freitag  vor  Georgi  die  Wahl  des  Richters  und  Besetzung  der 
gewöhnlichen  Stadtämter,  wenigstens  bis  gegen  den  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts  hin ,  vorgenommen  wurde  (später  am 
Pfingsttag  vor  Martini),  während  am  14.  August  (vor  Maria 
Himmelfahrt,  in  festo  Augustini)  die  Aussteckung  und  Ver- 
kündigung der  Freiung  stattfand.  Den  Wortlaut  dieser  Berufung 
enthält  zuerst  das  Protokoll  vom  Jahre  1582.  Die  Tagesord- 
nung des  Georgi-Banntaidings  (so  zum  ersten  Mal  genannt  im 
Protokoll  vom  Jahre  1567)  war  gewöhnlich  folgende :  a)  Fürpot 
d.  h.  Verlesung  des  Bürgerregisters,  b)  gemainer  burgerschaft 
beschwär  articul,  c)  aufkhündung  des  gerichtsambt  und  Neu- 
walen, Wie  von  den  Bürgerregistern  fand  ich  auch  von  den 
gemeinen  Beschwerdeartikeln,  die,  gleich  denen  der  Herrschaft 
St.  Paul ,  lange  Zeit  hindurch  mehr  oder  weniger  überein- 
stimmend lauteten  und,  nachdem  sie  öffentlich  von  den  Ge- 
meinern oder  Sechsern  vorgetragen  worden  waren,  dem  Rath 
(in  späterer  Zeit)  schriftlich  überreicht  wurden ,  einen  ganzen 
Pack  noch  vor.  Der  Rath  erledigte  diese  Beschwerden  ent- 
weder sofort,  erkannte  sie  für  billig  an  und  versprach  Wen- 
dung derselben,  oder  die  Erörterung  und  Erledigung  derselben 
wurde  wegen  Maugels  an  Zeit  verschoben.  Es  konnten  übrigens 
auch  in  den  andern  Bauntaidingen  solche  Beschwerden  vor- 
gebracht werden,  in  dem  zu  Georgi  aber  finden  sie  sich  regel- 
mässig. Nicht  so  deutlich  ersichtlich  wie  bei  dem  Georgi-  und 
August-Banntaiding,  ist  der  Hauptgegenstand  der  beiden  andern; 
das  Fasten-Banntaiding  wird  wohl  in  Anbetracht  des  nahenden 
Frühlings,  der  Ordnung  wirthschaftlicher  Angelegenheiten 
grossentheils  gewidmet  gewesen  sein,  häutig  sind  aber  da,  wie 
auch  beim  Martini-Banntaiding,  neue  Bürgeraufnahmen  proto- 
kollirt.  Für  die  Weisthümersammlung  habe  ich  diesem  Archive 
entnommen  die  Auszeigung  des  Burgfrieds  c.  1534,  die  Be- 
schwerdeartikel von  1577,  1578  und  1667,  endlich  die  Berufung 
gemeiner  Stadt  Freiung,  wie  sie  in  den  Jahren  1623  bis  1633 
und  —  abgesehen  von  einem  auf  die  Pest  bezüglichen  Artikel 
—  gewiss  auch  früher  und  später  gelautet  hat,    da  schon  jene 


.  Bericht  über  Weisthüraer-Foiscliungen  211 

vom  Jahre  1582  mit  dieser  späteren  fast  ganz  genau  überein- 
stimmt. Eine  eigene  Gemeindeordnung  habe  ich  nicht  gefunden, 
wohl  aber  eine  protokollirte  Notiz  vom  Jahre  1583,  laut  welcher 
unter  den  dem  neugewählten  Richter  übergebenen  Gegenständen 
sich  auch  eine  ,Bollizey-Ordnung^  befand,  und  eine  andere  vom 
Jahre  1690,  die  eines  Statthaubtbueches  erwähnt.  Vielleicht 
befinden  sich  diese  beiden  Stücke  in  dem  im  Archivslocale 
stehenden  Stadtkasten,  dessen  Inhalt  ich  nicht  einsehen  konnte, 
weil  der  Bürgermeister  abwesend  war.  Eine  schriftliche  darauf 
gerichtete  Anfrage  blieb  unerwiedert. 

Vom  Bürgermeister  zu  Wolfsberg  hatte  ich  bereits 
brieflich  die  Nachricht  vom  Vorhandensein  alter  Schriften  im 
Gemeindeamt  erhalten.  Ich  fand  da  auf  dem  Dachboden  eine 
grosse  Menge  solcher  und  zog  mit  kräftiger  Hilfeleistung  eines 
mir  zur  Verfügung  gestellten  Wachmannes,  eine  beträchtliche 
Anzahl  von  RathsprotokoUen  hervor,  deren  ältestes  aus  den 
Jahren  1531  bis  1546  ist.  Diese  Protokolle  zeigen,  dass  auch 
in  Wolfsberg  allgemeine  Bürgerversammlungen  wie  anderwärts 
stattfanden,  so  namentlich  behufs  der  Richterwahl  jährlich  am 
Sonntag  vor  Bartholomäus,  aber  die  Bezeichnung  derselben  als 
Banntaidinge  war  da  nicht  üblich.  Auch  fanden  sich  keine 
Verzeichnisse  der  Beschwerden  gemeiner  Bürgerschaft,  wie  in 
St.  Andrä,  oder  der  Herrschaft,  wie  in  St.  Paul.  Dagegen 
verwahrt  die  Gemeinde  in  einer  mir  bereitwilligst  geöffneten 
Truhe  noch  zwei  herrschaftliche  Confirmationen  ihrer  alten 
Gemeindestatuten,  deren  ältere  vom  Jahre  1588  ich  mit  ge- 
fälliger Bewilligung  des  Herrn  Bürgermeisters  zu  etwaigem 
Gebrauche  nach  Graz  sendete.  Darin  ist  vorgeschrieben,  dass 
alljährlich  am  Sonntag  vor  Bartholomäus  der  versammelten 
Gemeinde  diese  Statuten  vorgelesen  werden  und  die  von  der  Ver- 
sammlung ohne  Entschuldigung  Ausgebliebenen  um  zweiund- 
siebzig Pfenninge  gestraft  werden   sollten. 

Das  Archiv  der  Herrschaft  Wolfsberg  birgt  noch  immer, 
obwohl  sehr  viel  daraus  längst  fortgekommen  ist,  reichhaltige 
und  zum  Theile  sehr  schätzbare  Materialien  für  die  Geschichte 
der  ehemals  bischöflich  bambergischen  Besitzungen  in  Kärnthen 
seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts,  Einzelnes  selbst  noch  aus 
älterer  Zeit.  Ich  zog  aus  dem  Chaos  der  den  grössten  Theil 
des  Fussbodens  eines  geräumigen  Zimmers  bedeckenden  Papier- 

14* 


212  Bischoff. 

massen  allmälig  die  Urbarien  von  Weissenes^ia^  (1431),  Griffen 
(1438),  Villach,  »Sonnegg,  St.  Leouhard,  Strassfried,  Wasser- 
hofen,  Maglern,  Waidenstein,  Hartenstein  und  Reichenfels 
hervor;  ferner  etliche  Protokolle  des  bambergischen  Vicedom- 
amtes  und  etwa  dreissig  starke  Fascikel  mit  beiläufig  zwei- 
tausend Actenstücken  und  Urkunden  seit  dem  Ende  des 
15.  Jahrhunderts.  Diese  sind  chronologisch  geordnet,  leider 
besitzt  aber  die  Wolfsberger  Kanzlei  kein  Verzeichniss  dar- 
über, doch  erkannte  ich  sofort,  dass  ein  im  Archiv  des 
historischen  Vereins  für  Kärnthen  befindliches  Wolfsberger 
Archivsrepertorium  auch  diese  Fascikel  betrefi'e.  Da  dasselbe 
nicht  schnell  herbeizuschaffen  war,  durchsah  ich  die  sämmt- 
lichen  Fascikel,  welche  Schriften  aus  dem  16.  oder  17.  Jahr- 
hundert enthalten,  und  auch  noch  einen  in  einer  Zimmerecke 
liegenden  Pack  alter  Papiere  so  genau,  als  es  die  mir  zuge- 
messene Zeit  zuHess,  fand  aber  weder  da  noch  in  den  oben 
genannten  Urbarien  ein  kärnthnisches  Banntaiding.  Dagegen 
fand  ich  ein  schönes  Ehehafttaiding  der  ehemaligen  Bamberger 
Herrschaft  Salaberg  in  Ober-Oesterreich  und  einige  andere 
für  die  Weisthümersammlung  brauchbare  Stücke,  nämlich  die 
sogenannten  Gemeinbriefe  der  Nachbarschaften  zu  Polheim 
und  St.  Thomas  aus  den  Jahren  1586  und  1609,  den  Entwurf 
des  Gemeinbriefes  für  die  Nachbarschaft  am  Laiding  vom 
Jahre  1607 ,  und  die  Siedlungsartikel  und  Unterthanenpflicht 
des  bambergischen  Kastenamtes  St.  Leonhard  vom  Jahre 
1591;  endlich  die  Bestätigung  der  von  B.  Lambrecht  im  Jahre 
1392  gegebenen  Wolfsberger  Gemeindestatuten  durch  B.  Georg 
im  Jahre  1521,  die  aber  wohl,  wie  auch  die  früher  erwähnte 
spätere  Confirmation,  von  der  Weisthümersammlung  wird  aus- 
geschlossen bleiben  müssen,  weil  sie  der  Form  und  auch  dem 
Inhalte  nach  durchaus  von  der  Herrschaft  gesatztes  und  von 
dem  in  Banntaidingen  enthaltenen  meist  verschiedenartiges 
Recht  enthält.  Aus  dem  vielleicht  noch  dem  15.  Jahrhundert 
angehörenden,  eilf  Blätter  schmal  Folio  haltenden  Urbar  von 
Künburg  theile  ich  gleich  hier  Nachstehendes  mit:  Item  alle 
die  im  gericht  zu  Eck  (Pertinenz  der  Feste  Künburg)  sitzen, 
müssen  alle  jar  drei  pantag  oder  gericht  suchen,  nemlichen  zu 
Dolach  an  s.  Egidientag  den  ersten,  den  andern  zu  Eck  an 
s.  Michels  tag,    den    dritten    zu  Lantschach    zu    s.   Lienharts 


Bericht  über  Weisthümer-Forschnngen.  213 

tag.  Auch  hat  ein  richter  von  eins  ittlichen  herrn  leut,  die 
im  gericht  sitzen,  umb  was  man  zu  in  zu  sprechen  hat,  zu 
verhelfen.  Er  hat  auch  auf  eins  yden  herrn  grünt,  die  im 
gericht  ligen ,  umb  sein  vell  und  puss ,  unersucht  des  grunt- 
herrn,  zu  greifFen.  An  einer  andern  Stelle  steht:  Vermerkt, 
wo  ainer  ein  paum  im  forst  abhackt,  der  ist  dem  pfleger  zu 
pen  verfallen  1  Schilling,  ye  xx  agier  für  1  Schilling  gerayt, 
und  muss  den  stamm,  davon  er  das  holcz  gehackt  hat,  mit 
einem  schmerleib  bedecken.  Derselbig  schmerleib  ist  auch  eins 
pflegers,  und  stet  alles  auf  gnad.  Aus  einem  Schiedsspruch 
auf  dem  Tag  zu  Salenberg  an  s.  Achaczntag  der  wenigem 
zall  im  zwellifften  jare  (1512  ?j,  betreffend  Vogteistreitigkeiten 
zwischen  dem  Pfarrer  zu  Hag  und  der  Witwe  des  Herrn  Jacob 
V.  Hinderholz,  theile  ich  hier  folgende,  vermuthlich  auf  das 
Salenberger  Banntaiding  bezügliche  Bestimmungen  mit:  Erstlich 
ist  berett  warden,  das  die  vogttleutt  zu  Hag  in  das  tading  gen 
sullen  pey  der  pen  wie  von  allter  herkamen  ist.  ab  aber  ainer 
der  aus  Verachtung  das  nicht  thain  walt,  so  sal  die  frau  seinen 
grunttherrn  umb  das  wandeil  klagen,  tuet  er  ier  in  vierzechen 
tagen  ain  genuegen,  soll  die  frau  an  nemen,  wo  nit,  mag  die 
frau  als  vogt  selber  nach  im  greiffen  und  in  umb  das  wandel 
straffen.  —  Es  soll  auch  die  frau  ainem  iedem  richter  zu  Hag 
das  täding  verkünden  pey  ierm  aigen  potten,  das  er  die  täding 
auf  den  tag  pesicz.  Das  soll  dan  der  richter  thain ,  er  sey 
wes  herrn  er  well ,  es  war  dan  zu  derselbigen  zeitt  ainer 
richter,  der  dem  pharrer  ader  den  priestern  zu  gehortt,  dem- 
selbigen  richter  sali  die  frau  nit  zu  schickhen,  er  sali  sich  an 
dem  rueffen  genuegen  lassen,  wan  man  das  tading  ruefft,  soll 
er  auff  merckhen  und  das  sitzen.  —  Darentgegen  hat  sich  die 
frau  pebilligt,  das  ain  ieder  richter,  er  sey  wes  herrn  er  well, 
mit  ainem  ambtman  zu  Salhenperg  die  petzetl  mit  ferting  soll 
und  da  von  nemen,  wie  von  alter  herkamen.  Endlich  sei  noch 
erwähnt  ein  Vermerk  über  das,  was  gehandelt  in  der  sydlung 
des  ampts  Reichenfels  am  26.  Novembris  1557,  welcher  übrigens 
nichts  Bemerkenswertlies  enthält.  Schliesslich  danke  ich  hier 
öffentlich  der  gräflich  Henkel  v.  Donnersmark'schen  Güter- 
direction  für  die  Bewilligung  der  Durchforschung  des  Archivs 
und  die  Zusendung  der  ausgewählten  Stücke  zur  Abschrift. 
Des  Dankes  aller  Geschichtsfreunde  aber  könnte  sie  versichert 


214  Bischoff. 

sein,  wenn  sie  den  noch  vorhandenen  Rest  des  Archivs  dem 
historischen  Vei'eine  für  Kärnthen  zuführen  Hesse  und  so  all- 
gemein benutzbar  machen  würde. 

Nachdem  ich  noch  in  der  Stadtpfarrkirche  und  im  benach- 
barten Orte  St.  Mai-gareth  vergebens  angefragt  hatte,  fuhr 
ich  nach  St.  Leon  hart  und  nach  Reichenfels.  Letztere 
Gemeinde  soll ,  nach  Versicherung  des  Gemeindevorstandes, 
ihre  älteren  Schriften  durch  Brände  verloren  haben,  erstere  besitzt 
noch  eine  unbedeutende  Anzahl  solcher,  darunter  auch  die  Con- 
lirmation  ihrer  durch  den  Bischof  Ernst  artikelweis  zusammen- 
getragenen Gemeindestatuten  durch  B.  Gottfried,  leider  gegen 
das  Ende  zu  beschädigt.  Ebensowenig  wie  hier  war  in  Griffen, 
im  Schloss  Ehrnegg  und  in  Völkermarkt  für  die  Weis- 
thümei'sammlung  eine  Ausbeute  zu  machen ,  obwohl  ich  nach 
einer  brieflichen  Nachricht  des  Herrn  Bürgermeisters  in  Völker- 
markt etwas  zu  finden  hoffen  durfte.  Die  Gemeinde  Griffen 
besitzt  noch  ein  immerhin  beachtenswerthes  Marktbuch  aus 
dem  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  mit  Abschriften  des  Urbariums, 
der  Rüst-  und  Steuergelder,  der  Privilegien  und  Anderem,  auch 
einer  Beschreibung  verschiedener  Rechtsgebräuche,  z.  B.  bei 
der  Richterwahl ;  aber  kein  Banntaiding.  Auch  das  Decanats- 
archiv  zu  Völkermarkt  und  das  der  Propstei  zu  Teinach  wurde 
vergeblich  durchsucht  und  im  Schlosse  Neidenstein  soll  nach 
verlässlicher  Aussage  gar  nichts  mehr  von  Archivalien  zu 
finden  sein.  Eberstein,  Wieting  und  Hüttenberg  blieben 
unbesucht,  weil  von  den  beiden  letzteren  Orten  Urkunden  be- 
reits im  Besitze  der  Weisthümer-Commission  sind,  zu  Eber- 
stein aber  nach  Mittheilung  des  dortigen  k.  k.  Notars  Herrn 
J.  Fresacher  keine  alten  Schriften  aufbewahrt  werden.  Aus 
den  ziemlich  dürftigen  Resten  des  Archives  der  einstigen 
Landeshauptstadt  St.  Veit  war  auch  nichts  für  die  Weis- 
thümersammlung  zu  entnehmen ,  nachdem  mehrere,  laut  eines 
alten  Archivsrepertoriums,  einst  vorhanden  gewesene  Schriften, 
die  vielleicht  Brauchbares  geboten  hätten,  nicht  mehr  zu  finden 
waren,  wie  z.  B.  eine  Beschreibung  der  Stadtfreiheiten,  ,die 
nicht  in  dem  pergamentenen  Vidimus  enthalten' ,  vom  Jahre 
1521,  gemeiner  Stadt  Ordnungsbuch,  Jahrmarktsberuef,  gemeiner 
Stadt  Beschwerden,  und  Anderes.  Rathsprotokolle  von  1644  an 
zeigen,    dass  auch  in  St.  Veit   mehrere   allgemeine  Bürgerver- 


Bericht  über  Weisthümer-Forschungen.  21 0 

Sammlungen  mit  der  bekannten  Tagesordnung  abgehalten 
wurden.  Gänzlich  bar  alter  Schriften  ist,  laut  der  Versicherung 
des  Bürgermeisters,  die  Gremeinde  Friesach,  und  auch  von 
den  Beständen  des  ehemaligen  Vicedomarchives  soll  da  nichts 
mehr  anzutreffen  sein.  Gleich  erfolglos  war  meine  Anfrage 
im  Schlosse  Grades,  wogegen  die  Gemeinde  Grades  doch  noch 
einige  ziemlich  alte  Privilegien  und  Conlirmationen  ihrer  Rechte 
und  Freiheiten,  einige  Gerichtsprotokolle  vom  Jahre  1570  an 
und  mancherlei  andere  ältere  Schriften,  leider  zum  grössten 
Theile  an  einem  total  lichtlosen  Orte  aufbewahrt,  so  dass  die 
ganze,  freilich  nicht  grosse  Schriftenmasse  erst  herausgeholt 
werden  musste ,  um  durchgesehen  werden  zu  können ,  wobei 
mich  der  Herr  Communeverwalter  bereitwilligst  unterstützte. 
Ich  notirte  mir  aus  den  Gerichtsprotokollen,  dass  der  gewön- 
liche  jgemaintag' jährlich  am  Palmsonntag  nach  der  Palmenweihe 
am  jfreithof'  abgehalten  wurde  (in  St.  Leonhart  fand  die  Richter- 
wahl am  St.  Veitstag  in  der  St.  Kunigundenkirche  statt,  in 
Griffen  am  ersten  Sonntag  nach  Georgi ,  in  Völkermarkt  war 
eine  Gemeindeversammlung,  worin  auch  Beschwerden  der  Sechser 
und  der  Gemeinde  vorgebracht  wurden,  am  Neujahrstage,  in 
St.  Veit  am  Tage  Johannis  des  Evangelisten),  und  copirte  ein 
altes  Verzeichniss  der  Gerichtsgrenzen.  Aehnlich  verhielt  es 
sich  in  Mettnitz,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  der  Schriften- 
vorrath  hier  noch  geringer  aber  bequemer  zugänglich  ist.  Ich 
fand  hier  die  Contirmation  der  freihaitten  der  dorfmennig  und 
burgfrieder  in  der  Möttnitz  vom  Jahre  1577,  die  ich  mir  zur 
Abschrift  ausbat  und  —  wie  auch  die  Confirmatorien  von 
St.  Leonhard,  Grades  und  das  Marktbuch  von  Griffen  —  in  dan- 
kenswerthester  Weise  geliehen  erhielt.  Etwas  schwieriger  war 
es,  die  Confirmationen  der  Gemeindestatuten  von  Strassburg 
von  1552  und  1758  zu  erlangen,  die  mit  einigen  sehr  wenigen 
andern  Stücken  so  gut  verwahrt  waren,  dass  man  sie  kaum 
mehr  zu  finden  wusste  und  dass  sie  ohne  meine  Nachfrage 
vermuthlich  in  nicht  gar  langer  Zeit  gänzlich  verschimmelt 
wären.  Dennoch  verlangte  der  Herr  Gemeindesecretär  von 
mir  einen  Ausweis  darüber,  dass  ich  wirklich  derjenige  sei, 
als  welcher  ich  mich  ihm  vorgestellt  hatte,  beruhigte  sich  aber 
glücklicherweise  sofort  beim  Anblick  des  Empfehlungsbriefes 
des  Statthalters.     Das   ehemalige  Archiv    des   Schlosses  Strass- 


216  Bischoff. 

bürg-  ist  ganz  leer  und,  wie  es  scheint,  viel  von  seinem  ehe- 
maligen Inhalte  zu  Grunde  gegangen.  Sehr  gut  verwahrt  und 
geordnet  sind  dagegen  noch  die  Archivalien  des  Domcapitels 
zu  Gurk,  deren  Untersuchung  mir  vom  Herrn  Domdechant 
gütigst  bewilligt  und  durch  ein  mehrere  Bände  umfassendes 
Repertorium  (Annales  Gurcenses)  erleichtert  wurde.  Da  aber 
die  Hinweise  im  Repertorium  meist  nur  sehr  allgemein  lauten 
und  oft  unter  einem  Schlagwort  der  nicht  näher  bezeichnete 
Inhalt  mehrerer  Laden  zusammengefasst  ist,  konnte  ich  eine 
erschöpfende  Durchsicht  nicht  vornehmen,  sondern  musste  mich 
begnügen,  jene  Abtheilungen  des  Archivs  genauer  zu  durch- 
suchen ,  wo  am  ehesten  etwas  für  mich  zu  finden  vermuthet 
werden  konnte.  So  durchsah  ich  eine  beträchtliche  Anzahl 
von  Urbarien  aus  dem  15.  Jahrhunderte  und  spätere,  leider 
ohne  Erfolg ,  ferner  eine  grosse  Menge  von  grösseren  und 
kleineren  Fascikeln  mit  Acten  und  Urkunden  betreffs  der 
domcapitelischen  Güter.  Darunter  fand  ich  zwei  Verzeichnisse 
von  Artikeln  aus  den  Jahren  1579  und  1582,  welche  in 
den  Märkten  Gurk  und  Weitensfeld,  den  zur  Richterwahl 
versammelten  Bürgern  vorgelesen  werden  sollten  und  welche 
für  die  Weisthümersammlung  brauchbar  sein  dürften.  Die  ge- 
nannten beiden  Marktgemeinden  besitzen  keine  Archivalien 
und  sollen  solche  auch  im  Schlosse  Zwischenwässern  nicht 
vorhanden  sein.  Ob  das  Schloss  Althof en  dergleichen  besitze, 
habe  ich  ungeachtet  wiedez'holter  Anfragen  bisher  nicht  er- 
fahren; bei  der  Gemeinde  Althofen  fand  ich,  nahezu  halb 
vermodert  in  einem  Eckthurm  der  ehemaligen  Ringmauer  (falls 
ich  richtig  gesehen),  einige  Packe  älterer  Schriften,  namentlich 
auch  einige  Gerichtsprotokolle  aus  dem  16.  und  17.  Jahr- 
hunderte, denen  ich  entnahm,  dass  die  Richter  wähl  zu  Georgi 
stattfand  und  dabei,  wie  auch  bei  der  Ausrufung  der  Markt- 
freiung  (7.  November)  Gemeindeaugelegenheiten  verhandelt, 
Beschwerdepunkte  der  Gemeinde  vorgelesen  wurden  u.  s.  w. 
Ein  Verzeichniss  dieser,  wie  in  St.  Andrä,  fand  sich  aber  nicht 
vor  und  ebenso  wenig  ein  Bannbuch  oder  eine  Geraeinde- 
ordnung.  Dem  Herrn  Bürgermeister,  der  mir  bei  der  Durch- 
sicht der  staubigen  Papiere  bereitwilligst  beistand,  sei  hiemit 
bestens  gedankt.  Feldkirchen  besitzt  fast  gar  nichts  mehr 
von  seinen  älteren    Urkunden    ausser    einigen    wenigen    Raths- 


Bericht  über  Weisthümer- Forschungen.  217 

und  Gerichtsprotokollen  von  1693  bis  1745  u.  f.,  welche  ge- 
nügten, um  auch  für  diese  Gemeinde  die  Abhaltung  allgemeiner 
Versammlungen  am  St.  Katharinen-  und  St.  Stephanstage  zu 
constatiren,  iu  welchem  unter  anderen  so  wie  anderwärts, 
gemeine  Beschwerden  vorgetragen  wurden.  Diese  waren  aber, 
abgesehen  von  der  öfter  wiederkehrenden  Klage ,  dass  der 
Schauer  viel  Schaden  gethan  habe,  weil  der  Messner  nach- 
lässig mit  dem  Wetterläuten  war,  stets  verschieden  und  bieten 
nichts  Merkwürdiges.  In  Villach  frug  ich  im  Schlosse  und 
Gemeindeamt  vergebens  nach  Archivalien  ^  ebenso  auch  in  den 
benachbarten  Gemeinden  Landskron- Seebach  und  St.  Martin. 
Die  Gemeinde  Paternion  besitzt  noch  etliche  ältere  Pro- 
tokolle von  1678  an,  mit  den  gewöhnlichen  Vermerken  über 
Gemeindeversammlungen ,  das  Steueramt  daselbst  angeblich 
keine  ältei'en  Schriften.  Im  ehemaligen  Archive  der  Herrschaft 
Paternion  befand  sich  einst  laut  eines  Verzeichnisses  vom  Jahre 
1711  eine  Töpplitscher  Dorfordnung,  eine  Töpplitscher 
Wald-  und  Reutordnung,  eine  ,Holzgehack-  und  Bluembesuech- 
ordnung'  der  Kameringer  Nachbarschaft,  Landgerichtsproto- 
kolle von  1630  und  Anderes.  Die  Durchsicht  der  hier  noch 
vorhandenen  Urbarien  von  Paternion  vom  Jahre  1629  und 
1713  und  des  Burgfrieds  Kellerberg  vom  Jahre  1778  ergab 
nichts  für  die  Weisthümersammlung.  Die  Gemeinde  Nikols- 
dorf  hat  keine  älteren  Schriften.  In  der  Gemeindekanzlei  zu 
Spital  sah  ich  Rathsprotokolle  vom  Jahre  1648  an,  laut  welcher 
die  Richterwahl,  Aemterbesetzung  (worunter  auch  die  der  Rott- 
männer) u.  s.  w.  zu  Petri  Stuhlfeier  stattfand.  An  anderen 
älteren  Schriften,  ausser  einigen  Privilegien ,  fehlt  es  da  fast 
ganz.  Das  Schlossarchiv  war  leider  wegen  Abwesenheit  des 
Güterdirectors  unzugänglich,  soll  übrigens  nach  dessen  Bericht, 
ausser  mehreren  Urbarien,  keine  historisch  interessanten  Schriften 
der  von  mir  gesuchten  Art  enthalten,  da  dasselbe  auf  Veran- 
lassung des  historischen  Vereins  für  Kärnthen  schon  einmal 
,untersucht',  d.  h.  vermuthlich  ausgemustert  worden  ist.  In  den 
Urbarien  dürfte  nach  meinen  bisherigen  P_]rfahrungen  kaum 
ein  Banntaiding  vorkommen.  Die  Gemeinde  Gmünd  besitzt 
noch  verhältnissmässig  viele  und  zum  Theile  recht  beachtens- 
werthe  Archivalien,  deren  sich  Herr  Gemeinderath  Rudiferia 
mit  anerkennenswerther  Sorgfalt  annimmt.  Die  Privilegien  und 


218  Bisch  off. 

die  ältesten  wichtigeren  Bücher,  Acten  u.  s.  w.  werden  in  der 
Kanzlei,  die  anderen,  bisher  noch  nicht  geordneten,  zum  Theil 
in  Säcke  verpackten,  in  einem  andern  Zimmer,  wo  auch  noch 
die  Stange  mit  der  Freiung  und  andere  Utensilien  der  Ge- 
meinde vorhanden  sind,  aufbewahrt.  Mit  freundlichster  Be- 
willigung des  Herrn  Bürgermeisters  nahm  ich  mehrere  Stücke 
mit  mir,  worunter  das  Privilegium  des  Erzbischofs  Ortolf  von 
Salzburg  vom  Eritag  nach  St.  Michael  1346  mit  den  alther- 
gebrachten Rechten  der  Stadt,  ferner  ein  altes  Stadtbuch, 
worin  unter  Anderem  ein  bei  den  Gemeindeversammlungen 
noch  im  16.  Jahrhunderte  verlesenes  Statut  oder  Weisthum 
des  Stadtrechts  vom  Jahre  1423  eingetragen  ist.  Den  Proto- 
kollbüchern, welche  bis  gegen  den  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
hinaufreichen,  und  einer  Aufzeichnung  über  die  altherkömm- 
lichen Stadtgebräuche  aus  dem  17.  Jahrhundert  (c.  1638)  ent- 
nahm ich  betreffs  der  Gemeindeversammlungen ,  anderwärts 
Banntaiding  genannt.  Folgendes.  Nachdem  am  Neujahrstag 
Nachmittag  in  einer  Versammlung  des  Magistrates  der  Bürger- 
meister gewählt,  die  Bürgermeisterrechnang  vorgelegt,  ein  Tag 
zur  Justificirung  derselben  bestimmt,  die  Stadtwächter,  Uhr- 
richter, Brunuenmeister  bestellt,  die  Vesper  in  der  Kirche 
gehört,  dem  neugewählten  Bürgermeister  das  feierliche  Geleite 
in  seine  Behausung  gegeben ,  daselbst  Glückwünsche  darge- 
bracht und  der  von  ihm  dem  Magistrate  vorgesetzte  Trunk 
verzehrt  worden,  versammelte  sich  am  Freitag  nach  Neujahr 
die  ganze  Gemeinde  zu  früher  Tageszeit,  der  Stadtschreiber 
verlas  das  Bürgerregister  und  stellte  den  neugewählten  Bürger- 
meister mit  der  Ermahnung  der  Bürgerschaft  zum  Gehorsam 
gegen  denselben  vor.  Hierauf  erfolgte  früher  die  Verlesung 
des  oben  erwähnten  Weisthums ,  später  die  einer  herrschaft- 
lichen Instruction,  welche  zunächst  die  Wiederherstellung  des 
wahren  katholischen  Glaubens  bezweckte,  sodann  die  Verlesung 
der  Bürgermeisterrechuung,  weiter  die  etwa  nöthige  Ergänzung 
oder  Verkehrung  des  Rathes,  dann  der  Vortrag  der  gemeinen 
Beschwerden,  abermals  Verlesung  des  Bürgerregisters  und  Er- 
kenntniss  der  Strafen  für  die  ohne  Entschuldigung  Ausgeblie- 
benen, Verhandlung  und  Erledigung  der  Gemeindebeschwerden, 
Verlass  der  Thorschlüssel  und  Verordnung  der  Brod-,  Wein-, 
Bier-,  Meth-,    Fleischschätzer,    Viertel-  und   Auenmeister,    und 


Bericht  über  Weisthümer-Forschungen.  219 

endlich  Bescheidung  etwa  vorgelegter  Gesuche  um  das  Bürger- 
recht. Eine  andere  Gemeindevei-sammlung  fand  am  Freitag 
nach  Georgi  statt.  Spätestens  um  fünf  Uhr  Morgens  begann 
sie  mit  Ablesung  des  Bürgerregisters,  worauf  der  bisherige 
Stadtrichter  auf  sein  Amt  resignirt  und  die  Danksagung  des 
Magistrats  aus  dem  Munde  des  Stadtschreibers  entgegennimmt. 
Hierauf  wurde  die  erwähnte  herrschaftliche  Instruction  verlesen 
und  sodann  zur  Wahl  eines  neuen  Stadti'ichters  geschritten, 
indem  seit  1631  ein  Wähler  nach  dem  andern  in  die  Raths- 
stube  berufen  wurde  und  da  dem  Bürgermeister  und  einem 
herrschaftlichen  Commissär  den  Namen  des  Erwählten  angab, 
wähi'end  früher  die  Wahl  öffentlich  war.  Hierauf  wurde  der 
in  der  Rathsstube  versammelten  Bürgerschaft  das  Wahlergebniss 
verkündiget,  dieselbe  zum  Gehorsam  ermahnt,  dem  neuge- 
wählten Stadtrichter  das  Richteramt  nach  seinem  besten  Ver- 
mögen und  Verstand  zu  verwalten  anempfohlen,  und  von  seinem 
Vorgänger  unter  Uebergabe  des  Schlüssels  zum  Stadtsiegel 
und  des  Gehorsamsschlüssels  die  gewöhnliche  Session  ein- 
geräumt. Sodann  konnten  gemeine  Beschwerden  vorgebracht 
und  erledigt,  Willküren  beschlossen  werden.  Nachmittag  fand 
die  Besichtigung  und  Berichtigung  der  Gemeindegrenzen  statt, 
nach  deren  Beendigung  jeder  Bürger  beim  Bürgermeister  eine 
Maass  Wein  und  ein  Kreuzerbrot  verzehren  durfte,  während 
den  Rathsherren  drei  Speisen  vorgesetzt  wurden.  Nachdem  auch 
diess  vollbracht,  gab  man  dem  neuen  Stadtrichter  ,über  den 
Platz  öffentlich  mit  Spielleuten  und  Musikanten,  die  das  sur- 
rexit  Christi  singen^  das  Geleite  in  seine  Wohnung.  Auch  in 
dieser  Versammlung  konnten  gemeine  und  private  Beschwerden 
vorgebracht  werden,  sie  sind  sich  aber  in  Gmünd  nicht  so  gleich 
geblieben,  wie  an  einigen  andern  Orten.  —  Jenem  alten  Be- 
richt über  städtische  Rechtsübung  ist  weiter  auch  die  Abhaltung 
mehrerer  Stifttage  zu  entnehmen,  namentlich  der  Kirchenstift, 
am  St.  Johannstag  in  den  Weihnachten,  der  Bruderschaftstift 
am  Donnerstag  nach  Dreikönig,  der  Spitalstift  am  St.  Thomas- 
tage, wobei  die  Erschienenen  mit  Wein  und  Speisen,  die 
, Herrn'  bei  der  Spitalstift  sogar  mit  einer  ,pratwuerst'  bewirthet 
wurden.  Stiftartikel  haben  sich  nicht  gefunden.  —  Ausser  dem 
Gemeindearchive  lernte  ich  in  Gmünd  noch  das  gräflich 
Lodron'sche    Schlossarchiv    kennen ,    das    reichste    und  bestge- 


220  Bischoff. 

ordnete  von  allen  mir  bekannt  gewordenen    weltlichen   Privat- 
archiven in  Kärnthen.    Mit  Hilfe  der  vorhandenen  Repertorien 
und  der   dankenswerthesten    Unterstützung    seitens    des    Herrn 
Güterdirectors   Kofier  gelang  es   mir  in  verhältnissmässig  sehr 
kurzer  Zeit  mich  über  den  grössten  Theil  des  Vorhandenen  zu 
Orientiren    und    einige    für    die    Weisthümersammlung   meines 
Eirachtens    brauchbare  Stücke    auszuheben.    So  fand  ich  da  in 
den  Urbarien    der  Herrschaft    Gmündt    aus    den    Jahren    1579, 
1588  und  1611  unter  der  Ueberschrift :  Voigt  das  Confin-Libell, 
den  Anfang  eines  alten  Banntaidings ,    nämlich    die  bekannten 
Fragen  über  die  rechte  Zeit  u.  s.  w.  und  hierauf  die  Beschrei- 
bung der  Gerichtsgrenzen,  leider  aber  nicht  auch  die  weiteren 
Artikel,  welche  einst  zweifellos  jenem  Anfange  folgten.    Auch 
fand  ich  mehrere  unten  verzeichnete  Alpenbriefe  und  Ordnungen 
die    den    betreffenden    Gemeinden     oder    Nachbarschaften    bei 
ihren  jährlichen  Versammlungen,    den  sogenannten  Landtagen, 
ausgefertigt  und  immer  wieder  vorgehalten    wurden,    wo    auch 
verschiedene  die  Alpe  betreffende  Angelegenheiten  verhandelt, 
die  Almmeister  gewählt  oder  bestätigt,  die  Halter  aufgenommen 
wurden    u.    s.    w.     Weiter    fand    ich    hier    mehrere    Forst-   und 
Waldordnungen    aus    dem    17.    und  18.  Jahrhunderte  und  Pro- 
clamationen    oder     sogenannte     Waldordnungspunkta    aus    den 
Jahren  1640,   1700  und   1750,    welche  den  sämmtlichen  Unter- 
thanen  in  den  Herrschaften  Gmünd    und    Sommeregg    zu    ver- 
kündigen waren,    und   bei  dem    Mangel    eines  Banntaidings  — 
die    anscheinend    verlässlichen    Repertorien    nennen    keines  — 
willkommene  Surrogate  eines    solchen   sind.    Uebrigens  enthält 
das  Archiv    auch    noch    eine    grosse  Anzahl    von    Gerichtspro- 
tokollen,  deren  Inhalt   die  Repertorien  nicht  näher  bezeichnen 
und  deren  ich  nur  einige  wenige    durchsehen  konnte,    so  dass 
möglicherweise  noch  Manches  für  die  Weisthümersammlung  da 
gefunden  werden  könnte. 

In  Sachsenburg  sah  ich  einige  meist  belanglose  Reste 
des  ehemaligen  Herrschaftsarchivs  im  Privatbesitz,  in  welchen 
sie  als  Maculatur  gelangt  sind,  darunter  einige  Aufzeichnungen 
über  abgehaltene  Stifttage,  aber  keine  Stiftartikel ;  ferner  ein 
Grundbuch  der  Herrschaft  Sachsenburg -Feldsperg  aus  dem 
17.  Jahrhunderte  (c.  1660),  und  darin  eine  Beschreibung  des 
Gerichtes,    deren    zwölfter    Artikel    berichtet,    dass    in    disem 


Bericht  über  Weisthümer-Porschungen.  '2'2\. 

gericht,    nachdeme    das   nicht   gross  ist,    auch  nicht  raer  dann 
ein  gesessener   pauer    darinen,    kein    ehehaft-    oder    pantaiding 
gehalten  wierdet.    Das  Pflegeamt  sammt  dem  Markte  Sachsen- 
burg hatte  nur  die  niedere  Gerichtsbarkeit  und  gehörte  in  das 
Landgericht  Falkenstein.    Die  Gemeinde  Sachsenburg  hat,  laut 
Aussage    des  Gemeindebeamten ,    keine  älteren  Schriften.    Der 
beabsichtigte  Besuch  von  Obervellach  unterblieb,  weil  ich  all- 
zulange   auf   eine   Fahrgelegenheit    hätte    warten   müssen.    Auf 
wiederholte  schriftliche  Anfragen    beim    Gemeindeamte    erhielt 
ich  keine  Antwort.  Erfolglos  blieb  mein  Besuch  von  Greifen- 
burff,     obwohl     im     Schlosse     noch     ein    mit    Schriften     aus 
dem  18.  und  19.  Jahrhunderte    ziemlich    vollgefüllter   Schrank 
und  bei  einem  früheren   Gemeindevorstande    einige   Privilegien 
eingesehen  wurden.    In    Oberdrauburg  war  gar  nichts  mehr 
von    den    ehemaligen    Herrschaftsarchivalien    zu   finden.    Beim 
Gemeindevorstande  sah  ich  einige  Privilegien,  deren  eines  die 
Richter-  und  Rathswahl  zu  Georgi,  wie  anderwärts,   gewährte. 
Das  Möllthal  habe  ich  nicht   besucht,    weil    auf   meine    vielen 
dahin    gerichteten  Briefe    gar   keine  Antwort    an   mich  gelangt 
war  und  nach  der  meines  Erachtens  glaubwürdigen  mündlichen 
Versicherung  des  Herrn    Gerichtsadjuncten  v.  Aichenegg,    Be- 
sitzers von  Winklern,  dort  für  die  Weisthümersammlung  etwas 
zu  finden,  keine  Aussicht  vorhanden  sei.    Nur  sehr  flüchtig  habe 
ich,    von    der   Zeit    gedrängt,    das    Gailthal    durchforscht.     In 
Kötschach  sah  ich  nuv  ein  älteres  aber  banntaidingloses  Urbar 
in  Privatbesitz,  beim  Gemeindevorstande  gar  nichts.  Beim  Ge- 
meindeamte Mauthen  sollen  nach  brieflicher  Mittheilung  einige 
alte  Schriften  vorhanden  sein.    Da  ich  aber  auf  meine  genauer 
gestellte  Anfrage    keine    nähere  Bezeichnung    der  vorhandenen 
Schriften    erhielt    und     verhilltnissmässiff    viel    Zeit    gebraucht 
hätte,  um  in  Mauthen  selbst  nachzusehen,  unterblieb  diess.   In 
Hermagor    erlangte    ich    durch    die    Vermittlung    des    Herrn 
Bezirkshauptmannes  daselbst,  für  welche  ich  hier  bestens  danke, 
die  im  Jahre    1735    confirmirten    Marktprivilegien   und  Markt- 
artikel   vom    Jahre    1562    zur    Abschrift.    In    Tarvis    sah    ich 
Rathsprotokolle  vom   Jahre  1590,    in    Malborghet    von    1(318 
an,  welche  die  Abhaltung    allgemeiner  Versammlungen    behufs 
der  Richterwahl,  wie  sie  anderwärts  stattfanden,  bezeugen,  aber 
nichts    für'  die    Weisthümersammlung    boten.      Ganz    erfolglos 


222  Bischoff. 

waren  meine  Anfragen  in  den  Gemeinden  Ug-gowitz,  Raibl, 
Saifnitz  und  beim  Herrn  Dechant  im  zuletzt  genannten  Orte. 
Vom  ehemaligen  Archiv  der  Herrschaft  Tarvis  befindet  sich 
noch  ein  grosser  und  theilweise  beachtenswerther  Rest  auf  dem 
Dachboden  des  Hauses ,  in  welchem  sich  die  Gutsverwaltung 
befindet,  es  ist  aber  mehrstündigem  Herumsuchen  in  dem 
ungeordneten  Haufen  nicht  gelungen ,  etwas  für  die  Weis- 
thümersammlung  zu  finden. 

Auf  dem  Wege  nach  Klagenfurt,  wohin  ich  mich  schliess- 
lich wendete,  frug  ich  in  Rossegg  bei  dem  Kaufmanne  Zimmer- 
mann nach  Archivalien ,  da  ich  erfahren  hatte ,  dass  er  viele 
Centner  beschriebenen  Papiers  aus  dem  Wernberger  Archive 
käuflich  an  sich  gebi-acht  hätte.  Ich  sah  aber  bei  ihm  nur 
mehr  wenig  von  seiner  Errungenschaft,  indem  das  Uebrige 
inzwischen  von  ihm  dem  historischen  Vereine  für  Kärnthen 
überlassen  worden  war.  Gegenüber  dem  Vandalismus  anderer 
Maculaturkäufer  verdient  Zimmermann's  Handlungsweise  Aner- 
kennung. Die  Gemeinde  Rossegg  soll  nichts  von  älteren 
Schriften  besitzen.  Vom  Schlossarchive  befinden  sich  grosse 
Massen  gänzlich  ungeordnet  und  verwahrlost  unter  dem  Dache 
und  wurden  von  mir  vergebens  durchsucht.  Ebenso  wenig  fand 
sich  etwas  für  mich  in  Velden. 

Schon  im  April  1877  war  ich  nach  Klagenfurt  gereist, 
um  dort  nach  Weisthümern  zu  suchen,  aber  eine  bösartige 
Erkältung^  die  ich  mir  da  zuzog,  zwang  mich  bald  meine  kaum 
begonnene  Arbeit  auf  spätere  Zeit  zu  verschieben.  Mit  gütigster 
Erlaubniss  des  Herrn  Fürstbischofs  von  Gurk  und  gefälligster 
Beihilfe  seines  Herrn  Secretärs  untersuchte  ich  das  nicht 
grosse,  nunmehr  geordnete  und  recht  gut  situirte  bischöfliche 
Archiv,  leider  auch  ohne  ein  eigentliches  Banntaiding  zu  finden, 
aber  doch  nicht  ganz  erfolglos.  In  dem  Urbarium  der  Herr- 
schaft Strassburg  vom  Jahre  1553  fand  sich  eine  Aidinger 
Forstordnung  vom  Jahre  1538,  aus  einem  Dürrensteiner 
Urbarium  copirte  ich  ein  Weisthum  über  die  zur  Herrschaft 
gehörigen  Rechte  aus  dem  16.  Jahrhunderte.  Der  Codex 
Nr.  290  enthält  unter  Andern  Aufzeichnungen  über  Stifttage, 
welche  vom  bischöflichen  Hauptmanne  in  den  Jahren  1512 
und  1513  zu  Weitenstein,  St.  Georgen,  Peilenstein,  Windisch- 
laudsberg,    Wisell    und    Nassenfass    abgehalten    wurden.     Dem 


Bericht  üter  Weiethümer-Forschungen.  223 

Strassburger  Urbar  vom  Jahre  1553  entnahm  ich  auch  nach- 
stehende nach  der  Mauthordnung  des  Marktes  Grades  ein- 
getragene Bemerkung:  Das  landtgericht  tregt  ungeleich  und 
man  kann  nit  eigentlich  wissen ,  wie  vill  es  tregt.  Man  helt 
auch  die  panthäding  all  vier  wochen  nach  s.  Michels  tag  biss 
auf  s.  Jörgen  tag.  Wer  sich  von  dem  lantrichter  beschwärt 
vermaint,  der  khumbt  vor  die  pantäding,  und  was  die  sitzer  in 
der  pantäding  aussprechen^  dabei  lesst  es  der  pfleger  und 
lanndtrichter  peleiben,  und  dieselben  wenndl  lest  man  aim 
landtrichter.  Eine  neuere  Copie  der  Confirmation  des  Strass- 
burger  Stadtrechtes  vom  Jahre  1604  nahm  ich  zur  Abschrift  mit. 
Ueber  das  Archiv  des  historischen  Vereins  für 
Kärnthen  suchte  ich  mich  zuvörderst  dadurch  zu  orientiren, 
dass  ich  das  Verzeichniss  der  Manuscripte,  die  Urkunden- 
regesten ,  die  aber  nur  bis  ins  15.  Jahrhundert  giengen  und 
ein  Verzeichniss  der  von  der  Finanzlandesdirection  in  Graz 
abgelieferten  Schriften  durchgesehen  habe.  Auch  den  hier  be- 
findlichen schon  früher  erwähnten  Wolfsberger  Archivskatalog 
habe  ich  durchgelesen  und  dadurch  die  Ueberzeugung  ge- 
wonnen, dass  ich  bei  Durchforschung  jenes  Archivs  nichts 
Beachtenswerthes  übersehen  habe.  Ein  sehr  beträchtlicher  Theil 
des  Archives  des  historischen  Vereins  war  aber  noch  nicht 
katalogisirt ,  namentlich  eine  sehr  bedeutende  Quantität  von 
Handschriften ,  Acten  und  Urkunden ,  welche  aus  dem  Mill- 
städter,  Maria-Saaler,  Viktringer,  Wolfsberger  und  anderen 
Archiven  hieher  kamen,  und  worunter  sich  gerade  am  meisten 
für  meine  Zwecke  vorfand,  im  Ganzen  freilich  auch  nur  wenig. 
Unter  den  bereits  signirten  Urbarien  enthält  ein  unzweifelhaft 
aus  dem  Stifte  St.  Paul  stammendes  Urbarium  der  Herrschaft 
Unterdrauburg,  beiläufig  aus  dem  Jahre  1(328  Artikel  für 
den  Pfleger,  welche  in  Ermanglung  eines  Banntaidings  in  die 
Weisthümersammlung  aufzunehmen  zweckmässig  sein  dürfte. 
Alle  weiteren  Jirrungenschaften  rühren  aus  dem  noch  ungeord- 
neten Theile  des  Archives  her,  dessen  Durchsicht  mir  mit 
ehrendem  Vertrauen  gestattet  wurde,  wofür  ich,  wie  für  die 
vielfache  Förderung  meiner  Bemühungen,  namentlich  dem  um 
das  Archiv  des  historischen  Vereins  für  Kärnthen  so  sehr 
verdienten  Herrn  k.  k.  Notar  Josef  Fresacher,  Ausschuss- 
mitglied des    genannten    V^ereines,    und  dem    in    Gefälligkeits- 


224  Bischoff. 

bezeigungen  unermüdlichen ,  allen  Freunden  kärthnerischer 
Geschichte  längst  bekannten  Herrn  Vereinssocretär  R.  v.  Gallen- 
stein, meinen  tiefgefühlten  Dank  hier  ausspreche.  Der  werth- 
vollste  Fund  aus  diesem  Archivsbestandtheile  war  der  des 
Banntaidingsbuchs  von  Millstadt  vom  Jahre  1593  in  zwei 
Handschriften,  welche  ausser  dem  Millstädter  Banntaiding, 
einer  Polizeiordnung  und  verschiedenen  bei  den  Banntaidingen 
verlesenen  herrschaftlichen  Normen  auch  mehrere  Banntaidinsrs- 
Protokolle  enthalten ,  denen  ich  die  folgenden  Mittheilungen 
entnehme.  Das  älteste  Pi'otokoll  ist  das  über  das  Banntaiding 
vom  10.  Juni  1593.  Laut  dessen  wurde  zunächst  auf  Anfrage 
des  ganzen  Ringes  von  diesem  mit  einhelligem  Urtheile  zu 
Recht  erkannt,  dass  das  Banntaidingbuch,  wie  von  Alter  her- 
kömmlich ,  seinem  ganzen  Inhalte  nach  vorgelesen  werden 
sollte.  Sodann  wurde  ebenfalls  einhellig  erkannt,  dass  solich 
pantaidingbuech  mit  allen  demselben  inhalt  und  articln ,  wie 
sy  nachlengs  verlesen  worden  sein,  vesst  und  statt  zu  halten, 
auch  menniglich  dabey  gehandthabt  werde.  Hiernach  wurden 
Klagen  und  Beschwerden  verhandelt  und  endlich  die  Schwend- 
meister, Gras-,  Wald-,  Jäger  und  Rottenmeister  der  verschie- 
denen Nachbarschaften  bestellt.  Das  nächstfolgende  Banntai- 
dingprotokoU  vom  22.  Mai  1597  enthält  Beschwerdeverhandluugen 
und  Aemterbesetzungen.  Hierauf  folgt  die  Confinbeschreibung 
eine  ziemlich  weitläufige  Polizeiordnung,  ferner  mehrere  am 
9.  Juni  1608  verlesene  Artikel  und  wieder  Aemterbesetzung; 
dann  mehrmals  nur  Aemterbesetzungen  bis  erst  am  3.  Juni  1622 
ein  Verzeichniss  .etlicher  Handlungen^  Aus  dem  Jahre  1625 
findet  sich  folgender  beachtenswerthe  Eintrag.  Wie  von  alter 
herkhomen  ist  die  pauthäding  bei  dem  hofgericht  Mülstat  den 
vierten  Augusti  a.  1625  gehaldten  worden  und  volgunde  er- 
setzung  beschechen.  Erstlich  werden  die  ambtleit  befragt,  ob 
alle  urbars  und  gerichtsunterthonen  gegenwiertig  sein. 

Zum  andern  wierdt  das  gericht  nach  Ordnung  der  gemain 
beseczt.  (Der  Ring  bestand  aus  6  Bürgern  und  22  Personen 
aus  24  Aeratern,  beziehungsweise  Nachbarschaften.) 

Zum  driten  ist  die  frag,  wie  in  alten  pandäding  puech 
zu  sechen. 

Zum  vierten  werden  die  confinen  und  paudäding  verlesen. 

Zum  fünften  werden  die  ämter  erseczt. 


Bericht  über  Weisthüraer-Forsrhtingen.  ?25 

Zum  sechsten  wierdt  ausgerueffen ,  es  solle  ein  yeder 
richter  und  ambtman  seine  unterthonen  absonderlich  fürstellen, 
damit  sie  in  klagen  untereinander  nit  vermischt  werden ,  und 
wierdt  die  Ordnung  gehalten,  dass  die  burgerschaft  im  ftiarkht 
mit  ihren  adherenten  zum  ersten,  ziun  andern  das  hofainbt, 
dritens  Twengerambt  und  lestens  das  Puecherambt  fürstele. 
(Nach  Twengerambt  ist  später  hinzugesetzt:  Kirchamber.  Oss- 
walder,  Reichenauer.) 

Zum  sibenden  werden  die  clag  und  antwort  verhört. 

Am  19.  August  1G25  wurde  ein  Banntaiding  im  Land- 
gericht Reichenau  zu  Kirchheim  gehalten,  im  Jahre  162(J  am 
21.  Juni  im  Hofgericht  Millstatt.  Dann  sind  noch  eingetragen 
ein  Millstätter  Banntaiding  vom  28.  Mai  IGoT,  vom  7.  Juli 
1639,  14.  Juli  1642,  17.  Juli  1645,  13.  Juli  1648,  18.  Juli  1651, 
23.  August  1675;  auffallend  ist,  dass  seit  1639  keine  Klagen 
mehr  protokollirt  sind,  somit  die  ganze  Tagesordnung  nur  in 
Verlesung  der  Unterthanen,  Besetzung  des  Ringes,  Ersetzung 
der  Aemter  bestanden  zu  haben  scheint.  Endlich  findet  sich 
da  noch  der  nachstehende  Vermerk:  Im  Januario  1671  ist 
allen  dess  fürstl.  stttfFts  Müllstatt  unterthanen  nach  vollendter 
stüfft  die  Polliceyordnung  (ohne  haltung  ordenlicher  pau  thai- 
dung)  in  der  canczlei  vorgelassen  worden,  und  im  verflossnen 
1670isten  Jahr,  nach  verlessung  ihrer  gründt  und  gerechtig- 
kheiten,  hernachvolgende  ambter  erseczung  beschechen.  Folgen 
die  Namen  der  Waldmeister  und  Anderes.  Die  Hälfte  des 
Buches  ist  unbeschrieben. 

Ich  erwähne  ferner  ein  Viktringer  Banntaidingsregister 
aus  den  Jahren  1704  bis  1709,  welches  aber  nur  die  Namen 
der  Unterthanen  ,ehnhalb  der  Traa,  so  ain  hiebler  zwei, 
ain  kheischler  aber  drei  pfening  järlichen  zu  raichcn  hat, 
allain  die  purkhfridtmessigen  zu  verstehen^,  und  die  Be- 
stättigung  der  Entrichtung  der  Bannpfenninge  enthält.  An- 
schliessend daran  stehen  Verzeichnisse  über  Ehrungen,  welche 
im  Gannsdorfer  Banntaiding  am  24.  Juni  1704  und  1706, 
am  25.  Juni  1707,  24.  Juni  1708.  1709,  1710,  am  22.  Juni 
1711,  am  21.  Juni  1712,  24.  Juni  1713,  25.  Juni  1714  und 
1716,  am  22.  Juni  1717,  1718  und  1719  bezahlt  worden  sind. 
Aus  dem  Viktringer  Archive  stammt  gewiss  auch  eine  vom 
6.  Juli   1696    datirte    Eingabe    des  Hollenburger   Landgerichts- 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  BJ.  I.  Hit.  15 


22G  Hisclioff. 

pfle<]jers  an  den  Landesliaubtinann,  worin  Einsprache  dagegen 
erhoben  wird,  dass  sich  das  Kloster  Viktring;  ,ganz  unbefueo-ter 
weiss  unterfanget  panthädungen  im  hollenburger  Landgericht 
zu  halten  und  jeden  urbars  holden,  als  ob  dieselben  alle  dahin 
gerichtmessig  wei'en,  darzue  zu  erfordern',  und  eine  ähnliche 
Eingabe  vom  2.  Juni  1758,  betreffend  die  Anniassung  eines 
Banntaidingsrechtes  seitens  des  Klosters  Viktring  gegen  einen 
hollenburger  Unterthan  zu  Toppeisdorf. 

In  einem  im  Jahre  1704  geschriebenen  Repertorium  der 
bei  der  Herrschaft  Stall  vorhanden  gewesenen  Schriften  fand 
ich  verzeichnet  ain  landtdatingbieclil  der  h.  Stall  durch  herrn 
Balthasar  von  Kionburg  im  j.  1577  beschrieben,  und  im  Urbar 
von  Peternell  und  Wartenstein  steht  bezüglich  auf  Peter- 
nell:  es  sein  auch  nit  panthädingpuech  vorhanden  oder  etwo 
bei  diser  zeit  gedenkhen  panthäding  gehalten  worden,  wogegen 
das  Vorhandengewesensein  eines  Wartensteiner  Banntaidings- 
buches  (Grimm,  III,  710)  aus  einem  Hinweis  darauf  bezüglich 
des  darin  vermerkten  Wartensteiner  Burgfriedens  ersichtlich  ist. 
—  Diess  meine  ganze  Ausbeute  aus  dem  Archive  des  histori- 
schen Vereines.  Die  da  vorhandenen  Abschriften  der  Villacher 
und  der  Wolfsberger  Stadtrechte  sind  für  die  Weisthümer- 
sammlung  kaum  verwendbar,  obwohl  selbe  in  der  allgemeinen 
Bürgerversammlung  vorzulesen  waren. 

Keinen  Erfolg  hatten  meine  Anfragen  bei  der  Landes- 
vertretung, beim  Landesgerichte,  bei  der  Rosenberg'schen 
Güterdirection  und  bei  der  Landesregierung.  Ob  eine 
genauere  Durchsicht  der  älteren  Schriften  beim  Landesgerichte 
nicht  doch  manche  brauchbare  Urkunde  oder  beachtenswerthe 
Notizen  ergeben  würde,  muss  ich  dahingestellt  sein  lassen. 

Von  Kiagenfurt  aus  besuchte  ich  das  Schloss  Hollen- 
burg, nachdem  mir  Herr  Dr.  v.  Vest  die  Erlaubniss  freund- 
lichst ertheilt  hatte,  das  dort  befindliche  Archiv  zu  durchsuchen. 
Ich  hatte  dasselbe  schon  früher  einmal ,  aber  nicht  in  der 
Absicht  Banntaidinge  zu  finden,  durchgesehen  und  damals 
schon  wahrgenomuKin,  dass  daselbst  noch  sehr  viele  Herr- 
schaftsacten  aus  älterer  Zeit  vorhanden  seien.  Diesen  wandte 
ich  mich  bei  meinem  dermaligen  Besuche  zunächst  zu.  Sie 
finden  sich  theils  in  den  vierundzwanzig  Laden  links  vom  Ein- 


Berielit  über  Weisthümer-Porschungen.  227 

gcang,  tlieils  in  Schränken  und  auf  Tischen,  g^änzlich  uiioeordnet. 
In  andern  vierundzwanzig  Laden  waren  Urkunden ;  jetzt  ist 
ein  Theil  diesep'  Laden,  Avorin  sich  Familienjjapiere  befinden 
sollen,  amtlich  versiegelt,  weil  die  Herrschaft  derzeit  Gegenstand 
eines  Processes  ist;  mehrere  der  offenen  Laden  sind  leer, 
einige  enthalten  noch  Urkunden  und  Urbarien.  Meine  Ausbeute 
aus  diesem  Materiale  beschränkt  sich  auf  Nachstehendos.  Im 
Urbarium  von  Hollenburg  vom  Jahre  1524  steht  hinter  den 
Zins-  und  Abgabenregister  des  Amtes  Selkach:  Vermergkt  das 
panteding  zu  Selkach  an  St.  Philipp  und  Jacobtag,  worauf 
aber  nur  ein  Verzeichniss  derjenigen  folgt,  welche  aus  den  zum 
genannten  Amte  gehörigen  Ortschaften  Baunpfenninge  und 
andere  Abgaben  zu  zahlen  hatten,  nebst  der  Bezeichnung  dieser 
Abgaben.  Weiter  Vermergkt  die  panteding  zu  Kötmansdorf 
am  St.  Jorigentag  herdisshalben  der  Traa,  folgt  wieder  das 
betreffende  Register  der  Banntaidingspfliciitigen  und  ihrer 
schuldigen  Abgaben  ....  Vermergkt  das  panteding  zu  Golt- 
schach  an  St.  Augustinstage,  folgt  das  Register  und  so  weiter: 
Vermergkt  das  panteding  an  der  Matschach,  ohne  Zeitangabe  .  . 
Vermergkt  das  panteding  zu  Kursennteur  .  .  .  Vermergkt  das 
panteding  zu  St.  Margreten  ....  Vermergkt  das  pant.  zu 
St.  Thomas  im  hollenburger  gericht  wievill  man  diennt  allerbeg 
recht  panphenning,  habern,  kas,  hüner  und  ayer  ....  Einen 
HoUenburgerUrbardes  17.  Jahrhunderts  entnahm  ich  Folgendes: 
Pan  und  acht.  Man  soll  ia  der  herrschaft  Hollenburg  alle  jähr 
fünffniahl  pannthaidung  halten,  darzue  dan  die  pauern  zu  Unter- 
haltung der  pannthaidung  den  pannpfenig  und  anders,  wie  vor 
gebreichig,  geben  und  bezahlen  miessen.  In  der  vom  Grafen 
Sigmund  Helfi-ied  v.  Dietrichsteim  am  1.  Mai  1(370  für  den 
Hullenburger  Landrichter  ausgestellten  Instruction  steht:  Er 
lanndtrichter  solle  auch  fünfftens  zu  den  alt  gewehnlichen 
Zeiten,  taigen  und  orthen  das  gerichts  pantliaidung  recht  an- 
stellen ,  öffentlichen  an  canzl  verkhindten  lassen ,  damit  die 
benachbarten  dorffleüth  an  bestimbtes  orth  zusamen  khomen 
und  ihro  etwo  habende  bcschwerdten  fürbringen  megen,  und 
was  alda  fürkhombt  oder  durch  wembe  es  fürgebracht  werde, 
fleissig  und  embsig  mit  allen  umbstendten  in  das  prothocoU 
eintragen  und  alle  hierbey  erscheinende  partheyen  mit  tauft'- 
und  zuenamben,    wo  oder  wembe  sie  undterthenig   oder    ange- 

15* 


228  Risclinff. 

hörig  fleissig-  einschreiben,  auf  dass  sodann  von  meinem  pfleger 
nach  vernembener  Sachen  (wie  er  dan  für  sich  selbsten  nichte 
zu  verbescheiden  haben  solte)  in  saclien  urtl  und  reclit  ieden 
erthailt  werden  klian,  bey  welcher  jezo  gedachter  gerichts 
panthaidung  er  hxnndtrichter  die  nach  alt  herkhoraben  zu  raichen 
gebende  pfennig  und  gaben,  verenderungs  einschreibtax  uunach- 
leslich  solle  einlangen,  niemandten  aber  mit  mindister  mehrerer 
anlegung  oder  neueruug  beschweren.  Ein  im  Wesentlichen 
mit  dieser  übereinstimmender  Artikel  steht  auch  in  der  Land- 
richters-Instruction  vom  1.  Mai  1699.  Ich  nenne  noch  mehrere 
da  vorgefundene  Bruchstücke  von  Banntaidingsprotokolleu  aus 
den  .Jahren  1679  bis  1694,  die  Banntaidinge  zu  Köttmanusdorf, 
Zeltschach  und  andere  betreffend,  und  ein  Banntaidingsregister 
von  Niederdörfel  bei  St.  Thomas  aus  den  .Jahren  1625  bis 
1635,  wonach  das  Banntaiding  an  diesem  Orte  gewöhnlich  um 
den  6.  Jänner  stattgefunden  hat.  Hollenburger  Banntaidings- 
artikel  waren  leider  nicht  zu  entdecken. 

Schliesslich  erübrigt  mir  nocli  die  Mittheilung,  dass  Herr 
Professor  Dr.  Rockiuger  auf  meine  Anfrage  mii'  gefälligst 
bekannt  gab,  dass  er  weder  im  k.  bairischen  Staatsarchive, 
noch  in  dem,  gleich  jenem,  seiner  Leitung  untergebenen  ge- 
heimen Hausarchive  zu  München,  auf  etwas  für  meine 
Zwecke  Geeignetes  gestossen  sei.  Auch  die  im  k.  bair.  allgem. 
Reichsarchive  von  Herrn  Professor  Dr.  v.  Inama-Sterneg  an- 
gestellten Nachforschungen  nach  steiermärkischen  Weisthümern 
waren  ohne  Erfolg. 

Im  Nachstehenden  sind  die  Handschriften  welche  für  die 
Weisthümersammlung  brauchbare  Stücke  enthalten,  und  zu- 
gleich diese  Stücke  näher  bezeichnet. 

Aiding  (oder  vielleicht  Liding). 

Ordnung  der  forsten  im  Ayding  gemacht  am  28.  Augusti 
a.   1538. 

10  Artikel,  im  Urbarium  von  Strassburg,  im  bischöfl. 
Gurker  Archiv  zu  Klagenfurt. 

Dum  stein. 

Hie  ist  vermerkht,  wie  vor  die  elltisten  gedenkhen  der 
rechten,    die  da  gehprent  zu  der  her.schaft  Dierustayu  und  als 


Bericht  über  Weisthümer-Forschungen.  229 

wjer  von  unsern  vorvordern  und  elltern  gehört  haben,  wie  die 
rechten  von  allter  herkhomen  sein.  14  Absätze.  Der  letzte : 
Auch  wann  des  von  Ardinbui'k  richter  ain  rieht,  das  da  beruert 
den  dot  .  .  . 

In  einem  Urbar  von  Dürnstein,  16.  Jahrh.,  im  bischöfl. 
Gurker  Archive. 

Ebenwald. 

Alpenbrief  am  Ebenwald  a.  1612  und  1636  für  die  Nach- 
barschaften zu  Rennweg,  St.  Georgen,  Frankenberg  und  Erzberg. 

Original,  12  Bl.  Folio,  im  gräflich  Lodron'schen  Archive 
zu  Gmünd. 

Gmünd. 

a)  Confin-Libell.  Vermerkt  die  landsrechten,  als  man 
fragt  in  dem  landtäding,  und  was  man  auf  ire  frag  erthaillet 
auf  den  ayd. 

12  Abschnitte  in  den  Urbarien  von  Gmünd  vom  Jahre  1579 
und  1611  u.  a.  Im  steierm.  I^andesarchive  und  im  gräfl. 
Lodron'schen  Archive  zu  Gmünd. 

b)  Waldordnungspuncta  von  Ernst  M.  Grafen  zu  Lodron 
u.  s.  w.  vom  Jahre  1640. 

12  Artikel  abschriftlich  a.  a.  O.  zu  Gmünd.  2  Bl.  Folio. 

c)  Proclamatscopia  über  die  in  der  herrschaft  Gmünd  und 
Sommeregg  instituirte  forst-  und  waldordnung,  d.  d.  Insprugg 
18.  Juni  1700. 

16  Art.  4  Bl.  fol.  a.  a.  O. 

d)  Waldungspatent  vom  26.  Juni   1750. 
6  Art.  Original,  3  Bl.  fol.  a.  a.  O. 

e)  Hie  ist  vermerkcht  wie  dv  purger  reich  und  arm  der 
stat  zu  Gmunden  erfunden  habend  auf  ir  aid  an  S.  Erhartz 
abend,  do  man  dy  purgermeister  gesetzt  hat,    anno  im  (14)23. 

Item  von  ersten,  welicher  der  war,  der  dem  andern  hochew 
verpotnew  wort  geit  .... 

Letzter  (18.)  Artikel:  Item  aber  ist  erfunden,  das  man 
dy  swein,  dy  zu  ringeln  sind,  ringeln  soll  .  .  . 


230 


Bischoff. 


Auf  Blatt  06  und  37  de«  .Stadtbuches  von  Gmünd  aus 
dem  li").  Jaliili.  Papier,  Ibl.  Holzband  mit  messingenen  Buckeln 
im  Stadtarchiv  zu  Gmünd. 

f)  Herrschaftliche  Instruction  aus  der  zweiten  Hälfte  des 
17.  Jahrh.  ftir  die  Bürger  zu  Gmünd,  laut  des  letzten  Artikels 
in  der  Gemeindeversammlung  jährlich  zweimal  zu  verlesen. 
Papier,  fol.  8  Bl,  a.  a.  O. 

Gurk.  . 

Verzaichnüs  zu  der  richtcrwal  zu  vci'melden  vom  J.  1579. 

Der  hochwürdig  .  .  .  herr  Carl  tluimbprobst  .  .  zu  Gurkh 
.  .  gebietten  und  wollen 

das  erstlicli  ftir  alle  ding  ein  gleichformigkheit  in  der 
religion  u.  s.  w. 

Letzter  (16.)  Artikel:  Ernsllich  aufzuladen,  damit  guete 
policey,  zucht,  erbarer  waudl  u.  s.  w, 

2  Bl.  Papier,  fol.  ad  Lad.  52,  Fase.  5,  Nr.  10,  im  Capitels- 
archive  zu  Gurk. 

Laiding. 

Hannsen  Khindspergers  ambtmans  zu  St.  Margarethen 
in  namen  der  ganzen  naehbarschaft  am  Laiding  wegen  auf- 
richtung  aines  gefertigten  gemainbriefs  in  der  Hartmanin  da- 
selbst gehorsames  anbringen,  präs.   16.  Juli  1607. 

Enthält  den   P]utwurf  des  Gemeinbriefes  in  6  Artikeln. 

o  Bl.  Papier,  im  Schlossarchive  zu  Wolfsberg,  Fase.  9, 
Nr.  664. 

Lanisch. 

Gründliche  und  originalische  abschrift  des  alben  briefs 
der  Lanisch  genaudt.     Anno   1550,  eonlirmirt   IG06. 

2  Bl.  Pap.  fol.  im  gräfl.  Lodron'schen  Archiv  zu  Gmünd. 

Lasern. 

Alpenbrief  der  Lasern  in  Rauchcnkhätscher  Landtgericht. 
Anno  1635. 

Abschrifi  im  Sehlossarcliivc  zu  Gmünd. 


Bericht  iiher  Weisthümer-Forschnngen.  231 


Millstatt. 


a)  Pautaidingbuccli,  darinnen  die  pautaiding-  iärlich  ein- 
geschrieben worden.    Angetangen  de  anno   1593. 

Inneres  Titelblatt:  Vermerckht  etlich  melduug,  so  von 
alter  löbl.  gewonhait  und  gerechtigkait  iärlieh  in  geujainen 
pautaiding  auf  heut,  zu  guet  den  armen  als  den  reichen^  von 
gemaines  nucz  wegen  mit  sambt  andern  freihalten  des  gotshauss 
hie  zu  Müllstatt  sollen  verkhündt  werden.  1593. 

Am  untern  Rande :  Das  ubergulte  pautädiug  pucch,  auss 
welchen  man  pflegt  das  pautäding  zu  verlesen,  ist  in  der  schacz- 
kammcr  zu  linden. 

Hierauf  das  Banntaiding  in  35  rubricirten  Artikeln,  auf 
16  Seiten.  Der  letzte  Satz :  Auch  nach  obgedachter  alter  ge- 
wonhait soll  mau  auf  heut  seczen  und  ordnen  weegraumer 
und  schwendmaister  in  allen  nachperschaften  auf  künftiges  iar. 

Dann  folgen  BanntaidingsprotokoUe  bis  S.  48  und  danach 
S.  49  bis  55  Conlinbeschreibungen  aus  dem  Jahre  1599.  S.  56 
bis  79:  Was  für  ain  Ordnung  und  poUizey  bei  dem  marckht 
zu  Müllötatt  und  dem  ganzen  Mullstetterischen  gericht  gehalten 
wierd.  47  Artikel. 

S.  80  bis  99  Vcrzaichnus  mehrer  nottwendiger  puncten 
und  articln,  so  den  9.  Juni  des  1608.  iars,  nach  verlesenem 
pautäding  den  anwesenden  MilLstetterischen  underthanen  für- 
zuhalten zur  nachrichtung  von  uötten  seiu.  12  Capitel.  Das 
letzte  beginnt:  Weil  biss.hero  in  wenig  zeit  zum  öfftermals 
sich  zuegetragen  ... 

S.  100  bis  125  Protokolle  und  hierauf  bis  S.  129:  Be- 
schreibung des  willdpans  pidmarchen  und  anraiuungen. 

Sodann  BanntaidingsprotokoUe  bis  zum  Jahre  1671. 

Papierhandschrift  des  historischen  Vereins  für  Kärnthen, 
in  Pergament  gebunden,  noch  nicht  signirt,  beiläutig  300  Bl. 
fol,  stark,  wovon  die  zweite  Hälfte  unbeschrieben. 

b)  Papier  band  Schrift  in  Folio  des  historischen  Vereins 
füi-  Kärnthen,  in  beschriebenes  Pergament  gebunden,  noch  nicht 
signirt;  am  untern  Rande  der  vorderen  Einbanddecke:  Des 
stüfts   Müllstatt    landgericht,    pollizey    und    ofticirer    betreffent. 


232  Bischoff. 

Bl.  1  bis  7  unbeschrieben.  Bl.  8  Von  ersten  fragt  man  einen 
beisitz(!r  am  beseczten  ring-  also :  Ich  frag  euch,  obs  auch  sey 
in  dem  iar  u.  s.  w.  Folgen  Continbeschreibungen  und  die 
Polizeiordnung  wie  oben  in  a);  dann  auf  mehrere  leere  Blätter: 
AUerlay  meraorial,  instruction  und  bstallung  der  Müllstetterischen 
officirn  und  ambtleuth  bis  Blatt  57. 

Bl.  58  bis  61  Etliche  notwendige  articl,  so  der  gemaine 
zu  erhaltung  gueter  polliceyordnung  und  mannsszucht  iui  1608. 
(iar)  9.  Juni  fürgelössen  und  publiciert  worden.  Erstlichen 
werden  die  wirth  vermahnt  ...  40  Artikel,  nicht  überein- 
stimmend njit  denen  in  a),  aus  demselben  Jahre. 

Bl.  62  bis  63  Volgen  etliche  puncten,  so  die  burger  im 
marckht  zu  Müllestatt  allain  betreffen.  Erstlich  soll  der  viertel- 
maister  ...  6  Artikel. 

Mehr  als  zwei  Drittel  des  Buches  unbeschrieben. 

Pollheim. 

Gemeinbrief  der  Nachbarschaft  zu  Pollheim  vom  20.  Mai 
1586.   13  Artikel. 

Orig.  4  Papier-Bl.  fol.  im  Wolfsberger  Schlossarchiv,  Fase.  7. 
Nr.  546. 

Pressing  borg. 

Almmeisterordnung  vom   12.  Mai  1635. 

Abschrift  aus  dem  gräfl.  Lodron'schen  Archive  zu  Gmünd. 

Salaberg. 

a)  Vermerckht  die  vier  eehafften  tating  zue  den  her- 
schafft gehn  Salchenberg  gehörig.  1523. 

Dasz  wierdt  genant  das  pautadting.  Erstlichen  mues  ain 
iedter  ambtmann  ...  8  Artikel. 

Hernach  volgen  die  andern  drei  eehaften  tadting,  und 
haissen  die  vogt  täting  ...  64  Artikel. 

Papierhandschrift,  fol.  11  Bl.  im  VVolfsbei-ger  Schloss- 
archiv, Fase.  2,  Nr.  184. 

b)  Dasselbe  in  der  mit  obiger  wohl  ziemlich  gleichzeitigen 
Papierhandschrift  am  selben  Orte,  Fase.  23,  Nr.   1596. 


Bericht  über  Weisthümer-Forschungen,  2öo 

St.  Andrä. 

Gerichtsprotokoll  vom  Freitage  vor  Georgi  1577,  enthält 
die  pesch%vär  articl  der  ganczen  eysseresten  gmain  burger- 
schaft.  Erstlich,  das  man  zwailich  und  phenwert  sembl  pachen 
sol  .  .  .  8  Artikel.  Der  letzte  schliesst:  das  man  khainem  kain 
frischling  noch  gaiss  an  der  gmain  zu  halten  nit  gestatte  bei 
Vermeidung  ernstlicher   straff. 

b)  Das  Gerichtsprotokoll  vom  Freitag  vor  Georgi  1578 
enthält:  die  pesch^vär  articl  der  innern  und  eissern  gemainen 
burgerschaft.  13  Artikel,  theilweise  übereinstimmend  mit  denen 
vom  Jahre  1577. 

c)  Gravamina  a.  1665  vom  9.  April ;  27  Artikel.  Erst- 
lichen  dem  prunmaister  solle  ehrnstlichen  aufgetragen  werden, 
wegen  der  wasser,  das  die  prunkhästen  alle  zeit  mit  wasser 
versechen  werden  ...  2  Bl. 

d)  Gravamina  auf  das  1667  iste  iar;  vom  14.  Aprill. 
33  Artikel,  grossentheils  mit  denen  vom  Jahre  1665  überein- 
stimmend. 3  Bl. 

e)  Berueffung  gemainer  statt  St.  Andree  khaiser-  und 
lanndtsfürstlichen  freyung,  so  in  festo  s.  Augustini  nach  alten 
und  bishero  gehaltnem  gebrauch  und  freihaiten  beruefft  wirdet. 
a.  1623  fg.  8  Artikel.  1  Bl. 

Sämmtliche  Stücke  im  Gemeindearchiv  zu  St.  Andrä. 

St.  Leonhard. 

Ordnung  in  der  sidlung  mit  den  castenpauern  zu  halten. 
14  Artikel.    Vorher:  Der  unterthanen  pflicht. 

Aus  dem  ürbarium  des  Amtes  St.  Leonhard,  17.  Jahr- 
hundert, im  Wolfsberger  Schlossarchive. 

St.  Lorenzen. 

Das  Ürbarium  vom  Jahre  1622  enthält  S.  11  bis  14  eine 
Holzordnung  vom  26.  August  1593,  Landgerichts-  und  Maletiz- 
sachen,  S.  23  bis  25;  Markt-  und  Burgfriedsbeschreibung, 
S.  26  bis  28;  Erwählung  des  Richters  und  dessen  Eid,  S.  28 
bis  31. 

Im  St.  Pauler  Stiftsarchive. 


234  Bischoff. 


St.  Paul. 


Urbaria  aller  und  ieder  guetter  des  gotshauss  st.  Paul  in 
Khärnten,  renovirt  und  aufgericht  durch  herrn  Hieronimum 
abbt  in  jähr  1638,  5.  April  _,  eine  in  Holzdeckel  gebundene, 
652  numerirte  Seiten  umfassende  Papierhandschrift  in  Folio, 
im  Stiftsarchive,  enthält  unter  Anderem: 

a)  S.  301  bis  303  Purckhfridt  in  marckht. 

b)  S.  309  bis  315  Der  burger  schuldigkhait  und  obligacion 
gegen  dem  gottshaus  st.  Paul.  Der  frombe  und  gottselige 
Stifter  .  .  .  Einleitung  und  15  Artikel,  bereits,  nach  einer  an- 
dern Handschrift  copirt,  im  Besitze  der  Weisthümer-Com- 
mission. 

c)  S.  324  bis  333  Wie  ain  marckhtrichter  allhie  iär- 
lichen  erwölt  und  von  herrn  prälathen  contirmiert  soll  werden. 
12  Artikel. 

d)  S.  334  bis  335  Richters  im  marckht  aydt. 

e)  S.  335  bis  337  Ponthaiduug.  Gedruckt  im  Archiv  f. 
vaterl.  Gesch.  Herausgegeben  vom  histor.  Vereine  f.  Kärnthen 

m.  9  fg. 

f)  S.  337  bis  340  Wie  und  was  gestalt  des  gottshaus 
St.  Pauli  hof-  und  markhrichter  das  ybl ,  so  bey  der  burger- 
schafft und  im  burckhfridt  furyber  gehet,  zu  straffen  gericht 
und  gerecht  administrieren  sollen  ;  a.  a.  O.  IV.  75  ig. 

g)  S.  340  bis  355  Wie  die  Maleficz  personen  sollen 
eingezogen,  examiniert,  torquicrt  etc.  werden.  Gedruckt  a.  a. 
O.  IV.  77  fg. 

h)  S.  357  bis  359  Fragstückh  auf  einen  neuen  angeenden 
underthan. 

i)  S.  360  bis  366  Was  ein  neuen  angennden  unterthan 
fürtzuhalten.  15  Aitikel.  Hierauf:  Information  wegen  der 
unnderthonen  gründt  und  poden. 

k)  S.  374  Sidlung  und  stifftung  der  underthanen.  2  Artikel 
und  S.  379 :  Was  den  underthanen  fürtzuhalten  bey  der  Sied- 
lung (vide  supra  bey  verlassung  der  hueben),  vermuthlich  das 
unter  i)  Angeführte. 


Bericht  über  Weisthümer-Forschnngen.  235 

1)  Verzaichnuss  was  den  1.  april  g-egenweit.  1661isten 
Jahrs  bei  der  g-cwehnliclien  panthädtung  im  iiiarckht  der 
burgerschat't  vorgehalten  worden.  14  Artikel  und  ähnlich  vom 
Jahre  1654. 

Aus  dem  Protokoll  und  Anlaitlibell  des  cl.  St.  Paul,  im 
Stiftsarchive. 

St.  Thomas. 

Gemeinbrief  der  Nachbarschaft  St.  Thomas  vom  29.  Juli 
1609.  8  Artikel. 

Orig'.  4  Bl.  Papier,  fol.  aus  dem  Wolfsberger  Schlossarchive. 

Unter  drauburg. 

Zu  vermerckhen  was  bey  diser  herrschaft  allezeit  woll 
in  acht  zu  nemen  und  ein  ieder,  der  dieselbige  zu  verwalten, 
fleissig  observirn  soll.  Aus  ihr  fürstl.  gnaden  pischoven  zu 
Gurgg  als  verkhauffer  gefertigten  urbario  heraussgezogen. 

15  Artikel,  in  einem  Urbarium  der  Herrschaft  Unter- 
drauburg  aus  dem  17.  Jahrb.,  Papier,  fol.  Holzband,  im  Archive 
des  histor.  Vereins  für  Kärnthen. 

Weitensfeld. 

Verzaichnusz  etlicher  articln,  so  den  burgern  zu  Weit- 
tenszfelt  fürgehalten  worden,    26.  Aprilis  a.   1582.    13  Artikel. 

Aus  dem  Gurker  Domcapitelarchiv,  Lad.  52,  Fase.  5, 
Nr.   10.   Pap.  fol.  4  Bl. 


Wie  gering  auch  das  durch  die  bisherigen  Nachforschungen 
der  österreichischen  Weisthümersammlung  aus  Kärnthen  zu- 
geführte Material  erscheinen  mag,  so  ist  durch  jene  doch  der 
bis  jetzt  vermisstc  Nachweis  erbracht,  dass  wie  in  Steiermark 
so  auch  in  Kärnthen  die  Abhaltung  von  Banntaidingen  bei 
geistlichen  und  weltlichen  Herrschaften ,  Stadt-,  Markt-  und 
Landgemeinden,  seit  Jahrhunderten  sehr  allgemein  verbreitet 
war.    Leider  ist  auch  für  Kärnthen  wie  für  Steiermark  höchst 


23v)  Bischoff.    Bericht  üljer  Weisthnmer-Forschungen. 

bedauernsAverth,  dass  der  grösste  Tlieil  der  älteren  Archivalien 
last  sämmtlicher  nicht  jo-eistlichen  Herrschaften,  mitunter  auch 
dieser,  unersetzbar  verloren  ist  und  dass,  mit  wenigen  rühm- 
lichen Ausnahmen ,  das  noch  Vorhandene  gewöhnlich  sehr 
schlecht  verwahrt  wird.  Darum  ist  sehr  zu  wünschen ,  dass 
der  historische  Verein  von  Kärnthen  es  sich  angelegen  sein 
lasse,  zu  erwerben  und  zu  erhalten,  was  von  Quellen  und  Denk- 
malen der  Geschichte  Kärnthens  noch  zu  erwerben  und  zu 
einhalten  möglich  ist.  Meines  Erachtens  dürfte  diess  dem 
historischen  Vereine  weder  viele  Mühe  noch  grosse  Kosten 
verursachen  und  die  demselben  etwa  fehlenden  Geldmittel  für 
dieses  eminent  patriotische  Unternehmen  herbeischaffen  zu  helfen, 
dürfte  die  Landesvertretung  doch  gewiss  kein  Bedenken  tragen. 


IV.  SITZUNG  VOM  30.  JÄNNER  1878. 


Herr  Notar  Dr.  Franz  Schranzhof  er  in  Schwechat  über- 
sendet eine  Abschrift  des  ßergtaidinos  von  Ebersdorf;  ferner 
sind  an  den  Mitherausgeber  der  niederösterreichischen  Weis- 
thümer,  Herrn  Dr.  Winter,  Originalhandschriften  eingelangt 
von  Baunigartenberg  auf  dem  Tulnerfelde,  eingesandt  von  Herrn 
Professor  Dr,  G.  E.  Friess  zu  Seitenstetten;  von  Neusiedel 
und  Waidmannsfeld,  eingesandt  von  dem  Herrn  Forstakademie- 
director  a.  D.  Johann  Newald  in  Wien;  von  Windigsteig,  ein- 
gesandt und  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften  zum 
Geschenke  gemacht  von  dem  Herrn  Notar  Theod.  Dobler  zu 
Waidhofen  a.  d.  Thaya,  endlich  eine  Abschrift  des  Taidings  von 
Triebensee,  eingesandt  von  dem  Herrn  Canonicus  und  Dechanten 
Dr.  Anton  K  er  seh  bäum  er. 


Das  w.  M.  Herr  Dr.  Pfizmaier  legt  eine  für  die  Sitzungs- 
berichte bestimmte  Abhandlung:  ,Die  philosophischen  Werke 
Chinas  in  dem  Zeitalter  der  Thang'  vor. 


Herr  Dr.  Stanislaus  Smolka,  Professor  der  österreichischen 
Geschichte  an  der  Universität  Krakau  sendet  eine  Abhandlung 
ein,  über:  , Ferdinand  des  Ersten  Bemühungen  um  die  Krone  von 
Ungarn'  mit  dem  Ersuchen  um  ihre  Veröffentlichung  in  den 
akademischen  Schriften. 

Herr  Dr.  Fr.  M.  JMayer,  Pi-ivatdocent  in  Graz,  übersendet: 
,Die  Correspondenzbücher  des  Bischofs  Sixtus  von  Freising 
(1474  bis  1495)  I.  Band'  mit  dem  Ersuchen  um  ihre  Aufnahme 
in  die  Fontes  rerum  Austriacarum. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Acadeniie  royale  de  Copenluigue:  Oversigt  over  det  koiigelig'e  Daiiske  Viden- 
skaberncs  Selskabs  Forhnndliug'ar  og  dets  Medlemniers  Arbejder  i  Aaret 
1877.  Nr.  2.  Kjöbenbavn.  8".  —  Meinoires.  Det  .qaakaldte  Hogekors's 
Anvendelse   og   Betydning  i  Oldtiden.    Af  Ludvig   Müller.    Kjöbenhavn, 


1877;   40. 


Ackerbau-Ministerium,  k.  k.:  Statistisches  Jalirbucli  für  1876.   IV.    lieft. 

Der    Bergwerksbetrieb    Oesterreiclis  im  Jahre  1870.    2.  Lieferung-.  Wien, 

1877;  4". 
Ribliotheque  de  l'EcoIe  des  Chartcs:   Revue  d'erudition.   XXXVIIT''  Annee 

1877;  ße  livraison.  Paris,   1877;  8«. 
Bold  II,  Roberto:  Della  Libertä  od  Kguaglianza  dei  Culti.  Firenze,  1877;  8".  — 

Ragione  e  Fede  nel  motn  aoci.ale.  Firenze,   1878;  8". 
Inatitunt,  Koninklijk  voor  de  Taal-,  Land-  cn  Volkenkunde  van  ned.  Indie. 

Babad  Tanah  Djawi  in  Proza.  Javaansche  Geschiedenis  loopende  tot  het 

Jaar  1647  der  Javaansche  Jaartelling  van  J.  J.  Meinsma.  Tweede  Stuk: 

Aanteskening-en.  'S  Gravenhage,   1877;  8". 
Institut  National  Genevois:  Bulletin.  Tome  XXIL  Geneve,   1877;  8". 
Mittheilungen,    arcliäologisch-epigraphische    ans    Oesterreich.    Jahrgang   T. 

Heft  2.  Wien,  1877;  S«. 
Museum,  Moskauer,  öffentliches  und  Rumanzow'sches:  Bericht.  1873 — 1875- 

Moskau,   1877;  8'\ 

—  Daschkow-etnographisches :  Katalog.  Zugabe  zum  Musealbericht  1873  bis 
1875.  Moskau,  1877;  8". 

Muzeum  imienia  Lubomirskich:  Katalog.  Lwow,   1877;  8*^. 

—  Katalog  Broui.  Lwow,   1876;  80. 

—  Rprawozdanie  z  czynnosci  zakladu  narodowego  imienia  Ossolinskich  za 
rok  1877.  We  Lwowie,   1878;  8". 

—  Dyaryusz  Legacyi  Jerzego  Ossolinskiego  posla  polskiego  na  sejm  rzeszy 
niemieckiej  w  Ratyzbonie  w  rok  16.]6;  widal  Dr.  Aleksander  Hirsch  erg. 
We  Lwowie,  1877;  80. 

Programme  der  Gymnasien,  Real- und  Gewerbeschulen  in:  Bistritz,  Brixen, 
Böhmisch-Leipa,  Brunn,  Eger,  Eulenberg,  Fiunie,  Hermannstadt,  Leoben, 
Leutschau,  Marburg,  Pressburg,  Rovereto,  Saaz,  Schässburg,  Trento, 
Troppau,  Uug.-Brod,  Ung. -Hradisch.  Wien:  k.  k.  akademisches  Gym- 
nasium zu  den  Schotten,  Josefstädter  Obergymnasium,  k.  Ic.  theresia- 
ni.sehe  Akademie,  Leopoldstadt  Oberrealschule,  Margarethen  Staats- 
Unterrealschule,  Wr.-Neustadt,  und  Hochschule  für  Bodencultur.   1877, 

jRevue  politique  et  litteraire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
l'Etranger'.  VIF  Annee,  2^  Serie,  N"''  29  et  30.  Paris,  1878;  4". 

Scheffler,  Hermann  Dr.:  Die  Naturgesetze  und  ihr  Zusammenhang  mit 
den  Prinzipien  der  abstracten  Wissenschaften.  1.  und  2.  Thcil.  Leipzig, 
1876/77;  8". 

Society,  the  Royal  geographica!:  Proceedings.  Vol.  XXII.  Nr.  1.  London, 
1878;   8". 

Verein  für  Kunst  und  Alterthnm  in  Ulm  und  Oberschwaben.  Correspondenz- 
blatt.  IL  Jahrgang.  Nr.  10,   11  und   12.  Ulm,   1877;   4». 


PfizmaiiT.    Dil'  philosopliijclien  Werke  Chiiia's  in  dem  Zeitalter  der   Tlnng.       '231 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter 

der  Thang. 

Von 

Dr.  A.  Pfizmaier, 

Tvirlcl.  Mitgliedo  der  Ic.  Alcademie  der  Wissenschaften. 


in  dieser  Abhandlung  bringt  der  Verfasser  das  mit  Ueber- 
setzung-  und  einigen  Erklärungen  versehene  Verzeichniss  der 
in  den  Büchersammlungen  der  Kaiser  der  Thang  vorhandenen, 
grösstentheils  durch  neue  Abschrift  hergestellten,  von-  den  da- 
maligen Gelehrten  in  die  Classe  -^  ^^  tse-lni  .Werke  ein- 
zelner  Verfasser'  eingereihten  philosophischen  Werke,  unter 
welchen,  mit  Ausschluss  der  fünf  King  und  ähnlicher  apocrypher 
Bücher,  die  Schriften  des  Hauses  der  Gelehrten  und  des  Hauses 
des  Weges  (Taolehre),  mit  Einrechnung  der  Werke  über 
Buddhismus  in  die  letzteren,  verstanden  werden. 

Die  verzeichneten  Werke,  731  an  der  Zahl,  sind  mit 
Ausnahme  weniger,  die  jedoch  hier  mehrseitig  ausgelegt  oder 
erörtert  werden,  bei  uns  gänzlich  unbekannt.  Ihre  Anordnung 
ist  folgende: 

1.  Aus  dem  Hause  der  Gelehrten  (^k  ^  jü-Jcia)  127  Werke. 

2.  Aus  dem  Hause  des  Weges  (^  ^  fao-kia)  119  Werke. 
Hierzu  die  Unterabtheilungen  : 

a)  Ueber  göttliche  Unsterbliche  (jjjft  "f^  schin-sien) 
155  Werke. 

b)  Ueber  das  Geschlecht  Schi-kia  T^  ^  schl-schi) 
181  Werke. 

3.  Aus  den  Häusern  der  Vorschrift  (^  ^  fä-kia) 
18  Werke. 

4.  Berühmte  Häuser  [i^  ^  ming-kia)  15  Werke. 

5.  Ueber  das  Haus  Me-tse  (^g  ^  mc-kia)  bloss  3  Werke. 

Sitznngsber.  d.  pbil.-hist.  Ol.  LXXXIX.  I!d.  I.  Htt.  18 


238  Pfizmaier. 

6.  Aus  schräg  g-estellten  Häusern  (^  j^  ^  thsimg- 
hung-Jcia)  bloss  4  Werke. 

7.  Aus  vermischten  Häusern  T^   ^  fsä-kia)  109  Werke. 
Die  in  dem  Buche  der  Thang-  enthaltenen  Zählungen  der 

gesammelten  Werke  stimmen  gewöhnlich  nicht  mit  den  wirk- 
lichen Verzeichnissen  überein,  wurden  jedoch,  da  vielleicht 
nicht  sowohl  Irrungen  in  der  Zählung  als  andere  Voraus- 
setzungen zu  Grunde  liegen,  in  dieser  Abhandlung  an  den  be- 
treffenden Stellen  wiedergegeben.  Um  indessen  die  wahre 
Anzahl  mit  Bestimmtheit  ersichtlich  zu  machen,  wurden  in 
dieser  Abhandlung  die  Titel,  für  jede  Abtheilung  gesondert,  mit 
Ziffern  bezeichnet  und  dabei  sämmtliche  aufgefundene  Werke, 
ohne  ein  einziges  auszulassen,  vollständig  angeführt. 

Das  den  Titeln  öfters  vorgesetzte  ^  yen  , ebenfalls'  be- 
deutet, dass  das  Werk  von  demselben  Verfasser  wie  das  vor- 
hergehende ist,  wodurch  bisweilen  ausgedrückt  wird,  dass  auch 
ein  oder  mehrere  nachfolgende  Werke,  bei  welchen  kein  Name 
des  Verfassers  steht,  obgleich  dieses  ^^  ?/ew  nicht  wiederholt 
wird,  noch  demselben  Verfasser  angehören. 


Werke  des  Hauses  der  Gelehrten. 

1-  §  -f-  «  « 

Yen-fse  fscImn-thsie^K    Der  Frühling  und  Herbst  Yen-tse's. 
7  Bücher. 

Yen-tse  ist  ^  ^-  Yen-ying.    Dessen  Jünglingsname 

ist  ^'  ^rfj   Ping-tschung. 

2.    -f    ^ 

Tsevg-tse.  Tseng-tse.  2  Büchei". 

Tseng-tse  ist  '^  ^i,  Tseng-tsan. 

3-  ^  ^.  T 

Tse-sse-f.se.  Tse  sse-tse.  7  Bücher. 

Tse-sse-tse    ist    ^    >0^  Khung-khl.     Tse-sse  ist  der 
Jünglingsname. 

4-    ^    #    Ä    f- 

Knng-sün-ni-tse.    Kung-sün-ni-tse.   1   Buch. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang. 


239 


o. 


6. 


9. 

10. 

11. 

12. 
13. 
14. 

15. 


iti    '^    S.    ^ 

Tschao-fsch'i   tschü    meng-tse.     Meng-tse    mit    Erklärungen 
von  Tschao-tsch'i.  14  Bücher. 

Meng-tse   ist  ^^   föj"  Meng-kho. 

fi)  !?E  z±  ^  T 

Lien-M   tschü   meng-tse.     Meng-tse    mit    Erklärungen    von 
Lieu-hi,  7  Bücher. 

m  ^  -ü  Si  "f- 

Tsching-hhien    tschü   meng-tse.    Meng-tse   mit  Erklärungen 
von  Tsching-hiuen.  7  Bücher. 

*  #  M  ä  ^  ^ 

Khi-iou-sui  tschü  meng-tse.   Meng-tse  mit  Erklärungen  von 
Khi-mu-sui.  7  Bücher. 

m  m  "f 

Siün-king-tse.  Siün-king-tse.   12  Bücher. 

Siün-king-tse  ist  ^l    }^   Siün  hoang. 


Tung-tse.  Tung-tse.   1  Buch. 

Tung-tse  ist  ^   |ffi   j\j)  Tung-wu-sin. 

Lu-lien-tse.   1  Buch. 

Lu-lien-tse  ist   ^   'Ml    i^   Lu-tschung-lien. 


PO 

Lo-ku  sin-yü.    Neue  Worte  von  I,,ö-ku.  2  Bücher. 

BE     ^=**^    jfer     -=n- 

Ä  aa  fir  W 

Kia-i  sin-schv.  Neue  Schriften  von  Kia-I.    10  Bücher. 


Hoan-knan  yen-thic-lün.  Erörterungen  über  Salz  und  Eisen. ' 
Von  Hoan-kuan.     10  Bücher. 


I]  lai  ff  j? 

Lien-hiang   shi-siü.    Neue   Einleitungen.     Von    Lieu-hiang. 
30  Bücher. 


'  Salz  und  Eisen  wird  liier  im  bildlichen  Sinne  gebraucht. 


IS'* 


240  rfi7Tnnif>r. 

t 

^G-  X  m  M 

Yen  schuc-yuan.     Der   Garten   des   Sprechens.    Von    dem- 
selben Verfasser.  30  Bücher. 

".  ti  ^  ft  W 

Yang-fse  fä-yen.     Worte    der   Vorschrift.    Von    Yang-tse. 
6  Bücher. 

Yang-tse  ist  ;^   ^^  Yang-hiung. 

18.    ^    m    y±    S    W 

Sung-tschnvg  tschü  fä-yen.    Die  Worte  der  Vorschrift.   Mit 

Erklärungen  von  Sung-tschnng.    10  Bücher. 

'f-   ^   fL   ä    ^   W 

Li-khieu  tschü  fä-yen.  Erklärungen  der  Worte  der  Vor- 
schrift. Von  Li-khieu.  3  Bücher. 

Lu-tsi  tscliii  ynng-ise  fhai-hiven-Jcmg.  Das  von  Yang-tse 
verfasste  heilige  Buch  des  grossen  Himraelfarbenen. '  Mit 
Erklärungen  von  Lö-tsi.  12  Bücher. 

21-  E  M  /±  i:  ^  « 

Yii-fan  tschü  thai-hiuen-king.  Das  lieilige  Buch  des  grossen 
Himmelfarbenen.  Mit  Erklärungen  von  Yü-fan.   14  Bücher. 

22.  IS  M  ä  i:  i;  IS 

Fan-ioang  tschü  thai-hiuen-ldng.  Das  heilige  Buch  des 
grossen  Himmelfarbenen.  Mit  Erklärungen  von  Fan-wang. 
12  Bücher. 

23.  ^  #  ^  ä  :*  i:  If 

Sung-tschung-feu  tschü  thai-hinen-king.  Das  heilige  Buch 
des  grossen  Himmelfarbenen.  Mit  Erklärungen  von  Sung- 
tschung-feu.  12  Bücher. 

24.  m^  315  y±  i^  i.  m 

Tsai-icen-schao  tschü  thni-hiuen-ldng .  Das  heilige  Buch  des 
grossen  Himmelfarbenen.  Mit  Erklärungen  von  Tsai-wen- 
schao.    10  Bücher. 


'  Yang-hinng;  hielt  dafür,  dass  kein  liciliges  Bucli  grösser  al.s  dasjenige 
der  Verwandlungen.  Er  verfasste  dalier  das  lieilige  Buch  des  grossen 
Himmelfarbenen. 


Die  iihiloBOphischeu  Werke  Cliiua's  iu  dem  Zeitalter  der  Tli.iuy 


241 


25.    tl    ^    ff    i 

Hoan-tse  sin-lüu.  Neue  Erörterungen  Hoan-tse's.  17  Bücher. 
Hoan-tse  ist  j^  |^  Hoan-tan. 

26     jp    ^4:    v^    d^    i^ 
--"•   zt   'f^r   H3    yC    pffl 

Wung-fu    tsien-fa-lün.     Die   Erürterung-en  Wang-fu-tsien- 
fu's.    10  Bücher. 

2'-    #    Ä    ^    i    W 

Ti^cJunnj-tächang-tse  tschaiKj-yen.    Angemessene  Worte   von 
Tschuug-tschang-tse.     10   Bücher. 

Tschung-tschaug-tse  ist  ^^  -M  "^  Tschung-tschang- 

tschung. 

28-  ^  \%  ^  m 

Siün-yue   scliin-kien.     Der  dargelegte  Spiegel.    Von  Siün- 
yue.    5  Bücher. 

-J.    ^    -f- 

Wei-tse.    Wei-tse.    o  Bücher. 

Wei-tse  ist  ^   ^  Wei-lang. 

30-  M  ^  f-  Ä  i^  ^ 

Wei-ioen-ti    tien-lün.     Erörterungen  der  Vorbilder.    Von 
Kaiser  Wen  von  Wei.    5  Bücher. 

•51-    ^    Ä    «^J    Ü 

Siü-schi   tschung-lün.    Erörterungen   der  Mitte.     Von   dem 
Geschlechte  Siü.    6  Bücher. 

Das  Geschlecht  Siü  ist  |^  '^  Siü-kan. 


32.    in*    a    p. 

Wang-tsan    khiü-fä    lün-tsi.     Sammlung   der   Erörterungen 
über  Entfernen  und  Angreifen.  Von  Wang-tsan.  3  Bücher. 

33-  I  Ä  iö:  i^ 

Wang-sö    tsching  -  llln.    Erörterungen    der    Lenkung.    Von 
Waug-sö.     10  Bücher. 

3-t.  t±  ^  ^  ii 

Tu-schi  tl-liln.    Erörterungen   über  die  Körper.    Von  dem 
Geschlechte  Tu.    4  Bücher. 

Das  Geschlecht  Tu  ist  ^±  iiU  Tu-jü. 


L 


242  Pfizmaier. 

35.  «   ^   ff  Ife 

Kic-tse  sin-lün.  Neue  Erörterungen.   Von  Ku-tse.  5  Bücher. 
Ku-tse  ist  ^  1^  Ku-tan. 

36.  ^    ü    fi    ^ 

Wen-tlii  tJmng-yU.    Allgemeine  Worte  über  die  Körper  des 
Scliriftschmuckes.     10  Bücher. 

Der  Verfasser  ist  j|^  J^  ^  Yin-hing-tö. 

Tschü  -  ko  -  Hang    tsi-kiai.     Gesammelte    Warnungen.    Von 
Tschü-kö-liaug'.    2  Bücher. 

SS.  m  M  ^  M 

Lu-king    tien-hiün.    Weisungen   über    die    Vorbilder.    Von 
Lö-king.     10  Bücher. 

39-    H    -f-    ^    fll 

Tsiao-tse  fä-hiün.    Weisungen   über  die  Vorschriften.    Von 

Tsiao-tse.    8  Bücher. 
40.    3(^    ^    g^ 

Yeu  u-kiao.    Die  fünf  Belehrungen.    Von  demselben  Ver- 
fasser.   5  Bücher. 


Tsiao-tse  ist  =#  ^  Tsiao-tscheu. 


"•  i  *  *  4  äi  p. 

Wang-ying  ku-kin  thung-lün.  Durchgreifende  Erörterungen 
über  Alterthum  und  Gegenwart.  Von  Wang-ying.  3  Bücher. 

42-  ja  4  a  T 

Tscheu-seng-lie-tse.    Tscheu-seng-lie-tse.    5  Bücher. 

Tscheu-seng-lie  stammte  aus  Tün-hoang  und  wurde 
im  Anfange  der  Zeiten  der  Wei  an  den  Hof  be- 
rufen.   Tscheu-seng  ist  dessen  Geschlechtsuame. 

43.  :t  -f-  jE  ife 

Yueu-tse    tsching-lün.    Richtige  Erörterungen.     Von  Yuen- 
tse.    20  Bücher. 

44.  X  iE  # 

Fe«  tscMng-schu.    Richtige  Schriften.    Von  demselben  Ver- 
fasser.   25  Bücher. 

Yuou-tse  ist  ;^  V^  Yucn-tschün. 


Die  philosophischen  Werke  China's  iu  dem  Zeitalter  der  Thang.  243 

^5-    ^    Ä    ^    Ä    ^^ 

Sün-schi  tsch'ing-pai-tschi.  Denkwürdigkeiten  von  VuUenden 

und  Fehlschlagen.    Von  dem  Geschlechte  Sün.    3  Bücher. 
Das  Geschlecht  Sün  ist  J^  "^   Sün-yö. 

«•  1  ^  vi  if  ife 

Hia-heu-tschen  sin-liui.    Neue  Erörterung-en.   Von  Hia-heu- 
tschen.     10  Bücher. 

^7-  ^^  M  ^  m  m 

Yang-thsiuen  ive-U-liln.    Erörterungen    über    die    Ordnung 
der  Dinge.    Von  Yang-thsiuen.   IG  Bücher. 

^8.    X    *    ^    Ä 

Yeu  thai-liiaen-klng.    Das  heilige  Buch  des  grossen  Him- 

melfarbeuen.    Von  demselben  Verfasser.     14  Bücher. 

Die  Erklcärungen  sind  von  0(1   ^1:  Lieu-yi. 

4.Q       ^      5ffi     ±fXl      3^ 

4J.    ^    g^    5B(r    pffi 

Hoa-tan  sin-lün.  Neue  Erörterungen  von  Hoa-tan.  10  Bücher. 

öO-    ^    S    ^.    #    ff    # 

Yü-hi  tschi-Un  sin-scJm.    Das  neue  Buch  des  Waldes    der 
Vorsätze.    Von  Yü-hi.    20  Bücher. 

öl-  X  #  #  ff  » 

Yeu  heu  lin-sin-schu.    Das  spätere  neue  Buch  des  Waldes. 
Von  demselben  Verfasser.    10  Bücher. 

fS9     ßS    JXl    ^    ^ll 

y-  IP  -7^   ^   Fjji) 

Ku-tse   i-Jiiün.     Die    Weisungen    der    Gerechtigkeit.     Von 
Ku-tse.     10  Bücher. 

Ku-tse  ist  ^   ^  Ku-I. 

»3-  m  -^  m  ^  M 

Tsai-haiig    thsing-hoa-king.    Das    heilige  Buch   der  klaren 
Verwandlungen.  Von  Tsai-hung.  10  Bücher. 

&4-  ^  »  jE  W 

Yü-pao  tsching-yen.  Richtige  Worte.  Von  Yü-pao.  10  Bücher. 

'^'^  X  ±  n 

Yeu  li-yen.  Aufgestellte  Worte.   Von  demselben  Verfasser. 
10  Bücher. 


244 


Pf  izmaj  er. 


5^-  ^  W6  m  m 

Tsai-schao  huuijlüii.  Tiefe  Erörterungen.  Von  Tsai-schao. 
2  Bücher. 

'^7-  S  M  ^  W 

Liü-anng  yao-lan.  Gedrängte  Ueberblicke.  Von  Liü-simg. 
5  Bücher. 

58.    JSl    ^    I    R 

l^scheu-sche  tsching-lan.  Richtige  Ueberblicke.  Von  Tscheu- 
sche.  6  Bücher. 

^^-   2^'J    fex    '^    it:    njA   ^    ImI 

Lieu-wei  hisse  hhi-khi-thu.  Abbildung  der  umkippenden 
Gefässe  der  Geschichtschreiber  von  Lu.  ^  Von  Lieu-wei. 
1  Buch. 

60.    :ft    #    K    ^    # 

Khi-icu-schi  Idai-lin.  Der  Wald  der  Warnungen.  Von 
dem  Geschlechte  Khi-wu.    3  Bücher. 

61-    SS    Ä    *    fll 

Yen-schi  Idahiün.  Die  Weisungen  des  Hauses.  Von  dem 
Geschlechte  Yen.  7  Bücher. 

Das  Geschlecht  Yen  ist  ^   ^   :^  Yen-tschi-thui. 


&2. 


^J»A      ft      -0 


Li-niö-schÖ  tien-yen.    Worte  der  Vorbilder.  Von  Li-mö-schö. 
4  Bücher. 

63-  i  ji  w  M  i  w 

Wang-jjang    i^e-U    tschang-yen.     Angemessene    Worte    der 
hundert  Weglängen.    Von  Wang-pang.    2  Bücher. 

64-  «  ^  M  W 

Thsiii-tse   tschi-yen.     Eintreffende    Worte.    Von    Thsui-tse. 
6  Bücher. 

Thsui-tse  ist  J^   ^   ^  Thsui-liug-tung. 


'  In  den  Worten  des  Hauses  lieisst  es:  Khung-tse  besichtigte  den  Aluien- 
tempel  der  Tscheu.  Es  waren  daselbst  umkippende  Gefasse.  Er  liiess 
Tse-lu  Wasser  nehmen  und  sie  prüfen.  Als  sie  voll  waren,  überstürzten 
sie.  Als  sie  zur  Mitte  voll  waren,  standen  sie  gerade.  Als  sie  leer  waren, 
kippten  sie  um. 


Die  philosophiechen  Werke  China'o  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  245 

65.    [#    ^   i^B    -ffl- 

/iS.     Wf     *^     >>^ 

Lit-pien  fen-tien.    Die    grossen    Vorbilder.    Von    Lu-pien. 

30  Bücher. 

66-  BE  ^^  S  #  iE 

Wang-schao  ta-schu-ld.  Verzeiclinungen  des  Lesens  der 
Bücher.    Von  Wang-schao.    32  Bücher. 

67.  s  a  4»  i§: 

Wang-tkung  tschung-sclme.  Besprechungen  der  Mitte.  Von 
Wang-thimg.    5  Bücher. 

68.  *  m  m  je  fii 

Sin-te-yuen  tsching-hiün.  Richtige  Weisungen.  Von  Sin- 
te-yuen.    20  Bücher. 

69-  ic  ^  Jf  ^< 

Tliai-tsung  siü-fschi.  Denkwürdigkeiten  von  Schulen.  Von 
dem  Kaiser  Thai-tsung  von  Thang.    1   Buch. 

70.  X  ^  Iß 

Yen  ti-fan,  Musterbilder  der  Kaiser.  Von  demselben  Ver- 
fasser. 4  Bücher. 

Die  Erklärungen  sind  von   ^    ^  Kia-hang. 

^1-  Ä  ^  ^  fil 

Kao-tsung  thien-liiün.   Weisungen  des  Himmels.  Von  dem 
Kaiser  Kao-tsung  von  Thang.  4  Bücher. 
79      ^=t      t^l     Jftji     4fH      tffi"     >fe^ 

^'^'  iK  m  ^  m.  ^  w. 

Wit-heu  thse-khiü  yao-lu.  Kurzgefasste  Verzeichnisse  der 
purpurnen  Thürangeln.  Von  der  Kaiserin  von  dem  Ge- 
schlechte Wu  von  Thang.   10  Bücher. 

73.  X    E    fL 

Yen  tsckin-khieu.  Die  Geleise  der  Diener.  Von  derselben 
Verfasserin.  2  Bücher. 

74.  "5*    ^    $)r    ^ 
ti    yf:   ^J\    BW 

Pe-liao  sin-ldai.  Neue  Warnungen  für  die  hundert  Amts- 
genosseu.  5  Bücher. 

7s-  Ä  ■§■  IE  S 

Tsing-kung  ki-yao.  Kurzgefasste  Darlegungen  des  grünen 
Palastes.  30  Bücher. 


246  Pfizmaier. 

76-  4^^  F#  iE  IE 

Üchao-yauij  tscldng-fan.  Kichtige  Musterbilder  des  kloinen 
Yang.  30  Bücher. 

77.  n  Wt  '^  w& 

Lic'fan  tscldng-lün.  Richtige  Erörterungen  der  Gehäge. 
30  Bücher. 

78-  *  «  i:  -f-^  K:  M  « 

Tschcnig-lwai-thal-tse  tschün - thsieu  yao-lö.  Kurzgefasste 
Verzeichnisse  des  Frühlings  und  Herbstes.  Von  dem 
grossen  Sohne  von  Tschang-hoai.   10  Bücher. 

™-  X  -ft  *  ®  Ä 

Yeu  sleu-schin  yao-lan.  Kurze  Uebersicht  des  Ordnens  des 
eigenen  Selbst.    Von  demselben  Verfasser.    10  Bücher. 

80.  #  E  m  Ä  II  » 

Kmn-tschin  siang-khi-fä-sse.  Die  Sache  des  gemeinschaft- 
lichen Hervortretens  von  Gebieter  und  Diener.  3  Bücher. 


81. 


1^      P 


Wei-tscli'ing  kien-sse.  Die  Sache  der  Vorstellungen.  Von 
Wei-tsch'ing.  5  Bücher. 

82-  X  S  *  »  #  3E  #  1  « 

Yeu  tse-ku  tschü-heu-ioang  scheii-ngö-lö.  Verzeichnisse  des 
Guten  und  Bösen  der  Leheusfürsten  und  Könige  seit  dem 
Alterthume.  Von  demselben  Verfasser.  2  Bücher. 

83.  SS  i:  £  zp  fi  W  -  S  W 

Tsc/iang-thai-hiuen  jnng-thai  pe-yi-yü-yen.  Hundert  und 
ein  verlässliche  Worte  der  flachen  Erdstufe.  Von  Tsch'aug- 
thai-hiuen.  3  Bücher. 

84-^ffiio#Ea^aü 

Yaug-siang-jii  kiün-tschin  tscliing-li-lün.  Erörterungen  der 
Ordnung  der  Lenkung  von  Gebieter  und  Diener.  Von 
Yang-siaug-jü.    3  Bücher. 

85.  1^  #  $1  ;4  ^.  ^ 

Lo-schen-king  tschii  rneng-tse.  Erklärungen  Meng-tse's.  Von 
Lö-scheu-king.    7  Bücher. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  247 

Tsch'ang-yl   meng-tse   yin-l.    Die  Laute    und    Bedeutungen 
Meng-tse's.    Von  Tsch'ang-yi.    3  Bücher. 


87-   «    (1+ä)    Z±    ^    ^ 

Yang-khing  tschil  siün-tse.  Erklärungen  Siün-tse's.  Von. 
Yang-khing.  20  Bücher. 

88.  3E  P  ä  *  ^  II 

Wang-yai  tschü  tliai-lünen-king.  Erklärungen  des  heiligen 
Buches  des  grossen  Himmelfarbenen.  Von  Wang-yai. 
6  Bücher. 

89. 1  ft  *^  m  Ä 

Yün-tscliü  tliai-lduen  yeti-tsan.  Das  Dunkle  und  Helle  des 
grossen   Himmelfarbenen.    Von  Yün-tscli6.    10  Bücher. 

90.    m    ^    7t    '^^    ^    &ß 

Lieu-tsuiig-yuen  tschü  yang-tae  fu-yeu.  Erklärungen  der 
von  Yang-tse  verfassten  Worte  der  Vorschrift.  Von  Lieu- 
tsung-yuen.    13  Bücher. 

91-  $  Ä  #  i  If  ijp  M 

Li-si-yü  u-king  miao-tschang.  Wundervolle  Sätze  der  fünf 
heiligen  Bücher.    Von  Li-si-yü.    40  Bücher. 

92.  i5  ;^  II  ^  ^  Ä 

Tsching-han  king-sse  yao-lö.  Kurzgefasste  Verzeichnisse 
der  heiligen  Bücher  und  der  Geschichtschreiber.  Von 
Tsching-han.  20  Bücher. 

93.  DJ  la  mm.n 

Lieii-hoang  tÖ  schue-yuen.  Fortsetzungen  des  Garten  des 
Sprechens.  Von  Lieu-hoang.  10  Bücher. 

w-  1±  iE  -fi^  W  tf  * 

Tu-tsching-lün  pe-hang-tschang.  Sätze  der  hundert  Iveihen. 
Von  Tu-tschiug-lün.  1  Buch. 

95-    S    ^    «    1^    #    E    »    I* 

Hien-tsung  thuien-tai  kiün-tscJnn  sae-tat.  Die  Spuren  der 
Sachen  der  Gebieter  und  Diener  der  früheren  Zeit- 
alter. Von  dem  Kaiser  Hien-tsung  von  Thang.  14  Hefte 
( ^3  ideii). 


^4b  rfizin;iier. 

oö.  se  )s  fjii  iE  m  m 

Wu-heu  hiiin-ki-Uä-taai.  Vermischte  Eintraii-uuüen  beleh- 
render  Verzeichnungen.  Von  der  Kaiserin  von  dem  Ge- 
schlechte Wu.    10  Bücher. 

•97.    m    n    m:    fll 

Wei-Udiing  tien-hiün.  Die  Weisungen  der  Vorbikler  von 
Wei-tsch'ing.  20  Bücher. 

98.    fg    ftE    1    S    #    iE 

Tschü-iüu-liang  yX-schen-ld.  Verzeichnungen  des  Schönen 
und  Guten.     Von  Tschü-wu-liang. 

Dieses  Werk  war  verloren   gegangen   und   die  Zahl 

der  Bücher  war  unbekannt. 


99.  mjt  m^  \\\  ^  >v, 

Pei-kuang-ting  yao-schan  loang-tsi.  Muster  des  Wandeins 
zu  den  schwankenden  Bergen.  Von  Pei-kuang-ting.  1  Buch. 

100.  X  li  M  Ib   fL 

Yeu  loei-tscliing  thsien-lcliieu.  Die  früheren  Geleise  von 
Wei-tsch'ing.    Von  demselben  Verfasser.    1  Buch. 

101.  T  <S-  ^  m  i:  ^  g  I  fll 

Ting-kang  tscJiil  hoang-thai-tse  tschü-wang-hiün.  Die  von 
dem  Fürsten  von  Ting  veröffentlichten  Weisungen  für 
den  kaiserlichen  grossen  Sohn  und  die  Könige.   10  Bücher. 

102.  i>  m  &  n 

LÖ-king  fä-yen.  Die  Worte  der  Vorschrift  der  sechs 
heiligen  Bücher.  20  Bücher. 

Von  ^   ^   jj   Wei-tsch'ü-heu   und    ^    |g    Lu- 

sui  zusammengestellt. 

Thsui-yen,  tschü-king  tsuan-yao.  Zusammenfassungen  der 
heiligen  Bücher.    Von  Thsui-yen.    10  Bücher. 

Yii-tsclü-ning  kien-yiien.  Der  Garten  der  Vorstellungen. 
Von  Yü-tschi-ning.  20  Bücher. 


Dio  pliilof-opliischcri  Wim-Icc  Ch'iia's  in  dem  Z'^italtpr  <ler  Tliaiig.  249 

105.  ^  ij  m  B  # 

Wang-fang-khing  Iden-lin.  Der  Wald  der  Vorstellungen. 
Von  Wang-fang-khing-.  20  Bücher. 

lOG.  %  n  m  m 

Yang-tsiün  sclnng-tien.     Die  höclistweisen  Vorbilder.    Von 

Yang-tsiün.    3  Bücher. 

Der  Verfasser  war  ein  die  Bücher  untersuchender 
Leibwächter  (j^  ^^  ^^hiao-scliu-lang).  Das  Werk 
wurde  in  dem  Zeiträume  Khai-yuen  (713  bis  741 
n,  Chr.)  dem  Kaiser  vorgelegt. 

10'-  m  %  p  =^  Wi^  m  m 

Tsdi  ang-kieu-ling  thsien-thsieii  kin-king-lu.  Verzeichnisse 
des  goldenen  Siegels  der  tausend  Herbste.  Von  Tsch'aug- 
kieu-ling.  5  Bücher. 

108.  B  '^m  m  B& 

Thang-tse  pien-jJang-liö.  Kurze  Fassungen  der  Unter- 
scheidung der  üblen  Nachrede  bis  zu  den  Thaug.  3  Bücher. 


109-  A  ^  m  w 

Yuen-ho  2yien-2'>ang-lw.  Kurze  Fassungen  der  Unter- 
scheidung der  üblen  Nachrede  in  dem  Zeiträume  Yuen-ho 
(806  bis  820  n.  Chr.).    10  Bücher. 

Von   ^  %  ^  Ling-hu  thsu,   ^^j^  f^   gjjj  Tsch'in- 
tschuen-sse   und  j^  #^  Tu-ying    zusammengestellt. 

"0.  m  (} + m  ±  ?fl  m  i^  m  m  ^ 

Pei-lin  thai-ho  sin-sieu  fden-pang-lio.  Neu  geordnete  kurze 
Fassungen  der  Unterscheidung  der  üblen  Nachrede  in 
dem  Zeiträume  Thai-ho  (827  bis  835  n.  Chr.).  Von  Pei- 
lin.   3  Bücher. 

in.  $  t:  W  t#  i^ 

Li-j Inseln  ke-lün.  Erörterungen  der  Muster.  Von  Li-jin- 
schi.    3  Bücher. 

112.  m  ^  (B+«)  s  üt     ■ 

Tscliao-tung-hi    xcang-tscldng.    Die    Lenkung    der    Könige. 

Von  Tschao-tung-hi.  3  Bücher. 

Das  Werk  wurde  in  den  Jahren  des  Zeitraumes  Kins:- 
lung    (827   bis   835  n.  Chr.)    dem  Kaiser    vorgelegt. 


250  rfizmaior. 

1^3-  ^ii  4»  0  igä:  Ä 

Fuvg-UcJumg-ywig  tsching-lÖ.    Verzeichnisse  der  Lenkung. 

Von  Fung-tschunfi^-yung.    10  Bücher. 

Das  Werk  wurde  im  neunzehnten  Jahre  des  Zeit- 
raumes Khai-yuen  (731  n.  Chr.)  dem  Kaiser  vor- 
geleg-t.  Der  Verfasser  erhielt  dafür  das  Amt  eines 
Beruhigers    von   ^^   ^   Khi-schui. 

11^-  u  ^  ^  je  m 

Tschü-knang-hi    fscliing-lün.    Richtige    Erörterungen.    Von 
Tschü-kuang-hi.  15  Bücher. 

115,    g    ^ 

Kia-tse.  Kia-tse.  1  Buch. 

Kia-tse  ist  ^  |^  Kia-I.  Der  Verfasser  war  in  dem 
Zeiträume  Khai-yuen  Beruhiger  von  ^  ^  Lan- 
thien.     Sein  Name  ist  unbekannt. 

116-  ^^  m  MM 

Nieu-hi-thsi    U-yuen.    Die    Quelle    der    Ordnungen.    Von 
Nieu-hi-thsi.  2  Bücher. 

117     ^    ^    ^    &     ^    W 

LÖ-tschi   kiün-tschin    thu-yi.     Die    Fülle    der   Abbildungen 
von  Gebieter  und  Diener.  Von  Lö-tschi.   25  Bücher. 

118-  ^  t  s  -^  f  m  M 

Li-ke-fn   ku-kin  schue-yuen.    Der  Garten  des  Besprechens 
des  Alterthums  und  der  Gegenwart.  Von  Li-ke-fu.  11  Bücher. 

119-  ^  MW  n  &  ^  m 

Li^te-yÖ  yü-tschin  yao-liÖ.   Zusammenfassungen  von  kaiser- 
lichen Dienern.  Von  Iji-te-yö. 

Das  Werk  war  verloren  gegangen  und  die  Zahl  der 

Bücher  unbekannt. 

120.  &.  %  m  mwi,m 

Khien-knang-fing  khang-hiao-Jün.  Erörterungen  der  vollen- 
deten Belehrung.   Von  Khieu-kuang-ting.  1  Buch. 

121    7C    f- 

Ynen-tse.  Yuen-tse.  10  Bücher. 

Yuen-tse  ist   jjr   j^  Yuen-ke. 


Pio  philosophischen  Werke  Chiiia's  in  dem  Zpitalter  der  'Diang.  20L 

122-  X   Wi   ^ 

Yen    lang-schne.     Unstäte    Besprechung-cn.    In    Bezug    auf 
denselben  Yuen-tse.    7   Hefte.  (^  pien). 

123.  m.  ift 

Man-sdme.  Entfesselte  Besprechungen.  In  Bezug  auf  den- 
selben Yuen-tse.  7  Hefte. 

124.  *t    ^    Ä    ^    -f- 

Tu-sin  yuen-ho-tse.    Yuen-ho-tse.    Von  Tu-sin.     2  Bücher. 

125.  #    ^lÄ    Ä.    #    P    ^ 


K       J 

Lin-schin-sse  schin-mung-tsR.    Schin-mung-tse.    Von    Lin- 
schin-sse.    3  Bücher. 

Der  Verfasser    lebte   in    dem   Zeiträume  Hien-thung 

(860  bis  873  n.  Chr.) 

12G.    M.    ^ 

Ki-tse.  Ki-tse.  5  Bücher. 

Ki-tse  ist  ^  ^  Ki-tschung.  Sein  Jünglingsname 
ist  -^  ^^  Tse-thsiuen.  Er  stammte  aus  Yung-tsch'ing 
in  Ting-tscheu  und  war  Befehlshaber  von  '[(^  -^ 
Sieu-wu  in  Kuang-ming. 

127.  m  m  m  ^  m 

TJisid-khö-jü  hiuen  lün.  Erörterungen  des  Himmelfarbenen. 

Von  Thsui-khö-jü.  3  Bücher. 

Der  Jünglingsname  des  Verfassers  ist  ^  ^  King- 
tschi.  Derselbe  war  der  zu  dem  siebenten  Ge- 
schlechtsalter gehörende  Enkel  ^  Hao'S;  zu  den 
Zeiten  der  späteren  Wei  Lehensfürsten  von  ^  ^ 
Pe-ma,  und  bekleidete  in  dem  Zeiträume  Tschung-ho 
(881  bis  884  n.  Chr.)  das  Amt  eines  Zugetlieilten 
des  glänzenden  Gehaltes  (-^  ]i^  ^^  kvang-lö-sching). 

Das  obige  Verzeichniss  enthält  92  Werke  von  69  Ver- 
fassern in  791  Büchern.  Von  Lö-schen-king  angefangen  waren 
die  Werke  von  39  Verfassern  in  371  Büchern  nicht  ver- 
öffentlicht worden. 


^Oi  Pfizmaior. 


Werke  des  Hauses  des  Weges. 


1- 1  ^ 

Tschö-tsf.  Tschö-tse.  1  Buch. 


Tschö-tse  ist   ^    Htl   Tscho-hiung. 

2.  ^  ^  ^  m  m 

Lao-tse  tao-te-klng.  Das  heilige  Buch  des  Weges  und  der 

Tugend.  Von  Lao-tse.  2  Bücher. 

Lao-tse  ist  ^  ^  Li-ni.   Dessen  Jünghngsname  ist 
^Ö   1^   l^ß"y^"o7  "^c^i  Einigen  auch  |^  Tan. 

3.    Dasselbe  Werk  in  drei  Büchern. 

i-  f^  ±  ^  y±  ^  "f-  mm  m 

Ho- schau g-Jaing  fscJni  lao-tse  tao-te-ldng.  Erklärungen  des 
von  Lao-tse  verfassten  Buches  des  Weges  und  der  Tugend. 
Von  dem  Fürsten  von  Ho-schang.  2  Bücher. 

5- 1  m  '&  ff  la  ^  w  i;  M 

Wang-jn  tschii  sin-lci  hmen-yen  tao-te.  Erklärung  der  in 
den  neuen  Verzeichnungen  vorkommenden  Worte  des 
Himmelfarbenen :  Weg  und  Tugend.  Von  Wang-pi. 
2  Bücher. 

6-  X   *  ^   =lt   j^l   B& 

Ypac  lao-tse  tschi-li-liö.  Kurze  Fassung  der  von  Lao-tse 
angedeuteten  Muster.   Von  demselben  Verfasser.  2  Bücher. 

->■  mr  &  ^  ^ 

ScJiÖ  -  thsai  tscJiU  lao  -  fse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Schö-thsai.  2  Bücher. 

8.    a    #    ä 

Tschung-hoei  fschii.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Tschung- 
hoei.  2  Bücher. 

9-  ¥  )üft  ä 

Yang-ku  tschü.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Yang-ku. 
2  Bücher. 


Die  philosophischen  Werte  China's  in  dfm  Zeitalter  der  Than^.  253 


10.    X 

Yeu   kiai-sclü.    Ausleg-ungen    zu   Lao-tse.    Von    demselben 
Verfasser,    4  Bücher. 

"•  «  ^  K±  ^  ^ 

Sün-teng  tschil  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Sün- 
teng.    2  Bücher. 

12-  I  fäj  ä 

Waiig-schanc/  tschil.    Erklärungen  zu  Lao-tse.    Von  Wang- 
schang.  2  Bücher. 

i'^-  M  Ä  vi. 

Ytien-tschin    tschii.    ^Erklärungen    zu   Lao-tse,     Von   Yuen- 
tschin.    2  Bücher. 

14.  m  m  'i^ 

T.sch'ang-jying  tschii.  Erklärungen  zu  La(j-tse.  Von  Tsch'ang- 
ping,    2  Bücher. 

i^>-  m  #  m  y± 

Lien  -  tschung  -  yimg    tschii.     Erklärungen    zu    Lao-tse.    Von 
Lieu-tschung-yung-,  2  Bücher. 

ICH  ?t   Ä  z± 

Thao-hxing-king  tscliil.    Erklärung-en  zu  Lao-tse.   Von  Thao- 
hung--kiug,    4  Bücher. 

!'■  «  a  Uj  z± 

Schü-tschung-schmi    tschii.    Erklärungen    zu    Lao-tse.     Von 
Schü-tschung'-schan.    2  Bücher. 

1^-  ^  Ä  E  K± 

Li-t/ün-yuen  tschii.    Erklärungen  zu  Lao-tse.    Von  Li-yün- 
yuen.  2  Bücher. 

!»•  m  m  t  ü 

Tschin-sse-ku  tschii.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Tschin- 
sse-ku.    2  Bücher. 

-^^^-  ft  M  *  )* 

Seng-hoei-lin   schü.    Erklärungen    zu    Lao-tse.     Von   dem 
Bonzen  Hoei-lin.  2  Bücher. 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist,  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hit.  19 


254  Pfizmaier. 

21-  1  il  ;öt 

Hoei-yen  fsckü.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Hoei-yeu. 
2  Bücher. 

22.  n  m  m  ü  ^/± 

Khien-mo-lo-scJn  fschü.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Khieu-mo-lo-schi.    2  Bücher.  ' 

23.  m  M.  /± 

I-yiihj-fschil.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  I-3'ing.  2  Bücher. 

24-  m  M  M  vi. 

Tsch'ing-schao  isi-tschü.  Gesammelte  Erklärungen  zu  Lao- 
tse.  Von  Tsching-schao.    2  Bücher. 

25  fi  m^  M  m 

Jin-tschin-tse  tsi-kiai.  Gesammelte  Auslegungen  zu  Lao-tse. 
Von  Jin-tschin-tse.    4  Bücher. 

26-  5g  i:  *  Ä  /± 

Tsch'ang-tao-sinng  tsi-tsckll.  Gesammelte  Erklärungen  zu 
Lao-tse.  Von  Tsch'ang-tao-siang.  4  Bücher. 

27.  Ä  :&  ?&  ^  ^  ^  ä 

Lu-Jdn(/-i/ö  liang-kuang-feng  tschiL  Erklärungen  zu  Lao-tse. 
Von  Lu-king-yö,  Liang-kuang  und  Anderen.  2  Bücher. 

28-    ^    Ä    M    2    *    T    *    ^ 

Ngan-khieii-ioang-tschi   lao-tse   tschang-kiü.     Die  Sätze    und 

Abschnitte  Lao-tse's.  Von  Ngan-khieu-wang-tschi.  2  Bücher. 

^^-  X  m  m  m  ^  m 

Yen  fao-te-kivg  tscJd-thnü.  Hinweisungen  auf  den  Sinn  des 
heiligen  Buches  des  Weges  und  der  Tugend.  Von  dem- 
selben Verfasser.    3  Bücher. 

30.  i  0  £  t  ff  iß  i;  ü 

Wang-sö  Jnuen-ijen  sin-ki  fao-fe.  Der  Weg  und  die  Tugend 
in  den  neuen  Verzeichnungen  der  Worte  des  Himmel- 
farbenen.    Von  W^ang-sö.    2  Bücher. 


'  Das    Leben    Kliieu-mo-lo-schi's    ist    in    der    Abhandlung:    .Heber    einige 
Wundermänner  China's'  enthalten. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang. 


255 


3'-  m  m  M.  m  i 

Liaug-kuang  tao-te-king-pin.  Die  Ordnungen  des  heiligen 
Buches  des  Weges  und  der  Tugend.  Von  Liang-kuang. 
4  Bücher. 

Yen-tsiln  tschi-kuei.  Hinweisungen  auf  den  Sinn  des  oben 
ffenannten  Buches.  Von  Yen-tsün.  4  Bücher. 


-frfl 


33.    >(c5-    ^    g^    J9IC 

Ho-yen   kiang-sv.    Weitergehende    Auslegungen    des    oben 
genannten  Buches.    Von   Ho-yen.    4  Bücher. 

34.  X  M.  M  m 

Yeu  tao-te-wen.  Fragen  über  Weg  und  Tugend.  Von  dem- 
selben Verfasser.    2  Bücher. 

3"'-    *    Ä    1p*    ^    Ä 

Liang-iün-ti.    kiang-sn.    Weitergehende    Auslegungen    des 

heiligen  Buches    des  Weges    und    der  Tugend.    Von   dem 

Kaiser  Wu  von  Liang.    4  Bücher. 

^-  xmm 

Yen  kiang-sH.  Weitergehende  Auslegungen.  Von  demselben 
Verfasser.    6  Bücher. 


37, 


tk  Mi  B  $^ 


IC 


Ku-hoan  tao-te-king  i-sv.  Weitergehende  Bedeutungen  des 
heiligen  Buches  des  Weges  und  der  Tugend.  Von  Ku- 
hoan.    4  Bücher. 


38. 


39. 


3L   Ä  it  Vp 

Yen  i-su  tsch'i-kang.    Leitseil    der   weitergehenden  Bedeu- 
tungen.   Von  demselben  Verfasser.    1   Buch. 

^.  ^  m  m  ^ 

Meng-tschi-f scheu    i-su.    Weitergehende    Bedeutungen    des 
oben  genannten  Buches.  Von  Meng-tschi-tscheu.  ö  Bücher. 

Tai-sin   i-su.    Weitergehende   Bedeutungen    des    oben    ge- 
nannten Baches.  Von  Tai-sin.    6  Bücher. 

19* 


256  rfi/.mait'r. 

41-  «  -^  *  T  5t  M  If  ;?  i* 

Ko-hiing  lao-tse  (ao-fe-kiiig  siü-klur.  Beurtlieilende  Ein- 
leitungen zu  dem  von  Lao-tse  verfassten  heiligen  Buche 
des  Weges  und  der  Tugend.  Von  Kö-hung.   2  Bücliei-. 

42.    ^    5tt    ife    # 

Han-tschuang    hinen-ischi.     Der    hohe    Wille    des   Hininiel- 

farbenen.    Von  Han-tschuang.    -S  Bücher. 

43     "^1    ^^     ^    -H    ^Ml 
^'^-    ^i    M    ^    :^    nm 

Lieu-i-niin  hiuen-])n.  Die  Verzeichnisse  des  Himmelfarbenen. 
Von  Lieu-I-min.    1   Buch. 

44.  %  m 

Tsie-ki'ai.  Auslegungen  nach  Abschnitten.   2  Bücher. 

45.    ^    p^ 

Tschang-men.  Das  Thor  der  Sätze.   1   Buch. 

46-  $  m  *  -^  # 

Li-khieu  lao-tse-yin.  Die  bei  Lao-tse  vorkommenden  Laute. 
Von  Li-khieu.    1   Buch.  , 

47.  IS    S    T 

Hö-kuan-tse.    Hö-kuan-tse.    o  Bücher. 

48.  ?g    Vt    ä    ?lj    ^ 

Tscli  ang-tschen  tschü  lic-tse.  I^ie-tse.  Mit  Erkläi'ungen   von 
Tsch'ang-tschen.  8  Bücher. 

Lie-tse  ist  ^|J  ^  -=^  Lie-yü-kheu. 

4fl.  IB  m  ä  S  -f- 

Ko-siang  tschü  tschucmg-Ue.  Tscliuang-tse  mit  Erklärungen 
von  Kö-siang.    10  Bücher. 

Tschuang-tse  ist  ^J  ^  Tschuang-tscheu. 

50.    [rtj     ^    äfe 

Hlang-sieu  tschü.  Erklärungen  zu  Tschuang-tse.  Von  Hiang- 
sieu.    20  Bücher. 

61-  S  R  tt 

Thsui-tsmen   tschü.     Erklärungen    zu    Tschuang-tse.    Von 
Thsui-tsiuen.    10  Bücher. 


Die  philosophischen  WeiVe  China's  in  dem  Zeitalter   der  Thang.  2o7 

52.  n  M  M  vi. 

Sse-7na-pieu    tschü.     ErkläruDg-en    zu    Tsehnang--tse.    Von 
8se-raa-pieu.  21  Bücher. 

f>s-  X  y±  "& 

Yeu    tscli'd-yin.     Erklärungen    der    bei    Tschuang-tse    vor- 
kunnnenden  Laute.  Von  demselben  Verfasser.  1   Buch. 

Li-i  tsi-kiai.  Gesammelte  Auslegungen  zu  Tschuang-tse. 
Von  Li-I.  20  Bücher. 

55.  3E  ^  *  «  « 

Wan(j-hmen-ku  tsl-kiai.  Gesammelte  Auslegungen  zu 
Tschuang-tse.  Von  Wang-hiuen-ku.  20  Bücher. 

5^-  ^  %  fe  ^±  -r  0w 

Li-tschung  sein  tschiiang-tse  liln.  Erörterungen  zur  Aus- 
legung Tschuang-tse's.  Von  Li-tschung.  2  Bücher. 

•«•  m  m  ^  "f"  ^B  ^ 

Fung-kö  lao-tse  tschi-kuei.  Hinweisungen  auf  den  Sinn 
Lao-tse's.  Von  Fung-kö.  13  Bücher. 

5«.  X  Ä  ^  *  4  IE  a 

Yen  tschuang-tse  ku-kin  tsching-i.  Die  bei  Tschuang-tse 
vorkommenden  richtigen  Bedeutungen  der  alten  und  der 
gegenwärtigen  Zeit.    Von  demselben  Verfasser.    10  Bücher. 

ö»-  m  m  ^  %'  m  ^ 

Liang  kien-  iveu-ti  kiang-st(.  Die  weitergehenden  Aus- 
legungen zu  Tschuang-tse.  Von  dem  Kaiser  Kien-wen  von 
Liang.    30  Bücher. 

'^0.  i  s  i^ 

Wang-mn-sii .  Weitergehende  Auslegungen  zu  Tschuang-tse. 
Von  Wang-mö.    10  Bücher. 

«1-  X  # 

Yen  gin.  Die  bei  Tschuang-tse  vorkommenden  Laute. 
Von   demselben   Verfasser.   1    Buch. 

«2.  ^  -f-  j^ 

Tschuang-tse  su.  Weitere  Auslegungen  zu  Tschuang-tse. 
7  Bücher. 


b 


258 


Pf  i  zmaier. 


63.  ^  ^ 

Wen-tse.  Wen-tse.  12  Bücher. 

64-    «    ^    T- 

Kuang-tscil  ing-tse.    Kuang-tsch'ing--tse.  '    12  Bücher. 

Von  dem  Fürsten  von  |^  »^  Schang-lö  zusammen- 
gestellt.  Von  ^  ~j|jj^  ^  Tsch'ang-thai-heng  erklärt. 

65-  m  ^ 

Thang-tse.    Thang--tse.    10  Bücher. 

Thang-tse  ist    1^   >)^  Thang-pang. 

66.   M    ^ 

Su-tse.  Su-tse.  7  Bücher. 

Su-tse   ist    ^^   ^    Su-yen. 

67-    S    -f- 

Smen-tse.  Siuen-tse.  2  Bücher. 

8iuen-tse  ist  ^^   ^S  Siuen-ping. 

68.  ^    ^ 

Lö-tse.  Lö-tse.  10  Bücher. 

Lö-tse   ist    1^  ^S  Lö-yün. 

69.  It    +1'    ^     ft    M 

Pao-pö-tse    nei-pien.    Die    inneren    Hefte    Pao-pö-tse's. 
10  Bücher. 

Pao-pö-tse  ist  ]^   ^^  Kö-hung. 

70.  ^    -f- 

Sün-tse.  Sün-tse.  12  Bücher. 

Sün-tse  ist  .^  iM.  Sün-tschö. 

71.  #    ^ 

Fn-tse.  Fu-tse.  30  Bücher. 

Fii-tse   ist   ^  J^  Fu-Iang. 

72.  ^    ^ 

Ho-tse.    Ho-tse.    10  Büchei-. 

Ho-tse   ist  '^   ^^  ^^   Ho-tao-yang. 


'  Kuanp-tsch'iiig-tse   ist    der  Verfasser   des    löC 
lieilige   Buch  des  verborgenen  Abscbuittsrobres'. 


yin-fu-king,  ,das 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  259 


"TO 


iö.      ^      ^ 

Meu-fse.  Meu-tse.  2  Bücher. 

Meii-tse   ist  J^   ^  Meu-yung. 

'-1'  -»  ^  z±  :*  ^ 

Fu-yl  tschü  lao  fse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Fu-yi. 
2  Bücher. 

'-■m  ±  ^  y±  ^  ^  M.  m  ^ 

Yaug-schang-scheii  tschü  lao-tse  tao-te-king.  Erklärungen  zu 
dem  von  Lao-tse  verfassten  heiligen  Buche  des  Weges 
und  der  Tugend.  Von  Yang-schang-schen.   2  Bücher. 

76-    X    ä    »    ^ 

Yen  tschü  tschuang-tse.   Erklärungen  zu  Tschuang-tse.  Von 

demselben  Verfasser.    10  Bücher. 

■'-'■  ^  ^  ^  m  m 

Lao-tse  tschi-lio-lün.  Andeutende  kurzgetasste  Erörterungen 

über  Lao-tse.    2  Bücher. 

Dieses  Werk  war  ein  Lehrbuch  (^^  ^t  iven-hiÖ) 
des  grossen  Sohnes  (Nachtolger's)  der  Thang. 

7s.  m  \^  i^m  &  ^  f 

Pi-Uü-jin-siü   tschü   lao-tse.    Erklärungen   zu  Lao  tse.    Von 

Pi-liü-jin-siü.    2  Bücher. 

Der  Verfasser  war  in  dem  Zeiträume  Sching-li 
(698  n.  Chr.)  Vorsteher  der  Gebräuche  i  ^  mÖ 
sse-li)  und   vielseitiger  Gelehrter. 

'''■  w  i^m  ^f  mm 

Kia-ta-yin  lao-tse  schÖ-i.  Die  geordneten  bei  Lao-tse  vor- 
kommenden Bedeutungen.  Von  Kia-ta-yin.   10  Bücher. 

80-  m  m  m  m  "^  ^  ^  m 

Lö-te-ming  tschuang-tse  xcen-kiü-i.  Die  Bedeutungen  der 
Schriftsätze  Tschuang-tse's.    Von   Lö-te-ming.    20  Bücher. 

81-  i;  ^  ;?±  S:  S  ^ 

Hii(en-tbwig  tschü  tao-te-king.  Erklärungen  zu  dem  heiligen 
Buche  des  Weges  und  der  Tugend.  Von  dem  Kaiser 
Hiuen-tsung  von  Thang.  2  Bücher. 


260  l'fizmaier. 

82.    X    ^ 

Yen   SU.    Weitergehende    Erklärungen    zu    dem    oben    ge- 
nannten Werke,  Von  demselben  Verfasser.  8  Bücher. 

In  dem  Zeiträume  Thien-pao  (742  bis  755  n.  Chr.) 
gab  man  dem  oben  genannten  Buche  den  Namen: 
das  himmelfarbene  durchdringende  (^  ^^  hiiien- 
flinnij)  heilige  Buch  des  Weges  und  der  Tugend. 
Das  Zeitalter  erwos:  dieses  nicht. 


83.    E    «    ffl    K±    ^    ^ 

Lu-tsanfj-yu7ig  tschü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Lu-tsang-yung.  2  Bücher. 

84.  X  a  Ä  T  Pi  *^  m 

Yeu  tscliü  tschucmfj-tse  nei-icai-pien.  Erklärungen  der  inneren 
und  äusseren  Hefte  Tschuans-tse's.  Von  demselben  Ver- 
fasser.    12  Bücher. 

85.  ?fß  Ä  5fn  /±  ^  T 

Hing-ncm-ho  tschü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Hing-nan-ho. 

Dieses  Werk  wurde  im  ein  und  zwanzigsten  Jahre 
des  Zeitraumes  Khai-yuen  (733  n.  Chr.)  dem  Kaiser 
vorgelegt. 

86.  m  ^  M  y±  ^  "f- 

Fung-tschao-i/in  tschü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Fung-tschao-yin. 

87.  Ö    M    .g.    ä    *    -f- 

Pe-li-tschiüKj  tschü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Pe-li-tschung. 

88.  ^    fil    ä    *    ^ 

Ll-fan  tschü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von  Li-fan. 

89.  ^    ^    ^    /±    ^    -f- 

Yün-tschi-t'schatKj  tschü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao  tse. 
Von  Yüu-tschi-tschaug. 


1 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  dvr  Tbang.  iibl 

!'0.    -ff    ^    *    ^    #    « 

Fti-yi  lao-tse  yin-i.  Die  bei  Lao-tse  vorkommenden  Laute 
und  Bedeutungen.    Von  Fu-yi. 

Die  Zahl    der  Bücher    der    obigen    sechs  Werke  ist 

unbekannt. 

«■  mm.  m  ^  ^  m 

LÖ-te-miny  lao-tse-su.  Weitergehende  Erklärungen  zu  Lao- 
tse.  Von  Lö-te-ming.  15  Bücher. 

9-'-  m  n  f^  ii.  M  ^ 

Fang-hang-kitei  tschü  tschö-tse.  Erklärungen  zu  Tschö-tse. 
Von  Fung-hang-kuei.   1  Buch. 

Der  Verfasser  war  Beruhiger  des  Kreises  Hj  Tsching. 

9s.  m  m  ^  ^  ir  ^ 

Tschin-ting-yö   lao-tse-su    Weitergehende    Erklärungen    zu 

Lao-tse.  Von  Tschin-ting-yö. 

Dieses  Werk  wurde  im  zwanzigsten  Jahre  des  Zeit- 
raumes Khai-yuen  (732  n.  Chr.)  dem  Kaiser  vor- 
gelegt. Der  Verfasser  erhielt  dafür  das  Amt  eines 
die  Bücher  untersuchenden  Leibwächters  (^^^  ^  ^|$ 
kiao-schu-lang).  Die  Zahl  der  Bücher  ist  unbekannt. 

Lö-lii-sdiing  tao-te-king  fschuen.  Ueberlieferungen  von  dem 
heiligen  Buche  des  Weges  und  der  Tugend.  Von  Lö-hi- 
sching.   4  Bücher. 

95-  ^  t  iif  z±  i;  s  IS 

U-schen-king  tschü  tao-te-king.  Erklärungen  des  heiligen 
Buches  des  Weges  und  der  Tugend.  Von  Ü-schen-king. 
2  Bücher. 

Dieses  Werk  wurde  in  dem  Zeiträume  Tsching- 
yuen   (785  bis   804  n.  Chr.)   dem   Kaiser  vorgelegt. 


Wl      _!-.        P4       ?S,       \tMx\      TJC      •      P^J       PH 

Yang-schany-schen  tao-te-king  san-liö-lün.  Drei  kurzgefasste 
Erörterungen  über  das  heilige  Buch  des  Weges  und  der 
Tugend.  Von  Yang-schaug-schen.   o  Bücher. 


262  P  Hz  maier. 

;•'  M  ±  M  ife  ^  ä  *  -^^  ^  .» 

Tao-sse  tsch'ing-hinen-yiruj  fschil  lao-tse  tao-fe-kiny.  Er- 
klärungen des  von  Lao-tse  verfassten  heiligen  Buches  des 
Weges  und  der  Tugend,  Von  Tsch'ing-hiuen-ying,  einem 
Manne  des  Weges.    2  Bücher. 

"^^  X  ^  m  jf  m  mm 

Yen  khai-ti-siü  Jciue-i-su.  Einleitungen  zu  den  eröffneten 
Ueberschriften  und  Entscheidungen  über  die  weiter- 
gehenden Bedeutungen  des  oben  genannten  heiligen 
Buches.  Von  demselben  Verfasser.  7  Bücher. 

99.    -^    ^    ^ 

Tsckü  tschuang-tse.  Erklärungen  zu  Tschuang-tse.  Von 
demselben  Verfasser.  30  Bücher. 

100. 


Sti.  Weitergehende  Erklärungen  zu  Tschuang-tse.  Von  dem- 
selben Verfasser.   12  Bücher. 

101-  mM^^m^mm 

TscKang-yeu-tschao  nan-hoa  siang-wang  scluie.  Bespre- 
chungen des  Siang-wang  '  von  Nan-hoa.  Von  Tsch'ang- 
yeu-tschao.   10  Bücher. 

102.    ^    H"    ft    Ö    -i    #    -i    ^ 

Yeu  tschung-hiü  ije-ma  fei-ma  tsching.  Bestätigungen 
Tschung-hiü's  über  das  weisse  Pferd,  welches  kein  Pferd. 
Von  demselben  Verfasser.  8  Bücher. 

Der  Verfasser   ist  der  Vater  ^   '^^  ^   Tsch'ang- 

wang-ho's. 

103.  m  M.  m  vi  ^  "f- 

Siin-sse-mÖ  tsckü  lao-tse.  Erklärungen  zu  Lao-tse.  Von 
Sün-sse-mö. 

Die  Zahl  der  Bücher  dieses  AVerkes  ist  unbekannt. 

104.  X  y±  B  ^ 

Yeu  tschil  tschuaiig-tse.  Erklärungen  zu  Tschuang-tse,  Von 
demselben  Verfasser. 


'  Sonst  Wang-siang,  ein  Wasseriuigcthiim. 


Die  philosophischen  Werkt»  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  263 

lOä-  m  m  -li.  B  ^ 

Lieu-tsung  tscliU  fschHani/-fse.  Erklärungen  zu  Tschuang-tse. 

Von  Lieu-tsung. 

Dieses  Werk  wurde  im  zwanzigsten  Jahre  des  Zeit- 
raumes Khai-yuen  (loo  n.  Chr.)  dem  Kaiser  vor- 
gelegt. Der  Verfasser  erhielt  dafür  das  Amt  eines 
Zugesellten  des  Ahnentempels  d(!s  grossen  Sohnes 
(Nachfolgers)  von  ;^  *l^  Tschaug-hoai. 


106.  ^  ^  M  /±  ^  f- 

Yün-tschi-tschany    tschil    tschuang-tse.      Erklärungen    zu 
Tschuang-tse.  Von  Yün-tschi-tschang. 

Die   Zahl    der  Bücher    der    drei   obigen   Werke   ist 

unbekannt. 

107.  -y-  (0+^)  gl  -Q  ä  Ä  ^ 

Kan-hoei    loei-pao    tschil    tschuang-tse.      Erklärungen    zu 
Tschuang-tse.  Von  Kan-hoei  und  Wei-pao, 

Die  Zahl  der  Bücher  ist  unbekannt.  Das  Werk  wurde 
gegen  das  Ende  des  Zeitraumes  Khai-yuen  (741  n.  Chr.) 
in  Folge  einer  höchsten   Verkündung  verfasst. 

108.  ^   1  ^  H  M  ® 

Yuen-tsai   nan-hoa    thungwei.     Das    durchdringende    Un- 
scheinbare der  südlichen  Blüthen. '  Von  Yuen-tsai.  10  Bücher. 

lo!'-  5R  ^.  5Ü1  i:  ^ 

TscK ang-tschi-ho  thai-yi.  Die  grossen  Verwandlungen.   Von 
Tsch'ang-tschi-ho.    15  Bücher. 

110.    X    ^    Ä    -f- 

Yeu  hinen-tschin-tse.  Hiuen-tschin-tse.  Von  demselben  Ver- 
fasser. 12  Bücher. 

Die   inneren   Auslegungen   sind   von  ^    gg   Wei-I. 

"1-  Ä  11  Ä  ^  |£ 

Tschin-ting-yö  tschuang-tse  su.  Weitergehende  Auslegungen 
zu  Tschuang-tse.  Von  Tschin-ting-yö. 

Die  Zahl  der  Bücher  ist  unbekannt. 


,Südlifhe  Blütheu'  wurde  auf  die  Schrifteu  Tschuang-tse's  bezogen. 


I 


264  rfi/.iii  aier. 

Tao-sse  li-han-kuaruj  lao-tse  tschuang-tse  tscheti-jjl  hiö-ki. 
Verzeichnungen  des  Lernens  über  Lao-tse,  Tschuang-tse 
und  die  Verwandlung-en  der  Tscheu.  Von  Li-han-kuang-, 
einem  Manne  des  Weges,    3  Bücher. 

"2-  X  mm 

Yen  i-liö.  Kurze  Fassung  der  bei  Lao-tse,  Tschuang-tse 
und  in  den  Verwandlungen  vorkommenden  Bedeutungen. 
Von  demselben  Verfasser.    3  Bücher. 

Der  Verfasser  Li-han-kuang  lebte  in  dem  Zeiträume 

Thien-pao  (742  bis  755  n.  Chr.). 

11^-  mm  M  ^  ^  m^ 

Tsch'ang-jjin-khiü  tschuang-tse  tschi-yao.  Das  Nothwendige 
der  Hiuweisungen  auf  Tschuang-tse.  Von  Tsch'ang-yin- 
khiü.  33  Bücher. 

Der  Verfasser  wurde  '|^  J^  -^  Hoeidün-tse  genannt. 

115.  U  ^  ±  ^  ^  M  B. 

SÖ-ye-kuang  san-kiuen  i-i.   Die  verschiedenen  Bedeutungen 
der   drei  Himmelfarbenen.    Von  Sö-ye-kuang.    30  Bücher. 
Dieses  Werk  wurde  im  zwanzigsten  Jahre  des  Zeit- 
raumes  Khai-yuen   (732   n.    Chr.)    dem    Kaiser    vor- 
gelegt. 

iiö-  f*  S  iff  /±  ^  -7- 

Sia-llng-fu  tschü  iceu-tse.  Erklärungen  zu  Wen-tsc.  Von 
Siü-ling-fu.    12  Bücher. 

11'-  ^  ii  f II  a;  3t  ^ 

Li-sien-hiün  tschü  tven-tse.  Erklärungen  zu  Wen-tse.  Von 
Li-sien-hiün.    12  Bücher. 

11«-  aE  ±  7C  >t  ^  T 

Wang-sse-yuen    kang-thsang-tse.     Kang-thsaug-tse,     Von 

Wang-sse-yuen.    2  Bücher. 

In  Kang-thsang-tse  ist  Kang-thsang  der  Geschh^chts- 
name.  Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Thien-pao 
(742  n.  Chr.)  besagte  eine  höchste  Verkündung,  dass 
das  Werk  Tschuang-tse's  den  Namen  ^  ^  Ä  ^ 
nan-hoa    tschhi-kiiig    ,das    wahre    heilige    Buch    der 


Die  philnsopliischen  Werke  Cliina's  in  Afm  Zeitalti'r   iler  Tliang.  ^OO 

südlichen  Blumen',  das  Werk  Lie-tse's  den  Namen 
M*  i^  Ä  ^^  tscJmng-hiü  tschin-king  ,das  wahre 
heilige  Buch  des  Hohlen  und  Leeren^,  das  Werk 
Wen-tse's  den  Namen  :sS  ^  Ml  ^.  ihunq-hiuen 
tscliin  -  hing  ,das  wahre  heilii>e  Buch  des  durch- 
dringenden Himmelfarbenen',  das  Werk  ~y\j  ^.  -^ 
Kang-saug-tse's  den  Namen  *^|^  ^^  ;^  ^^  thung- 
ling  tschin-king  ,das  wahre  heilige  Bucli  des  tiefen 
Geistigen'  führen  solle.  Man  suchte  das  Buch 
"yC.    ^k    -^    Kang-sang'-tse ,    fand    es    aber    nicht. 

^  -f"  j^  Wang-sse-yuen  aus  Siang-yang,  der  Ver- 
fasser des  obigen  Buches,  sagte,  dass  bei  Tschuang- 
tse  dieser  Name  durch  1^  ^.  -^  Keng-sang-tse, 
bei  Sse-ma-thsien  und  Lie-tse  durch  y^  ^  -^ 
Kang-thsang-tse  ausgedrückt  werde,  es  sei  in  Wirk- 
lichkeit ein  und  dasselbe.  Das  Fehlende  wurde 
somit  ergänzt. 

"«  ^  m.  ^ 

Wu-neng-tse.    Wu-neng-tse.    3  Bücher. 

Der  Verfasser,  dessen  Name  und  Geschlechtsname 
nicht  angegeben  wird,  befand  sich  in  dem  Zeit- 
räume Kuang-khi  (885  bis  887  n.  Chr.)  unter  den 
verborgenen  Menschen  des  Volkes. 


Das  folgende  Verzeichniss  (,göttliche  Unsterbliche^)  ent- 
hält die  Werke  von  30  Verfassern  über  50  Gegenstände  in 
341  Büchern.  Die  Namen  von  13  Verfassern  sind  unbekannt. 
Von  dem  Werke  , Laute  und  Bedeutungen  der  Kammern  des 
Weges'  angefangen  waren  die  Werke  von  &2  Verfassern  in 
265  Büchern  nicht  veröffentlicht. 


Yün-hi  kao-sse  lao-kiün  nei-tscJinen.  Innere  Ueberlieferungen 
von  dem  hohen  vorzüglichen  Manne,  dem  Gebieter  Lao. 
Von  Yün-hi.  3  Bücher. 


i 


266  Pfizmaier. 

Hiuen-king-sien-seng  lao-tae  tao-te-kien  yao-i.  Kurzgefasster 
Sinn  der  von  Lao-tse  verfassten  Tafeln  des  Weges  und 
der  Tug-end.  Von  dem  Frühgebornen  Hiuen-king.  5  Bände. 

Liang  kien-ioen-ti  lao-tse  sse-ki.  Eig'ene  Verzeichnungen 
über  Lao-tse.  Von  dem  Kaiser  Kien-wen  von  Liang. 
10  Bücher. 


^-  «  (W  +  ^)  *  ^  g§  fl-  j8 

Tni-sin  lao-tse  si-sching-king-i.  Die  Bedeutungen  des  von 
Lao-tse  verfassten  heiligen  Buches  des  Emporsteigens  im 
Westen.   Von  Tai-sin.   1   Buch. 


o. 


Wei-tsch'n-hiuen  tst-kicd  lao-tse  si-sching-king.  Das  von 
Lao-tse  verfasste  heilige  Buch  des  Emporsteigens  im 
Westen.  Zusammengestellt  und  ausgelegt  von  Wei-tsch'u- 
hiuen.    2  Bücher. 


e-  ^  "f-  m  mm 

Lao-tse  hoang-king.   Das  heilige  Buch  des  gelben  Vorhofes. 
Von   Lao-tse.   1   Buch. 


-'■  ^  f  u  u  m 

Lao-tse  tan-tschm-king.    Das  heilige  Buch  des  Aufsuchens 
der  wahren  Menschen.    Von  Lao-tse.    1   Buch. 

8^  #  ff  # 

Lao-kiiin  kho-liö.   Die  Ordnungen  und  Abschnitte  des  Ge- 
bieters Lao.    1  Buch. 

'>■  ^  f-  M.  ^  M 

Lao-tse  siiien  schi-kiai.    Warnungen    für  alle  Zeiten.    Von 
Ijao-tse.    1    Buch. 


10-  *  f-  A  ^ 

Lao-tse  ß-schi-ki)ig.  Das  heilige  Buch  des  Eintritts  in  das 
innere  Haus.    Von  Lao-tse.    1    Buch. 


Die  philosophischen  Werlie  China's  in  dem  Zeitalter  d«r   Thang. 


267 


11. 


12. 


*  ^ 


S  ^  ü 


Lao-tse  hoa-kai  htan-thien  kme.  Die  Entscheidungen  des 
Blumendeckels,  der  Betrachtung  des  Himmels.  Von  Lao- 
tse.  1  Buch. 


* 


^ 


m  *  ^ 

Lao- tse  siao-scJnd-king, 
Wassers.   Von  Lao-tse.   1  Buch. 


Das  heilige  Buch   des  löschenden 


'3-  ^  ^ 


IS. 


W  -  +  # 


Lao-tse  scMn-fsi  loe-ni-scln-tiao  king.  Das  heilige  Buch  der 
einhundert  zwanzig  Abzweigungen  der  göttlichen  Schrift- 
tafeln.    Von  Lao-tse.    1  Buch. 


14     Ä 


Kuei-kh-sien-seng  kuan-Ung  yün-hi  tschuen.  Ueberlieferungen 
von  Yün-hi,  dem  Befehlshaber  des  Gränzpasses.  Von  dem 
Frübgebornen  des  Dämonenthaies.    1    Buch. 

Die  Erklärungen  sind  von    [JH    ^^   Sse-hao, 

'ö-  -1  ft  Ä  AI  #  ft  f* 

Thsing-hm  ischin-jia  ivang-kiün  npi-fschnen.  Innere  Ueber- 
lieferungen von  dem  wahren  Menschen  des  klaren  Leeren, 
dem   Gebieter  von  dem  Geschlechte  Wang.   1    Buch. 

!«•  i  «  H  ^  a  m  51  #  ft  ;f* 

Wang-tschang  san-thien  fasse  tscliang-kiUn  nei-fscJmen. 
Innere  Ueberlieferungen  von  dem  Meister  der  Vorschrift 
der  drei  Himmel,  dem  Gebieter  von  dem  Geschlechte 
Tsch'ang.  Von  Wang-tschang.   1  Buch. 

''•  ^  1  f^  #  ft  # 

TJ-tsUn  mao-kiün  nei-tsclnien.  Innere  Ueberlieferungen  von 
dem  Gebieter  von  dem  Geschlechte  Mao.  Von  Li-tsün. 
1  Buch. 

^8.  g  ^  ^  i:  S  i  flu  >S-  «^  ft  « 

Liii-sien-seng  fhai-kP  tso  sien-kiiug  ko-ki'dn  nei-tschncn. 
Innere  Ueberlieferungen  von  dem  zur  Linken  der  grossen 
Gipfelung  befindlichen  Fürsten  der  Unsterblichen,  dem 
Gebieter  von  dem  Geschlechte  Ko.  Von  dem  Frühgebornen 
von  dem   Geschlechte  Liü.    1   Buch. 


208  I'fizmaier. 

!!'•  m  m  ^  ^  m  A  m  m 

Hoa-kiao  thse-yaiig  tschhi-jin  tscJieu  kiiin  tficlinen.  Ueber- 
lieferungen  von  dem  wahren  Menschen  des  purpurnen 
Yang,  dem  Gebieter  von  dem  Gesclilechte  Tscheu.  Von 
Tloa-kiao.   1   Buch. 

2f'-  ffi  #  #  fllJ  A  .Ü  #  It  #  ft  -» 

Tschao-schinfj-teng  sien-jin  ma-kinn  yin-kmn  nei-tsehiien. 
Innere  Ueberlieferungen  von  den  unsterblichen  Menschen, 
dem  Gebieter  von  dem  Geschlechte  Ma  und  dem  Ge- 
bieter von  dem  Geschlechte  Yin.  Von  Tschao-sching  und 
Anderen.   1  Buch. 

21-  il5  #  ^  j»  t  «  A  »  #  ft  « 

Ttichiny-yün-fhsien  thsing-Mü  tscJdn-jin  pei-kinn  nei-tschuen. 
Innere  Ueberlieferungen  von  dem  wahren  Menschen  des 
klaren  Leeren,  dem  Gebieter  von  dem  Gescldechte  Pei. 
Von  Tsching-yün-thsien.   1  Buch. 

22.  IE  ^  ^  Ä  Ä  #  m  Ä  *  A  ft  # 

Fan-mo  thse-hiü  yuen-kiün  nan-yö  fn-jin  nei-tschuen.  Innere 
Ueberlieferungen  von  der  zu  dem  purpurnen  Leeren  ge- 
hörenden Gebieterin  von  dem  Geschlechte  Yuen,  der 
vornehmen  Frau  der  südlichen  Berghöhe.  Von  Fan-mö. 
1  Buch. 

2^.  ^  m  m  ^  7b  ^  m  ^  A  p^  n 

Hiancj-fsung  thse-hiü  yuen-kiün  icei-fu-jin  nei-tschuen.  Innere 
Ueberlieferungen  von  der  zu  dem  purpurnen  Leeren  ge- 
hörenden Gebieterin  von  dem  Geschlechte  Yuen,  der 
vornehmen  Frau  von  Wei.    1   Buch. 

24.  ^m  z  w^  %  ^n 

Wang-hi-ischi  hiü-sien-seng  tschuen.  Ueberlieferungen  von 
dem  Frühgebornen  von  dem  Geschlechte  Ifiü.  Von  Wang- 
hi-tschi.   1   Buch. 

2ö-  ;/L  ^  Ä  iE  ft  iE 

Kieu-hoa  ischin-fei  nei-ki.  Innere  Verzeichnungen  über 
die   wahre  Königin  der  neun  Blumen.    1   Buch. 


IMp  ptilogopliiscbpii  Werke  C'biiiaV  in  dpiii  Zeitalter   der  Thaiig. 


269 


-'ß  ^  u  m  Wi  m  ^y  ^  ^  %  m  f* 

Suug-tu-neng  sung-kao  .schao-schi  hhen-thien-ssa  tscliuen. 
Ueberlieferungen  von  Kheu-tliien-sse  von  dem  kleinen 
inneren  Hause  des  Berges  Sung-kao.  Von  Sung-tu-neng. 
3  Bücher. 

27.    i    Ä    # 

Wancj-hiao-tschupn.  Ueberlieferungen  von  Wang-kiao. 
1   Buch. 

28  ü  ö;  *  # 

H<in-icu-ti  tschnen.  Ueberlieferungen  von  dem  Kaiser  Wu 
von  Hau.    2  Bücher. 

29-  m  («]  n  #  # 

LieAi-hiang  lie-sien  tschueii.  Ueberlieferungen  von  Unsterb- 
lichen.   Von  Lieu-hiang.    2  Bücher. 

^^-  Ä  ^^  »  fili  # 

Kn-hitng  schin-sien  fschuen.  Ueberlieferungen  von  göttlichen 
Unsterblichen.  Von  Kö-hung.   10  Bücher. 

3'-    Ä    *    ^    flSl    fllj    # 

Kien-SH-tse  t/ittng-sien  Uchuen.  Ueberlieferungen  von  Un- 
sterblichen der  Tiefen.  Von  Kien-su-tse.   10  Bücher. 

«2  Mij  m  %^  m  ^    . . 

'J')ing-fang-sö  schiv-i  hing.  Das  heilige  Buch  der  göttlichen 
Merkwürdigkeiten.    Von  Tung-fang-sö.    2  Bücher. 

Die  Erklärungen   sind  von   ß^   ^^  Tsch'ang-hoa. 

3^-  X  +  ißW  iE 

Yen  sclu-tscheu  kL  Verzeichnungen  über  die  zehn  Inseln. 
\  on  demselben  Verfasser.    1  Buch. 

34-  ^  ^  a  n  #  iE 

Tscheu-ld-tlnouj  su-lviUn  ki.  \'erzeiclinungen  über  den  Ge- 
bieter von  dem  Geschlechte  8u.  Von  Tscheu-ki-thung. 
1   Buch. 

3^-    ^    BR    *    *    fLlj    A    Ä    f-    Ife 

Liany-kiuuui  nav-hoa  sien-jin  tsclinang-tse.  l'dn.  Erörterungen 

über  Tschuang-tse,  den  unsterblichen  Menschen  der  süd- 


liehen Blumen.  Von  Liang-kuang.  30  Bücher. 

Sitzungäber.  d.  phil.-hist.  Cl.  L.XXXIX.  Bd.  1    Hft. 


20 


270 


Pf  izmaier. 


^ 


41. 


^'^-  m  0  u  A  M  M  m 

Nan-hoa  ischin-jin  tao-te  lün.  Erörterungen  über  den  Weg 
und  die  Tugend.  Von  dem  wahren  Menschen  der  südlichen 
Blumen.   30  Bücher. 

3'-  -fi  -f-  i:  ife 

Jin-fse  tao-IUn.  Erörterungen  des  Weges.  Von  Jin-tse. 
10  Bücher. 

38.  fft  Äg  «  i;  ±  ife 

Jin-kia  ku-tao-sse  lün.    Erörterungen   über  den  Mann  des 

Weges  von  dem  Geschlechte  Ku.    Von  Jin-kia.  3  Bücher. 

Der  Mann  von  dem  Geschlechte  Ku  ist  ^  :^  Ku-kö. 

39-  i:k^B)  ^  m  m  m 

Khiii-ivei  hoen-yü  king.  Das  heilige  Buch  der  gesammten 
Aufnahme.  Von  Khiü-wei.    1   Buch. 

40.    t±    ^     1*1    >1< 

Tu-i  yeu-khieu-tse.    Yeu-khieu-tse.    Von  Tu-I.    30  Bücher. 

np-.     5^    ^z7    ^^    iffl     ^i 
tPI    ftfcg    :*Z^    "^    :)m.    ^% 

TscJiang-ki  hiuen-schu  iliung-i.  Die  durchdringenden  Be- 
deutungen des  Buches  des  Himmelfarbenen.  Von  Tsch'ang- 
ki.   10  Bücher. 

1^  ?i  Ä  S  «  1  lÄ 

Thao-hung-king  teng-fschin  y in -knie.  Verborgene  Ent- 
scheidungen über  aufsteigende  wahre  Menschen.  Von  Thao- 
hung-king.    25  Bücher. 

43.  X  «  IS 

Yen  tsckin-kao.  Meldungen  von  wahren  Menschen.  Von 
demselben  Verfasser.    10  Bücher. 

^-  m  m  m  ^  ^  M 

Tscli  nng-f sehen  yang-seng  yao-tsi.  Abgekürzte  Sammlungen 
über  das  Nähren  des  Lebens.  Von  Tsch'ang-tschen. 
10  Bücher. 

45.   #    tt    # 

Yang-sing  tschnen.  Ueberlieferungen  von  dem  Nähren  des 
Angebornen.    2  Bücher. 


42 


l)ie  philosophischen  Wprke  f'liina's  in  dem  Zeitalter  dfir  Thang.  27  1 

^'5.  m  -x  fi  m  ^  /f 

Tsch'ang-fhai-heng  icu-ming-tse.  Wu-ming-tse.  Von  Tsch'ang- 
tliai-heng'.    1   Buch. 

^>-  fiJ  i;  A  *  ^  i;  m 

Lieu-tao-jiii  lao-tse  hiuen-])u.  Die  von  Lao-tse  verfassten 
Schrifttafelu  des  Himmelfarbenen.  Von  dem  Menschen 
des  Weg-es  von  dem  Geschlechte  Lieii.    1   Buch. 

«   Ü)  «  #   1^  *  ^ 

Lieu-wu-tai  thung-kuang-tse.  Tliung-kuang-tse.  Von  Lieu- 
wu-tai.  •'^  Bücher. 

Die  Erklärungen  sind  von   ^  ji|   Heu-yen. 

«'  S  A  *  i:  ^  g  ;? 

Lhig-jin  sin-hmen-tse  tse-siii.  Der  geistige  Mensch  Sin-hiuen- 
tse.  Mit  einer  Einleitung  von  ihm   selbst.   1  Buch. 

5u.  ^  r#  -7-  g  if 

Hoa-yang-tse  fse-siü.  Hoa-yang-tse.  Mit  einer  Einleitung 
von  ihm  selbst.   1   Buch. 

Hoa-yang-tse  ist   ^   ^^    ^   Mao-tsch'u-hiuen. 

•^1-  M  ±  m  ^ 

Wu-schang  pi-yao.  Geheime  Erfordernisse  des  Aller- 
höchsten.   72  Bücher. 

Ö-2.  g;  ^ 

Tao-yao.  Erfordernisse  des  Weges.   30  Bücher. 

53.    ,^    Ig    ^    ^ 

Ma-kldii-hiö  tschuen.  Ueberlieferungen  von  Ma-khiü-hiö. 
20  Bücher. 

^^  Iß  1  ü  Ä  f  m  m  m  %  ie 

Kö-hieu  han-iou-ti  pie-kue  thung-ming  ki.  Verzeichnungen 
des  Tiefen  und  Dunklen  des  besonderen  Reiches  des 
Kaisers   Wu  von  Han.  Von  Kö-hien.  4  Bücher. 


OD. 


S:  Ä  #  ^  B  Ä 

Tao-t.satig   gin-i    mij-lu.     Verzeichuiss    der   Laute   und  Be- 
deutungen der  Kammern  des  Weges.  113  Bücher. 

20* 


272 


Pfizniaier. 


56 


57 


58 


59 


60 


61. 


Von   ^^  yg  Thsui-sclu,  ^  ^  Sie-tsi,    i;}(^  ^^  ^ 

Tsch'in-tsiuen-khi,  ^.  ^  Tlisiino-hiuen,  dem  ]\Ianne 
des  Weges,  und  Anderen  zusammengestellt. 

*  ä  It  ^  « 

Tsl-tschii  yin-fv-king.  Das  heilige  Bucli  des  verborgenen 
Abschnittsrolires.  Mit  gesammelten  Erklärungen.   1    Buch. 

^  m  m  ^  m 

Li-tsing  yin-fu  ki.  Die  Triebwerke  des  verborgenen  Ab- 
schnittsrohres. Von  Li-tsing.  1   Buch. 

M.  ±  ^  d'\m  +  M  A  m  m 

Tao-sse  li-schao-king  scM-i  kli.u-mi  lün.  Erörterung  der 
zehn  Verschiedenheiten  und  der  neun  Irrungen,  Von  Li- 
schao-king,  dem  Manne  des  Weges.   1    Buch. 

i;  ±  ü)  Jt  S  *  i^  a  n  ü 

Tao-sse  lieii-tsin-hi  lao-fse  thung  tschü-lUn.  Durchgängige 
Erörterungen  über  Lao-tse.  Von  Lieu-tsin-hi,  dem  Manne 
des  Weges.  1   Buch. 

X  S  jE  ife 

Yen  hien-tsching  lün.  Offenbare  richtig-e  Erörterungen.  Von 
demselben   Verfasser.   1   Buch. 

?g  «  It  n  IS  k  %  # 

Tsclinng-ko  yin-fu-king  thai-uni.  fschiien.  üeberlieferungen 
von  dem  grossen  Nichts  des  heiligen  Buches  des  ver- 
borgeneu Abschnittsrohres.  Von  Tsch'ang-ko.   1    Buch. 

62-  X  m  n  u  m  ^  m 

Yeu  yin-fu-king  'pien-ming  Uln.  Erörterungen  über  die 
Entscheidung  des  Lebensloses  in  dem  heiligen  Buche  des 
verborgenen  Abschnittsrohres.  Von  demselben  Verfasser. 
1   Buch. 

Khi-kiue.    Entscheidungen  über  die  Luft.   1   Buch. 

64.  fiip  m  n  m  m  M  m. 

Schin-sien  te  tao-ling-yn  kiiig.  Das  heilige  Buch  des  Er- 
langens  der  geistigen  Arzneien  des  Weges  durch  gött- 
liche Unsterbliche.    1  Buch. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  2<3 

6-^-  m  M  ^  ^  B 

Wang-siang  tscK ing-ming  thu.  ^Abbildungen  des  Zustande- 
biingens  des  Namens  durch  das  Wasserungethüni  Wang- 
siang.   1  Buch. 

'^•^-  n  ^^  %k 

Tan-scha  knie.  Entscheidungen  über  den  Mennig.  1  Buch. 
Dieses  Werk  wurde  im  zwei  und  zwanzigsten  Jahre 
des  Zeitraumes  Khai-yuen  (734  n.  Chr.)  dem  Kaiser 
vorgelegt. 

67.  $  ?;.  It  ^^  IS  iE  # 

Wf^i-hung  yin-fu-king  tsching-kiuen  Die  richtige  Rolle  des 
heiligen  Buches  des  geheimen  Abschnittsrohres.  Von 
Wei-hung.    1   Buch. 

ÜB.  $  M  S  Oj  #  1*  It  ff  ife  * 

Li-tsmen  U-schan-mu  tschuen  yin-fu  hiuen  i.  Die  Ueber- 
liet'erung  der  Bedeutungen  des  Himmeltarbenen  des  ver- 
borgenen Abschnittsrohres  durch  die  Mutter  auf  dem 
Berge  Li.    Von  Li-tsiuen.    1   Buch. 

Li-tsiuen  wird  ^  ^  \U  ^  W.  'f'  Öchao-schi- 
schan  Thä-kuan-tse  (Thä-kuan-tse  von  dem  Berge 
des  kleinen  inneren  Hauses)  genannt.  Derselbe  er- 
langte auf  dem  Berge  ^  Sung,  an  der  Felsenwand 
des  Tigerrachens  den  Text  des  von  dem  gelben 
Kaiser  verfassten  verborgenen  Abschnittsrohres.  Man 
säg^  ^  ^  ^  Kheu-kien-tschi,  ein  Tao-sse  von 
SJl  Wei,  habe  es  den  berühmten  Bergen  überliefert. 
Als  Li-tsiuen  auf  dem  Berge  Li  ankam,  habe  ihm 
die  alte  Mutter  Thä-kieu-tschi's  die  Auslegung  des 
Buches  überliefert. 

f^^-  m  m  n'k  is:  ±  it  i^'  m  -^ 

Sche-tsing-neng  thai-schang  pe-ti  Ung-iven.  Die  geistigen 
Schriften  des  höchsten  Kaisers  des  Nordens.  Von  Schi- 
tsing-neng.  3  Bücher. 

70.  ^  ^f  M,  a£  ^  ^  1*  ^ 

Li-tschnn-fimg  tschü  tlmi-khien  pl-gao.  Die  Erklärung  der 
geheimen  Erfordernisse  des  grossen  Himmels.  Von  Li- 
tschün-fung.  3  Bücher. 


274  Pfizmaier. 

"•  ^    ±   ^   /±   *    ±^    7C   m   #   ü  IE 

Yang-schamj-kid  fschü  thai-schang  hinen-yuen  hoanfj-ti 
sclunfj-kL  Erklärung  der  höchstweisen  Darlei^ungen  des 
höchsten  Kaisers  des  himinelfarbcneii  Ursprünglichen. 
Von  Yang-schang-khi.   10  Bücher. 

72.    «    4''-    7C    7&    -f-    'Vr>    Ä 

Thsui-scliao-yuen  lao-tse  sin-Jdng.  Der  Spiegel  des  Herzens 
Lao-tse's.  Von  Thsui-schao-yuen.  1  Buch. 

n-  M.  ^  m  ±  ±  ^  ^  m.  ^^  m 

Hoang-thien-ynen  thai-schang  lao-kiiln  hien  tsi-ki.  Ver- 
zeichnungen der  Spuren  der  Erscheinung  des  auf  der 
Hochebene  des  erhabenen  Himmels  wohnenden  höchsten 
Gebieters  Lao.  1  Buch. 

Das  Werk  handelt  von  dem  Herniedersteigen  Lao-tse's. 

M-  S  Ä  *  ^  i  w 

Liü-schi  lao-tse  tschang-yen.  Die  vortrefflichen  Worte  Lao- 
tse's.   Von  dem  Geschlechte  Liü.    2  Bücher. 

76-  3E  :^  g  m  fiii  #  #• 

Wang-fang-khing  schin-sien  heu-tschuen.  Spätere  Ueber- 
lieferungen  von  göttlichen  Unsterblichen.  Von  Wang-fang- 
khing.    10  Bücher. 

76  ±  w  ^  7c  0j  -xm  «  s  le 

Iliuen-tsin-su  yuen-ming  thai-thsing  scht-pt  ki.  Verzeich- 
nungen über  die  Steiuwände  des  ursprünglichen  Hellen 
und  grossen  Klaren  in  den  Landstrichen  Hiuen,  Tsin  und 
Su,  3  Bücher. 

Der  Verfasser  war  in  dem  Zeiträume  Khien-yuen 
(758  bis  759  n.  Chr.)  Vorsteher  der  Pferde  in  ^\  }\\ 
Kien-tscheu.  Sein  Name  ist  unbekannt. 

1  hoa-hu-king  ischuang.  Die  Art  der  Bcrathungen  über  das 
heilige  Buch  der  Verwandlungen  und  der  Langjährigkeit. 
1  Buch. 

Im  ersten  Jahre  des  Zeitraumes  Wan-sui-tliung-thien 
(696  n.  Chr.)  richtete  der  Bonze  ^^  *^  Hoei-tsching 
an  den  Hof  Worte,    in    welchen    er    bat,    dass    man 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  275 

das  von  Lao-tse  verfasste  ^  '^B  ^.  Hoa-hu-king 
vertilg-e.  Das  obige  Werk  prüft  die  über  diesen 
Gegenstand  gepflogenen  Berathungen. 

78.  ^  ^H  a  Ä  ®  -  +  -fc  ?t  mß  m  m 

Ning- tscheu  thiong-tschin-kuan  ni-schl-thsi-sÖ  fsc/nn-hing 
thu-fsan.  Abbildungen  und  Lobpieisungen  der  wahren 
Gestalten  der  sieben  und  zwanzig  Haltstellen  der  ver- 
kehrenden wahren  Thorwarte  in  Ning-tscheu.   1   Buch. 

79-  i:±4«ÄH-ÄA-+|5|'/öB 

Tao-sse  ling-hu-kien-yao  tsching-yt  tscliin-jin  ni-schi-sse 
tschi-thu.  Geordnete  Abbildungen  von  vier  und  zwanzig 
wahren  Menschen  des  richtigen  Einzigen.  Von  Ling-hu- 
kien-yao,  einem  Manne  des  Weges.   1  Buch. 

Der  Verfasser  lebte  in  dem  Zeiträume  Tsching-yuen 

(785  bis  804  n.  Chr.). 

80.  «  .B  ^  .^  It  z:  #  ft  # 

/Sün-sse-mö  ma-yin  ni-kiün  nei-tschuen.  Innere  Ueber- 
lieferungen  von  den  zwei  Gebietern  der  Geschlechter 
Ma  und  Yin.  Von  Sün-sse-mö.   1   Buch. 

81-  X  ±  m  u  A  m  m  n  m 

Yen  thai-thsing  tschin-jin  lien-yün-mu  kiite.  Entscheidungen 
über  die  geläuterte  Wolkenmutter  der  wahren  Menschen 
des  grossen  Klaren.   Von  demselben  Verfasser.  2  Bücher. 

Tsche-seng  fschin-lÖ.  Wahre  Verzeichnisse  der  Erfassung 
des  Lebens.    1  Buch. 

Yang-seng  yao-lö.  Kurzgefasste  Verzeichnisse  des  Nährens 
des  Lebens.   1  Buch. 

84-  m  m 

Khi-kiue.  Entscheidungen  über  die  Luft.  1   Buch. 

85.  m  B  m  m 

Schao-lien  pi-kinr.  Geheime  Entscheidungen  über  Brennen 
und  Läutern.  1  Buch. 


276 


Pfizm  aier. 


86. 


87. 


88. 


89. 


90. 


91. 


M  jM.  M  7t  0k 

Lkiiii-Jho  fhiintj-j/nen  kitie.  Die   Entscheidungen  des  durch- 
driogenden  Ursprünglichen.  Von  Lung-hu.    1   Buch. 

Hi   )Hu   ml    v^    m 

Lmuj-ha    Inan-ji   iilen.     Die    Hefte    der    geordneten    Tage. 
Von  Lung-hu.   1   Buch. 

ö  #  SB  #  ife 

Yeii-i sehnen  fth scheu  Hin.   Erörterungen  über  die  verborgene 
üeberlieferung    von    Glück    und    langem    Leben.    1   Bucli. 

tt  4»  *  # 

Tsclii)t-tschung  sii-schii.  Die  schmucklose  Schrift  der  Mitte 
des  Polsters.   1   Buch. 


Hoei   san-kiao    lün.     Erörterungen    über    die    Vereinigung 
der  drei  Lehren.   1   Buch. 


M. 


'/ti 


92. 


9^ 


94. 


95. 


96. 


Lung-hu  pien.  Die  Hefte  Lung-hu's.   1   Buch. 

Lung-hu  ist  ^  ^  ^  Tscheu-hi-peng,  genaunt 
pg  ^  -^  Thsing-lo-tse.  Die  Erklärungen  sind  von 
g  g  Jü-teng. 

*  ^j^^  m  m  n\m 

Tschü'schfw-yang  tao-yin-l6.  Verzeichnisse  der  Führung  auf 
dem  Wege.  Von  Tschü-schao-yang.  3  Bücher. 

SR  *  ^  ^  Ä  -7- 

Tsch'anrj  -  tschi-ho  hiiien  ■  tschin  -  tse.    Hiuen  -  tschin  -  tse.    Von 
Tsch'ang-tschi-ho.  2  Bücher. 

Ä    fl    Ä    i^   TC    f^ 

Tai-lden  tschin-hiao  yuen-fii.  Das  ursprüngliche  Abschnitts- 
rohr  der  wahren  Lehre.  Von  Tai-kien.  3  Bücher. 

^  mf  %  f.  'ii-  j& 

Yang-sse-fö  kien-tscKing  sin-hiai.  Warnungen  des  Herzens  in 
Bezug  auf  die  neun  Bestätigungen.  Von  Yang-sse-fö.  1  Buch. 

«  ;;g  Ä  »  *  » 

Peii/ö   gen-sch)n,_   tschi-schii.    Die    rothe    Schrift    der    Ver- 
längerung des  Lebens.  Von  Pci-yö.  l  Buch. 


Die  philosophiBilien  Weike  China's  in  iletn  Zeitalter   der  Thang. 


277 


98. 


f  ^<  )f  M, 

Ho-kan-thsüien-sm  thumj-kiai  lÖ.  Verzeichnisse  der  durcli- 
dring-enden  Auslegungen.  Von  Ho-kan-thsiuen-siü.  1  Ruch. 
Der  Jünglingsname  Hö-kan-thsiuen-siü's  ist  1^  — • 
Hien-yi.  Hö-kan  ist  der  Geschlechtsnanie.  Der  V^cr- 
fasser  war  in  dem  Zeiträume  Ta-tschung  (847  bis  859 
n.  Chr.)  beobachtender  und  untersuchender  Ab- 
gesandter (ÜB  ^^  'l^  kuan-tscli  ä-sse)  von  Kiang-si. 


Scheu-ischin-tse  thsin-kien  yil.  Worte  über  den  Spiegel  von 
Thsin.  Von  Tscheu-tschin-tsc.   1  Buch. 


^3-  i:  ±  ?s  fiii  s  H  ii^  (5  +  ft ) 

Tao-sse  tsch'ang-sicn-ting  san-thanfj-khiung  kang.  Das 
Rubinenseil  der  drei  Tiefen.  Von  Tsch'ang-sien-ting,  einem 
]Manne  des  Weges.  3  Bücher. 

iw-  Ä  m  n  -m  i  -  «'  ^  h 

Tuan-schi-kuei  yen  isching-yi  khi-hoa  thu.  Ausgefühlte  Ab- 
bildung der  Verwandlung  der  Luft  des  richtigen  Einzigen. 
Von  Tuan-schi-kuei.  3  Bücher. 

wi-  A  ^  m  1t  ^  S  i^  fr  H 

Niil-tse  hu-yin  hoang-fing  nei  king  thu.  Abbildung  des 
Glanzes  des  Inneren  des  gelben  Vorhofes.  Von  dem  Mädchen 
Hu-yin.    1   Buch. 


102.  5M-+gl.^fc|^4fe;g;| 


^  ±   ^   I 

Tao-sse  ma-sching-tsching  tso-wang-lün.  Erörterungen  über 
sitzend  Vergessen.  Von  Sse- ma-sching-tsching,  einem 
Manne  des  W^eges.    1   Buch. 

Yen  sieu-seng  yang-khi  kiuv.  Entscheidungen  über  das 
Ordnen  des  Lebens  und  das  Nähren  der  Luft.  Von  dem- 
selben Verfasser.  1   Buch. 


j. 

■  Das    liier    für    yal    klii   ,Luft'    pfebraiu-lite   Zeichen    felilt   in   der   Typeii- 
saniniluiig.     Es  ist   -Ä--    mit  tlannitvr  gesetztem   tn\ 


Älb  Pfizmaier. 

"j*-  m  7t  m  9  s.  '^  ^  \u  m  m  ^ 

Thuiuf-yuen  linri-pao  ii-yo  niinr/sclHOi  tsckao-i  kirnj.  Das 
heilige  Buch  der  Weise  des  Morg-ens  der  berühmten 
Berge,  der  fünf  Berghöhen  des  tiefen  Ursprünglichen, 
der  geistigen  Kostbarkeiten.  1  Buch. 

Ku-tsan-liao  tschuang-tse  thnng-tschin  liln.  Erörterungen 
über  den  bei  Tschuang-tse  vorkommenden  Verkehr  der 
wahren  Menschen.  Von  Ku-tsan-liao.  3  Bücher. 

Der  Verfasser  lebte  in  dem  Zeiträume  Tschui-kung 
(685  bis  688  n.  Chr.)   als  Verborgener   in  Wu-ling. 

106-  &  m  &  '&  m  m  ^  9(  ^ 

Pe-U-tschang  tschii  hoang-tinf/  nei-king  hing.  Erklärung  des 
heiligen  Buches  des  Glanzes  des  Inneren  des  gelben  Vor- 
hofes. Von  Pe-li-tschung. 

Die  Zahl  der  Bücher  dieses  Werkes  ist  unbekannt. 

107.  X  ^  i.  M  ^  m 

Yen  san-hiuen  tsing-pien  liln.  Erörterungen  über  die  Unter- 
schiede der  drei  himmelfarbenen  Wesenheiten.  Von  dem- 
selben  Verfasser,   1  Buch. 

108.  %  t4)  Uli  m  -^  ^  m 

U-kiiin  schin-sien  kho-hiÖ  liln.  Erörterungen  über  das 
Erlernbare  der  göttlichen  Unsterblichen.  Von  U-kiün. 
1  Buch. 

^09.    X    ^    M    Wi 

Yeu  hiiien-kang  liln.  Erörterungen  über  das  Seil  des 
Himmelfarbenen.   Von  demselben  Verfasser.    3  Bücher. 


110.  m  u  m  w^  m 

Ming-tschin  ■pien-wu  liln.  Erörterungen  über  das  Aufhellen 
des  AVahren  und  das  Unterscheiden  des  Falschen.   1  Buch. 

111.  m  ^w  M  m 

Fu-tsching   tsch'ü-sie   liln.    Erörterungen   über  das  Stützen 
des  Richtigen  und  das  Entfernen  des  Unrichtigen.   1  Buch. 


Die  philosophischen  Werke  China's  tu  dem  Zeitalter  der  Thang.  2l>' 


112.  m  i7  '£  ~s  u 

Pien  fang  tsching  hoe  lim.  Erörterungen  über  die  Unter- 
scheidung' der  Gegenden  und  die  Berichtigung  des  Irr- 
thums.  1  Buch. 

113.  M:  M  u  ^  1^ 

Tao-schi  yeu-liue  liin.  Erörterungen  über  Vorzüge  und 
Mängel  des  Weges  und  der  Buddhalehre.   1  Buch. 

114.  ^\r>  @  m 

Sin-mÖ  liin.  Erörterungen  über  Herz  und  Auge.    1   Buch. 

115.  ^  i$  it  m 

Fö-tschüu  hoa-lün.  Erörterungen  über  Umgestaltung.  Von 
Fö-tschün.    1  Buch. 

11«-    ^    4    1^ 

Tschii-seng   lün.     Erörterungen    über    die   Bekundung    des 

Lebens.    1  Buch. 

11'-  j^  m  ^  m  w^ 

Hing-schin  kho-ku  liin.  Erörterungen  über  die  Möglichkeit, 
Gestalt  und  Geist  zu  befestigen.    1   Buch. 

118.  ^  ^  M  M  Mf>  m  m  ^  7t  m 

Li-yen-tschang  tsl  tsching-tschö  lö  tschung  yuen  liin.  Erörte- 
rungen über  das  mittlere  Ursprüngliche  der  gesammelten 
Verzeichnisse  Tsching-tschö's.  Von  Li-yen-tschang.  1  Buch. 

Der    Verfasser    lebte    in    dem    Zeiträume    Thai  -  ho 

(827  bis  835  n.  Chr.). 

119. 


Mö-tscheu  und 


n'   W    ^   ^ 

Schi-kien-ngu  pien-i  liin.  Erörterungen  über  die  Entschei- 
dung des  Zweifelhaften.  Von  Schi-kien-ngu.  1  Buch. 
Der  Verfasser  stammte  aus  g^  ^j» 
war  in  dem  Zeiträume  Yuen-ho  (806  bis  820  n.  Chr.) 
ein  beförderter  Gelehrter.  Er  verbarg  sich  auf  den 
Bergen  im  Westen  von   ^Ht   j*U    Hung-tscheu. 

120.  M.  ^  ^  u  M.  m  ^  n  \u  m 

Tao-sse  ling-hu-kien-yao  yö-sse-schan  ki.  Verzeichnungen 
über  den  Berg  der  Edelsteinkiste.  Von  Ling-hu-kien-yao, 
einem  Manne  des  Weges.    1   Buch. 


280 


121. 


Pfizm  ai  er. 


122. 


123. 


124. 


125. 


126. 


i;    :±:    ^    ^4^    flS    S    fe    ^J^    » 

Tao-sse  U-tsckung-ischao  nan-yö  siao-lö.  Kleine  Verzeich- 
nisse über  die  südliche  Berghöhe.  Von  Li-tschung-tschao, 
einem  Manne  des  Weges.  1  Buch. 

a  -i»  m  w  m  -^ 

TscKin-fen  tu  schin-sien  tschnen.  Fortgesetzte  Ueber- 
liefernngen  von  göttlichen  Unsterblichen.  Von  Tsch'in-fen. 
3  Bücher. 

a;  ±  *i3  »  ®  Ä  fiij  ft  * 

Tao-sse  hu-hoei-tschao  schin-sien  nei-tschuen.  Innere  Ueber- 
lieferungen  von  göttlichen  Unsterblichen.  Von  Hu-hoei- 
tschao,  einem  Manne  des  Weges.   1   Buch. 

W  '^J^  Wl  S  lil  +  -  Ä  #  ft  f« 

Tsin  hung-tschen  si-scimn  schi-ni  tschin-kiiin  nßi-tschuen. 
Innere  Ueberlieferungen  von  den  zwölf  wahren  Gebietern 
der  Berge  im  Westen  von  Tsin-tscheu  und  Hung-tscheu. 
1   Buch. 

$  vif  Ä  ^  i$ 

Li-pö  fschin-hi  tschnen.  Angeknüpfte  Ueberlieferungen  von 
wahren  Menschen.   Von  Li-po.   1  Buch. 

^  1  f '  H  #   ft  # 

Li-tsün-mao  san-kinn  nei-tschuen.  Innere  Ueberlieferungen 
von  den  drei  Gebietern.  Von  Li-tsün-mao.   1   Buch. 


127, 


128. 


Tao-sse  hn-fä-tschao  hiü-sinen  sieu-hung  tschnen.  Ueber- 
lieferungen von  dem  Ordnen  des  Wandels  der  ]M;inner 
des  Weges:    Hu-fä-tschao  und  Hiü-siuen.    1   Buch. 

56  te  -^  S  ^  *  « 

TscKanfj-schne  humi-i/ai  sien-seny  tschnen.  Ueberlieferungen 
von  dem  Frühgebornen  Hung-yai.  Von  Tsch'ang-schue. 
1  Buch. 


129. 


t\s*-> 


'A>  £  ^  in 

Tschnny-hiii-fse  hn-hoei-tschao  tschnen.  Ueberlieferungen  von 
Tschung-hiü-tsc  und  Hu-hoei-tschao.   1   Buch. 


Die  pbilosopliischen  Werke  China's  iu  dem  Zeitalter  der  Tliang.  281 

Der  Name  des  Verfassers  ist  unbekannt.  Hu-hoei- 
tsehao  war  ein  ]\Iann  des  Weges  zu  den  Zeiten  des 
Kaisers  Kao-tsung. 

130.  ^s  :f.  m  # 

Fnn-tsü)i-sse  tschuen.  Ueberlieferung-en  von  dem  geehrten 
Lehrer  von  dem  Gesclilechte  Puan.   1   Buch. 

131.  W:    M-    m    ^ 

Tlimi-tsUu'Sse  tschuen.  Ueberlieferungen  von  dem  geehrten 
Lehrer  von  dem  Geschlechte  Thsai.  1  Buch. 

Der  geehrte  Lehrer  von  dem  Geschlechte  Thsai 
hiess  mit  dem  Namen  ^  ^  Nau-yö,  mit  dem 
Jünglingsnamen  ;;^  ^  Öchö-pao.  Ueberzähliger 
Leibwächter  der  Abtheilung  des  Geldes,  gab  er  sein 
Amt  auf  und  Avurde  ein  Mann  des  Weges.  Er  starb 
in  dem  Zeiträume  Ta-le  (766  bis  780  n.  Chr.). 

132.  ÜJ    #    IUI    ^    a    #    « 

Lieu-kö-schiu  sche-fä- sehen  tschuen.  Ueberlieferungen  von 
Sche-fä-schen.  Von  Lieu-kö-schin.  2  Bücher. 

133.  iE  Ä  eiü  m  fllJ  -S  iJ'"  7C  # 

Tsching-yuen-sse  tsclu-sien  thsul-schao-yuen  tschuen.  Die 
Ueberlieferungen  von  dem  Lehrer  von  Tsching-yuen,  dem 
beschiddigten  Unsterblichen  Thsui-schao-juen.    2  Bücher. 

134-  it  0  ffl  «  fiij  ^  «  ia 

Yin-ß-yung   fn-sien-thsiing    hang-ki.     Verzeichnungen    von 

dem  Wandel  Fu-sien-thsuug's.  Von  Yin-je-yung.    1   Buch. 

Fu-sien-thsung,    ein    Mann    des    Weges    aus   "^   (^ 

Tse-yang,    lebte   in    dem  Zeiträume  Khai-yuen   (Tlo 

bis  741   n.  Chr.). 

135.  %\  %  m  %  %  m  ^  ^ 

Sie-liang-.sse  ■u-thien-sse  nei-tschuen.  Innere  Ueberlieferungen 
von  U-thien-sse.  Von  Sie-liang-sse.    1   Buch. 
U-thien-sse  ist  ^  (  A-A-   +   j^  )  U-yün. 

136-  fÄ  Jt  Jffi  a  iüt 

Wen-tsao  kiü-tung  schö.  Die  Erzählung  von  dem  Jünglinge 
des  Geschlechtes  Kiü.  Von  Wen-tsao.  1  Buch. 


282  Pfizmaier. 

Der   Jüngling-  5   +B    ß   Kiü-pe-ting    aus  J^    ^ 
Schin-khi    stieg-    in    dem    Zeiträume   Ta-le    (766    bis 


)ür.     Wen-tsao, 
Lang  -  tscheu, 


780  n.  Chr.)  als  Unsterblicher  em 
stechender  Vermerker  von  ^B  j*^ 
erzählte  nachträglich  dessen  Lebenslauf, 

137.  ^  m  M  m  Ä  A  # 

Li-kien  timg-ke  tschin-jin  tschtien.  Ueberlieferungen  von 
dem  wahren  Menschen  der  östlichen  Gipfelung.  Von  Li- 
kien.  1   Buch. 

Der    wahre    Mensch    der     östlichen     Gipfelung    ist 
Hl   ^   j^^  Sie-tse-jen  aus  Ä    j^   Ko-tscheu. 

138.  u  #  A  k  # 

Kiang-tst  im-sien  tschuen.    Ueberlieferungen  von  den  acht 

Unsterblichen  von  Kiang-tsi.  1  Buch. 

Das  Werk  erzählt  von  Dingen,  die  nach  dem  Zeit- 
räume Ta-tschuug  (847  bis  859  n.  Chr.)  stattfanden. 

139.    i    #    Ä    ^    4^    Ä 

Wang-fschuug-kJdeii  tsche-seng  ihsuan-lö.  Gesammelte  Ver- 
zeichnisse der  Erfassung  des  Lebens.  Von  Wang-tschung- 
khieu.  1  Buch. 

140.  Ä  üi  ^  4  Ä 

Kao-fo  tsche-seng-lö.  Verzeichnisse  der  Erfassung  des 
Lebens.  Von  Kao-fo.  3  Bücher. 

1^1-    =fP    ;^    ^    5E    ^^ 

Kö-td  fschc-seng-king.  Das  heilige  Buch  der  Erfassung  des 
Lebens.  Von  Kö-tsi.   1    Buch. 

142-  ±  t  M  9  ^  m 

Schavg -kiian-yi  yang  -  seng -king.  Das  heilige  Buch  des 
Nährens  des  Lebens.  Von  Schang  kuan-yi.   1   Buch. 

"3.  jt  #  m  m  h  Tt  m  ik 

Khcmg-tschung-Minig  fö  nei-yuen-khi  kiue.  Entscheidungen 
über  den  innerlichen  Gebrauch  der  urspi-üuglichen  Luft. 
Von  Khang-tschung-hiung.   1    Buch. 

144  m  m  fi  m  m  & 

Khi-king  sin-khieu-fö  fä.  Die  neuen  und  alten  Vorschriften 
der  Anwendung  in  dem  heiligen  Buche  der  Luft.  3  Bücher. 


Die  pLilosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  283 

14Ö.  Ä  ft  A  S  i^ 

Khang-tscinn-jin  klii-kme.  Entscheidungen  über  die  Luft. 
Von  dem  wahren  Menschen  von  dem  Geschlechte  Khang. 
1   Buch. 

146.    iC    S    ^    4  (^  +  "-)    I* 

Thai-iou-sien-seng  khi-kiue.  Entsclieidungen  über  die  Luft. 
Von  dem  Frühgebornen  des  grossen  Nichts.  1   Buch. 

Der  eigentliche  Name  des  Verfassers  ist  unbekannt. 

14-.  "W  ^  m  m  m  M,  m 

Pu-ti  thä  7110  tai-si  kiue.  Entscheidungen  über  das  Athmen 
in  dem  Mutterleibe.  Von  Pu-ti-thä-mo.   1    Bach. 

148.  ^  #  m  ü  ^  »  ^  Ä  Ä  »  '« 

Li-lin-fu  thang-tschao  lien  fa-tcui  kan-ying  sung.  Lob- 
preisungen des  Entsprechenden  der  Bewunderung  der 
Läuterung  des  grossen  Mennigrothen  an  dem  Hofe  von 
Thang.  Von  Li-lin-fu.   1  Buch. 

149.  m  7t  m  9  i>  ^  M  ^  M  t^ 

Thsui-yuen-tscliin    Ung-scha    scheu-khi   yung-yö    knie.  Eut- 

scheiduneen  über  die  Aufnahme  der  Luft  durch  den  rein- 

geistigen  Mennig  und  dessen  Gebrauch  als  Arznei.  Von 
Thsui-yuen-tschin.   1   Buch. 

150.  X  S  #  ife 

Yen  yUn-viu  lün.  Erörterungen  über  die  Wolkenmutter 
(das  Fraueneis).  Von  demselben  Verfasser.  2  Bücher. 

Der  Verfasser  Thsui-yuen-tschin  verbarg  sich  in 
dem  Zeiträume  Thien-pao  (742  bis  755  n.  Chr.) 
auf  dem  Berge  (  (_L|  +  ^)  Min. 

151.  ÜJ  ^  -fr  H  >g  Ä  ti 

Lieu-tschi-ku  ß-yue  yuen-fschü.  Die  ursprünglichen  Thür- 
angeln  der  Sonne  und  des  Mondes.  Von  Lieu-tschi-ku. 
1  Buch. 

152.  m  m  "f-  7t  ^  m  ^  m 

Hai-tschen-tse  yuen-ytng  hoan-kin  fieu.  Die  Hefte  der 
Rückkehr  der  ursprünglichen  Blüthen  zu  dem  Golde.  Von 
Hai-tschen-tse.  1  Buch. 


284  rfi  7.111  aior. 


153.  m  ^  ^  i^  m  fi  ^.  )^  \ä  m 

Hoan-yang-tse  ta-hodii  ian-kin  hu  pe-Inng  Hin.  Erörterungen 
über  die  grosse  Rückkehr  des  Mennigrethen  zu  dem 
goldenen  Tiger  und  dem  weissen  Drachen.  Von  Hoan- 
yang-tse,  1  Buch. 

Der    eigentliche    Name    des   Verfassers,    der   in    der 

Verborgenheit  lebte,  ist  unbekannt. 

154.  m  ^y  tk  ±-mmn^u  #  i/t  n  #  #■ 

Tsckin-schao-ivei  tliai-t/mng  lien  tscliin-pao-klng  sieu-fö  tan- 
scha  mino-Mue.  Wundervolle  Entscheidungen  über  die 
Herstellung  des  liegenden  Mennigs  des  heiligen  Buches 
der  geläuterten  wahren  Kostbarkeiten  der  gi-ossen  Tiefen. 
Von  Tschin-schao-wei.   1   Buch. 

155-  m  W:  -k  n  m.  m 

Yen-tsing  tn-ian  tschi-lün.  Gründliche  Erörterungen  über 
das  grosse  Mennigi'oth.  Von  Yeu-tsing.   1   Buch. 


Werke  über  das  Oeschleeht  Schi-kia. 

Bei  den  Werken  über  das  Geschlecht  Schi-kia  zählt  man 
25  Verfasser,  40  Gegenstände  und  395  Bücher.  Der  Name 
eines  Verfassers  ist  unbekannt.  Von  Hiuen-wan  angefangen 
waren  die  Werke  von  74  Verfassern  in  941  Büchern  nicht 
veröffentlicht  worden. 

1-  1  ^  R  -rP  ä  ^ 

Sino-tse-Uaiig  tsing-tschU-Ue.  Tsing-tschü-tse.  Von  Siao-tse- 
liang.  20  Bücher. 

Tsing-tschü-tse    ist    J    g^   {  kh  +  i^ )    Wang- 

yungyün. 

2-  ff  ft  «6  ft  ?E  « 

ISi'Mg-He.ng-yen  fä-yneM   ist.    Sammlungen    des  Gartens    der 
Vorschrift.  Von  dem  Bonzen  8eng-yeu.   15  Bücher. 

■i  X  ^  m  M 

Yen  hung-ming  tst.  Sammlungen  des  grossen  Lichtes.  Von 
demselben   Verfasser.   14  Bücher. 


Die  pliilosophischen  Werte  riiina's   in  dem  Zeitalter  der  Thang. 


285 


4. 


äP    ^ 


BB 


ScJu-Jda  pu.  Schrif'ttafeln  des  Hauses  Schi-kia.   10  Bücher. 


-^^  m  ^  ^  pmj 


Sä-po-io-sse-tse-tsclmBn.  Ueberlieferungen  von  Sä-p'o-to-sse- 
tse.  4  Bücher. 


ö     «    #    ^    ^    ft    # 

Yn-lda-king  kao-seng-tschuen.  Ueberlieferung-en  von  hohen 
Bonzen.  Von  Yü-hiao-king.  G  Bücher. 

'•  X  ft  «  ff  ® 

Feit   nei-tien  pö-yao.     Vielseitig-e    kurze    Fassungen    der 
inneren   Vorbilder.   Von  demselben  Verfasser.    30  Bücher. 

iH    ^^     yj    t^:    tt    3ör   ztr 

8eny-hien-ming  tschin-yen  yao-lsr     Umsehränkte  Sammlung 
der  wahren  Worte.  Von  Seng-hien-ming.    10  Bücher. 

IR  ^  #  ^  r  ■*' 


Ko-yü  sieu  to-lo  fä-men.  Das  Thor  der  Vorschrift  Sieu-to-lo 
Von  Kö-yü.  20  Bücher. 

'^-  ^  "f  mum  m^ 

Lö-tse-i   king-lün    thsunn-yao.     Gesammelte    kurze    Erörte 
ruugen  über  die  heiligen  Bücher.  Von  Lo-tse-I.   10  Bücher 

11.         ~" 


Ku-hoau   i-Jäa   liin.    Ercirterungen   über  Fremdländer   und 
Menschen  von  Hia.  Von  Ku-hoan.  2  Bücher. 

^'^-  m.  m  ^  Mi  M 

Klen-luan-siao    tao-l.ün.    Erörteruns-en    über  die  Lehre  des 


13. 


Weges.  Von  Kien-luan-siao.  3  Bücher. 


jt    m    1^    =^    -i^    m 

Wei-yuen-sung    tlisi-san-kiao    lün.     Erörterungen    über    die 

Gleichstellung    der    drei    Lehren.     Von    Wei-yuen-sung. 
7  Bücher. 


"■  t±  X  K.  E  p, 

Tu  yeu  kien  fsching-Lün.   Richtige  Erörterungen.    Von  Tu- 
yeu-kien.  3  Bücher. 

Sitznugsber.  d.  phiL-hint.  CI.  LXXXJX.  Bd.  I.  Hft.  21 


286  Pfizmaier. 


i^>-  ^  S  ^ipL  ^d^  it  ft  ^ 

Li-sse-scliin   sin-king  lün.    Erörterungen   über  den  Spiegel 
des  Herzens.  Von  Li-sse-schin.   10  Bücher. 

16-    Ü    ^    SP    ==S    ff    Ä 

Pei-tse-ye  ming-seng  lö.     Verzeichnisse  berühmter  Bonzen. 
Von  Pei-tse-ye.   15  Bücher. 

"•  ft  »  1^  «  ff  # 

Seng-pao-tschang  ming-seng   tschnen.    Ueberlieferungen  von 
berühmten  Bonzen.  Von  Seng-pao-tschang.  30  Bücher. 


18  X  J4  Ä  Ä  . , 

Yen    pi-Jchieii-7ii    tscJiuen.    Ueberlieferungen    von    Nonnen. 
Von  demselben  Verfasser.  4  Bücher. 


18-    ft    1    ß    Ä    ft 

/Seng-hoei-kiao  kao-seng  tscimen.  Ueberlieferungen  von  hohen 

Bonzen.  Von  Seng-hoei-kiao.   14  Bücher. 


20-  ft  g:  ^  ®  Ä  ft 

Seng-tao-thsvng  tö-kao-seng  tschueh.  Fortgesetzte  Ueber- 
lieferungen von  hohen  Bonzen.  Von  Seng- tao- tsung. 
32  Bücher. 

21.  li  ?t  ^  ^  ^  S  erlJ  # 

Thao-hung-king  thsao-thang  fasse  tschuen.  Ueberlieferungen 
von  Bonzen  der  Pflanzenhalle.  Von  Thao-hung-king. 
1   Buch. 

22.  ^  ^  M  M  "&  &  m  "^ 

Siao-hoei-li  thsao-thang  fasse  tschuen.  Ueberlieferungen 
von  Bonzen  der  Pflanzenhalle.    Von  Siao-hoei-li.    1  Buch. 

23.  w  #  eiij  # 

Tsch'enschen-sse  tschuen.  Ueberlieferungen  von  dem  Bonzen 
von  dem  Geschlechte  Tsch'eu.    1   Buch. 

2i-  m  m  z  i^  ^  *  ^  ti 

Yang-hlen-tschl  lii-yang  kia-lnn  ki.  Verzeichnungen  der 
Buddhatempel  von  Lü-yang.  Von  Yang-hien-tschi.  5  Bücher. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  287 

25-  ^   fi   ^  S  ^   S   »   IB 

Fei-fschavg-fang  le-tai  san-pao  ki.  Verzeichuang-en  der  drei 
Kostbarkeiten  der  vorübergehenden  Zeitalter.  Von  Fei- 
tschang-fang.  3  Bücher. 

Fei-tschang-fang    stammte    aus  Tsch'ing-tu  und  war 
ein  Mann  des  Lernens  zu  den  Zeiten  der  Sui. 

26     Y^     ^    f$     ^    TP    3^ 
^"-    DU     ^    J^/t;    :qrc    it:    pffl 

Se)ig-yen-tsung-thsnng  tsching-lün.  Hohe  richtige  Erörte- 
rungen. Von  Seng-yen-tsung-thsung.  6  Bücher. 

27.  }L  M  -ik  PI  r-  m  ii^  m 

Yeu  tsi  scha-men  pv-^Jat-sö  i.  Berathungen  von  Bonzen, 
welche  den  Gewohnheiten  nicht  huldigen.  Von  demselben 
Verfasser.  6  Bücher. 

28.    JÜg    ffl    ife 

Fö-thien  lün.  Erörterungen  über  das  Feld  des  Segens. 
1   Buch. 

29-  i;  t  Ä  5§  #   /±  ^ 

Tao-siuen-thung  liÖ  tsing-tschü-tse.    Der  abgekürzte  Tsing- 
tschü-tse.  Von  Tao-siuen-thung.  2  Bücher. 
Hiermit  zu  vergleichen  Nr.   1. 

Ye.u  tkung-liot-  kiue-i  lö.  Verzeichnisse  der  Erkenntniss 
des  Irrthunis  und  der  Entscheidungen  des  Zweifelhaften. 
Von  demselben  Verfasser.  2  Bücher. 

31-    »    ?t    BJ    « 

Kuang-hnng-ming  tsr.  Sammlungen  des  weiten  und  grossen 
Lichtes.  30  Bücher. 

32-  ^  *  4  «  i:  ife  ü 

Tsi  kii-kin  fö-tao  lün-heng.  Wagebalken  der  gesammelten 
Erörterungen  des  Weges  Buddha's  in  dem  Alterthum  und 
iu  der  Gegenwart.  4  Bücher. 

33-  a  Ä  ff  ^ 

Tu  kao-seng  tscliuen.  Fortgesetzte  üeberlieferungen  von 
hohen  Bonzen.  20  Bücher. 

21* 


288  Pfizraaier. 

Die  Reihe  der  Bonzen  beginnt  im  Anfange  der 
Zeiten  der  Lian«^  (502  n.  Chr.)  und  endet  im 
neunzehnten  .Tahi'e  des  Zeitraumes  Tsehiug-kuan 
(64G  n.  Chr.). 


34-    #    «    a    Ä    fl 

Heu-tsl  tu  kao-seng  tschuen.  Später  gesammelte  Fortsetzungen 
der  Ueberlieferungen  von  hohen  Bonzen.   10  Bücher. 

3Ö.  :^  g  H  g  Ä  a  i^ 

Tung-liia  san-jJao  kan-thung  lö.  Verzeichnisse  des  Bewun- 
derns  und  des  Verständnisses  der  drei  Kostbarkeiten  von 
Tung-hia.  3  Bücher. 

36-  ;»c  ji  ^,  ü  ft  «  Ä 

Ta-thang  tscliing-kuan  nei-tien  16.  Verzeichnisse  der  inneren 
Vorbilder  des  grossen  Thang  in  dem  Zeiträume  Tsching- 
kuan  (627  bis  649  n.  Chr.)  10  Bücher. 

37-  1  #  A  Ü  Si  «  *  &  Ä  ff  « 

l-tsing  ta-thang  si-yl  khieii-fä  kao-seng  tscJinfni.  Ueber- 
lieferungen von  hohen  Bonzen ,  welche  die  Vorschrift 
suchten,  aus  den  Ländern  der  westlichen  Gränzen,  zu 
den  Zeiten  des  grossen  Thang.  Von  I-tsing.  2  Bücher. 

38     ft    *    »    jE    Ü 

Fä-tscilin  jnen-tschiug-Jün.  Unterscheidende  richtige  Erörte- 
rungen. Von  Fä-tsch'in.  8  Bücher. 

Die   Erklärungen   sind   von   ^   ^    _^    Tschin-tse- 


lang. 


39.  X  «  ?P  ife 

Yen  fto-sie  liln.  Die  das  Unrecht  brechenden  Erörterungen. 
Von  demselben   Verfasser.  2  Bücher. 

Der  Geschlechtsname  Fä-tsch'in's  ist  |^  Tschin. 
^M  7t^  Fu-}'!^  Gebietender  des  grossen  Vermerkers, 
bat,  dass  man  die  Lehre  Bnddha's  abschaffe.  Fä- 
tsch'in  machte  dagegen  Einwendungen.  Er  wurde 
verbannt   und  starb  in  Schö. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  289 


«^  IM  m  +  fi  m  ^ 

Fö-Ii  schi-men  pien-hoe  lün.  P]rörterungen  über  die  Unter- 
scheidMng  des  Irrthums  an  den  zehn  Thoren  der  Ge- 
bräuche der  Entgegnung-.  2  Bücher. 

Dieses  Werk  war  im  zweiten  Jahre  des  Zeitraumes 
Yung-lung  (681  n.  Chr.)  das  Lehrbuch  des  Nach- 
folgers. 

^1-  ^  J:  »  7^  ffi  ife 

Yang-.schanf/-schen  lÖ-tsiü  lün.  Erörterungen  über  die  sechs 
wichtigen  Dinge.  Von  Yang-schang-schen.   6  Bücher. 

42.  X  H  1:  1^  Bj 

Yeu  san-kiao  tsiaen-heufj.  Die  Wagebalken  der  drei  Lehren. 
Von  demselben  Verfasser.   10  Bücher. 


43.  ff  3fe  M  nm  #  tt  H  m  H  » 

Seng-hluen-wan  fö-kiao  Imu-tai  kut-wanfj  schang-li  san-pao 
fä.  Die  Weise,  in  welcher  in  den  der  Lehre  Buddha's 
nachfolgenden  Zeitaltern  die  Könige  der  Reiche  gemäss 
den  di'ci  kostbaren  Dingen  belohnten  und  straften.  Von 
Seng-hiuen-wan.  1  Buch. 

^-  X  ^  m  m  ^m 

Yeu  nijan  yang  thsang-seng  lim.  Erörterungen  über  das 
ruhige  Nähren  des  grünenden  Lebens.  Von  demselben 
Verfasser.   1  Buch. 

-i^-  ^  M  ^ 

/San-te-lün.    Erörterungen    über    die    drei   Tugenden.    Von 

demselben  Verfasser.   1  Buch. 

Seng-hiuen-wan  (d.  i.  der  Bonze  Hiuen-wan)  führte 
den  Geschlechtsnamen  ^  Yang  und  stammte  aus 
Sin-fung.  Die  obigen  Werke  wurden  im  zehnten 
Jahre  des  Zeitraumes  Tsching-kuan  [6'dl  n.  Chr.) 
dem  Kaiser  vorgelegt. 


*6-  A  Miiy  n 

Jl-tao  fang-pieii  men.     Das  bequeme  Thor,  um   den  Weg 
zu  betreten.  2  Bücher. 


290 


Pfizmaier. 


47.    ^    $f     g     Ä 

1'schuiig-king   mö-lö.    Das   Inhaltsverzeichniss    sämmtlicher 
heilig-er  Bücher.  5  Bücher. 

48.  it  ift  ife 

King-yü   lün.      Erörterungen    über    die    Kundgebung    des 
Spiegels.  1  Buch. 


49.    «    ffi    ^ 

Wu-ngai  ynen-khi.  Der  Ursprung  des  Ungehemmten.  1  Buch. 

so.  +  a  ^  «  Ä 

Sclil-tschung  tÖ-king-i.  Die  zehnerlei  Arten  des  Lesens  der 
heiligen  Bücher.   1  Buch. 


51-  M  M  m  m 

Wu-tsin-tmng-i.  Die  Weise  der  unerschöpflichen  Kammer. 
1  Buch. 


•^2.    II    Ä    « 

Fä-kiai  yuen-khi.    Der  Ursprung  der  Verbote.    2  Bücher. 

53-    ä    #    ft    H 

Fä-kiai-seng-thu.  Zeichnungen  der  Bonzen  der  Gränze  der 

Vorschrift.  1  Buch. 

54.    +    ^    ^ 

ScM-pü-liin.  Die  zehn  nicht  erörterten  Dinge.  1  Buch. 


55.    1'^    '1^ 

Thsien-hoei-tsüi  fä.  Die  Weise  der  Bereuung  der  Sünden. 
1  Buch. 

56-    11    «    Ä    J^ 

IJ-fb  i-scln.  Die  Weise  der  Verehrung  Buddha's.  2  Bücher. 


57.   ^    m    ^X    ^    y^    m 

Li-sse-tsching  nei-te-lün.  Erörterungen  der  inneren  Tugend. 

Von  Li-sse-tsching.  1  Buch. 

Der  Verfasser  stammte  aus  Schang-thang  und  lebte 
in  dem  Zeiträume  Tsching-kuan  (627  bis  649  n.  Chr.). 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  291 

58.  ff  tt  ^  m  -M- 


\m   u;  ^  m  m  —  m  pf 

iSeng-fä-yün  pien-Uang  san-kiao  lün.  Unterscheidende  und 
ermessende  Erörterungen  der  drei  Lehren.  Von  Seng-fä- 
yün.  3  Bücher. 

59-  X  +  S  s  «  ig 

Yen  schi-icaufj  san-nie  lün.  Erörterungen  der  drei  Be- 
schäftigungen der  zehn  Könige.  Von  demselben  Verfasser, 
10  Bücher. 

«0.  M"^  X  m  y±  m  ^ 

Tao-smen  yeu  siuen  tschil  kiai  pen.  Auf  der  Breitung  des 
Weges  nochmals  gewählte  Erklärungen  der  Grundlage 
der  Verbote.  2  Bücher. 

61-   it    iE 

Su-ki.  Weitere  Verzeichnungen.  4  Bücher. 

62.  /i    iig    ^ 

Tschü  khie-mo.  Erklärungen  der  Vorschrift.  ^  2  Bücher. 

63.  i^   IE 

Su-ki.  Weitere  Verzeichnungen  über  dasselbe  Werk. 
4  Bücher. 

Hang-sse  sien-pu  lio-i.  Vorschriften  für  die  zu  verrichtenden 
Dinge.  Mit  Abstrichen  und  Ergänzungen.  3  Bücher. 

65.  g  p^  IE  ft  lic  \%  ji 

Schl-men  tsching-hang  thsien-Jwei-i.  Die  Weise  des  richtigen 
Handelns  und  der  Reue  gemäss  der  Buddhalehre.  3  Bücher. 


66.  g  p^  t:  #/  fe  a 

Schl-men  loang-xce  king-tschung-i.  Die  Weise  der  Leichtig- 
keit und  Schwere  der  zu  Grunde  gehenden  Dinge  ge- 
mäss der  Buddhalehre.  2  Bücher. 

67.    g    P-I    *    »    Ä 

Schl-vien  tschang-fö-i.  Die  Weise  der  glänzenden  Kleidung 
gemäss  der  Lehre  Buddhas.  2  Bücher. 


^tM   J^  Ehic-mo,  ein  Sanscritwort,  hat  den  Sinn  von  ^  fä  ,Vor8clirift 


292  Pfizmaier. 

<^»-  m  n  m  ^  m 

jSchü-vieii  kiiei-kiny-i.  Die  Weise  der  Zuflucht  und  der 
Ehrerbietung-  gemäss  der  Lelire  Buddha's.  2  Bücher. 

69-    S    PI    Ä    &    Ä  , 

Scht-men  hu-fä-i.  Die  Weise  der  Beschützung  gemäss  der 

Lehre  Buddha's.  2  Bücher. 

'0.  S  «  Ü  B& 

Schi-schi  p'it-liö.  Abgekürzte  Schrit'ttafeln  des  Geschlechtes 
Schi-kia.  2  Bücher. 

71-  H  Ji;  Ä  ffi  H  Ä 

iSching-tsl  hien-tsai  thu-tsan.  Abbildungen  und  Lobprei- 
sungen der  gegenwärtigen  höchstweisen  Spuren.  2  Bücher. 

72-    #    -ft    m    'ffif    ffl    « 

FÖ-hoa  tuny  tschau  thu-tsan.  Abbildungen  und  Lobprei- 
sungen der  allmälig  nach  Osten  dringenden  Umgestaltungen 
durch  Buddha.  2  Bücher. 

73.  g    Ä    3J^    ^. 

Scht-kia  famj  tschi.  Denkwürdigkeiten  von  den  Gegenden 
Schi-kia's.  2  Bücher. 

74.  ff    ^    S^    A    Ü    Ä    ^    Ä    « 

iSenrj-ijiin-tslüK]  ta-thaiuj  king-sse  lö-fschuen.    Verzeichnete 

Ueberlieferungen  von  Tempeln  der  Mutterstadt  des  grossen 
Thang.  Von  Seng-yen-tsung.   10  Bücher. 

75.  X  fpn  z^  m  m 

Yen  schn-vieii  pu-king  lu.  Verzeichnisse  von  Unehrerbietig- 
keit  der  Bonzen.  Von  demselben  Verfasser.  6  Bücher. 

Der  Verfasser  stammte  aus  Lung-sö.   Zu  den  Zeiten 
der  Sui  gab   es   zwei  Menschen  Namens  Yen-tsung. 

'^^-  i2.  m  -k  M  ^  ^  %  ^ 

liiuen-ying  ta-thang  tschung-kiug  yin-i.  Die  Laute  und 
Bedeutungen  der  heiligen  Bücher  des  grossen  Thang. 
Von  Hiuen-ying.  25  Bücher. 

'?'?■  iL  \%  ^  m  Wi 

Hiuen-icen  king-fu  liui.  Erörtej'ungen  über  Ehrerbietung 
und  Glück.  Von   Hiuen-wen.   10  Bücher. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Thang. 


293 


78-    X    ^^    m 

Yen    liö-lün.    Abgekürzte    Erörterung-en.    Von    demselben 
Verfasser.  2  Bücher. 

79. 


HO. 


81. 


83. 


A    >J^    S    II 

Ta-siao  sclnnij-kuan  men.  Das  Thor  des  Söllers  der  grossen 
und  kleinen  Stufen.   10  Bücher. 

ä  IS  #  #  * 

Fä-yuen  tschü-lin  tsl.  Sammlungen  des  Perlenwaldes  des 
Gartens  der  Vorschrift.   100  Bücher. 

m  »  %  ff  Ä  m  ^  B& 

Sse-fen-liö  seng-ni  thao  yao-liö.  Kurzgefasste  Znrecht- 
bringung  der  Bonzen  und  Nonnen  durch  vier  Gesetz - 
abschnitte.  5  Bücher. 

t  3g^  g  «   ä 

Kin-kiüiij  puan-jo-kitKj  tsi-tscldl.  Sammlung  und  Erklärung 
der  diamantenen  heiligen  Bücher  des  Verstandes.  3  Bücher. 


82.    ^    Hl, 


0 


>C 


Pe-ijuen-wen.  Die  Schrift  der  hundert  Bitten.   1  Buch. 

Die  obigen  fünf  Werke  sind  ebenfalls  von  Hiuen- 
wen  verfasst.  Dessen  ursprünglicher  kleiner  Name  ist 
^*   [y^  Tao-schi. 

^i-  ^  m&  ^  m  ^  1^  u 

Hiuen-fan  tschü  kin-kang  fan-jÖ-king.  Erklärungen  der 
diamantenen  heiligen  Bücher  des  Verstandes.  Von  Hiuen- 
fan.  1  Buch. 

85-  X  &  ~  %  ^  mm  ^n- 

Yeu  tschü  ni-ti  san-tsang  sching-kiao  aiü.  Erklärungen  der 
Einleitung  zu  den  höchstweisen  Lehren  der  drei  Kammern 
der  zwei  Kaiser.  Von  demselben  Verfasser.    1   Buch. 

Die  zwei  Kaiser  sind  Thai-tsung  und  Kao-tsung  von 

Thang. 

«6-  «  *  m  m  +  m  m  mm  i  * 

Hoei-kiÖ  hoa-i/en  schi-ti  loei-tno  tsuan  i-tschung.  Abschnitte 
gesammelter  Bedeutungen  des  Buches  der  Secte  Hoa-yen, 


294  rfizmaier. 

der  zehn  Giundlageii  und  des  Buches  Wei-mo.  Von  Hoei- 
kiö.  13  Bücher. 

Der  Verfasser  gehörte  zvi  dem  Geschlechte  ^fr  Fan. 

Er  lebte  in  dem  Zeiträume  Wu-te  (618  bis  626  n.  Chr.). 

87.    «    ^     B    ^    i^    n    # 

Hang-tjeu   i-tschi   scha-men  tschuen.    Ueberlieferung-en    von 

dem  als  Freund  handelnden,  bekannten  Bonzen.    1  Buch. 

Das  Werk  handelt  von   |'^    J^  j\M  Seng-hai-schün. 

88.  g;  ^  S  ^  *  ^ 

Tao-yö  san-tsang-pen  su.  Weitere  Erklärungen  des  Textes 
der  drei  Kammern.  Von  Tao-yö.   22  Bücher. 

Der  Verfasser  gehörte  zu  dem  Geschlechte  ^^  Meng. 
Er  stammte  aus  Ho-yang  und  lebte  in  dem  Zeit- 
räume Tsching-kuan  (627  bis  649  n.  Chr.). 

89- 1;  Ä  ü  'Ci'  ^  *  #  # 

Tao-kki  tsd-sin  hmen-tschang  fing  thsiao.  Die  Abschnitte 
des  vermischten  Himmelfarbenen  des  Herzens.  Mit  Auf- 
zeichnungen. Von  Tao-khi.  8  Bücher. 

90.   X    A    *    *   # 

Yeu   ta-sching-tschang  thsiao.     Die  Abschnitte  der  grossen 

Stufen.  Mit  Aufzeichnungen.  Von  demselben  Verfasser. 
8  Bücher. 

Der  Verfasser  gehörte  zu  dem  Geschlechte  ^    Liü. 

Er  stammte   aus  Tung-ping  und  lebte  in  dem  Zeit- 

raimie  Tsching  kuan. 

91-    ^    jE    *    jß    ^ 

Tschi-tsching  hoa-yen  su.  Weitere  Erklärungen  von  der 
Secte  Hoa-yen.  Von  Tschi-tsching.   10  Bücher. 

Der  Verfasser  gehörte  zu  dem  Geschlechtc  Q  Pe. 
Er  stammte  aus  Ngan-hi  und  lebte  in  dem  Zeit- 
räume Tsching-kuan. 

92.  m  n  m.  1^  ^  -^c 

Hoei-tsing  tsä-sin-Jnnen  iven.  Die  Schrift  des  vermischten 
Himmelfarbenen  des  Herzens.  Von  Hoei-tsing.  30  Bücher. 

Der  Verfasser  gehörte  zu  dem  Geschlechte  -j^  Fang. 

Er   war   zu   den  Zeiten   der  Sui   Sohn   des  Reiches 

und  vielseitiger  Gelehrter. 


Die  philosophischen  Werke  China's  iu  dem  Zeitalter  der  Thang.  295 

^3.  X  M  ^  m  ^  ^M 

Yeu  kiü-sche  lün-ioen  su.  Weitere  Erklärungen  der  Schrift 
der  Erörterungen  der  Secte  Kiü-sche.  Von  demselben 
Verfasser.  30  Bücher. 

9i-  iK  nt  m  m  >t:  i^ 

Ta-tschuang  yen  Hin  tcen-su.  Weitere  Erklärungen  der 
Schrift  der  Erörterungen  des  grossen  Ernsten.  30  Bücher. 

95-    a    H    Ä   m   Ök 

Fä-hoa-king  tman-schÖ.  Gesammelte  Fortsetzungen  des 
Buches  der  Blumen  der  Vorschrift.   10  Bücher. 

96-  S5  ts  A  *  Ä  *  ife 

No-ti  ta-sching  tsi-i  Um.  Erörterungen  über  die  gesam- 
melten Berathungen  der  grossen  Stufen  No-ti's.  40  Bücher. 

Q7      W     ^     i^ 
1^     75*C     MnM 

.    Schi-i    liin.     Erörterungen    über    zweifelhafte    Dinge    der 
Buddhalehre.    1  Buch. 

98-    '^    ^    Bl    JS    *    Ä 

Tschü  kin-kang  fan-jö  king.  Erklärungen  des  diamantenen 

heiligen  Buches  des  Verstandes.   1  Buch. 

99.    S    IS    ^    j? 

Tschü-king  kiang-siü.  Einleitung  zu  den  Auslegungen  der 
heiligen  Bücher.  1   Buch. 

100.  i:  #•  ^  ;M  ^  * 

Hiuen-hoei  i-yuen  locn-'pen.  Die  Quelle  der  Bedeutungen 
und  die  Grundlage  der  Schrift.   Von  Hiuen-hoei.  4  Bücher. 

loi.  X  H*  :^  S  # 

Yeu  schi-ioen  sciä  thsino.  Auslegungen  der  zur  Zeit  be- 
stehenden Schrift.  Mit  Aufzeichnungen.  Von  demselben 
Verfasser.  4  Bücher. 

102.  n '  ^  Ä  :g  'Kl 

Nie-puan  i-tschang-kiü.  Die  Bedeutungen  des  Buddhatodes. 
Nach  Abschnitten  und  Sätzen.   13  Bücher. 


'  Das   liier    fehlende    Zeichen   ist   aus    •/    links,    H    rechts    oben    und     -j-* 
unten  zusammengesetzt. 


^yb  Pfizmaier. 

Der  Jüui^ling'snairie  des  Verfassers  ist  *Im  ||/f  Hoai- 
mi,  der  Gesclilechtsnamo  ja  Öi.  Der  Verfasser 
stammte  aus  Ngan-ting;  und  lebte  in  dem  Zeiträume 
Tsching-kuan. 

if'ä.  »  #:  H  yC>  ^  e  #  IS 

Hoei-hieu  tsä  sin-hiuen  tschang-thsiao-su.  Die  Abschnitte 
des  vermischten  Himmelfarbenen  des  Herzens.  Mit  Auf- 
zeichnungen   und   weiteren   Erklärungen.    Von    Hoei-hieu. 

Die  Zahl  der  Bücher  war  unbekannt.  Der  Ge- 
schlechtsname des  Verfassers  ist   ^   Yö. 


lo*-  mm  ü'm  m^ 

Ling-jiln  nie-puan  i-stt.  Weitere  Erklärungen  der  Bedeu- 
tungen des  Buddhatodes,  Von  Ling-jün.   13  Bücher. 

105.  X  i^   M 

Yen,  hiiien-tschanc/.  Die  Abschnitte  des  Himmelfarbenen. 
Von  demselben  Verfasser.  3  Bücher. 

106.  m  ^M  i^  m  m  ^  ^p 

Pien-sche  ta-sching  lün-i  thsiao.  Die  Bedeutungen  der  rings 
gesammelten  Erörterungen  der  grossen  Stufen.  ]Mit  Auf- 
zeichnungen.  13  Bücher. 

107.  i:  ^ 

Hiuen  -  tscliang.  Die  Abschnitte  des  Himmelfarbenen. 
3  Bücher.  2 

Der  Verfasser  der  obigen  vier  Werke,  mit  dem 
Schriftstellernamen  Ling-jün  genannt,  gehörte  zu 
dem  Geschlechte  W^  Liang. 

108.  m  n  ^s  m  ^ 

Pien-siang  sclie-lün  su.  Weitere  P]rklärungcn  der  ge- 
sammelten Erörterungen.  Von  Pien-siang.  5  Bücher. 


'  Das  hier  fehlende  Zeichen   ist  das  zu  Nr.   102  dargelegte. 

2  Ein  zweites  Werk    dieses  Namens.    Weiter   unten   tblfft  noch  ein  drittes. 


Dio  pliilosophisclieii  Wpilte  f'liina's  in  dem  Zeitaltfr  der  Thang.  2^  i 

10!'.  i;  (ji±  +  i<:)'  i^  B  m  iä  m 

Iliuen-tsang  ta-thang  si-yl  ki.  Verzeielmungen  von  den 
Ländern  der  westlichen  Gränzen  zu  den  Zeiten  des  grossen 
Tiiang".  Von  Hiuen-tsang.   12  Bücher. 

Der  Geschlechtsname  des  Verfassers  ist   |^  Tschin. 

no.  m  ^M  m  m  iE 

Pien-ki  si-yl  ki.  Verzeichnungen  von  den  Ländern  der 
westlichen  Gränzen.  Von  Pien-ki.   12  Bücher. 

111-  m  Wi  ^  n  ^  #  IE 

Thsing  -  tscli  e  kin-ling  thä-sse  ki.  Verzeichnungen  von 
Pagoden  und  Tempeln  von  Kin-ling.  Von  Thsing-tsch'e. 
3G  Bücher. 

112-  enj  ^  #  ft  H  I  #  ff  iE 

Sse-tsche  ihsien-tai  kuc-ioang  sieu-hang  ki.  Verzeielmungen 
von  dem  Ordnen  des  Wandels  der  Könige  der  Reiche 
der  früheren  Zeitalter.  Von  Sse-tsche.  5  Bücher. 

Dieses    Werk     erschöpft     die    Zeiten     des    Kaisers 
Tschung-tsung  (684  bis  709  n.  Chr.). 

11^-  i^  B  P^  m  m 

Ta-fhang  nei-tien  lö.  Verzeichnisse  der  inneren  Vorbilder 
um  die  Zeiten  des  grossen  Thang.   10  Bücher. 

Dieses  Werk   wurde   von   dem  Bonzen  des  Klosters 
^^    0^    8i-ming  zusammengestellt. 

"4.  #  n '  Wi  7c  ft  ^\  11  m 

Mu-khiil  khai-yuen  nei-ioai-king  lö.  Verzeichnisse  der 
inneren  und  äusseren  mustergiltigen  Bücher  des  Zeit- 
raumes Khai-yuen  (713  bis  741  n.  Chr.).  Von  Mu-khiü. 
10  Bücher. 

Die  Verzeichnisse    enthalten    ungefiihr    2500  Werke 
über  Tao-  und  Buddhalehre  in  uno:efähr  9500  Büchern. 


'  In  dem  hier  darg-elegten  Zeiolien  ist   -r^  rniter  qj;  zu  setzen. 

2  Das   liier   fehlende   Zeichen   ist   aus  O  oben   links,    B^    oben   rechts   und 
-y^  unten  zusammengesetzt.   Es  fehlt  auch  in  Khang^-hi. 


2u(j  PfizmaiPr. 

115.    ^    ^    »    #    # 

Tschi-khiü  j)ao-liii  tschnen.  Ueberlieferuugen  von  dem 
Walde  der  Kostbarkeiten.  Von  Tsclu-khiü.   10  Bücher. 

i'6-  i^  "^  ^  m  m  ^ 

Fä-tschang  sche-lün  t-sv.  Weitere  Erklärungen  der  Be- 
deutungen der  gesammelten  Erörterungen.  Von  Fä-tschang. 
8  Bücher. 

117.    X    ^    M 

Yen  hiuen-tschang.  Die  Abschnitte  des  Himmelfarbenen. 
Von  demselben  Verfasser.  5  Bücher. 

Der  Verfasser  gehörte  zu  dem  Geschlechte  B^  Tsch'ang 
und  stammte  aus  Nan-yang,  Er  kommt  am  Ende 
des  Zeitraumes  Tsching-kuan  (649  n.  Chr.)  vor. 

118-  mm  ^  m  ®  *  «  ^^^.^  * 

Hoei-neng  kln-kang  fan-jö-kwg  keu-kiue  tsching-i.  Die  münd- 
lich dargelegten  richtigen  Bedeutungen  der  heiligen  Bücher 
des  Verstandes,  Von  Hoei-neng.  1  Buch. 

Der  Verfasser  gehörte   zu   dem  Geschlechte  Jm    Lu 

und  stammte  aus  Khiö-kiaug. 

119-  ff  m  IM  *.  IE  %  -ä  M  ^  m  m 

St^ng-kuan-ting  sse-ki  thien-tai  tschi-tsche  sse-fschi.  Der  Sinn 
der  besonders  verzeichneten  Aussprüche  der  Verständigen 
der  Secte  Thien-tai.  Von  Seng-kuan-ting.   1   Buch. 

1-^0.  X  Ä  iE 

Yeu  i-ki.  Verzeichnungen  der  Bedeutungen.  Von  demselben 

Verfasser.   1   Buch. 

Der  Jünglingsname  des  Verfassers  ist  ^  ^^  Fä- 
yün,  dessen  Geschlechtsname  ^i   ü. 

121-  i;  #  #  ±  ife 

Tao-tschb  tsing-tu  lim.    Erörterungen  über  die  reine  Erde 

(das  Paradies).  Von  Tao-tschö.  2  Bücher. 

Der  Verfasser  hiess  mit  dem  Geschlechtsuamen  j^ 
Wei.  Er  stammte   aus  Wenschui  in  Ping-tscheu. 

122.  i;  #  ^T  ffl 

Tao-tsclw  hang-tim.  Die  Zeichnung  des  Wandels.  Von 
Tao-tschö.  1  Buch. 


Die  philoBophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Tliang.  299 

1-^3.  ^   -t   j£   ^   E    ^  # 

Tschi-scheu  n-pu  Jchiü-fen  thsiao.  Die  verborg-enen  Antheile 
der  fünf  Abtheilungen.  Mit  Aufzeichnungen.  Von  Tschi- 
schen.  21   Bücher. 

Der    Geschlechtsname    des    Verfassers    ist     Ö^    "^ 

Hoang-fu. 

124-  ^  m  n  »  m 

Fä-li  sse-fen  su.  Weitere  Erklärung-en  der  vier  Antheile. 
Von  Fä-li.  10  Bücher. 

Yeu  khie-mo  su.  Weitere  Erklärungen  der  Vorschrift.  Von 
demselben  Verfasser.  3  Bücher. 

126.  :^   ü^  ^ 

Sche-thsien  i.  Die  Weise  der  Verwerfung  der  Reue.  1  Buch. 

127.  H    2    j^ 

King-fschnng  i.  Die  Weise  des  Leichten  und  Schweren. 
1  Buch. 

Der  Geschlechtsname  des  Verfassers  der  obigen  vier 

Werke   ist  ^  Li. 

128.  mm  m  »  m  ^M 

Hoei-mnan  sse-fen-liö  su.  Weitere  Erklärungen  der  Gesetz- 
abschnitte der  vier  Antheile.  Von  Hoei-muan.  20  Bücher. 
Der  Verfasser  gehörte  zu  dem  Geschlechte  ^  Liaug 
und    stammte    aus  Tschang-ngau  in  dem  Kreise  der 
Mutterstadt. 

129.  m^  +  li  *  IE 

Hoei-min  schi-sung  sse-Jci.  Besondere  Verzeichnungen  von 
den  zehn  Hersagungen.  Von  Hoei-min.  13  Bücher, 

130.  X  in  fL  n  » 

Seng-ni  hang-sse.  Die  von  Bonzen  und  Nonnen  verrichteten 
Dinge.  Von  demselben  Verfasser.  3  Bücher. 


1  Für  dieses  Zeichen  wird,  wie  in  Nr.  G2,  auch   f&  kJiie  gebraucht. 


300 
131. 

132. 


P  f  i  z  m  n  i  e  r. 


133. 


134. 


135. 


136. 


137. 


138. 


Ni-tschung  khie-mo.  Die  Vorschriften  der  Nonnen.  2  Bücher. 


^  »  ?S  «  ^ 

Pu-sä    kiai-i  su.    Weitere    Erklärungen    der    Verbote    der 

Gottheiten.  4  Bücher. 

Der  Verfasser  der  obigen  vier  Werke  hiess  mit  dem 
Jünglingsnamen  ^  ^  Hiuen-sn  und  stammte  aus 
Ho-tung. 

S:  m  -A  m  w  iii 

Khung-tsaiig   ta-sching  yao  kiü.    Die   Sätze   des  Erforder- 
nisses der   grossen  Stufen.     Von  Khung-tsang.    3  Bücher. 

Der  Verfasser  hiess  mit  dem  Geschlechtsnamen  ^ 

Wang  und  stammte  aus  Sin-fung. 

ü  ^  s  Ä  ft  « 

Tao-ff<nng  ta  kao-seng  tschuen.  Fortgesetzte  Ueberlieferungen 
von  hohen  Bonzen.  Von  Tao-tsuns:.   32  Bücher. 


^ 


^  ^  ;4  ^ 

Hiuen-tsnng  tscJiü  kin-kang  ■puan-jo-king.  Erklärungen  des 
diamantenen  heiligen  Buches  des  Verstandes.  Von  Kaiser 
Iliuen-tsung.   1  Buch. 

€  m  »  ä>  wii  ^ ß-  u  ^  'M.  m 

Tao-yin  yü-tschü  kin-kang  inian-jo-king  sv.  siuen-yen.  Ver- 
breitung der  weiteren  Erklärungen  der  kaiserlichen  Er- 
klärung der  diamantenen  heiligen  Büchei-  des  Verstandes. 
Von  Tao-yin.  3  Bücher. 

Kf(o-seng  lan-tsau  tschuen.  Ueberlieferungen  von  dem  hohen 
Bonzen  I^an-tsan.    1  Buch. 

Dieser    Bonze    lebte    in    dem    Zeiträume    Thien-pao 

(742  bis  756  n.  Chr.). 

Ä  ff  Ä  PI  m  ^  M 

Ytten-icei  f.schin-men  schhuj-tscWev.  Die  Samndungen  der 
höchstweisen  Nachkommen  des  wahren  Thores.  Von  Yuen- 
wei.  5  Bücher, 


Die  philosopliiscbon  Werte  Cliinii's  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  301 

139-  ft  ^  /ft  y^  mi.  Ä  »  IB 

Seng-fä-lini  16-tsu-fä  pao-ki.  Kostbare  Verzeichnungen  der 
Vorschrift  der  sechs  Ahnherren.   Von  8eng-fä-hai.   1  Buch. 

140.  ^  m  i^  ^' n  ^ 

Sin-thsung  seng  kia  hang  tschunug.  Die  Handlungsweise 
der  Bonzen.  Von  Sin-thsung.   1  Buch. 

1«.  m  tf  m  m  m  ^ 

Schin-kiai  wei-mo-king  su.  Weitere  Erklärungen  des 
heiligen  Buches  Wei-mo.  Von  Schin-kiai,  6  Bücher. 

W2-  »  'Ä  S  UJ  #  tt  #  IE 

Ling-timan  sche-schan  si-hia  sse-ki.  Verzeichnung-en  von 
dem  Tempel  Si-hia  auf  dem  Sche-schan.  Von  Ling-thuan. 
1  Buch. 

143.  ^  tn  M 

P'o-hu  tst.  Sammlungen  von  P'o-hu.   1  Buch. 

Das    Werk    enthält    Verordnungen    über    die    Vor- 
schrift Buddha's.  ' 

1«.  ^  fit  *s  ^  it  « 

l'ä-fsang-khi  sin-Iün  su.  Weitere  Erklärungen  der  Erörte- 
rungen des  Glaubens.   Von  Fä-tsang-khi.  2  Bücher. 

Fä-lin  pie-tschueM.  Besondere  Ueberlieferungen.  Von  Fä- 
lin.  2  Bücher. 

146-  fi  m  »u  ^  m 

Td-thaug    klng-sse    sse-lö.    Verzeichnisse    der    Tempel    der 
Mutterstadt  um  die  Zeiten  des  g-rossen  Thaug. 
Die  Zahl  der  Bücher  ist  unbekannt. 

!«•  ^  %  m  m  M 

Hiuen-kiÖ  yimg-kin  ts'i.  Die  Sammlungen  des  Zeitraumes 
Yung-kia  (307  bis  312  n.  Chr.).  Von  Hiuen-kio.  10  Bücher. 

148.  «  »  m  f\  m^ 

Hoai-hai  schen-nien  khuei-scM.  Regeln  und  Muster  für  die- 
jenigen, welche  in  den  Bonzenstand  treten.  Von  Hoai- 
hai.   1  Buch. 


'  Die  eigentliche  Bedeutung  von  P'o-hu  ist  ungewiss. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  22 


302  Pfizmaier. 

143-  #  «  #  '<i>  ^  ^ 

Hi-yüii  tschuen-sin  fä-yao.  Das  Erforderliche  der  Vor- 
schrift der  Ueberlieferung  des  Herzens.  Von  Hi-yün. 
1  Buch. 

150.  ^  ^  ^  iE  ife 

Hiuen-i-khien  tsching -lün.  Richtig-e  Erörterungen.  Von 
Hiuen-I-khien.  3  Bücher. 

151  Tfe  *  ä  ft  *  ife 

Kunng-yao  tschü  seng-tschao  lün.  Erklärung  der  Erörte- 
rungen Seng-tschao's.  Von  Kuang-yao.  3  Bücher. 

152.  ^    ^    ^    Ü    5£    Ä 

Li-fan-hiuen  sching  kldü-liü.  Die  Feldhütte  der  Höchst- 
weisen. Von  Li-fan-hiuen.   1   Buch. 

153.  Ö    ß    ^    A    if   Ä    «    Ü 

Pe-khiü-yl  pä-tschan  tlmng-tschin  i.  Berathungen  über  den 
achtfachen  allmäligen  Verkehr  mit  dem  Wahren.  Von 
Pe-khiü-yi.   1  Buch. 

154-  -b  ff  p  Ufe 

Thsl-kho  i-tschuang.  Die  Bedeutung  der  sieben  Stufen. 
1  Buch. 

Das  Werk  enthält  Fragen  und  Antworten. 

lö^S     i^    ©    tfc    "^ 
100.    ^     "^     tk     ^ 

Si-hien  fä   tsiuen.    Die    Ausgezeichneten    der    Vorschrift. 

Von  Si-hien.  1  Buch. 

Das  Werk    enthält  Erörterungen    eines  Bonzen    mit 
zwei  Würdenträgern  über  die  Bücher  Buddhas. ' 

166.   JP    1    A    ffi 

Schen-kuan   pä-tven.     Acht    Fragen    des    Gränzpasses    der 

Secte  Sehen.  1   Buch. 

Das  Werk  enthält  Fragen  und  Antworten. 
157.    ff    ^    ^    g    ^    ^    ^ 

Seng-yi-hang  schi-schi  hi-lö.  Gebundene  Verzeichnisse  über 
das  Geschlecht  Schi-kia.   Von  Seng-yi  hang.   1   Buch. 

'  Ob  der  Verfasser  sich  den  Namen  Si-hien  beilegt,  oder  ob  dieser  Aus- 
druck eine  allgemeine  Bedeutung,  etwa  .sich  auf  die  Stange  der  Weis- 
heit setzen'  hat,  lässt  sich  nicht  bestimmen. 


Die  pliiloEophisclipn  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  dnr  Thang.  oOo 

168-  ^  m  m  u  m  m  m 

Tsung-mt  schen-yuen  tschü-isiuen  tsi.  Sammlung-  der  Dar- 
legungen von  der  Quelle  der  Seete  Sehen.  Von  Tsung- 
mi.  101  Bücher. 


Yeu  khi-sin  Hin.  Erörterungen  des  Glaubens.  Von  dem- 
selben Verfasser.  2  Bücher. 

160.    fe    >^    gfe    # 

Khi-sin-liln  t/isiao.  Aufzeichnungen  zu  den  Erörterungen 
des  Glaubens.   3  Bücher. 

161-  m  A  m 

Yiien-jin  /'du.  Erörterungen  des  Menschen  von  Yuen.  ' 
1  Buch. 

162.    HI    ft    Ä    ^    ^J^    ^    # 

Yuen-kiö-king  ta-siao  su-thsiao.  Grosse  und  kleine  Ei'- 
klärungen  des  heiligen  Buches  Yuen-kiö.  Mit  Aufzeich- 
nungen. 1   Buch. 

1Ö3.  ^m  wl  ^  m  ^^  m.  ^ 

Thsii-nan  inian-jö-king  pin  sung-khi.  Lobpreisende  Ge- 
dichte zu  dem  hejligen  Buche  des  Verstandes.  Von  Thsu- 
nan.   1   Buch. 

164.  ^  ^  M  m 

Yeu  2^^io-sie  lUn.  Erörterungen  über  die  Tilgung  des  Un- 
rechts. Von  demselben  Verfasser.  1  Buch. 

Der    Verfasser    lebte    in    dem  Zeiträume    Ta-schün 

(890  bis  891  n.  Chr.). 

165-  ^  m  $^  n  m 

Hi-hoan-thsan  ihung-khi.  Die  übereinstimmenden  Aus- 
schnitte. Von  Hi-hoan-thsan.  1   Buch. 

166.    H    #    A    *    «    ^ 

Liang-kiai  ta-sching-king  yao.  Das  Nothwendige  des 
heiligen  Buches  der  grossen  Stufen.  Von  Liang  -  kiai. 
1  Buch. 


1  Ueber  den  Menschen  von  Yuen  ist  nichts  zu  ermitteln. 

22* 


304  Pfizmaier. 

16'-  X  it  n  i:  -(&  '«  # 

Yeu  kt-li  tao-su  sung-khi.  Lobpreisende  Gedichte  zur  An- 
eiferung  der  Bonzen  und  Laien.  Von  demselben  Verfasser. 
1  Buch. 

168.  ^  iz  m  -k  '^ 

Kitang-jin  sse  ta  sung.  Vier  grosse  Lobpreisungen.  Von 
Kuang-jin.   1  Buch. 

169.  X  m  m  m  M  ^  m 

Yeu  liö  hoa-yen  tschang-tsche  lün.  Kurzgefasste  Erörte- 
rungen über  die  Aeltesten  der  Secte  Hoa-yen.  Von  dem- 
selben Verfasser.  1   Buch. 

"0-  *  15  S  IS 

Wu-yin  tschtd-kiai.  Herabgelassene  Warnungen.  Von  Wu- 
yin.   10  Bücher. 

171.  m  Wi  $^  7ü  m  m 

Schm-thsing-fhsnn  yuen-yü  lu.  Verzeichnisse  der  ursprüng- 
lichen Worte.  Von  Schin-thsing-thsan.   10  Bücher. 

1^2-  m  n  ß  m 

Tschi  yue  seng  mei.  Die  Vortrefflichkeit  der  Bonzen.  Von 
Tschi-yue.  3  Bücher. 

"3. 1  -sr  m  m  ^  m 

Hoei-kho-thä  mo  hiue-ml.  Das  Fühlen  des  Pulses.  Von 
Hoei-kho-thä.    1  Buch. 

174.  iS  Ä  *  4  S  |1  H  ^ 

Tsing-mai  ku-kin  seht  king  thu-ki.  Darlegung  der  über- 
setzten heiligen  Bücher  aus  dem  Alterthum  und  der 
Gegenwart.  Von  Tsing-mai.  4  Bücher. 

175.  ^  fl-  Ä  *  4  mm  li  IE 

Tscki-sckiug  tii  kti-kin  seht  king  thu-ki.  Fortgesetzte  Dar- 
legung der  übersetzten  heiligen  Bücher  aus  dem  Alter- 
thum und  der  Gegenwart.   Von  Tschi-sching.   1  Buch. 

"6-  X  m  i^  M  h  ^  m 

Yeu  tu  tathang  nei-tten  lo.  Fortgesetzte  Verzeichnisse  der 
inneren  Vorschriften  um  die  Zeiten  des  grossen  Thang. 
Von  demselben  Verfasser.  1  Buch. 


Die  philosophischen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  Than?.  305 


!"•  m  ii  4-  »  M.  m 

Tu  ku-kin  fÖ-tao  lün-heng.  Fortsetzung  der  Wagebalken 
der  Erörterungen  über  den  Weg  Buddha's  in  dem  Alter- 
thum  und  der  Gegenwart.   1   Buch. 

178-    i^    *    lÜ    ^    l# 

Tili  han-schan-tse  schi.  Gedichte  an  Han-schan-tse.  7  Bücher. 
Der  Verfasser  der  obigen  vier  Werke  war  ein  ver- 
borgener Mann  des  Reiches  ^  ■j^  Thien-tai.  Han- 
schan-tse,  ebenfalls  ein  verborgener  Mann  des  Weges, 
lebte  auf  dem  Berge  Han-schan  in  dem  Kreise 
Thang-hing. 

179-  M  H  l#  # 

Fang-tven  schi-kliL  Aussprüche  in  Versen.  Von  Pang-wen. 

3  Bücher. 

Der  Verfasser  führte  den  Jünglingsnamen  ^  ^ 
Tao-hiuen  und  stammte  aus  Heng-yang  in  Heng- 
tscheu.  Er  lebte  im  Anfange  des  Zeitraumes  Tsching- 
yuen  (785  n.  Chr.).  Das  Werk  enthält  über  300  Ab- 
schnitte. 

180.  ^  m  "^  9. 

Tschi-hieu  khi-siing.  Lobpreisungen  in  Versen.  Von  Tschi- 
hien.   1   Buch. 

Das  Werk  enthält  über  200  Abschnitte. 

181     ^    ^    W    —    «    # 

Li-ke-fu  yi-hang  tschuen.  Die  Ueberlieferungen  einer  Reihe. 

Von  Li-ke-fu.  1  Buch. 

182.  3E  #  M  ft  Ä  B  Ä 

Wang-ym-ioei    nei-tien    mÖ-lö.    Verzeichnisse    der   inneren 

Vorbilder.  Von   Wang-yen-wei.   12  Bücher. 

Das  obige  Verzeichniss  der  Werke  des  Hauses  des  Weges 

enthält  von   137   Verfassern  74  Gegenstände  in  1240  Büchern. 

Die   Namen    von    3    Verfassern    sind    unbekannt.    Von    Hiuen- 

tsung    angefangen,    waren    die    Werke    von    158   Verfassern    in 

1338  Büchern   nicht  veröflFentlicht  worden. 


306  Pfizmaier. 


Werke  aus  den  Häusern  der  Vorschrift. 

1.   ^    ^ 

Kuan-tse.  Kuan-tse. 

Kuau-tse    ist    ^   ^'^    Kuan-tschung.    Werke    über 
denselben  waren  von  19  Verfassern  vorhanden. 


2.  _ 

Schang-kiün  sehn.  Das  Buch  des  Gebieters  Schang.  5  Bücher. 
Der  Gebieter  Schang  ist  j^  ^  Öchang-yang. 

Schin-tse.  Schin-tse.  10  Bücher. 

Schin-tse  ist  j^  ^|J  Schin-tao. 

4.    ^    -y- 

Schin-tse.  Schin-tse.  3  Bücher. 

Schin-tse  ist   ^  ^^   ^  Schin-pü-hai. 

Han-tse.  Han-tse.  20  Bücher. 

Han-tse  ist  ^  ^^   Han-fei. 

6-    0*    ^    ff    # 

Thiao-schi    sin-schn.     Das    neue    Buch    des    Geschlechtes 

Thiao.  7  Bücher. 

Das  Geschlecht  Thiao  ist  g))^  ^  Thiao-thsö. 

7.    »    #    «^    ^    «    i^    ® 

Tang-tschumj-schü  tschUii-thsieit  kiue-yÖ.  Entscheidung  der 
Streitigkeiten  des  Frühlings  und  Herbstes.  Von  Tung- 
tschung-schü.    10  Bücher. 

8.  fi  «:  jg:  ife 

Thsui-schi  tsching  liin.  Erörterungen  der  Lenkung  des 
Geschlechtes  Thsui.  6  Bücher. 

Das  Geschlecht  Thsui  ist   >^  '-^  Thsui-schi. 

9.  üJ  Ä  lö:  it 

iSien-schi  tsching  Um.  Erörterung  der  Lenkung  des  Ge- 
schlechtes Lieu;  0  Bücher. 

Das  Geschlecht  Lieu  ist  ^J  /^  Lieu-I. 


Die  philosophischen  Werke  China'B  in  dem  Zeitalter  der  Tbang.  307 

10.  ^  T-  Üt  Ü 

Yuen-tse  tsching  lim.  Erörterung  der  Lenkung^  Yuen-tse's. 
5  Bücher. 

Yuen-tse  ist  j^  ;^  Yuen-wu. 

11-  ül  Ä  Ä  ife 

Lieu-schi  fä   lim.    Erörterung    der    Vorschriften    des    Ge- 
schlechtes Lieu.  10  Bücher. 

Das  Geschlecht  Lieu  ist  i^jj  ^h  Lieu-schao, 

1^-  S  Ä  iM:  ^  Ü 

Hoan-schi   schi   yao-lün.     Kurzgefasste    Erörterungen    des 
Zeitalters  des  Geschlechtes  Hoan.  12  Bücher. 

Das  Geschlecht  Hoan  ist  iö   ^  Hoan-tan. 


13-   Ä    -f-    S    W 

Tschin -tse  yao-yen.  Kurzgefasste  Worte  Tschin- tse's. 
14  Bücher. 

Tschin-tse  ist  (^  Wj^  Tschin-yung. 

14.  $  ^  ff  7cf  i;  Ä 

Li-wen-pö  tschi-tao  tsi.  Sammlungen  des  eingerichteten 
Wegös.  Von  Li-wen-pö.   10  Bücher. 

15-    W    fP    #    S    J^    ^    ^ 

Han-tan-tschÖ  u-king  tsche-i.  Beseitigung  des  Zweifelhaften 
der  fünf  mustergiltigen  Bücher.  Von  Han- tan-tschö. 
30  Bücher. 

16.    ^    ^    S    ä    #    -f- 

Yün-tschi-tschang  tschü  knan-tse.  Erklärungen  Kuan-tse's. 
Von  Yün-tschi-tschang.  30  Bücher. 

"■  X  y±  m  f- 

Yen  tschü  han-tse.  Erklärungen  Han-tse's.  Von  demselben 
Verfasser. 

Die  Zahl  der  Bücher  ist  unbekannt. 


18-    *t    -fe    tf    ^    ^ 

Tu-yeu  kuan-schi  tschi-liö.     Kurze  Hinweisungen   auf  das 
Geschlecht  Kuan.  Von  Tu-yeu.  2  Bücher. 


L 


öOö  Pfiz  maier. 

19-  ^  m  i.  IE  m 

Li-ldny-hiuen  tsching-lün.   Richtige  Erörterungen.  Von  Li- 
king-hiuen.   3  Bücher. 

In  dem  obigen  Verzeichnisse  der  Werke  aus  den  Häusern 
der  Vorschrift  zählt  man  15  Verfasser,  15  Gegenstände  und 
166  Bücher.  Von  Yün-tschi- tschang  angefangen,  waren  die 
Werke  von  3  Verfassern  in  35  Büchern  nicht  veröffentlicht 
worden. 


Werke  berühmter  Häuser. 

1-  iP  t»f  T 

Teng-st-tse.  Teng-si-tse.  1  Buch. 

2  ^  >c  -T 

Yün-wen-tse.  Yün-wen-tse.  1  Buch. 

3-    ^    #    Sl    ^ 

Kung-sün-hmg-tse.  Kung-sün-lung-tse.  3  Bücher. 

4-  K  SbI  *  /±  <&  #  »I  ^ 

Tschin-sse-kii  tschü  kung-sün-lung-tse.     Erklärungen  Kung- 
sün-lung-tse's.  Von  Tschin-sse-ku.   1   Buch. 

»•  SlJ  SI5  A  *!l  *^ 

Lieu-schao  jin-ice  tschi.   Denkwürdigkeiten  von  Menschen. 
Von  Lieu-schao.  3  Bücher. 

ß-  fij  Ä  ä  A  #(  -* 

Lieu-ping  tschü  jin-ioc  tschi.  Erklärungen  der  Denkwürdig- 
keiten von  Menschen.  Von  Lieu-ping.  3  Bücher. 

7.  M  ^  ±  m 

Yao-sin  sse-ivei.  Einschläge  von  Kriegsmännern.  Von  Yao- 
sin.   10  Bücher. 

8-  m  ^  <$'  ±  m 

Wei-icen-ti  sse-thsao.  Die  Beharrlichkeit  der  Kriegsmänner. 
Von  dem  Kaiser  Wen  von  Wei.  1  Buch. 


Die  philosophischen  Werke  China'B  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  309 

9-  m  m  :fi  n]  A  ±  m 

La-yÖ  kieu-tscheu  jin-ase  Hin.  Erörterungen  über  Menschen 
und  Kriegsinänner  der  neun  Landstriche.  Von  Lu-yö.  1  Buch. 

10.  -m  sS  fl  ^  ?S 

Fan-ml  pien-ming  yuen.  Der  Garten  der  Unterscheidung 
der  Namen.  Von  Fan-mi.  10  Bücher. 

11-  ft  m  ^  *  «  ^ 

Seny-ynen-nien  kien-ming  yuen.  Der  Garten  der  zusammen- 
gefassten  Namen.  Von  Seng-yuen-nien.  20  Bücher. 

12.  1  A  1  ä  Ä  -%  ii  ^ 

Kia-ta-yin  tschü  kung-sün-lwig-tse.  Erklärungen  Kung-sün- 
lung-tse's.  Von  Kia-ta-yin.  1  Buch. 

13.    ffi    Ä    a    W    ®    *^ 

Tschao-wii-meng  ho-si  tschi.  Denkwürdigkeiten  von  der 
Landschaft  Ho-si.  Von  Tschao-wu-meng.  10  Bücher. 

14-  *t  JS  ±  Ä  A  #)  ^- 

Tii-tscheu-sse  kuang  jin-we  tschi.  Denkwürdigkeiten  von 
Menschen  des  Landstriches  Kuang.  Von  Tu-tscheu-sse. 
3  Bücher. 

15-  5lc  (J  +  ^J  ^  Ä  A  *  *. 

Sung-sui  u-hing  jin-ice  tschi.  Denkwürdigkeiten  von 
Menschen  von  U-hing.  Von  Sung-sui.   10  Bücher. 

Der  Verfasser  dieses  Werkes  führte  den  Jünglings- 
namen ffi^  ^  »Sching-tschi  und  stammte  aus  U- 
tsch'ing  in  U-hing.  Er  lebte  in  dem  Zeiträume  Ta- 
tschung (847  bis  859  n.  Chr.). 

In  dem  obigen  Verzeichnisse  der  Werke  berühmter  Häuser 
zählt  man  12  Verfasser,  12  Gegenstände  und  55  Bücher.  Von 
Tschao-wu-meng  angefangen,  waren  die  Werke  von  3  Ver- 
fassern in  23  Büchern  nicht  veröffentlicht  worden. 


Werke  über  das  Haus  Me-tse. 

Me-tse.  Me-tse.   15  Bücher. 

Me-tse  ist  ^   ^   Me-ti. 


310  Pfiümaier. 

^-  II  m  f- 

iSni-tsc/iao-tse.  Öui-tsch'au-tse.   1  Buch. 

Hu-fei-tse.  Hu-fei-tse.    1  Buch. 

In  dem  obigen  Verzeichnisse  der  Werke   über  das  Haus 
Me-tse  zählt  man  3  Verfasser,    3  Gegenstände  und  17  Bücher. 


Werke  ans  schräg  gestellten  Häusern. 

1-  Ä  «i  ^ 

Kuei'kÖ-tse.  Kuei-kö-tse.  2  Bücher. 

Kuei-kö-tse  ist  ^   g^  Wang-hiü. 

2-    H    «    ä    Ä    #    T 

Yö-thai  tschü  kuei-kÖ-tse.    Erklärungen  Kuei-kö-tse's.  Von 

Yö-thai.  3  Bücher. 

3-  *  7C  #  f  i  IS  T- 

Lianij-yuen-ti  im  kiue  tue.  Ergänzungen  der  Lücken  Kuei- 
kö-tse  s.    Von   dem  Kaiser  Yuen  von  Liang.    10  Bücher. 

4.    ^    ^    *    ;±    Ä    #    f- 

Yün-tschi-tschang  tschü   kuei-kÖtse.    Erklärungen  Kuei-kö- 
tse's.  Von  Yün-tschi-tschang.  3  Bücher. 

In  dem  obigen  Verzeichnisse  der  Werke  aus  schräg  ge- 
stellten Häusern,  d.  i.  Werke  derjenigen  Schriftsteller,  welche 
von  der  Machtstellung  der  Reiche  handelten,  zählt  man  4  Ver- 
fasser, 4  Gegenstände  und  15  Bücher.  Das  Werk  Yün-tschi- 
tschang's  war  nicht  veröffentlicht  worden. 


Werke  ans  vermischten  Hänsern. 

1  It  ^  i^ 

Wei-liao-tse.  Wei-liao-tse.  6  Bücher. 

2.  p  ^ 

Schi-tse.  Schi-tsc.  20  Bücher. 

Schi-tse  ist  f^   'j'^  Schi-kiao. 


Die  philosophischen  Werke  China'e  in  dem  Zeitalter  der  Thang.  311 

3.    g     Ä    *    ^ 

Liü-schi  tschün-thsien.    Der  Frühling  und  Herbst  des  Ge- 
schlechtes Liü.  26  Bücher. 

Das  Geschlecht  Liü  ist  g    ^  $i  Liü-pü-wei. 

i-m  m  y±  m  m  ^ 

Hiä-schin  tschü  hoai-nan-tse.  Erklärungen  Hoai-nan-tse's. 
Von  Hiü-schin.  21  Bücher. 

Hoai-nan-tse    ist    ^J    ^    Lieu-ngan,    König   von 

Hoai-nan. 

5.    Ä    Ü    Z±    m    m    ^ 

Kao-yeu    tschü    hoai-nan-tse.    Erklärungen    Hoai-nan-tse's. 

Von  Kao-yeu.  21  Bücher. 

6-  X  *  s  -j^i  a  # 

Yen  hoai-nan  hung-lie  yin.  Die  Laute  des  von  Hoai-nan 
(Hoai-nan-tse)  verfassten  grossen  Glanzes,  Von  demselben 
Verfasser.  2  Bücher. 

■>■  m  it  =  m  w  m 

Yen-yeu  san-tsiang-kiün  liin.  Erörterungen  über  die  drei 
Heerführer.  Von  Yen-yeu.   1   Buch. 


8-  3E  ^  ife  I 

Wang-tschnng  liin  heng.  Wagebalken  der  Erörterungen. 
Von  Wang-tschung.  30  Bücher. 

9-  js  fi  Ä  -(&  a  » 

Ying-schao  fung-sÖ-thung  i.  Die  Bedeutungen  des  von  Ying- 
schao  verfassten  Durchdringens  der  Sitten  und  Gewohn- 
heiten. 30  Bücher. 

10-  H  ^  ^  «  Ü 

Tsiang-tse    ican-ki   liin.     Erörterungen    der    zehntausend 
Triebwerke.    Von  Tsiang-tse.   10  Bücher. 
Tsiang-tse  ist  ^.  iM^  Tsiang-thsi. 


n.   t±   ?tS   M    m 

Tu-jil  tÖ-lün.  Ernste  Erörterungen.  Von  Tu-jü.  4  Bücher. 


312  Pfizmaier, 


;7Tj      PHH 

Tscliung-hoei    tJisu-jao    lün.    Erörterungen    über    die  Holz- 
sammler. *  Von  Tschung-hoei.  5  Bücher. 

13.    -(t    ^ 

Fu-tse.  Fii-tse.  120  Bücher. 

Fu-tse  ist  ^M.   ^  Fu-hiuen. 


"•  5»  ü  lit  iE 

Tsch'ang-yen  me  ki.  Verzeichnungen  des  Schweigens.  Von 
Tsch'ang-yen.  3  Bücher. 

Yeu  schi-lün.  Erörterungen  der  Schwüre.    Von  demselben 
Verfasser.  30  Bücher. 

16-    «    ife    ff    W 

Pei-hiuen  sin-yen.  Neue  Woi'te.  Von  Pei-hiuen.  5  Bücher. 

17.    wßk    ig       11      ^ 
."nvT    fs,     -IL      lu 

Su-tao  li-yen.  Begründete  Worte.  Von  Su-tao.   10  Bücher. 

18-    ÜJ    $^    ff    a 

Lieu-khin    sin-i.     Neue    Bedeutungen.     Von    Lieu-khin. 
18  Bücher. 

19.    ^    -^ 

Thsin-tse.  Thsin-tse.  3  Bücher. 

Thsin-tse  ist  ^    ^   Thsin-tsing. 

20.  SR  HJJ  f^  1^ 

Tscliang-ming   schi-lün.    Erörterungen    der   Schwüre    Von 
Tsch'ang-ming.  20  Bücher. 

21-    *    fll 

Ku-hiün.  Alte  Lesungen.  10  Bücher. 

22.  IL  t^f  iä:  # 

Khnnif-yeH    .sehne -li».    Der    Garten    des    Sprechens.    Von 
Khung-yen.  5  Bücher. 

'  Eine  Anmerkung  zu  dem  Schi-king  sagt:  Die  Menschen  des  Alterthums 
beriethen  sich  selbst  mit  den  Holzsanimlern.  Um  so  mehr  thaten  sie  es 
mit  ihren  Amtsgenossen. 


T)ie  philosopliisehen  Weike  China's  in  dem  ZeitaltJ-r   der  Thang.  313 

23.  te  #  T  ^F  )i 

Pao-pÖ-tse  loai-pien.  Aeussere  Abschnitte.    V^on  Fao-pö-tse. 
20  Bücher. 

Pao-pö-tse  ist  ^   *^  Ko-hung-. 

24.    ^    1¥    B#  -^    Ü 

Yang-wei  schi-icu  lün.  Erörterungen  über  die  Bestrebungen 
der  Zeit.  Von  Yang-wei.  12  Bücher. 

25-  ?£  #  *  4  #  W 

Fan-thai  ku-kin  schen-yen.  Gute  Worte  der  alten  und  der 
gegenwärtigen  Zeit.  Von  Fan-thai.  30  Bücher. 

26.  ^  ^  #  iE  M 

Siü-yi  scheu  ki  loen.    Verzeichnungen   des  Gehörten.    Von 
Siü-yi-scheu.  3  Bücher. 

21.    ^    ^ 

Ho-tse.  Ho-tse.  5  Bücher. 

Ho-tse  ist  ^  i^  Ho-kiai. 

28.   ÜJ    ^ 

Lieu-tse.  Lieu-tse.   10  Bücher. 

Lieu-tse  ist  ^J  ^  Lieu-hiä. 

29-  ^  7c  •$;  ^  tl  ^ 

Liang-yuen-ti    kin-leu-tse.     Kin-leu-tse.     Von    dem    Kaiser 
Yuen  von  Liang.    10  Bücher. 

30    ^    ./fe    ^    ^    M 
^^-    ^    (/ö    jS    pq    M 

Tfickii-fan-yußn   yü-lu    Die   Treflflichkeit    der   Worte.    Von 
Tschü-tan-yuen.    10  Bücher. 

3^  X  m  m 

Yen  yü-tui.    Die  Entgegnung  der  Worte.    Von  demselben 
Verfasser.   10  Bücher. 

32.  5g  4^  ,81  iE 

Tsch' ang-kimg    fsa-ki.     Vermischte    Verzeichnungen.    Von 
dem  Fürsten  Tsch'ang.   1   Buch. 

Der  Fürst  von  dem  Geschlechte  Tsch'ang  ist 

Tsch'ang-hoa. 


314 


Pf  iz m  aier. 


■i''-  m  ±  m  ^  M 

Lö-sse-heng   yao-lan.    Nothwendige    Ueberblicke.    Von    Lö- 
sse-heng.  3  Bücher. 


34.    K 


+K     pah    j^ 
'>]»>    jM    'd^ 


Kü-i-kung    kuang-tscM.     Ausgedehnte    Denkwürdigkeiten. 
Von  Kö-I-kung.  2  Bücher. 

35.  -B  ^  *  4  ;* 

Thsui-piao    ku-kin    tschil.     Erkläruugen    über    Altes    und 
Gegenwärtiges.  Von  Thsui-piao.  3  Bücher. 

36.    1;^    ^    *    4    ä 

Fü-heu  ku-kin  tschü.    Erklärungen  über  Altes  und  Gegen- 
wärtiges. Von  Fö-heu.  3  Bücher. 

37.  ir  M  M  ^ 

Kiang-sui  schl-wen.    Erklärung    der    Schrift.    Von    Kiang- 


sui.   10  Bücher. 


38. 


)m^ 


Lu-pien   tsch' ing-wei.    Angabe    der    Namen.    Von    Lu-pien. 
5  Bücher. 


3«.  »  ^  ^  fä 

Sie-hao    ice-schi.    Der   Anfang    der    Dinge.    Von    Sie-hao. 
10  Bücher. 

40.  a  m  ^  m  *ö 

Jin-hao  toen-tschang  sein.  Der  Anfang  des  Schriftschmuckes. 
Von  Jin-fang.   1   Buch. 

Das     Werk     enthält     Ergänzungen     von     B^     ^a 

Tsch'ang-tsi. 

«■  m.  m  m  ^  9.  i^ 

Yao-isch'ä  tu  wen-tscliang  sein.  Fortsetzungen  des  Anfanges 
des  Schriftsehmuckes.  Von  Yao-tsch'ä.   1   Buch. 

42.   M    1    ^    t«    ^ 

Yii-kien-ngu    thmi-py.    Das   Pflücken    an    der  Mauer.    Von 
Yü-kien-ngu.  3  Bücher. 


Die  philosopliiBChen  Werke  China's  in  dem  Zeitalter   iler  Thang. 


315 


43.  ^  i;  Ä  ff  5& 

Wei-tao-sün  sin-liÖ.  Neue  kurzgefasste  Denkwürdigkeiteu. 
Von  Wei-tao-sün,  10  Bücher. 

44.  ^  ^  ^  Ü: 

Siü-Hng  ming-su.    Die    berühmten    Zahlen.    Von   Siü-ling. 
10  Bücher. 

45-  tu  1^  lA  *  iE 

Tscliin-yo   sieu-tschung  ki.    Verzeichnungen  der  Mitte  des 
Aermels.   Von  Tsch'in-yo,  2  Bücher. 

4ö.  ?£  ^  Ä  *ft  ü  Ä 

Fan-Ttvi    tien   fen    su    ts7.     Die    gesammelten  Zahlen    der 
Theilung  der  Vorschriften.  Von  Fan-mi.   10  Bücher. 


47. 


48. 


49. 


50. 


51 


rjy. 


_  Wf^"  M  m 

Heu-tan  tsiang-schui  ihn.  Abbildungen  der  glücklichen 
Vorzeichen.   Von  Heu-tan.  8  Bücher. 

^  ^m  mn  ^  ^  m 

Meng-tschung  isclinng-yi-kiiin  hiuen-schi  ihn.  Abbildungen 
des  himraelfarbenen  Steines  der  Landschaft  Tsch'ang-yi. 
Von  Meng-tschung.   1   Buch. 

Kao-thanq-lung  iscliang-yl-kiiin  hiuen-sclü  tliu.  Abbildungen 
des  himmelfarbeneu  Steines  der  Landschaft  Tsch'ang-yi. 
Von  Kao-thang-lung.   1   Buch. 

«  *  2  iS  «  ffl  iE 

Siln-jeu-tschi  ying-scJmi  thu-ki.  Verzeichnung  der  Abbil- 
dungen der  entsprechenden  glücklichen  Zeichen.  Von 
Sün-jeu-tschi.  3  Bücher. 

m  ^^  mm  m 

Hiung-U  sckui  ying  ihn  fsnn.  Abbildungen  der  entspre- 
chenden glücklichen  Vorbedeutungen.  Mit  Lobpreisungen. 
Von  Hiung-li.   3  Bücher. 

52     ®    »    i    #    «    H 

Ku-ye-wang  fu-schui  thu.  Abbildung  der  Beglaubigungs- 
zeichen. Von  Ku-ye-wang.   10  Bücher. 


dlb      Pf  i  zmaior.  l">ie  philosopliisrben  Werke  China's  in  dem  Zeitalter  der  TLang 

S3-  X  m  iä  m 

Yeu  fsiauy-sc/ini  tlm.  Abbildung'en  der  g-lüeklichen  Vor- 
zeichen. Von  demselben  Verfasser,   10  Bücher. 

5*-  I  ^  M  Ü  S  Ji  .*> 

Wang-schao  hoang-sui  ling-knn  fscJu'.  Denkwürdigkeiten 
von  der  geistigen  Anregung  des  erhabenen  Sui.  Von 
Wang-schao.    10  Bücher. 

55.  W  t  -d^  M  Ü  «  * 

Hiü-schen-sin  hoang  sui  schui-wen.  Die  Schrift  der  glück- 
lichen Vorzeichen  des  erhabenen  Sui.  Von  Hiü-schen-sin. 
14  Bücher. 

56-    1^    M    ^    1$    # 

Ho-ivang-tschi  kien-lin.  Der  Wald  der  Vorstellungen.  Von 
Ho-wang-tschi.  10  Bücher. 

5'^-  E  M  :^  #  M 

Yü-thung-tschi  schen-klen.  Gute  Vorstellungen.  Von  Yü- 
thung-tschi.  2  Bücher. 


Gebauer.  Ueber  die  weicLen  e-Silben  im  Altböhmisclien.  ol7 


Ueber  die  weichen  ^-Silben  im  Altböhmisehen. 

Von 
Dr.  Job.  Gebauer. 


I. 

Die  vorliegende  Abhandlung  hat  die  altböhmischen  weichen 
e-Silben  zum  Gegen  stände,  d.  h.  diejenigen,  deren  Vocal 
oder  Diphthong-  e,  ie  oder  ye  '  geschrieben  wird,  und  nament- 
lich jene  von  ihnen,  die  kurz  sind  und  wo  der  Vocal  auf  einen 
von  den  Consonauten  z,  s,  c,  r,  z,  ^,  c,  j,  n  folgt. 

Es  ist  dies  eine  der  schwierigsten  Partien  des  Alt- 
böhmischen. 

Die'  Handschriften  Hessen  hierin  nach  der  bisherigen  Be- 
obachtung keine  Regel  erkennen.  Man  findet  z.  B.  im  Leben 
der  h.  Katharina  (ed.  Erben  1860)  den  Acc.  jej  eum  im 
Vers  58  gey,  daneben  aber  auch  giey  151  und  gyey  15  ge- 
schrieben; ebenso  gegie,  d.  i.  jejie,  asl.  jeje  122  und  giegie 
128;  zdase  Imperf.  220  neben  stasie  219  und  stasye  2778; 
wecze  Aor.  265  und  weczie  390;  —  und  im  Neuen  Rath  (meine 
Ausgabe  1876)  ze  38  neben  zie  41,  d.  i.  ze,  wsse  stvorenie 
142  und  wssie  stvorenie  156,  jim  wssem  1366  und  jemu  i 
wssiem  116,  wssech  40  und  wssiech  1378,  stworzenie  142  und 
stworzienie  431,  pfi  wierze  1111  und  u  vvierzie  2113,  przeludi 
1066    und    prziemohu    1669,    morderze    plur.    Acc.    1313    und 


'  Beides,  ie  und  ye,  hat  in  altböhmischen  Handschriften  dieselbe  Geltung, 
z.  B.  in  dem  weiter  unten  genannten  Passionale:  rziecz  282  und  rzyecz 
321,  asl.  recb,  zgiewil  391  und  zgyewil  375,  asl.  izbjavilt,  sing.  Gen. 
obicziegie  275  und  obyczyegye  339,  asl.  obycaja  u.  s.   w. 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.   LXXXIX.  Bd.     I.  Hft.  23 


318  Gebauer. 

morderzie  1303,  ptage  Part,  praes.  1146  und  mai^e  760  neben 
neupominagie  730  und  vkalcgie  1132,  stasse  Imperf.  539  und 
stassie  1176  u.  s.  w.  Noch  grösser  würde  sich  die  Ungleich- 
heit und  Regellosigkeit  herausstellen,  wenn  wir  die  Schreib- 
weisen verschiedener  Handschriften  vergleichen  würden. 

Ebenso  verschieden  sind  in  dieser  Beziehung  die  Auf- 
fassungen und  Deutungen  der  Theoretiker,  und  ich  glaube 
folgende  zwei  extreme  Ansichten  unterscheiden  zu  dürfen: 

Ä)  Nach  der  einen  bedeutet  das  verschieden  geschriebene 
e  und  ie  oder  ye  auch  verschiedene  Aussprache;  z.  B.  im 
nböhm.  fekl  (asl.  rekl'L)  und  feka  (asl.  reka)  ist  die  erste 
Silbe  lautlich  dieselbe,  re- ;  findet  man  aber  aböhm.  rzekl  und 
rzieka  geschrieben,  so  bedeutet  die  verschiedene  Schreibung, 
dass  diese  Silben  im  Altböhmischen  verschieden  gelautet  haben: 
re-  und  re- ;  und  ebenso  sei  auch  im  Imperf.  stasse  (N.  R.  539), 
stassie  (ib.  1176),  stasie  (Kath.  219),  stasye  (ib.  2778)  je  nach 
der  geschriebenen  Form  -Se  und  -se   zu  unterscheiden  u.  s.  w. 

B)  Dagegen  soll  nach  der  zweiten  Ansicht  das  geschriebene 
e  und  ie  oder  ye  immer  dieselbe  Aussprache  bedeuten  und 
der  Unterschied  soll  nur  ein  orthographischer  sein.  Wird  näm- 
lich ie  oder  ye  geschrieben,  so  soll  das  i  oder  y  nicht  zum 
folgenden  e  gehören,  sondern  zum  vorhergehenden  Consonanten 
und  soll  als  ein  blos  orthographisches  Zeichen  die  palatale 
Aussprache  desselben  andeuten ;  ist  dagegen  blos  e  geschrieben, 
so  sei  diese  Andeutung  vernachlässigt.  Es  lautet  also  stasye, 
stasie  und  stassie  =  stase,  ebenso  wie  stasse,  und  der  Unter- 
schied besteht  darin,  dass  das  palatale  s  in  den  ersten  drei 
Fällen  durch  sy,  si,  ssi,  im  vierten  aber  durch  blosses  ss  (ohne 
y  oder  i)  bezeichnet  ist;  und  ebenso  sei  in  rzekl  und  rzieka 
dieselbe  Silbe  fe-  auszusprechen  u.  s.  w. 

Diese  grundverschiedenen  Ansichten  haben  auch  ihre 
bösen  Folgen,  die  namentlich  in  Transscriptionen  altböhmischer 
Texte  und  in  der  theoretischen  Grammatik  störend  hervortreten,' 
Sie  führen  zu  unzähligen  Widersprüchen    und  Ungleichheiten; 

^  So  ist,  um  ein  Beispiel  anzuführen,  das  Substantivum  loze  lectus  nach 
einer  altbölimischen  Grammatik  sing.  Nom.  Acc.  Voc.  loze,  Gen.  loze, 
Instr.  lozem.  du.  DI.  lozema,  plur.  NAV.  loze.  Dat.  lozem  zu  decliniren, 
während  nach  einer  anderen  dieselben  Casus  loze,  loz^,  lozem,  lozema, 
loze,  lo2^m  lauten  sollen. 


Uebcr  die  weichen  e-Silbeii  im   Mtböhmisclien.  319 

sie  müssen  aber  zurücktreten,  sobald  naclig-ewiesen  wird,  dass 
in  den  betreffenden  Punkten  in  der  altböhmischen  Aussprache 
eine  etymologisch  berechtigte  Regel  gewaltet  habe  —  und  einen 
solchen  Beweis  liefert  ein  Theil  des  cältesten  böhmischen  Pas- 
sionals  (Prag.  Museums-Bibl.,  sign.  3.  F.  16). 

Dieses  Passionale  ist  ein  Pergament-Codex  von  646  S.  4"; 
jede  Seite  hat  zwei  Columnen,  die  Columne  in  den  Stücken  c) 
und  e)  zu  31,  sonst  zu  30  Zeilen,  die  Zeile  zu  22  bis  24  Buch- 
staben. Sprache ,  Schrift  und  andere  Anzeichen  lassen  im 
Codex  ganz  deutlich '  folgende  Bestandtheile  und  gleichsam 
Stücke  unterscheiden,  die  auf  verschiedenen  Ursprung  und  ver- 
schiedenes Alter  hinweisen : 

a)  Seite  1  zeigt  Schriftzüge  des  XV.  Jahrhunderts; 

h)  S.  2  —  274  aus  der  zweiten  Hälfte  des  XIV.  Jahr- 
hunderts 5 

c)  S.  275 — 436  aus  dem  Ende  des  XIII,  oder  Anfang  des 
XIV.  Jahrhunderts ; 

d)  S.  437 — 450  zweite  Hälfte  des  XIV.  Jahrhunderts; 

e)  S.  451-490  wie  cj; 
/;  S.  491-629  wie  öj ; 

c])  S.  630  —  646  aus  dem  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts. 

Die  Stücke  c)  und  e)  (S.  275—436  und  451-490,  zu- 
sammen 202  S.)  sind  allem  Anscheine  nach  Ueberbleibsel  eines 
ehedem  ganzen  Passionais,  dessen  übrige  Bestandtheile  aber 
verloren  gegangen  und  später  neu  ersetzt  worden  sind. 

II. 

Dieselben  Stücke  c)  und  e)  sind  auch  der  oben  gemeinte 
Theil  des  Passionais,  in  welchem  sich  eine  etymologisch  be- 
rechtigte Regel  in  Betreff  der  altböhmischen  e-Silben  nach- 
weisen lässt.^ 

Ich  will  es  vorerst  beispielsweise  am  Gen.  (Acc.)  und 
Instr.  sing,  der  Substantiva  knez,  otec,  ciesaf,  papez,  tovafis, 
pläsö,  obycej  und  ohen  zeigen.    Sie  folgen  der  Declination  der 


'  Von  den  übrigen  jüngeren  Stücken  lassen  nur  hj  und  f)  dieselbe  Regel 
ganz  deutlieh  erkennen ;  doch  ist  sie  da  nicht  so  conse«iuent  durcligefüiirt, 
wie  in  c)  und  e). 

23* 


320  Getaner. 

JT>-Stäinme  und  kommen  im  Passional  '  häufig,  zum  Theil  sehr 
häufig  vor.  Ihre  Endung  wird  im  Gen.  Acc.  immer  -ie  oder 
-yt  geschrieben,  nie  anders,  nie  ohne  i  oder  y,  z.  B.  knyezie  399, 
knyezye  343,  otcye  276,  cyesarzie  281,  papezie  285,  papezye  376, 
towarzyssie  464,  plasczie  340,  obycziegie  347,  ohnye  405  u.  s.  w. ; 
dagegen  im  Instr.  immer  -am,  nie  -iem  oder  -yem,  z.  B.  knyezem 
432,  otcem  279,  ciesarzem  295,  papezem  325,  towarzissem  307, 
plasczem  320,  obicziegem  468,  ohnem  300  u.  s.  w.  Die  spätere 
Sprache  hat  in  diesen  Endungen  denselben  Vocal  e:  otce  — 
otcem,  papeze  —  papezem  u.  s.  w. ;  im  Passional  finden  wir 
an  seiner  Stelle  durchgehends  im  Gen.  Acc.  ie  oder  ye,  im 
Instr.  dagegen  blos  e  geschrieben,  wobei  zu  beachten  ist,  dass 
dem  Vocal  des  Gen.  Acc.  im  Asl.  ein  a,  dem  des  Instr.  dagegen 
ein  L  oder  e  gegenübersteht. 

Dieselbe  Consequenz  in  der  Schreibung  des  e  und  des  ie 
oder  ?/e,  wie  in  den  hier  beispielsweise  angeführten  Gen.  und 
Instr.  sing.;,  findet  sich  im  Passional  überall  und  in  allen  Fällen; 
die  Ausnahmen  sind  ganz  unbedeutend.  Ein  ausführlicher  Be- 
weis folgt  weiter  unten  (IV.)  und  die  aus  ihm  resultirende 
Regel  ist  folgende: 

ie  oder  ye  wird  dort  geschrieben,  wo  die  entsprechende 
altslovenische  Form  a,  e  oder  e  hat  (oder  haben  würde),  oder  wo 
der  altböhmische  Diphthong  ie  auf  Contraction  beruht;  z.  ß. 
ta  dussye  283,  asl.  dusa,  dussyem  488,  asl.  dusami.,  rziecz  282, 
asl.  rect,  drziewie  294,  asl.  drevije,  tyto  dussye  470,  asl.  duse, 
stogiece  284,  asl.  stojeste,  sbozie  330,  sbozye  333,  asl.  -ije, 
nemoziesse  287,  n^mozyesse  314,  asl.  nemozaase  u.  s.  w. ;  — 
dagegen  wird  blosses  e  dort  geschrieben,  wo  es  einem  asl.  e 
oder  h  gegenübersteht,  oder  wo  es  des  Wohllautes  wegen  ein- 

1  Ich  verstehe  immer  nur  die  alten  Bestandtheile  des  Passionais  c)  und  e), 
wenn  nicht  ausdrücklich  das  Gegentheil  bemerkt  wird.  Die  Zahlen  bei 
den  Citaten  bedeuten  die  Seiten  des  Codex  und  sind  in  Anhoffung  einer 
baldigen  Herausgabe  dieses  musterhaften  Sprachdenkmals  beigesetzt.  Das 
betreffende  Wort  ist  immer  so  geschrieben,  wie  im  Original.  Hiebei  wäre 
aber  manchmal  verschiedene  Auffassung  möglich,  z.  B.  alleinstehendes 
gyety  kann  als  jieti  =  capere  und  jeti  =  vehi  verstanden  werden;  in 
solchen  Tüllen  ist  theils  die  Transscription  des  betreffenden  Wortes  bei- 
gefügt, theils  zur  Orientiruug  entweder  ein  zugehöriges  Wort,  oder  die 
transscribirte  Endung  (in  Klammern)  oder  eine  eigene  Bemerkung  dem 
Citate  beigegeben. 


üeber  die  weichen  e-Silben  im  Ältböhmischen.  321 

geschaltet  ist;  z.  B.  rzekl  276,  asl.  reklt,  rzecy  277,  asl.  rf!sti, 
pomocen  362,  asl.  pomost'mT.,  duostogen  324,  duostoyen  299  = 
duostoj-e-n,  asl.  dostojm.. 

In  ähnlicher  Weise  stimmen  in  diesen  Silben  die  Lehn- 
wörter mit  ihren  Originalien  überein,  z.  B.  rzehorz  285,  lat.  Gre- 
gorius,  hrziekowe  403,  lat.  Graecus,  ahd.  Kviach,  mhd.  Kriech. 

Diese  Regel  gilt  zunächst  von  dem  geschriebenen 
Texte  des  Passionals.  Sie  zeichnet  sich  aber  durch  zwei  Eigen- 
schaften aus,  die  uns  berechtigen,  ihre  Geltung  über  das  Pas- 
sional  hinaus  auszudehnen.  Sie  beruht  nämlich  erstens  auf 
einem  festen  etymologischen  Grunde,  indem  der  Unter- 
schied zwischen  dem  geschinebenen  e  und  ie  oder  ye  mit  dem 
verschiedenen  Ursprünge  dieser  Yocale  zusammenfällt  und  zu- 
sammenhängt (Gen.  otc?/e,  älter  otca,  asl.  ottca,  Instr.  otcem, 
asl.  ottcbmb);  und  zweitens  ist  sie  mit  einer  Consequenz 
durchgeführt,  wie  sie  bei  blos  orthographischen  Regeln  nicht 
vorzukommen  pflegt.  Diese  beiden  Eigenschaften  beweisen, 
wie  ich  glaube,  unwiderlegbar,  dass  die  in  der  geschriebenen 
Form  des  Passionals  gefundene  Regel  keine  blos  mechanische, 
orthographische  sein  könne,  sondern  in  der  wirklichen  alt- 
böhmischen Aussprache  ihren  Grund  gehabt  haben  müsse, 
dass  eine  gleiche  Regel  und  Regelmässigkeit  auch  in  der  alt- 
böhmischen  Aussprache  geherrscht  habe;  es  ist  nicht  denkbar, 
dass  der  Schreiber  des  Passionals  so  consequent  und  etymologisch 
richtig  geschrieben  hätte,  wenn  er  nicht  dieselbe  Consequenz 
und  etymologische  Richtigkeit  in  der  lebendigen  Sprache  seiner 
Zeit  vorgefunden  hätte. 

Dies  schliesst  aber  auch  die  Behauptung  in  sich,  dass  die 
altböhmische  Aussprache  nicht  nur  ze  und  ze,  se  und  se,  ce 
und  ce  genau  unterschieden  habe,  sondern  auch  fe  (geschrieben 
rze-)  und  fe  (geschrieben  ?-z/e-  oder  rzye-),  ze  und  ze,  se  und 
se,  ce  und  ie,  ja  auch  je  und  je,  ne  (geschrieben  ne-)  und  ne 
(d.  i.  ne,  geschrieben  nie-  oder  nye-);  z.  B.  rzekl  280  =  rekl, 
asl.  reklt  und  rzieka  312  =  T^eka,  asl.  reka,  kaze  praedicat  292 
=  käie,  asl.  kazett  und  kazie  umrel  pi-aedicans  mortuus  est  411 
=  kaze,  asl.  kaze,  pisse  scribit  275  =  pisi?,  asl.  pisett  und  pissye 
scribens  486  :=  pise,  asl.  pise,  an  placze  374  =  place,  asl. 
placetT.  und  ja  placzie  fku  309  =  place,  asl.  place,  svaty  Am- 
broz  potwrzuge  confirmat  346  =  potvrzu;e,  asl.  potvrtzdujeti. 


322  G  e  li  a  u  e  r. 

und  sedm  dni  ziv  ])yl  kfesfan  fpl.  Gen.)  u  viere  potwrzugie 
confirmans  ib.  =  potvrziy'e,  asl.  potvn>zduje,  pro  nezto  zahau- 
benie  297  =  liezio,  '  asl.  ne  und  na  nyezto  (sc,  pokladj)  se 
ptäs  429  =  nezio  (d.  i.  nezto),  asl.  ue. 

Dag-eg-en  dürfte  die  Einwendung-  vorgebracht  werden,  dass 
es  unmöglich  ist,  Silben  wie  ne  und  ne,  je  und  je  u.  dgl.  in 
der  Aussprache  zu  unterscheiden,  ja  dass  die  Silben  ne  (d.  i. 
ne)  und  je  unaussprechbar  seien  und  daher  der  altbühmischen 
Aussprache  nicht  imputirt  werden  können.  Dazu  sei  zunächst 
allgemein  bemerkt,  dass  es  nicht  angeht,  die  physiologische 
Möglichkeit  altböhmischer  Silben  nach  der  Routine  des  neu- 
böhmischen Sprachorgans  zu  beurtheilen ;  es  ändert  sich  mit 
der  Zeit  alles,  auch  die  Aussprache  und  die  Sprechkunst,  und 
erscheint  etwas  in  der  heutigen  Aussprache  unmöglich,  so  folgt 
daraus  noch  nicht,  dass  es  seit  jeher  und  überhaupt  unmöglich 
war.  Ferner  gehen  wir  zu  den  einzelnen  Silben  über,  um 
deren  Unterscheidung  es  sich  handelt,  und  nehmen  wir  dabei 
an,  dass  das  handschriftliche  ie  und  ye  im  Ganzen  so  lauten 
soll,  wie  die  geschriebenen  Buchstaben  zeigen,  also  ie  (diph- 
thongisch) in  langen  und  e  in  kurzen  Silben.    Die  Möglichkeit 


'  Das  geschriebene  nezto  ist  liezio  auszusprechen  und  ebenso  das  ge- 
schriebene z  neho  396  ;=  z  üeho,  k  nemu  275  ^  k  iiemw.,  v  nem  280 
=  V  nem,  ohnem  300  =  ohiiem,  snem  (part.  praet.)  323  =  s?iem, 
naplnen  275  =:  napl/Jen  u.  s.  w.  Bisher  glaubte  man  hier  ein  hartes  ne 
lesen  zu  müssen,  aber  die  Kegel  des  Passionais  widerspricht  dieser  An- 
sicht; es  besteht  hier  zwischen  lie  und  ne  derselbe  Unterschied,  wie 
zwischen  ce  und  ce,  fe  und  fe  u.  s.  w.,  und  wenngleich  das  erstere  blos 
ne  geschrieben  wird,  so  war  hier  die  Liquida  im  Altböhmischen  eben  so 
weich,  wie  im  entsprechenden  altslavischen  ue,  nego,  iiemu,  iiemi,, 
ognemL,  ogiTT.mi,,  napliiieni  (Miklosicli,  Gramm.  I.  166  ff.).  Einen  deut- 
lichen Beweis  hiefiir  enthält  auch  das  Dalimil-Fragment  der  Prager  Uni- 
versitätshibliothek.  Dieses  Denkmal  zeigt  bis  auf  wenige  Ausnahmen  in 
Betreff  der  weichen  e-Silben  dieselbe  Regelmässigkeit,  wie  das  Passional 
und  zeichnet  sich  ausserdem  noch  dadurch  aus,  dass  es  die  weichen 
Consonanten  ii,  et,  t  durch  die  Buchstabenverbinduugen  nh,  dh,  th  be- 
zeichnet, z.  B.  ?i/iiczs  =  jtics,  wzri/fiel  =  yzcfel,  dos//?i  —  dos^i.  Da- 
durch ist  es  im  Stande,  die  Lautverbindungen  ne,  ne  und  ne  (d.  i.  ii^) 
in  der  Schrift  deutlich  zu  unterscheiden,  z.  B.  prziwezl,  d.  i.  pi"i>jesl, 
skonAera,  d.  i.  s  ko«em  und  kn/a'ezem,  d.  i.  kuezem,  imd  das  nach  dieser 
Schreibweise  geschriebene  ko/(Äem  beweist,  dass  das  analoge  olixem  des 
Passionais  nicht  ohuem,  sondern  oh?iem  ausgesprochen  wurde. 


Ueber  die  weichen  e- Silben  im  Altböbmischen.  323 

der  lang-en  Silben  nie,  jie  .  .  .  wird  nicht  bestritten  und  ebenso 
die  ]\[öglichkeit  der  kurzen  ze,  se,  ce;  es  bandelt  sich  also  nur 
um  die  Silben  re,  ze,  se,  ce,  je,  ne  —  im  Gegensatz  zu  re,  ze, 
se,  ce,  je,  ne.  In  Bezug  auf  re  und  fe  traue  ich  mir  zu  be- 
haupten, dass  selbst  nach  der  heutigen  Sprachfertigkeit  der 
Unterschied  ebenso  leicht  ausgedrückt  werden  kann,  wie  zwischen 
ze  und  ze.  Beinahe  dasselbe  gilt  von  den  Silben  ze,  se,  ce;  sie 
kommen  im  Neuböhmischeu  nicht  vor,  das  Sprachorgan  hat 
sie  nicht  eingeübt,  ihre  Aussprache  gelingt  aber  dennoch  bei 
einiger  Aufmerksamkeit  ganz  leicht.  Anders  verhält  es  sich 
mit  je  und  ne;  es  ist  uns  in  der  That  schwer  zu  sagen,  wie 
hier  das  e  nach  j  und  n  ausgesprochen  und  wie  diese  Silben 
von  je  und  ne  deutlich  geschieden  wurden ;  aber  daraus  folgt 
nicht,  dass  sie  in  der  altböhmischen  Aussprache  unmöglich 
gewesen  wären,  die  im  Passional  consequente  und  etymologisch 
begründete  Unterscheidung  zwischen  ge  uud  ne  einerseits  und 
gie,  gye,  nie,  nye  andererseits  beweist  das.  Gegentheil. 

Ich  bleibe  also  bei  der  Ansicht,  dass  in  der  altböhmischen 
Aussprache  die  Silben  re  xind  re  u.  s.  w.  phonetisch  ver- 
schieden waren;  und  was  die  lautliche  Geltung  des  geschrie- 
benen e,  ie  und  ye  anbelangt,  so  scheint  mir  folgende  Aus- 
sprache die  wahrscheinlichste  zu  sein:  in  langen  Silben  gilt 
geschriebenes  e  =  e,  geschriebenes  ie  und  ye  =  ie  (diph- 
thongisch), z.  B.  inf.  rzecy  277  =  feci,  asl.  resti,  vzecy  480 
=  uzeci,  asl.  zesti ,  pl.  Dat.  dussyem  488  =  duszem ,  asl. 
dusam't,  drziewie  294  =  drtevie,  asl.  drevije,  stogiece  284  = 
stojtece,  asl.  stojeste,  sbozie  330  und  sbozye  333  :=  zhozie, 
asl.  -ije;  —  in  kurzen  Silben  dagegen  ist  geschriebenes  e  =  e, 
geschriebenes  ie  und  ye  =  e  auszusprechen,  z.  B.  rzebra  320 
=  i-ebra,  asl.  rebro,  zgiewil  391  und  zgyewil  375  =  zjevil, 
asl.  javili),  rziecz  282  und  rzyecz  321  =  fec,  asl.  recb,  knyezie 
337  und  knyezye  314  =  knieze,  asl.  -e  u.  s.  w. 

III. 

Nach  der  oben  allgemein  ausgesprochenen  Regel  soll  das 
Altböhmische  in  Betreff  des  e  und  e  (resp.  e  und  ie)  mit  dem 
Altslovenischen  übereinstimmen.  Hievon  hnden  sich  im  Pas- 
sional   auch    Ausnahmen;     sie    sind    aber    nur    zum    Theile 


324  Gebauer. 

wirkliche  Abweichungen    von    der  Regel,    zum    Theile  sind  sie 
es  nur  scheinbar. 

a)  Bios  scheinbare  Abweichungen  sind  folgende: 

1.  Das  Part,  praes.  act.  auf  -ce  statt  -cp,  für  asl.  -sta  und 
-ste,  fkiice  für  asl.  rekqsta  (sing.  Gen.  und  du.  Nora.  Acc.  masc, 
plur,  Nom.  Acc.  neutr.)  und  rekqste  (plur.  Acc.  masc.  und  sing. 
Gen.  plur.  Nom.  Acc,  fem.);  z.  B.  pokud  te  vizi  ziva  gsuce 
310,  ta  (sc.  ucenniky)  widuce  288,  ty  divy  ciesafe  oba  widuce 
327,  tato  dva  svatä  odpovedesta  a  rzkucze  284,  ana  jdeta 
drziece  se  za  ruce,  d.  i.  drziece  307  u.  s.  w.  Die  Endung 
sollte  hier  -ce  sein.  Allein  dieses  Participium  mit  der  Endung 
-ce  (oder  auch  blos  -c)  wird  im  Altböhmischen  sehr  oft  wie  ein 
Gerundium  gebraucht,  d.  i.  absolutiv  und  ohne  die  gehörige 
Congruenz  in  der  Declination,  z.  B.  kolikratz  diabla  slysi  me- 
nujice  358  und  (in  den  jüngeren  Theilen  des  Passionais)  pokoj 
lidem  dobre  vuole  jsüce  47,  uslysal  hlas  k  nemu  fkiice  126, 
starosta  ji  kazal  odrüce  horkü  smolu  obliti  270  u.  s.  av.  Ebenso 
steht  es  absolutiv  in  den  oben  gemeinten  Fällen;  eine  Con- 
gruenz mit  dem  gehörigen  Nomen  oder  Pronomen  ist  nicht 
beabsichtigt,  die  Abweichung  von  unserer  Regel  ist  also  nur 
scheinbar.  (Vergl.  Miklosich,  Gramm.  IV.  825  und  838.) 

2.  Dasselbe  gilt  vom  Part,  praet.  act.  I.  mit  der  Endung 
'se,  z.  B.  to  rzeksse  ta  svatä  284,  tato  dva  püstenniky  przi- 
stupiwsse  vecesta  289,  potom  dli'iho  na  svete  bywsse  (syn  a 
otec)  bohu  se  dostala  418  u.  s.  w.  Auch  dieses  Participium 
wird  absolutiv  gebraucht;  vergleiche  in  den  jüngeren  Theilen 
des  Passionais :  Pilat  käza  Jezise  obnazivse  k  slüpu  priväzati 
200,  vida  ji  porodivse  a  cistü  dievki'i  ostavse  52,  netahle  sta 
(Nom.  du.  fem.)  se  uzfevse  pfituliti  278,  sv.  Martin  jednoho 
cloveka  beze  kftu  umrevse  nalezl  584,  jakzto  se  jest  (Draho- 
mira)  o  to  pokusila,  knezi  z  zemö  vyhnavse  a  kostelni  dvefö 
zahraditi  kdzavse  580  u.  s.  w. 

3.  Dasselbe  gilt  auch  vom  Relatiynm  jez,  jezto,  jesto,  wenn 
es  statt  des  von  unserer  Regel  verlangten  jez,  jezto  vorkömmt. 
Beispiele  mit  congruenter  Construction  des  Pron.  jenz  qui 
kommen  im  Passional  sehr  oft  vor;  z.  B.  zäk,  yenz  dvoje 
svöcenie  möjiese  384,  to  slovo,  gessto  jest  409,  matka,  giez 
biese  umföla  373,  sva  bratfence  (du.  Nom.  masc),  giezto  nase 
matka  mni,  bychvö  u  mofi  utonula  290  u.  s.  w.  Aber  sehr  oft 


üeber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  ö2D 

finden  sich  auch  Beispiele  mit  dem,  ich  möchte  sagen  relativum 
absokitivum  jez  und  dieses  steht  dann  natürlich  auch  statt  des 
verlangten  jez  (quae,  quos,  quas);  z.  B.  sief,  yesto  sire  duse 
lapä  451,  ta  fetezö,  gessto  bjla  prinesla  395,  o  diviech,  yesto 
öinil  464,  knizky,  yesto  dyrziese  383,  ty  duse,  yesto  sü  byly 
obtiezeny  487  u.  s.  w.  (Vergl.  Miklosich,   Gramm.  IV.  84.) 

4.  Zum  Nom.  südce  ist  der  Voc.  siidce;  hievon  ist  südce 
in  kfivdu  öinis  sudcie  489  auch  nur  eine  scheinbare  Ausnahme; 
es  steht  hier  nämlich  der  Nom.  statt  des  Voc,  ebenso  wie  in 
poslüchaj  mne  sestra  mild  Pass.  451,  sestr«  mild,  buoh  te 
pozehnaj  Vybor  1.  1155,  liska,  co  to  neses  ib.  228,  dobfe  li 
jest  to,  Pukat«,  ze  ty  chces  zbiti  kniezata  Dalimil  cap.  54  u.  a. 

b)  Unter  den  wirklichen  Abweichungen  des  Passionais 
vom  Altslovenischen  sind  wiederum  solche  zu  unterscheiden,  die 
constant  oder  häufig  vorkommen,  und  solche,  die  nur  sporadisch 
zu  finden  sind. 

a)  Zu  deu  constanten  Abweichungen  gehören  die  Silben 
le  und  le  statt  /eund  lie,  sedeti  neben  asl.  sedeti,  prevor,  stfiehro 
neben  asl.  srebro,  drieve  und  dreoni  n.  asl.  drevlje,  o'-echu 
n.  asl.  rese,  zehti  n.  asl.  zeleti,  pecef  n.  asl.  peöatt,  mescenin 
statt  mSsöenin ;  nebstdera  kommen  auch  bei  zjeviti  häufige  Aus- 
nahmen vor.  Ich  will  die  Fälle  einzelnweise  durchgehen ;  es 
wird  sich  in  den  meisten  als  wahrscheinlich  und  mitunter  als 
gewiss  herausstellen,  dass  den  Abweichungen  des  Passionais 
eine  von  der  allgemeinen  Regel  abAveichende  Aussprache  des 
Altböhmischen  zu  Grunde  liegt,  und  dass  der  Schreiber  des 
Passionais  die  Sprache  seiner  Zeit  auch  in  diesen  Fällen  laut- 
lich treu  wiedergibt. 

1.  Statt  der  verlangten  Silben  le  und  lie  finden  wir  im 
Passional  nur  le  (oder  lee).  Z.  B.  Loc.  v  apostole  303,  v  rze- 
mesle  297,  na  skale  287;  du.  Nom.  dve  drzadle  434;  Gen.  Acc. 
stworzitele  288,  krale  330;  Part,  praes.  bydle  312,  se  modlece 
312;  Imperf.  bydlesse  288,  bydleesse  457;  3.  plur.  praes. 
mysle  (e)  294,  bydle  368;  Infin.  bolety  310  u.  s.  w.  Dasselbe 
gilt  aber  von  allen  altböhmischen  Handschriften  fast  ohne  Aus- 
nahme. Der  Grund  davon  ist  wohl  kein  anderer  als  der,  dass 
statt  le  und  Ue  schon  im  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  blos  le 
und  U  gesprochen  wurde. 


326  G  e  b  a  n  e  r. 

2.  Dein  altslovenisclien  sedeti,  sedere^  sollte  altböhmisch 
sr'deti  entsprechen;  statt  dessen  finde  ich  im  Passional  durch- 
gehends  nur  sed-,  während  srxl-  nur  in  den  dem  altslovenischen 
sedq  sesti,  considere  entsprechenden  Formen  und  ihren  Ab- 
leitungen vorkömmt.  Z.  B.  'za  stuol  siesty  435,  syede  aor.  3. 
sg.  313,  wsiedl  324,  wsyedl  323,  wsiedsse  340,  posiedeny  (i) 
obsessi  469  u.  s.  w.,  und  ebenso  susiedi  386,  siedagy  382  u.  ä.; 
dagegen  aber  sedy  3.  sg.  390,  ani  sedye  3.  plur.  369,  sedyesse 
418,  sedyesta  473,  sedyety  380,  part.  sedye  387,  sedyecz  391, 
sedyecy  419,  sedyece  411,  sedyel  299  u.  s.  w.  Dieselbe  Unter- 
scheidung hat  wohl  auch  in  der  Sprache  stattgefunden;  e  geht 
im  Böhmischen  überhaupt  in  e  über  und  so  entstand  sed-  neben 
sed-;  dieses  blieb  in  den  mit  sesti  zusammenhängenden  Formen, 
jenes  hat  sich  im  Verbum  sedeti  festgesetzt.  Vergleiche  hiemit 
vytc'kati  (aus  altböhmisch    vyt/ekati)    und  utikati  (^=  ut^ekati). 

3.  In  prevor  =  lat.  prior,  mhd.  prior,  dürfte  das  e  der 
Volksetymologie  seinen  Ursprung  zu  verdanken  haben;  das 
Wort  schien  einem  Compositum  mit  pre  sehr  ähnlich  und  einer 
solchen  Auffassung  hat  sich  auch  die  Aussprache  angepasst. 
Dem  entspricht  dann  auch  die  Schreibung  im  Passional :  prziewor 
414  (2),  418,  przieworowi  414  u.  s.  ^Y. 

4.  striebro  hat  im  Pass.  immer  den  Diphthong  ie :  strziebro 
344,  strziebrny  400  u.  s.  w.  Es  weicht  hierin  vom  asl.  srebro 
ab,  stimmt  aber  andererseits  mit  dem  russischen  serebro  über- 
ein und  es  ist  kein  Zweifel,  dass  der  Schreiber  des  Passionais 
auch  hier  die  altböhmische  Aussprache  Aviedergibt. 

5.  Dem  asl.  drevlje  entspricht  aböhm.  dreve.  Dieses  kommt 
aber  im  Passional  nur  einmal  vor,  drzew^e  394,  sonst  immer 
drieve,  draiewe  276  u.  s.  w. ;  und  ebenso  das  Adject.  drecni: 
drziewnyeho  ciesafe  427,  pfi  drziewnyem  ciesafi  283,  s  drziewny 
zenü  282. 

6.  Dem  asl.  Aorist  rese  entspricht  aböhm.  riechu;  z.  B. 
päni  rziechu,  d.  i.  riechu  Dal.  cap.  8  (Königgrätzer  Fragment). 
Statt  dessen  findet  sich  aber  im  Passional  nur  fechu :  rzechu 
,309  u.  ö.  Ich  zw^eifle  nicht,  dass  der  genaue  Schreiber  des 
Passionais  hierin  der  Aussprache  gefolgt  ist;  aus  dem  ursprüng- 
lichen rie-  ist  später  re-  geworden  und  statt  riechu  wurde  fechu 
gesprochen. 


Ueber  die  weichen  e-Silben  im  AUböhmischen.  ö2t 

7.  Im  Passional  findet  sich  nicht  nur  zel:  zyel  321,  339, 
und  zeliti:  szieliw  289,  sondern  auch  zeleti:  ozieleti  482,  zie- 
lesse 298,  zielegycz  374,  zielel  36G,  zyelel  299  u.  s.  w.  Das 
stimmt  freilich  nicht  zum  asl.  zeleti,  aber  hier  ist  wohl  die  Un- 
regelmässigkeit auf  der  Seite  des  Altslovenischen ;  entsprechend 
dem  Subst.  zak  und  dem  Verb,  zaliti  erwartet  man  auch  asl. 
*  zaleti  und  diesem  sowie  dem  russ.  zaletb  entspricht  das  aböhm. 
zeleti  ganz  genau. 

8.  Statt  pecet,  asl.  pecatb,  ist  pecef :  peczetma  zapeczeten 
(zapecefen)  369 ;  sonst  kommt  das  Wort  im  Passional  nicht  vor. 

9.  Neben  murzienyn  459,  rzimiene  281  u.  s.  w. ,  asl. 
-janini.,  sollte  es  auch  mescenin  heissen ;  statt  dessen  findet 
sieh  aber  im  Passional  nur  miesczenyn  357,  miesczenyna  472, 
miesczenynu  366,  miesczene  474. 

10.  In  zjeviti,  asl.  izT>javiti,  ist  die  erste  Silbe  in  den 
meisten  Fällen  zje-  geschrieben:  zgiewil  391,  zgyewil  375, 
zgiewenye  417,  zgyewenye  404  u.  s.  w.  Daneben  findet  sich 
öfters  auch  zzie-  und  zzye-  und  einigemal  zie-  und  zye- :  zzie- 
wity  336,  zziewil  342,  zzyewila  336,  zziewena  337  u.  s.  w., 
ziewnimi  284,  zyewnye  333,  ziewywssy  336.  Ich  bemerke 
hiezu,  dass  der  Laut  z  im  Passional  nie  zz  geschrieben  wird, 
und  dass  es  im  Altböhmischen  auch  ein  zevovati  st.  zjevovati 
gegeben  habe;  hiernach  ist  die  Vermuthung  berechtigt,  dass 
auch  die  eben  angedeuteten  Schwankungen  des  Passionais  auf 
Schwankungen  der  Aussprache  beruhen. 

ß)  Endlich  kommen  im  Passional  noch  folgende  Aus- 
nahmen sporadisch  vor:  toho  miesiece  394,  zäpad  slunce 
394,  s  sie  strany  morze  394,  sg.  Nom,  knyeze  337,  anstatt 
miesiece^,  sluncf^,  mofe,  knieze;  —  pro  nyenz  div  395;,  gyesto 
mesto  323,  gyezzto  mesto  333,  toto  videnie,  gyezz  chce  zzie- 
wyty  369,  gyesto  zbozie  tobe  probytecno  bude  478,  pro  nyezto 
388,  410,  411,  skrze  nyezto  dfevo  486,  na  nyem  431,  po  nyem 
389  anstatt  nenz  (geschrieben  nenz)j  jez,  nez  (geschrieben  nez), 
nem  (geschrieben  nem) ;  —  ruce  ohrizenej  289,  cize  zbozie 
377,  czuzeho  zbozie  397  anstatt  ohryzenej,  c'izie  und  cuzi'eho ; 
promienyge  295  statt  promenije,  Part,  praes.  act. ;  —  yechu 
aor.  3.  plur.  396  statt  jechu ;  —  gessutnu  chvälu  384,  gesczerow 
349,  zlorzeczyl  470  und  zlorzeczeni  353  anstatt  jesutnü,  jesce- 
röv,  zlofecil  und  zlofe'ceny.  Dazu  ist  zu  bemerken,  dass  nyezto 


«5^0  Geb  au  e  r. 

388,  410,  411  auch  als  Plural  aufgefasst  werden  kann,  und  in 
diesem  Falle  reg-elmässig  ist;  dass  cize  377  und  cuzeho  397 
(neben  ciziemu  454  u.  s.  w.)  auf  der  secundären  Form  cizy, 
d,  e  beruht,  die  mit  der  Zeit  das  grammatische  cizi  aus  der 
Volkssprache  gänzlich  verdrängt  hat;  imd  endlich  dass  in 
zlofecil  470  und  zlofYceny  353  das  nahe  rekl-feceny  störend 
eingewirkt  haben  mag. 

Sehen  wir  nun  von  allen  blos  scheinbaren  Abweichungen, 
sowie  auch  von  denjenigen  ab,  die  auf  einer  von  der  allge- 
meinen Regel  abweichenden  Aussprache  des  Altböhraischen 
beruhen  (l.e  statt  U,  sedeti  statt  sedeti  u.  a.),  so  erscheint  die 
Anzahl  der  wirklichen  Ausnahmen  und  , Fehler'  ungewöhnlich 
gering:  etwa  zwanzig  —  unter  beiläufig  zwanzigtausend  Fällen! 

Es  liegt  in  diesem  Umstände  ein  besonders  günstiges 
Zeugniss  für  die  Genauigkeit  des  Schreibers,  —  und  dasselbe 
bestätigen  die  im  Passional  vorkommenden  Correctnren;  es 
sind  nur  wenige,  aber  alle  beweisen,  dass  den  Schreiber  resp. 
Corrector  ein  feines  Gefühl  der  in  der  Sprache  herrschenden 
Regelmässigkeit  leitete.  So  ist  S.  286  geschrieben :  ,dewierz 
gie  gegie' ,  .  .  und  das  mittlere  ,gie'  durchstrichen;  der  Schreiber 
hatte  mit  gie-  die  erste  Silbe  des  Gen.  jejie,  asl.  jeje,  auf- 
geschrieben, er  hat  aber  den  Fehler  rechtzeitig  bemerkt,  ,gie-' 
durchstrichen  und  ,gegie'  von  neuem    zu    schreiben    begonnen. 

—  S.  392  ist  in  uwierzieny  statt  u  vefeni  der  Fehler  durch 
eine  Rasur  beseitigt.  —  S.  423:  ,tof  jest  telo  me,  vstup  wnye'; 
hier  ist  nye  (ne)  unrichtig,  nach  der  Regel  des  Passionais  soll 
hier  iie  (geschrieben  ne)  stehen  und  deshalb  ist  in  wnye  die 
Auslassung  des  y  durch  einen  Punkt  angedeutet  (wne,  d.  i. 
V  ne  =  in   id,  während  wnye,   d.  i.  v  nö  ==  in    eoS;  eas,  ea). 

—  Das  Substantivum  verbale  vezenie  kommt  im  Passionale  sehr 
oft  vor  und  die  zweite  Silbe  hat  immer  richtig  f",  z.  B. 
u  wiezieny  302,  u  wiezyeny  375;  einigemal  ist  hier  aber  eine 
schwache  Rasur  bemerkbar,  die  den  Zweck  hatte,  vezenie  aus 
vezf^nie  zu  machen,  so  z.  B.  S.  390  und  392  ;  auch  diese  Ra- 
suren verrathen,  glaube  ich,  das  Bestreben,  der  bekannten  Regel 
Geltung  zu  verschaffen,  nur  war  hier  der  Fehler  auf  Seiten 
des  Rasors,  der  das  betreflfende  Substantivum  verbale  nicht 
von  vezeti,  asl.  vezeti,  sondern  von  einem  entsprechenden 
Verbum  der  I.  oder  II.  Classe  (cf.  asl.  vesti  und  böhm.  väznüti) 


lieber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  ö2\) 

ableitete.  —  Es  war  bis  jetzt  nicht  bekannt,  dass  ein  alt- 
bomischer  Schreiber  resp.  Corrector  an  .Fehlern'  dieser  Art 
hätte  Anstoss  finden  und  eine  Beseitigung  derselben  für  noth- 
wendig  erachten  können,  und  es  ist  diese  Erscheinung  nur  in 
dem  Falle  erklärlich,  wenn  die  wirkliche  altböhmische  Aus- 
sprache ebenso  regelmässig  und  genau  war,  wie  der  ganze 
Text  des  Passionais. 


IV. 

Die  Regel  des  Passionais  soll  nun  in  eingehender   Weise 
nachgewiesen  werden. 

Zu  diesem  Zwecke  gehe  ich  alle  hieher  gehörigen  Silben 
des  Passionais  durch,  ordne  sie  übersichtshalber  nach  gram- 
matischen Kategorien,  sowie  auch  nach  ihren  Consonanten  (z,  s, 
c,  i"',  z,  s,  c,  j,  ii),  führe  in  einem  jeden  Falle  zuerst  immer 
die  Belege  an,  welche  die  Regel  darstellen,  xmd  lasse  darauf 
die  Ausnahmen  folgen.  Die  letzteren  sind  immer  alle  auf- 
gezählt und  angegeben,  die  sich  vorfinden;  die  mit  der  Regel 
übereinstimmenden  Belege  dagegen  sind  nicht  immer  vollzählig, 
sondern  öfters  nur  in  einer  genügenden  (mitunter  vielleicht 
mehr  als  genügenden)  Anzahl  angeführt.  Sie  sind  nicht  immer 
in  gleicher  Menge  nothwendig.  In  Betreff  der  langen  Silben 
wird  von  der  Regel  kaum  gezweifelt  werden  und  es  wird  an 
je  einigen  Beispielen  genug  sein.  Mehr  beweisesbedürftig  ist 
die  Regel  in  Betreff  der  kurzen  Silben,  und  namentlich  in 
Betreff  der  Silben  ne  (geschrieben  ne  =  asl.  He),  verschieden 
von  nii  (geschrieben  nye  oder  nie  =  asl.  hmv,  H'k  und  ha)  und 
je  (geschrieben  gie  oder  gye  =  asl.  i<i  und  hA,  verschieden 
von  je  :=  asl.  le) ;  deshalb  sind  hier  auch  die  Belege  zahl- 
reicher und  namentlich  die  mit  iie-  vollzählig,  wogegen  für 
Belege  mit  ne  und  je  weniger  gesorgt  ist. 

Die  Regel  des  Passionais  gilt  für  alle  weichen  e-Silben; 
im  folgenden  Nachweis  sind  aber  nur  diejenigen  berücksichtigt, 
deren  Consonant  z,  s,  c,  f,  z,  s,  c,  j,  ü  ist,  nicht  auch  die  mit 
den  Consonanten  m,  b,  p,  v,  d,  f.  Die  Silben  mit  m,  b,  p,  v 
haben  einen  Nachweis    nicht    nothwendig,    da  sie    nur  folgende 


330  Gebauer. 

constante  Ausnahmen  bieten,  die  iusg-esaninit  auf  der  Aussprache 
(mit  e  statt  e)  beruhen:  brzieme,  asl.  breme,  345,  468;  medyene 
hady,  asl.  medent,  293,  sh'ipy  medyene  293;  slowenskemu 
pismu,  asl.  slovenLski,  311,  do  slowenske  zemö  383;  vsecka 
wezie,  asl.  veza  311,  na  vysokü  wezi  311,  na  jednej  wezi  347, 
po  vsiej  wezi  483,  v  tej  wezi  484,  tu  wezi  485,  v  onej  wezi 
485;  vecie  aor.,  asl.  vesta  283  etc.,  —  d.  i.  brieme  statt  bfieme, 
medene  statt  medene  u.  s.  w.  Ebenso  ist  bei  den  Silben  mit 
d  und  f  ein  genauer  Nachweis  theils  nicht  nothwendig-,  theils 
aber  nicht  mög-lich.  Es  kommen  nämlich  in  den  hieher  ge- 
hörigen sehr  zahlreichen  Belegen  die  Silben  mit  e  und  ie  ganz 
regelmässig  vor,  z.  B.  dyegy,  asl.  dejati.  355,  to  vidüce  zidye 
asl.  -ije  352,  ani  sedye,  asl.  sedeti>  369,  dyetye,  asl.  dete  310, 
na  tomto  listye,  asl.  liste  371,  hlavu  stiety,  asl.  -teti  301, 
krzestyene,  asl.  kr'Bstijane  346  etc.,  ausgenommen:  krzestene 
468 ;  —  für  die  Silbe  de  dagegen  gibt  es  keine  Belege  und 
für  te  nur  in  zapeczeten  (d.  i.  zapeöefen)  369,  pokrzsten  (d.  i. 
pokfsfen)  249,  und  im  enklitischen  fe:  To  te  278,  To  te  ten 
pfescastny  286,  proto  te  tak  hrozne  311,  snad  te  onen  chudy 
piistennik  325,  tohof  znaju  ez  te  svaty  clovek  325,  To  te  (t  mit 
einem  diakritischen  Punkt)  ta  Maria  hfiesnice  334  (neben  Tot 
jest  ib.),  velmi  te  lepe  posliichati  336,  Dobfe  te,  krali,  vzdßno 
jme  Dagnus  362,  To  te  ten  svaty  otec  Lev  371,  dceru,  jizto 
te  dna  zlamala  375  u.  s.  w. ;  daneben  eine  Ausnahme:  jesto 
tye  V  tvem  domu  325. 

A.  Nachweis  der  Regel  in  der  Declination. 

I.  Nominale  Declination,  und  zwar: 

a)  Declination  der  s-Stämme : 

Sing.  Voc.  (i  asl.  e:  bratrze  303,  304,  305,  306,  307,  308, 
mistrze  306,  przieworze  414,  petrze  294,  295,  296,  297  u.  s.  w., 
kristoforze  360  (zweimal),  vsemohüci  boze,  d.  i.  boze  379 ; 
zly  dusse  452;  czlowiecze  348,  nemiidry  czlowiecze  362;  ohne 
Ausnahme. 

Sing.  Loc.  e  asl.  e:  na  wozie  390,  o  tom  obrazie  380, 
u  bozie  302,  314  (2),  na  bozie  339,  356  etc.,  na  brziezie  360, 
na  brziezye    313;    po    czasie    452;    po    rocie    297,  u  poczatcye 


lieber  die  weichen  e-Silben  im  Altbölimisclien.  Ool 

280,    V  toin    zamutcye    376;    v   tom    swarzie,    d.  i.    sväre    356, 

V  klassterzie  396,  v  klasterzie  482,  v  svem  sborzie  317,  na 
sborzie  346;  v  svein  hrziessye,  d.  i.  hfiese  284;  —  ohne 
Ausnahme. 

Plur.  Loc.  iech  asl.  ein:  na  svych  boziech  348,  na 
rozlicnych  trziech  357 ;  po  czasiech  289,  345,  v  hlasiech  343 ; 
o  prorociech  279,  o  skutciech    285,    v   dobrych  skutciech  355, 

V  smutciech  302;  v  dworziech  283,  v  uhrziech  317;  v  hrziessyech 
334;   —  ohne  Ausnahme. 

h)  Declination  der  jfs-Stämme: 

Sing.  Gen.  Acc.  e  asl.  a:  Luciana  knyezie,  d.  i.  knezS 
399,  od  knyezie  435,  knyezie  pozvati  343;  kus  rzetyezie  357; 
otcye  276,  280,  282,  288  etc.,  bratrcie  473,  bratrcye  379  etc., 
ugcye  394,  Vita  synowcie  316,  synowcye  sveho  315,  rodicie 
425,  rodycye  396,  robencie  mladeho  373,  mladcie  329,  toho 
starcie  292,  me  nebozcie  326,  toho  hrncie  434,  z  miesczie,  d.  i. 
mesce  368,  puol  druheho  tysicie  348,  miesiecie  395,  miesiecye 
395,  Nyemcie  jednoho  317,  svateho  wawrzyncie  398,  402, 
403  (4),  425,  svateho  Wyncencie  425  etc.;  cyesarzie,  d.  i. 
ciesafe  281,  282  etc.,  ciesarzie  294,  295  etc.,  beides  sehr  oft ; 
kacierzie  376,  463,  kacierzye  376  etc.,  hospodarzie  287,  356  (2), 
richtarzie  355,  zalarzie,  d.  i.  zaläfe  305,  320,  321  etc.,  zaltarzie 
418,  lazarzie  334,  lazarzye  333 ;  muzie,  d.  i.  muze  286,  292, 
399,  451,  480,  papezie,  d.  i.  papeze  285,  376  (2),  papezye 
376  etc.,  krzizie,  d.  i.  kfize  422,  krzyzie  308,  355,  366,  379, 
krzyzye  321,  svateho  krzizie  483  (2),  485,  svateho  krzyzie 
484  (3),  485,  486,  487,  488  (2),  489,  svateho  krzyzye  486,  487, 
488  u.  s.  w. ;  towarzyssie,  d.  i.  tovarise  464,  Malachyassie  288, 
Barnabassye  288 ,  svateho  apolinarissie  344  (2) ,  345  (2), 
346  etc.,  apolinarissye  345;  velilceho  placzie,  d.  i.  place  304, 
pozdvihna  plasczie,  d.  i.  pläsce  340,  sveho  oraczie  387;  podle 
obicziegie,  d.  i.  obyceje  275,  obycziegie  347,  obyczyegie  312, 
313,  obyczyegye  339,  382  etc.,  toho  kragie,  d.  i.  kraje  281, 
331,  z  kragie  345,  do  kragye  401,  kfesfanskeho  krogie  riicho 
435,  tveho  pokogie  294,  podlc  Dunagye  484,  svateho  Matyegie 
277,  svateho  bartholomiegye  460;  okolo  ohnye,  d.i.  ohnö  405, 
z  uohnye  405  (2),  prostfed  ohnye  470  etc.,  tohoto  konye  453 
u.  s.  w.     Die    Anzahl    aller     hieher    gehöriger    Belege    ist   im 


332  Gebauer. 

Passional  sehr  gross;  darunter  eine  einzige  Ausnahme:  toho 
miesiece  394.' 

Sing.  Voc.  e  asl.  e:  mily  knyeze,  d.  i.  knöze  304, 
poranisli  knyeze  342,  knyeze  svaty  421 ;  otcze,  d.  i.  otce  292, 
306,  307,  316,  356,  371,  375,  414  (2),  421  u.  ö.;  vöz  to 
hubencze  432  (2),  ty  Nyemcze  317  (3),  Wawrzincze  429,  svaty 
wawrzincze  435 ;  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Instr.  em  asl.  f>wi&:  s  jedniem  knyezem  432,  rzetye- 
zera  415,  s  peniezem  477,  otcem  279,  292  (6),  304,  327, 
416  u.  ö.,  uotcem  355,  372,  s  synowcem  390,  s  tiem  robencem 
373,  s  wawrzincem  436,  s  wawrzyncem  403;  ciesarzem  295, 
426  u.  ö.,  eyesarzem  283,  369,  374  u.  ö. ;  pfed  oltarzem  343, 
415,  s  hospodarzem  433,  tvym  slogierzem,  d.  i.  slojiefem  307, 
s  lazarzem  333 ;  papezem  325,  327,  376,  407,  420  u.  ö.,  krzizem, 
d.  i.  kfizem  409,  krzyzem  343,  355,  358,  379,  479  u.  ö.;  za 
muzem  451,  s  rauzem  452;  s  towarzissem  307,  conuyrssem, 
d.  i.  konvirsem  (conversus)  413,  s  gezissem  286;  meczem  283, 
371,  377,  484,  placzem  293  (2),  312,  326,  370,  476  u.  ö., 
plasczem,  d.  i.  plasßem  320,  338,  plassczem  338,  biczem  387, 
kliczem  397,  olegem  348,  uolegem  349,  oleyem  470,  s  pokogem 
321,  krogem  rucha  380,  obycziegem  468 ;  ohnem,  d.  i.  ohiiem 
300  (2),  453 ;  —   ohne  Ausnahme. 

Dual  Nom.  Acc.  Voc.  e  asl.  a:  dva  kniezie,  d.  i.  kneze 

376,  dva  rzetyezye  395;  jsva  bratrzencie  290,  dva  bratrzencie 

377,  dva  syny  tvä  blizencie  293;  ta  dva  rityerzie,  d.  i.  rytiefö 
298  (2),  345,  ta  rityerzie  298,  oba  rityerzie  482,  oba  ciesarzie 
325,  ciesarzie  oba  327 ;  vy  ctnä  muzie,  d.  i.  muze  283,  dva 
kossye,  d.  i.  kose  400;   —  ohne  Ausnahme. 

Plur,  Acc.  6  asl.  e:  penyezie  367,  penyezie  zlate  327, 
za  ctyfi  penyezie  394,  penyezye  polozili  333,  ty  rzetyezie  395; 
tri  tysicie  286,  322,  pupencie  430,  sve  lowcie  374,  v  hedväbne 
postawcie  332,  za  palcie  482;  me  rityerzie,  d.  i.  rytiei'-ö  300, 
vsöcky  rityerzie  361,  jich  oltarzie  zbofil  303,  jedny  kacierzie 
413 ;  —  ohne  Ausnahme. 


1  Diese  Seite  des  Fassionais  ist  verliäitiiissmässig  sehr  reich  au  Ausnahmen, 
ausser  dem  Gen.  miesiece  werden  weiter  unten  noch  die  Gen.  sg.  slunce 
und  morze  angeführt  werden.  Der  Schreiber  war  hier  etwas  weniger 
aufmerksam  als  sonst. 


Ufibpr  die  weichen  e-Silben  im   Alüiohmisclien.  333 

c)  Declination  der  ?*;3-Stämme. 

Dual  Nom.  Acc.  Voc.  ie  asl.  ija:  dva  rzebrzie,  d.  i. 
febfie  418,  ta  jistä  rzebrzie  418 ;  —  ohne  Ausnahme. 

d)  Declination  der  o-Stämme. 

Sing.  Loc,  fT  asl.  e:  na  zelezie,  d.  i.  zeleze  433;  po 
nyekolicie  casieeh  289;  v  russye,  d.  i.  v  rüsö  312,  v  kräsnem 
russye  307,  391,  v  svem  russye  451,  u  brzyssye  310  (2),  392. 
Hieher  gehören  auch  die  Adverbien  nelzie  293,  300  u.  ö.,  tak 
mnozie  239,  415,  462,  blazie  by  mne  bylo  343,  blazie  tobe 
479,  mrzcie  286,  prudcye  317,  sladcye  402,  na  kratcye  286, 
wysocye  390,  dobrzie,  d.  i.  dobfe  280,  304  u.  ö.,  dobrzye  397, 
sczedrzie  333,  334,  383,  385  u.  ö.,  mudrzie  294,  nemudrzie 
483,  wskuorzie  288,  sirzye  303,  sporzie  394,  tyssye,  d.  i.  tise 
328  u.  s.  w. ;  —  ohne  Ausnahme. 

Plur.  Loc.  iech  asl.  ehz:  v  nebesiech  281,  na  nebesiech 
292  u.  ü.,  V  drahych  russyech  332 ;  —  ohne  Ausnahme. 

e)  Declination  der  ;o-Stämme. 

Sing.  Nom.  Acc.  Voc.  e  asl.  e:  srdce  proklali  283,  srdce 
me  304,  jejie  srdce  zazehl  334,  v  srdce  jejie  350,  srdce  jecalo 
415,  srdcze  318,  462,  464  u.  ö.;  slunce  342,  369,  374,"  460, 
483  u.  ö. ;  owoce  palmove  360,  zrd  owoce  dala  360,  wiederce 
wody  431,  okence  433,  za  morze  287,  288,  pfes  morze  287, 
288  (2),  292  u.  ö.;  u  morze  in  mare  338  (3),  morze  374  u.  ö.; 
loze,  d.  i.  loze  386,  pred  loze  410,  loze  zelezne  431  ;  bydliscze 
d.  i.  bydlisee  315  (3),  miestiscze  .340,  miestyscze  354,  trzyscze 
d.  i.  trzisce  367.  Hieher  gehören  auch  die  Adv.  wiece  279  (4) 
u.  ö.,  naywiece  321  u.  ö.,  blize,  d.  i.  blize  342  (2),  wysse  391, 
wlascze,  d.  i.  vläsce  280,  378  u.  ö.,  zwlascze  433  u.  s.  w.;  — 
ohne  Ausnahme. 

Sing,  Gen.  e  asl.  a:  ze  vseho  srdcie,  d.  i.  srdce  308, 
muzskeho  srdcie  318,  nestydliveho  srdcye  319,  na  vzchod 
sluncie  301,  483;  smorzie  nebo  s  zeme,  d.  i.  s  mofe  303, 
z  morzie  348,  349,  s  uone  strany  morzie  394;  polovici  mie- 
styssczye  postüpil,  d.  i.  mestiScö  403.  —  Dagegen  zwei  Aus- 
nahmen :  na  zäpad  slunce  statt  slunce  und  s  sie  strany  morze 
statt  mofe,  beides  394. 

Sing.  Instr.  em  asl,  bmi,:  srdcem  287,  306,  318,  419, 
435,  461,  463,  465,  474  u.  ö. ;  tyelcem  279,  320,  owocem  286; 
horzem  287,  349,  morzera  488  u.  ö. ;   —  ohne   Ausnahme. 

Sitzungsber.  d.  phil.-liist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  24 


334  Gebaner. 

Plur.  Noni.  Acc.  Voc.  k  asl.  a:  nevprnä  srdcie,  d.  i. 
srdcö  42(J,   kfesfauskä  srdcie  435;  —  ohne  Ausnahme. 

f)  Declination  der  ?j'o-Stämme. 

In  den  betreffenden  Casus  regehmässig  ie  statt  asl.  -ije 
und  -ijn:  zaytrzie,  d.  i.  zajtfie  31G,  sve  sbozie,  d.  i.  zbozie 
330,  sve  sbozye  333,  sveho  zbozie  311,  przistrziessye,  d.  i. 
pfistfösie  335  u.  s.  w. ;  —  ohne  Ausnahme. 

g)  Declination  der  a-Stämme. 

Sing.  Dat.  Loc.  ü  asl.  «:  sluzie,  d.  i.  sluzö  325  (2), 
340,  sluzie  boziemu  451 5  na  wazie,  d.  i.  väze  463;  jejie  krasie 
319  u,  ö.,  k  lesie,  d.  i.  lese  (Nom.  lesa)  432;  matcye  279  u.  ö., 
V  rucie  341,  v  rueye  397,  399  u.  ö.,  k  kolebcie  328,  k  rziecye 
360,  k  towarzyssczye  473,  po  welicie  noci  391 ;  v  sve]  pokorzie^ 
d.  i.  pokofe  312,  315;  wierzie  285,  315,  372,  373, '375  u.  ö., 
k  wierzie  313,  341,  v  svej  wierzie  321,  po  wierzye  322,  372; 
na  horzie  286,  366,  na  huorzie  354,  na  horzye  365  (2);  sestrzye 
377 ;  fimskemu  patriarssye,  d.  i.  patriarse  309,  na  strzyessye, 
d.  i.  stfese  314,  k  utyessye,  d.  i.  utöse  334,  k  sossj^e  470;  — 
ohne  Ausnahme, 

Dual.  Nom.  Acc.  Voc.  e  asl.  e:  rucye  287  (3),  305, 
306  u.  ö.,  rucie  306  (2),  na  svoji  rucie  340  u.  ö. ;  te  matcye 
278,  te  dieweye  362:  te  sestrzie  332;  —  ohne  Ausnahme. 

li)  Declination  derja-Stämme. 

Sing.  Nom.  e  asl.  a:  owcie,  d.  i.  ovce  379_,  pracie,  d.  i. 
präce  30.5;  sluzebnycie,  d.  i.  sluzebnice  307,  383,  poslussnycie 
307,  lawicie  363,  wlczycie  353,  355,  dyewicie  319,  320, 
321  u.  ö.,  suknicie  422,  bratizicie  316,  hrziessnycie  334, 
trogicie  278,  poselnycie  472,  putnycie  473,  muczedlnyczie  285, 
stolicie  418  u.  s.  w. ;  —  sudcye,  d.  i.  südcö  303,  sudcie  .300, 
349  (3),  413,  489  (3),  490  u.  ü.,  obrancie  297,  466,  swuodcye 
298,  proradcie  427,  vstawcie  kostelov,  d.  i.  ustavcö  303, 
milostivy  darcie  488 ;  —  burzie,  d.  i.  büfe  338,  374,  velikä 
burzie  419;  vsöcka  wezie,  d.  i.  vez6  484,  dialektisch  für  vez&, 
ruozie  369,  strazie,  d.  i.  sträze  303,  ten  strazie  324,  jak2  sem 
byl  strazie  297 ;  dussye  tvd,  d.i.  duse  454,  jestli  dussye  v6cnd 
288,  ta  dussye  283,  288 ;  svata  Nyetyssye  281 ;  jedinä.  nadiegie, 
d.  i.  nadöjö  331,  jistä  nadyegye  420,  nasö  nadyegye  472; 
wigylgye,  d.  i.  vigiljö  434,  wigilgye  434  (2);  krasna  wuonye, 
d.  i.  vuone  343;  —  ohne  Ausnahme. 


Ueber  ilin  woichnn  c-Silbon  im  Altliölimisclifin.  OOO 

Sing.  Gen.  e  asl.  e:  bez  me  pracie,  d.  i.  präce  293,  sve 
pracye  oG8,  z  uobcye  376 ;  z  pokoruc  diewicie  330,  z  svate 
dyewicie  464,  svate  trog-icie  278,  461,  od  sve  bratrzicie  331, 
te  russycie  351,  sve  strziebrnycye  355,  s  sve  stolieye  361,  sve 
sluzebnycie  381,  do  chlebuyeie  367 :  teto  burzie,  d.  i.  büfö 
419;  z  kradezye,  d.  i.  krädezö  355,  do  Parzyzie,  d.  i.  Pafizö 
408;  o  vecnosti  dussye,  d.  i.  duSö  288,  me  dussye  povysenie 
320,  bez  dussie  326,  sve  dussye  357 ;  sve  mssye,  d.  i.  rasÖ 
346,  mssye  poshichati  nechtel  415,  mssie  pomähase  422;  in 
jrae  kristouossye  358  kann  Kristonose  Nom.  und  Gen.  sein ; 
ssigie  poskytl,  d.  i.  sije  301,  podle  stagie,  d.  i.  stajö  308, 
z  niarigye  matky,  d.  i.  Marije  415;  —  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Voc.  e  asl.  e:  Przietelnyce  niä  niila,  znamenalalis, 
d.  i.  pfietelnice  471  (Nom.  prietelnice) ;  o  wodce  pravy,  d.  i. 
vödce  306  iNom.  vodce);  jdi  s  hohem,  wuodce  spasitelnych  306. 
Ueber  die  scheinbare  Ausnahme  südce  in  kfivdu  cinis  sudeie 
489  siehe  oben  (III.  n.  4). 

Flur.  Nom.  Acc.  Voc.  e  asl.  e:  pf-es  twrzie,  d.  i.  tvrze 
357;  vlicye  uprazniti,  d.i.  ulice  362,  skirzie  vlicye  367;  ruka- 
wicie  380,  svviecie  rozziehati  380,  na  wanocye  385;  vsecky 
dwerzie,  d.  i.  dvefe  388;  ty  ruozye,  d.  i.  i-noze  400;  tech 
dussye  muku  trpie,  d.  i.  duse  289,  dussye  jsü  zivy  289,  tarn 
dobre  dussye  bydhti  budü  321,  dussie  sve  pustili  370,  vsech 
vernyeh  dussye  415,  za  vse  dussye  415,  dussye  se  raduji  429, 
sve  dussye  lapa  451,  dussye  do  nebes  vzaty  45.5,  tyto  dussye 
470,  ty  dussye  487,  vsecky  dussye  488 ;  pro  milosczye,  d.  i. 
milosce  325;  naii  pomygie  lejiC;,  d.  i.  pomyje  325;  —  ohne 
Ausnalime. 

Flur.  Dat.  iem  asl.  amT,:  svym  panossyem,  d.  i.  panosiem 
348,  vsem  dussyem,  d.  i.  dusiem  488;   —   ohne  Ausnahme. 

Flur.  Loc.  iech  asl.  ahz :  po  uliciech  302,  v  rucznyciech  302, 
o  dyewiciech  318;  v  komziech,  d.  i.  komziech  411;  —  ohne 
Ausnahme. 

Flur.  Instr.   rnii  asl.  ami:    vdyciemi.    d.  i.    udic^rai  348, 

482;    radoscziemi,   d.    i.    radosöemi  290,    291 ,  -332,   468,    481, 

482    u.  ö.,    miloscziemi    480,    zaloscziemi,    d.  i.    zaloSöemi  348; 

pochodnyerai  322 ;  —  ohne  Ausnahme. 

24* 


336  Gebauer. 

i)  Declination  der  ya-Stämme. 

Die  betreffenden  Casus  haben  regelmässig  ie  für  asl.  ije, 
ija  und  ije;  z.  B.  bratrzie,  d.  i.  bratfie  sing.  Nom.  288,  bratrzie 
mild  sing.  Voc.  291,  vsecka  bratrzie  314,  svate  marzie  Gen. 
343;  pohanskä  knyezie,  d.  i.  kngzie  345;  jeden  podcziessye, 
d.  i.  podöösie  299,  300,  jeden  podratagye  387  u.  s.  w.  —  ohne 
Ausnahme. 

k)  Declination  der  i- Stämme. 

Plur.  Nom.  masc.  ie  asl.  ije'.  vsickni  eztyrzie  280, 
cztirzie  katove  479;  muzye  bradati,  d.  i.  muzie  3l8;  —  ohne 
Ausnahme. 

Plur.  Dat.  em  asl.  him:  trzem  bohöm  347,  cztirzem 
muzöm  349,  vsem  rzieczem  317;  —  ohne  Ausnahme. 

Plur.  Dat.  ech  asl.  iM:  v  tajnych  wiecech  286,  v  tohoto 
sveta  wiecech  291  u.  ö.,  po  trzech  stech  365,  v  tech  trzech 
dnech  429,  ve  cztirzech  458,  po  cztirzech  465;  —  ohne 
Ausnahme. 

l)  Declination  der  consonantischen  Stämme. 

Im  Paradigma  mdti  hat  der  sing.  Gen.  e  asl.  e:  materze 
288,  u  materze  338,  396,  hrob  materze  422;  z  jeho  dcerze 
424;  —  ohne  Ausnahme. 

Im  Paradigma  kure  asl.  k^ire  hat  die  Ableitungssilbe 
regelmässig  e  für  asl.  e,  wenn  der  Umlaut  eintritt;  z.  B.  sg. 
NAV.  knyezie,  d.  i.  knie^ö  337  (3)  u.  ö.,  knyezye  314  (2), 
316,  317u.  ö.;  sg.  Gen.  u  koyeziete,  d.  i.  kniezete  392;  sing. 
Dat.  ke  knyeziety,  d.  i,  kniezöti  317,  knyeziety  314,  336,  340; 
sg.  Instr.  knyezyetem,  d.  i.  kniezetem  318,  339;  und  in  den 
jüngeren  Stücken  des  Passionais  kdyz  ta  knyezietye  proti  sobe 
jdiesta,  d.  i.  knie^etö  Nom.  du.  515  und  o  ceskych  kuyezie- 
tyech  576.  —  Ausgenommen  sg.  N.  knyeze   337    statt   knieze. 

m)  Das  Pronomen  refleximu  se  hat  immer  e  für  asl.  §; 
z.  B.  öte  sie  27.5,  zasie  sye  nevracovala  287  u.  ö. 

II.  Pronominale  Declination,  und  zwar: 

a)  Declination  des  Pronomen  onen. 

Die  betreffenden  Casus  haben  «  und  ie  für  asl.  e ;  z.  B. 
onye  (dvö  dievce)  vecesta,  d.  i.  onö  362,  ten  fetöz  ke  dvema 
onyema  pfilozichu  395,  onyem  vsem  rytieföm  362,  ouyem  hostem 


lieber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  od7 

pl.    Dat.    386;   gednyem    kralem,    d.  i.  jedniem    358;    —  ohne 
Ausnahme. 

h)  Declination  des  Pron.  co  statt  ce-so,  cso. 

Der  Stamm  hat  e  asl.  e;  z.  B.  czeho  291,  416,  417  u.  ö., 
czehoz  316,  czemu  326,  nyczemuz  416,  v  czem  332,  489,  na 
czem  346,  371,  v  nyczemz  465,  wnywczem  294,  308  u.  s.  w. ; 
—  ohne  Ausnahme. 

c)  Declination  des  Pron.  jo. 

Sing.  Nom.  (Acc.)  masc.  jeyiz  und  nenz^  e  für  asl.  h  des 
Suffixes  -hw'b,  vergl.  onLut  ille.  Z.  B.  Jesukrista,  genzto  pravi 
277;  aby  nam  dal  ten  list,  genz  dyrzis  326;  genz  s  nim  j6diese 
452 ;  yensto  byl  ukfizovän  302 ;  hod,  yenzto  slawiechu  395  u.  s.  w. ; 
pro  neuzto  div,  d.  i.  nenzto  344,  pro  nenzto  iiraz  374;  pro 
ne~zto  div  470  (corrigirt  aus  nezto);  —  Ausnahme:  pro  nyenz 
div  395,  d.  i.  pro  nenz  statt  pro  nenz. 

Sing.  Nom.  Acc.  neutr.  je  und  ne,  e  für  asl.  e:  vzem 
ge  (defätko)  na  svoji  ruce  340 ;  to  slovo,  gesto  jest  409;  dfevu, 
gessto  biese  posvöceno  468 ;  byle,  yesto  rostlo,  yesto  moci 
nemelo  380;  to  slovo,  yesto  David  pravi  418;  df6vo_,  yesto 
486;  ja  jsem  milosrdie,  yesto  tuto  bydli  419;  cisti  to,  yesto 
prorok  pise  469  u.  s.  w. ;  —  die  Belege  für  ne  führe  ich  alle 
au :  tof  telo  me  vstup  wne,  d.  i.  v  ne  423  (corrigirt  aus  wnye), 
pro  nes,  d.  i.  pro  nez  423,  pro  nez  354,  za  nezto  281,  401, 
skrze  nezto  313,  pro  nezto  278  u.  ö.  (66  Mal),  pro  nezto 
zahanbenie  297.  —  Unter  den  Abweichungen  ist  pro  nyezto 
388,  410  und  411  nicht  sicher,  da  es  auch  als  Plur.  gedeutet 
werden  kann.  Ebenso  mag  die  Abweichung  in  gyesto  zbozie 
tobe  probytecno  bude  478  unter  dem  Einflüsse  des  lateinischen 
Plurals  entstanden  sein;  bei  Graesse,  I^egenda  aurea  598,  heisst 
es  auf  der  entsprechenden  Stelle :  invenisti  divitias,  quas  non 
dimiserunt  parentes  tui,  quibus  egebunt  hi,  qui  etc.  Unbe- 
streitbare Ausnahmen  sind:  gyesto  mesto  svaty  Jan  jmenuje 
323,  gyezzto  mösto  330  und  skrze  nyezto  svate  dfövo  486, 
d.  i.  jez  und  nez  anstatt  jez  und  nez. 

Zum  Sing.  Nom.  Acc.  neutr.  gehört  auch  das  bereits 
unter  den  scheinbaren  Ausnahmen  (III.  a.  3)  erwähnte  rela- 
tivum  absolutum  jez,  jezto,  jesto.  Es  wird  im  Passional  immer 
ge-    oder    ye-    geschrieben,     z.    B.    vsemi  ,     gesto    sü    sc    kdy 


338  Gebauer. 

narodili  277;  tu,  yesto  telo  jeho  hfbi  376-,  na  to  miesto,  yesto 
bratfie  sedajic  mluvie  416;  na  to  miesto,  yesto  krsczen,  pfisel 
471;  blazena  jsi,  gezs  uvefila  280;  vef  mi,  gez  pro  te  nas 
vzkfiesil  hospodin  370;  o  tej  zene  pise  sv.  Ambroz,  yez  to 
byla  svatä  Marta  380  u.  s.  w. 

Sing.  Norn.  fem.  jez,  e,  für  asl.  a:  matka  giez  biese 
uinfela  373;  svetlost,  gyezz  vosken  zalär  osvietila  320;  gyesto 
hvezda  ves  svct  osvecovdse  404;  do  jedne  pelesi,  gyez  nad 
hrobem  biese  475. 

Sing.  Gen.  masc.  ncutr.  jeho  und  Yieho,  e  für  asl.  e: 
jego,  £ego.  Z.  B.  geho  275,  276  u.  ö.,  yeho  335,  471  u.  ö., 
gehozto  275,  277,  yehozto  452,  461,  sehr  häutig;  —  miesto 
nehü,  d.  i.  neho  315,  407,  miesto  nehozto  349  (2),  ot  neho 
308,  od  neho  281),  308  (2),  310,  311,  312  (2),  359,  382,  476, 
od  nehozto  333,  378,  387,  413,  okolo  neho  316,  466,  s  neho 
385,  skrze  nehozto  433,  477,  u  neho  357,  433,  u  nehoz  313, 
u  nehozto  356,  409,  413,  z  neho  396,  468,  z  nehozto  275,  292, 
za  nehozto  316,  328,  389,  ^21;  —  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Gen.  fem.  Für  diesen  Casus  hat  das  Altböhmische 
drei  Formen:  ße,  jejie  und  jiej'.  Die  erste  entspricht  dem  asl. 
je  und  beruht  auf  dem  Stamme  ja-  (s.  Miklosich,  Ueber  den 
Ursprung  einiger  Casus  der  pronom.  Deck  Sitzungsber.  der 
k.  Akad.  d.  Wissensch.,  phil.-hist.  Cl.,  LXXVIII.  S.  147). 
Die  zweite  ist  das  asl.  Jeje  und  ist  vom  erweiterten  Stamme 
jeja-  gebildet.  Die  dritte  ist  aus  der  ersten  entstanden,  indem 
diese  unter  dem  Einflüsse  des  Dat.  und  Loc.  die  Endung  j 
angenommen  hat,  jiej  aus  jie  -f-  j,  ebenso  wie  asl.  ej  statt 
je  -|_  j  (Miklosich,  Gramm.  III'^  S.  51).  Sie  kommt  nach 
meiner  Beobachtung  nur  in  solchen  Denkmälern  zum  Vor- 
schein, die  in  der  pronominalen  und  zusammengesetzten  De- 
clination  au  dem  Unterschiede  zwischen  dem  Dat.  Loc.  sing, 
fem.  (mit  der  Endung  -j)  einerseits  und  dem  Gen.  sing.  fem. 
(ohne  -j)  andererseits  nicht  festhalten;  so  z.  B.  in  der  Katha- 
rinen-Logende:  Gen.  giez  jmela  viece,  d.  i.  jlez  sc.  lepoty  126 
und  matka  gyey  stfeiiese,  d.  i.  ji(j  sc.  dcerc  124,  Dat.  nikde 
gyey  nebyla  rovne,  d.  i.  JieJ  sc.  panne  121  und  poce  se  gie 
protiviti,  d.  i.  Jic  sc.  Katefinö  250,  Gen.  z  te  mdloby  962  und 
tej  panny  200,  Loc.  v  hroznej  boliatosti  476  und  u  mnohc 
pfietö  462  u.  s.  w.  Ln  Passional,  welches  im  Einklang  mit  dem 


TJeber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  dö9 

Altslovenischen  an  dem  eben  erwähnten  Unterschiede  strenge 
festhält  (Gen.  te  svate  —  Dat.  Loc.  tej  svatej  oder  svetej), 
ist  der  Gen.  jiej  nicht  ein  einziges  Mal  zu  treffen;  er  war 
einmal  schon  aufgeschrieben,  aber  der  musterhafte  Schreiber 
hat  ihn  für  unrichtig  gehalten  und  corrigirt:  ez  gie  (corrigirt 
aus  giey,  sc.  sestry)  od  manzelskeho  stavu  rozvesti  nemohl  451. 

—  Dieselben  drei  Formen  hat  auch  das  Neuböhmische :  ji  aus 
dem  alten  jie;  jeji  (als  Adjcctivum  aufgefasst  und  declinirt) 
aus  jejie,  und  das  dialektische  jej  aus  jiej. 

Eine  andere  bisher  übliche  Erklärung  ist  die,  welche 
Safafik,  Pocatkove  staroceske  mluvnice  S.  73  u.  74,  gegeben 
hat.  Hiernach  soll  dieser  Casus  altböhmisch  jeje,  jej  und  je 
gelautet  haben  und  sollen  die  beiden  letzteren  Formen  durch 
Verkürzung  aus  der  ersten  entstanden  sein.  Dagegen  will  ich 
vor  der  Hand  nur  das  einwenden,  dass  diese  Formen  im  Alt- 
böhmischen nicht  genügend  nachgewiesen  sind.  Wohl  findet 
man  püti  ieie  Rukop.  Kral.,  pyta  se  iei  skfivänek  ib.,  ktoz 
gey  (sc.  milosti)  zakusi  Nova  Rada  274,  gesstot  kazdy  zäda 
(d.  i.  jeztot,  falls  es  auf  milosti  zu  beziehen  ist;  doch  kann 
es  auch  als  jestof  =  quod  aufgefasst  werden)  ib.  831  u.  s.  w. ; 
aber  diese  und  solche  Belege  sind  zum  Beweise  nicht  genügend, 
weil  sie  aus  Handschriften  herrühren,  die  theils  zu  jung  sind 
(Nova  Rada  geschi'ieben  1450);,  theils  ungenau  in  der  Schreibung 
der  weichen  e-Silben,  um  die  es  sich  eben  handelt.  Will  man 
erfahren  und  entscheiden,  ob  die  hier  betrachteten  Formen  in 
der  alten  Aussprache  jeje  oder  jej/e,  jej  oder  ye],  je  oder  jie 
gelautet  haben,  so  niuss  man  alte  Handschriften  zu  Rathe 
ziehen,  die  in  der  Schreibung  der  weichen  e-Silben  genau  oder 
ziemlich  genau  sind.  Diese  aber  bieten  nach  meiner  Erfahrung 
nicht  jeje,  jej  und  je,  sondern  jeji'e,  j^'ej  und  'ye ;  sie  haben  an 
der  betreffenden  Stelle  nicht  blosses  c  geschrieben,  sondern  ie 
oder  ye,  und  wenn  man  hier  trotzdem  blosses  e  oder  e  liest  — 
z.  B.  ez  jej  (geschrieben  gyey,  sc.  dcefe)    stfeziese  Kath.    124 

—  so  ist  das  unrichtig  gelesen. 

Es  hatte  also  das  Altböhmische  für  den  Gen.  sing.  fem. 
die  Formen  yVe,  jejie  und  die  späte  Analogiebildung  jiej.  Diese 
kommt  im  Passional  nicht  vor;  die  Belege  für  die  übrigen 
führe  ich  beinahe  vollzählig  an. 


340  Gebauer. 

jie  (geschrieben  gie  und  gye) :  zlym  skutkera  gie  (sc.  zeny) 
läkäse  28G,  s  velikym  se  gie  pläöeni  chvatil  290,  on  gye 
Lislysav  293,  tu  gie  poprosi  301,  giesto  (sc.  rüchy)  mieti  nebude 
301,  gyezz  (sc.  hlavy)  nalczti  nemohli  308,  netaze  gie  pozfieti 

321,  aby  raöil  gye  uslyseti  322,  gye  (sc.  Marie  Magdaleny) 
nevidiese  342,  mnozi  gie  (sc.  Kristiny)  suübiecliu  347,  pfietele 
nechtöchu  gye  (sc.  Kristiny)  nikomu  däti  347,  prose  gye 
(sc.  krälovny)  410,  ktoz  se  gye  (sc.  studnice)  napil  422,  ez 
gie  (corrigirt  aus  giey,  sc.  sestry)  od  manzelskeho  stavu 
rozvesti  nemohl  451,  gyezto  modly  456,  gye  (sc.  prave  viery) 
zadaje  463,  dlüho  gye  (sc.  Saviny)  ptajic  472,  coz  gye  (sc.  Sa- 
viny)  prosily  473,  tehda  s6  gye  (sc.  Kornelie)  po  lici  nabivse 
do  zalaM  ji  opet  vedli  490,  gyezto  (sc.  Kornelie)  andele 
bränie  490; 

nie :  z  nye  344,  u  nye  378,  poce  diabel  z  nye.  volati 
402,  poc6  z  nye  diabel  volati  424,  studnice,  z  nyezto  teöe 
pramen  460; 

jejie  (geschrieben  gegie,  gegye  und  yegye) :  v  gegie  domu 
278,  otec  gegie  281,  gegie  syny  285,  pf§d  gegie  ocima  285, 
devef  gegie  286  (corrigirt  aus  devef  gie  gegie),  gegie  muz  287, 
gegie  kräse  319,  gegie  tväf  319,  s  gegye  zivötka  320,  gegie 
rebra  320,  gegie  kräsy  320,  gegie  zivot  320,  348,    gegie    krve 

322,  ^Q^jti  zivot  322,  383,  za  gegye  pf etrpeuie  323 ,  bratr 
gegye  333,  451,  telo  gegye  334,  gegie  skriisenie  334,  gegie 
srdce  334,  pred  gegie  sestrü  334,  k  gegie  ütese  334,  gegie 
üsta  336,  gegie  boha  337^  u  gegie  prsi  338,  plascem  gegye  338, 
V  gegie  pfiebytek  341,  gegie  tväf  342,  gegye  fec  slysiese  342, 
po  gegye  smrti  343,  gegie  hrobu  343,  pfietele  gegie  347,  otec 
gegye  347,  378,  472,  od  gegye  dievek  347,  inatka  gegye  348, 
gegie  otec  349,  gegye  prsi  Acc.  350,  v  srdce  gegye  350,  gegye 
Isti  Gen.  355,  gegye  sestra  363,  381,  svatych  gegye  bratfi  377, 
zachtev  yegye  zbozie  i  gegye  daröv  377,  mate  gegye  378, 
v  gegye  näbozenstvi  379,  gegye  slova  pl.  Nom.  379,  do  gegye 
skoncenie  380,  gegye  skoncenie  380,  381,  dusi  sestry  gegye 
380,  gegie  skonöenie  381,  pfed  gegye  skoncenim  381,  okolo 
gegye  tfela  382,  gegye  otci  402,  za  ^Q^yQ  syna  462,  gegye 
tovafiska  473,  gegie  tovafiska  474,  gegye  hospoddfe  Acc.  sg. 
479,  hospodilf  gegye  480,  bok  gegye  490,  gegye  modlitbü  490. 

Eine  Ausnahme  ist  im  Passionale  nicht  zu  finden. 


Ueber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  o41 

Die  Form  jejie  wird  fast  nur  possessiv  gebraucht  und  in 
Folge  dessen  mit  der  Zeit  als  Adjcctivum  possessivum  auf- 
gefasst  und  declinirt:  jejieho  später  jejiho,  jejiemu  später 
jejimu  u.  s.  w.  Die  Anfänge  dieser  Declination  sind  im  Alt- 
böhmischen  viel  häufiger  zu  finden,  als  man  zu  glauben  scheint; 
im  Passional  gehören  hielier:  gegyey  pocestnej  postave,  d.  i. 
jejiej  sg.  Dat.  335  und  gegyey  sö  milosti  poruö  410. 

Sing.  Dat.  masc.  neutr.  jemu  und  hemu,  e  für  asl.  e, 
jemuj  nemu.  Z.  B.  gemu  275,  276  .  .  .,  gemuzto  275  .  .  .,  yemu 
459,  464  .  .  .,  yemuzto  461,  463  .  .  .,  sehr  häutig;  —  k  nemu, 
'  d.  i.  k  nemu  275  und  öfters  (51  Mal),  k  nerauz,  d.  i.  k  nemuz 
290  u.  ö.  (17  Mal),  k  nerauzto,  d.  i.  k  üemuzto  304  u.  ö. 
(26  Mal),  proti  nemu  294,  298,  proti  nemuzto  301,  369,  396; 
—  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Dat.  Loc.  fem.  Das  Altsloveuische  hat  hier  die 
Formen  i  vom  Stamme  ja-  und  je/  vom  Stamme  jeja-  (Miklosich, 
Sitzungsber.  a.  a.  O.). 

Dem  asl.  i  entspricht  das  aböhra.  ji,  welches  in  der 
zusammengesetzten  Declination  zur  Bildung  dieser  Casus  ver- 
wendet erscheint,  vysocej  aus  vysocö  -|-  ji,  ebenso  wie  asl. 
dobrei  =:  dobre  -\-  i.  Selbstständig  tritt  diese  Form  im  Alt- 
böhmischen nicht  auf  und  wird  durch  jiej  (wobei  die  Länge 
der  Silbe  als  wahrscheinlich  angenommen  wird)  vertreten. 
Dieses  jiej  ist  aber  nicht  das  asl.  jej,  denn  asl.  jej  würde  alt- 
böhmisch ebenfalls  jej  lauten,  sondern  es  ist,  wie  ich  glaube, 
durch  Einfluss  des  Dat.  Loc.  tej,  dobrej  u.  s.  w.  aus  jY  hervor- 
gegangen und  daher  mit  dem  nsl.  jvj  zusammenzustellen  (vergl. 
Miklosich  a.  a.  O.). 

Eine  dem  asl.  jej  entsprechende  Form  hat  das  Altböh- 
mischc  nach  meiner  Beobachtung  nicht.  Wenn  man  mitunter 
ein  aböhm.  jej  findet  oder  zu  finden  glaubt,  so  ist  das  wiederum 
ungenau  geschrieben  oder  unrichtig  gelesen.  Alte  Denkmäler, 
deren  Orthographie  in  Betreff  des  ß,  «  und  ie  etwas  genau  ist, 
bieten  jiej  als  Regel ;  findet  man  dagegen  stfözechu  iei  püti 
jejie  drähu  Rukop.  Kral.,  so  ist  zu  berücksichtigen,  dass  die 
Schreibweise  dieses  Denkmals  in  unserer  Hinsicht  überhaupt 
ungenau  ist;  und  wenn  in  der  Katharinen-Legende  v.  257  ta 
jej  (sc.  Katefine)  inhcd  da  vedöti  und  v.  121   nikde  jej  nebyla 


342  Gebaner. 

rovne  transscribirt  wird,  so  ist  das  unrichtig-  gelesen,  denn  das 
Original  bietet  giey  und  gyey,  d,  i.  jiej. 

Alles  dieses  findet  in  den  Belegen  des  musterhaften  Pas- 
sionals  volle  Bestätigung,  sie  folgen  hier  alle  und  sind  ohne 
Ausnahme  regelmässig. 

Dat.  jiej  (geschrieben  giei,  giey,  gyei  und  gyey) :  gieyzto 
jme  Elisabet  275,  ano  giey  nikte  nepravil  279,  to  giey  fekse 
284,  giey  povoliv  287,  giey  diese  287,  co  by  giey  bylo  287, 
poce  giey  rozpraveti  287,  gyey  däväse  287,  gyeyz  svaty  Petr 
poöe  porokovati  289,  kak  s6  giey  pfihodilo  289.  gieyz  sv.  Petr 
odpovede  290,  gieizto  dua  ruce  zlämala  290,  aby  giey  gegie 
syna  ukäzal  290,  tehda  giey  pfikazal  290,  giey  v  tväf  vezfev 
290,  ez  se  giey  melo  tak  pfihoditi  292,  z  tolio  giey  za  zle  mieti 
neslusie  292,  pocechu  s6  giey  posmievati  301,  tehda  giey  povede 
307,  odpovede  gyey  307,  gyeyzto  (pusci)  314,  k  tomu  giey 
vece  319,  tu  se  gyey  zjevila  320,  se  gyey  zjevil  321,  käza 
gyey  ruce  sväzati  322,  aby  gyey  pfepustili  322,  prsten  gyey 
dal  schovati  323,  dceru,  gyeyzto  Klotilda  fekli  328,  od  matky, 
gyeyzto  jme  Svenia  328,  tu  gyey  hfiechy  odpustil  334,  gyey 
velese  334,  gyey  vinu  dävase  334,  giey  pfiezn  ukäzal  334, 
gyeyzto  se  hospodiü  ukäzal  335,  gyey  vece  336,  opet  se  gyey 
zjevila  336,  gyey  (sc.  dcefi)  nepfekäzal  345,  giey  (sc.  Kristine) 
bohy  postavil  347,  giey  kämen  k  hrdlu  pfiviezic  348,  giey 
hlavu  stieti  349 ,  gyey  (krälövne)  jme  bylo  353 ,  gyeyzto 
(krälovne)  353,  gyey  hlava  sfata  363,  gyeyzto  (sc.  hofe)  Celyon 
deji  364,  gyey  (Marii)  fiekali  370,  dievka,  gyeyzto  jme  bylo 
Lucina  377,  vele  se  giei  modÜti  377,  gieizto  nemoci  380,  gyey 
se  zjevil  380,  uprosisli  gyey  (dcefij  zdravic  393,  krälovmi, 
gyeyzto  Kleopatra  fekli  394,  gyeyzto  (dcefi)  395,  aby  gyey  to 
odpustil  401,  gyeyzto  Eudosia  fekli  402,  v  tej  vsi,  gieyzto 
Callegora  döji  404,  sestra,  gyeyzto  milosrdie  deji  419,  jednej 
paniej,  gyeyzto  fekli  Eufrosina  421,  na  hrob  matefe,  gyeyzto 
Eufrosina  fekli  422,  dceru  gieyzto  Artemia  fekli  423,  ciesaf 
dal  giey  poliöek  433,  käzal  gyey  na  horücicm  zeleze  choditi 
433,  radu  gyey  dal  451,  modla,  gyeyzto  fiekachu  Astarot  456, 
z  vlasti,  gyeyzto  Africa  deji  461,  gyey  (sc.  matce)  vec6  462  (2), 
gyey  (sc.  modle)  v  tväf  podul  468,  u  föky,  gyeyzto  Sekvana 
d§ji  469,  zjövil  se  giey  andöl  471,  tehda  gyey  Savina  poce 
rozpraveti  472,  gyeyzto  ona  odpovede  472,  jamzto  gyey  andcl 


Ueber  die  weichen  e-Silben   im  Altböhmischen.  d4«j 

jiti  käzal  4:73,  g-yeyzto  ten  miiz  vece  473,  inhed  se  giey  zjevil 
481,  käza  g-iei  do  Constantinopoli  pluti  481,  se  gyey  sv.  Adrian 
zjevil  482,  kaz  gyey  lilavu  stieti  41)0,  zvef  se  gyey  radovala 
490,  zvef  gyei  nie  neuciuila   490. 

Dat.  niej  (geschrieben  nyey  und  niey):  k  niey  pfijidu 
aor.  3.  pl.  287,  k  nyey  289,  320,  334,  337,  342  (2),  347,  348, 
354,  378,  381  (2),  451  (3),  457,  462,  480,  490  (2),  k  nyeyz 
289,  k  nyeyzto  337,  341,  347  (3),  348  (2),  393,  462,  471,  472, 
473  (2j,  478,  489;  proti  nyey  321. 

Loc.  niej  (geschrieben  nyei  und  nyey) :  na  nyei  (sc.  stolici) 
418,  pfi  nyei  339;  na  nyey  (sc.  zenej  289,  na  nyey  (sc.  Marte) 
380,  na  nyey  (^sc.  zini)  385,  na  nyeyzto  ceste  464,  na  nyeyzto 
prosbe  465,  o  nyey  (sc.  Kristine)  347,  o  nyeyzto  käzes  337, 
o  nyeyzto  se  cte  347,  o  nyeyzto  svatä  cierkev  zpievä  488,  pfi 
nyey  282,  482,  po  nyey  474,  v  nyey  457  (2j,  v  nyeyzto  311, 
331  (2),  341,  344,  402,  454. 

Aus  jii'j  und  niej'  ist  später  jie  und  nie  und  hieraus 
(durch  die  im  Böhmischen  zur  Regel  gewordene  Verengung 
des  ie  in  i)  ji  und  nl  entstanden.  Für  die  spätere  Form  jie 
und  nie  sind  im  Passional  folgende  Belege:  Dat.  jie:  do  vlasti, 
gyezto  Syria  deji  323,  dcery,  giezto  Konstancia  diechu  281, 
dceru,  g-iezto  Balbina  deji  393  und  wahrscheinlich  auch  giezto 
Justina  jme  biesc  291,  wo  g-iezto  wohl  auch  als  Dat.  und 
nicht  als  Gen.  aufzufassen  ist;  auch  möge  bemerkt  werden, 
dass  in  vier  Fällen  (k  tomu  gicy  vece  319,  käza  gyey  ruce 
sväzati  322,  aby  gyey  pfepustila  322  und  prsten  gyey  dal 
schovati  323j  Rasuren  versucht  worden  sind,  die  den  Zweck 
hatten  y'ie  aus  jiej  zu  machen.  Loc.  nie:  zlost,  wnyezto  smy 
321.  Es  braucht  nicht  bemerkt  zu  werden,  dass  das  nicht 
Ausnahmen  von  der  hier  betrachteten  Regel  sind.  —  Neben 
dem  nböhm.  ji  besteht  auch  das  dialektische  jej.  Ob  dieses 
ebenfalls  aus  jiej  entstanden  oder  ob  es  wie  das  asl.  jej  vom 
Stanmie  jeja-  abzuleiten  ist,  ist  in  Ermanglung  der  nöthigen 
Mittelglieder  schwer  zu  entscheiden :  die  Analogie  des  dialek- 
tischen Gen.  jej  aus  jiej  spricht  für  die  erstere  Erklärung. 

Sing.  Acc.  masc. :  n  aus  *j'B  vom  Stamme  ja-,  und  jej 
statt  *jeji>  vom  Stamme  jeja-  (Miklosich.  Sitzungsber.,  1,  c. 
S.  149j. 


I 


344 


Gebaner. 


r>  (enklitisch):  na  n,  d.  i.  na-n  291  (corrigirt  aus  na  ni), 
na  n  311,  325,  331,  345,  346,  391,  396  (2),  405,  452,  460, 
470;  po  n  474:  pfede  n  319,  409,  466,  474;  skrze  n  286,  386; 
ve  n  293;  za  n  313,  397,  410,  411,  418,  466,  471,  474. 

Jrj  (geschrieben  gel,  gey,  yei,  yey):  gei  (Nazaria)  ualezse 
373,  gei  (obraz)  u  pocti  mela  380  .  .  .,  do  raesta  gey  vehnachu 
282,  tu  gey  utkavse  283,  vyhnachu  gey  311,  kdyz  gey 
tresktal  384,  käzal  gey  v  zaldf  däti  428,  hospodin  gey  uslysal 
465  u.  ö.  .  .  .  (poce  yei  mazati  40,  im  jüngeren  Theile  des 
Passionais),  pohani  yey  jeli  357,  kazal  yey  vyvesti  423,  käzal 
yey  obleci  436,  lenost  yey  tiehniese  464,  yey  naha  ostavivse 
477  u.  ö.;   —  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Loc.  masc.  neutr.  nem,  e  für  asl.  e,  jenih,  nenih: 
na  nem,  d.  i.  iiem  297;  na  nemz  326,  369:  na  nemzto  325, 
339  (2),  384,  399,  486;  o  nem  279  (2),  280,  281  (2),  286, 
310,  311  (2;,  322,  370,  386  (2),  392,  404,  415,  422,  433,  466, 
467,  474;  o  nemz  279  (2),  424;  o  nemzto  277,  304,  337  (2), 
460;  po  nem  283,  315,  317,  325,  328,  369,  385,  389,  421  (2), 
427,  455,  463,  471;  po  nemzto  291,  428,  434;  pfi  nem  485, 
pfi  nemzto  461;  v  nem  280,  295,  415;  v  nemz  334,  370,  376, 
393,  404;  v  nemzto  277,  280,  288,  289,  313,  329,  331,  364, 
369,  396,  401,  407,  408,  412,  424,  425,  455,  465,  478;  — 
dagegen  zwei  Ausnahmen:  pfineste  zelezne  loze,  a£  na  nyem 
neposlusny  Vavfiucc  odpocine  431  und  po  nyem  389,  d.  i.  nem 
statt  nem. 

Sing.  Loc.  fem.  siehe  Dat. 

Dual.  NAV.  masc.  je  und  ne,  e  für  asl.  «,  Ja;  Belege 
hiefür  sind  im  Passional  folgende:  zda  gie  (dva  syny)  naleznes 
287;  sva  bratfence,  giezto  nase  matka  mni,  bychve  u  mofi 
utonula  290;  Nero  käza  inhed  oba  apostoly  jieti  i  dal  gie  u 
moc  jednomu  rytieri,  jemuzto  Paulin  diechu,  a  Paulin  gie 
porucil  Mamertinovi  .  .  .  Paulin  käzal  gie  stieti  298;  tepü  gie 
305,  gie  rozvedäc  305,  gie  zahubili  306,  videl  jsera  gie  ana 
jdeta  307,  ja  sem  gie  vidöl  307,  gieztos  miloval  308,  sc.  Petra 
a  Paula;  gie  (sc.  manzelyj  synem  obdaroval  323;  käzal  gye 
oba  stieti  353;  kdyz  gye  oba  na  rozhrani  postavichu  353;  kdy^ 
gye  (Celsa  a  Nazaria)  uzfel  .  .  .  käzal  gye  v  zaläf  vsaditi  .  .  . 
by  gye  umofil  .  .  .  z  barky  gye  vyvrhli  374;  tu  gye  (Celsa  a 
Nazaria)  odsüdivse  375;  do  ohrady    gye    (Abdona    a    Sennena) 


Uebfir  die  weichen  e-Sill>en  im  Altlxihinisrlien.  o4o 

vedu  aor.  3.  pl.  384;  jen2  g-ye  (Gaja  a  ?Ieroda)  veziese  390; 
tu  g-je  oba  nalez  393,  gyesto  sva  sesla  4(X),  dluho  gye  mucivse 
oba  stSli  423;  pojal  gye  (dva  mlädecky)  do  Kima  425;  kdzal 
g-ye  (dva  rytiefe)  za  palce  vesejic  spi'isööti,  na  uhli  gye  peci 
a  najposle  gye  obesiti  482;  —  ne:  kdyz  na  nye  (Abdona  a 
Sennena)  zalovano  383;  —  ohne  Ausnahme. 

Dual.  Gen.  Loc,  jejii  asl.  jeju:  na  geyu  (nämlich  des 
Fürsten  und  der  Fürstin)  obü  ramenü  327. 

Plur.  Nom.  Acc.  fem.  je  asl.  je:  gie  (nohy)  umyvala 
342.  aby  g-ye  (knihy)  zhel  352 ,  zlämasta  gye  (modly)  362, 
chtel  by  gye  (panny)  obdarovati  362,  porucil  jsem  gye  (ruka- 
vice)  kostelnikovi  382,  inhed  ^ye  (knihy)  küpiv  409,  aby  gye 
(ty  vlasti)  op§t  podbil  426;  —  ohne  Ausnahme. 

Plur.  Nom.  Acc.  neutr.  je  asl.  y«;  neverna  srdce,  öimz 
gie   viece    lidie  ctie,  tiem  viece  pychaji  426;  —  ohne  Ausnahme. 

Plur.  Acc.  masc.  je  und  ne,  asl.  je,  ne:  poce  z  jich 
statka  gie  (kfesfany)  h'tpiti  283,  gie  vsechny  bohu  poruciv  299, 
sobe  gie  (rytiefe)  osobujes  300,  Nero  käza  gie  (kfesfany) 
muciti  300,  mösto  Kim  slavi  tech  apostolov,  giestoy  na  smrt 
odsüdilo  307 ,  gyezz  nalezti  nemohli  308 ,  on  gye  (posl}') 
znajieäe  324,  na  lodi  gye  vsadivse  335;  poslala  gye  354,  käzal 
gye  V  zaläf  vsaditi  354,  gye  z  zaläfe  vypustil  354  und  aby 
gye  zjimali  354  (sc.  ucenniky);  kdyz  gye  (bratry)  prosoöichu 
364,  gyezzto  (pfately)  zivy  mniese  367 ,  giezzto  (kfesfany) 
zjimav  383,  ja  ^ye  poslal  409,  ti  duchovni,  gyesto  si  na  svem 
synu  obdrzala  410,  uzeci  gye  (kaciefe)  chtel  413,  aby  gye 
umuce  hlavy  jim  stieti  käzal  425,  aby  gie  (poklady)  chudym 
rozdal  427,  ana  gye  (chude  kfesfany)  chovola  428,  slepym 
zrak  navracoväse  a  gye  na  pravü  vieru  obrätil  428,  bitim  gye 
(sedläky)  pfibezdeciti  436,  käza  vsech  pozvati  a  gye  k  modläm 
nutiti  436,  ku  pokäui  gye  (lotry)  obrätil  477,  käzal  gye  (kfes- 
fany) bicüvati  a  potom  gye  v  zaläf  vsaditi  478,  (gye  kfesfany) 
u  viere  posiloväse  489,  ne:  mezi  nye  408,  468,  478;  na  nyez 
SV.  Petr  pokfikl  296;  na  nye  in  eos  310,  408  (2);  poklady,  na 
nyezto  se  ptäs  429;  v  nye  (sc.  kaciefe)  413;  za  nye  312, 
403  u.  s.  w.;  —  ohne  Ausnahme. 

d)  Declination  des  Pron.  ndn  asl.  nasi,. 

Sing.  Nom.  Acc.  neutr.  nctsH  asl.  nase:  nasse  knieze 
315,  402,  nasse  zbo^ie  337,  wasse  bydlisce  315  (3),  wasse  zde 


346  Gel)  an  er. 

kratke  poslüzenie  315,  pro  wasse  dobre  371,  telesenstvie  wasse 
451;  cüz  wasse  pfirozenie  nese,  to  se  vam  stane  291;  —  ohne 
Ausnahme. 

Sing;.  Nom.  fem.  nase  asl.  nasa,  e  für  asl.  a:  nassve 
matka  290,  452,  na  to  nassie  mnohä  bratfie  hledachu  300, 
panna  nassye  347,  nassie  viera  405,  nassye  nadeje  472;  —  ohne 
Ausnahme. 

Sing".  Gen.  raasc.  neutr.  naseho  asl.  nnsego:  nasseho 
Jezukrista  298,  307,  nasseho  spasitele  302,  323,  nasseho  boha 
346,  nasseho  pohfebu  400,  nasseho  pochovanie  400,  hospodina 
nasseho  486,  nasseho  tovafistva  498;  wasseho  mistra  304, 
wasseho  boha  478;  —    ohne  Ausnahme. 

Sing.  Gen.  fem.  naiie  (vergl.  Gen.  fem.  jie) :  od  wassye 
nemoei  458  und  in  den  jüngeren  Theilen  des  Passiouals  nassie 
odplat}'  48,  z  nassie  moci  212,  214,  bez  nassie  deky  214; 
wassie  mladosti  602,  wassie  koruny  609,  wassie  odplaty  609; 
—  ohne  Ausnahme. 

►Sing.  Dat.  mase.  neutr.  nasemn  asl.  nasemu :  k  nassemu 
milemu  mistru  291  und  in  den  jüngeren  Theilen:  nassemu 
spasitelovi  77,  557,  k  nassemu  Jezukristu  609,  wassemu  bohu 
43  u.  s.  w. ;  —  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Dat.  fem.  nasiej  (vergl.  Dat.  jiej):  k  nassyey 
viere  362,  k  nassiei  viere  489;  —  ohne  Ausnahme. 

Sing.  Loc.  mase.  neutr.  nnSe.m  asl.  nasem:  v  nassem 
stavö  451  und  in  den  jüngeren  Theilen:  na  nassem  lozi  130, 
0  nassem  tovafistvu  498,  u  wassern  nebezpecenstv'i  617;  — 
ohne  Ausnahme. 

Sing.  Loc.  fem.  nasiej  (vergl.  Loc.  jiej):  o  nassiey 
sirobö  304,  po  nassiey  viefö  383;  —  ohne  Ausnahme. 

Dual.  NAV.  mase.  )ia.se,  efür  asl,  a,  nasa;  ein  einziges 
Beispiel  findet  sich  im  jüngeren  Theile:  wassie  andöly  plaßeta  64. 

Plur.  Nom.  Acc.  neutr.  nase,  h  für  asl.  «,  nasa :  tela 
nassye  375,  399,  nassye  tela  399,  nassie  tela  400,  nassye 
zaslüzenie  Jim  jsii  protivna  412;  —  ohne  Ausnahme. 

Plur.  Nom.  Acc.  fem.  nase,  e  für  asl.  e,  nase:  nassye 
sluhy  tobe  velike  pfekufizni  cinili  326,  ty  ruoze  jsu  nassie 
kosti  400,  sü  nassye  rukojme  412,  nassye  muky  478;  —  ohne 
Ausnahme. 


üphpr  difi  weichen  e-Silben  im  Altbühmischen,  o47 

Plur.  Acc.  raasc.  vnsHy  h  für  asl.  e,  nase:  nvef  v  nassye 
bohy  320,  bohy  nassye  347,  boliy  nassie  373,  aby  nassye  hroby 
otevfel  399;  wassye  bohy  3G3,  na  wassye  dary  455;  —  ohne 
Ausnahme. 

Dieselbe  Regelmässigkeit  tindet  sich  auch  in  den  jüngeren 
Stücken  des  Passionais  h  (S.  2—274)  und  /  (S.  491— 029);  es 
kommen  in  denselben  nur  diese  Ausnahmen  vor:  nassie  vykü- 
penie  12,  wassie  umucenie  109,  pro  wassie  spasenie  274,  561, 
pro  nassie  nevdecenstvie  525  und  pl.  wasse  modly  564,  wobei 
zu  bemerken  ist,  dass  in  den  vier  ersten  Beispielen  die  Viel- 
zahl gemeint  sein  kann  (wie  in  nassye  zasli'izenie  Jim  jsü 
protivna  412)  und  in  diesem  Falle  nassie  und  wassie  richtig 
ist,  und  dass  wasse  modly  564  neben  wassie  modly  12  und 
wass^'e  modly  94  und  neben  zahlreichen  anderen  regelmässigen 
Beispielen  nur  ein   Schreibfehler  sein  dürfte. 

e)  Declination  des  Fron,  ves  asl.  vush. 

Diese  stimmt  mit  unserer  Regel  (hinsichtlich  des  e,  e  und 
ie)  vollkommen  überein:  sing.  Nom.  Acc.  neutr.  vse  asl.  vhse; 
fem.  vs(i  asl.  vhsja,  it  für  a;  —  sing.  Gen.  masc.  neutr.  vselio 
asl.  vhsego;  fem.  vSie  asl.  v'-seje;  —  sing.  Dat.  masc.  neutr. 
vsemu  asl.  vhsemn;  fem.  v^iej\  vergl.  Dat.  jiej ;  —  sing.  Loc. 
masc.  neutr.  vsem  asl.  vhsenih-  fem.  vsiej,  vergl.  hoc.  jiej;  — 
plur.  Nom.  Acc.  nexitr.  vsk  asl.  vbsja,  e  für  n;  fem.  vse  asl. 
vbse,  e  für  e;  —  pl.  Acc.  masc.  vse  asl.  vise;  e  für  e;  — 
pl.  Gen.  Loc.  vst^ch  asl.  vhseluj,  e  für  e;  —  pl.  Dat.  vsem  asl. 
vhsemz^  e  für  e;  pl.  Instr.  vsemi  asl.  vhsemi,  e  für  e.  —  Die 
Belege  sind  im  ganzen  Passional  überaus  zahlreich  und  in 
den  älteren  Theilen  c)  und  e),  sowie  auch  in  dem  jüngeren 
Theile  h)  ohne  Ausnahme  regelmässig.  Z.  B.  to  wsse  209, 
wsseczko  telo  200;  wssie  fi.se  nebeska  262,  wssieczka  obec  221; 
—  ze  wsseho  216,  ze  wseho  283;  podle  wssie  spravedlnosti 
230;  —  wssemu  svetu  179,  wsemu  svetu  179;  pokloniv  se 
wss^'ey  bratfi  301;  —  po  wssem  mestu  228;  ve  wssyey  cnosti 
i  wssiey  dobrote  329;  —  wssieczka  slova  222,  wssieczka  proti- 
venstvie  236,  wssyeczka  tajenstvie  314,  wssieczkna  stvofenie 
320;  nade  wssie  zeny  183,  na  wssie  strany  187,  235,  na  wssye 
strany  311,  wssieczky  duse  215,  wssieczky  deti  22&\  —  pro 
wssie  hfiesne  236,  240,  254,  po  wssie  casy  281,  po  ty  wssieczky 
dni  253,  na  wssiechny  lidi  242;  —  wssiech    patriarch    183,  se 


34'*^  Gel)  an  er. 

wssiech  strnn  200,  wssiech  hvezd  253,  wsiech  apostolöv  240; 
na  wssiech  vncech  223,  po  wssiech  viastech;  wssiem  hfiesnym 
190,  2(30,  wssiem  jinym  na  priklad  234;  prede  wssiemi  191, 
201,  241,  se  wssiemi  209,  251,  254,  wssiemi  smysly  260  u.  s.  w. 
—  Auch  der  Theil  /)  zeigt  dieselbe  Regelmässigkeit  mit  nur 
wenigen  (fünf)  Ausnahmen. 

f)  Für  die  weichen  e-Silben  in  der  Declination  der  übrigen 
Pronomina  bietet  das  Passional  sehr  wenig  Beispiele,  und  zwar 
nur  folgende:  s  sie  strany,  d.  i.  sie  394;  dwoge  svecenie,  d.  i. 
dvoje  384,  421,  tröge  svecenie  422;  dwogye  podstat  295,  d.  i. 
dvoje  ( masc.  dvuoj,  cf.  truoy  otdiel  333)  und  dwogie  podstaf  ib. 
In  dwügyemi  fetezi  357  ist  ein  Fehler;  die  Form  hat  weder 
dvojemi  noch  dvoji'emi  gelautet,  sondern  dvojani  (sg.  Nom. 
dv6j)  oder  später  dvoj/mi  (sg.  Nom.  dvoji).  Vergl.  dwogimi 
fetezi  306. 

III.  Zusammengesetzte  Declination,  und  zwar: 

o)  Declination  des  Paradigma  dohry. 

Sing.  Dat.  Loc.  fem.  und  Du.  NAV.  fem.  neutr. 
haben  in  der  Endung  -ej  asl.  -«/,  e  für  asl.  <'<,  ebenso  wie  in 
denselben  Casus  der  nominalen  Declination;  z.  B.  k  druziey 
bräne,  d.  i.  druzej  366,  na  druziey  straue  360;  k  weliciey  cti 
329,  k  weliciey  prosbe  299,  u  weliciey  cti  329,  471,  478  u.  ö., 
u  weliciey  rozkosi  451,  oci  weliciey  456,  v  taciey  cti  295, 
v  kacieysi  tesknosti  463,  na  wysocyey  stolici  361  :  k  kterziei 
viere  372,  neraüdrziey  dievce  du.  362,  te  dve  przykrzyey  rane 
304;  k  cnyey  vdovö  344,  po  nesnadnyey  cestö  359,  dv6 
strziebrnyey  truhle  401,  te  newinnyey  ruce  306,  te  dve 
hroznyey  rdne  304,  oöi  plamenyey  459  u.  s.  w. ;  —  dagegen 
eine  Ausnahme  in  ruce  mäm  ohrizeney  289  statt  ohryzenej. 

h)  Declination  des  Paradigma  hozi. 

Die  betreffenden  Casus  haben  regelmässig  das  lange  ?V, 
geschrieben  ie  oder  ye;  z.  B.  ciziemu  smyslu  454;  ne  svate 
ale  psie  andöly  296;  studnice  tekucie  331,  ruka  knyezyecie 
317,  na  horuciein  uhli  344,  wssemohucieho  278,  wssemuhuciemu 
282;  matka  bozie,  d.  i.  bo^ie  278,  bozie  slovo  335,  sluho  bozie 
324;  cloveku  boziemu  324,  matcr*  boziey  279  (Dat.),  o  synu 
boziem  280,  po  boziem  narozeni  355,  na  boziey  sluzbe  313, 
na  bozyey  sluzbe  313,  dva  bozie  mucedlniky  281,   bozie    dary 


Ueber  nie  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  "  349 

279;  do  dalssye  vlasti  324,  mocznyeyssieho  358,  moeznyeyssyemu 
358;  wlasczie  zahanbenie  318,  mysl  czlowieczie  320,  v  czlowie- 
czyey  tväfi  321,  wlasczie  dva  nöenniky  288;  lehcziegie  skonanie 
305  u.  s.  w.;  —  ohne  Ausnahme,  denn  eize  zbozie  377  und 
czuzeho  zbozie  397  sind  auf  die  secundäre  Form  cizy,  ä,  e 
zurückzuführen. 

B)  Nachweis  der  Regel  in  der  Conjugation. 

Um  Wiederholungen  auszuweichen,  will  ich  in  diesem 
Abschnitte  zuerst  diejenigen  Verbalformen  durchnehmen,  in 
denen  weiche  e-Silben  ohne  Unterschied  der  Verbalclasse  vor- 
kommen, und  dann  jene,  wo  dieselben  Silben  nur  in  gewissen 
Classen  und  Paradigmen  zu  finden  sind.  Die  Regel,  um  deren 
Nachweis  es  sich  handelt,  wird  in  allen  Fällen  auf  das  Voll- 
kommenste bestätigt. 

1.  Für  alle  Verba,  d.  h.  ohne  Unterschied  der  Classe, 
gilt  Folgendes: 

a)  Der  Fräsensstamm  hat  -ß,  asl.  -e.  Daher: 

I.  4.  peku  —  peßes  —  pece  .  .  .,  z.  B.  tecze  377,  pramen 
tecze  461,  kto  se  oblecze  304;  mozes,  d.  i.  mözes  362,  mozess 
419,  mozesli  337  (2),  muoze  275,  ze  nemuoze  311,  nemozem 
314,  nemozemy  352,  pomozete  305  u.  s.  w. ; 

I.  6.  mru  —  mfes  —  mve  .  .  .,  z.  B.  vmrzes,  d.  i.  umfes 
391,  ano  dci  mrze  472,  umrze  315  (2),  nevmrze  473; 

I.  7.  piju  —  pijf^s  —  pije  .  .  .,  z.  B.  prospiegess,  d.  i, 
prospejes  390,  spiegesli  pätef,  d.  i.  s-pejes-li  453,  vmygess,  d,  i. 
umyjes  469; 

V.  2.  pisu  —  pis^s  —  pise  .  •  .  ,  z.  B.  treskczes,  d.  i. 
treskces  292,  lece  298;  chcesly  300,  chczesly  292,  nechczes 
319,  358,  chce  310,  chcete  354,  chczete  338,  471,  chcewa 
337  u.  ö.;  pomazes,  d.  i.  pomazes  363,  pomaze  471 ;  kazes, 
d.  i.  käzes  337,  kaze  292,  337,  419  u.  ö. ,  przikaze  451, 
ukazze  se  457;  ac  mne  tyezes,  d.  i,  tiezes  inf.  täzati  288, 
tyeze  467  (3),  otyezem  jich  307,  tiezete  mne  288;  pisse,  d.  i. 
pise  275,  278,  310  u.  ö.;  placzes,  d.  i.  pläces  462,  an  placze 
374;  an  se  po  koi^ö  mycze,  d.  i.  myce  inf.   mykati  415; 

V.  3,  beru  —  befes  —  befe  .  .  .,  z.  B.  kam  se  berzes 
421,  427,  berze  299; 

SitzuDgsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  25 


350  Gebaner. 

V.  4.  döju  —  dejes  —  döje  .  .  .,  z.  B.  wzdyeges  275,  se 
dyege  291,  298,  ^6,  420,  435  (2);  okrziege  338;  poprziege 
452;  siegess  4G0. 

VI.  kupuju  —  kupujes  —  kupuje  .  .  .,  z.  B.  nawsczie- 
wuges,  d.  i.  navscevujes  284,  nawscziewuge  278,  s6  wzmienyge 
d.  i.  vzmienije  281;  ukazuge  293,  295;  nepotrziebugera  294, 
jesto  pravdu  milugete  294,  osobuges  300,  slituge  se  hospodin 
315,  jenzto  kraluge  309,  383,  neb  so  raduge  305,  powoluge 
330,  wzhrozuge  332,  potwrzuge  346,  pamatuge  304,  390,  potu- 
puge  347,  menuge  421,  428,  prziprawuge  432,  prziezpiewuge 
435,  oswietluge  419,  posilige  372,  pracygete  325,  praczugete 
403  u.  s.  w.;  —  ohne  Ausnahme. 

b)  Der  Imperfectstamm  hat  -ie-  für  asl.  -ea-  etc.  z.  B. 
pasiesse,  d.  i.  pasiese  319,  se  trziesiesse  341,  wisiesse  356, 
nosiesse  286,  360;  prosiesta  298,  przinesiechu  341,  nosiechu 
341,  prosiechu  281;  —  otewrziesse  298,  syn  matce  zaprziesse 
364,  darziesse  333,  newierziesse  365;  —  strzieziesse,  d.  i. 
stfeziese  314,  364,  lezyesse  328,  nemoziesse  287,  313,  nemo- 
zyesse  314,  dyrzyesse,  d.  i.  dyrziese  drziese  326,  dyrziechu 
333,  shizyesse  325;  —  slyssyesse  342,  russyesse  333,  se  poku- 
siesse  341;  —  znagiesse  324,  nesmiegiesse  283,  nesmiegyesse 
367,  giniegiesse  328,  gmyegiesse  280,  miegiesse  295,  312  u.  ö., 
miegyesse  330,  348,  myegyesse  309,  miegiesta  275,  286, 
nemiegyessta  323,  miegieehu  329,  se  bogiesse  360,  s6  bo- 
giechu  329,  se  tagyechu  364;  —  przibiehnyesse  304,  ostanyesse 
323,  363,  nedrznyesse  342,  tahnyesta  372,  kterizto  dotknyechu 
327,  mnyesse  349,  czynyesse  303,  branyesse  314  u.  s.  w. ;  — 
ohne  Ausnahme. 

c)  Die  zweite  und  dritte  Person  sing.  Imperf.  hat  -se, 
asl.  -se:  nesie.ye.  Belege  dafür  giebt  es  im  Passional  in  Ueber- 
fluss;  einige  enthalten  die  Beispiele  des  vorigen  Absatzes.  Eine 
Ausnahme  kommt  nicht  vor,  weder  in  den  alten,  noch  in  den 
jüngeren  Theilen  des  Passionais. 

d)  Das  Participium  praes.  act.  hat  e  für  asl.  e  im  sing. 
Nom.  masc.  und  neutr. ;  z.  B.  klic^em  hrozye,  d.  i.  hroze  397; 
na  kfixi  wisie  299,  prosie  a  fka  410,  prosie  419  (2),  457, 
neprosie    357;    zebrzie    sedöl,    d.  i.    zebfe    323;    na   zemi  lezye 


Uebcr  die  wniclion  e-Silben  im  Altböhmisclien.  3131 

d.  i.  leze  344,  lezye  377,  466,  lezzie  466;  prut  dyrzie,  d.  i. 
dyrze  drze  399,  drzzie  485;  biezie  uzfö  domek,  d.  i.  böze 
419  (2),  biezie  volal  428;  wlozzye,  d.  i.  vloze  466,  odlozie478; 
sluzie,  d.  i.  slüze  283,  bohu  sluzie  311,  420,  422,  bohu  sluzye 
388,  sluzie  477;  slovo  bozie  kazie  uinfel,  d.  i.  kaze  411;  tyezye 
se,  d.  i.  tieze  inf.  tazati  303,  tyezie  se  304;  to  slyssye  Helizeus 
nezüfal,  d.  i.  slyse  308,  slyssye  461 ;  pissye  a  fka,  d.  i.  pise 
486;  nyczie  bohu  se  modli,  d.  i.  nice  596;  by  se  vczie  kazal, 
d.  i.  uce  409,  lidi  uczye  az  i  k  smrti  se  blizil  315;  vmuczie, 
d.  i.  umuce  430,  436;  Jakub  mluvil  placzie,  d,  i.  place  305, 
ja  placzie  fku  307,  placzie  a  fka  369,  placzie  338  (2),  418; 
poce  behati  skaczie  se  stola  na  stuol,  d.  i.  skäce  416;  kleczie 
454,  krzyczie  459 ;  —  ferner  Beispiele  mit  -je:  I.  7 :  czyg-ye, 
d.  i.  cije  336,  neczygye  370;  —  III.  1:  nerozumiegye,  d.  i. 
uerozumeje  361,  magie  433,  nemagie  379,  luagye  387,  zielegie, 
d.  i.  zeleje  289,  303,  313  u.  ö.,  zielegye  365;  —  III.  2:  stogie, 
d.  i.  stoje  289,  303,  313  u.  ö.,  stogye  338,  365,  422,  452,  470; 
bogie  se,  d.  i.  boje  294,  322,  338,  nebogie  se  305,  bogye  se 
358,  364,  367,  se  nebogye  461;  —  V.  1:  po  mofi  stupagie, 
d.  i.  stüpaje  286,  posmiewagie  se  288,  415,  hledagie  292, 
hledagye  338,  wzywagie  292,  293,  siedagie,  d.  i.  sedaje  324, 
kopagie  312,  nemeskagie,  d.  i,  nemeskaje  317,  zadagie,  d.  i. 
zädaje  303,  zadagye  370,  463,  byehagie  340,  biehagie  324, 
chowagle  399,  chwatagye  382,  zpiewagye  382,  czakagie  388, 
hragie  465,  zpowiedagye  412,  rziekagie  451,  rziekagye  416, 
wolagye  421,  490,  linyewagie  se  425,  plywagye  461,  letagye 
466,  wyrkagie,  d.  i.  virkaje  vrkaje  413,  prziebywagye  421, 
otyeragie  431,  znamenagye  488,  podpieragye  406,  wykladagie 
418,  kopagye  422,  skladagye  454,  wznassiegie,  d.  i.  vznaseje 
298;  —  V.  4:  siegle,  d.  i.  seje  312,  kagye  se  413;  —  VI.:  milu- 
gie  286,  uzdrawugie  294,  ukazugie  295,  ukazugye  404,  dyekugie 
301,  dyekugye  405,  se  neoblenugie  302,  wzkazugie  303,  304, 
se  radugie  302,  303,  potwrzugie  346,  zalugie,  d.  i.  ;2aluje  373, 
pohrozugye  372,  rozpakugye  409,  posvviecygie  463,  se  przibli- 
zigye  485  u.  s.  w.  Die  Beispiele  sind  im  Passional  in  grosser 
Menge  vorhanden  und  darunter  nur  eine  einzige  Ausnahme, 
promienyge  statt  promönijö  in:  Jeden  6as  stäse  Simon  carodejnik 
küzlem  se  obchode  a  rozlicne  se  promienyge,  vetöas  tvaf  v 
starosti  a  veteas  u  raladosti  ukazujö  295. 

25* 


352  Gebauer. 

e)  Dasselbe  Participium  hat  -iec-  für  asl.  -est-,  z.  B. 
wieziece,  d.  i.  vöziece  372;  wisiecy,  d.  i.  visieci  363,  prosieci 
282,  289,  prosiece  369;  hirziec,  d.  i.  hyfiec  291,  horziec  352; 
sluziecy,  d.  i.  slüzieci  284,  347,  355,  sluzyece  318,  333; 
dyrziec  275,  drziece  307,  leziece  370,  wloziec  354,  wyloziecz 
309,  bliziece  se  374;  krzicziecz  293,  297,  nyczyecy,  d.  i.  nicieci 
321;  bügieci  se  292,  bogyece  s6  293,  352,  372,  stogiece  284, 
290,  292,  stogyece  342  (2);  czynyece  349,  mnyece  366  u.  s.  w.; 
—  ohne  Ausnahme. 

f)  Der  Nom,  plur.  masc.  desselben  Participiums  hat  die 
Endung  -ce,  asl.  -He,  z.  B.  rzkuce  276,  282,  295,  cztuce  285, 
widuce  309,  wynmuce  277,  beruce  285,  neznagice  288,  trpiece 
284,  bogiece  se  293,  stogiece  284,  290,  292  u.  s.  w.;  —  ohne 
Ausnahme  (sieh  oben  III.  a.  1). 

g)  Der  Nom.  plur.  masc.  des  Part,  praet.  act.  I.  hat  die 
Endung  -§e,  asl.  -se,  z.  B.  ssedsse  288,  wratiwsse  288,  wzrziewsse 
278  u.  s.  w.;  —  ohne  Ausnahme  (vergl.  oben  III.  a.  2). 

2.  Die  bisher  behandelten  Verbalformen  zeigen  die  Regel 
so  gut  wie  ohne  Ausnahme;  dasselbe  (nämlich  mit  Ausnahme 
eines  einzigen  Beispieles)  gilt  auch  von  allen  anderen,  die  im 
Folgenden  nach  den  einzelnen  Verbalclassen  aufgezählt 
werden. 

I.  4.  Paradigma  yeku;  im  Aor.  und  im  Part,  praet.  pass. 
gehören  hieher  auch  viele  Verba  der  IL   Classe. 

Im  Imperativ  e,  asl.  e:  rciete  351,  451,  vzzyete,  d.  i. 
uzzete  374. 

Im  Aorist  e,  asl.  e,  peöech,  peö/?  •  •  .;  z.  B.  kdyi  z 
chrama  vynide,  nemoze  k  nim  promluviti,  d.  i.  nemoze  276, 
nemoze  290  u.  ö.;  netaze  toho  dofeci,  d.  i.  neta^e  313, 
321  u.  ö.;  kdyz  to  matefi  povedechu,  s  pläßem  pobieze  a 
fküc,  d.  i.  pobeze  293;  bratr  wybieze  382;  vichr  se  wztrze, 
d.  i.  vztrze  287;  a  kdyz  mu  przisieze,  d.  i.  pfiseze  345;  busse 
298,  zdesse  298;  svaty  Petr  ponucze  svatemu  Klimentu  s 
bratfencoma,  aby  se  s  tiem  ölovekem  pohädali,  d.  i.  ponuce 
291 ;  kdyz  to  synov^  uslysechu,  ponucze  jira  sv.  Petr,  aby  toho 
necinili  292;  dotavad  krev  tecze,  a,i  umfel  310;  potlucze 
419  (3);  SV.  Petr  krzicze  297  u.  s.  w. 

Im  Part,  pi'aet.  pass.  (und  ebenso  im  Substantivum  ver- 
bale)   e,    peöen;    z.  B.    prziemozen,    d.  i.  pi$mozen  297,  przye- 


Heber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  353 

mozen  321,  prziemozeny  (i)  431;  uwrzena,  d.  i.  uvrzena  363, 
swrzeny  (i)  464;  zazzen,  d.  i.  za^zen  435,  453,  zazzena  320, 
zazzeny  (i)  322;  oblezeny  (i)  465,  oblezenym  (im)  465;  ostrzy- 
zenye  385;  wdessenye  461,  wdessenym  (im)  277;  peczen  432; 
upeczeni  (y)  434;  rzeczeno  280,  rzeczeni  (y)  356,  prziederzczene 
316,  rzeczenye  278;  obleczena  307,  osieczen  484,  ponuczenym 
(im)  312  u.  s.  w. 

I.  5.  Paradigma  23n«.  Die  Verba,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  sind  C7iu  und  jvw. 

Aorist  po-cech,  jech,  e  für  asl.  e;  z.  B.  poczie,  d.  i.  poöe 
3.  sg.  281,  282,  287,  288,  310  u.  ö.,  poczye  276,  282,  283, 
287,  310  u.  ö.;  pocziesta,  d.  i.  pocesta  290,  poczyesta  368; 
pocziechu  276  (2),  288,  292,  310,  312  u.  ö.;  gie  se  plakati, 
d.  i.  je  307,  gye  se  raysliti  367  u.  ö.  —  Aber:  yechu  se  nan 
zalovati  396,  d.  i.  jechu  statt  jöchu. 

Infinitiv  jiefi,  ie  für  asl.  e;  z.  B.  gyety  344,  422,  zivot 
otgyety  309,  zagyety  478,  przigiety  314,  wziety  403. 

Part,  praet.  act.  I.  pocen,  jem,  e  für  asl.  6  und  e;  z.  B.  po- 
czenssy  337;  —  gemsse  372;  pogem  282,  289,  332,  pogemsse  319; 
przigem  288  (2)  u.  ö.,  przygem  331,  przygemssy  287,  przy- 
gemsse  308;  ugem  393,  vgem,  d.  i.  ujem  290;  wzem  309,  331, 
339,  340,  wzemssy  348,  wzemsse  344,  345;  chleb  wynem  jim 
poskyte,  d.  i.  vynem  296,  z  mesee  penieze  wynem  368,  srdce 
z  neho  wynemsse  467,  468;  snem  svöj  prsten,  d.  i.  snem  323, 
snem  s  sve  ruky  prsten  330,  odtad  jeho  sneinsse  356. 

Part,  praet.  act.  II.  poceli,  jeli,  e  für  asl.  e;  z.  B.  poczieli 
480;  gieli  357,  aby  ho  gyeli  373,  andele  przygieli  331,  ti 
przygieli  332,  kfest  przygieli    340,    wziely  (i)  309,    wzieli  477. 

Substantivum  verbale  jetie,  e  für  asl.  e,  neboje  se  gyetye 
305,  negyetye  357,  przigietye  466.  , 

I.  6.  Paradigma  mm. 

Aorist  virech,  mre  .  .  .,  e  für  asl.  e,  der  vom  verstärkten 
Stamme  gebildeten  Aoristforra  (Miklosich,  Gramm.  III. ^  106); 
z.  B.  jak  SV.  Apolinaris  vnide,  tak  ta  nemocnä  vmrzie,  d.  i. 
umfe  344;  otewrziechu  s6  üsta  276,  v  zaldfi  jej  zawrziechu 
389;  rozedrzie  n'icho  i  poöe  sve  vlasy  sküsti  326. 

Infinitiv  mrieti,  ie  für  asl.  e;  z.  B.  mrziety  336,  vmrziety 
320,  336,  466,  zemrziety  436;  zawrziety  300,  388,  431;  setrziety 
295,  räny  vapnem  zetrziety  454;  zabku  pozrziety  310. 


354  GeTiaucr. 

Part,  praet.  act.  I.  iimrev  .  .  .,  z.  B.  umrziew  295, 
vmrziewssj  295,  vinrziewsse  349;  podeprziew  s6  317;  utrziewssy 
d.  i.  utfövsi  334,  protrziewsse  sve  tväfi  290;  rozprostrziew 
351,  riice  prostrziewssy  410;  otewrziew  433,  zawrziew  se  469, 
otewrziewssy  479. 

Part,  praet.  act.  II.  umfel  .  .  .,  e  für  asl.  c  des  verstärkten 
Stammes;  z.  B.  vmrziel  283,  293,  neumrziel  293,  umrziela  338, 
dva  bratrj  umrziela  414,  vmrzyel  377;  rucho  rozedrziel,  d.  i. 
rozedfel  460,  rucho  rozedrziela  478,  rozedrziela  348 ;  otewrziel 
409,  415,  otewrzieli  419,  dvefi  se  otewrzieli  471,  odewrziely 
388,  otewrzyel  399,  zawrziel  347,  362,  385,  415,  nebesa  se 
zawrziela  418;  podeprziel  se  390;  zetrzieli  490. 

Part,  praet.  pass.  zavren  .  .  .;  z.  B.  zawrzien  278,  neboje 
8Ö  zawrzienye  305,  otewrziene  383,  nebesa  otewrziena  454, 
odrzien  460,  zetrzieno  468. 

III.   1.  Paradigma  uviejic. 

Infinitiv  bugyety,  d.  i.  bujeti  389;  Part,  praet.  act.  II. 
osirziel  303,  osirzieli  304  und  in  den  jüngeren  Theilen  des 
Passionais  kommt  noch  das  Part,  praes.  pobugiegycz,  d.  i. 
pobujejic  579  vor.  In  diesen  Beispielen  ist  e  für  asl.  e. 

Im  Praes.  neslussye  292,  297  u.  ö.,  slussie  znamenati 
285,  319  u.  s.  w.  ist  ie  durch  Contraction  aus  -e/e-,  asl.  eje 
entstanden. 

III.  2.  Paradigma  trpeti. 

Praesens  3.  pl.  hat  -ie  für  asl.  -e-to;  z.  B.  lidie  biezie, 
d.  i.  bezie  335,  nase  tela  lezye,  d.  i.  lezie  399,  vsichni  slyssye 
377,  potoci  chrczye,  d.  i.  chrcie  320,  jehozto  se  vseckna 
stvofeuie  bogie  320,  se  kryji  a  stogie  365,  jizto  stogie  379  u.  s.  w. 

Imperativ  zfete:  przizrziete  310,  wezrziete  285. 

Aorist  nzrechj  bezech,  drzech,  shjsecli  .  .  . ,  e  für  asl.  e; 
z.  B.  kdyz  Marcellus  uzrzie  297,  uzrzie  284,  321,  vzrzie  340, 
406,  vzrziesta  291,  vzrziechu  299,  339,  424;  bieziechu  311,  312, 
dyrziechu,  d.  i.  dyrzechu,  drzechu  333;  (Kristofor)  usslyssie 
blas  360,  a  tak  vsed  vsslyssye,  ano  lide  mluvie  'd^Q,  kdyz 
synove  vslyssyechu  292. 

Infinitiv  prieti,  zrleti,  drzeti,  bezeti,  slyseti,  ie  und  e  für 
asl.  e;  z.  B.  prziety  contradicere  292,  wezrziety  306,  prozrzyety 
321,  vzrziety,  d.  i.  uzrieti  343;  drziety,  d.  i.  drzeti  282,  381, 
se  sdrziety  290,  obdrziety  308,  obdyrziety  388;  biezyety,  d.  i. 


Ueber  die  weichen  e-Silben  im  Ältböhmischen.  355 

bezeti    374;    slyssiety,    d.  i.    slyseti    379,    467,    slissyety   294, 
uslyssyety  322  u.  ö.,  usslyssyeti  313  u.  ö. 

Part,  praet.  act.  I.  zfev,  bezevsl,  bezevse  .  .  .,  e  für  asl.  e; 
z.  B.  wezrziew  290,  306,  wezrziewssy  320,  wezrziewsse  299, 
vzrziew  290,  vzrziewsse  359,  ozrziew  se  306,  se  ozrziewssy 
285,  342,  sezrziewsse  316;  bieziewssy,  d.  i.  bezevsi  348,  479, 
bieziewsse  382;  leziewsse  480;  uslyssiewssy  289,  290,  291, 
uslissyewssy  326,  uslyssyewsse  276,  281,  325,  365,  uslyssiewsse 
372,  usslyssiewsse  364,  vsslyssiewsse  290,  403  u.  ö.,  sehr  ver- 
schieden geschrieben,  aber  immer  mit  e;  nycziewssy,  d.  i. 
nicövsi  291. 

Part,  praet.  act.  II.  zrel,  lezeli,  slyseli  .  .  .,  e  für  asl.  e; 
z.  B.  prozrziel  316,  428,  prozrziela  471,  slepi  prozrzieli  332, 
vzrziela  289,  292,  vzrzielo  340;  nezaprziel  430,  432;  lezieli 
370;  drzyeli,  d.  i.  drzeli  315,  dyrzieii  389,  obdyrzieli  412, 
dirzieli  454,  abyste  ho  nedrzyeli  298;  hliisi  slyssyeli  332, 
slyssyeli  478,  neslyssieli  478,  ucho  slyssielo  (sie)  478. 

Part,  praet.  pass.  (subst.  verbale)  vezenie,  zapfen^  slyse- 
nie  .  .  .,  e  für  asl.  e;  z.  B.  wiezienye  (ie)  390  u.  ö.;  k  za- 
przieny  427;  wzezrzienye  312,  wzezrzienym  (im)  282,  wezrzie- 
nye  463  u.  ö.;  slyssyeny  sü  hlasi  314,  od  vslyssienye  383. 
Ueber  die  versuchten  Rasuren  in  vezenie  s.  oben  (III.). 

IV.  Paradigma  chvdliti. 

Praes.  3.  pl.  hat  -ie  für  asl.  -e-U;  z.  B.  at  uleczie,  d.  i. 
ulecie  363,  deti  bohu  sluzye,  d.  i.  slüzie  464  u.  s.  w. 

Part,  praet.  pass.  hat  e,  asl.  e;  z.  B.  bluzenye  (ie)  309  (2), 
zabluzenye  309;  obhrazeni  (y),  461;  rozplozenye  407;  wypuzen 
346,  373,  przipuzen  422  u.  ö. ;  narozeny  (i)  275,  narozenye 
277,  316,  przyrozeneho  310,  tomu  porozeny  310,  vrozeny,  d.  i. 
urozeny  311,  przyrozenych  311;  wsazen  422,  423,  posazeny  (i) 
330,  wsazene  331,  wsazeny  (i)  378;  osuzenye,  d.  i.  osüzenie 
291,  293,  osuzeny  (i)  293,  odsuzen  489;  potwrzenye  313,  361, 
potwrzeni  (y)  409,  zatwrzena  zlost  321;  zamucen  297,  zamu- 
ceno  304,  zamucenim  (ym)  329,  zamuceny  (i)  364;  roznyecen 
405;  oswiecen  409,  oswieceni  (y)  329,  oswjecenym  (im)  312; 
swiecenye,  d.  i.  svecenie  384,  421,  422,  swiecen  421,  swacenu 
vodü  379;  ztracenych  303,  ztracenye  462;  nawracenye  357, 
nawracen  363,  wracenye  364,  prziewracenu  413,  obracenye  462; 
pozlacena  399;  darzenye  (ie)    308;    hirzenye  462;  posporzenye 


356  Gebauer. 

308;  stworzen  308,  stworzenye  320,  330,  o  stworzeny  288, 
stworzenych  288;  warzenye  385,  s  warzenym  (im)  286;  u 
wierzeny  392  (corrigirt  aus  wierzieny);  blazena,  d.  i.  blazena 
279,  481  u.  ö.;  prziblizenye  426;  po  podlazenych  cestach  484; 
zkazenych  303,  prziekazenye,  d.  i.  pfekazenie  456;  zalozenye 
305^  wlozenye  466,  slozenye  398,  polozena  381,  polozeno  331, 
polozzeno  334;  ostrazeno  423;  posluzenye  315,  zasluzenye  412, 
466;  obtyezeny  (i)  325;  od  shrziessenye  294;  v  okrasseney 
vezi  (st.  vözi)  484;  skrusseniin  (ym)  485,  skrussenye  334; 
wzkrziesseny  (i)  486;  pokussenye  308;  polepssenye  462;  pro- 
miessena  456,  smiessenimi  (ymi)  482;  zrussene  485;  vty essen, 
d.  i.  utesen  310  u.  ö.,  vtiessenu  radu  329,  vtyessenye  304,  407 ; 
obiessen  310;  powyssene  277,  powyssenye  483,  powyssenyegy 
jest  277;  skonczenye  315,  322  u.  ö.,  na  skonczeny  299;  doli- 
czenym  292;  odluczena  337,  rozluczenye  289,  308;  muczen 
460,  umuczeny  286,  vmuczenye  284  und  ebenso  muczedlnyk 
280  u.  ö.;  poruczen  280,  poruczenimi  307;  doswiedczenye  396, 
potlaczenye  321,  488;  nauczenym  (im)  309,  nauczenye  291, 
k  uczeny  291  und  ebenso  uczenuyki  288,  vczennykom  304  u.  ö.; 
wlaczen  302;  spog-enye  279;  tayene  486;  uczynen,  d.  i.  uöiüen 
323,  460,  vczynen  354,  395,  407,  421,  465,  477,  uczyneno  296, 
429,  vczyneno  365;  naphien,  d.  i.  naplnen  275,  276,  280;  ranen, 
d.  i.  ranen  302;  poskwrneni  (kann  auch  poskwrnem  gelesen 
werden),  d.  i.  poskvrneny  397;  ti'iznen,  d.  i.  tryznen  302, 
ztriznena  479,  ztryznenemu  406;  und  ebenso  zapeczeten,  d.  i. 
zapecefen  369  und  pokrzsten,  d.  i.  pokfsten  249;  —  ohne  Aus- 
nahme, nie  e  statt  e. 

V.  1.  b.  Paradigma  hdzejii  —  hdzeti,  asl.  -aja,  -all.  Die 
hieher  gehörigen  Verbalformen  haben  in  der  Stammsilbe  regel- 
mässig und  ohne  Ausnahme  e  für  asl.  a,  wenn  überhaupt  der 
Umlaut  stattgefunden  hat;  dieses  ist  aber  nur  dann  der  Fall, 
wenn  auch  der  folgende  Consonant  weich  ist.  Die  Ansicht, 
dass  hier  a  durch  Einfluss  des  vorhergehenden  Weichlautes 
allein  in  e  (eigentlich  e)  verwandelt  werde,  ist  unrichtig. 

Praes.  1.  sgv  kdzefu,  3.  pl.  hdzejü;  z.  B.  1.  sg.  ponuciegi 
416;  pokussiegy,  d.  i.  poküsöji  416,  pokusiegi  416,  pokussieyu 
417;  bohu  väs  poruczyeyu  315,  bohu  se  poruczyeyu  339, 
poruczyegy  306,  473,  porucziegy  381,  421;  jät  so  neswelicziegy 
299;     skonczyeyu,     d.    i.    skonceju    316    (skoncziegy    541    im 


üel)er  die  weichen  c-Silben  im  Alttöhmischen.  35  i 

jüngeren  Theile) ;  —  3.  pl.  jizto  se  obchaziegy,  d.  i.  obchäz^ji 
457,  andSle  wznassyegy,  d.  i.  vznaseji  342,  spuscziegy,  d.  i. 
spusceji  418.  —  In  den  übrigen  Personen  ist  ie,  entstanden 
durch  Zusammenziehung  des  -eje-,  asl.  -aje-;  z.  B.  jesto  se 
sweliczies  299,  d.  i.  svelici'es  aus  svelice/es,  asl.  velicfy'esi;  ob- 
chazie,  d.  i.  obchäzie  3.  sg.  289,  paniem  se  przihazie  338; 
pokussyemy,  d.  i.  pokiisiemy  321,  pokussyete,  d.  i.  pokü- 
siete  321. 

Imperativ  hdzej,  hdzejie  .  .  .;  z.  B.  neprzyekazyey  mi,  d.  i. 
nepfekäzej  321;  in  den  jüngeren  Theilen  des  Passionais 
neschaziey  s  tohoto  hradu  27,  neztracieyta  100,  pokussiey  50, 
nepodnassieyte  539,  nedopuscziey  570,  neodpuscziey  625,  neotpu- 
scziete  (sie)  jej  152. 

Aorist  hcizech,  heize  .  .  .;  z.  B.  lidie  przyehaziechu,  d.  i. 
pfichäzechu  314;  wecie  283  u.  ö.,  wecye  310  u.  ö._,  wecyesta 
284,  355,  weciechu  310,  412;  wztyrmaciechu,  d.  i.  vz-tyrmä- 
cechu  458;  odweczerziechu  365,  pronassiechu,  d.  i.  pronasechu 
276;  ciesaf  skonczie,  d.  i.  skonce  433.  Die  Entscheidung 
zwischen  dem  Aor.  und  Imperf.  ist  nicht  immer  sicher;  so 
könnte  z.  B.  lidie  przychaziechu  314  auch  als  Imperf.  auf- 
getasst  und  pfichäziechu  gelesen  werden. 

Infinitiv  hdzeti  .  .  .;  z.  B.  obchaziety  276,  viessiety,  d.  i. 
veseti  425,  porucziety,  d.  i.  porüceti  301,  poce  se  sweliczieti 
296,  spuscziety,  d.  i.  spiisceti  320,  345,  482  und  in  den  jün- 
geren Theilen  des  Passionais  hazieti  510,  wchaziety  8,  ponu- 
cziety  80,  ponuczieti  587,  622,  prziekaziety,  d.  i.  pfekazeti  97, 
rozrazieti,  d.  i.  rozräzeti  108,  skoncziety,  d.  i.  skoncöti  170, 
wybygiety,  d.  i.   vybijeti  7. 

Part,  praes.  act.  hdzeje  u.  s.  w. ;  z.  B.  trmaciegycz  425; 
se  wznassiegie,  d.  i.  vznaseje  298,  wznassiegycz  402;  wyessye- 
gycz,  d.  i.  vesöjic  482;  porucziegycz,  d.  i.  porucejic  312;  in 
dem  jüngeren  Theile  obchaziegie  54,  524^  nedochaziegyez 
510,  obchaziegycze  591;  wznassiegycz  51,  85,  wznassiegycze 
539;  porucziegie  557,  puscziegycz  9,  swelicziegycz   104. 

Das  Part,  praet.  act.  I.  hdzev.H  .  .  .  kann  ich  nur  aus 
dem  jüngeren  Theile  belegen:  skonöevsi  106  u.  263. 

Part,  praet.  act.  II.  Jidzeli  .  .  .;  z.  B.  by  se  hazieli  363; 
kak  Sil  se  obchazieli  318;  abychom  odplacicli  297;  kdyz  jemu 
hnäty  zprzierazieli,  d.   i.  zpföräzoli  480;    casto    toho  pokussieli, 


358 


Gebaner. 


d.  i.  poküseli  468;  aby  nepronassyeli,  d.  i.  nepronaseli  314; 
jini  svati  skonczieli,  d.i.  skoncöli  480;  bjste  mne  nezabygieli, 
d.  i.  nezabijeli  406;  im  jüngeren  Theile  wchazieli  492,  obcha- 
zieli  626,  aby  s6  mesöcne  sehaziely  46,  urazieli,  d.  i.  uräsSeli 
512,  neprziekazieli  524.  nepusezieli  585. 

Part,  praet.  pass.  lidzeni  .  .  .;  z.  B.  porucienye  (ie)  318, 

V  dyrziem  sweliczieny  452  und  im  jüngeren  Theile  obracienym, 
d.  i.  übracenim   125  neben  obraczan  110. 

C)  Nachweis  der  Regel  in  den  sonstigen  unter  A  und 
B  nicht  behandelten  Wurzel-  und  Ableitungssilben  und  in 
Lehnwörtern. 

Alcipfest  s.  -pfest. 

Anjtil,  lat,  angelus,  nach  mittelalterlicher  Aussprache  an- 
jelus:  archangel  275,  ewangelista  278;  ausgenommen  angyel  393. 

Bi-eh,  asl.  breg-B  ripa:  brzieh  313,  na  brzieh  360,  375, 
na  brziezie  360,  na  brziezye  313,  k  fimskemu  brziehu  324. 

Bi'etislav,  asl.  Brßstislavi:  Brzyetyslaw  314,  brzyety- 
slaw  316. 

Celovati,  asl.  celovati  osculari :  cielugy  (i)  394,  cieluy 
393,  cielowasse  327,  cielowaty  393,  478,  cielugicz  290^  pocielo- 
wany  435  u.  s.  w. 

Cely,  asl.  cell,,  totus:  ciely  rok  297,  ciely  kalich  422, 
cielu  vieru  399,  w  cielosty  308,  cieloysky  488. 

Cerekve  s.  cierkev. 

Cesta,  asl.  cesta,  platea:  ciestu  277,  280,  337,  na  ciestye 
334,  337,  ciesty  325,  pociestna  (a)  305  u.  s.  w. 

Cterkev,  asl.  criiky,  ahd.  chirihha,  gr.  /.jpiay.iv:  cierkew 
390,  cyerkwe  304  u.  ö. ;  —  cierekwe,  d.  i.  cerekve  426,  cyerekwe 
304,  cierekwi  453. 

Ctesaf,  asl.  cesart,  lat.  Caesar;  ciesarz  294,  cyesarz 
295  u.  ö. 

Cech,  asl.  Cehi,  Bohemus:  czech  311,    v    czechach   315, 

V  Cechach  316;  —  6esky:  knieze  ceske  316,  v  czeskey  zemi 
311,  czeski  (y)  434,  czesky  434. 

Celed,  asl.  öeljadb,  familia:  czeled  337,  s  czeledy  287, 
czeledyn  305,  s  czeledini  434. 


L 


Heber  die  weichen  c-Silben  im  AltbÖhmischen.  359 

C>i\o,  asl.  cclo,  frons:  czelo  348,  349;  na  czele  306,  404, 
459  u.  ö. 

Ces-,  asl.  ces-  in  cesnovit't,  quod  tinditur:  rozcessy,  d.  i. 
rozcessi  320,  321   (rozcesnüti). 

Cesky  s.  Cech. 

Cest,  asl.  cftstb,  honor:  czest  295,  305,  434,  poczest  335, 
pro  poczestye  485,  u  poczestnosty  280,  poczestni  (y)  286,  287, 
329,  poczestney  postavg  335;  —  cetl,  pocet  s.  cet-. 

Cest-,  asl.  cestL,  pars:  v  tora  scziesty,  d.  i.  scesti  391; 
—  ciesi]  jednu  czyest  333.  In  scestie,  fortuna,  und  scastny, 
felix,  wird  in  altböhmischen  Handschriften  der  erste  Buch- 
stabe sehr  häufig-  z-  statt  s-  geschrieben;  ich  glaube  darin  eine 
Andeutung  erblicken  zu  dürfen,  dass  hier  ursprünglich  nicht 
sc-,  sondern  sc-  ausgesprochen  wurde.  Später  ist  sc  in  sc  und 
sf  übergegangen. 

Ces-,  asl.  casa,  poculum,  podcesie:  jeden  podcziessye  299, 
300,  podcziessym  299. 

Cet-,  asl.  66ta,  nuniero:  czetl  371,  410,  461,  poczetl  386, 
poczet  433. 

Ci'esf  s.  cöst-. 

Dcer-,  asl.  düster-,  d-Lsti,  filia:  z  jeho  dcerze  424,  dve 
dcerzy  282  (2),  dcery  282,  me  dceri  281,  345,  dceru  281,  344, 
dcerky  342,  dcerko  347  u.  s.  w. 

Deset,  asl.  desett,  deceni:  desiet  dni  284,  v  desieti  dnech 
283,  trzidciety  let  341,  mezidczyetma  275  u.  s.  w. 

Dfe've  s.  dfevni. 

Dfevni  und  dfi'eve  haben  im  Passional  durchgehends 
e  und  ie  für  asl.  e  in  drevBnB,  pristinus,  und  drevlje,  olim; 
z.  B.  s  drziewny  zenü  282,  drziewnyeho  ciesafe  427,  pri 
drziewnyemciesafi283;  drziewe  276,  279,  300,  318,  342,  352, 
370,  394,  434  u.  s.  w. ;  ein  einziges  Mal  drzewe  394,  auf  der- 
selben Seite,  wo  auch  die  Abweichungen  toho  miesiece,  na 
zapad  slunce,  s  sie  strany  merze  vorkommen.  S.  oben  III. 
(b.  a.  5.) 

Dfevo,  asl.  drevo,  arbor:  drzyewo  384,  drziewo  311,  331, 
drziewa  465,  drziewu  468,  na  drziewie,  d.  i.  na  dföve  384,  na 
drzyewie  309,  384,  drziewem  468,  drzyewem  464;  —  dh'evie: 
vzrostle  drziewie  294. 


360 


Getaner. 


Dfieve  s.  dfevni. 
Df/evie  s.  dfevo. 

Hfeb-,  hfebu,  asi.  greba,  greti  scabere:  Inf.  pohrzesty, 
d.  i.  pohfesti  284,  485;  pohrzeba  Gen.  400;  —  hfeben,  asl. 
grebent,  pecteu:  zeleznymi  hrzebeni  436. 

Hfeb:  hrziebiky  486. 

Hfeben  s.  hfeb-. 

Hfecsky  s.  hfek. 

Hfech-,  hfiech,  asl.  grehi,^  peccatuni:  hrziech  316,  hrziechy 
312,  hrziechow  281,  v  hiziessye,  d.  i.  hfiese  284,  hrziesnycy 
342;  —  hf/ßsny:  pro  vse  hrziessne  297;  —  hfesiti:  hrziessyl 
397,  od  shrziessenye  294, 

Hfek,  lat.  Graecus,  ahd.  Kriach,  mhd.  Kriech:  hrziekowe 
403,  hrziekoni  403;  —  hfecsky:  z  hrzieczske  zeme  328. 

Hfesiti  s.  hfech-. 

Hftech,  hfiesny  s.  hfech-. 

Je-  in  jeho,  jemu,  jej,  jeji  .  .  .  s.  oben  in  der  prono- 
minalen Declination. 

Jeöeti,  asl.  jeöati,  gemere:  srdee  gyeczalo  415. 

Jecmen,  asl.  jeßtmy,  hordeum,  jeöny:  gieczni  bochnec 
296,  gyeczni  bochnec  472,  gyeczneho  chleba  385. 

Jed,  asl.  jadi,,    venenuni,   jedovaty:    gyedowati  had  422. 

Jed-,  asl.  jad-,  jasti,  edere:  Praes.  ana  (san)  jednoho 
clov§ka  gye,  d.  i.  jie  379;  Impt.  giez  maso,  d.  i.  jöz  348, 
giezze,  d.  i.  j6z-ze  (et  manduca  in  Graesse's  Legenda  aurea) 
432;  Imperf.  gy ediesse  379;  Part,  gyeda  424,  gyeducz  416, 
gyedl  385,  pogyedl  385,  giedl  280,  gyedla  379,  niasa  negiedla 
379,  gyedli  389,  416;  Inf.  giesty,  d.  i.  jiesti  334,  385, 
gyesty  456. 

Jed-,  asl.  j«d-,  vehi:  Impt.  gied  domöv,  d.  i.  jed  452; 
Impf,  gyedyesse  452,  gyedyessta  359;  Inf.  giety,  d.  i.  j6ti  330, 
gyety  337,  391,  przygyety  369;  Part,  gieda,  d.  i.  jeda  330, 
odgieda  352^  gyeda  452,  gyeducz  354,  gyel,  d.  i.  jel  359,  371, 
wgyel  369,  giel  281,  330,  przigiel  319,  przygiel  316,  sestra 
giela  451,  przigiela  395,  gyeli  369,  przigieli  426,  wygieli  427, 
przigiew,  d.  i.  pfijev  282,  364,  przygiew  314,  przygyew  317, 
wgiewsse  427,  przigyewsse  373  (2),  przygiewsse  281. 


Ueber  die  weichen  e-Silhen  im  Altböhmisclien.  ODl 

J^den,  asl.  jedin'B,  unus:  geden  280,  28G,  yeden  328, 
geduoliu  275,  287,  yednoho  318,  344,  geduoaiu  280,  yednomu 
346,  neyednomu  347,  v  gednom  279,  gednyem  okem  475  u.  s.  w.; 

—  jediny:    gedine    (e)    284,    gedynim    (ym)     282;    —   j^dnati: 
sgeduHchu  282,  sgednaw  312,  prziedgednanye  291,  292. 

Jediny  s.  jeden. 
Jednati  s.  jeden. 

Jedva,  asl.  jedva,  vix:  yedwa  338,  344. 
Jeliz,  asl.  jele,  jeli,  quando,  si:  geliz  292  u,  o.,  yeliz  458. 
Jen:  gen  298,  302;  yen  362,  366. 

Jesce,  asl.  jeste,  adhuc:  gescze  278,  288  u.  ö. ;  yescze 
344,  349  u.  ö. 

Jerusalem,  lat.  Jerusalem:  v  gerusalemi  286,  okolo  yeru- 
salemie  286. 

Jes-,  asl.  jes-,  esse:  gest  275  u.  ö.,  yest  285,  291  u.  ö., 
iest  285;  kak  ge  to  288. 

Jeskyne,  cf.  asl.  jaski.,  arca:  ta  gieskynye  312,  od 
gyeskynye  366,  z  gyeskynye  366,  k  gieskiny  341,  k  gieskyny 
342,  k  gyeskyny  341,  v  gieskyny  311,  312,  314,  365  u.  ö.,  v 
gyeskyny  365,  pfed  gieskyny  365. 

Jesit-,  asl.  asjutb,  jasjutL,  frustra;  jesitny:  gyessitneho 
320,  gyessitnemu  416,  v  gyessytnem  384,  giessytnu  281,  gye- 
ssytne  chväly  451,  giessitnieh  418  u.  s.  w.;  gyessitnye  (e)  385; 

—  jesitenstvie :    gyessitenstwie    384,    gyessytenstwie    384;    — 
ausgenommen:  pro  gessutnu  chvälu  384. 

Jesöer,    asl.    jasteri»,    lacerta:    giesczerku    330    und    ge- 
sczerovv  349,  letzteres  in  der  ersten  Silbe  gegen  die  Regel. 
Jeti  s.  jed-  vehi. 

Je'v-,  asl.  jav,  na  giewie,  d.  i.  j§ve  366,  asl.  jave,  mani- 
feste; —  j^^'iti,  asl.  javiti,  ostendere:  zgiew  mi,  d.  i.  zjev  430, 
s6  zgyewista  454,  zgiewil  391,  399,  zgyewil  375,  393,  407 ; 
zgyeweno  401 ;  zgiewenye  (ie)  417 ,  zgyewenye  404,  v  tom 
zgyeweny  417,  zgyewenym  (im)  385;  zgyewitel  488.  Ueber  die 
Ausnahmen  mit  zzie-,  zzye-,  zie-,  zye-  statt  zje-  siehe  oben 
(III.   h.   a.   10). 

Jezis,  lat.  Jesus:  yezus  339,  yezukrist  283,  gezu- 
kristowo  277. 

Jiesti,  jiem  s,  jed-,  edere. 


362  Gebaner. 

Jiezva,  asl.  j«zva,  foramen:  gyezwy  302,  ^yezwy  utie- 
rala  479. 

KoföD,  asl.  korenB,  radix:  z  korzen  468. 

Kfe-,  asl.  kr«-  in  krevati,  quiescere,  convalescere : 
okrziege  338. 

Kr ehky,  asl.  kr'Bhi)k'&,  fragilis:  krzebky  280,  lidie  krzehcy 
318,  krzehke  telesenstvie  331. 

Kf«s-,  asl.  kr<?siti,  excitare:  krziesity,  d.  i.  kfiesiti  296, 
wzkrziesity  340,  wzkrziesil  286,  299,  334;  Imperat.  wzkrzies, 
d.  i.  vzkfös  379. 

Kfest,  asl.  krösti.,  kr^sH,  kresti,  Christus:  krzest  279, 
282;  —  kfesfan:  krzestyene  283,  krzestanom  283,  krzestani  (y) 
283,  krzestanske  283,  vierii  krzestansku  285  u.  s.  w. 

Kfesfan,  kfesfan sky  s.  kfest. 

Kfiesiti  s.  kfes-. 

Krocej,  asl.  -ej:  paddesat  kroczyegy  471. 

Lucerna,  lat.  lucerna:  lucerna  281. 

Mesiec,  asl.  mesecL,  mensis:  miesiecow  344. 

Mlcedliv,  asl.  mlicalivL ,  taciturnus:  mlcziedlyw  276, 
mlcziedlyw  306. 

Navsöevovati,  navsc/eviti:  nawscziewil  277,  nawsczie- 
wila  451,  nawscziewuges  284,  nawscziewuge  298. 

Oblicej,  asl.  oblicr/j,  figura:  v  oblicziey  350,  v  uobli- 
cziey  348. 

Obycej,  asl.  obycaj,  mos:  obycziey  334,  410,  414  u.  ö., 
obyczyey  314,  360,  369,  395;  obycziegie  347,  obyczyegie  312, 
313,  o^byczyegye  339,  382,  obicziegie  275,  v  uobyczyegy  312, 
V  uobicziegy  286,  obiczyegom  282,  v  obycziegich  467. 

Pecef,  asl.  pecatL,  sigillum :  peczetma  zapeczeten  369. 
üdcesie  s.  ces-. 

Pomsöievati,  asl.  niKst«-,  ulcisci:  pomscziewaty  346. 

Potfeba  u.  ä.  sieh  tfeba. 

Pfe-,  asl.  pre-:  prziesczastny  (y)  286,  prziemohn  285  u.  ö.; 
—  pfi'e-:  prziebieh  289,  przielis,  d.  i.  pfielis  307,  prziebytek 
286,  341,  prziewoznyci  (ici)  291   u.  s.  w. 

Pf  ^d,  asl.  prPdi,,  antea:  przied  hohem  275,  przied  chrämem 
275,  276  u.  ö.;  —  pfezsi:  tvoji  prziezssy  476;  —  pnTdciti: 
prziedczy  (i)  277. 


Ueber  die  weichen  e-Silben  im  Alfbnbmischen.  363 

Pf  eh-,  pfzeh-,  asl.  preg-,  zapresti,  impetum  capere: 
zaprziecy  354,  uprziehsse  355. 

Pfeju,  pri'eti,  asl.  preja,  prijati,  providere  curare:  jaf 
tobe  prziegy  287,  poprziege  452,  rac  näin  toho  prziety  409; 
przietel,  d.  i.  prietel  303,  neprzietel  303  u.  ö.;  prziezu,  d.  i.  priezü 
297,  307,  V  neprziezny  283  u.  s.  w. 

Pres,  asl.  prezt,  super:  przies  hfadu  320,  prziesmorze 
287,  288,  przyesmorze  339,  prziesmost  330,  prziesewsse  mesto 
349  u.  ö. 

-pfest,  gr.  zps jßuxepoc ,  nilat.  presbyter,  mlid.  priester, 
alciprest,  archipresbyter,  mhd.  erze-priester:  alczyprziestem  401, 
alciprziestem  426. 

Pfevor,  lat.  prior,  mhd.  prior:  prziewor  414  (2)^  418, 
przieworowi  414  u.  ö.,  podprzieworzym  (im)  404.  Siehe  oben 
(IV.  b.  a.  3). 

Pfieh-  s.  pi'öh-. 

Pftetel  s.  pfeju. 

Pfi'ezn  s.  pfeju. 

Prostfed  s.  stföd. 

Psenice,  asl.  ptsenica,  tritieum,  pseniöny:  pssenyczneho 
chleba  385. 

V 

Rebfi  s.  febro. 

Kebro,  asl.  rebro,  costa:  rzebra320;  —  febri:  dva  rzebrzie 
418  (2),  rzebrzima  418. 

Keö,  asl.  rect,  verbum  sermo:  rziecz  282,  rzyecz  321, 
po  rzieczy  309,  337,  rziecy  Instr.  285,  mnoho  rzieczy  317, 
rzieezem  317,  me  rziecz}-  336;  —  aber  zlorzeczyl  470  und 
zlorzeczeni  353,  worüber  oben  (III.  b.  ß). 

Red-,  asl.  rSd'hk'h,  rarus:  rziedko  415. 

Red-,  asl.  red-,  uredt,  ordo:  vrziednyk,  d.  i.  üfednik  387, 
vrziednyka  294,  urziednyku  282;  fi'editi:  zrziedil  275,  se 
zrziedichu  332. 

Kehola,  lat.  regula:  rzeholu  406,  rzehulu  407. 

Kehof,  lat.  Gregorius:  rzehorz  285,  334. 

Rek-,  asl.  reka,  resti,  dicere:  Inf.  rzeey,  d.  i.  feci  304, 
dorzecy  313,  poce  rzeci  338,  349,  poce  rzecy  396,  smel  rzecy 
277,  nie  rzecy  nesmeli  361,  387:  —  Part,  rzek  280,  to  rzek  i 
zmisa  317,  rzekssy  337,  rzeksse  338,  rzekl  276,  280  (2),  rzekla 


364  G  e  b  a  u  e  r. 

278,  279  u.  ö.,  rzekli  276,  323,  325,  328  u.  ö.;  rzeczeno  280, 
rzeczenye  276  u.  s.  w.  —  Ueber  rzechu,  d.  i.  fechu  309,  310, 
405,  413  u.  s.  w.  statt  fiechu,  asl.  rese  sieh  unter  den  Aus- 
nahmen (III.  b.  a.  6). 

Kek-,  fiekati,  asl.  r^ka-,  cf.  narekanije,  lamentatio: 
rziekayu  (ü)  328,  rziekal  370,  rziekali  371,    narziekauye   304. 

Keka,  asl.  r«ka,  fluvius:  nad  rzieku  Säzavi'i  312,  pfös 
rzieku  313,  hluboke  rzieky  330,  prostfed  rzieky  330,  z  rzieky 
377,  k  rziecye  360,  rzieku  359,  360,  377,  378. 

Kemeslo,  asl.  remeslo,  ars:  v  rzemesle  297,  rzemeslem 
323,  lidskymi  rzemesly  362. 

Remyk,  asl.  rernyki»,  lorum:  rzemyk  281. 

Rfcsiti,  asl.  resiti,  solvere:  rozhrziessyty  396,  rozhrzie- 
ssugy  (i)  417. 

Retez,  asl.  retezB,  catena:  rzetyez  357,  395,  396  u.  ö., 
rzetyezi  348,  rzetyezy  306,  351,  357  u.  ö. 

Kezati,  asl.  r«zati,  secare:  rziezali  406,  rozrziezaty  310, 
482,  vrziezaty,  d.  i.  ufezati  350  u,  ö.,  vrziezan  350,  obrzie- 
zanye  276. 

Rißditi  s.  föd-,  asl.  red-. 

Ri'edky  s.  red-,  asl.  redik'L. 

Rieksiti    s.  fök-. 

Scestie  s.  c§st-. 

Se-,  asl.  seti,  sejati,  seminare:  sieg'ess,  d.  i.  sejes  460, 
Part,  siegle,   d.  i.  seje  312. 

Sedeti  s.  sed-. 

Sed-,  asl.  fseda)  Sf?sti,  considere:  za  stuol  siest}'  435; 
syede  3.  sg.  aor.  313;  wsyedl  323,  wsiedl  324,  posyedl  396, 
posiedl  402,  wsiedla  401,  krev  s6  ssiedia  295;  wsied  310,  339, 
wysied  375,  wsiedsse  340,  375,  424,  ta  san  se  rozsiedssy  355; 
posiedeny  (i)  obsessi  pl.  Nom.  469;  —  süsed,  asl.  sas<?di,  vici- 
nus:  susiedy  a  susiedi  pl.  Nom.  masc.  u.  fem.  386,  susiedi 
276:  —  sedati,  asl.  s<?dati,  considere:  siedagy  (i)  382,  Part, 
siedagie,  d.  i.  södaje  324,  siedagiez  416.  —  Dagegen  durch- 
gehends  s<^deti  etc.  für  asl.  sedeti,  sedere:  Praes.  3.  sg.  sedy 
390,  392,  ten  jest,  jesto  sedyu  (sie),  d.  i.  sedi  324,  3.  pl.  ani 
sedye  369;  Imperf.  sedyesse  416,  sedyesta  473;  Intin.  sedyety 
380;  Part,  sedye,  d.  i.  sede  387,  414,  481,  484,  sedyecy  419  (2), 


Uebor  ilip  weiclien  c-Silbcn  im  Altböhmischen.  3(35 

sedjecz  391,  sediecz  381;  sedyece  311:  sedycl  299,  409,  423, 
484.  Die  Erklärung  siehe  unter  den  Ausnahmen  (III.  b.  a.  2.) 

S<^dati  s.  sed-. 

S<Th-,  asl.  seg-,  s^-g-nati,  extendere:  na  tom  mi  przisiez, 
d.  i.  pfisez  345;  a  kdyz  mu  przisieze,  tehda  se  sv.  Apolinafis 
pomodlil,  d.  i.  pfiseze  Aor.  345. 

SV»  V 

eju  s.  se-. 

Sek-,  seku,  asl.  s«ka,  sesti,  caedere:  osieczen  484. 

Sem,  asl.  semo,  huc:  siera  310,  363,  364  u.  ö. 

Sien,  asl.  senL,  umbra  tentorium:  prostfed  sieny  355. 

Seesti  s.  sed-. 

Skrze":  skrzie  277,  278  u.  ö.,  skyrzie  279,  327  u.  ö. 

Stfed,  asl.  sreda,  medium:  prostrzied  320,  327,  330,  355, 
452,  470  u.  ö.;  —  stf/edmy:  strziedmeho  vzrostu  456. 

Stfeh-,  asl.  strega,  stresti,  observare  custodire:  at  strzieze, 
d.  i.  stfeze  476,  andele  branie  i  strziehu,  d.  i.  stfehii  490; 
strziezte,  d.  i.  stfezte  374;  strzieziesse  314,  druh  druha  strzie- 
ziesse  364;  musi  strzieczi  476;  strzyehly  ~(ij  405,  wystrziehsse 
355;   —   -sth'ehati:  wystrziehayu  315,  ostrziehasse  281. 

Stfecha,  asl.  streha^  tectum:  na  strzyessye,  d.  i.  stfese 
314,  ■  przistrziessye,  d.  i.  pfistfesie  335. 

St  fei-,  asl.  strel-,  strela,  sagitta:  strziela  363,  strzyela 
363,  dve  strziele  350,  strzielil  355;   —  stfieleti:  strzielety  363. 

Stfiebro,  asl.  srebro,  sLrebro,  argentum,  russ.  serebro: 
strziebro  344,  od  strziebra  391,  kosik  strziebrni  400.  Die  Er- 
klärung s.  oben  (III.  h.  y..  4). 

Stf^eci  s.  stfeh-. 

Stf/edmy  s.  stfed-. 

-stfiehati  s.  stfeh-. 

Stf«eleti  s.  stfel-. 

Süsed  s.  sed-. 

Scedry,  asl.  st^dri.,  misericors:  sczedru  almuznu  428, 
sczedrimi  355,  sczedrzie  333,  334,  383,  385  u.  ü. 

Scepan,  lat.  Stephanus:  Sczepan  328,  sczepana  335. 

Ööestie  s.  cest-. 

Sed-,  asl.  sLd-,  Ire:  ssel  350,  355,  357  u.  ü.,  sei  303; 
ssed  352,  ssedsse  288,  351,  przissed  288,  przissedsse  351  u.  ö. 

Sedivy,  asl.  sedt,  canus:  ssyedywu  bradu  326,  ssyedywe 
vlasy  326,  ssiedywymi  vlasy  456,  ssiedinam  (ära)  305. 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  26 


366  (xcbauer. 

Ö^ptati,  asl.  ö?.pi>1ati,  sibilare:  svaty  Petr  possepta 
296.  Aor. 

Sery,  asl.  sevb,  glaucus  flavus:  mnich  ssieri  40!^. 

Sefedne:  sserziednye  385. 

Sest,  asl.  s^iStB,  sex:  ssost  315,  403,  sest  288,  po  ssesti 
letiech  315,  sestnadczte  275. 

Tfeba,  potHba,  asl.  treba,  negotium:  trzieba  286,  305, 
306;  potrzieba  371,  406,  potrziebu  333,  337,  452,  ku  potrziebie 
421,  mimo  potrzieby  323;  potrziebie  (ie)  292;  potrziebny  (y) 
457;  —  potfebovati,  asl.  potrebovati ,  opus  habere:  potrzie- 
bugem  294. 

Tfed-,  asl.  öreda,  vices  diariae,  aböhm.  tn'eda:  trziedu  275. 

Tf^petati,  asl.  trepetati,  tremere:  trzepetachu  332. 

Tfes-,  asl.  tresti,  movere:  trziesiesse  341,  zeme  se  po- 
trziese  Aor.  322,  poöeclm  se  trziesty,  d.  i.  tfiesti  377. 

Tfeti,  asl.  tretij,  tertius:  trzety  den  295,  315  u.  ö., 
trzetye  277,  279  u.  ö.,  trzetyeho  leta  316. 

Tfevic,  asl.  crevij,  calceus:  trziewieie  456. 

Tfevo,  asl.  crevo,  uterus:  trziewa  392,  479. 

Tvieda  s.  tfed-. 

Ufeduik  s.  red-,  asl.  red-. 
Ulkest,  s.  zes. 

Vöera  s.  vecer. 

Veöer,  asl.  veceri.,  vespera:  weczer  403,  weczera  405; 
wczera  342,  367,  457;  —  vecefe:  po  weezerzy  387;  —  vece- 
feti:  odvveczerziechu  365. 

Zr^e-,  zfejmy,  russ.  zreimi,  (Miklosich,  Gramm.  11.  232): 
zrzieymy  485,  zrzieymo  410;  —  zmllny:  zrziedlne  barvy  399, 
zrziedlnyegye  277. 

T^e,  asl.  ze,  vero:  ze  286  u.  ö. 

Ziebrati,  asl.  sebri,  rusticus  (Safafik,  Starozitnosti  274); 
zebraty  288,  289;  zebrzie,  d.  i.  zebfe  Part.  329,  zebrzicy  289. 

Zeci  s.  zeh-. 

^eh-,  zehu,  2eci,  asl.  zßga,  zesti,  urere:  käza  vsecky  zzecy 
330,  vzecy  je  chtel,  d.  i.  uzeci  413,  tela  vzecy  480,  vzecy  ji 
chtechu  490,  zazehl  313,  415,  435,  uzehsse  349,  rozehsse,  d.  i. 
roz-zehse  363;  —  z/ehati  s.  unten. 


Heber  die  weichen  e-Silben  im  Altbohmischcn.  dÖl 

^ehnati,  segnen,  sig-nare:  zehnagy  (i)  358,  pozehna  Aor. 
321,  pozehDal  296,  pozehnaw  296,  pozehnauy  276,  pozehnani  (y) 
276,  279,  pozehnana  279,  pozelinanye  417,  pozehnanym  (im)  297. 

2el,  asl.  zalB,  dolor:  najviece  mi  toho  zyel  321,  zyel  339; 
—  z<^liti,  asl.  zaliti,  lugere:  na  srdci  sobe  szieliw  289;  —  aber 
auch  zßleti  für  asl.  zeleti:  zielesse  298,  300,  zielechu  364; 
ozielety  482;  Part,  zielegie,  d.  i.  zeleje  289,  323,  482,  ziele- 
gycz  374,  zyelel  299,  zielel  366,  zielela  354,  abyste  nezieleli 
417,  pozielewssy  355;  die  Erklärung  s.  oben  (III.  h.  a.  7). 

2eler  cf.  Söller,  mlid.  sölre,  ahd.  solari,  lat.  solarium, 
Dachboden:  na  zelerzi  stoje  käzase  299. 

Zelezo,  asl.  zelezo,  ferrum:  zelezo  433,  zeleza  345  u.  ö.; 
loze  zelezne  431,  lesu  zeleznu  431. 

Zena,  asl.  zgna,  femina:  zena  286,  287  u.  ö.,  cna  zeno 
289,  0  tej  zeuye  380,  zenami  279;  —  zenymy,  d.  i.  zenimy 
294;  z  zenskeho  277. 

^enu,  asl.  zena,  pello:  wyzenesli,  d.  i.  vyzenesli  423, 
odzene  300,  wyzen,  d.  i.  vyzen  476. 

2  es-,  asl.  zasnati,  stupetieri:  prziezyesity,  d.  i.  prezesiti 
357;  s  vziesty,  d.  i.  süzesti  361,  418;  s  uziesty  392. 

Z/ehati,  urere:  zaziehaty  311,  zazzyehagi  (i)  mne  457. 

^ieze,  asl.  zezda,  sitis:  ziezy  Acc.  302. 

Ebenso  findet  sich  in  allen  übrigen  bisher  nicht  erwähnten 
weichen  e-Silben: 

1.  e  für  asl.  a:  murzienyn,  d.  i.  miirenin  459;  über  die 
Ausnahme  mesöenin  statt  mesöenin  s.  oben  (III.  b.  a.  9j; 

2.  e  für  asl.  e  im  Compai'ativ:  starzieyssy,  d.  i.  starejsi 
468,  starzieyssyeho  476,  k  starzieyssym  319,  s  svymi  starzyey- 
ssymi  314  (2);  lehcziegie  skonänie,  d.  i.  lehcejie  305; 

3.  e  für  asl.  e:  knyeziecieho,  d.  i.  kniezecieho  430,  489, 
knyeziecich  283,  329;  hlasy  zwierzyecye  384;  vergl.  oben  die 
consonant.  Decl.  kure'^ 

4.  ie  für  ie  und  a  in  den  Lehnwörtern :  slogierz,  d.  i.  slojief 
307,  mhd.  slogier,  slogierzem  307;  kacierz  405,  catharus,  mhd. 
ketzer,  kacierzy  389,  kacierstwie  376; 

5.  e  für  asl.  e  in  rucesf:  s  ruczesty  313. 

6.  e,  wo  es  dem  asl.  h  entspricht  oder  euphonische  Ein- 
schaltung   ist:    ptaczek    314,    mladenczek    278,    policzek  333; 

26* 


368  Gebaner. 

tyezek,  d.  i.  tezek  360,  asl.  te/.Lk'&;  owcziczek  309  pl.  Gen.; 
slnzebnycie ,  d.  i.  sluzebnicc  307,  381,  sluzebnikom  333; 
mudrzecz,  d.  i.  mudfec  309,  asl.  madrBCL,  starzecz  293,  390, 
chitrzecz  433,  bratrzecz  415;  bratrzencie  290,  377,  bratrzen- 
coma  291,  s  bratrzenci  291;  ne/>  rae  pföd  boh  seles,  d.  i.  Seles 
st.  sles  489,  392;  poslussen  397,  kii  poslussenstwi  302,  bezpe- 
czen  332,  nebezpeczenstwie  337,  snazenstwie  408,  raocen  396, 
pomocen  362,  asl.  pomosttni,  swiecen  312,  asl.  svestLni.,  na- 
bozenstwi  385,  ustawiczeustwie  389,  400;  wagecz  pl.  Gen.  379, 
duostogen  324,  asl.  dostojni,,  duostoyen  299,  347,  duostogen- 
stwie  283,  wogeusky  282,  tagenstwie  323;  manzelku  329, 
manzelstwie  329  u.  ö. 

7.    In    przigede    blas    s    nebe,    d.    i.    pfijede    423    ist    e 
anstatt  i  (prijide). 


V. 

Die  Regel,  die  in  Betreflf  der  altböbmischen  weichen 
<?-Silben  im  Passional  so  evident  zu  Tage  tritt,  ist  —  obzwar 
durch  Ausnahmen  mehr  oder  weniger  entstellt  —  auch  in 
vielen  anderen,  ja  in  den  meisten  altböhmischen  Handschriften 
des  XIII.  und  XIV.  Jahrhunderts  zu  finden.  Die  Abweichungen 
werden  mit  der  Zeit  häutiger,  weil  auch  die  Aussprache  mit 
der  Zeit  von  der  alten  Regel  abweicht;  e  geht  in  e  über,  statt 
nas«  prace  sagt  man  nase  präce  u.  s.  w. ,  und  dieser  Aussprache 
nähert  sich  die  Schreibung  seit  dem  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts 
immer  mehr  und  mehr;  in  Handschriften  des  XV.  Jahrhunderts 
(z.  B.  Nova  Rada,  1459)  findet  man  noch  ganz  deutliche  Spuren 
der  alten  Schreibung,  späterhin  verschwinden  sie  aber  gänzlich. 

Es  ist  jedoch  nicht  meine  Absicht ,  hier  die  Sache  in 
dieser  Richtung  zu  untersuchen,  und  ich  schliesse  mit  einer 
Sprachprobe  aus  dem  der  gegenwärtigen  Abhandhmg  zu 
Grunde  liegenden  Passionale  (Seite  285 — 311,  in  treuer  Ab- 
schrift). 


Ueber  die  weichen  e-Silbcn  im  Altböhmischen.  369 

[285.J 

Tu  sie  poczyna  zywot  swateho  petra  apostola-rzimskeho 

papezie. 

Diwnye    mistr    nebesky.     utyessytel    duch     svvati    swietu 
paniiet  ostawil.  oskutciech  swatich  otczow.  opoczatku  yoskonany. 
aby    dobrzi    lide    cztuce.    odnych    swati    prziklad    beruce.  bohu 
chwahi  wzdawali.  Nayprwe    to    slussie   znamenaty  yduostoynye 
paniatowaty.    kak    su    prwny  apostoli.    wieru  krzestansku.  swa- 
teho ducha  poinoci.    poswietu    wzplodyli.    a    nayposle  proyezu- 
crista  swu  krew  prolili.    Mezynymizto    byl   starosta  swati  petr. 
Kak    yest    to    byl    snazny   ||  [286]    aczo    skrzien    buoh    swietu 
dobreho    ukazal    otom    sie    tuto    pisse,    na  kratcie.     Swati   petr 
proswu    snaznu    wieru    gyzto    gmiel    kgezukristowi    zewssyech 
g-ynich    apostolow    prorada    gezukristowa    wiedyety     chtyesse. 
ayakz  prawi  swati  aug'tin.  by  byl  geho  wiedyel.  byl  by  wstana 
gey  zabil.  protoz  geho  gezis  prziednym  gmenowaty    ynechtyel. 
Znamenytye  ho  gezis  wtayaich  swych    wiecech    wolil.     Kdezto 
geho  nahorzie  thabor  miety  chtyel.  Druhe  gesto   yednu    vinrlu 
wzkrziesil.  Trzetye  namodlitwach  wzahradye.  prziedswym  vmu- 
czenym.    Tote    ten    apostol    swati    petr    genzto    te    kgezyssowi 
pomorzy    stupagie   ssel.    gehozto    take    rucha    styen.    nemoczne 
vzdrawowal.    gemu    take  kristus  pastirzstwo    nadkrzestany    po- 
ruczyl.  Nagednom  take  kazany  Trzytysicie  lida  nawieru  obratyl. 
Niekdi    take    herodessem    yat.    andyelem    zprosczen.     Tote    ten 
prziesczastni  apostol.    gemuzto    su  hohem  poruczeny  kliczy  od- 
kralewstwie    nebeskeho.     Kaki    gest    byl    geho  pokrm  otö  sam 
wgednyech    knyhach    pisse,    arzka.     Gedyni    chleb    suoliwowy 
owocem    mnye    pokrm    biesse.    masa    swarzenym.    any    masso 
zadne  wuobycziegy  mi  nebyesse.  rucho  me  bylo  gedyna  suknye 
aplascz  wiece  mi  trzieba  uebylo.  atake  sie  to  ouem  czte.  zekdiz 
sie  gest  rozpomanul  namily  prziebytek    sgezyssem  wczlowiecz- 
stwi    poswietu   chodyecz.    ynhed    wzplakasse.  aprotoz  wzdi  pa- 
snyczku  nosiesse.  ez   gy    slzy  vtyerasse.     Tiech  czasow  kdizto 
swati  petr   zamorzem  okolo  yerusaleniie  kazasse.   Biesse  geden 
wrzimie    rodu    znamenyteho    Gemuzto    gmie    bylo    faustinianus. 
ageho  hospodiny  methodiana.  Tu  miegiesta  dwa    sini    dorostla. 


370 


G  e  b  a  u  e  r. 


gednomu  faustinus.  druhemu  faustiis  gmie  biesse.  Matodyana 
matka  gich  welmi  krasna  zena  biesse.  Dewierz  gegie  neprawie 
gi  milugie.  zlym  skutkem  gie  lakasse.  Akdiz  nato  pzrielisnye 
nastasse.  Matodiana  yako  czna  awierna  zena  tu  milost  mrzeie 
nesucy  hledasse  kadi  by  sie  tomu  obranyla.  atake  aby  muzie 
sbratre  neswadyla.  Tomu  sie  tak  silnye  ||  [287J  branyeci.  vmysii 
sobie  kak  by  sie  odtad  wzdalila.  Wstawssy  gednoho  gitra  muzy 
sen  zamyslywssy  powiedyela.  arzkucz.  Vkazal  mi  sie  wesnye 
muz  poczestni,  atakto  mi  mluwie.  abych  poymucy  ssobu  swa 
dwa  sini  faustina  afausta  ybrala  sie  snyma  precz  azasie  sye 
newraczowala.  gelizby  mi  opiet  bylo  zzieweno.  Pakli  bych  toho 
neclityela  vczynyty.  abychto  gistye  wiedyela  gez  ysewssyemi 
dietmi  vmru.  To  gegie  muz  uslyssaw  tomu  uwierziw  welmi  sie 
uszasl.  aktomu  giey  powoliw.  sedwiema  sinoma  aspoczestnu 
czeledy.  zamorze  gy  poslal.  tak  rozkazaw  aby  vmiestye  gemuzto 
gmye  athenis  prziebyla.  asini  vczyty  kazala.  Faustynianus 
proutyechu.  biesse  naymlazssieho  syna  klimenta  domk  sobie 
ostawil.  genzto  piet  let  wstarzi  biesse.  Akdiz  ta  czna  zena 
ssynoma  swyma  prziesmorze  plowiesse,  gedne  noci  wicher  sie 
wztrze.  az  korab  sie  oskalu  rozrazyw  ypotopi.  Matku  kgedney 
skale  wlni  zyw'i  przynesu.  Tu  naskale  sedyeci  poczie  myslity 
byloliby  sie  horzem  utopity  swa  mila  sina  ztratywssy.  Druha 
mysl  giey  dyesse.  Poczakay  zda  gie  asa  mrtvvy  naleznes.  Akdiz 
gich  any  zywych  any  mrtwych  nenalezla  zalostywym  srdcem 
wzplaka.  atak  placzycz  wzalosty  sebe  neczygucz.  swogi  rucye 
swymi  zuby  hlodasse.  Ten  krzik  zalostyvvy  zeni  te  wlasty  vsly- 
ssawsse  knyey  przigidu.  tyezycy  czoby  giey  bylo.  agy  tyessyecz. 
Mezitogi  gedna  knyey  zena  przistupiwssy.  ypoczie  giey  rozpra- 
wiety  arzkucz.  Neplacz  mila  pany.  nebt  sem  yatake  miela 
slechetneho  hospodarzie.  aten  mi  gest  vmorzy  utonul.  aya  za- 
lostywssy  ymnoho  plakawssy.  slibila  sem  wiecz  zamuz  necho- 
dyty.  Ati  raczisly  vmem  domku  prziebywaty.  iat  tobie  rada 
prziegy.  Tu  sie  yakz  takz  matodiana  utyessyla.  ata  zena 
wswuoi  duoiu  gy  przygcmssy.  pracznye  swyma  rukama  dyela- 
gicz.  potrziebuy  gyey  dawasse.  Pomalych  dnech  tey  chudyey 
hospodiny.  dna  rucye  zlamala.  takz  obie  pracznye  ostasta. 
Swateho  klymenta  matye  dyelaty  nemoziesse  gez  sobie  wzalosty 
rucye  zhrizla  biesse.  ale  wstawssy  ypoczye  ||  [288]  zebraty, 
aswu  hospodiny  krraity.  akdiz  sie  tomu  plni  rok  skonal.  Tehda 


Ueber  die  weichen  e-Silben  im  Ältböhmischen.  o71 

faustinian  gegie  hospodarz  zrzyma  swe  posly  zamorze  poslal. 
aby  sie  wztazali.  kak  by  sie  tarn  geho  hospodiny  ysdietmi 
dalo.  Ty  tarn  ssedsse:  wiecz  sie  ncwratychu.  Druhe  posly  poslal. 
Ty  sie  wratywsse  dorzyma.  gez  su  zadnelio  tarn  uenalczli  any 
panye  any  dyety  gemii  powiedyeli.  Faustinian  to  uslyssaw. 
swelio  syna  klimenta  donia  snaznye  poruczyw.  sain  nakorabi 
prziesmorze  plul.  hiedat  swo  panye.  aswych  dyety.  y  byl  tarn 
dwadciety  let.  anykdiez  gicli  nenalezl.  Gich  sin  klyment  wrzi- 
mie  bydlesse.  agiz  sie  otcye  amaterze  ybi'atrzie  rozpaczyw  otda 
sie  nauczenye.  wnemzto  wskuorzie  slowutnye  prospiel;  anay wiecz 
sie  natu  snazyl.  kak  by  to  wumieny  nalezl.  gestli  dussye  wieczna. 
anesmrtedlna.  neb  wta  doba  geseze  swati  kliment  pohan  biesse. 
Wti  czasi  swati  barnabas  apostol  dorzima  przyssed  ypoczie 
wieru  gezucristowu  kazaty.  Tu  sie  gemu  mistrzi  pohansczy 
poeziechu  posmiewaty.  Mezynymizto  kliment  |  posmiewagie  sie 
kazany  swatebo  Barnabassye  |  gemu  toto  otazanye  vczyny 
arzka.  kak  geto.  ze  mala  zyzalka  komar  |  sest  noh  ma  a 
krzidle.  aslon  gsa  welmi  weliki.  gen  cztirzi  nohy  ma.  ale 
krzidlu  nema.  Ktomu  swati  Barnabas  odpowiedye.  arzka.  A 
nemudri.  ktwemu  otazany  snadnye  odpowiedye,  acz  mne  tyezes 
proto.  aby  sie  nauczil.  Tiezete  mne  ostworzeny  boziem.  aboha 
stworzitele  naznagiee.  Sprawnye  wstworzenych  bludyte.  kdez 
stworzitele  boba  neznate.  To  slowo  klymeutowi  nasrdcy  tanulo  j 
ypoczie  swateho  Barnabassie  prosity.  aby  ho  prawey  wierzie 
nauczyl.  Atu  wieru  przigem  prziesmorze  przieplul,  kswatemu 
sie  petru  przywinul.  Tu  ho  swati  petr  przygem.  uwierzie 
potwrdyl.  aowiecznosti  dussye  gej  nauczil.  Tyech  czasow  geden 
czarodyeynyk  biesse  wgerusalemi.  gemuzto  gmyc  Symon  biesse. 
Vnehozto  biesta  wlasczie  dwa  vczenyki  geho.  gednomu  aquila. 
a  druhemu  nyceta  gmie  biesse.-.  ||  [289]  Ta  widuce  ez  gich 
mistr  Symon  nenye  prawe  wieri.  ale  sdyably  sie  obchazie.  odneho 
odstupista.  aswatemu  petru  sie  przikazasta.  Tehda  swati  petr 
sweho  hostye  swateho  klimenta  poczie  tazaty.  ktereho  by  zrzyma 
rodu  byl.  Tehda  swati  kliment  wesken  prziebieh  czoz  sie  geho 
otcy  amaterzi  ybratrzy  przihodylo.  swatemu  petru  powiedye 
arzka.  welmi  sie  nadyegy  ez  su  vmorzi  wssyczkny  ztonuli.  Wta 
doba  swati  petr  to  uslyssaw.  nasrdcy  sobie  szieliw  yzaplaka. 
zielegie  gich  zalostyweho  rozluczenye.  Ponyekolicie  czasiech. 
swati    petr   pogem    swe    vczennyki.    ybral    sie    dotoho    ostrowa 


372 


G  c  b  a  u  e  r. 


wnemzto  matka  swatclio  klymenta  bydlesse.  atu  biechu  gedny 
sliipi  welicy  stklenny.  gymzto  swaty  petr  sswymi  vczennyki 
stogie  sie  dywiesse.  Wta  doba  pogide  czna  zena  poczestna 
zebrzicy.  Gyeyz  swati  petr  poczie  porokowaty  arzka.  Neslu- 
saloby  tobic  zebraty.  ale  swyma  rukaina  dielaty.  Ktomu  ta 
zena  odpowiedie.  Pane  mily  rucye  gmam.  ale  tak  ohrizeney  \ 
gez  gyraa  nyczs  nemohu  dielaty.  Akakby  mi  sie  bylo  dobrzic 
stalo  j  bych  sie  byla  utopila  |  aiiadsobu  teto  zalosty  newidyela. 
Knyeyz  swaty  petr  wecie.  Iczoto  czna  zeno  mluwis.  yzdali 
toho  newies  }  gez  tyech  dussye  kterzyz  sobie  sami  zy wot  otgymagi, 
tyezku  mnku  trpie.  Ktomu  ta  zena  odpowiedye  Ebych  toho 
gista  byla  gez  dussye  potomto  zywotye  gsu  zyvvy.  rada  bych 
sobie  sama  zywot  odyala.  abych  gen  me  mile  dyetki  tarn 
vzrziela. ;  Akdiz  swati  petr  poczie  nanyey  zgadowaty,  kak  by 
sie  giey  przihodylo.  Ana  gemu  wsse  wzprawi  .:.  Swati  petr 
knyey  wecie.  Jest  geden  czlowiek  vnas  mladi.  gemuzto  kly- 
ment  dyegy.  genz  wsseczko  tak  yako  ti  prawi.  kak  gest  matka 
sedwiema  synoma  zamorze  plowucz  vtonula.  aotecz  take  zany 
pluw  wiecz  sie  newratyl.  To  ta  pany  uslyssiewssy.  yako  zsmysla 
wystupiwssy.  wdywney  otrapie  nazemi  pädia.  Podluhey  hody- 
nye  ksobie  sie  nawratywssy.  srdecznim  kwielenym  zaplakawssy. 
propowiedie  arzkucz  .Tat  sem  ta  toho  inladeczka  matye.  To 
rzekssy  nazemi  pade.  zalosty  wie  placzycy  aprosieci.  aby  ||  [290J 
giey  swati  petr  gegie  sina  spiesse  ukazal.  l'ehda  giey  swati 
petr  przikazal  arzka  Kdiz  geho  vzrzis;  ponechay  malo  |  vczyu 
sie  yakzto  by  ho  nezuala.  az  od  ostrowa  slody  wyndemy. 
Akdiz  gemu  slibi  ona.  vgem  |  gy  swati  petr  zaruku.  powede 
yu  klody.  tu  gesto  swati  kliment  czakase  swateho  petra.  Tehda 
swati  kliment  vzrziew  swateho  petra.  an  zenu  zaruku  wede. 
poczie  sie  smiety.  Akdiz  sie  kswatemu  kiimentu.  ta  zena  przi- 
blizi.  nemoze  sie  sdrziety.  ale  ynhed  sie  swateho  klymenta 
obiema  rukama  cliwaty.  cielugicz  aradoscziemi  placziczi.  Wtu 
dobu  swati  kliment  newieda.  odsebe  gy  yako  zabylu  houyesse 
anaswateho  petra  sie  hnyewasse.  Knemuz  swati  petr  wecie. 
Oklimente  sinu  mily  czo  czynys.  procz  swii  matku  odsebe 
honys.  To  swati  kliment  uslysaw.  giey  wtwarz  wezrziew  ynhed 
gj  poznal.  swelikim  sie  gie  placzem  chwatyl.  Wtadoba  swati 
petr  gegie  hospodynku.  gieizto  biesse  dna  rucie  zlamala.  przi- 
westy    kazal.    aynhed    gy    vzdrawil.     Tehda    swateho    klimenta 


Ueber  dit'  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  O  i  ö 

matye  poczie  tazaty.  kam  by  sie  otecz  diel.  Gieyz  swati  kli- 
ment  odpovviedye.  Tebe  ssed  hledat  wiecz  sie  newratyl.  To 
ona  uslyssiewssy.  tyezcye  wzdechssy.  awssak  sie  tyem  menye 
mutyesse.  ze  biesse  siua  nalezla.  geinuzto  sie  obradowala.  Wten 
ezas  aquila  a[niceta  tu  nebiessta.  ale  po  maley  hodyaye  przi- 
ssedsse.  vzrziesta  zenu  sswatim  petrem  stogiece.  poeziesta  ta- 
zaty kakaby  to  zena  byta.  Gymaz  swati  kliment  odpowiedye. 
arzka.  Matka  ma  yest  gizto  mi  buoh  nawratyl.  skrzie  raeho 
mistra  swateho  petra.  Gymaz. ..to  swati  petr  wsseczko  poczye 
rozprawiety  kak  sie  swati  klymet  smaterzy  seziial.  To  tato 
dwa  vsslyssiewsse  zamutywsse  sye  uwelikem  obdywii  takto 
mluwiesta.  Omily  hospodyne  |  praweli  su  toto  wiecy  czyli  sen 
gest.  knymzto  swati  petr  powiedye.  Nezabywamyli  sie  my  |  tito 
wiecy  prawe  gsu.  Tehda  nicet  aaquila.  protrziewsse  rulcu  swe 
twarzi.  powiedyesta  arzkucz  Ya  sem  faustin  atoto  faustus  ayswa 
bratrzencie.  giesto  nassye  matka  mny  bychwie  vmorzi  vtonula. 
ato  rzeksse  oba  sie  swe  matki  ||  [291]  chwatysta.  aplaczicz 
radoscziemi  gy  wzcielowasta.  Kuymazto  matka  powiedye  gich 
gescze  nepoznawssy.  Czo  tyem  myenyta.  Miesto  nyzto  swati 
petr  odpowiedye  Twa  sini  sta.  gestos  mnyela  bysta  byla  vtonula. 
To  matka  uslyssyewssy  welikimi  radoscziemi  omdlewssy  nazemi 
pädia.  Atu  ssinoma  placzicz  dluho  nycziewss}^  poczie  gyjtazaty 
kak  wama  buoh  pomobl  ze  sta  neutonula  . : .  k|tomu  matcye  odpo- 
wiedyesta:  Kdiz  sie  korab  oskalu  roztroskota.  gedne  sie  dski 
welike  polapichwa.  tu  nagy  gedny  prziewoznyci  morzcy  nalezu. 
wswu  lody  nas.  wsadywsse  gmena  nam  gyna  wzdiewsse.  gedney 
czney  wdowie  nas  prodali.  giezto  Justiua  gmie  biesse.  Ta  onas 
yako  oswych  sinyech  peczy  miela  kuczeny  nas  prziprawila.  anas 
cznye  mnoho  czasow  chowala.  Tu  wumieny  prospiewsse  gednomu 
czarodyeynyku  wgerusalemi  sie  przikazachom.  akdiz  ho  fales- 
neho  seznachom.  pricz  odneho  gido.  aknassemu  milemu  mistru 
swatemu  petru  sie  przikazaclio.  skrzie  nauczenye  zacheowo. 
gehoztos  smy  ydnes  vczennyci. 

Nazaytrzie  stiemi  trsmi  bratrzenci  sklimentem  saquilu 
asnicetem.  swati  petr  modlit  sie  bohu  ottad  nedaleko  otgide. 
Nahody  sie  gym  geden  muz  stari  chude  postawy.  ypromluwi 
knym  arzka.  litomi  was  bratrzie  mila.  neb  poddobrira  vmyslem 
welmi  was  hirziecz  wizi.  any  gest  buoh.  any  yest  czemu  naswietye 
sie    niodlity.    any    gest    odktere    mocy    wyssye    prziedgednanye 


374  Oebaucr. 

czeho  naswietye.  ale  wsse  czoz  sie  dyege.  to  nahodu  przichody. 
aüdliwiezdne  swrchnye  mocy.  Jakzto  sein  ya  sam  wsobie 
pokusil.  geiizto  sein  nadewssye  vczcui.  wtoin  vinieny  vwiescz- 
bach.  Protozt  razi  nebludte.  lecz  sie  wy  modlte  lecz  nycz. 
czoz  wasse  przirozenye.  swrchnyeho  osuzenye  nese.  to  sie  waui 
stane  yprzihody.  Tehda  swatikliment  nau  wezrziew.  poczie  sie 
domnyewaty.  yakzto  by  toho  czlowieka  nyekda  widal.  Wtu 
dobu  swati  petr  ponucze  swatemu  klimentu  sbratrzencoma.  aby 
sie  styem  ezlowiekem  pohadali.  agemu  gez  gest  bozie  przied- 
gednanye  wtohoto  swieta  wiecech  ||  [292]  Tocz^'^s  moczne  bozie 
zposobeni'  nad  wesken  bieh  przirozenye  mudrira  doliczenym 
ukazali.  Akdiz  sie  snym  tak  pohadowachu.  agey  pro  gelio 
starosty  poczest  otcem  wzywachu.  Tehda  aquila  powiedye  arzka. 
Czo  ge  toho  potrziebie.  gez  ho  otcem  nazywamy  agmagicz 
zapowiedyeno.  abychom  yzadneho  nazemi  otcem  newziwali. 
gedno  boha  nanebesiech.  ato  rzek  aquila  ozrziew  sie  nastareho 
muzie  ypowiedye  arzka.  Nemyey  zazle  otcze  gez  sem  meho 
bratra  tresktal.  ez  tye  otcem  wziwa.  takt  maniy  przikazano. 
abychom  tyem  gmenem  nykoho  mymo  boha  nazemi  newziwali. 
Akdizto  aquila  propowiedye.  zasmiechu  sie  wssyckny  ysswatim 
petrem.  okolo  stogiece.  akdiz  otaza  aquila  proczby  sie  smieli. 
Powiedye  knemu  swati  kliment  arzka.  Nebto  czynys  zuehozto 
gyne  treskczes.  wzywagie  tohoto  starcie  otcem.  Tehda  on  poczie 
prziety  arzka.  Newiedye  nazwally  sem  geho  otcem.  Wtu  dobu 
promluwi  ten  kniet  stari  arzka.  Vwierzil  bych  ez  by  bylo 
prziedgednanye  awssiech  wiecy  bozie  prziedposobenye.  ale  me 
swiedomie.  neda  mi  tomu  wierzity,  Znal  sem  me  yme  zeni 
nahodnye  przyrozenye.  asznamenal  sem  biehy  planetowe.  po- 
nemzto  sem  dobrzie  pohodl,  ez  sie  giey  mielo  tak  przihodyty. 
yakzto  sie  giey  yprzihodylo.  Jala  sie  sweho  sluhy  milowaty.  atak 
sie  nebezpeczenstwie  ahanby  bogiecy.  sen  sobie  falesni  zamy- 
slywssy.  snym  sie  prziesmorze  wzdwihla.  atu  yvtonula.  Tak  mi 
yest  take  muoy  bratr  powiedyel.  gez  geho  byla  poczala  take 
milowaty.  akdiz  vzrziela  an  nany  netba  -:-  kswemu  sluzie  swe 
milowanye  olaratyla  Ztoho  giey  zazle  neslussye  miety  neb  sie 
giey  tak  myelo  przihodyty.  Ato  rzek.  yal  sie  wsseho  rozpra- 
wiety  kak  yest  ssynoma  asczeledyu  prziesmorze  zaplula.  atu 
vtonula.  akak  ge  on  hledagie  gich  zasie  sie  domow  newratyl. 
yVkdizto    synowe    vslyssyechu.    poznawsse    ez   yest    gich    olecz. 


lieber  ilie  weichen  e-Silben  im  Altböhinischen.  3<ö 

radostywie  chtjechu  sie  geho  chvatyty.  ponucze  gym  swati 
petr.  aby  toho  neuczynyli  geliz  on  kaze  . ;  Tehda  ktorau  starci 
kgich  otcy  swati  petr  propowiedye  arzka ;  Vkazilit  twu  hospo- 
diny.  stwymi  setrsmi  sini.  chczesly  uwierzity.  ||  [293]  ez  nahodny 
osuzeny  prziebiezy.  yakzti  wierzis  nycz  neysu.  ale  bozie  prziedge- 
dnanye.  ktomu  starzecz  odpowiedye.  Jakez  yest  nelzie  tobie 
toho  naplnyty  mnf'  czoz  s  mi  ninye  slibil.  takeze  nelzie  by  sie 
czo  dalo  beznahodnyeho  osuzenye.  Wtu  dobu  swati  petr 
kstarey  wecye.  Ay  tot  sin  twuoy  kliraent.  atot  dwa  sini  twa 
blizencie  faustus  a  faustin.  Wtu  hodynu  muz  stary  otecz  gich. 
uwelike  radosty  ohromeny  omdlew  pade;  Tehda  synowe  shroznim 
placze  knemu  padsse.  geho  wzcyelowachu.  abogiece  sie  by  zte 
mdloby  nevmrziel.  Tu  dluho  lezawsse.  ayako  zuotrapy  wstawsse. 
pocziechu  otcy  rozprawiety.  wsseczkno  porzad.  yakzto  sie  gym 
przyhodylo.  Akdizto  gich  materzy  powiedyechu.  shroznim 
placzem  pobieze  krzicziecz  arzkucz.  Kde  muoy  mily  pan.  kde 
gest  muoy  mily  hospodarz.  Tehda  on  gye  zaslyssaw  proty  giey 
splaczem  pobieze.  tu  sie  mile  placzycz  przitulista.  ati  czasi 
ysdyetmi  sswatim  petrem  ostasta.  Toto  wsseczkno  swati  kliment 
wswych  knyhach  sam  osobie  pisal  . ; . 

Wti  czasi  swati  petr  domiesta  do  yerusalemie  sswymi 
vczennyki  gide.  atu  nalez  Symona  czarodyeynyka.  an  dyablowu 
moci  rozliczne  zazraki  ukazuge.  alid  wrozlyczni  blud  uwody. 
wzywagie  sie  prwu  sprawedlnosty.  iako  buoh.  aktozby  wen 
uwierzil.  slibowal.  ez  by  gey  wzdi  wieczna  vczynyl  arzka. 
Czoz  mi  libo  to  wsse  mohu  vczynyty.  Niekda  mie  ma  matye 
poslasse  zat  na  pole,  tu  sem  srpu  kazal.  aby  sam  bezme  pracie 
zal.  atak  sie  stanyesse.  ez  srp  wiece  zal.  nez  gini . ; .  Atoho  mnoho 
osobie  potwrzowasse.  arzka.  ya  sem  slowo.  ya  okrasa.  ya  ntyessy tel. 
ya  wssemuhuci.  Wti  czasi  czynyesse  medyene  hadi  any  sie  yako 
zywi  hibi,  slupy  medyene  ykamenne  vczynye.  kazasse  sie  gym 
smyety  Wida  ten  Symon  czarodyeynyk  swateho  petra  sobie  pro- 
tywna.  daw  sobie  snym  rok  hadany  . ;  Chtye  toho  doliczyty.  gez 
yest  pravym  hohem.  Naten  den  sie  sswatim  petrem  snydesta  Tu 
wstupiw  swati  petr  mezyuye.wssyem  gesto  tu  biechu  wecye.  Pokoy 
wä  bud  bratrzie  mila.  gesto  prawdu  ||  [294]  milugete.  Gemuzto  sy- 
mon czarodyeynik  wecie.  Mytweho  pokogie  nepotrziebugem.  ktomu 
swati  petr  odpowiedye.  Ti  sie  bogis  slissiety  opokogi.  Odshrzie- 
ssenye  bogi  bywagi.  protoz  kdez  shrziesseny®  nenye.    tu  pokoy 


376  Gebauer. 

yest.  Odpowiedie  Symon  czarodyeynyk.  Nicz  oto  semnu  nem- 
luw.  ya  tobie  ukazy  boztwie  meho  mocz.  aynhed  mi  sie  raussys 
modlity.  Neb  ya  sem  prwa  prawedlnost.  ya  mohu  letaty  upowie- 
trzy.  Nouo  wzrostle  drziewie  brzo  vczyuy.  zkamene  mohu  chleb 
obiatyty.  wuohny  bezuraza  trwaty.  ato  wsse  czoz  chci  mohu 
vczynyty.  Tehda  swati  petr  protynemu  pocie.  rozumnim  czynem 
sie  hadaty.  a  tak  g-emii  rziecz  miidrzie  zawazowaty.  yakz  mu 
nykak  Symon  neumi®  odpovvicdaty  To  wida  Symon  czarodyey- 
nik  gez  nemoz  proty  swatemu  petru  wnyvvczem  swityezity. 
wssyeczki  knyhi  swe  czarodyeyne  vmorze  uwrhl.  bogie  sie  by 
nebylo  proneseno.  ez  sie  czari  obchaziewasse.  To  vczynyw 
styem  vmyslem  dorzima  prziesmorze  przieplul.  aby  ho  wrzymie 
zabuoh  mieli.  To  swati  petr  wzwiedyew  sswymi  vezennyki ; 
zanym  dorzima  gide.  a  to  bylo  za  czasu  claudij  ciesarzie.  I  byl 
tu  swati  petr  pietmezidcietraa  let.  biskupy  czynye.  wieru  plodye. 
nemoczne  vzdrawugie,  anaswem  kazany  nadewsse  czistotu 
chwale.  Cztirzi  take  zenymy.  agrippy  vrziednyka  ciesarzowa. 
nawieru  obratyl.  znehozto  sie  agrippa  welnii  naswateho  petra 
hnyewasse.  Po  tyech  czasiech.  zaciesarzie  Nera;  genzto  byl 
pociesarzy  claudij.  Zziewil  sie  hospodyn  swatemu  Petru  arzka. 
Petrze  symon  czarodyenyk  anero  ciesarz.  zle  otobie  mysle.  ale 
neboy  sie.  Nebot  sem  ya  stobu.  adamt  dobreho  pomocznyka 
sluhu  meho  pawla.  genzt  ktobie  zaytra  dorzima  przide:  Tomu 
srozumyew  swati  petr.  ez  skrzie  swe  krwe  prolitye  prowieru. 
g^yzsie  ma  geho  wiek  konaty.  Wstupiw  mezi  swe'  vezennyki. 
ymezy  wssye  krzestani.  gyzto  wrzymie  biechu.  Vgem  swateho 
klimenta  zaruku  vczynyl  gey  biskupem.  amiesto  sebie  narzy- 
skem  stolci  posadyl.  Nazaytrzie  sw^ati  pawel  yakzto  bylo  hohem 
rzeczeno  dorzyma  przigide.  sswatim  ||  [295]  petrem  wieru  krze- 
stansku  kazal.  Wti  czasi  ciesarz  nero  Symona  czarodyeynyka 
milowasse.  tak  welmijyakzto  strazy  sweho  zywota  ywsseho 
miesta  obeczueho  dobreho.  Geden  czas  yakz  pisse  swati  otecz 
low  papez.  stasse  symon  czarodieinyk  prziedciesarzem  kuzlem 
sie  obchodye.  arozlicznye  sie  promienyge.  weczas  wtwarz 
wstarosty  wetczas  vmladosty.  ukazugie .  •, .  To  wida  ciesarz 
zasina  bozieho-  gei  miegiesse.  Tehda  symon  czarodyeynyk  kcie- 
sarzowi  propowiedye  arzka.  aby  wiedyel  ciesarzy  gez  sem  prawy 
sin  bozy  kaz  my  hlawu  styety.  uzrzis  aya  trzety  den  zmrtwych 
wstanu.  Kaza  gemu  ciesarz  ynhed  hlawu    styetyu.     Tehda   kat 


Ueber  die  weichen  e-Silben  im  Altböhmischen.  t>77 

mnye  by  gemu  hlawu  stal.  ysstal  hlawu  beranowi.  wzdwih 
symon  taynye  stateho  Berana  hlawu  yschowal.  a  tu  sie  krew 
beranowa  ssiedla.  Trzety  den  symon  czarodyeynyk  ciesarzowi 
sie  ukazaw  wecye.  Kaz  rau  krew  gesto  gest  prolita  setrziety.  Widis 
aya  yakzt  sem  slibil  vmrziew.  trzety  den  sem  zmrtwych  wstal. 
To  ciesarz  vzrziew  welmi  sie  podywil.  asyniona  zasina  bozieho 
gmiek  Potom  su  ho  rzymiene  wtaciey  czty  mieli.  gez  gemu 
naczest  obraz  vczynyli  tak  nadny  napsawsse.  obraz  symonowi 
bohu  swatemu.  akdiz  tak  welike  zazraki  bhidne  symon  wrzy- 
mie  ukazowasse.  wstaw  swati  petr  swatim  pawlem  prziedcie- 
sarzie  gidesta.  arzkuce.  Ciesai'zi  wiezto.  To  czozt  symon  czyny. 
dyablowu  mocy  yest.  aprawie  tak  yakzto  wgezukristu  yest 
dwogye  podstat.  Toczys  bozstwie  aczlowieczstwie.  Takez  wtomto 
czarodyeynyku  gest  dwogie  podstat,  czlowieezie  adyablowa. 
Tehda  Symon.  nerowi  wecye.  yakzto  pisse  swati  otecz  Lew 
papez.  Dokad  chczes  trpiety  neprzietele  meho.  Wetczast  ya 
kazy  swym  andyelom.  at  mne  nadnym  pomstye.  Ktomu  swati 
petr  otpowiedye.  Twycht  sie  ya  andielow  nebogy.  ale  onyt 
mne  sie  bogie.  Tehda  cyesarz  wecie.  Nebogis  sie  petrze  symona. 
an  swe  bozstwie  skutki  ukazuge.  To  mu  swati  petr  odpowiedye.;. 
Jestli  boztwie  wnem.  nechat  pohodne  czo  ya  ninye  myslyu. 
nebo  czo  czyny.  ayat  prwe  cie  ||  [296]  sarzy  powiedye  tobie 
swe  myslenye.  lehki.  aby  symon  uesmiel  gyneho  smentyty.  nez 
czoz  ya  myssly.  przistupiw  kciesarzowi  swati  petr  possepta. 
kaz  mi  gieczni  bochnecz  przynesucz  taynye  daty,  Akdiz 
bochnecz  przynesu  pozehnaw  gey  swati  petr  schowaw  y wecie 
Nuz  symone  gesto  sie  hohem  czynys  Pohodny  czo  mysleno. 
czo  rzeczeno.  czo  vczyneno.  Ktomu  symon  odpowiedye.  Po- 
wiezti  prwe  petrze  czo  ya  mysly.  Swati  petr  wecie.  To  wetczas 
ukazy  gez  wiedye  czo  rayslyss.  kdiz  vczyny  proty  tomu  czo 
myslys.  Tu  sie  rozhnyewaw  symon  zawolaw  wecie.  Budte  tuto 
ynhed  psi  welici  snyeztez  geho.  Aynhed  sie  ukazachu  psi 
welici.  aokolo  swateho  petra  weliki  pohrom  vczynychu.  Tehda 
swati  petr  chleb  wynem  genz  biesse  pozehnal  gym  poskite. 
apsi  uteku  ynhed.  Wtu  dobu  swati  petr  kciesarzowi  wecye. 
Ay  tot  sem  ukazal  czoy  proty  mnye  symon  myslil.  ato  sem. 
vczynyl  neslowy  ale  skutki.  Biesse  symon  proty  mnye  slibil. 
swe  andyely  poslaty  yposlal  namie  psi.  aby  ukazal.  ez  neswate 
andyely.  ale  psie  andyely   gma.    Tehda   symon  wecye.     Slysta 


378  Gebauer. 

mne  petrze  apawleNemohu  li  ninye  slowy  nyczprospiety.  prziwedu 
to  gescze.  ez  was  budii  mocznye  sudyty.  ninye  wama  odpusczy. 
ato  rzek  ypoczie  sie  swelicziety  pysuu  rziecz  mluwie  arzka.  Mohu 
mrtwe  krziesity.  wti  czasi  geden  mladecz  vmiestye  vmrziel.  Pozna- 
wssy  obecz  swateho  petra  aswateho  pawla.  asymona  czaro- 
dyeynyka.  to  gym  otwrdychu  rzkuce.  Kterizby  znych  mrtwelio 
nekrziesil.  aby  byl  nabezzywotye  dan.  Tehda  symon  przistupiw 
poczie  nadvmrlym  czarowaty  tak  dluho  gez  poczie  mrtwy 
hlawu  hybaty.  Wtu  dobu  wssyczkny  kamenye  polapywsse. 
chtyecliu  swateho  petra  kamenowaty.  Nanyez  swati  petr  po- 
krzykl  arzka.  Pomlczte  ponechayte  maleczko.  yestli  tento 
vmrlecz  zyw.  nechat  wstane  chody  amluwi.  gynak  newierzte 
obludat  yest,  hlawat  sie  mrtwa  hibe.  ayakz  odtad  symona 
odwedu.  tak  sie  poczie  hlawa  vmrlczowa  nehibaty.  Tehda  swati 
petr  podal  stogie  pomodlyw  sie  bohii.  yzawola  arzka.  ||  [297] 
Gynochu.  weymie  yezukrista  genzto  prowssye  hrziesne  na  krzizy 
vmrziel.  kazugit  wstan  ynhed.  aynhed  mrtwy  wstaw  ypogide. 
To  lide  vzrziewsse  chtyechu  symona  kamenowaty.  swati  petr 
gym  zapowiedye  arzka.  Nechayte  dostyt  ma  muky;  yhanby. 
wtom  gez  sie  zna  wswe  lalesnem  rzemesle  prziemoze.  Mistr 
nas  gezukrist  wtom  nas  vczyl.  abychom  zazle  dobrzie  od- 
placieli.  Wtu  dobu  gyma  symon  wecie.  Wiezta  to  petrze 
apawle.  Neprzidet  to  wama  yakzto  zadata.  bysta  byla  skrzie 
vmuczenye  muczedlnykowu  koronu  koronowana.  Tehda  ona 
odpowiedyesta.  Stan  sie  nama  czoz  zadawa.  ale  tobie  nykda 
dobrzie  nebud.  Neb  czoz  mluwis  to  wsse  mentys.  Odtad  symon 
wstaw  ygide  kgednomu  vczennyku.  gemuzto  Marcellus  gmie 
biesse.  yprzywaza  welikeho  psa  przied  geho  domem.  kupodwogi. 
arzka.  Vzrzys  Marcelle  budelit  smiety  petr  protohoto  psa  ktobie 
wduom  wnyty.  Pomaley  chwili  przigide  swati  petr  pozehnanym 
swateho  krzizye  toho  psa  odwaza.  Ten  sie  pes  wssyem  ginim 
poczie  radowaty.  ale  symouem  kuzedlnykem  poczie  trhaty. 
agey  podsie  podwrh  chtyesse  zadawity.  przibieh  petr  napsa 
krzicze.  Tehda  pes  symona  nykdie  neuhrize  ale  rucho  nanem 
az  donahoti  zplasa.  Wtu  dobu  lidye  to  widiewsse.  azwlascze 
dyety  ysepsem  possymonowi  krzicziecz  pobiehu.  az  geho  yako 
wlka  zmiesta  wyhnachu.  Pronezto  zahaubenye  ciely  rok  nykdiez 
sie  symon  vmiestye  nepokaza.  akdizti  dywy  marcellus  vzrzie. 
swatemu  petru  sie  przikaza.    Porocie  sie  opiet  symon  dorzyma 


Ueber  die  weichen  c-Silbeii  im  Altbohinischen.  3  <  9 

wratyl.  aopiet  uweliku  prziezn  ciesarzowu  wstupil.  Geden  czas 
yakz  to  prawi  swati  otecz  Lew  papez.  swolaw  sjraon  lid  rzymski. 
y  poczie    g-ym    zalowaty    arzka;    Tiemito    lidrai    zg-alilee   gsem 
welrai  zamucen.  protoz  yuz  nechcy  wrzymie  dele  bydlity.  ayakz 
sem  byl  obraucie  ystrazie  tolioto  miesta.  gyz  tohü  dele  nechcy 
czynyty.  ale  chcy  odwas  prycz  g-yz  nanebesa  wstupity.  Neb  mi 
yuz  neslussye  dele  nazemi  byd  ||  [298]  lity.    Tehda  wssyeni  lidem 
rokowaw    den.     nagednu     wysoku     wezy     wznyde.    aodtad    sie 
wywrli:  wlaurowem  wienci  letaty  pocie.  To  swati  pawel  vzrziew. 
swateniu  petru  wecie.  Mnyet  sie  gen  sliissye  modlity.  ale  ti  mas 
mocznye  przikazaty.  Wtu  dobu  ciesarz  wecie.  Totot  yest  symon 
czloviek   prawy.    ale    wy    oba    falesnyki    sta    swuodcye    sprawe 
ciesti.  sta.  Tehda  swati  petr  promliiwi  kswatemu   pawlu  arzka. 
Pawle  wzwed  hlawu  wiz  czot  sie  toto  dyege.  akdiz  swati  pawel 
hlawu    wzwede,    vzrzie  ano  sie    symon    wznassiegie    lece.     vpo- 
wietrzy.  Towida  swati  pawel  swatemu  petru  wecye.  Czast  gest. 
to  czozs  poczal    dokonay.    gyzto    dobrzie    widyss  ezt   yest  nagi 
gyz  pozwal  ksobie  hospodyn.     Wtu    hodynu    swati   petr  poczie 
zakliuaty  arzka.    Zaklynagy    was  pekelny  duchowe  gesto  yeho 
vpowietrzy    nosite.    akazugy    warn    moci   nasseho    xnileho   yezu- 
krista:  abysteho  dele  upowietrzy  nedrzyeli.  ale  iipadnuty  przie- 
pustili.     Wtu    hodynu    symon    nazemi    busse.    atu  sie  rozrazyw 
ynhed  zdesse.  To  vslyssaw  Nero  ciesarz  ez  ztratyl   tak  wzacz- 
neho  czlowieka.    welmi   ho    zielesse,   akapostolom    takto    prom- 
luwil.  Wyste  mie  welmi  zamutyli.  aya  was  take  utratyty  mysly. 
To    rzek    ykaza    ynhed    oba    apostoly    gyety.    ydal    gie    vmocz 
gednomu  rityerzy  gemuzto  paulyn  dyechu.  apauly  gie  poruczyl 
Mamertinowi.    pod    strazy    dwu    rityerzy    protesie    amartiniana. 
Ta    dwa    rityerzie    swati   petr   nawieru    obratyl.   pronezto  otew- 
rziesse  '  zalarz  oba  apostoly  wypustysta.   Potom   pauly.    ponye- 
kterich  czasiech  posmrty  swatich  apostolow  poznaw  ez  tato  dwa 
rityerzie  protesius  amartinian  gsta  krzestaui.  kazal  gie  oba  styety. 
Ta    rityerzie    prosiesta    swateho    petra    aby    zmiesta    postupil. 
Tomu  sie  rzieczy    dluho   brauyw    gyma    powoli.     akdiz  pogide 
kbranye.    tu    gesto    ydnes    slowe    uswate    kralewni     ustupieyu. 
vzrzie  ano  gezukrist.  proty  nemu  gde.  tu  mu  swati  petr  wecie 
hospodyne  kam  gdes  hospodyn  odpowiedye.  gdu  dorzyma  opiet 


'  So  die  Hs.  statt  otevi-eväe. 


380  (Jcliiiuer. 

naukrzyzowanye.  To  swati  petr  oswem  vmuczeny  ||  [299]  srozu- 
myew.  do  miesta  sie  zasie  wraty.  aprawie  to  swym  vczenny- 
kom  czo  sie  gemu  zziewilo.  Wtu  sluhi  ciesarzowy  prziskoczywsse 
swateho  petra  polapichu.  astorostye  yemuzto  agrippa  dyeclm: 
vmocz  dachu.  Knemuz  akrippa  takto  wecie.  Tili  si  ten  gesto 
sie  tyem  sweliczies  gez  zeui  odg-ich  muzow  rozwodys.  Tehda 
swati  petr  poczie  gehe  ztoho  tresktaty  arzka.  Procz  mi  wtom 
winu  dawas.  yat  sie  neswelicziegy  wgynem.  nez  wkrzyzy  meho 
mileho  gezukrista.  Wten  czas  swateho  petra  gez  blasse  cyzo- 
zeinecz  nakrzyzy  vmrziety  otsudychu.  Kgeho  kweliciey  prosbie 
hlawu  dolow  nakrzyzi  gey  powiesichu.  neb  tak  biesse  rzekl. 
Neysem  duostoyen  timz  czyne  nakrzyzy  pnyety  yako  muoy 
spasitel  kristus.  Tehdi  tak  nakrzyzy  dolow  hlawu  wisie.  poczie 
krzestanstwo  uvvierzie  potwrzowaty.  Tu  stasse  mnozstvie  krze- 
stauüw  zalostywie  placzicz  Wtu  hodynu  wezrziewsse  vzrziechu 
andyely  wkrasnich  koronach.  aswateho  petra  widyechu  an  knyhy 
berze  odgezucrista.  aczoz  slidmi  mluwiesse.  to  natyech  knyhach 
cztyesse.  To  swati  petr  wida.  ez  hospodyn  ukazal  swu  swatu 
chwalu.  prziedewssyemi  krzestani.  nageho  skonozeay;  snaznye 
bohu  podyekowa.  agie  wssyeckni  bohu  poruczyw  dussy  pustyl. 
Wtu  hodynu  ukazachu  sie  andyeli.  uwelikey  swietlosty.  gichzto 
nykda  nykte  nebiesse  tak  widal.  ty  takto  klidem  promluwichu. 
raduyte  sie  nebo  mate  welikeho  orudownyka  zasie  prziedhospo- 
dynem.  O  Swate 

Oswatem  pawlu  take  sye  pisse.  Ezkdiz  gednoho  dne  wrzyinie 
vmespori  nazelerzi  stogie  kazasse,  yeden  mladecz  podczie- 
ssye  nerow  milostni.  aby  lepe  swateho  pawla  kazanye  uslyssal. 
naokenci  sedyei.  atu  sie  wzdrziemaw  yspadl.  zbiw  sie  ynhed 
vmi'ziel.  to  uslyssaw  Nero  welnii  geho  zyelel.  agyneho  miesto 
neho  podczyessym  vczinyl.  To  skrzie  ducha  swateho.  swati 
pawel  wzwiedyew.  kazaw  sobie  toho  vmrleho  przynesty  gey 
wzkrziesil.  ageho  prziedciesarzie  stowarzyssy  poslal.  Wtu  hodynu 
wnyzto  geho  naywiecz  ||  [300]  ciesarz  zielesse,  powiedyechu 
gemu.  gez  geho  podcziessye  patrocus  prziededwerzmi  zyw  stogy; 
To  uslyssaw  Nero  uzase  sie.  aprziedsie  ho  pustyty  neda.  bogie 
sie  gez  geho  drziewe  vmrla  wiedyesse;  awssakz  rozmyslyw  sie 
radu  przatelsku.  geho  prziedsie  pustyty  kaza.  Nero  otaza  geho 
arzka.  Patroku    zywlis.    ktomu    on    odpowiedye.  Cyesarzy  zyw. 


üeber  die  weichen  e-Silben  iiu  Altbnhmischen.  381 

Ciesarz    wecie.    ktotye    zywa    vczynyl,     Patrocus    odpowiedye. 
Hospodyn     gezus     kristus     kral     nadewssym     swietem.      Tusie 
rozhnyewaw  nero  ywecye.    Tehda  ten    nia    kralowaty   Dawieky. 
aiiia    russyty    wssyeczkna    kralewstvie    wsseho    swieta.     Ktomu 
patrocus    otpowiedye.     Tak    sie    ma  staty  ciesarzy.     Wtu  dobu 
Nero  da  yemu  weliky  policzek.  arzka.  Tehda    ti    tomu    sluzys. 
Patrocus  otpowiedye.  Gystye  gemu  sluzy.  neb  mie  gest  zmrtwych 
Avzkrziesyl.  Wtu    dobu    piet    milostnich   rityerzow  ciesarzowych 
powiedyechu    arzkuce.     Procz    mily  ciesarzy  tohoto  mladeczka 
tepes.    an    tak    mudrzie    odpowieda.    ano     my    gyz    smy    potoni 
postupili.    gez    cliczmy    tomu    wssemoliuciemu    krali     wityezsky 
sluzyty.  To  uslyssaw  Nero;  kaza  gie  ynhed  wzalarzy  zawrziety. 
aby    gelikoz    gie    drziewe    mylowal    toliko    gie    nemylostiwiegie 
muczyty  kazal.  Wten  czas  take  kaza  wssyeczki  krzestani  zgy- 
maty  agie  trudnye    muczyty.    Mezynymizto    prziwedu    swazana 
swateho  pawla.   prziedciesarzie.     Knemuz  ciesarz  wecie.     Ti  si 
czlowiek    welikeho    krale    sluzebnyk.    procz    my    me    rityerzie 
odemne    ludys.    asobie    gie    osobuges,    Swati  pawel  odpowiedye 
Netolik    ztwe   wlasty.    ale    zewssiech  wlasty  swieta.  ksobie  gye 
przygymagy.    gymzto    kral    nass    wssemohuci    slawne    dari   da, 
aodnych  wssye  nedostatky  odzene;  Chcesly  wtoho  poslussenstwi 
byty.    spasen    budess.    nebt   yest   tak    moczni.    ezt   yest    sudcie 
wsseho  swieta.  ama  obnowity  olmem  wden  sudni   wsseho  swieta 
postavu.    To    uslyssaw    nero    welmi    sie    rozhuyewa.    anaywiece 
proto  ez  dyesse  swati  pawel.    Ma    swiet   ohnem  obnowen  byty. 
Kaza    wssyeczky   krzestani    zzecy.     aswatemu     paw    ||  [301]    lu 
yako  proty  ciesarzowie  welebnosty  wynnemu.  kaza  hlawu  stiety. 
Swati    pawel    promluwi    arzka.    Nero    ciesarzi    wiezto.    gezt  ya 
namaly  czas  budu  trpiety.  ale  nawieky  zyw  budu  sgezukristem. 
Ktomu    ciesarz   wecye    Setnyete    mu    hlawu    at    vzrzy    ezt    sem 
mocznyogy.    nez    kral    geho.    proty    nemuzto  sem  ya  swityezyl. 
awizmy    mocslit    bude    geho    zywity.    Swati    pawel  ktom^   odpo- 
wiedye.   aby    wiedyel    ciesarzi    ezt    pomey    smrty  nawieky  zyw 
budu.    pome    hUiwy    styety    tobiet   sie    zyw    ukazy.  atu  poznas. 
ez    gezus    kristus    gest    moczni    kral    nadsmrty    ynadzywotem. 
Yakzto  swati  pawel  domluwi    tak   geho    nasmrt  powedu.    akdiz 
bychu  u  branye.  gesto  ydnes  slovve  hostiensis  utka  geho  gedna 
slechetna  pany  gieyzto  gmie  lemobia.  gijzto  biesse  swati  pawel 
nawieru    obratyl.    ata    wlastnye    sestra    faustiniauowa    swateho 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  27 


o82  Gebancr. 

klimenta  otcie  biesse.  Tii  uzrziewssy  ano  swateho  pawla  swa- 
zana  wedn.  srdecznye  zaplakawssy  poczie  sie  geho  swatey 
modlitbie  porucziety.  Tu  gie  swati  pawel  poprosi.  aby  mu 
poziczila  ruchy  sswe  hlawy  gijzto  by  oczy  yeho  byle  zawa- 
zanye.  arzka.  zasiet  yii  opiet  wrati.  akdiz  yemu  ona  poda 
te  ruchy;  pocziechu  sie  giey  gyny  posmiewaty  arzkuee.  Ne- 
smyslna  zena  pozyczye  tomu  czarodyeynyku  tak  drahe  ruchy 
giesto  wiecz  zasie  miety  nebude.  akdiz  swati  pawel  narozhranye 
przigide.  obratyw  sye  nawschod  sluncie.  spen  rucie.  oczy 
wnebesa  wzwede.  ypoczie  hospodynu  szalostywymi  slzanii  sie 
modlity.  snaznye  krali  nebeskemu  dyekugie.  poklonyw  sie 
wssyey  okolo  bratrzy  oczy  sobie  russicy  zawaza.  nakolenu 
poklek  ssygie  poskitl,  atu  geniu  hlawa  gednu  ranu  stata.  hlawa 
odtyela  skoczywssy.  yezus  cristus  rzekla.  Neb  yakez  yest  byl 
gezukrist  gemu  zazywota  myl.  takez  yna  smrty  geho  poymeno- 
wal.  Tak  yest  swati  pawel  to  swate  gmie  gezus  cristus  milo- 
wal.  nalezeno  yest.  ez  wswych  epistolach  yesus  akristus  patset- 
krat  psal.  Wtuzhodynu  swati  petr  naukrzizoAvanye  weden.  atak 
oba  gednoho  dne.  wgednu  hodynu.  ale  podal  odsebe  swuoy 
swati  zywot  progezukrista  gsta  dokonala.  ||  [302]  kak  sta  nasrart 
zalostywie  wedena  kakli  sta  odsebe  zalostywie  odpusczenye 
brala.  otom  swati  dyonisius  genzto  przygich  smrty  byl  wsseczko 
porzad  swatemu  Thymotheowi  milostneiuu  vczenyku  swateho 
pawla  list  napsaw  poslal.  wtato  slowa  tak  i'zka  ; 

Pozdrawugy  tebe  twenin  sie  zdrawi  radugie.  vczennyku 
asynu  wlasczy.  duchowneho  amileho  otcye  swateho  pawla  apo- 
stola.  yehoztos  byl  milostnyk.  ayehozs  wuoli  plnyl  wzdi  ubozie. 
yakzto  sweho  mileho  mistra.  snj'-niztos  mnohe  protyvestwie 
naswietye  trpiel.  odzlych  lidyu  weliku  nenawist.  wrozliczne  czasi. 
hlad  ziezy.  mnohe  potupy.  posmyewanye  tresktanye.  zlobiwa 
otazanye.  siiyinztos  take  prodan  byl.  Tus  snym  tiezku  praci 
nesel.  sbolesty  shorzkosty.  wsmutciech.  wpokussowany.  wntrpeny. 
Avnespany.  vmodlitwach.  wsile.  yvmdlobie;  wemnohich  putech 
snym  potupen.  byczowau  triznen.  odneprzatel.  yodnemilostywych 
przatel;  wssak  si  swu  sluzbu  snaznye  snesl.  nykda  sie  neoblenu- 
gie.  ale  wzdi  hotow  gsa.  kuposlussenstwi  sweho  mileho  mistra. 
snyraztos  czasto  bit  byl.  pouliciech  wlaczen  . ;  zedran  zlomozen. 
wemnohich  miestech.  snymztos  take  nebezpecznye  priesmorze 
plawal;     Nakorabech    zamuczowan.     vmiestech     ranen.     wuuzy 


Ceber  die  weichen  e-Silben  im  Alttrihmischen.  383 

ywhcanbach  zalost  trpiel  wzalarz  sazan.  wedne  ywnoci  snym 
uwiezieny.  wokowach.  wrucznyciech  zeleznich  ywgynich  rozli- 
cznich  smutciecli.  anetolik  wtyechto  wiecech.  ale  ywtyezssych. 
muczeny.  gestos  snym  ukrutnye  azalostywie  trpiel.  snaznye 
yvstawnye.  sswym  mylym  mistrem  swatini  pawle.  Grenzto  yest 
byl  otecz  wssyech  duchownich  otczow.  mistr  nadmistri.  Jenzsto 
byl  ukrzyzowan  svietu.  anaswem  tyele  giezwy  nasseho  spasitele 
nosil.  yenzto  byl  bezprziemna  hlubokost  mudrosty.  pisczalka 
prziezwuczna.  kaza  ||  [303]  tel  prawednosty  nykda  neustaly.  O 
pawlowi  rzku  oprzieslechetne  apostole.  yenzto  gest  oswietyl 
svvatu  cyerkew.  potwrdyl  uwierzie  krzestani.  zlamal  wrata 
hi-ziechö  Mecz  naobie  stranye  ostry,  gynizto  zahnal  pohani. 
modli  pohanske  swrlil.  gich  oltarzie  zborzyl;  dyablowe  obrazy 
zlamal.  ygich  prziebywadla  russyl.  ychwalu.  slowutnost  hodow 
gich  stawil.  Neb  zagiste  biesse  andyel  zemsky,  ezlowiek  nebesky. 
obraz  ypodobenstvie  swateho  bozstwie.  Wssyech  ubuoli  wierzi- 
cych  chwala.  przietel  kagycych.  sweho  naroda  rziecznyk.  mily 
aprziezadni  wssyeni  swym  od  pohanow  rozehnalym.  byl  yest 
take  obiet  zydowska.  gehozto  nenawidyechu  liczomiernyci.  ne- 
bo  rnssyesse  gich  zydowske  skuoly.  ygich  bludna  vmyenye. 
Vstawcie  swatich  kostelow  snaznye  stogie  pogich  duchoAAeustwi. 
Byl  yest  take  sczyt  wieri  krzestanske.  sluha  gezukristow.  wo- 
lagici  byrzycz  swateho  cztenye,  usta  bozska.  yazyk  duchowni. 
hledacz  ztracenich.  otecz  sirich.  snazni  sudjjye  ystrazie  wdo- 
wicz.  syla  mdlych.  posilenye  pracznych.  bezpeczna  lody  na- 
niorzy  tapagicich.  genzto  sie  ge  wsczytyl  proty  welikym  wlnam 
nahlych  tohoto  swieta  hnyewow.  Byl  yest  take  zwykly  korabnyk. 
wduchownyey  mudrosty,  genzto  yest  wsse  zgednal  slycznye. 
zadagie  nepromyenneho  gednostawenstwie.;  Byl  neprzietel 
kacyerzowy.  wezley  mysly  zkazenich.  Byl  otecz  obmyslni. 
pastirz  ymistr  prziedobri.  wityez  svvati  aduostoyni.  Dnch  bo- 
ziemu  obrazu  przyrownani.  Wiz  mily  Thymotee.  kakt  ni  chude. 
a  neduostoyne  wtomto  wezlem  swietye  sirzye  ostawil.  ysel 
kswemu  milemu  gezukristu.  kswemu  bohu.  ykswemu  wiernemu 
przietely.  Bieda  mnye  bratrze  prziemily.  kam  sie  nam  dyel 
nas  mily  otecz  duchowni.  Mily  vczennyku  Tymotee.  sweho 
mistva  milostnyku.  Ktot  yuz  bude  wiecz  psaty  listi.  smorzie 
nebo  szemie  tyezye  sie.  aradngie  sie  twemu  zdrawi.  zrozlicznich 
zemi.   Odgalatie.  odhyspanye.  odazye.  odkoriuta.  Ay  tot  si  yuz 


,'j<S4  Oebauer. 

osirziel.  yostal  si  sam.  Yuz  pi-ziestal  ydokonal  sie  bieli  twuoy. 
g-enzto  czynyesse.  sswym  mily    ||   [o04]  otcem  duchownim.  kne- 
muzto  spiesnye    przibiehnyesse.    yuzt  wiecz  nebude    psaty  swu 
swatu  ruku  arzka.  Tobie  synu  muoy.  Tymotee  prziemily.  anyt 
yuz    wiecz    posle    wzkazug-ie    aby   knemii    brzo  przissel.  arzka. 
Czakagy  tebe  wtakemto  miestye.     O  mily  synu.    yuzs    to  wsse 
dokonal.  oneraztos  mi  byl  psal.  ywzkazal  tyezie  sie  kde  muoy 
mily  mistr;     powiezmi  at  knemu  przidu.J     Dnes  sie  yest  wsse 
dokonalo  gestoy  gezys  rzekl.  swym  vczennykom  arzka.  Budete 
zadaty  gedne  hodyui  wasseho  inistra.  anebudete  widdyety.  any 
miety  mocy  budete.  Bieda  bratrze  muoy  mily  tymotee.  czo  sie 
ge    nam    przihodylo.    skuodi    ywelike    trucblosty.    gezs    my   tak 
osirzieli;  Ba  odkad  nam  przidu  tekucie  silzy.  abychom  plakali 
wedne  ywnoci.  nebo  swietlo  swate  cyerekwe  zhaslo  yest.    Wrz 
yuz    mysli    wewsse    pismo    knyh    yvproroczstwie.    yuz  nemainy 
yzadnelio  g-enzto  by    nam    vvylozyl    ywyprawil    nesnadnost    vpi- 
smi®.  rozlicznicli  rozumow.     Protoz   muozem  dobrzie  sprorokem 
amos  rzecy.  Pasu  ya  napuscznich  miestech.  anapastwisczych  tu 
kdezto  pastwiscz  nenye.    Okde    su    Jeremie    proroka   zalostywa 
slowa.    geho   kwielenye    gesto    sie    tak    wyprawugy.     Srdce    me 
zamuceno    yest    odwelike    trucblosty    stonanye.     neb    mi    nenye 
vtyessenye.    any    odpoczynutye.    Bieda    mnye    bratrze  myly  ty- 
motee gyzt  wiecz  psaty    nebude  swych  listow.  wnyclizto  psano 
bywasse.  Pawel  pokorni    sluha  gezukristow.  Wieczt  take  psaty 
nebude.  Avzkazugie  miestom  arzka.  Przygmiete    ochotnye    S3'na 
melio  mileho  tymotee.  Byeda  mnye  myly  bratrze  tymotee.   Kto 
sie   yuz    neotda   whrozni    placz   auwelike  Ikanye.     Kto  sie  yuz 
neoblecze.    wzalostywe;     rucho.    kto    sie    yuz    nepodywi    tomu 
wssy  mysly.  Omily  tymotee.  wlasczy  knyeze.  sluho  gezukristow. 
aswate  cyerkwe.  Oblecz  sie  uplacz  awzyny.   Nebo  blas  wolagicy 
powssyech  wlastech  slyssan  yest.  welikelio  placzie  ynarziekanye. 
ostrastney    swatelio     petra    aswateho    pawla    smrty.    yonassiey 
slrobie.  Tot  sta  tye  dwie  hroznyey  aprzykrzyey    ranye.  nani   || 
[305J  gednobo  dne  przyssle.  ayuz  sie  nam  dokonalo  poAviedye- 
nye.    Jacob    patriarclie.    kdizto    yosepb    syn    geho    ztratyl    sie 
biesse.  adruliy  sin  symeon  dluho  sie  newratyl.    Tu  yakob  gicli 
zielegie    takto    raluwil    placzie    kswym    synom.    zbawiliste    mie 
mych  synow.  tye  pomozete  mym  starim  ssiedynä  spiesse  ksmrty. 
Aytot  swati  petr  apostol   poczatek  yzalozenye    swate  cyerkwe. 


üeber  die  weichen  e-Silben  im  Althöhmischen.  38ö 

chwala  yczest  Avssiech  swatich  apostolow  g'yz  ssel  odnas  prycz.  ani 
sire  posobie  ostawil.  Takez  swati  pawel  wieinich  krzestanow  czele- 
dyn.  vtyessytel  swych  przatel.  zasscl  odnas.  yuz  ho  wiecz  zde 
nenaleznein.  yuz  sie  to  dokonalo  yest.  czoy  dauid  prorok  rzekl, 
Powrhli  SU  twych  swatich  tycla  yako  vmrlu  mrchu.  napokrm  ptacz- 
stwu.  Kde  yest  yuz  bieh  swateho  pawla  a  pociestna  pracie  geho 
swatich  noh.  yuz  yest  wsseho  zbyl.  yvssel.  anebogie  sie  any  g-yetye 
any  zalarzie.  any  zawornyeho  zawrzienye.  any  geho  swietyey 
rucye.  wiecz  budeta  kswazany  poskytenye.  Kde  su  yuz  usta  dostoy- 
neho  mluwenye.  kde  yuz  yazik  radi  mudre.  aduch  dobrzie  liby 
bohu  swemu.  Obratrze  mily  tymotee.  chwalmy  ztoho  hospodyna. 
gez  mu  gyz  nenye  tohoto  swieta  modlitew  trzieba.  neb  sie  yuz 
tarn  nawieki  raduge.  Ykto  by  nekwielil  tuto.  tak  slawnu  dwu 
otcy  apostohi.  genzto  sta  slawnye  obdrzaUi  czest  ychwahi  uho- 
spodyna.J  Aytot  sta  wedena  yako  dwa  zlorzeczena.  hanebnye 
nasmrt,.  Obratrze  muoy  tymotee.  By  byl  widyel  swyma  oczyma 
zalostywe  gich  skonanye.  pro  weliku  zalost.  samby  sobie  byl 
az  dosmrty  zateskl.  ale  ycz  si  tu  toho  sani  newidyel.  protozt 
sie  lehcziegie  zda  gich  zalostne  skonanye.  Kto  by  byl  tu 
nezaplakal.  kdizto  gie  otsudychu  nasmrt;  swateho  petra  aby 
ukrzyzowali.  aswatemu  pawlu  aby  hlawu  styeli.  byl  by  widyel 
tehdi  mnozstwie  zydow  ypohanow.  any  zanymi  gduce.  tepu  gie. 
poruhagy  sie  gym.  awswatu  twarz  giin  pligi.  Ana  yako  tycha 
dwa  beräky  nycz  neodmluwata.  Akdiz  ta  hodyna  przigide 
prziehrozna.  ruozno  gie  rozwedsse.  gich  ru  j|  [306]  eye  swietyey 
swazachu.  Nato  nassie  mnoha  bratrzie  zdaleka  hledachu. 
asrdecznye  zalostyecz  plakachu.  Tehda  swati  pawel  odswateho 
petra  odpussczenye  bera  takto  wecye.  Mir  bud  tobie  zalozyteli 
swate  cyerekwe.  apastirzy  wssiech  krzcstanskych  owczycek. 
swati  petr  ozrziewsie  naswateho  pawla  takto  knemu  propo- 
wiedye.  Gdy  sboheni  upokogy  prziedrahy  kazately.  wssyech 
dobrich  prostrziedku  swateho  sgednanye.  wuodce  wssyech  spasi- 
tedlnich.  Akdiz  gie  ruozno  rozluczychu  gidech  zaniym  ruylyni 
mistrcni  swatim  pawlem.  Neb  nenagednom  iniestye  su  gie 
zahubili.  ale  podal  odsebe.].  Akdiz  sie  ta  hodyna  zalostna  przi- 
blizy.  bratrze  muoy  mily  timotee.  kat  swatemu  pawlu  ssygi 
ztahnuty  kaza.  Wtu  dobu  swati  pawel  nanebesa  wezrziew  krzyz 
naswem  czele  ynaprscch  vczynyw.  pomodli  sie  arzka  f  wtwogy 
rucie  mily  gezukriste  poruczyegy  dussy  uiu.  awtu  hodynu  geho 


386  Genauer. 

swatu  hlawu  styechu.  Tu  swuoy  zywot  probuoh  skonaw  vviecznu 
koronu  przygal.  Bieda  mnye  mily  moy  bratrze  tyinotee.  Wtu 
dobu  uda  mi  sye  wezrziety  na  gelio  tyelo  newynnu  krwi 
zekrwawene.  Bieda  mnye  muoy  otcze  duchowni  mistrze  ynau- 
czyteli  prziedrahi.  Kterims  ti  czynem  tak  ohawne  smrty  za- 
sluzyl.  kam  sie  ya  yuz  siri  obraci.  kam  puoydu  hledat  tebe. 
chwalo  krzestansl^a.  yczty  wssyech  wiernich  prziewierna.  kto 
gest  tak  mlcziedliw  vczynyl  twuoy  prziesladky  blas  pisczalko 
prziewysoko  zwuczna.  wznyele  huslky  desaternich  strun.  nau- 
czyteli  muoy.  kde  tebe  hledaty  budu.  kde  tye  naleznu.  owodce 
prawy.  czo  yuz  otobie  powiedye  twym  vczennykom.  Zda  gym 
powiedye  ezs  yat  neb  nyekde  udawen.  Paklit  yuz  koho  posslem 
znas.  at  by  hotowie  posluzyl.  yuzt  wiecz  znas  yzadneho  trzieba 
nenye.  yuz  si  sscl.  Kswemu  milemu  bohu.  gehoztos  nasledowal. 
ywssym  srdcem  zadal.  Obieda  mnye  ez  tye  newynyey  rueie 
twogy.  gesto  biesta  nyekdi  wgerusalemie  dwogimi  rzetyezy 
swazanye.  tye  gsta  yuz  wrzymie  rozwazanye  f  ||  [307]  Dauid 
prorok  sweho  syna  plakasse  arzka.  Synu  muoy  bieda  mnye 
tebe  synu  muoy  absolon.  aya  pak  smutni  zalostywie  placzie 
rzku.  Bieda  mnye  tebe  otcze  muoy.  bieda  mnye  tebe.  Zdali 
yuz  neprziestal  sbor  twych  vczennykovv.  ktobie  dorzyma  sbie- 
hugicich.  atebe  hledagicich.  yuz  wiecz  nedye  zadni  Podmy 
wyzmy  kde  gsu  nassy  mistrzi.  aotyezcm  gich.  kterim  bychom 
czynem  duostoynye  Aviasty  mohli  kostely  nam  poruczenimi.  Kto 
nam  yuz  wyprawi  przikazanye  nasseho  mileho  gezucrista.  ane 
snadenstwie  proroczstwic  pisma  swateho.  Jeruzaleme  arzyme. 
miesto.  krzywa  mezy  wama  prziezn.  obie  sta  rownye  wezlosty. 
gerusalem  gezukrista  ukrzyzoAvalo.  Rzymske  miesto  apostoly 
nasmrt  otsudylo.  Jerusalc  skizy  gemu  gehozto  ukrzyzowalo. 
Rzym  slawnye  slawi  tyecb  swatich  apostolow  gmyc  giestoy 
nasmrt  otsudylo.  Znamenay  dyw  Aveliki  bratrze  muoy  tymotee. 
azazrak  neslychani  genz  syey  stal  toho  dne  pogich  smrty. 
Widyel  sem  gie  swyma  oczyma  ana  gdeta  dorzimskeho  miesta 
brani.  drziece  sie  zarucie.  obleczena  wswietle  rucho.  wkoronaeh 
przielis  stwucich.  anetolik  ya  sem  sam  gie  widyel.  ale  ylemo- 
bia  sluzebnycie  krale  sezten.  gesto  take  swateho  pawla  na- 
wieru  obracena  poslusnycie  biesse.  Ta  lemobia  kdizto  swateho 
pawla  nasmrt  wedyechu.  utkawssy  geho  gie  sie  zalostywie 
plakaty.    Tehda    giey    swati    pawel    powiedye  arzka.     Ncplacz 


Ueber  die  weichen  t-Silben  im  Altböhiuiüchen.  387 

lemobia.  ale  day  mi  ruchii:  gijztos  swu  hlawu  zawila.  awetczast 
gj  wraci.  Pak  kdiz  swatemu  pawlu  hlawu  styechu.  tehda  swati 
pawel  swu  wlastny  krew  sebraw  Aviusku.  ywratyl  lemobij  Tclida 
lemobia  knemilostywemu  ktomu  rityerzy  katu  wecie.  kdes  osta- 
wil  rneho  mileho  inistra.  Odpowiedye  g"yey  arzka:  Tarnt  lezy 
sswym  towarzisse.  prziedmiestem  naudoli.  gesto  slowe  Avitye- 
zowe  udole.  atwym  slogierzem  obwita  yest  twarz  geho.  Tehda 
lemobia  otpowyedye  arzkucz.  Wetczas  swati  pawel  yswati  petr 
wkrasnem  russye  awstwucich  koronach  wesslasta.  domiesta, 
atot  slogierz  ||  [o08]  geho  swatu  krwi  zekrwaweni.  To  vzrziewsse 
mnozi  krzest  swati  przygemsse  uwierzichu  wgezukrista.  Aprotoz 
yuz  mily  bratrze  tyniotee,  gieztos  mylowal  zewsseho  srdcie  tat 
sta  sie  yakzto  saul  kral  asyn  geho  yonata  nasmrty  nerozdie- 
lila.  aya  take  smutni  odmeho  mistra  swateho  pawla  neodluczyl 
sem  sie.  nez  wtu  dobu  gesto  mie  zli  lidye  odneho  odstrczychu. 
Wssakz  to  rozluczenye  wzdi  nebude.  nebta  swata  dussye  zna 
swe  mile.  Kakz  koliwiek  giz  knym  nemluwi.  neb  otneho  zde 
gsucz  daleko  su  wzdaleny.  ale  wden  sudni  kak  bude  przie- 
zalüstywe  rozluczenye  ktoz  sie  tchdi  odnych  odluczy.  Ayuz 
bratrze  moy  mily  tymotee.  przieteli  duchu  nieho.  pospies  pro- 
sity  mileho  hospodyna  upostu.  ywrozliczney  pracy.  at  da  hospo- 
dyn  milost  mistra  tweho.  Jako  ge  dal  elyzeoui  vczennyku  helye. 
genzto  yest  bil  ustawicznye  snym  dotowad.  az  ho  hospodyn 
upowietrzy  wzdwihl  odneho.  neb  zagiste  zlosty  welike  trpiesse 
odrozlicznich  nenavistnykow.  gesto  snym  wzawisty  mluwiechu 
arzkuce.  Ay  tot  vczcnyk  nepraweho  proroka  bozieho  ustawenye 
prziestupnyka.  To  slyssye  helizeus  wnywczemz  nezufal.  od- 
mistra  sweho.  aprotoz  czoz  nabozie  prosil.  dwuoge  posporzeny 
ducha  swateho  obdrzal.  Takez  kakzkoliwiek  swati  pawel  miel 
mnoho  vczennykow  milych.  wssakz  wnykteremz  neodpoczywal 
duch  yeho  yako  wtobie  tymotee.  Nebo  ti  si  snym  trpiel  ro- 
zliczna  pokussenye.  ybezczysla  mnohe  truchlosty.  atos  uczynyl 
sweselym  yspokornim  srdcem.  Zagiste  tis  sä  gedyni  duostogen 
byl  obdrziety  takych  darow  podarzenye.  Tot  take  bud  znamo 
mily  bratrze  tymotee.  ez  kdiz  swateho  petra  skrzyzie  snyeli 
geho  swata  hlawa  wcielosty  styelem  biesse.  Alekdiz  swateho 
pawla  styeli.  odtyela  hlawu  wzemsse  mezy  gyne  state  doyamy 
zaAvrhly.  gyezz  krzestyene  potom  nalesty  dluho  nemohli.  akdiz 
mnozy-  czasi    prziesly.     Tu    yamu    kral  wycidyty    kazal.    tu  su 


388  Geh  an  er. 

srozlycznim  choniradem  swateho  pawla  hlawu  wywrhli  Mymo- 
nyzto  gda  yeden  sczastni  pastirz  naswu  yu  sikolecz  Avzdwihl. 
apodle  stagie  swych  owczi  [309]  czek  postawil.  nadnyzto  potrzy 
noci  nebesku  swietlost  widyel  f  Sed  domiesta  rzymskeho  po- 
wyedyel.  panu  swemu  zetaku  swietlost  widyel.  Pog'eho  rzieczy 
ten  gisti  pan  geho  wyssed,  tuuz  swietlost  widyel.  Domiesta  sie 
zasie  wratyw.  rzymskemu  patriarssye  knyezy  yknyezatom  y- 
wssyem  starostam  powiedyel.  gijzto  wyssedsse  aohledawsse  rzechu. 
zagiste  totote  hlawa  swateho  pawla.  Wyssed  fabellio  patriarcha. 
ssewsseho  rzima  mnoztwym.  wzem  hlawu  ynesl  yvi  nazlatem 
stolci.  ypokusychu  sie  chtyecz  swateho  pawla  hlawu  kgeho 
swatemu  tyelu  przylozyty.  Tehdi  patriarcha  poczie  toho  branyty 
arzka.  My  to  wiemy  ez  wtomto  miestye  muozy  swiety  wdawne 
czasi  SU  smrt  wziely.  gichzto  udi  yhlawy  odpohanow  rozraetani. 
apotom  neshledani.  protoz  teto  hlawy  kgeho  swatemu  tyelu 
nesmyegy  przyczynyty.  ale  wyloziecz  tyelo  swateho  pawla  tuto 
hlawu  vnoh  polozmy.  a  kbohu  prosbu  snazuu  wzdaymy.  Jestly 
toto  geho  SAvata  hlawa  przygednay  sie  kgeho  swatemu  tyelu. 
Wtom  gemu  wssyczkny  powolichu.  ayakz  rzekl  patriarcha 
vczynychu.  Tu  sie  tyelo  kswey  swatey  hlawie  obraty.  yspogy 
sie  tak  ciele  ytak  krasnye  yakzto  kdi  zageho  zdrawie.  Ten 
dyw  wssyczkny  Aviduce.  slaAvnu  chwalu  bohu  Avzdachu.  yenzto 
kraluge  wswem  Aveleslaweustwi  wieky  Avyekom  amen. 

0  lerowy. 

Potom  yakzto  yeden  mudrzecz  prawi  aristotiles:  Male 
zabluzenye  napoczatcye  welike  bluzenye  czyny  naskonany. 
Kdiz  ge  to  ten  nemudry  Nero  cyesarz  dyablowyni  nauczenym 
chtyel  nadapostoly  konaty.  prozleho  czarodyeynyka  symona. 
apostoloma  zywot  otgyety.  Przyepustil  nan  buoh  hrozne  wsmysle 
bluzenye.  apotom  hanebne  skonauye.  kak  gest  wsmysle  bludyl 
otom  sie  takto  pisse.  Gez  nero  gednoho  sweho  mistra  myegyesse 
gemuzto  seneca  dyechu.  Ten  ho  zmlady  piestowal.  ayakzto 
.slussye  wkazny  chowal.  A  kdiz  nastarost  zauerowa  ciesarzstwie 
odplati  zaswu  sluzbu  czakasse  pozwaw  geho  Nero  kaza  gemu 
wolity.  Nakterem  drzye  ||  [310]  Avie  chce  obiessen  byty.  tot 
chey  tobie  zaodplatu  vczynyty.  akdiz  ho  poczie  seneka  tazaty. 
kak  sc  ya  toho  natobic  zasluzyl.     Wtu    dobu    nero   kaza  nahy 


üeber  die  weichen  e-Silten  im  Altböhmischen.  dö9 

mecz  wjtrhnucz  nadsenekowu  hlawu  rozvvesty.  '  Wta  doba 
poczie  seneca  ysieiu  ytaiii  hlawy  iiliybaty.  gemuzto  nero  wecie. 
Procz  hlawu  uhibas.  Mistr  ütpowiedye.  Czlowiek  sem  proto  sie 
smrty  boyu.  Nero  wecye.  Takez  sie  ya  tebe  gescze  boyu.  yako 
zdyetynstwa  sem  sie  tebe  bal.  proto  uem^hu  iityessen  byty 
dokad  tye  nasswietye  wizy.  zywa  gsuce.  Mystr  seneca  wecie. 
kdiz  mi  iest  smrty  nelzie  zbyty.  asa  mi  to  nawuoli  day.  kteru 
chcy  smrty  snyty.  Cyesarz  Avecye.  Czot  libo  to  vczyn  gedyne 
tyem  pospies.  Tehda  seneca  kazal  sobie  wlazny  kad  ukropa 
przyprawity.  atu  wsied  ykaza  sobye  obie  medianye  zatyety. 
Dotowad  odneho  krew  tecze.  aztu  omdlew  vmrziel.  To  nero 
blaznowstwo  vczynyl.  Take  sie  to  onem  pisse,  ez  nero  kazal 
swe  materzy  brzycho  rozrziezaty  chtye  wiedyety  kak"  yest 
wsswey  materzy  lezal.  Proty  tomu  mistrzy  lekarzy.  poczieclm 
mluwity  arzkuce.  Ciesarzy  neslussiet  proten  zamysl  swe  mile 
matky  zahubyty  ana  tye  tak  tyezcye  nosila.  asnaznye  wzclio- 
wala.  ktomu  gym  nero  wecye.  ale  vczynte  to  swym  mistrow- 
stwem.  at  dyetye  ubrzyssye  ponesa  yvrozy.  abych  potom  poznal. 
kako  yest  weliku  bolest  promie  ma  matye  trpiela.  Mistrzy 
weciecliu.  Tomu  ygedno  przyrozenye  nechce.  any  kto  to  muoz 
vczynyty.  by  ti  mohl  dyetye  urodyty.  Rozhnyewaw  sie  Nero 
krzikl  nanye  arzka.  To  vrzy  -  neuczynyteli  toho.  chcy  was 
wssyech  ohawnu  smrty  utratyty.  Tehda  mistrzy  nemohucz 
tomu  gynak  vczynyty  vradywsse  sie.  wlekarzstwi  gemu  zywu 
zabku  pozrziety  dachu.  ato  mistrowstwem  vczynychu.  ez  zaba 
ubrzyssye  poczye  zywa  byty.  Gyeducz  a  rostucz  brzychu  gemu 
obtyezyla.  Wtiech  czasiech  poczie  Nera  brzicho  bolety.  pozwaw 
lekarzow  ksobie  wecye  gym.  Przizrziete  ktomu  totot  mie  dyetye 
wel  II  [311]  mi  dussy.  gyzt  dale  trpiety  nemohu  vczynte  at 
porozy.  Tehda  gemu  lekarzstwie  dachu  gyzto  hroznu  zabu 
zhrdla  sekrwi  Avywratyl,  Jrzechu  mistrzy  gemu.  Proto  te  tak 
hrozne  to  czozs  urodyl.  gezs  czasu  przyrozeneho  nechtyel 
czakaty.  tomu  porozeny.  Tu  Nero  przikazal  aby  ten  gehe  narod 
byl  krmen  ychowan :  wgednom  sklepie  dluhe  czasi  f  Atake  sie 
to  onem  pisse,  ez  sie  gednu  rozpomanuw  kak  yest  byl  krasni 
ohen.  kdizto  troya  to  welike  miesto   horzalo.    kaza  rzym  sedm 


•  So  die  Hs.,  vielleicht  für  vzvesiti. 
2  So  die  Hs.  statt  uzfi. 


390  Gebauer.  TTeber  die  weichen  c-Silben  im  Altbohmischen. 

dny  asedm  nocy  zaziohaty  nawssye  strani.  Wssed  pak  nawysoku 
wezy  ypoczie  sie  wkrasie  wclikcho  plamene  kochaty.  nawssye 
strani  hlcdagie.  awesele  pozpiewugie.  yakzto  onem  rzymska 
kronika  pisse.  Tyech  ygynich  blaznowstwi  dele  odneho  rzymiene 
trpiety  nemohsse  sewssy  obczy  nan  sie  oborzichu.  yAvyhnachu 
gey  ziniesta.  Akdiz  zanym  tak  bieziechu.  wida  giz  ez  utecy 
nemoze.  polapiw  gedno  drziewo  ziiby  mu  konecz  ob  ostrzyw. 
naleh  brzychem  nato  drziewo,  yproklal  sie  nabie  stranye.  atak 
uwelikem  bludye  hanebnye  swuoy  zywot  dokonal. 


Bauer.  Herodot's  Biographie.  o"! 


Herodot's    Biographie. 

Eine  Uutcr!9uchung 

von 

Dr.    Adolf    Bauer. 


In  der  Geschichte  Athens  gibt  es  keinen  Zeitraum  glor- 
reicheren Schaffens  als  die  anderthalb  Decennien  nach  der 
Eroberung-  der  Stadt  und  des  Landes  durch  Xerxes;  aus  dem 
Nichts  hatte  dieses  Volk,  dessen  Männer  zur  Zeit  der  höchsten 
Nüth  auf  ihren  Schiffen  zur  griechischen  Flotte  nach  Salamis 
stiessen,  während  die  Frauen,  Greise  und  Kinder  von  der 
Älildthätigkeit  der  benachbarten  Städte  und  Inseln  lebten,  den 
ersten  Staat  Griechenlands  gebildet. 

Eine  Geschichte  dieser  seiner  Thaten  von  dem  Zeit- 
punkte der  schliesslichen  Verdrängung  der  Perser  bis  zum  Be- 
ginne des  peloponnesischen  Krieges  besitzen  wir  nicht.  Thuky- 
dides '  wusste  keinen  andern  Darsteller  als  Hellanikos  zu 
nennen ,  und  fand  sich  veranlasst,  da  dieser  nur  kurz  und 
genauer  Chronologie  nicht  entsprechend  über  den  Zeitraum  ge- 
handelt habe,  in  seiner  Pentekontaetie,  eine  gedrängte  Ueber- 
sicht  der  Ereignisse  eben  dieser  Zeit  zu  schreiben.  Die  beiden 
grossen  Historiker  der  Griechen,  Herodot  und  Thukydides,  ge- 
hören eben  ihrer  Eigenart  nach  den  geistigen  Strömungen  der 
beiden  Zeiträume  an,  die  vor  dem  Ende  der  Perserkriege  und 
nach  dem  Beginne  des  peloponnesischen  Krieges  wirkten,  und 
es  kann  nur  durch  ein  Verkennen  dieses  Umstandes  für  Herodot 
vorausgesetzt  werden ,    er  habe  sein  Werk  noch  weiter  führen 


1  Thuk.  I.  97.  2  (ed.  Krüger)  EypaAa  ok  aüxi  /.ai  xr^v  ixßoXriv  tou  Xoyou 
£j:otr(aa[jLr;V  oia  toos,  oti  Toi"?  r.po  I[jlou  ajiaa'.v  £xXi7:£i;  touto  f,v  to  /tüpiov  zal 
7^  Ta  T.^o  Töjv  ^lr,0'.xä)V  'EXXrjVtxa  ?'jV£T(Oc<jav  '/;  aura  Toe  Mr,8ixa  •  to-jtcov 
o'  öar.Ep  xat  fji^axo  iv  t^  'Attix^  ^'jyypacpr],  'EXXavixo;  ßpa/_£w?  T£  xat  xoT; 
ypo'voi;  ojx.   axpißoj;   £-c;j.vr|a8T,. 


392  Bauer. 

wollen,  als  er  es  that.  Mögen  wir  immerhin  den  Kampf  der 
Hellenen  und  Barbaren,  den  Hcrodot,  wie  er  in  der  Einleitung 
seines  Werkes  sagt,  schildern  will,  erst  mit  der  Eurymedon- 
schlacht  beendet  sehen,  ITerodot  sah  das  Ende  in  der  Bela- 
gerung von  Sestos,  und  da  sollten  wir  nicht  klüger  sein  wollen 
und  ihm  dies  zugestehen. 

Wie  Herodot  zu  seiner  eigenen  Zeit  stand,  das  zeigt  die 
Art  und  Weise,  in  welcher  er  derselben  gedenkt;  vorüber- 
gehend und  an  Avenigen  Stellen  '  nur  berührt  er  Ereignisse, 
die  er  selber  erlebte.  So  sehr  war  er  mit  seiner  Denkweise 
abhängig  von  den  grossen  Eindrücken  der  in  Kleinasien  ver- 
brachten Jugendzeit,  deren  Ideale  eben  der  Kampf  und  Sieg 
der  Griechen  über  die  Barbaren  waren.  Ein  solches  Werk, 
dem  doch  alles  ferner  liegt,  als  die  Verherrlichung  der  neuen 
athenischen  Demokratie  auch  nur  in  einem  seiner  Theile,  die 
neuestens  aus  dem  dritten  Buche  erschlossen  worden  ist,^ 
musste  in  Vergessenheit  gerathen,  sobald  die  Erinnerung  an 
die  grosse  Vergangenheit  der  politischen  Thätigkeit  der  Gegen- 
wart wich.  Wie  Thukydides  in  der  Pentekontaetie  damit  um- 
geht, ersieht  man  leicht:  es  wird  deutlich,  aber  ohne  den  Autor 
zu  nennen,  einzelnes  rectificirt,  im  übrigen  scheint  es  eben 
schon  für  antiquirt  und  unlesbar  gehalten  worden  zu  sein,  be- 
nützt hat  es  Thukydides  nicht.-'  So  wurden  Nachrichten  unseres 

'  Vgl.  die  Zusammenstelluug'  der  Notizen,  die  sich  auf  Ereignisse  nach  der 
Belagerung  von  Sestus  beziehen,  bei  Scholl  Philol.  1854.  Bd.  IX.  ö.  196  f. 
Dieselben  können  selbstverständlich  nicht  alle  als  von  Herodot  , erlebt' 
bezeichnet  werden,  da  ein  guter  Thcil  in  seine  frühe  Jugend  fällt. 

2  Wilamowitz-MöUendorf  im  Hermes  Bd.  XH.  3.  H.  S.  326  f.  macht  dies 
S.  331  Anm.  11  gegen  Büdinger  zu  Gunsten  der  Kirchhuff'sciien  Ansicht 
geltend,  vgl.  Hachez,  de  Herod.  itineribus  et  scriptis.  Götting.  1878,  p.  5. 

3  Die  bezeichnendste  Stelle  bei  Thukydides  ist  die  über  den  Mord  der 
Kyloneer.  Man  vergleiche  : 

Thuk.  I.  126.  Herod.  V.  71. 

KjX'ov  ^v  X)Xu[j.-toviy.ri(;,  i^r^p  ^Hv  KuXojv  twv  'AOrjva  i  w  v  ävf,p 

'AOrjvaTo;,    twv   -otAat    cOyE^»!?    te  y.ai  'OXu  [jl;:iov{xt);  •    oO-o;    lr.\    rupav- 

ojvaxb;  .  .  .  .     kEiBr)    £::^XOov    'OXü[i;w'.a  v(o'.    £y.d[Jir)a£  .  .  .  .    y.aTaXaßsrv    Tr,v 

-k    iv    ÜEXoTiovvr^aw ,     xaTs'Xaßs    -TjV       (xxpd::oXiv    ETiatpjiOrj toütou; 

äxpoTzoXiv   o)i   Ir.X   T-jpavv(oi avtaiotai    [lEv    o\   -putxviE?    twv    vaj- 

ivaCTTYjoaVTEi;  Bs  aOxoli;  ol  twv  '.\0r)-  xpaocüv, 
vaicov    £;:iT£Tpap.jiEvot     xrjv     ^uXaxjjv  .  .  . 


Herodot's  Biographie.  39/) 

Autors,    soweit    sie    hellenische   Geschichte  betrafen,    beurtheilt 
und    verurtheilt ,    aber    auch    was    er    von    der    Vergang^enheit 


Es  ist  nnuiiigänj2^1ich  nöthig  anzunehmen,  Tlnikydides  habe  Herodot  vor 
sich  liegen  gehabt;  wenn  seine  Darstellung  also  abweicht,  so  hat  er  ab- 
sichtlich corrigirt.  Es  heisst  aber  Thukydides  für  sehr  thöricht  halten, 
wenn  man  wie  G.  Gilbert  (Fleckeis.  Jahrb.  Bd.  111,  S.  10)  gegen  Wecklein 
(Sitüungsber.  der  Münchner  Akad.  phil.-hist.  Klasse  1873)  behauptet, 
Thukydides  wolle  an  dieser  Stelle  sagen,  es  habe  keine  Prytanen  der 
Naukraren  gegeben;  dies  schlagendste  Argument  hätte  sich  der  Autor, 
der  hier  berichtigen  will,  gewiss  nicht  vorenthalten.  Ebenso  muss  Herodot 
an  dieser  Stelle  um  des  Schlusssatzes  willen:  -auTa  r.po  x^c  IT^'.a'.aTpäTou 
r^Af/.frj;  iyEvsro  sich  vorwerfen  lassen,  diese  Zeitbestimmung  mit  besonders 
parteiischen  Absichten  gewählt  zu  haben,  während  doch  nichts  nälier 
lag,  als  den  Versuch  Kylon's  die  Tyrannis  zu  gewinnen,  vor  der  T3-rannis 
der  Peisistratiden  liegend  zu  bezeichnen.  Damit  fallen  aber  auch 
die  weiteren  Schlussfolgerungcn  vind  angeblichen  Bestätigungen  von 
Kirchhoff's  Ansicht  über  die  Abfassungszeit  des  fünften  Buches. 

Die  Auffassung  des  Charakters  des  Themistokles  bei  Thukydides 
und  Herodot  ist  eine  gleichfalls  abweichende,  und  man  wird,  da  wir  noch 
anderweitig  die  Polemik  des  ersteren  Schriftstellers  feststellen  können, 
mit  Wilamowitz  (a.  a.  O.  S.  364)  annehmen  dürfen,  er  habe  I.  188 
oixs(a  yap  ?uv£ci£t  xal  oute  -po(xaO(ov  sc  auT/jV  oOSsv  ojt''  STitjAafJwv  twv  te 
-a.payp7]^ai  oC  EÄaytjTr,;  ßouAfj;  xpaTtaro?  yvoj^jiwv  xai  twv  [ieX^ovicuv  inX 
-XciGzo^  TOJ  YEvr,aoixE'vou  äptaro;  v./.xaxr^i  .  .  .  Verwahrung  einlegen  wollen 
gegen  die  Anekdote  bei  Herodot  VIII.  58,  Themistokles  habe  auf  des 
Mnesiphilos  Rath  den  Eurybiades  zum  Ausharren  bei  Salamis  vermocht: 
EvOaüta  ö  0£[j.iaTOxX^r];  7:aotl^o[jL£vo;  o'.  xaTa^syEt  ixsTva  te  -xmx,  xot  »jxouaE 
^lvr,ar^iXou,   Icjutoü  -oieujjlevoi;  xa\  «XXa  :xoXXa  TzpocsxiQzii  .  .  . 

Eine  Stelle  bei  Thukydides,  wo  abermals  ganz  ausdrücklich  auf 
Herodot  Beziig  genommen  wii'd,  allerdings  nicht  mehr  in  der  Pentekon- 
taetie,  ist  II.  8.  Wenn  es  hier  heisst:  £Tt  0£  A^Xo?  ixiv/jÖr,  oXt'yov  rpo 
TO-jTdJv  (d.  Anfange  des  pelop.  Krieges)  j;poT£pov  oUtco)  aEiaÖEtaa,  as" 
oij  "KXXr,vEC  aE'avr,vTa'.  *  eXe'yeto  oe  xai  egoxe;  z~\  toX^  aE'XXouat  jEvr^aEiOat 
ar,a^vai,  so  liegt  in  diesen  Worten  die  Absicht,  die  Behauptung  in  Abrede 
zu  stellen,  es  habe  früher  schon  auf  Delos  ein  Erdbeben  stattgefunden. 
Dieselbe  spricht  aber  Herodot  VI.  98  aus,  Datis  kam  auf  die  Insel:  ixETa 
Oc  TOÜTOV  EVÖEUTEV  E^ava/ÖEvxa  AtjXo;  ixivr/örj,  w;  eXe-j-ov  AtjX'.o;,  xai  Trpw-a 
xa\  'ja-axa  \i.i/ p  <.  £[j.eu  OE'.aÖEtaa.  Die  richtige  Erklärung  für  den 
Gegensatz  der  beiden  Autoren  hat  vielleicht  Stein  in  der  Anmerkung 
zu  der  Stelle,  der  das  Ereigniss  in  der  Mitte  zwischen  490  und  4.S1 
eintreten  lässt,  oder  aber  beide  Autoren  geben  entgegengesetzte  Meinun- 
gen von  Deliern  selbst  wieder. 

Auch  die  Ditierenzen  zwischen  Thukydides  I.  "20  besonders  VI.  54 
und  Herodot  V.  55 — 59,  betreffend  die  Peisistratiden — Thukydides  stellt 
selbst    die    Geschlechtsverwandtschaft     der    Mörder    Hipparch's,    die    bei 


394 


Bauer. 


des  Orientes  auf  Grund  seiner  Reisen  und  Forschungen  er- 
kundet hcatte,  erfuhr  lebhafte  Ane^riffe  und  ward  in  den  Auffen 
des  Publikums  discreditirt.  Ktesias  '  von  Knidos  bezeichnete 
ihn  als  schlecht  unterrichtet  in  der  Geschichte  des  Kyros, 
Kambyses,  Dareios  und  Xerxes,  und  erzählte  dieselbe  g-anz 
abM-eichend.  Für  das  grosse  Publikum  der  spätem  Zeit  wurde 
unser  Autor  ersetzt   und    überflüssig   gemacht    durch  Ephoros, 


Herodot  als  ursprünglich  phoinikische  Gephyraier  ersclieinen,  in  Abrede, 
indem  er  Aristogeiton  nur  als  [j-ejo;  -oXiTr,;  gelten  lässt  —  gehen  zum 
Theil  auf  dasselbe  Bestreben  des  ersteren  zurück,  wenn  auch  Thuky- 
dides  grundsätzlich  (VI.  54,  5)  ein  Verehrer  der  Peisistratiden  ist;  kurz, 
man  sieht,  Herodot  existirt  für  die  Generation  des  peloponnesischen 
Krieges  nur  mehr  um  bekrittelt  und  widerlegt  zu  werden.  Besonders 
characteristisch  für  Thukydides  Urtheil  über  Herodot  ist  I.  20.  Wie  Herodot 
VI.  ä?  sich  die  Abstimmung  der  Geronten  als  Stellvertreter  der  Könige 
dachte,  ist  schwer  zu  erkennen,  gegen  mögliche  Missverständnisse  richtet 
sicli  Tliukydides:  r.olla.  ol /.al  «XXa  hi  y.a\  vuv  ovia  xai  ou  ypö'/w  a[AV7jaxou|jiEva 
y.ai  0'.  aXXoi  "hXXrjvs;  oux.  opOw?  o'iovcai,  war.zp  tou?  te  Aa/Ccoaifj-oviou; 
ßaatXs'a?  ^r,  [j.ia  <lrffi,i  ;:poaT(0£<TOai  ixatspov  äXXa  ouotv,  xai  löv  ITtTaväir,v 
Xo/ov  xjToti;  sTvai,  de,  ouS'  iye'vsTO  tjiütiote-  outw;  a-aXa{;ctopo;  rot?  roXXoi"; 
h  CJl^rjui;  T^?  aXrjÖEi'a;  zai  z-\  za.  iTot[j.a  jj.aXXov  ■rp£x:ovTai.  Die 
Existenz  eines  Xo'/o;  ntiavaTr;;  liatte  aber  Herodot  für  die  Zeit  der  Schlacht 
von  Plataiai  in  der  That  beliauptet  IX.  53.  Und  wenn  Thukydides  I.  21 
sagt,  er  wolle  nicht  schreiben:  oute  w;  -oirjta'.  jp/jzaai  .  .  .  o'jte  fo; 
Xoyoypa-foi  ^uvsösgav,  so  ist  damit  die  Perseis  des  Choirilos  einerseits  und 
des  Herodot  Werk  andrerseits  gemeint,  von  welchem  letzteren  der  meiner 
Ansicht  von  dessen  Entstehung  ganz  entsprechende  Ausdruck  EuvTt'ÖEaOai 
gebraucht  ist.  Wenn  dann  I.  22  dem  /.Trjij.a  ei;  äst  ein  aycüvia[j.a  s;  -b 
rapa/p^jia  ä/.ouEtv  gegenüber  steht,  so  ist  damit  der  Vortrag  des  Choi- 
rilos an  den  Panathenäen  weiter  bezeugt  (Hesych.  fr.  7.  No.  75  Müller 
IV.  177.  a,  Suid.  s.  v.  Choirilos  ed.  Rernh.  II.  2.  p.  1691)  und  es  ist 
gestattet,  da  die  friihei-e  Distinction  zwischen  Dichtern  und  Logographen 
nicht  beibehalten  wird,  auch  an  Herodot's  Vorlesungen  zu  denken,  zumal 
Thuk.  kurz  vorher  sagt,  dass  seine  Arbeit  wegen  Mangels  an  mythischen 
Geschichtt'hen  weniger  erfreulich  zum  Anhören  (ei;  äxpoaaiv)  sei.  Dem- 
nach kann  man  gespannt  sein,  wie  Ch.  Rose  seinem  Versprechen  (Neue 
Jahrb.  f.  Phil.  Rd.  115,  S.  268)  gemäss,  die.se  Thatsachen  entkräften  und 
zeigen  wird,  Thukydides  habe  keinen  geschriebenen  Herodot  benützt. 

'  Photios  bibl.  cod.  72  ed.  Bekker,  p.  .35  (K-rrjafa;)  oi^^Etai  ra  rspt  Kupou  xai 
K«[jLßü<Tou  xat  Tou  [layou  AapEi'ou  te  /.»:  roü  Z.ip'zo'j,  jyEobv  Iv  a'jiaaiv  avTixsi- 
[XEva  'llpoooTd)  taropwv,  äXXa  /ai  'Iz-jirr^v  auibv  uKeXiy/u)^  iv  roXXot?  x«\ 
Xoyo-oibv  3(-o/.aX(üv.  Vgl.  Diod.  bibl.  IL  15.  1  Kirjata;  i5' 6  Kvi'Sio;  ä-o^ai- 
vöfAEvoi;  TouTov   ('IFpoooTov)  a/EOta^Eiv,  aurd;  ^rjat .... 


Herodot's  Biographie.  OVO 

der  ihn  zwar  ausg-iebio-  benützte,  '  aber  die  Nachrichten  des- 
selben dem  phrasenbedürftigen  Publikum  nach  allen  Regeln 
der  Rhetoren  zurecht  zu  machen  wusste;  daran  musste  man 
eben  bis  zum  Ueberdruss  genug  haben,  bis  man  die  Reize  des 
naiven  Erzählers  selber  wieder  zu  würdigen  vermochte. 

So  darf  es  uns  nicht  wundern,  wenn  über  den  Verfasser 
eines  solchen  Werkes  die  eigenen  Zeitgenossen  und  die  un- 
mittelbar folgende  Generation  nichts  berichten,,  in  der  Thätig- 
keit  des  Tages  aufgehend ,  so  dass  sie  nicht  einmal  zur  Auf- 
zeichnung der  wichtigen  politischen  Ereignisse  Zeit  fanden. 
Von  den  Späteren,  denen  das  Zutrauen  zu  des  Autors  Glaub- 
würdigkeit genommen  war,  ist  dies  um  so  weniger  zu  erwarten. 
Dies  konnte  freilich  nur  so  lange  angehen,  als  man  nicht  be- 
gann an  der  Vergangenheit  ein  rein  gelehrtes  Interesse  zu 
haben,  was  in  der  That  erst  dann  geschieht,  wenn  die  Gegen- 
wart hervorragenden  Talenten  nichts  mehr  zu  geistiger  Erhe- 
bung bieten  kann.  So  ist  denn  auch  in  unserem  Falle  Herodot's 
nicht  gedacht  worden  bis  zur  Zeit  des  Unterganges  der 
griechischen  Weltmonarchie ,  und  zwar  vornehmlich ,  bis  in 
Alexandreia  die  Gelehrsamkeit  sich  aufthat,  der  wir  für  die 
Kenntniss  griechischer  Vergangenheit  so  Ausserordentliches 
verdanken.  Damals  ist  aber,  da  die  Ueberlieferung,  wie  wir 
sahen ,  nur  sehr  dürftig  sein  konnte ,  das  Verlangen  gefühlt 
worden  die  Lückenhaftigkeit  der  Nachrichten  über  Schriftsteller 
zu  ergänzen,  an  deren  echter,  alter  Biederkeit  die  vom  Ge- 
lehrteneifer erfüllten  Generationen  sich  erfreuten ,  welche  sie 
eben  deshalb  wieder  hervorgesucht  hatten.  Dies  geschah  im 
guten  und  schlimmen  Sinne,  je  nach  dem  historischen  Gewissen 
derer,  die  an  diese  Frage  herantraten.  Erwägt  man  noch, 
dass  diese  Resultate  der  Studien  der  Alexandriner  noch  man- 
cherlei Umwandlungen  durchzumachen  hatten,  bis  sie  in  unsere 
Hände  gelangten,  so  ist  nur  das  eine  zu  verwundern,  dass  man 
im  allgemeinen  in  den  meisten  Stücken  diese  Nachrichten  ge- 
glaubt hat,  während  man  doch  ihrer  Genesis  nur  nachzugehen 


'  Auch  Kirchhoff  im  ITermes  Bd.  XI,  der  delische  Rund  etc.  F5.  6,  hat  die- 
selbe Ansiclit  ansgesprodien;  deren  Richtigkeit  bestätigt  eine  Unter- 
suchung des  Verhältnisses  von  Ephoros  zu  Herodot,  die  der  Verfasser 
au  anderem  Orte  zu  führen  gedenkt. 


396 


Bauer. 


braucht,  nni  das  Wahre  vom  Falschen  zu  sondern.  Dieser 
Versuch  soll  im  Folgenden  gemacht  werden  und  zwar  selbst 
auf  die  Gefahr  hin ,  dass  nur  eine  geringe  Anzahl  von  Nach- 
richten die  Untersuchung  aushalten  sollte,  da  es  doch  besser 
ist,  Weniges  sicher  als  viel  Unsicheres  über  eine  Persönlichkeit 
wie  Herodot  zu  wissen. 

Was  man  über  unseren  Autor  von  Thukydides  an  bis  in's 
dritte  Jahrhundert  gewusst  hat,  kann  nach  dem  oben  Gesagten 
nicht  viel  gewesen  sein,  gleichwohl  lässt  sich  ein  Theil  dieser 
Kenntniss  aus  der  Menge  des  Ueberliefei-ten ,  wie  ich  glaube, 
ganz  sicher  erkennen.  Dass  man  Falsches  und  Unrichtiges  für 
richtig  hielt,  und  dass  dies  einer  dem  anderen  nachschrieb, 
darf  uns  bei  Herodot's  Verschollensein  nicht  wundern.  So  hielt 
man  Herodot  zu  Alexander  des  Grossen  Zeit  für  einen  Thurier 
und  nicht  für  einen  Halikarnassier.  Diese  Ansicht  muss  so 
bestimmt  aufgetreten  sein,  dass  auch  die  einleitenden  Worte 
PTerodot's  demgemäss  umgestaltet  wurden  ;  so  las  Aristoteles  in 
seinem  Handexemplar  das  Proömium  :  'HpcB5-ou  ösupioj  v-s'  IcTsp-r,; 
a-sos^'.^,  denn  so  citirt  er  die  Anfangsworte  in  der  Rhetorik 
(ni.  9.  ed.  Ber.  p.  1409.  a).  Wenn  man  daran  Anstoss  nehmen 
sollte ,  dass  Aristoteles  nicht  gewusst  habe ,  Herodot  sei  in 
Halikarnass  geboren ,  so  ist  die  Art  und  Weise,  in  der  er 
unseres  Autors  sonst  gedenkt,  durchaus  geeignet  diesen  Zweifel 
zu  benehmen.  Er  kennt  Herodot  überhaupt  nur  für  ganz  wenige 
naturgeschichtliche  Angaben,  in  denen  er  demselben  auch  gar 
keinen  Glauben  beimisst, '  er  nennt  ihn  desshalb  [xjOjXoyo^^  und 
wenn  er  auch  auf  Ktesias  nicht  gut  zu  sprechen  ist,^  so  beweist 
die  Anführung  des  Letzteren  im  Zusammenhange  mit  Herodot 
doch  nur,  dass  seine  Polemik  mindestens  in  sofern  von  Erfolg 
gekrönt  war,  als  man  von  Herodot's  Angaben  nicht  mehr 
sprechen  konnte,  ohne  auf  dieselbe  einzugehen.'  Die  fjibel- 
hafte  Naturgeschichte  rechnet  also  Herodot  allerdings  zu  ihren 


1  rispi  Ta  (^(oa  laTop'.öJv.  !^.  31.  ed.  Ber.  p.  579.  b.  2,  oder  aber  er  benutzt 
ihn  ohne  ihn  zu  nennen,  vgl.  Her.  IV.  129.  28  und  Ar.  r.  xa  I^tüa  laT. 
6.  25  p.  605.  a.  21,  ::.  ^wwv  ysvs'a.  ß.  8.  p.   748  a.  22. 

2  Tispi  ?(i)wv  YEVEasüj;  p.  756.  b.  fi. 

3  Depi  Ta  ^w«  iCTTopidiv.  ß.   1.  p.  501   a.  25,  ibid.  0.  28.  p.  (506  a.   8. 

*  Us.p\  ^wwv  Y^vEaew;  ß.  2.  p.  736  a.  2  und  r.E.p\  tot  ^wa  laroptüiv  y.  22. 
p.  523  a.  26. 


Herodot's  Biographie.  397 

Quellen  und  Spätere  möo-en  immerliin  auch  ihm  für  die  Ge- 
schichte des  Orientes  manche  Nachriclit  entnommen  haben, 
aber  »das  blosse  Citat  des  Anfans^es  des  Proömiums  als  ein 
Beispiel,  der  alten  v.poiJ.vrr,  As^'.;  in  der  Rhetorik  kann  doch 
unmöglich  beweisend  sein  für  die  Ansicht  ^Herodot  sei  noch 
für  Aristoteles  der  Typus  des  Historikers',  und  einen  anderen 
Grund  für  diesen  Ausspruch  von  Wilamowitz  '  wüsste  ich  nicht. 

Freilich  ist  man  sich  über  die  Bezeichnung-  Herodot's  als 
Thurier  nicht  vollständig;  klar  g-eworden,  man  dachte  eben, 
das  sei  irgend  ein  Beiname  oder  unser  Autor  selber  habe  in 
der  That  so  geschiieben^  um  sich  als  Bürger  dieser  athenischen 
Kolonie  zu  bezeichnen ,  man  vergass  dabei  auf  die  sonst  mit 
Recht  hervora^ehobenen  Sympathien  für  Halikarnass,  und  auf  die 
Analogie  mit  anderen  Schriftstellern;  so  nannte  sich  Hekataios 
einen  Milesier^  und  Thukydides  einen  Athener.'^  Wenn  aber 
schon  das  Citat  bei  Aristoteles  allein  dies  nicht  zulässt,  so 
kommt  dazu,  dass  auch  Duris  von  Samos  Herodot  als  einen 
Thurier  bezeichnet,  und  zwar  ausdrücklich  Thurioi  als  Ge- 
burtsstätte im  Auge  hat.  Suidas-*  citirt  nach  demselben  in 
der  Biographie  des  Panyasis ,  den  er  einen  Halikarnassier 
nennt,  fügt  jedoch  hinzu,  Duris  mache  denselben  zu  einem 
Samier,  wie  er  denn  auch  Herodot  einen  Thurier  nenne.  Man 
sieht  also  diese  Ansicht  von  der  Herkunft  Herodot's  war  min- 
destens in  der  aristotelischen  Schule,  der  Duris  durch  seinen 
Lehrei-  Theophrast  angehörte,  ganz  gang  und  gäbe.  Dieselbe 
muss  aber  eine  ziemlich  unumstössliche  Geltung  gehabt  haben, 
da  Duris,  der  nicht  Anstand  nahm,  den  epischen  Dichter  von 
Halikarnass  aus  Localpatriotismus  zu  einem  Samier  zu  machen, 
ein  Gleiches  bei  Herodot  nicht  zu  thun  wagte,  sondern  der 
Vulgata  folgend  ihn  eben  einen  Thurier  nannte. 

Ein  ähnlicher  Localpatriotismus  hat  es  bewirkt,  dass  die 
schriftstellerische  Thätigkeit  und  mehr  als  diese  bei  einer  An- 


'  a.  H.  O.  S.  33H,  Anm.   13. 

2  Frgra.  332  bei  MüUor  Frgm.  bist.  gr.  I.  p.  25.  b. 

3  Thukyd.  I.   1. 

*  Suidae.  lexic.  s.  v.  rTavüaat;   ed.    Rernbardy   vol.    II.  2,    p.  57.    ITaviaai;, 
IloXuap/ou ,    '.VXizapvaaasüc,    "ipatoa/.o-o;    zai    zoirjTT,;    in(jy/  '    oi;    aßsdOsTaav, 
TTjv  :;otT)Tr/.r)v  snav/jyays.  Aoupt;    ok  AtoxXsou;  Tt  T.oiirJx    ävs'ypaJie    xat  X(X[x'.ov  * 
0(101(1);  o£  xai  'Hpdooxov  Ooip'. ov. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Gl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Htt.  28 


398  Bauer. 

zahl  griechischer  Autoren  nach  Unteritalien  und  Sicilicu  verlegt 
ward.  Dies  geschah  auch  bei  Thukydides  und  für  diese  Fäl- 
schung ist  Timaios  von  Wilamowitz  '  verantwortlich  gemacht 
worden.  In  dem  Leben  des  Thukydides  von  Markellinos  - 
heisst  es  c.  25:  [xy;  yap  oyj  7U£;6(b[;,£0a  Tqj.ai'w  X^y^vn  to;  c/uyiov  urA-qoEV 
ev  'ItaXia  und  c.  33:  xh  c'  sv  'haXia  Ti|j,a;ov  aüibv  -/.a;  jTaaojc  XsY^tv 
•/.stcOai  [KT,  y.at  c^oopa  y.aTaYe^vacTbv  ^.  Die  Stellen  an  und  für 
sich  berechtigen  nicht  zu  der  Annahme ,  Timaios  sei  der  Er- 
finder dieser  Nachricht;  für  Herodot's  Thätigkeit  in  Unter- 
italien und  dessen  Tod  daselbst  ist  er  mindestens  nicht  der 
erste  Gewährsmann^  sondern  folgte  darin,  falls  er  dies  berich- 
tete, einer  altern  Vorlage,  da  diese  Behauptung  zu  Aristoteles 
Zeit  schon  die  Form  angenommen  hatte,  Herodot  sei  ein  Thurier 
gewesen.  Obwohl  aber  nicht  einmal  bezeugt  ist,  dass  Timaios 
für  Herodot  des  gleichen  Fehlers  schuldig  ist,  so  meint  Wila- 
mowitz doch  noch  weiter  gehen  zu  können ,  und  er  vermuthet 
Timaios  habe  von  einem  Grabe  des  Thukydides,  wo  möglich 
neben  dem  Herodot's  gesprochen ;  dies  ist  ein  Gedanke  ex 
apparatu  auctoris,  der  in  das  Capitel  von  der  mit  Recht  ge- 
schmähten combinatorischen  Kritik  gehört. 

Die  Ueberlieferung  der  späteren  Zeit  liegt  uns  bei  ver- 
schiedenen Autoren  vor;  daran  aber  zweifelt  Niemand  mehr, 
dass  Herodot  halikarnassischer  Herkunft  war,  das  rauss  also 
festgestellt  und  untersucht  worden  sein  ,  so  dass  es  zur  allge- 
meinen Geltung  kam.  Als  man  Herodot's  Werke  wieder  hervor- 
suchte, hat  man  natürlich  auch  mit  deren  Text  sich  beschäftigt. 
Zweierlei  von  dieser  Thätigkeit  der  Alexandriner  können  wir 
noch  erkennen:  die  schöne  Eintheilung  in  neun  Bücher,  die 
so  geschickt  gemacht  ist,  dass  einige  mit  dem  Nachsatze  einer 
mit  [j-sv  und  oi  verbundenen  Periode  beginnen ,  deren  erster 
Theil  mit  [xev  den  Schluss  des  vorhergehenden  Buches  bildet; 
die  Abschnitte  sind  durchaus  äusserlich  gewählt.'^  Aber  auch 
das  'HpoGCTCu  0cup(ou  -J^B'  IcTopiY)?  «-öcs^'.c  wurde  beseitigt  und  an 
dessen  Stelle  lesen  wir  in  unserem  Texte  gewiss  richtig :  'Flpoodtoj 


1  a.  a.  O.  S.  .S29. 

^  S.   188 — 190  des  Abdrudcps  in  der  Kriig'ci'sclicn  Tlinkydides-Ansgfabe. 

3  Vgl.  darüber  Ansführliclieros   in  des  Verfassers    Schrift:    Die   Entstehung 
des  herodotischen  Geschichtswerkes.  Wieu,  Brauinüller  1878. 


llerodot's  Biographie.  399 

'AXaapvr^ccio?  Izicpir^q  ocr^öoe^tq  r,ce.  Noch  ist  der  Grund  erhalten 
der  von  gelehrter  Seite  für  Beseitigung  der  obigen  Leseart 
geltend  gemacht  wurde.  Noch  zu  Plutarchs  Zeit '  war  sie  er- 
halten, aber  man  hielt  sie  für  falsch.  In  der  Schrift  über  die 
Verbannung 2  sagt  dieser  Autor:  viele  schrieben  anstatt  'HpooÖTOu 
"AXty.apvaacswc  tciopi-/;^  a-öosHi;  r,^e  —  'HpooÖTOu  Goupt'ou,  denn  er 
habe  an  der  Kolonie  nach  Thurioi  theilgcnommen.  Derselbe 
Plutarch  •'  berichtet  in  der  Schrift  von  des  Herodot  Bosheit, 
unser  Autor  hätte  es  gar  nicht  nöthig  gehabt  über  die  Hellenen, 
die  es  mit  dem  Perserkönige  hielten,  so  herzufallen,  da  er  doch 
von  den  Uebrigen  zwar  für  einen  Thurier  gehalten  werde,  selbst 
aber  Vorliebe  für  Halikarnass  habe,  das,  obwohl  dorisch,  doch 
unter  Artemisia  mit  Xerxes  gegen  Hellas  zu  Felde  gezogen 
sei.  Dieselbe  Argumentation  wie  an  der  ersten  Plutarch- 
stelle  kehrt  wieder  bei  Strabo;"*  wenn  dieser  Gewährsmann 
sagt,  man  habe  ihn  später  einen  Thurier  genannt,  so  zweifle 
ich,  dass  er  dabei  wusste ,  dass  schon  Aristoteles  und  Duris 
dies  thaten,  er  konnte  sich  eben  diese  nach  seiner  Ansicht 
unrichtige  Nachricht  nicht  so  früh  entstanden  denken,  wie  ich 


'  Wenn  noch  Julian  in  dem  Briefe ,  den  Suid.  s.  v.  'Hpo'ooxoi;  aufljewahrt 
hat,  von  dem  Qo'jp'.o^  Xoyo-oid;  spricht,  so  beweist  dies  eben  für  den 
Gang  unserer  Untersuchung,  dass  der  Irrthum  noch  lange  nacliwirkte. 

2  Plut.  de  exil.  ed.  Wyttenbach  vol.  III.  1.  p.  378  [ieTwxr)a£  yap  et;  0oup''ou; 
xal  TTJ?  otTTor/Iai;  izsi'vr);  [j.eT^(jj(£. 

3  Plut.  de  malign.  Her.  c.  3.5.  ed  Wyttenb.  vol.  IV.  1.  p.  408  "Eost  jjlev 
ouv  [irjok  Tot;  [iTjöfaaatv  'F,),Xr5vojv  ayav  £7:£[J.ßa{v£tv,  xai  tauta  Houpiov  [xkv 
U7:ö  Twv  aXXwv  vo(j.tuO[X£vov,  auxov  0£  'AXr/.apvaaaEwv  7:£pt£/d[ji£vov,  o"  Ati)pi£t5 
ovt£;  [lETOt  TTJ;  yuvai/.wvdwo;  £7:1  Tou;  "EXXrjva;  £aTpaT£uaav.  Es  bleibt  mir 
unverständlich,  wie  G.  Rawlinson:  Hi.story  of  Herodotos  2.  ed.  London 
1862  introd.  essay  p.  .S  zwischen  den  beiden  Angaben  Plutarchs  einen 
Gegensatz  herausfinden  kann,  dahin  gehend,  der  Verfasser  der  Schrift 
V.  d.  Herod.  Bosheit  (Rawlinson  hält  sie  wohl  dieses  vermeintlichen 
Gegensatzes  wegen  für  pseudoplutarcheisch)  wolle  hier  Herodot  als  einen 
Tliurier  bezeichnen.  Dass  übrigens  diese  Schrift  Plutarch  zugehört,  hat 
G.  Lahmeier:  De  libelli  Plutarchei,  qui  de  malign.  Herod.  inscribitur  et 
auctoritate  et  auetore.  Göttingen  1848,  längst  gezeigt. 

■»  Strabo,  p.  6.50  1.  XIV.  c.  2  ed.  Kramer  vol.  HI.  p.  l.'il  avop£;  0£  yv[6- 
vaaiv  iE  aui^;  ('AXr/.apvaaaou)  'lIpdooTo;  t£  6  ctuyyP*9="J?)  o''  üaT£pov  ©oüptov 
£xäX£aav  oia  to  xoivcüv^aat  x^;  £?;  0oupfou;  «7:01/1«;. 

28* 


400  Raüci-. 

dies  <ijezelg-t  zu  haben  glaube.  Bei  allen  anderen  Schriftstellern  ' 
erscheint  lierodot  nur  mehr  als  Halikarnassier. 

Diese  Betrachtung-  ist  nun  aber  auch  von  grosster  Wichtig- 
keit für  die  Beurtheilung  der  Nachrichten  von  Herodot's  Lebens- 
schicksalen überhaupt.  Wir  lesen  nämlich  jetzt  bei  Suidas  ^  am 
ausführlichsten  etwa  Folgendes.  Herodot  sei  der  Sohn  des  Lyxes 
und  der  Dryo  gewesen,  vornehmer  Leute  in  Halikarnass,  habe 
einen  Bruder  Theodoros  gehabt,  und  sei  mit  dem  epischen 
Dichter  Pauyasis  verwandt  gewesen.  Wie,  das  weiss  freilich 
des  Suidas  trefflicher  Gewährsmann  nicht  genau;  Lyxes,  des 
Herodot  Vater  und  der  des  Panyasis,  Polyarchos,  sollen  Brüder 
gewesen  sein,  dies  ist  die  eine  Version ;  nach  der  anderen  sei 
Rhoio  (man  kann  gerne  zugeben,  dass  Dryo  und  Rhoio  der- 
selbe Name  sein  soll),  des  Hei-odot  Mutter,  die  Schwester  des 
Panyasis  gewesen. 

Da  man  hier  den  Grund  einer  Erfindung  nicht  gut  ein- 
sah,  so  hat  man  dies  geglaubt  und  mehr  als  das,  man  hat 
dieser  Verwandtschaft  auch  auf  geistigem  Gebiete  nachgespürt 
und  sie  da  natürlich  bestätigt  gefunden.  So  Scholl  ^  und  die 
ihm  folgten.  Diese  Nachrichten  erweisen  sich  zunächst  als 
spät  entstanden,  weil  sie  von  der  allerdings  richtigen  aber  nicht 
ursprünglichen  Voraussetzung  ausgehen,  Herodot  sei  ein  Hali- 
karnassier gewesen.  Das  war  es  aber  eben :  'Hpccsro;  'AXiy.ap- 
vaccsu?  war  für  einen  w^ieder  hervorgesuchten,  nun  bewunderten 
und  bald  vielberühmten   Schriftsteller    zu    erbärmlich,    und    da 


1  Luciani  de  domo  c.  20.  vol.  VIII.  p.  107  ed.  Bipont,  Herod.  siv.  Aetion 
c.   1.  vol.  IV.    p.  116,    Dionys.    Halio.  jnd.    de   Time:  6  o'  'AXi/.ocpva(j(j$u; 

'llpoooTo; S.    820   ed.    Reiske   Leipz.    1774,    Plutarch   und    Rtrabon 

vergl.  die  drei  vorliergehenden  Anmerkungen.  Stephanus  Byz.  vergl.  unten, 
von  Späteren  wie  Ptolemaios  Cliennoa  bei  Photios  bibl.  148  b  ed.  Bekker 
oder  Suidas  s.  v.  nmss  abgeseben  werden. 

'  Snid.  lex.  s.  v.  'MpoöoTo;  ed.  Bernb.  II.  2.  p.  893  und  id.  a.  v.  rTaviiaui^ 
a.  a.  O. 

3  Scholl:  Herodots  Entwicklung  zu  seinem  Beruf,  Pbilnlog.  Bd.  X.  1855 
S.  25  f.  Modifieirt  ist  dessen  Ansicht  von  den  chresmologischen  Ge- 
dichten als  Vorlagen  Herodot'.s  für  einen  guten  Theil  seiner  Darstellung 
von  Fr.  Benedikt:  de  oraculis  ab  Herodoto  commeinoratis  Bonn  1871. 
Ebenso  Wecklein:  Tradition  der  Perserkriege.  Sitzungsber.  d.  Münchn. 
Akad.   1876. 


Herodot's  Biograjihie.  401 


ward  er  denn  schnell  mit  der  guten  Gesellschaft  seiner  ihm 
zurückgegebenen  Vaterstadt  in  verwandtschaftliche  Beziehung 
gebracht.  Der  Charakter  der  Ueberlieferung  zeigt  noch  deut- 
lich die  Mache,  trotzdem  ist  sie,  soviel  ich  sehe,  nur  von 
G.  Rawlinson  (a.  a.  O.  intr.  essay.  p.  4)  verworfen  worden. 
Es  konnte  dies  auf  zwei  Arten  geschehen,  da  jeder  Mensch 
einen  Vater  und  eine  Mutter  hat,  durch  den  ersteren  oder  die 
letztere;  es  ist  bezeichnend  genug,  dass  man,  um  die  Ver- 
wandtschaft mit  Panyasis  zu  statuiren,  beides  versuchte.  Die 
Namen  wusste  auch  Niemand  sicher,  Herodot's  Vater  heisst 
auch  ausser  Lyxes,  Xylos  oder  Oxylos.  '  Schon  früher  ver- 
muthlich  als  im  vierten  nachchristlichen  Jahrhunderte,  konnte 
mau,  wie  damals  Themistios,  -  darauf  rechnen  verstanden  zu 
werden,  wenn  man  von  dem  Sohne  des  Lyxes  sprach,  zumal 
Lukianos  ^  bereits  diese  Namensform  kennt ,  und  auch  die 
ürabschrift  '  Herodot's ,  die  das  Gepräge  gelehrter  Erfindung 
an  dei-  Stirne  trägt,  dem  Vater  Herodot's  diesen  Namen  gibt. 
Es  ist  bezeichnend  genug,  dass  Duris  von  dieser  Verwandt- 
schaft nichts  wusste,  er  nannte  (a.  a.  O.  bei  Suidas)  den  Vater 
des  Panyasis  Diokles  und  machte  ihn  zu  einem  Samiei", 
Herodot  aber  zu  einem  Thurier;  dies  Citat  des  Suidas  kann 
nur  besagen,  dass  Duris  von  der  bei  ihm  auseinandergesetzten 
Beziehung  Beider  nichts  berichtete.  Durch  die  Verbindung 
unseres  Autors  mit  Panyasis  hatte  man  aber  eben  das  Rich- 
tige getroffen,  um  auch  von  desselben  politischer  Thätigkeit 
etwas  berichten  zu  können  und  so  die  mangelhafte  Kenntniss 
über  sein  Leben  zu  ergänzen.  Der  Charakter  des  Unsicheren, 
der  mich  veranlasste,  die  verwandtschaftliche  Beziehung  als 
eine  spätere  Erlindung  zu  bezeichnen,  kennzeichnet  auch  die 
Nachrichten  über  Panyasis  und  die  über  diesen  Mann  erhalte- 
nen Notizen  beweisen  uns,  wie  sehr  die  gelehrten  Alexandriner 


'  Vergl.  Stein  Herodotos,  Berlin  1877,  4.  Aufl.  S.  VI  Anm.  5  d.  Einleitung. 

2  Themistios  II.  27  ed.  Diudorf  e[J.o\  ol  r.sp\  Ocwv  £yaTO[j.a  xsfaOw  •  xara  röv 
Aü^oj.  Vergl.  Her.  II.   171. 

3  Luc.  de  domo.  c.  20.  vol.  VIII.  p.  107  ed.   Hipout. 

*  Stephan.  Byz.  a.  v.  öoup-.oi  ed.  Westermanii  p.  139,  darnach  von  Musurus 
in  das  Scholion  zu  Aristoph.  nub.  332  gebracht.  Vergl.  Dübner  Schol. 
in  Aristoph.  adnotat.  p.  429  a. 


402  Bauer. 

im  Finsteren  zu  suchen  genöthigt  waren,  als  sie  Herodot's 
und  Panyasis  Schicksale  vei'knüpften.  Wann  Panyasis  eigent- 
lich gelebt  hatte,  das  wussten  des  Suidas  '  Quellen  nicht  genau: 
er  gibt  uns  zwei  Ansätze,  die  er  eben  vorfand,  nach  dem  einen 
ist  seine  Blüthe  (so  fasst  mindestens,  wie  ich  glaube  richtig, 
Clinton  und  nach  ihm  Krüger  in  den  fasti  Hellenici  das  ys^ovs 
des  Suidas)  auf  Ol.  78  bestimmt,  nach  anderen  Angaben  soll 
dies  viel  früher  gewesen  sein,  und  dies  ist  auch  des  Eusebios,'^ 
also  auch  Apollodors  Ansicht,  der  bereits  Ol.  72.  4  dessen 
Akme  setzt.  •  Suidas  selber  sagt :  y.al  -{xp  i^v  i-\  iwv  Ilspc'.y.tiüv, 
womit  die  Schwierigkeit  nicht  gelöst  wird,  das  ist  so,  wie  wenn 
wir  sagen :  auf  alle  Fälle  lebte  er  zur  Zeit  der  Perserkriege, 
also  wird's  schon  richtig  sein,  dass  er  mit  Herodot  das  gleiche 
Schicksal  theilte  von  Lygdamis  vertrieben  zu  werden  und  im 
Kampfe  gegen  diesen  getödtet  ward.  Daher  erzählt  uns  dann 
Suidas  -^  auch  von  Letzterem,  er  habe  vor  Lygdamis  flüchten 
müssen,  sei  nach  Samos  gegangen  und  habe  dann  von  da 
zurückkehrend  den  Tyrannen  von  Halikarnass  vertrieben;  war 
Herodot  einmal  in  der  Familie,  so  ist  doch  nichts  selbstver- 
ständlicher, als  dass  er  dann  zum  Rächer  des  Oheims  wird. 
Für  Panyasis  mag  dies  ja  immerhin  richtig  sein,  aber  wie 
unbegründet  diese  Behauptung  für  Herodot  ist,  soll  gleich  ge- 
zeigt werden. 

Man  hat  sich  nun  bemüht,  zwischen  dieser  Erzählung  und 
dem  bekannten  Gange  der  Geschichte  des  Perserreiches  und 
der  kleinasiatischen  Griechen  in  ihren  wechselseitigen  Bezie- 
hungen die  nöthige  Uebereinstimmung  herzustellen.  Es  war 
freilich  ziemlich  unbequem.  Lygdamis  war,  wie  die  Quelle 
des  Suidas  '  berichtet,    der  wir  den  Roman  über  Herodot  ver- 


'  Suidae  lexic.  s.  v.  Pauyasis:  6  ot  Ilavjaai;  yc'yovi  xara  Tf,v  or^  oX'j[i.7:iäöa  • 
/caTa  0^  Tiv«?  7:oXXfjj  TipsdßÜTcpoi;  •  v.aX  yäp  r,v  iret  -wv  üepaiy.wv. 

2  Eusebi  chron.  ed.  Schöne  vol.  II.  p.  102,   103. 

3  Suid.  lex.  s.  v.  Herodotos  ed.  Bernh.  vol.  I.    2  p.  893   [Xcifdir,   8'   ('Hpo- 

OOTO?)    £v    i^ajj.0)     otä    Aüyoaiitv iXOtov    oe    £?;    'AXtxapvaacröv,    xai   tov 

xüppavov  E^cXacaac  sreiOT)    üaiEpov    eiSev    Eauiov    '^Oovoijjaevov    \jko  xwv  -oXitwv, 
£15  TÖ  0ojp'.ov  a-01/.'.^diJ.Evov  \)t:o  "'AOrjvaitov  eOeXovttj?  ^XOe. 

*  ibid.  [XET^arr)  ....  8ia  AuySajxiv  xöv  oItio  'ApTE[j.i<itas  xpäov  xüppavov  yevo- 
(J.EVOV  'AXixapvaaaou.  ll'.otvSrjXt;  yap  ^v  ulö?  'ApT£[jLi<j{a;,  xoD  ok  IliatvörJX-.oo; 
Ajy3a[j.i?. 


Herodofs  Biographie.  40d 

danken,  der  dritte  Nachkomme  der  Artemisia,  deren  Sohn 
Pisindelis  hiess.  ^  Dieser  Sohn  war,  wie  wir  aus  Herodot  - 
erfahren,  als  Xerxes  gegen  Hellas  zog,  noch  nicht  alt  genug, 
um  regieren  zu  köunen,  weshalb  seine  Mutter  nach  dem  Tode 
ihres  Gemahles  ein  vormuudschaftliches  Regiment  besass.  Ol. 
81.  3  =  454:  jedoch  zinst  Halikaruass  au  Athen,^  und  zwar 
bereits  selbständig,  der  Tyrann  Lygdamis  muss  also  schon 
vertrieben  gewesen  sein.  Da  wir  über  die  zwischenliegenden 
Ereignisse  nichts  wissen,  so  ist  es  immerhin  möglich,  dass  der 
Zeitraum  ausgefüllt  sein  kann  durch  das  Ende  der  Regierung 
der  Grossmutter,  die  des  Vaters  und  des  Lygdamis  selbst;  der 
Letztere  müsste  nach  der  einmal  gegebenen  Ueberlieferung 
freilich  doch  auch  längere  Zeit  geherrscht  haben,  da  Herodot 
erst  später  nach  einem  gescheiterten  Versuche  der  Demokraten 
wieder  in  Halikaruass  erschienen  sein  soll.  Ich  denke,  wenn 
Pisindelis  im  Jahre  der  Schlacht  vou  Salamis  noch  ein  vsaviaq 
war,  der  eine  Vormundschaft  brauchte,  so  ist  mit  den  grösst- 
möglichen  Concessionen  nur  denkbar,  dass  Lygdamis  sehr 
kurze  Zeit  geherrscht  habe,  und  es  bleibt  die  grosse  Schwierig- 
keit sich  den  ganzen  Streit  mit  der  demokratischen  Partei  in 
einer  so  kurzen  Zeit  abgespielt  zu  denken. 

Die  ganze  Ueberlieferung  verdient  aber  gar  nicht  das  ihr 
geschenkte  Vertrauen,  und  es  muss  die  ihr  soeben  zur  Noth 
zugestandene  Möglichkeit  durch  folgende  Erwägung  vielmehr  mit 
als  ein  Argument  gegen  ihre  Zuverlässigkeit  erscheinen.  Sie 
steht  nämlich  mit  den  bestbeglaubigten  Nachrichten  aus  Hero- 
dofs Leben  in  unheilbarem  AViderspruch.  Herodot,  besagt  sie,^ 
sah  sich  nachdem  er  den  Tyrannen  vertrieben  hatte,  später 
von  den  Bürgern  beneidet  und  gieng  freiwillig  nach  Thurioi, 
das  die  Athener  gründeten. 


'  Bei  Phitarch    de    Herod.   mal.    43    ed.    Wytteub.    IV.    1    Ö.  509  heisst  er 
Pigres ;  das  spricht  nicht  gerade  für  eine  gute  Tradition. 

2  Herodot  VII.  99    Twv    [j.£v  vuv    ä/.Äojv    oO    ::asa[xsjj.vri[xa'. 'ApTEfitatri; 

0£ f;-i?    a-oOavdv-oc    toj    ocvSpb;    auTT^    ts  i'/oucra  Tr,v  •:upavv{oa  zai 

-aiobi;  uTzapyovToi;  v£r,v(£w  ....  iaTpaTSuETO  .... 

3  C.  J.  A.  V.  I.  p.  96.  Nr.  226. 
^  Vgl.  S.  402  Anm.  1. 


404  Bauer. 

Herodot  las  445/4  in  Athen  vor,  und  von  444/3  ab  giengen 
Ansiedler  nach  Thurioi,  es  ist  gar  nicht  anders  möglich,  als 
dass  Herodot  eben  von  Athen  aus  an  der  Colonie  theilnahm. 
Es  wird  doch  Niemand  glauben  wollen,  er  habe  sich  noch 
einmal  nach  llalikarnass  begeben,  nachdem  er  in  Athen  so 
gefeiert  worden  war;  denn  man  könnte,  falls  er  dies  wirklich 
gethan  hätte,  nicht  einsehen,  warum  er  beneidet  wurde;  die 
Quelle  des  Suidas  wusste  von  der  Vorlesung  in  Athen  gar 
nichts,  war  also  schlecht  unterrichtet  und  wir  haben  keinen 
Grund,  ihr  dies  damit  im  Zusammenhang  Berichtete  abzunehmen. 
Man  hatte  sich  den  Gang  der  Ereignisse  so  zurecht  gelegt, 
dass  man  sich  Herodot  als  den  Repräsentanten  der  Gegner  des 
Lygdaniis  dachte,  ihm  eine  bedeutende  politische  Rolle  zuwies, 
und  ihn  um  dieser  seiner  Verdienste  willen  beneidet  sein  liess. 
Später  als  Stephanos  von  Byzanz  '  kann  die  Erfindung  nicht 
sein  (und  das  ist  doch  spät  genug),  da  dieser  bereits  in  der 
Lage  war  eine  Grabschrift,  die  von  den  Studien  über  Herodot's 
Dialect  Zeugniss  gibt,  zu  benützen.  Da  nun  diese  Grabschrift 
dasselbe  Motiv  für  unseres  Autors  Auswanderung  nach  Unter- 
italien nennt,  so  ist  sie  sicher  unecht,  wenn  sie  auch  die  Ent- 
stehung derartiger  Nachrichten  genügend  cliarakterisirt.  Wir 
sind  aber  wieder  in  dieselbe  uns  schon  bekannte  Werkstätte 
gewiesen,  in  der  man  den  Bau  der  Herodotvita  zimmerte,  auf 
die  Studien  der  Alexandriner,  die  gerade  auch  in  dieser  sprach- 
lichen Hinsicht  sich  äusserten,  wie  wir  unten  sehen  werden 
und  in  der  Textemendatiou  des  Proömium  bereits  sahen.  Einer 
so  unverbürgten  Ueberlieferung  gegenüber  kann  eine  beiläuhge 
Möglichkeit,  dass  unter  dem  Eindruck  der  kimonischen  Siege 
ein  derartiger  Versuch  wie  der  angebliche  Herodot's  denkbar 
sei,  mir  nie  und  nimmer  als  eine  Stütze  derselben  erscheinen. 

So .  scheint  mir  denn  auch  das  gewichtigste  Argument  für 
Herodot's  Antheilnahme  an  einem  Versuche  Verbannter  aus 
Halikarnass  den  Tyrannen  zu  vertreiben  aus  mehrfachen  Grün- 
den nicht  stichhaltig.  Es  ist  dies  die  Vertragsurkunde  zwischen 

'  Stephanus  Byz.  s.  v.  Öoüpioi  ed.  Westerniauu  p.  139. 
'llpööoTov    A'j:£oj  y.f,'jT:zz:  /.öv.:  rfiz  Oavdvia, 
'läoo;  äpy(X'.r](;  \azof,ir^i,  npÜTav-v, 
Atüpii'wv  r.ixprii  ßXaa-o'vi'  dtTzo  •  xwv  ap'  a;:XT)Tov 
MwijLov  •j;:£x;:fio:p'jycuv  0o6piov  sd/^e  ::äTp»)v. 


Herodot's  Biographie.  405 

Salmakis  und  Halikarnass,  die  Newton  '  in  dem  heutigen  Budrun 
entdeckte.  Ich  will  von  ihr  ausgehen  und  zu  zeigen  suchen, 
was  dieselbe  besagt,  wenn  man  aus  der  Suidasüberlieterung 
nichts  hineinträgt.  Das  Denkmal  ist  nicht  der  eigentliche  V^er- 
trag,  sondern  auf  diesen,  der  in  dem  Apolloheiligthum  hinter- 
legt war,  wird  an  zwei  Stellen  -  Bezug  genommen.  Da  unsere 
Urkunde  Bestimmungen  für  die  Regelung  der  Besitzverhältnisse 
enthält,  so  kann  sie  nur  als  Amendement  zu  diesem  eigent- 
lichen Vertrage  angesehen  werden,  dessen  Verfügungen  in  der 
Ausführung  auf  Schwierigkeiten  stiessen,  die  eben  die  ange- 
gebenen Aeuderungen  nöthig  machten.  Bisher  hatte  nämlich 
Jemand  seinen  Anspruch  auf  Land  oder  Häuser  dadurch  recht- 
fertigen können ,  dass  er  unter  seinem  Eide  sich  als  recht- 
mässigen Besitzer  angab,  vorausgesetzt  dass  die  Mnemonen  von 
der  Gültigkeit  desselben  überzeugt  waren.  ^  Dies  sollte  anders 
werden,  auf  achtzehn  Monate  noch  von  dem  Erlasse  unseres 
Decretes  sollte  der  alte  Usus  mit  einer  Moditication,  wie  gleich 
ersichtlich  sein  wird,  Geltung  haben,  nach  deren  Ablauf  aber 
stand  dem  momentanen  Besitzer  in  Gegenwart  des  Anspruch- 
erhebenden ein  Manifestationseid  vor  den  Richtern  zu.  ^  Es 
folgt  noch  die  Bestimmung,  dass  als  Besitzer  zu  Rechte  alle 
diejenigen  betrachtet  werden  sollen,  welche  Land  und  Häuser 
inne  hatten,  als  Apollonides  und   Panyames   Mnemonen  waren, 


•  Newton:  Discoveries  at  Halicarnassos  etc.  plate  LXXXV.  Textbd.  II. 
S.  671.  Kirc-hlioff:  Studien  zur  Gesch.  d.  griech.  Alphabetes  2.  Aufl. 
8.  4.  f.  Abei'mals  publicirt  mit  Verbesserungen  nach  einer  Revision  u. 
Abklatsch  von  Newton  Transactions  of  the  Royal  Society,  vol.  IX.  -', 
p.  183.  Für  die  zweite  Auflage  der  Studien  zur  Gesch.  d.  griech.  Alpha- 
betes, Berlin  1867,  benützte  Kirchhoff  einen  Abklatsch;  iu  der  dritten 
Auflage  seines  Werkes,  Berlin  1877,  änderte  er  seine  Auffassung  mit 
Ausnahme  der  einen  unten  zu  erwähnenden  Stelle  nur  unbedeutend. 

-  Z.  19  u.  43.  Vergl.  für  erstere  die  folgende  Anmerkung,  die  andere 
Stelle  lautet:  ö;  av  Taura  [-apjaßaivrj  zät'  ojrsp  xa  opy.ta  £Ta[|jLov]  zal  w; 
Ycypix:;T|a'.  iv  xw  '.\7:o/.X[wvi]i.)  sTjtxaXsTv. 

3  Z.  16  'MIv  o[c  xt];  OAr,  oiy.a?[£]  cxOai  rspl  y^[?  i^]  otzfojv  lT:i>'.aX[£i]  tw  iv 
oy.x(jjy.a[ios]y.a  |j.r,a\v  ä-'öx[ou]|[ö]  ocooc  £Y3V£[xo],  voji-to  ok  y.xzi  T:[t]  p  vjv  opy.eo 
i[.  .  .  .]y.8'.y.aaxa;,  ox  av  ol  [j.vr)jj.o[v£;j    lOiWCtv  touxo|    y.apxEpbv  sivai. 

*  Z.  2*2  [j^v]  oi  TIC,  'jaxspov  iztzaXr)  xou[xo'j]xoij  ypovo'j  xwv|  öxxoj/.aiosy.a  [iirijviov 
opxov  itvai  t|w    veixojjLi'vti}  [xjrjv    yi^v    5)    xa    o;z[i]  a  .   opxov    o\    T[oy;]    Si/.aaxi; 

'  f,[j.t  [rjx.xov  Si^aij.[ivo'j]; .  xbv  3k  opzov  £t  [v]at  7:ap£Övxo;[xou  £]v£axr)zo'xo;. 


406  Bauer. 

falls  sie  dieselben  später  nicht  verkauft  hätten. '  Dies  kann 
nichts  anderes  bezwecken  als  eine  Annuliruug;  von  Amtshand- 
lungen der  genannten  Mnemonen,  die  nach  dem  älteren  Ver- 
trage vorgenommen  waren,  zu  verhindern.  Der  negative  Theil 
der  Bestimumugen  geht  dahin,  dass  die  Mnemonen  den  Mne- 
monen  weder  Land  noch  Häuser  übergeben  sollten,  während 
Apollonides,  dos  Lygdamis  Sohn,  und  Panyames,  des  KasboUios 
Sohn,  Mnemonen  seien,  und  zwei  andere  Genannte  in  Salmakis 
dies  Amt  bekleideten.-  Combinirt  man  dies  mit  der  oben  er- 
sciilossenen  Formulirung  des  ersten  Vertrages,  wie  man  dies 
rauss ,  so  ergibt  sich ,  dass  durch  unser  Rechtsinstrument  ein 
Gerichtshof  auf  achtzehn  Monate  mit  der  Regelung  der  Besitz- 
verhältnisse in  derselben  Weise,  wie  dies  bisher  durch  die 
Mnemonen  geschehen  war,  betraut  wird,  der  nach  achtzehn 
Monaten  aber  nach  einem  anderen  Grundsatze  zu  erkennen  hatte. 

Diese  negative  Bestimmung  lässt  uns  aber  auch  die  Con- 
trahenten  des  Vertrages  erkennen.  Z.  10.  ^zt  'ATioXwIvfOiW  tou 
Au[YOaj[xioq  [xv/][ji,ov[c]  uovTOc  y.a;  [lla]va[j,uü)  toö  Kaaßw  AAtoq  7.at  ^[aA]|xa/.i 
Tsojv  jj.vy;  [/<;VcuivTa)[v  'Il]p[j-((ovoc  toü  fi  [a]  vjaT'.o?.  Da  je  zwei  und 
zwei  dieser  Mnemonen  genannt  sind,  die  beiden  Letzteren  aus- 
drücklich für  Salmakis,  so  sind  die  beiden  Anderen  natur- 
g-emäss  für  Halikarnass  anzunehmen.  Dies  bestätigt  der  Kopf 
des  Documentes  in  erwünschtester  Weise.  Z.  5  i]7:\  Ascvto^ 
zpuTav[£'jov]To[(;  -jcj  X)a-äTio;  y.a['  sv]  ila[A;ji.ax'!]o[i  -q'j  oiha..  Die 
beiden  genannten  Gemeinwesen  also  sind  die  Parteien,  dem 
entspricht  vollkommen,  wenn  in  unserem  Exemplar  (der  Fassung 
für  Halikarnass)  in  der  Prohibitivbestimmung  gegen  Annullirung 
der  bisherigen  Entscheidungen  nur  die  Mnemonen  von  Hali- 
karnass genannt  sind  und  es  in  der  Strafandrohung  für  die 
zuwider  Handelnden  am  Schlüsse  nur  heisst:  Z.  39  (ji.r]joa[jLa-/.aOooov 
[eivjai  iq  'AXixapv/jcjcov,  und  ebenso  ist  es  natürlich,  dass  bei  dem 
Prytanen   sowohl    als   bei   den   Mnemonen    von   Salmakis    diese 


1  Z.  28  y.|apT£pou?  8s  efvai  yR?  y-]*'  olzicov  oItivesItot'  £T)(^ov,  ots  'A[7:o]Xtüv(57); 
xai  riava'jjLÜrj;  £(jLvrj[Ao[v£u]ov,  £i  [irj  !5oT£po|v  iztKipa<ja.'^  [rbv]  vo|j.ov  toutov|. 

'  Z.  8  jj.[vrj]ij.ova?  [AT)  -ap[a]  0'.8o[vai]  [J.i][t£]  y^v  |i.r]T£  oix[(:a]  xoT?  fj.vrjjjL[oa]tv 
£711  'A;:oÄco;vtosto  tou  Au[Yoä]iJ.ioc  [i.vr][j.ov£  -jovto?  xai  [IIa]va[j.ioj  toj  Kaaßw  X- 
Xio;  y.(x\  — a[X|[xaxii£'a)v  av»)  [j.ov£uovTa)[v  MjEyaeßaTEw  tou  'Aj^uaaio?  xa[i  'll?]p- 
[Aftovo?  TOU  n[a]lvuaTio?  . 


Herodot°8  Biographie.  407 

ihre  Zugehörigkeit  ausdrücklich  vermerkt  ist;  für  Halikarnass 
brauchte  man  dies  bei  der  eigenen  Behörde  nicht  zu  thun. , 

Dem  gegenüber  kann  ich  Kirchhoff' s  Ansicht,  Lygdamis 
erscheine,  wie  er  aus  der  Eingaugsformel  schliesst,  als  Con- 
trahent,  unmöglich  für  richtig  halten,  mag  derselbe  immerhin 
nachstehen  und  mit  y.x'.  den  beiden  Gemeinden  coordinirt  er- 
scheinen. Die  Berufung  auf  die  Decrete  von  Mylasa  '  scheint 
mir  nichts  zu  beweisen ;  denn  obwohl  der  zweite  Mausollos 
Satrap  ist,  beschliessen  eben  doch  die  Mylasier,  und  der  ganze 
Unterschied  ist  der,  dass  er  einmal  ausdrücklich  als  Satrap 
bezeichnet  ist  und  voransteht.  Ob  Lygdamis  sich  au  der  Spitze 
der  Urkunde  mit  A-r{ci[j.'.oc  s^aiÖpa-euovTO?  einführen  musste,  wage 
ich  nicht  zu  entscheiden ;  aber  das  zeigen  die  angeführten 
Decrete,  dass  trotzdem  er  Tyrann  war,  Salmakis  und  Hali- 
karnass einen  Vertrag  schliessen  konnten.  Damit  fällt  aber 
schon  ein  guter  Theil  der  Folgerungen  Kirchhoff's  für  die 
Geschichte  von  Halikarnass,  und  man  ist  so  noch  der  schlinlmen 
Combination  überhoben,  die  Kirchhoff  zu  macheu  sich  genöthigt 
sah,  nämlich  trotzdem  Suidas  ausdrücklich  sagt,  Lygdamis  sei 
von  Herodot  vertrieben  worden,  anzunehmen,  er  sei  nach  der 
Rückkehr  dieser  Schaar  Verbannter  irgendwie  in  der  Herr- 
schaft verblieben.  Für  die  ganze  Interpretation  war  Kirch- 
hoff's ursprüngliche,  jetzt  von  ihm  selber  aufgegebene  Con- 
jectur  ä-'  otoj  y)  /.aöoooq  e^svexo  anstatt  des  von  Bergk-  richtig 
erkannten  ä-'  oxou  6  xooc  i''(vn-:o  verhängnissvoll  gewesen. 

Der  Suidasartikel  erhält  also,  weil  die  Urkunde  unter  des 
Lygdamis  Herrschaft  abgefasst  ist ,  keine  Bestätigung.  Aus 
gleich  zu  erwägenden  Gründen  hatten  Besitzstreitigkeiten 
zwischen  beiden  Gemeinden  stattgefunden ,  die  so  beigelegt 
werden  sollten.  Und  Panyasis  und  Herodot?  Für  deren  Ver- 
hältniss  ergibt  sich  eben  auch  nichts,  wir  hören  von  einem 
Panyasis  in  Salmakis  ebenso  wie  von  einem  Lygdamis  (nicht 
dem  Tyrannen,  vielleicht  aus  dessen  Familie)  in  Halikarnass. 
Kirchhoff  hatte  gemeint  in  den  gestörten  Besitzverhältnissen 
eben  die  Folge  politischer  Streitigkeiten  sehen  zu  müssen,  er 
nimmt    an,    dass    der    eigentliche    Vertrag    Bestimmungen    ent- 


'   C.  J.  G.  vol.  II.  2691.  c.  d.  e. 

2  Jahrb.  f.  kl.  Phil.    1873.  p.  :!7.  Vergl.  S.  4Uö,  Aum.    1. 


408  Bauer. 

halten  habe,  welche  den  beiden  Gemeinden  ihre  Autonomie^  den 
Anhängern  des  Tyrannen  Amnestie  zusicherten,  und  Lygdamis 
in  unserer  Urkunde  als  Vertreter  eben  der  Interessen  dieser 
seiner  Partei  erscheine.  Der  Ausdruck  y.ai  Ajvoai/tt;  in  diesem 
Sinne  von  den  autonomen  Gemeinden  gebraucht,  erscheint  mir 
sehr  unwahrscheinlich.  Ich  glaube  gezeigt  zu  haben,  dass  es 
eben  mangelhafte  Verfügungen  des  ersten  Vertrages  waren, 
welche  den  Erlass  dieses  Decretes  zur  Folge  hatten ;  wie  soll 
man  sich  denken,  dass  diese  Abhilfe  geschafft  wird?  War  bei 
den  Gebietsregelungen  die  Partei  des  Lygdamis  im  Nachtheil, 
woher  die  neuen  Concessionen  an  den  jüngst  vertriebenen 
Tyrannen?  Dass  aber  die  demokratische  Partei  im  Nachtheile 
gewesen  wäre,  ist  noch  weniger  einzusehen.  Man  müsste  also 
n)it  Kirchhoff  annehmen,  dass  Lygdamis  sich  nach  der  Rückkehr 
jener  Verbannten  noch  einen  ziemlichen  Einfluss  bewahrte, 
also  unmöglich  vertrieben  worden  sein  kann.  Unter  dieser,  wie 
mir  scheint,  einzig  zulässigen  Voraussetzung  haben  wir  aber 
nur  wieder  einen  Beweis  mehr  für  die  Mangelhaftigkeit  unserer 
Suidasüberlieferung,  deren  Angaben  mit  der  Inschrift  also 
gewiss  nicht  combinirt  werden  dürfen,  wohl  aber  als  im  Gegen- 
satze zu  derselben  stehend  zu  verwerfen  sind.  Die  Autorität 
der  Ueberlieferung  über  Herodot's  Leben  ist  also  auch  eine 
sehr  unzuverlässige  bezüglich  der  Geschichte  von  Halikarnass, 
mit  der  sie  unseren  Autor,  weil  er  eben  aus  dieser  Stadt 
stammte,  in  Verbinduny-  zu  brineen  nicht  Anstand  nahm. 

Diese  Tradition  erweist  sich  aber  noch  in  einer  Hinsicht 
als  beeinflusst  von  der  gelehrten  Thätigkeit  der  Alexandriner, 
die  eben,  weil  sie  Sicheres  nicht  wusste,  frischweg  combinirte 
und  ricth.  Nach  Samos  wird  Herodot  vertrieben  und  von 
Samos  aus  vertreibt  er  Lygdamis.  Das  war  der  kühne  Griff, 
mit  dem  man  eine  Schwiei-igkeit  löste,  die  sich  in  Herodot's 
Leben  ergab.  Das  wusste  man  recht  gut,  dass  man  in  Hali- 
karnass eine  dorische  '  Gründung  zu  sehen  hatte;  man  hatte 
also  alles  Recht,  Herodot  als  ,A(opi£iov  ßXxaTovt'  äiro'  zu  bezeichnen; 
aber    nun    hatte    er    im    ionischen    Dialect    geschrieben     Ix^oq 


'  Da  brauchte  man  nur  Herodot  selber  zu  lesen:  VII.  99  twv  ok  xai^Xs^a 
::oXia)v  jJYcij^veüi'.v  «uir^v,  to  eOvo;  äno^atvw  zäv  ebv  Awpr/.ov,  'AXuapvaaas'a; 
[AEV  Tpoi^rjvfo'j;,  zohc,  ok  aXXou?  'E;;ioaup{ou?. 


Herndot's  Biographie.  409 

y.py^0Lvr,z  '.zxcp'.T,c  zp'Jrav.v ,  den  musste  er  doch  irgendwo  gelernt 
haben;  er  fand  also  auf  Samos  eine  zweite  ITeiniat;  eine  Notiz 
aber,  die  ihn  von  da  aus  nach  Halikarnass  zurückkehren  lässt, 
verdient  auch  um  dieses  Grundes  willen  keinen  Glauben. 
Dass  man  noch  weiter  ging-  und  auf  Samos  sein  ganzes  Werk 
entstanden  sein  Hess,'  braucht  uns  nicht  zu  wundern.  Wir 
sind  so  glücklich  zu  wissen ,  dass  Halikarnass  in  seinen 
officiellen  Actenstücken  den  ionischen  Dialcct  anwendete  (die 
oben  besprochene  Urkunde)  und  können  daher  immerhin,  gern 
auf  diese  Auskunft  verzichtend,  zugeben,  dass  Herodot  bei  seinen 
Reisen  sich  auch  auf  Samos  aufhielt,  von  dessen  Monumenten 
er  ja  berichtet  (III.  00)  und  dessen  Geschichte  er  eine  be- 
merkenswerthe  Aufmerksamkeit  schenkt.'-  Wir  dürfen  also 
füglich  die  Angaben  des  Suidasartikels  mit  der  Grabschrift  auf 
eine  Linie  der  Unzuverlässigkeit  stellen,  da  sie  sich  uns  als 
Producte  derselben  Officin  gezeigt  haben. 

Ebendahin  führt  uns  noch  die  Betrachtung  eines  anderen 
Theiles  der  Ueberlieferung  über  Herodot.  Hier  haben  wir  es 
allerdings  mit  den  Studien  höchst  achtungswerther  Gelehrter 
zu  thun ,  die  aber  auch  nur  wieder  zeigen  mit  welch'  unzu- 
reichendem Material  sie  arbeiten  mussten ,  so  dass  sie  zu 
schematischen  Ansetzungen  ihre  Zuflucht  nahmen.  Es  war  für 
die  geschichtskundige  Zeit  ein  Bedürfniss  um  den  bekannten 
Verlauf  der  liistorischen  Ereignisse  in  festgestellter  chrono- 
logischer Ordnung  alles  sonst  Wissenswerthe  möglichst  über- 
sichtlich gruppirt  zu  sehen.  Dies  zu  thun  war  das  Bestreben 
des  Chronologen  Eratosthenes  und  Apollodors,  der  des  ersteren 


'  Suid.  lex.  s.  v.  'HpoooTo;  ,  der  ihn  auf  Samo.s  ionisc-h  lernen  und  seine 
Geschichte  schreiben  lüsst.  Vergl.  unten. 

2  Ich  pjlanbe  deshalb  die  ganze  Geschichte  von  Ilerodot's  längerem  Exil 
auf  Samos  nicht;  or  war  auf  Samos,  wie  er  in  Aegypten  war  oder  in 
Libyen  oder  in  Asien  als  Reisender,  er  spricht  mindestens  ganz  eben  so 
über  die  samischen  Bauwerke,  wie  er  von  den  ägyptischen  sich  ver- 
nehmen lässt.  III.  60  £[xrj/.jva  os  -:pl  2a[i.(wv  |i.aXXov,  oii  asi  rpia  satl 
{i^ytdTa  a;:avTwv  'KXX»]Vfi>v  i^£pYaa[j.E'\/a  ....  II.  .35  spyojxat  0£  TCEp*.  Aiyü::to'j 
u.rj/'jvs'(i)v  tbv  Xoyov,  oTi  izkiiii  0'o|jLaCTta  sysi  '/j  aXXr^  7:aaa  "/'üpr)  ....  Die 
Vorliebe  für  Samos,  die  man  als  Dankbarkeit  des  Autors  gegen  seine 
Gastfreunde  aufzufassen  geneigt  ist,  erldärt  sich  aus  der  Benützung 
saniischer  Quellen  genügend.  (Vergl.  d.  Verf.  Schrift  S.  86  f.) 


410  ßanpr. 

Ansätze  populär  machte,   daher  sie  uns  noch   heute    erkennbar 
sind.     Da  genaue  Quellen  nicht  vorlagen ,    so   setzte    man    bei 
jedem    Dichter,    Philosophen    oder    Historiker    eine    Zeit    des 
höchsten    geistigen    Schaffens,    die  ol.^Jx^    an,    die    man  auf  das 
gereifte    Mannesalter,    etwa    das    vierzigste  Lebensjahr    fixirte, 
von  da  war  die  Geburt  und  sonstige  Daten  zu  berechnen.  Man 
brauchte  aber  auch  nur  ein  denkwürdiges  Ereigniss,    eine  be- 
deutende   Bethätigung     eines    Schriftstellers    auf    literarischem 
Gebiete  nach  dem  Jahre  zu  wissen,  um  in  dasselbe  seine  ax[j//^ 
zu  setzen ,    und   so  legte  sich  dann  alles  zurecht.     Es  ist  nun 
gerade    für    unseren  Herodot    das  Verdienst   Diels '    gezeigt  zu 
haben,    dass    die    Ansätze    über    Alter    und    Geburtsjahr    des 
Herodot,    Thukydides    und  Hellanikos,    wie    wir    sie    besitzen, 
auf   dieses    Schema   Apollodors    zurückgehen.     Dieselben    sind 
erhalten  bei  Dionysios  von  Halikarnass,^  der  Herodot  kurz  vor 
der    Epoche    des    Xerxeszuges    geboren    sein    lässt,    allgemein 
stimmt  dazu  Diodor, •*  der  sagt:  y-a-ca  H£p^-/]v  yeYovwi;  toTi;  ypovotc; 
demselben    Ansatz    folgt    Eusebios,  "^   wenn  er  zu  Ol.  78.  1  be- 
merkt:   'HpoSoTot;    lyvoipii^sTo ,    (er    wäre    also  sechzehn   Jahre    alt 
gewesen),    seinen   grossen    Erfolg   in  Athen    berichtet    derselbe 
Gewährsmann  Ol.  83.  3.    Am  ausführlichsten  sind  uns  und  am 
genauesten    zugleich    die    Ansätze   Apollodor's    erhalten  in  den 
Angaben    der    Pamphila,  ^   die    Herodot    beim    Ausbruche    des 
peloponnesischen    Krieges    dreiundfünfzig  Jahre    alt    sein   lässt, 
also  seine  Geburt  in  das  Jahr  484  verlegt.     Dies  ergibt  seine 
Akme    444 ,    und    diese    knüpft    sich    ganz    vortrefflich   an  das 
Epochenjahr  der  Besiedelung  von  Thurioi,  an    der   Herodot  ja 


1  Diels  im  neuen  rli.   Mus.  P.d.  .31.  S.  47  f. 

2  Dionys.  Hai.  jud.  de  Thuc.  1.  c.  o  o'  'AXixapvaaoeu;  'UpdooTo?  Y£vo|j.£voc 
oXfyo)  rpoTspov  t'Tjv  rTepaixtÖv    .  .  . 

'  II.  32  •'IIpoooTO?  [xkv  oOv  zata  S^p^/jv  ysyovwc  tot;  ypövoi?  ,  .  . 

<  Die  arm.  Uel»ersetKung'  setzt  dies  Ol.  78.  2.  Vergl.  Schöne:  Euaebi 
chron.  can.  vol.  II. 

*  Bei  Gellius  noct.  Att.  XV.  .35.  llellanicus,  ITorodnt.us,  Thueydidos,  bisto- 
riae  scriptores  in  isdem  fere  temj)oribus  laude  ingenti  floruerunt  et  non 
nimis  lonj^e  distantibus  fueiunt  aetatibns  nam  Hellanieus  initio  belli 
Peloponneaiaci  fnisso  rpiinqno  et  sexagfiiita  .annog  natus  videtur,  Herodotus 
tres  et  quinquap^inta,  Tlnicydides  qnadmij'iiita.  Scriptum  est  hoc  in  libro 
undecimo  Pampliilao 


Herodot'B  Biographie.  41 1 

Theil  nahm,  damals  nach  des  Eusebios  Notiz  eben  von  den 
Athenern  mit  einem  reichen  Geklgeschenke  g-eehrt.  Dies  mag 
wohl  den  Alexandrinern  bekannt  gewesen  sein  (die  schlechter 
Unterrichteten  derselben,  die  Suidas  benützt  hat,  wussten  davon 
nichts,  wie  oben  gezeigt  wnrde)  imd  eben  daraus  die  Chrono- 
logie des  Lebens  unseres  Autors  berechnet  worden  sein.  Plinius  ' 
endlich  folgt  derselben  Ansicht,  wenn  er  Herodot  im  310.  .Jahre 
der  Stadt  den  Anfang  seiner  Geschichte  in  Thurioi  schreiben  lässt. 

Aber  auch  Panyasis  und  Herodot  sind  um  ihres  gegen- 
seitigen Verhältnisses  willen  in  den  chronologischen  Tabellen  der 
Alexandriner  in  die  richtige  Entfernung  gebracht;  Ol.  72.  4  sagt 
Eusebius:  Ilavuaci?  TioivjTY]?  iy'/hipi^zzo.  Herodot's  Bekanntwerden 
fällt  nach  demselben  Gewährsmann,  wie  wir  sahen,  Ol.  78.  1, 
wir  haben  also  eine  Altersdifferenz  von  genau  der  Hälfte  jener 
in  den  Tabellen  viel  verwendeten  Zahl  vierzig.  So  entsprachen 
sich  die  Chronologie  und  das  Verwandtschaftsverhältniss  von 
Panyasis  und  Herodot  vollständig;  wenn  aber  Eratosthenes 
und  Apollodor ,  auf  die  auch  diese  chronologische  Angabe 
zurückgehen  wird,  zu  derartig  schematischer  Berechnung  ihre 
Zuflucht  nehmen  mussten,  was  sollten  dann  den  Verfassern  der 
ausführlichen  Herodotvita  für  bessere  Quellen  für  ihr  Mach- 
werk zu  Gebote  gestanden  haben? 

Immer  und  immer  Avieder  waren  wir  in  den  bisherigen 
Betrachtungen  der  gelehrten  und  ungelehrten  Arbeit  der  Ale- 
xandriner auf  die  Spur  gekommen ;  diese  Beschäftigung  mit 
Herodot  ihrerseits  ist  aber  auch  ausdrücklich  bezeugt.  Ich 
hatte  oben  gesagt,  dass  man  in  Alexandreia  Herodot  in  neun 
Bücher  gewaltsam  genug  getheilt  hatte;  dass  man  ebenda  mit 
dieser  Eintheilung  operirte,  bezeugt  Porphyrios.  -  Das  erste 
scheint  den  Titel  geführt  zu  haben ,  unter  welchem  es  noch 
Pausanias  •'  kennt  Xc^oc  b  zlz  KpoTcov,  das  zweite  hiess  A'-Y'j'jrTiay.y; 


'  Plin.    liist.  nat.  XII'.  4.   1,S  ed.  Billig  p.  384. 

-  Porphyrios  qnacst.  Homer,  in  der  Sammlung  Homeri  interprotcs  Argontor. 
l^>?>{)  p.  IS  und  10:  sv  xr^  TCpwTT;  'llpo'ooto?  X'ov  'iG~opu~'>v  jispi  Kpotaou  toü 
Auooü  7:o)J.a  xs  aXXa  oisO.jxxai  .  .  .  Inl  xa'Xst  x^;  A ly'JTixtax^;  ßiß/.0'j,  yjxt; 
iaxt  osuxcpa  x^  xa^si.  Dies  citirt,  Porphyrio.s  nach  Alexander  von  Kotyaion 
und  erstercs  nach  Philrmon.  Vorgl.   üh^r  diese  da.s  unten   Ge.sagte. 

•*  Pau.'ianias  citirt  nie  nach  den  neun  Hiichern,  wohl  aber  Paus.  III.  2.  3 
ed.  Schubart  p.   19.5  »^oyo;  6  =1;  KpoTaov'. 


412  Bauer. 

ßtßXoi;.  Nachdem  die  Nounzahl  zur  Vulgata  geworden ,  als 
welche  sie  schon  Diodor  kennt, '  konnte  man  erst  die  Namen 
der  neun  Musen  auf  dieselben  vortheikm,  was  aber  noch  vor 
Lukian  '  und  der  Abfassung  eines  Epigrarames  der  palatinischeu 
Antliologie  geschah.-'  Dieselbe  eben  angeführte  Stelle,  aus  der 
das  Vorhand(msein  der  uns  geläufigen  Eintheilung  bei  den 
alexandiinischen  Grammatikern  erschlossen  werden  musste, 
gibt  uns  aber  auch  einen  Anhaltspunkt  über  die  Art,  wie 
Herodot  studirt  ward,  so  dass  wir  abermals  eine  erwünschte 
Bestätigung  für  die  früher  ausgesprochene  Textänderung  des 
Proömium  erhalten,  —  Porphyrios  *  citirt  das  Buch  eines 
Philemon:  cup,[j,t7.'ra  -spt  'HpoSo-csi'ou  o'.opOtö[j,aToc  und  einen  Gewährs- 
mann Alexander  von  Kotyaion  in  Phrygien ,  der  als  oiopOwr/^; 
bezeichnet  wird.  Der  Dialect,  dessen  Eigentliümlichkeit  den 
Verfasser  der  Grabschrift  zu  seinem  Erklärungsversuche  ver- 
anlasst hatte ,  und  die  handschriftliche  Ueberlieferung  wird 
durch  die  Vergleichung  des  Sprachgebrauches  festgestellt.  Bei 
Suidas '''  haben  wir  überdiess  die  Angaben ,  dass  ein  Sophist 
Salustios  und  ein  attischer  Rhetor  Ileron  sich  in  seinen  Gzop-v/^jj-axa 
mit  Herodot  beschäftigt  habe.  Apollonios ''  schrieb :  i^rt-(T)Gsic 
YXtocaöiv  'HpoBöxou,  erhalten  sind  uns  von  derartigen  Arbeiten  nur 
die  'HpoooTou  Xicst«;,  welche  Gaisford"  abgedruckt  hat.  "^ 


'  Diod.  Bibliotli.  XI.  .37.  ß  'lIpdooTo;  äp^äjxsvo;  r.po  itTJv  Tpoixwv  /pdvwv  yiypoLtfz 
zoiva;   aysobv  toc?  t^;  otxou[j.£vrji;  7:pa^£ti;   sv  ßißltoic   svv^a. 

2  Er  lässt  nach  der  fingirten  Vorlesung  in  Olympia  dieselben  nach  den 
neun  Musen  benannt,  werden.  Lucian.  Herod.  slv.  Aetion.  c.  1.  vol.  IV. 
p.   117  ed.  Bipont.  u.  quom.  histor.  sit  couscrib.    c.  42.   vol.    IV.  p.   205. 

3  Anthol.  pal.  IX.  IGO  ed.  Jacobs  Bd.  IV.  p.  54,  Bd.  II.  p.  32.  d.  Ausgabe 
V.  Dübner. 

*  Por])hyrios  quaest.  Hom.  a.  a.  O, 

^  8ui(l.  lexic.  s.  v.  waJvouCTTio?  ed.  Bornh.  II.  2.  p.  (Juli.  üaXouaTioi  ao^taTjj;  • 
sypaiisv  Et;  ArjfxoaOs'vriv  xai  'llpdooTOv  'j;:o'[j.vr]ij.a  •  ■/.oCi  aXXa.  Id.  s.  v.  "Hpwv, 
I.  2.  p.  891)  "lIp'Dv,  Kötuo;,  ' AOrjVatb;,  p>^Ttop  ta;  sv  ''.\07Jvj)(iiv  ofxa;  yeypa^w;  • 
Eira  .  .  .  -jnoiJv/jfxaT«  ei;  'llpdootov,  Hsvo-^fovTa,  OouxuotSrjV. 

6  Etymol,  majjn.  a.  v.  xw^d;  cd.  Sylburg.  p.  f>00.  outw;  '' \r.oXkt!ynoi  sv  rat; 
yXiöaaai;  'IIgooo'tou,  s.  v.  ao-^iaTr];  p.  654/.'»  ouro);  'ATioXXtövto«;  ev  i^riyriaEi 
T'ov  'llpoödrou  yXwaatöv. 

7  Herodoti  Hai.  bist.  IIb.  IX.  ed.  Tli.  Gaisford.  Lips.  182f..  vol.  IV. 
p.   .S84   sqq. 

8  Vergl.  im  Allgemeinen  Herodoti  liistoriae  ed.  C.  Abicht  Lips.  1860.  vol.  I. 
De  Her.  vita  et  scriptis  commentatio  p.  XXI.  sqq. 


Herodot's  Biographie.  41ö 

Wir    haben    nun    des    Autors    Lebensschicksale    bis    zu 
seiner  Uebersiedehmg  nach  Thurioi  betrachtet,    welche  zu  der 
unrichtigen  Anschauung  geführt  hatte,  Herodot  sei  ein  Thurier 
gewesen :  sie  hatte  aber  auch  für  den  Schluss  der  sagenhaften 
Biographie  herhalten  müssen,  und  der  Dichter  der  Grabschrift 
Hess  unseren  Autor  daselbst    auf   dem    Markte    begraben   sein. 
Man  dachte,  ferne  von  der  Heimat,  in  der  man  unseren  Autor 
so  sehr  beneidet  hatte,  habe  er  als  verkannter  Patriot,  zurück- 
gezogen   von    allem    politischen    Treiben,    schriftstellernd  sein 
Ende  gefunden.    Dasselbe    besagte    ein  Theil    der  Quellen   des 
Suidas  '  und  auch  Plinius   (a.  a.  O.)    scheint  der  gleichen  An- 
sicht gehuldigt  zu  haben.     Nach    diesem    Orte    verlegten   denn 
diejenigen,  welche  dieser  Tradition  folgten,  auch  die  Abfassung 
der   neun   Bücher,    eine    andere    Herodotvita   behauptete    aber, 
dies  sei  auf  Samos  geschehen,  der  betreffende  Passus  derselben 
ist  bei  Suidas  2  allein  enthalten,    Lukian  ^  scheint  wieder  einer 
anderen  Ansicht  gefolgt  zu  sein,  da  er  von  Karlen  herkommend 
den  Autor  das  fertige  Werk  mitbringen   und   in  Olympia  vor- 
lesen   lässt.      So    hatte    denn    diese    Biographie    die    Zeit    des 
Ferneseins  von  Halikarnass  als  Herodot  angeblich  von  Lygda- 
mis  vertrieben  auf  Samos  die  beliebte  , zweite  Heimat'  gefunden 
hatte,  nützlich  für  die  Nachwelt  auszufüllen  gewusst,  und  man 
wusste  auch  woher  des  Herodot  ionischer  Dialect  kam,     Dass 
diese  beiden  Viten  sich  ausschliessen,    hat  den  Versuch  beides 
als  Thatsachen  zu  combiniren  nicht  verhindern    können.     Wie 
wenig  bei  all  diesen  Erfindungen    und   Schlussfolgerungen  das 
Werk    selber    zu    Rathe   gezogen    wurde ,    zeigt    der    Umstand, 
dass  von  einer    abermaligen   Anwesenheit    Herodot's    in  Athen 
nach  432,    wie    aus  V.    77    hervorgeht,    nichts    berichtet   wird, 
sowie  dass  die  Unmöglichkeit  beider  Angaben  für  den  Ort  der 
Entstehung  nicht  auffiel ;    dies    lässt   das  Studium  des  Werkes 
als  ein  höchst  oberflächliches    von    Seite    der    betreffenden  Ge- 
währsmänner erscheinen. 


'  Suid.    s.   V,  Herodot:    zU  tb  öoüpiov   a:coixi^6[j.£Vov   ut:''    ''AOrjvafwv    iOsXovTrj«; 
rjXOs  •  za/csT  tsXeuTTja«?  IkX  tf);  ayopa?  T^Oaxxai. 

2  ibid.   £v  oOv  Trj   SäjjLW  y.ai  ttjv  'laoa  rfly.-q^ri  SiaXexTov  xat  £Ypa<]<£v   ia':op{av  ev 
ßißX(o'.;  8',  .  .'.  . 

3  Her.  sive  Aetion.  a.  a.  O. 

Sitzungsber.  d.  phil.-liist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  I.  Hft.  29 


414  ßaner. 

Aber  noch  nicht  genug;  über  Herodot's  Tod  gab  es  noch 
andere  Nachrichten,  die  auch  bei  Suidas  ^  erhalten  sind :  Herodot 
soll  am  makedonischen  Hofe  zu  Pella  gestorben  sein.  Diels  - 
hat  gezeigt,  dass  durch  die  Art  der  Anlage  der  chronologischen 
Listen  es  geschah,  dass  der  Todesort  des  Thukydides  und 
Hellanikos  verwechselt  wurde,  welche  beide  Autoren  ja  mit 
Herodot  in  der  chronologischen  Berechnung  der  Alexandriner 
verbunden  waren,  wie  oben  gesagt  wurde.  So  kam  es  zu  der 
unsinnigen  Behauptung,  Thukydides  sei  in  Parparon,  dem  noto- 
rischen Todesorte  des  Hellanikos,  gestorben.  Wilamowitz  hat 
nun  diese  gewiss  richtige  Beobachtung  noch  weiter  ausdehnen 
zu  dürfen  geglaubt.  Da  er  beweisen  zu  können  meint,  Thuky- 
dides sei  in  Pella  gestorben ,  so  sieht  er  sich  genöthigt  anzu- 
nehmen, dass  eine  Verwechslung  auch  für  diesen  mit  Herodot 
anzunehmen  sei.  Der  Zufall  müsste  in  der  That  ziemlich 
sonderbar  gewesen  sein,  aber  möglich  wäre  dies  immerhin. 
Allein  die  ganze  Hypothese  fällt  mit  der  Unzulässigkeit  der 
versuchten  Nachweisung,  Thukydides  sei  am  makedonischen 
Hofe  gestorben.  Wilamowitz  macht  dafür  Einiges  geltend^  er 
selbst  gibt  zu,  ^  dass  keiner  der  aufgeführten  Beweise  schlagend 
war,  meint  aber  doch  sehr  wahrscheinlich  gemacht  zu  haben, 
,dass  im  Alterthum  eine  von  Praxiphanes  ausgehende  Ueber- 
lieferung  bestanden  hat ,  nach  der  Thukydides  an  Archelaos 
Hofe  gelebt  hat  und  gestorben  ist^  Diese  Tradition  hält  Wila- 
mowitz für  ,noch  sicherer  Avahr  als  praxiphaneisch'.  Und  als 
Grund  wird  die  rühmende  Erwähnung  der  Thätigkeit  des 
Archelaos  in  Makedonien  angeführt.  Ich  möchte  von  dem 
letzteren  ausgehend  zu  bedenken  geben,  dass  man  dasselbe  für 
die  Tradition  bei  Suidas,  einige  hätten  von  Herodot's  Tod  in 
Pella  berichtet,  geltend  machen  könnte,  ohne  dass  man  diese 
deswegen  für  wahr  halten  müsste.  Herodot  ^  bringt  mit  grosser 
Emphase  an  zwei  Stellen,  deren  erste  ich  auch  für  einen 
späteren  Zusatz  halte.  Gründe  vor  zu  Gunsten  der  hellenischen 
Abstammung  des  makedonischen  Königshauses ,    an    der  einen 


*  Suid.  lex.  s.  v.  'HpöSoio; :    xivs?  o'  vi  fTf)>).T)    auro'v  TeXsuTfJaat  aaai   und  s. 
V.  'KXXävizo?.  Vergl.  darüber  unten. 

2  N.  rh.  Mus.  a.  a.  O. 

3  A.  a.  O.  S.  359. 

*  Herod.  V.  22.  VIII.   137. 


Herodot'B  Biographie.  41 0 

den  ganzen  Stammbaum,  an  der  anderen  führt  er  als  Beweis 
ihre  Theilnahme  an  den  olympischen  Spielen  an.  Aber  auch 
die  Combination  von  Wilamowitz,  auf  deren  gute  Methode  und 
i'ichtig-en  Geschmack  ausdrücklich  aufmerksam  gemacht  wird,  ^ 
halte  ich  für  unrichtig.  Ich  gebe  gerne  die  Möglichkeit  zu^ 
dass  der  verworrene  Satz  -  des  Markelliuos ,  richtig  gedeutet 
ist,  und  dass  Praxiphaues  den  Thukydides  und  jene  fünf 
, Dichter  unter  Archelaos  angesetzt  hat';  aber  das  eine  ergibt 
sich  aus  Markellinos,  trotz  des  , stümperhaften  Scribenten',  dass 
von  dem  Tode  des  Thukydides  gerade  Praxiphanes  nicht  be- 
richtet hat,  denn  nachdem  die  Stelle  des  letzteren  ausgeschrieben 
ist,  fährt  der  Biograph  fort:  0-.  [j.ky  ouv  auibv  v/Si  Xe'YCUJ'.v 
äxoOavsTv  £v6a  y.ai  StSTpißs  w^ac  oiv,  er  folgt  also  einer  anderen 
Vorlage,  damit  fällt  diese  angeblich  praxiphaneische  Nachricht 
und  tritt  zu  der  grossen  Zahl  der  mit  Recht  von  Wilamowitz 
discreditirten  legendenhaften  Angaben,  freilich  auch  das  positive 
Resultat,  das  für  die  Thukydidesvita  gewonnen  zu  sein  schien, 
und  wir  werden  uns  auch  hier  bescheiden  müssen  nichts  zu 
M'issen,  und  auch  diese  Negation  den  anderen  glänzenden,  auch 
nur  negative  Resultate  ergebenden  Ausführungen  von  Wilamowitz 
anfügen.  Für  die  Annahme  einer  Verwechselung  von  Thuky- 
dides und  Herodot's  Todesort  scheint  mir  also  kein  Grund 
vorzuliegen.  Ich  halte  allerdings  für  möglich  jedenfalls  aber 
nicht  für  sicher,  ^  dass  Herodot  in  Athen  gestorben  sei ,  und 
gestehe  eben  über  seinen  Tod  ebenso  wenig  zu  wissen,  wie 
über  den  des  Thukydides.  Des  Letzteren  Aufenthalt  am  Hofe 
des  makedonischen  Königes  ist  ja  immerhin  wahrscheinlich, 
wenngleich  die  Menge  der  an  den  makedonischen  Hof  gezau- 
berten Literaten  mich  bedenklich  macht.  Mag  die  Stelle  bei 
Suidas  '  unter  Hellanikos  noch  so  verworren  sein,    das    besagt 


'  A.  a.  O.  S.  361. 

-  Marc.  vit.  Thiic.  29  ed.  Krüger  p.  189  auvs/povias  o'  w;  o/jo-l  ripa^i^avr,; 
;v  T(T)  r.zp\  '.crrop la:,  IlXaiwvi  tw  zojtj.i/.w,  ''AyaOwvi  Tpayi/.o),  Ni/.rjpaTfo  i-o-otw 
/.a\  XoipO.o)  zal  !ME/.avt7:7:'!Sr]  •  zai  etisI  (j.ev  s^rj  'ApysXao;,  aoo;o?  rjv  w;  iT:\ 
-Xitarov,  co;  auib;   flpa^tsavT);  SriXot,  'jarspov  os  8ai[xovta);   iOauu-ajOr]. 

3  Wie  dies  Wil.  a.  a.  O.  S.  350  ausspricht:  ,Herodotos  ist  in  Wahrheit  in 
Athen  gestorben,  walnscheinlich  an  der  Pest'. 

*  Suid.  lex.  s.  v.  'ID'Kiy.y.o;  ed.  Bernh.  I.  2.  p.  169  oicTpuJ/s  Sk  'KÄXavi/.o; 
auv  'IlpoSoTw  rap«  'Ajaüvtoc  tw  JMay.soövtüv  [saatXei,  xara  tou;  ypdvou;  'Ivjpi- 
-;5oj   /.a'.  ilopoy.XiOj;  ....   i^i'-ctve  0£  •/.a\  p--/,p'  ~^''  HtpoUv.oJ  ypöiM'/  .  .  . 

29* 


416  Bauer. 

sie  eben  so  sicher,  wie  die  oben  erwähnte  des  Markellinos, 
dass  es  eine  Ti-adition  gab,  die  Herodot  am  Hofe  des  Königes 
zu  Pella  lebend  sich  dachte,  die  schliesslich  zu  desselben  Tod 
an  diesem  Orte  aufgebauscht  wurde;  und  auch  noch  ein  anderes, 
glaube  ich,  kann  man  aus  beiden  Stellen  entnehmen.  Der 
Synchronismus  ist  nämlich  der  Grund  der  gemeinschaft- 
lichen Erwähnung.  Derselbe  wird  an  letzterem  Orte  dadurch 
betont,  dass  ausdrücklich  bemerkt  wird,  auch  auf  des  Perdikkas 
Regierung  habe  sich  des  Hellanikos  Aufenthalt  erstreckt.  Der 
Charakter  dieser  Nachricht,  so  weit  sie  sich  auf  Hellanikos 
bezieht,  ist  allerdings  ein  anderer  als  derjenige  der  Notiz  des 
Markellinos,  es  heisst  dort  cuv£-/p6v'.c£  und  die  ausdrückliche 
Erwähnung  des  Komikers,  Tragikers  und  Epikers  zeigt,  dass 
für  die  ganze  Angabe,  entsprechend  dem  Zwecke  des  Buches 
■Kzpl  i7Top(ac,  ein  literarisches  Interesse  massgebend  war,  von  da 
bis  zum  apollodorischen  Synchronismus  ist  jedoch  so  sehr 
weit  nicht,  wie  der  Schritt  beweist,  der  für  Herodot  in  dem 
Suidasartikel  Hellanikos  gemacht  ist.  Ob  Markellinos  Quelle 
in  dieser  Absicht  ihre  Nachricht  gibt,  ist  bei  der  schlechten 
Erhaltung  nicht  ersichtlich,  aber  dass  man  auch  die  makedo- 
nische Königsreihe  zur  Anknüpfung  literarischer  Daten  benützte, 
beweist  einerseits  die  Menge  der  an  ihren  Hof  gebrachten 
Autoren  (so  bildete  sich  nämlich  der  blosse  Synchronismus  um) 
und  andererseits  die  Thatsache,  dass  bei  einigen  dies  fälsch- 
lich behauptet  wird.  In  makedonischer  Zeit  mag  man  dies 
gerne  gehört  haben,  aber  glaublich  erscheinen  die  Nachrichten 
darum  nicht,  wenn  sie  nicht  sonst  ausdrücklich  bestätigt  er- 
scheinen. 

Nach  dieser  Abschweifung,  in  die  Thukydides  mit  ein- 
bezogen werden  musste,  kehren  wir  zurück,  um  noch  eine 
Version  der  Herodotlegende,  über  den  Tod  ihres  Helden  zu 
berühren.  Markellinos  '  Quellen  berichteten  auch  von  einem 
Grabe  Herodot's  und  Thukydides  vor  dem  melitischen  Thore, 
nahe    den  Gräbern    der    kimonischen    Familie.     Hierin  stimme 


1  Marc.  Vit.  Thuc.  17  p.  187  ed.  Krüger  -pb;  ykp  ral;  AhX'.Tt'ai  TtuXai;  xaXou- 
[A^va'.j  euTiv  £v  Ko{Xrj  ta  zaXo'j|j.cva  Ktatovia  lAvrjijiaTa,  svOa  öetV.vuTat  'Hpoodxoj 
■/.aX  0ouy.uoi8o'j  xaao;  •  Daraus  soll  man  ersehen ,  dass  Thukydides  zur 
Familie  Kimons  gehört,  y.a.\  IIoXs'jjlojv  ok  £v  tw  zepX  äxpoT^oXscü;  tojto'.; 
[lapTupeu 


Herodot's  Biographie.  417 

ich  den  Ausführungen  von  Wilamowitz  *  um  so  lieber  bei,  als 
ich  früher  den  Resultaten  desselben  entg-eg-entreten  musste, 
dass  wir  es  mit  einer  auf  Polemon  zspl  a/.pc::6Xca);  zurück- 
gehenden Tradition  zu  thun  haben,  der  in  einem  Excurse  auf 
die  Gräber  der  beiden  Autoren  zu  sprechen  kam.  Ich  sehe 
darin  eine  Bestätigung  meiner  früheren  Auseinandersetzungen; 
erst  nachdem  das  Mährchen  von  dem  Thurier  Herodot  seine 
allgemeine  Giltigkeit  verloren  hatte,  nachdem  seine  halikar- 
nassische  Herkunft  allgemeiner  feststand,  konnte  Athen  mit 
dem  Anspruch  auftreten,  ihm  einen  letzten  Ruheort  gegeben 
zu  haben  und  ihm  ein  Kenotaph  neben  Thukydides  errichten; 
damit  hatte  das  literarisch  beobachtete  Verhältniss  beider 
Autoren  nun  in  den  Augen  der  Welt  eine  monumentale  Be- 
glaubigung erhalten. 

Noch  ein  Schluss,  der  früher  gezogen  werden  musste,  er- 
hält damit  seine  Bestätigung,  dass  nämlich  eine  solche  Unsicher- 
heit der  Tradition  nur  erklärt  werden  kann  durch  die  oben 
behauptete  Thatsache,  dass  Herodot  und  sein  Werk  den  Zeit- 
genossen entrückt  wurde.  So  konnte  es  geschehen,  dass  schon 
früh  Thurioi,  wohin  der  Autor  mit  der  von  Athen  entsen- 
deten Colonie  gekommen  war,  mit  dem  Anspruch  auftrat  ihm 
ein  Asyl  gewährt  zu  haben  und  seine  Leiche  zu  besitzen ,  so 
dass  der  Autor  als  Thurier  proclamirt  werden  konnte.  Dann 
folgte  Athen,  wie  uns  der  allein  verlässliche  Zeuge,  das  Werk 
selber,  heute  bestätigt  mit  der  besten  Begründung :  die  dank- 
bareren Epigonen  errichteten  dem  grossen  Vorfahren  ein  Grabmal 
an  der  Seite  des  Schriftstellers ,  der  mit  vornehmer  Gering- 
schätzung über  den  , Logographen'  hinweggegangen  -^ai:  Syn- 
chronistische Ansetzungen,  wie  ich  für  wahrscheinlich  halte, 
gaben  zu  der  Version  Anlass,  Herodot  sei  in  Pella  gestorben 
und  dort  begraben,  und  dem  literarischen  Streite  über  das 
Grab  unseres  Autors  entstammt  die  Grabschrift,  die  uns  Ste- 
phanos  aufbewahrt  hat. 

Andere  Nachrichten  aus  Herodot's  Leben  glaubt  man 
schon  lange  nicht  mehr,  sie  mögen  hier  der  Vollständigkeit 
jener  gelehrten  Tradition  wegen  Platz  finden.  Es  ist  das  Ge- 
schichtchen von  Herodot's  Vorlesung  im  Hause   des  Oloros  in 


1  A.  a.  O.  S.  339  f. 


418  Bauer. 

Athen,  den  Thränen  dos  begeisterten  Knaben  Thukydides  und 
dem  prophetischen  Blick  Herodot's  für  dessen  literarische 
Befähigung,  von  dem  uns  Markellinos  in  der  kürzeren  Vita 
und  Suidas  '  zu  berichten  wissen.  Auch  dem  Ptolemaios 
Chennos  ^  glaubt  Niemand  mehr ,  dass  nicht  Herodot  selber, 
sondern  sein  Liebling  und  Erbe,  der  thessalische  Hymnendichter 
Plesirrhoos  das  Proömium  des  Werkes  geschrieben  und  die 
Edition  des  Ganzen,  wie  man  denken  sollte,  besorgt  habe.  Die 
Erfindung  Lukians  von  einer  Vorlesung  unseres  Autors  in 
Olympia  hat  bereits  Dahlmann  ^  angegriffen  und  Scholl  '  end- 
g-iltig  als  solche  erwiesen. 

Es  bleiben  also  noch  einige  wenige  Nachrichten,  die,  wie 
ich  g-laube,  allein  zuverlässig  sind,  Herodot's  Vorlesung  in  Athen 
445/4,  unabhängig  von  einander  bezeugt  von  Eusebios  und 
seinen  Uebersetzern  und  durch  Diyllos  bei  Plutarch,  der  die, 
wie  mir  scheint,  freilich  zu  hohe  Summe  von  zehn  Talenten 
als  von  dem  Volke  zuerkannte  Belohnung  für  dieselbe  angibt, 
was  an  der  Ueberlieferung  der  Zahl  liegt;  die  Nachricht  ist 
sonst  actenmässig  authentisch  und  setzt  directe  oder  indirecte 
Bekanntschaft  mit  dem  betreffenden  Psephisma  voraus.  Auch 
an  der  Angabe  eines  Avährend  des  Aufenthaltes  sich  entwickeln- 
den näheren  Verhältnisses  mit  Sophokles  ist  kein  Grund  zu 
zweifeln,  da  beider  Werke  davon  Zeugniss  ablegen.  Was 
Herodot  in  Athen  vorlas,  ist  streitig,    ich    habe   mich   darüber 


>  Marc.  Vit.  Thiic.  34  ed.  Krüger  p.  194  Xs'yeTa'.  os  ti  /.a\  toioutov,  w;  r.ojt 
Tou  'HpoSoTOu  Tot?  töfa;  latopfa;  £7ci8eiy.vu[Ji^vou,  ::apwv  t^  axpoxaa  0ouxuoiÖ7]c 
xat  dy.oÜCT«;  EÖaxpuaev  •  eneiia  9aat  tbv  'llpöooTov  toüto  O£aaajj.£vov  slr.evi 
auTOÜ  r.poc,  tov  Trai^pa  xov  'OXopov  •  w  'OXope,  öpya  rj  cpüai;  tou  u'.ou  uo'j 
r.poi  ]xai^lxaz(x.  Suidas  verlegt  die  Affaire  auf  die  lukianische  Vorlesung 
in  Olympia.  Suid.  lex.  s.  v.  0ou/.u5iori;  ed.  Uerhard.  II.  2.  1193.  Vergl. 
Suid.  .s.  V.  opyav  ibid.  II.  1.  1148.    Vergl.  W^ilamowitz,   a.  a.  O.  S.  331. 

2  Photius  bibl.  p.  148b,  ed.  Bekker:  xal  '",-,  OXr^aippooc,  6  B£<i7aXb:,  o  O[j.vo- 
Ypa-fo;,  ipa)[X£vo;  ysYOVw;  'lIpooÖTOJ  xal  xXr)pov6|j.o;  xiov  auroü,  oOto;  roirjuae 
To  rpooi'jxiov  T%  TipwTT)?  i'JTop{a;  'UpoSorou  'AXixapvadfjiw;.  Vergl.  Hercher: 
Ueber  die  Glaubwürdigkeit  der  neuen  Geschichten  des  Ptol.  Chennus. 
Leipzig  1856.  Kirchhoff,  Abfassuiigszeit  d.  herod.  Gescbichtswerk.  Abhandl. 
der  Berl.  Akad.  1868.  S.  2. 

3  Herodot  aus  seinem  Buch  sein  Leben.  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der 
alten  Geschichte.  II.   1. 

*  Philologus  1855.  Bd.  IX.  Herodot's  Vorlesungen  S.  410  f. 


Herodot's  Biographie.  419 

an  einem  anderen  Oi'te  ausgesprochen.  Ich  gehöre  zu  denen, 
die  annehmen,  es  sei  die  Geschichte  des  Krieges  des  Xerxes 
gegen  Hellas  gewesen,  und  glaube  gezeigt  zu  haben,  dass  die 
Kirchhoff'sche  Ansicht  von  der  Abfassung  des  Herodotischen 
Werkes,  da  sie  unrichtig  ist,  dieser  Annahme  nicht  zu  wider- 
sprechen vermag.  Die  Nachrichten  von  Vorlesungen  in  anderen 
Städten  Griechenlands,  für  Theben  (bei  Plutarch  de  Herod. 
malign.  c.  31  bezeugt),  in  Korinth  (bezeugt  von  Markellinos 
ßt'o;  ösuxuoioo'j  §  27  und  Dio  Chrysostomos  or.  XXXVII.  7) 
halte  ich  gleichfalls  für  richtig  und  meine,  dasg  nicht  Vorgänge 
in  Halikarnass ,  wie  die  alexandrinische  Gelehrsamkeit  diese 
richtige  Angabe  verdrehte,  unseren  Autor  veranlassten  an  der 
Colonie  in  Thurioi  theilzunehmen.  Es  war  dies  vielmehr  die  üble 
Aufnahme  desselben  in  Athen  '  und  anderen  Städten  Griechen- 
lands. Verbot  man  ihm  doch  in  Theben,  mit  der  Jugend 
sich  weiter  abzugeben!  Den  Grund  dieses  Verhaltens  sehe  ich 
aber  in  der  rationalisirenden  Richtung  der  Arbeiten  Herodot's 
nach  seiner  ägyptischen  Reise ,  die  Athen  sich  wahrscheinlich 
auch   nicht  hätte  gefallen  lassen.  -     Diese  fällt  nach  meiner  in 


'  Wo  er  seine  Aiyii;:Tioi  \6fO'.  schrieb. 

-  Meiu  Herr  Recensent  in  der  Zeitschrift  für  die  österr.  Gymnasien.  1878. 
4.  Heft,  wundert  sich  schon  im  voraus,  dass  ich  diesen  Theil  der  Ueber- 
lieferung  fest  halte.  Ueber  Werth  und  Unwerth  der  Suidas- Biographie 
habe  ich  mich  oben  ausg-esprochen.  Die  Nachricht  vom  Neide  der  Mit- 
bürg^er  in  der  Grabschrift  und  bei  Suidas  habe  ich  stets  für  abhängig 
von  einander  gehalten  (wie  ich  mit  diesem  Worte  auf  der  letzten  Seite 
meiner  früheren  Arbeit  dies  Verhältniss  bezeichnete),  Cwikliiiski's  Polemik 
ist  also  in  diesem  Punkte,   so  weit  sie  mich  betrifft,  gegenstandslos. 

Diese  Angaben  werde  ich  jedoch  fortfahren  für  richtig  zu  halten, 
da  das  Werk  Herodots  mir  dieselben  bestätigt,  und  nur  so  sein  langes 
Fernesein  von  Athen  sich  erklärt.  Auf  die  übrigen  Einwendungen  Weil's 
(Revue  critique  1878,  p.  26.),  dem  Cwiklinski  vielfach  folgt,  kann  ich 
hier  nicht  eingehen,  so  wenig  als  auf  die  neue  in  der  Göttinger  Disser- 
tation von  Hachez  (De  Herodoti  scriptis  et  itineribus.  Göttingen,  1878) 
vertretene  Ansicht,  für  welche  der  gute  Glaube  an  die  Ueberlieferung 
massgebend  war.  (Vergl.  Abschnitt  II,  pag.  8  ssq.) 

Die  von  Kirchhoff  abgegebene  verständliche  Erklärung,  welche 
Cwiklinski  für  alle  Wankelmüthigen  zur  Darnachachtung  wiederholt,  ver- 
anlasst mich  Kirchhoff  zwar  nicht  , sträfliches'  vorzuwerfen,  was  ich  meines 
Wissens  nie  that,  ich  möchte  nur  die  Möglichkeit  nicht  in  Abrede  ge- 
stellt wissen,  dass  Kirchhoff  sieh  irren  könne.  Da  eine  Verwechslung  der 


420  Bauer.    Herodot'8   Biographie. 

jener  grössern  Arbeit  begründeten  Ansicht  nach  der  Vorlesung 
445/4.  Zur  Abfassung  seines  Werkes  in  der  Form,  wie  es  uns 
jetzt  vorliegt,  schritt  Herodot  erst  in  Unteritalien,  wo  er  seine 
Schlussredaction  begann ,  indem  er  die  früher  geschriebenen 
Einzelarbeiten,  seine  lydischen,  ägyptischen,  persischen,  Einiges 
von  samischen,  skythischen  und  griechischen  Geschichten,  eine 
Darstellung  des  ionischen  Aufstandes  und  des  Zuges  des  Xerxes 
zu  einem  Ganzen  vereinigte.  Diese  Schlussredaction  setzte  er 
dann  nach  432  in  Athen  fort.  Zur  Anlegung  der  letzten  Hand 
gelangte  er  nic^t  aus  uns  unbekannten  Gründen  und  so  blieb 
in  diesem  Sinne  das  Werk  allerdings  ein  Torso. 


Namen  in  der  Pausaniasstelle  anzunehmen  mir  unmöglich  scheint,  so 
bleibt  nur  denkbar,  dass  statt  [x  t:  zu  lesen  sei  und  König  Pausauias 
sowie  das  Jahr  400  n  Chr.  gemeint  ist,  womit  alle  Folgerungen  KirchhofiTs 
fallen. 


Goehlert.    Keltische  Arbeiterbezeichnnngen  nnd  Arteitzeichen.  421 


Keltische  Arbeiterb ezeiehnungen  und  Arbeitzeiehen 

in  vergleichender  Weise   erörtert 

von 

Dr.  Vincenz  Goehlert. 


Quellen  für  keltische  Sprachforschung:  Zeuss,  Grammat.  celt.  E.  a.  =  Z.  Gr.  celt. 
Quellen  für  Inschriften  aus  Noricum,    Pannonien,  Dacien,  Dalmatien,  Gallien 

(cisalp.),   Hispanien   und  Britannien:    Mommsen  und  Hübner,    Corpus  in- 

scription.  latin.  =   C.  T.  1. 
Quellen   für  Inschriften   aus  Germanien   und    Gallien  (Belg.) :    Steiner,    Codex 

inscription.  roman.  =;   St.  C. 
Andere  benützte  Quellen  werden  an  den  betrefi'enden  Stellen  besonders  genannt. 


I.  Arbeiterbezeichuiingen. 
1.  Sar. 

Das  keltische  Wort  sar,  im  Altirischen  noch  in  säer  vor- 
handen, bezeichnet  im  Allgemeinen  einen  Handwerker  (opifex) 
und  kommt  auf  Thongefässen  und  Ziegelsteinen  häufig  vor;  die 
verschiedenen  Ligaturen  sowie  die  Schreibung  mit  anderen  als 
den  gewöhnlichen  lateinischen  Schriftzeichen  erschweren  oft  die 
genaue  Bestimmung  dieses  Wortes  in  alten  Inschriften. 

In  Noricum  findet  sich  dieses  Wort,  vollständig  aus- 
gedrückt, nicht  in  den  Inschriften;  desto  häufiger  erscheint  es 
in  Gallien,  Britannien  und  Hispanien,  als:  Sar,  C.  Sari,  Celer. 
Sari  in  Gallia  cisalp.  (C.  I.  1.  V,  2)  auf  Hausgeräten,  zumeist 
auf  Patellen;  Sar  R.  zweimal  auf  Amphoren,  Sar  .  .  .  und 
Of.  F.  Sar.  auf  Patellen  in  Britannien  (C.  I.  1.  VII);  Sarus  auf 
einer  hispanischen  Vase  (C.  I.  1.  II)  und  Jas;iiS  als  vorletztes 
Wort  in  der  Cursiv-Inschrift  auf  einer  dacischen  Vase  (C.  I.  1. 
m,  1.  1635).! 


In  den  Inschriften:  S.  Irus  auf  einem  norischen  Thongefasse  (C.  I.  1.  III, 
2.  6010)  und  S.  SVCCOM  (retrogr.  =  Moccus,  C.  I.  1.  III,  1.  965)  lässt 
sich  S  wol  gleich  sar  annehmen;  demnach  Sar  irus  =  opifex  ultimus 
(im  Altirischen  ire  =  ulterior,  ultimus)  und  Sar  moccus  =  opifex  servus 
(im  Altirischen  mugh   [genit.  moga]   =  servus). 


422  G  0  e  h  1  e  r  t. 

Bei  den  Ligaturen  sind  die  Buchstaben  A  und  R  oder  das 
gleichlautende  ältere  Schriftzeichen  P  zumeist  mit  einander  ver- 
bunden, wie  in  DM.  SM.  Felseninschrift  zu  Pola  (Gall.  cisalp. 
C.  I.  1.  V,  2.  81G1),  in  Jt  auf  einem  gallischen  Ziegel  (C.  1.  1. 
V,  2.  8111),  und  in  I.  i'S  auf  einer  hispanischen  Amphore 
(C.  I.  1.  II)  die  entsprechenden  drei  Buchstaben  aber  mit  ein- 
ander vereiniget;  hieher  werden  auch  die  Zeichen  ß,  am  Ende 
der  Inschrift  auf  einem  norischen  Würfelboden  (C.  I.  1.  III,  2. 
5561),   (K  und  FK.  auf  gallischen  Vasen  (C.  I.  1.  V,  2)  gehören. 

Mit  älteren  Schriftzeichen  erscheinen  cv>AP  auf  einem  galli- 
schen Ziegel  (C.  I.  1,  V,  2)  und  (  AT  auf  einer  britannischen  Vase 
(C.  I.  1.  VII).  1 

2.  Cerdo. 

Ein  zweites  Wort  für  Arbeiter  ist  cerdo,  im  Altirischen 
cerdd  und  mit  faber  cerarius  glossirt.  Dieses  Wort  erscheint 
weniger  häufig  in  Inschriften,  es  findet  sich  in  Dalmatien, 
Gallien  und  Hispanien. 

C.  Fadius  C.  Fadi  Cerdonis  Li.  in  Dalmatien  (C.  I.  1. 
III,  1.  3081)  und  Vitruvius  Cerdo  Architectus  in  Gallia  cisalp. 
(C.  I.  1.  V,  1.  3464)  auf  Grabsteinen,  (C)erd  auf  dem  Henkel 
eines  Topfes  (Gall.  cisalp.  C.  L  1.  V,  2.  8112),  L.  Clodi  Cer- 
donis auf  einem  Erzi'ing  (Gall.  cisalp.  C.  I.  1.  V,  2.  8116)  und 
Cerd.  Titi  auf  einer  rothen  Vase  (Hispan.  C.  I.  1.  IL  4970). 

II.  Bezeichnungen  für  Hausgeräte. 
1.  Logirn. 

Dieses  Wort,  im  Altirischen  locharn,  im  Kymrischen  lugarn 
noch  erhalten,  bedeutet  lucerna  (Lampe)  und  kommt  auf  Haus- 
geräten vor;  ob  unter  diesen  in  vorkommenden  Fällen  jeder- 
zeit eine  Lampe  zu  verstehen  sei,  wird  nicht  immer  genau 
angegeben.  Locirn(i)  und  Logirn(us)  findet  sich  auf  Geräten 
in  Germanien  (St.  C),  Logirn  in  Gallia  Belg.  (St.  C),  Logirn 
auf  Patellen  (?)  in  Britannien  (C.  I.  1.  VII)  und  Logirn  auf  einem 
hispanischen  Thongefässe  (C.  I.  1.  II). 

'  In    besonderen    Formen    erscheint    noch    das    Wort    sar    auf   gallischen 
Patellen  (C.  I.  1.  V,  2.  8115): 


Qi 


Sar  e(iuru). 


Keltische  Arbeiterbezeichnungen  und  Arbeitzeichen.  423 

2.  Mach. 

Mach  oder  Macc,  Macca,  im  Lateinischen  mit  dem  Genus 
femin.  gebraucht,  entspricht  dem  irischen  Worte  mach  =  vasum. 
Dieses  Wort  erscheint  sehr  häufig,  besonders  auf  Amphoren, 
Vasen  und  Patellen;  sein  Verbreitungskreis  erstreckt  sich  über 
Noricum,  Germanien,   Gallien,  Britannien  und  Hispanien. 

In  Noricum  erscheint  Paternia  Mach  (MAX)  auf  einer 
Vase  (C.  I.  1.  III,  2.  6010),  in  Germanien  Mach  (MAX)  S. 
(Becker:  Römische  Inschriften  der  Stadt  Mainz  pag.  113,  8)  auf 
dem  Bruchstück  eines  Gefässes,  in  Gallia  cisalp.  Galli  Mach 
(MAX)  und  Galli  M  auf  Vasen,  Licini  Mac  auf  Patellen  (C.  I.  1. 
V,  2.  8115),  in  Britannien  Matern.  Mac  und  Smert.  0.  Mac 
auf  Patellen  (C.  I.  1.  VII),  in  Hispanien  Mach(i)  auf  einer  Vase 
und  Mac  auf  Patellen  (C.  I.  1.  II).  Ligirt  findet  sich  dieses  Wort 
in^(retrogr.)  auf  einer  gallischen  Amphore  (C.  1. 1.  V,  2.  8111). 

Wird  Mach  in  Verbindung  mit  dem  lateinischen  Worte 
officina  gebraucht,  so  bezeichnet  diese  Verbindung  im  Allgemei- 
nen eine  Thonfabrik,  wie  aus  folgenden  Beispielen  hervorgeht : 

Of.  Maccar(um),  Of.  Mac.  und  Of.  Ma.  in  Germanien 
(auf  Vasen  und  Patellen); 

Of.  Maccia.,  Of.  Macca.  und  Of.  Mac.  in  Britannien  (auf 
Patellen) ; 

Of.  Maccari.,  Of.  Mac.  und  Of.Ma.  in  Hispanien  (auf  Vasen). 

Hiernach  werden  die  auf  Hausgeräten  aus  Thon  vor- 
kommenden Siglen  MA  oder  M,  welche  die  Epigraphiker  ge- 
wöhnlich mit  manu  erklären,  wol  in  den  meisten  Fällen  auf  das 
Wort  Mach  zurückzuführen  sein,  wie  z.  B.  in  den  Inschriften : 
Aeliani  Ma.,  Ricci  Ma.  (auf  Vasen)  in  Noricum,  Sacreti  Ma.  (auf 
Patellen)  in  Britannien  schon  mit  Rücksicht  auf  die  Bedeutung 
dieser  keltischen  Personennamen,  wobei  angenommen  wird,  dass 
der  in  der  Genitivform  vorausgehende  Personenname  nicht  den 
Fabrikanten  oder  Töpfer,  sondern  den  Eigenthümer  bezeichnet. ' 

III.  Arbeitzeichen. 

Als  Arbeitzeichen  kommen  die  keltischen  Wörter  aged, 
ieuru   und  iurad   vor  (Z.   Gr.   celt.    pag.  35).     Das   altgallische 

'  Von    dem  Worte    mach    lässt    sich    der   Name  Macur   ableiten ;    Macuri 
(Maguri)  erscheint   als  Töpfername  in  Noricum  (C.  I.  1.  III,  2.  6010/128), 


424  Güehlert.    Keltische  Arbeiterbezeichnnngen  ncd  Arbeitzeicben, 

Wort  aged; '  auch  in  der  Form  agt  =  fecit,  nimmt  gewöhnlich 
den  letzten  Platz  in  einer  Inschrift  ein,  wie  agt  auf  einem 
Ziegel  in  Salona  (C.  I.  1.  UI,  1.  3214),  T.  Fl.  agt  auf  einem 
gallischen  Ziegel  (C.  1. 1.  V,  2.  8110),  aged  auf  einer  britannischen 
Patelle  (C.  I.  1.  VII.);  am  Anfange  der  Inschrift  findet  es  sich 
gleichfalls  auf  einer  britannischen  Patelle :  Aged  Ilici  S.  (:=  fecit 
Ilici  opifex),  ferner  in  der  Ligatur  auf  einer  gallischen  Amphore 
IK  (retrogr.  C.  I.  1.  V,  2.  8112). 

Die  Siglen  S.  A.,  welche  auf  norischen  und  pannonischen 
Ziegelsteinen  zuweilen  vorkommen,  können  wol  mit  Sar  aged 
(agt)  erklärt  werden  ;  dem  Epigraphiker  bedeutet  S  in  diesen 
Fällen  gewöhnlich  servus. 

Ohne  Zweifel  wird  auch  das  Wort  acte  als  gleichbedeu- 
tend anzunehmen  sein;  dasselbe  findet  sich  in  den  Grabstein- 
Inschriften:  Albucia  acte  filise  et  sibi  (Salona,  C.  I.  1.  III,  1. 
2167)  und  Viriae  (Dativform)  acte  Ampliatus,  qui  fabricse 
signorum  prsefuit  (Hispanien,  C.  I.  1.  II.  3771);,  dann  in  der 
Inschrift  auf  einem  Erzring:  Onesimi  L.  N.  V.  acte  (Gall.  cisalp. 
C.  I.  1.V,  2.  8116). 

Das  Wort  ieuru  (stwpou)  =  fecit  erscheint  in  der  Inschrift 
auf  einer  gallischen  Metallschale  :  Doiros  Segomari  ieru  (=  Servus 
Segomari  fecit  [Revue  arch.  1867])  und  auf  einer  hispanischen 
Spielmarke  aus  Elfenbein:  Petr.  lEPON.  IB.  (P  =  r,  0=  uu; 
C.  I.  1.  II.  4963). 

Die  gleiche  Bedeutung  wird  dem  im  Irischen  noch  vor- 
handenen Worte  iurad  beigelegt,  welches  eigentlich  mehr  dem 
lateinischen  factum  (est)  entspricht. 

In  der  Ligatur  auf  einem  pannonischen  Erzgewichte: 
R4)  (C.  I.  1.  III,  2.  6015),  sowie  in  der  Inschrift  auf  einer 
dacischen  Vase:  10.  IIAQ  (C.  I.  1.  III,  1.  1635)  lässt  sich  dieses 
Wort  herausfinden.  ^ 


Magurius  mit  der  Beifügung  faber  ferox  in  Gall.  cisalp.  (C.  I.  1.  V,  1.  2787) 
und  Maguria,  Name  einer  Sklavin,  in  Noricum  (C.  I.  1.  III,  2.  4962). 

•  Auf  einer  gallischen  Münze  kommt  das  Wort  AFHD  vor  (Revue  numism. 
Glück :  Keltische  Namen  etc.). 

2  Hiezu  wird  erwähnt  das  Monogramm  Q^q)  (:=  Sar  ieuru)  in  dem  Buch- 
staben O  der  Inschrift  auf  einem  im  k.  k.  Antiken-C'abinet  vorhandenen 
Goldring:   Desideroi  vivas  (C.  I.  1.  III,  2.  6019). 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  ^HSSENSCHAFTEN. 


PHIL0S0PHISCH-HIST0K18CHE  CLASSE. 


LXXXIX.  BAND.  II.  HEFT. 


JAHRGANG  1878.   —    FEBRUAR. 


Sitzb.  a.  pliil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Md.  II.   Itft.  30 


Ausgegeben  am  25.  September   1878. 


V.  SITZUNG  VOM  6.  FEBRUAR  1878. 


Herr  Regierung-srath  Dr.  C.  Ritter  von  Wurzbach  er- 
stattet seinen  Dank  für  die  dem  35.  Bande  des  , Biographi- 
schen Lexikons  des  Kaiserthums  Oesterreich'  gewährte  Sub- 
vention. 


Herr  Capitular  und  Stiftsarchivar  P.  J.  Wich n er  legt 
den  mit  Unterstützung;  der  Akademie  erschienenen  3.  Band 
seiner    , Geschichte    des    Benedictiner-Stiftes  Admont'  vor. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Hartel  legt  eine  Abhandlung  des 
Herrn  Dr.  Alois  Rzach,  Privatdocenten  in  Prag-  vor,  welche 
betitelt  ist:  , Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios', 
und  um  deren  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte  ersucht  wird. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Academie  Royal  des  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaux-Arts  de  Belgiqiie: 
Bulletin  46"  annee,  2«  Serie,  Tome  44,  No.  11.  Bruxelles,  1877,  8". 

Aceademia  reale  delle  Scienze  di  Torino :  Iscrizione  trilingue  sopro  Lamina 
di  Bronzo,  parte  d'ornato  di  una  colonna  votiva  trovata  in  Pauli  Gerrei 
in  Sardegna  ncl  Fcbrajo   18G1;  dall'  Academico  Giovanni  Spanoflio. 

Berlanga,  Manuel  Kodriguez  de:  Los  nucvos  bronzes  de  Osuna.  Malaga, 
187G-,  40. 

Carapanos,  M.  Const:  Dodone  et  ses  Ruines.  Paris,  1877,  8». 

De  Witte,  J.:  Satyre  bronze  trouve  k  Dodone.  Paris,  1877;  gr.  4". 

Dorn:  Collections  scicntifiques  de  l'Institut  des  laiiguos  orientales  du  Miuistere 
des  affaires  etrangeres.  II.  Monnaies  des  Klialifes  etc.  St.  Petersbourg, 
1877;  80. 

30* 


428 

Mittheihingen  aus  Justus  Perthes'  geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 

manu.  2-4.  Band,  1878.  I.  Gotha,   1878;  40. 
,Revue    politiqiie    et    litteraire'    et    ,Revue    scientifique    de    la    France    et  de 

l'Etranger'.  VII«=  annee,  2«  serie  No.  31.  Paris,   1878;  4". 
Rosen,    Victor    Baron:     Collections    scientifiques    de    ] "Institut    des    langlies 

Orientale«    du    Ministere    des    affaires    etrangeres.     I.    Manuscrits    arabes. 

St.  Petersbourg,  1877;  8". 
Schuerman,  H.  Inscriptions  Romaines  d'Arlon.  Liege,  1876;  S".   —   Sur  les 

Horae  Belgicae  du  Dr.  F.  X.  Kraus.    Liege,  1872;   8".    —    Inscriptions 

Beiges  ä  l'Etranger  (Suite).  Liege,  1871;  8". 
Statistisches  Departement  im  k.  k.  Handelsministerium:    Nachrichten  über 

Industrie,  Handel  und  Verkehr.   XIII.  Band,    IV.  Heft.    Hauptergebnisse 

der  österreichischen  Eisenbahn-Statistik   im  Jahre  1876.  Wien,   1878;  4". 
Strassburg,    Universität:    Akademi.sche  Gelegenheits-Schriften  pro  1876/7. 

53  Stücke;  4«  und  8». 
Verein,    Militär-wissenschaftlicher,    in   Wien:    Organ.   XVI.   Band,    1.  Heft 

1878;  Wien;  8«. 


Ezach.     Grammatische  Studien  zu  Apolloiiios  Rliodios.  429 


Grammatisehe  Studien  zu  Apollouios  Eliodios. 


Von 

Alois   Rzach. 


J_/as  Verliältniss  des  ApoUonios  Rhodios  zu  den  gram- 
matischen Stadien  der  älteren  Alexandriner  hat  Merkel  in 
seinen  gründlichen  Prolegomena  nach  verschiedenen  Seiten  hin 
beleuchtet;  nicht  minder  lernen  wir  daraus  vielfach  die  Unter- 
schiede zwischen  der  homerischen  Sprache  und  der  des  Apol- 
lonios  kennen,  soweit  es  sich  namentlich  um  Wortbedeutung  und 
Sprachschatz  handelt ;  auch  fanden  die  letzterwähnten  Fragen 
sowie  die  Darstellung  der  Diction  des  Dichters  in  einigen  guten 
Arbeiten  ausführliche  Erörterung.  Dagegen  mangelte  es  bis  jetzt 
an  einer  systematischen  Darstellung  der  Grammatik,  respective 
Formenlehre  dieses  Hauptvertreters  des  gelehrten  alexandrini- 
schen  Epos,  obzwar  sie  bei  der  eigenthümlichen  Stellung,  die 
der  Dichter  in  dieser  Hinsicht  einnimmt,  interessante  Beiträge 
zur  Würdigung  desselben  liefern  und  auch  in  textkritischer 
Beziehung  nicht  ohne  Belang  sein  muss.  Die  vorliegende  Arbeit 
nun  will  eine  solche  Exposition  der  Formenlehre  des  ApoUonios 
sein.  Im  Grossen  und  Ganzen  erweist  sich  der  Dichter  einer- 
seits als  genauer  und  bedächtiger  Nachahmer  der  alten  epischen 
Sprache,  auch  in  Details  sucht  er  ihr  ehrwürdiges  Gepräge  zu 
wahren,  indem  er  sogar  solche  alterthümliche  Formen  da  und 
dort  in  seinen  Text  einflicht,  deren  Verständniss  ihm  bei  dem 
damaligen  Stande  der  grammatischen  Kenntnisse  nothwendig 
abgehen  musste.  In  dieser  seiner  Nachahmung  der  altepischen 
Sprachformen  folgt  er  übrigens  nicht  nur  seiner  eigenen  Ein- 
sicht, in  manchen  Punkten  hielt  er  sich  vielmehr  an  ältere 
alexandrinische  Grammatiker;  namentlich  ist  es  Zenodot,  dem 
er  sich  mehrfach  anschloss,  leider  auch  da,  wo  dieser,  wie  z.  B. 


430  Rzach. 

auf  dem  Gebiete  der  Pronomina,  entschieden  auf  Irrwegen  ging. 
Apollonios  versucht  jedoch  auch  selbständig  vorzugehen  und  neue 
grammatische  Gebikle  zu  schciffen,  wie  sie  im  alten  Epos  nicht 
unmittelbar  vorlagen.  Mehrfach  gelingt  es  ihm  denn  auch, 
richtige,  den  Sprachgesetzen  entsprechende  Bildungen  durch 
Beobachtung  der  alten  Muster  zu  Stande  zu  bringen,  allein 
auf  der  anderen  Seite  gewahren  wir  wieder,  wie  unsicher  das 
grammatische  Verständniss  zu  seiner  Zeit  war,  wo  das  Genie 
eines  Aristarch  noch  nicht  die  feste  Basis  der  epischen  Gram- 
matik gelegt  hatte.  Manche  Missgriffe  von  Seite  unseres  Dich- 
ters zeigen  dies  ungewisse  Schwanken  in  ziemlich  deutlicher 
Weise.  So  bietet  uns  der  Einblick  in  die  grammatische  Seite 
seiner  Thätigkeit  so  recht  das  Bild  des  Eklektikers,  der  zwar 
in  der  überkommenen  zu  einem  eigenen  poetischen  Dialekte 
gefesteten  Sprache  dichtet,  doch  aber  wieder  keineswegs  zögert, 
selbständigen  Impulsen  in  der  Schaffung  neuer  grammatischer 
Formen  zu  folgen  oder,  wenn  er  solche  bei  anderen  Zeit- 
genossen oder  Vorgängern  fand  und  für  angemessen  erachtete, 
sie  sich  zu  eigen  zu  machen.  Nicht  immer  freilich  war  dies 
Vorgehen  von  Erfolg  begleitet. 


Ueber  Aceeiit  und  Spiritus. 

Zur  Betonung. 

Hinsichtlich  der  Betonungsweise  bilden  die  Participia 
a7.riyi\ie'/oq  A  1260  aXaA7^[j.svo^  A  1190  und  apY;p£[;-cvcv  T  833  zu- 
sammen eine  Gruppe.  Apollonios  folgte  in  Bezug  auf  die 
Accentuation  der  beiden  erstgenannten  der  homerischen  y.o'.vr^, 
welche  '^  29  a.7:r,yiij.vni  und  v  333  ;  122  p  245  o  327  aAaA-(^iJ.evo; 
bot.  Herodian  dagegen  betonte  nach  Ptolemaios  Askalonita  diese 
Participien  wie  die  sonstigen  Particip.  Perf.,  vgl.  Schol.  T  335 
Etym.  Mag.  56,  26,  Und  diese  Betonung  bietet  wenigstens  bei 
aXaXr,lji.£vo?  auch  Cod.  G,  in  dem  wir  öfter  die  Normen  Aristarchs 
und  seiner  Schule  beobachtet  finden  werden.  Selbständig  ohne 
homerisches  Vorbild  Hess  unser  Dichter  dieselbe  Betonung  bei 
dem  dritten  der  erwähnten  Participien,  bei  äp-^p£[j.£vov  eintreten, 
wo  G  abermals  apY;p£(JL£vsv  aufweist. 


Grumniatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  431 

An  die  genannten  Wörter  schliesst  sich  eng-  an  TusTTTaixsvov 
B  405.  1145.  1270  (so  L)  ava-sTJTÄiXiVov  B  609  (L  ava7i£7UTa[X£vov 
jposter.  acc.  del.^  Merkel).  Da  xs-iap-at  frühzeitig  Präsens- 
bedeutuug-  annahm,  so  ist  diese  Accentuation  leicht  erklärlich. 
Herodian  freilich  betonte  strenger  Analogie  folgend  auch  hier 
7:£7:Ta[;.£vov,  wie  uns  das  Schol.  zu  Apollonios  Ji  1270  berichtet: 
'Upwotavbc;  Trapo^UTovo)? ;  wiederum  findet  sich  im  Cod.  G  diese 
Regel  befolgt.  Die  homerischen  Stellen  'r:e.'KTa[jA'/a.q  <I>  531  äva- 
7i£7:Ta[j,£vaq  M  122  sind  für  die  Accentfrage  dieses  Particips 
ohne  Nutzen. 

•ripCia^x:  \  1309.  1323.  1358.  Die  Ueberlieferung  stimmt 
hier  genau  mit  der  von  Herodian  festgesetzten  Norm  der  Be- 
tonung überein,  die  uns  das  Schol.  zur  erstgenannten  Stelle 
bewahrt  hat:  xpsTCcpiffTrwjAdvwq  'Hpwo'.avb^  £v  to)  ix  fr^ivi,  zv,  a•JvcCKO'.vr^c, 
Tcu  r^gtJi'.Qaa.  r)   avil  tou  '/-pcoTvai. 

|jt.£Aav£T  A  1574.  L  [AcXav£i  ,priore  accentu  transfixo^ 
Merkel;  die  Unsicherheit  in  der  Ueberlieferung  rührt  von  der 
homerischen  Stelle  H  64  her:  [X£Aav£t  oi  x£  tcsvto;  •j'k  auT^?. 
Ptolemaios  Askalon.  betonte  nach  dem  Berichte  des  Schol.  zu 
d,  St.  ,y.£Xäv£i  WC  o'.oavit,  allein  das  demnach  vorauszusetzende 
Wort  |j.£Xavw  ist  fast  ganz  ohne  Analogie,  vgl.  Curtius  Verb. 
I  260.  Apollonios  las  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  [;,£Aav£T, 
wie  die  corrigirte  Schreibung  in  L  bietet.  Dafür  spricht  eine 
Stelle  bei  seinem  Lehrer  Kallimachos  Ep.  53.  1  xbv  io  -/.aAbv 
[j-cXaveCiv-a ;  auch  sein  Zeitgenosse  Aratos  schrieb  [XiXavcuaa  817 
;/.£Aav£'j(jat  877,  wonebeu  [ji,£Aav£T  836  nicht  in  Betracht  gezogen 
werden  kann,  da  hiezu  die  Variante  [j,£Aav£i  vorliegt. 

-Ar,[^.y.jp(-:  B  576  A  1241.  1269,  so  LG.  Das  Schol.  zu  B  576 
aber  berichtet  von  einer  doppelten  Betonungsweise :  TrA-^jj.upc;; 
(siel  -/.al  ■ÄAr,[/upi!;.  o'./w;.  i;j-£'.vov  6k  7wAY)[x[j,upi(;.  toc  yap  axb  ßapuibvwv 
pT,[/äT(ov  O-rjA'jy.ä  0V5[j.aTa  de,  t;  o^üvöTat,  ßa!jrA£uco  ßaafAiq  ';uA-/;[;.[j,upw  'r:\rt]i.- 
[rjpi?.  Unser  Dichter  folgte  der  gewöhnlich  gebräuchlichen  Accen- 
tuirung,  vgl.  Hom.  1 486,  wenngleich  auch  hier  die  Meinungen  schon 
in  alter  Zeit  auseinandergingen.  Schol.  11  zu  d.  St.  ■;:A-^[j.[;.upt; 
•TTpcjcapo^üviTat,  t'.ve;  oi  o^utövoj;.  Eustath.  1640,50:  xo  oi 'i:kT^\).\j.\>^\c, 
vMzq  Twv  'nraXatwv  7üpo7:apo;uvo'ja'.  y.al  cf   vioq  C£  [j.  -^^ic^O'^j'JVK 

Täp^£a  A  1238  Tapo£7'.v  A  13  als  Substantiv  gebravicht,  da- 
gegen -rapcpix  A  1195  (wie  Hom.  A  69)  als  Adverb  regelrecht 
betont.    Apollonios    hielt   sich  an  Aristophanes'  Kanon :    Schol. 


432  Kzach. 

0  606 :  Täpc-e^'.v  w?  ßeXetJiv  ol  rcAeioj?.  7.al  r)[t.t{q  ce  QU-^y.a'.xav.fii[).z.^x. 
oh  -{dp  icT'.v  £7:iÖ£tix6v,  w;  a^'.oT  Tupavv(o>v.  5  [xevioi  '.\pi(jTOsävY);  ey.eTv; 
(Sir]a'V,  CT',  eav  [xsv  Totc  oacssiv  w?  ßiAsci,  Txpsectv  sav  ch  xb  exiOstixiv, 
xapcpEC'.v  w;  ozss'.v,  vgl.  auch  Schol.  E  555  A  69  und  La  Roche, 
Hom.  Textkrit.  361. 

oÜAay.o;  A  132  (Nominat.)  Schol.  .  .  tcu  os  suXaxcc  o^uTovrjTsov 
Tr,v  -Kpcorrjv.  'Hpwo'.avb?  0£  rr,v  TSAe'JTai'av  o;üv£'..  Aristarch  betonte 
ebenso  wie  Herodian :  Schol.  ü  566  ApicTap/o;  y.at'  i;ETav  Tas'.v 
xposcpspeTO  wg  ©poupou?;  das  Appellativ  ffha-AÖc  begegnet  bei  Homer 
nur  au  dieser  Stelle  in  der  Form  sjAay.oJc.  Apollonios  betoute 
also  auch  das  Appellativ  so,  wie  bei  Homer  nur  der  Eigen- 
name 4>'jAaxoq  accentuirt  ist,  z.  B.  <I>'JAay.ov  Z  35  *I>uAäy.o'.o  o  231. 

wjj.rjC-so)  r  852  wjXf(Gr/^v  ß  1259  ibiJ.r,7-:f,(jiv  A  672.  In  den 
homerischen  Gedichten  betonte  Aristarch  auch  so,  Tvrannion 
aber  w[j.Y]3rr;c,  vgl.  Herodian  zu  A  454.  Hom.  A  454  X  67 
Q  82.  207. 

Spiritus. 

aoivoq.  Die  Ueberlieferung  bezeugt  an  der  weitaus  grössten 
Zahl  der  Stellen  den  Spiritus  lenis:  aotvc«;  T  616  äoivw  B  478 
aotvcv  A  276  F  748  aSivf,  A  29  (L  von  erster  Hand  aotv^,  von 
zweiter  in  ao-.v^i  corrigirt)  1422  aoiv(^v  F  635  OLO'yd  A  1083  aoi- 
vwTspov  A  269.  Abweichend  liievon  hat  L  aotvw  F  1104  aoivy;c 
F  1206  aciv^  A  1528;  G  hingegen  schreibt  überall  den  Lenis. 
Merkel  setzte  im  Texte  durchwegs  den  Asper,  allein  ohne 
triftigen  Grund.  Die  Schreibw'eise  der  Homerhaudschriften  ist 
schwankend,  doch  zeigen  sie  überwiegend  den  Lenis,  und  das 
scheint  die  vor  Aristarch  gewölinliche  gewesen  zu  sein.  Die 
Aspirirung  des  Anlautes  gehörte,  wie  La  Roche  Hom.  Text- 
kritik 180  richtig  vermuthet,  wahrscheinlich  Aristarch  an; 
sicher  ist,  dass  Herodian  den  Asper  setzte  (Schol.  Hom.  I»  87). 
Die  ältere  Schreibweise  nun  zeigt  auch  die  Ueberlieferung 
unseres  Dichters,  da  wir  sogar  in  G,  einer  Handschrift,  welche 
sonst  an  verschiedenen  Stellen  die  Umformung  des  Textes 
nach  den  grammatischen  Regeln  des  Aristarcii  darstellt,  con- 
sequent  den  Lenis  durchgeführt  finden.  Zweifelsohne  ist  dem- 
nach überall  der  Lenis  zu  setzen. 

Ebenso  verhält  sich  die  Sache  mit  äOpso;.  Apollonios'  Text 
kennt  nur  den  Lenis:    aOpco;  A  428    15  97    aOcccv  A  1446   %;;•• 


Grammatische  Stadien  zn   Apullouios  Rhodios.  4dd 

A  1007.  1051  B  828.  1064  A  674  ÄOpca-.  1  1297  «öpca  r  1361. 
A  24.  34.  610.  666.  710,  L  und  G  stimmen  durchwegs  überein. 
Unser  Dichter  folgte  allem  Anscheine  nach  dem  Vorgange 
Zeuodots,  welcher  nach  Aristonikos  zu  I  641  aOpic.  r/.  Aavawv 
(für  -a-^6jo;  ix  A.),  also  mit  Lenis,  schrieb.  Aristarch  und  Hero- 
dian  setzten  den  Asper,  Schol.  1  38  a  27. 

a[/.o:;iT6c.  eupslav  -/.ax'  aixa^-.Tcv  T  874.  1238.  Die  Psilosis  ist 
auch  homerisch  X  146  xa-:'  a[xa;'.Tiv,  ebenso  Hom.  Hymn.  Dem.  177 
y.c'A-rjv  7,7.-'  a[jLaq'.Tcv.  Dagegen  finden  wir  bei  unserem  Dichter 
A  845  in  L  (G  hat  hier  eine  Lücke)  (k\).dqoi.'.c.  Selbstverständ- 
lich ist  auch  hier  die  Psilosis  herzustellen,  vgl.  Hom.  Q  711 
ir.  iV.a;av  (Eustath.  913,  44.  1156,  19). 

aijL^i  t'  äpa'.ä;  Ivac  T  762,  so  L;  G  ö'  apaia;.  Diese  letztere 
Leseart  repräsentirt  wiederum  die  aristarchische  Vorschrift 
(vgl.  La  Roche,  Hom.  Textkrit.  201  sq.)  nach  Schol.  ß  L  zu 
E  425.  Der  aristarchisch  -  herodianische  Kanon  (Herodian  zu 
:!^  411)  steht  auch  hier  im  Gegensatze  zu  der  genuinen  Schrei- 
bung des  Apollonios. 

ispar;  r  1020  L ;  G  eeparj.  Den  Asper  wollte  Herodian  (zu 
N  453)  und  Eustath.  1546,  47.  Der  rauhe  Hauch  ging  auf  den 
vor  dem  einstigen  Diganima  stehenden  Vorschlag  £  über,  ist 
also  unorganisch.  Gleichfalls  aspirirt  erscheint  das  hiezu  ge- 
hörige Adjectiv  ipor,i-:  A  751.  881  A  1302  kporivm  ß  1004 
kp<jr,vnx.  A  970  kpariz-ca:  A  1172  (nur  A  751  steht  in  L  offenbar 
aus  Versehen  der  Lenis,  ebenso  ß  1004  in  G).  Homer  hat  nur 
hpar,e'.(;  mit  der  Variante  £epa-/;e'.;  ü  419. 

£'J/t6a)vT0  B  811  r  118  i'J/iaasOzi  T  950;  diesen  aspirirten 
Formen  gegenüber  hat  L  i'}j>.ibiviy.i  A  459 ;  hiezu  bemerkt  der 
Scholiast:  rapoi.  rr^v  £'i/(av,  r,  eaii  cia  Aoywv  Traioia,  olsv  iizeaix  Tic 
ouc7a,  ■::apa  to  'i7:o:.  oih  y.al  -V-XoDiat.  ot£  ok  cxa6v£-a'.  avTi  toü  «xo- 
AouOcjff'.v.  Zu  diesen  Erklärungen  führte  den  Scholiasten  das 
Schwanken  des  Spiritus,  das  uns  auch  in  der  homerischen 
Ueberlieferung  entgegentritt.  Der  Ursprung  des  Wortes  selbst 
ist  dunkel.  Hesychios  leitet  es  von  £-oixai  ab  und  erklärt  es 
als  i[).''/J./.,  doch  ist  es  wahrscheinlich  dasselbe  wie  das 
hesychische  'lud^zvf  und  das  aristophanische  tbiicoza  Lysistr.  1304 
und  darnach  der  E-Laut  eine  Art  Vorschlag  wie  sonst  vor 
digammatisch  anlautenden  Wörtern  (vgl.  Curtius,  Grundz.  710 
sqq.).   Für  den  Spiritus  sind  die  zwei  homerischen  Stellen,  wo 


434  Rzacb. 

dieses  Verbum  vorkommt  p  530  cp  429  auch  nicht  massgebend, 
wohl  aber  das  Compositum  e^c'j/'.owv-ai  t  331  sos^J^iöojvto  t  370. 
Ist  jene  Zusammenstellung-  mit  J^iai^stv  richtig,  so  ist  der  Spiritus 
asper  nicht  organisch  begründet.  Im  Hinblicke  auf  s.otfl».7.o\xa'. 
scheint  es  unzweifelhaft,  dass  auch  Apollonios  die  Form  mit 
dem  Asper  angewendet  hat.  Auch  bei  Kallim.  Artem.  3 
Dem.  39  haben  die  meisten  Codd.  den  Asper. 

teixevoi  A  923  L ;  G  dagegen  hat  ie[j.£voi,  wie  A  738  auch 
L  bietet.  An  allen  übrigen  Stellen,  wo  t-^[j.t  oder  tc[j.a'.  vor- 
kommt, ist  es  aspirirt.  Schon  in  den  homerischen  Gedichten 
findet  sich  die  Psilosis  öfter  (vgl.  La  Roche,  Prol.  z.  Odyss. 
XXXIV),  so  gut  bezeugt  l'scOs  M  274  Isviat  ■/  304,  klar  liegt 
sie  vor  bei  Hesiod  Th.  830  Tuavxo'/rjV  Ht:'  ?sT:7at  und  im  homer. 
Hymn.  XXVII  18  (Baumeister)  a[j,ßpo(7r/]v  ox'  le^aaL  Es  ist 
daher  durchaus  begründet,  wenn  die  neueren  Herausgeber  die 
Ueberlieferung  von  L  an  der  berührten  Stelle  festhalten. 

Auffallender  Weise  begegnen  wir  bei  Apollonios  auch 
dem  Adjectiv  'Eioiou  ß  686  und  'Eonov  700  als  Beinamen  des 
Apollon.  Es  liegt  also  hier  eine  dem  epischen  Sprach- 
gebrauche fernliegende,  vom  neuionisch-attischeu  smc,  abgelei- 
tete Form  vor,  mit  dem  illegitimen  Spiritus  asper.  Das  Ein- 
dringen dieser  Form  (statt  'q(^oq  oder  rioXoq)  an  den  genannten 
Stellen  erklärt  sich  aber,  wie  ich  in  der  ,österr.  Gymnasial- 
zeitschrift' 1877  p.  103  ausgeführt  habe,  dadurch,  dass  der 
Dichter  hier  der  Erzählung  des  Mythographen  Herodoros  folgte, 
welche  das  Schol.  zu  B  684  erwähnt,  und  die  prosaische  Form 
'Eöisc,  die  er  bei  demselben  vorfand,  weil  sie  hier  die  Geltung 
eines  Nomen  proprium  hatte,  unverändert  aufnahm.  Keineswegs 
aber  gestattet  er  sich,  koaoq  als  Appellativ  anzuwenden,  wie  sich 
aufs  Deutlichste  aus  der  Zusammenstellung  von  'Ewioj  und  -/jwc; 
ß  686  sqq.  ergibt: 

£t  o'ä'Ys  oy;  vYjsov  [jiv  "Ewiou  Atucaawvo^ 
r/^vB'   i£pY)v  7.A£i(0iJi,£v,   ezz\  xavTcCfft  ^aävO-/] 
■fi  (])  0  q  |j,£Tta)v. 

Kallimachos  freilich,  der  auch  sonst  specifische  Atticismen 
nicht  scheut,  schrieb  £<|)c;  als  Appellativ  Fr.  52.  3.  Später  hat 
Nonnos  von  dieser  attischen  Adjectivform  mehrfachen  Gebrauch 
gemacht. 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  4oO 

Ziiiu  Yocalisnius. 

1.    Kurze    V  o  c  a  1  e. 

OL.  Bemerken swerth  ist  das  Adverb  inraiOa  B  735;  es  gehört 
zu  den  homerischen  Aeolismen  (vgl.  Hinrichs  de  hom.  eloc. 
vestig.  Aeol.  61),  von  unserem  Dichter  nach  Homer  0  520, 
<1>  271  X  141  entlehnt;  a  steht  hier  gemeingriechischem  e 
gegenüber. 

a  erscheint  im  Präfix  api,  das  neben  spi^  welches  wenig- 
stens der  Bedeutung  nach  jenem  nahesteht,  oft  begegnet.  Die  Zahl 
der  mit  den  beiden  Präfixen  zusammengesetzten  Wörter  ist  bei 
Apollonios  fast  gleich  gross :  api'cYjAo;  T  727  aptor^Aa  F  615  api'CvjXoq 
r  958  ipi'Qr^hO'.  ß  250  ap'.-(;xoo;  A  1707  apiTcpsTueiov  A  1192  aptcppa- 
Uoiq  r  315;  spt  bei:  epißwir;?  A  71.  73  B  1040  IpiO-^Xia  ß  723 
eptcOevicov  A  41.  543  epuoXat  A  1778  eptwXa;  A  1132. 

£.  Zvi  erwähnen  ist  nur  das  vor  einstigem  Digamma- 
anlaut  vorgeschlagene  s,  das  unser  Dichter  bei  einigen  Wör- 
tern, die  es  bei  Homer  aufweisen,  beibehalten  hat:  seXotop  A  282 
und  das  zugehörige  Verbum  ssXosxo  ß  949  F  383.  747.  819 
eeXBcixevoc;  F  1259  A  186  ££Xco[j.£vyj  F  956  eeXcoi^ivw  ß  50  scXoo- 
[jt£voiai  A  984  ß  1092.  1285  F  522  A  1415  ££Xoopivou;  F  601. 
Scheinbar  abweichend  hievon  lautet  die  Ueberlieferung  A  110 
lj.eia.  o'  'i5X'jO£v  £Xoc|X£vo'.(j'.v.  Allein  jenen  Formen  gegenüber,  die 
stätig  den  Vorschlag  des  £  zeigen,  ist  zweifellos  [j-tzcx.  o'  -i^XuO' 
££Xoc[Ji.£vot(jiv  herzustellen.  Der  Abfall  des  £  oder  t  vor  fol- 
gendem Vocal  anstatt  Herbeiziehung  eines  v  ephelkystikon 
findet  sich  öfter :  TiEjAs'  5  Y£po3v  ß  463  ££ii/'  toc,  F  455  Xäß'  "^via 
F  1153  £!7t'  ccvqq  A  1262.  Ebenso  muss  A  546  aür^  £v  ££Xo£to 
vv^ffw  mit  Wellauer  und  Lehrs  geschrieben  werden,  während  in 
LG  die  Präposition  zum  Verbum  gezogen  ist,  £V££X3£to.  Merkel 
schrieb  nach  dem  Vorschlage  von  Facius  und  Hermann  £vt 
£'X5£TC,  Avodurch  die  Zahl  der  Hiaten,  die  an  und  für  sich  bei 
Apollonios  gering  ist,  unnöthigerweise  um  einen  vermehrt  wurde. 

Den  Vorschlag  £  finden  wir  ferner  bei  ££pY£'.?  F  427  idp^Etv 
A  1207  iipye~xi  A  309  ££pYot;.£VYj  F  649  ee.p-'(o\j.vfO'.G':f  F  184  espYÖ- 
lj,£va'.  A  775  ££pYov  ß  201  (££pYiJ.£vov  ß  550  und  ££pYij,£vct  A  1580 
gehören  nicht  hieher,  da  £  hier  liest  der  Reduplication  ist). 
Daneben  nun  sagt  unser  Dichter    allerdings    einmal    auch   atSoT 


436  Rzacli. 

o'  £pYC|xevr;v  T  653,  aber  das  ist  Nachahmung'  des  homerischen 
^  TS  /.al  epYoijivY)  P  571;  ebenso  verhält  es  sich  mit  dem  nur 
einmal  bei  unserem  Dichter  vorkommenden  sTpye  A  1639,  in 
dem  die  zwei  zusammenstossenden  e  in  den  Diphthongen  zu- 
sammenflössen. Auch  in  diesem  Falle  hielt  er  sich  an  Homers 
Vorbild,  wo  diese  Contraction  auch  nur  ein  einziges  Mal  vor- 
liegt: M'  72  T^A£  [).e  El'pYcuffi  ^jy^ai. 

i.  Die  Bildung  IIoG'.c-i^tov  mit  i,  während  wir  in  Iloae'.oäojv 
den  Diphthong  sehen,  verwendet  Apollonios  einmal  A  1279 
nach  dem  homerischen  Vorgange  B  506  C  266  Hom.  Hymn. 
Apoll.  Pyth.  52. 

0.  avaßpo^aaa  A  826  y.ataßps^aaat  B  271 ;  obwohl  L  an  beiden 
Stellen  ein  w  statt  des  kurzen  o-Lautes  aufweist,  so  ist  doch  der 
letztere  zu  schreiben.  Die  Scholien  berichten  darüber  Unbrauch- 
bares. Schob  E  zu  Od.  0  222:  •/.ai;aßps;c'.£v.  YpäosTai  y.ai  (j-'.y.pbv  /.al 
[j.i^(a.  0T£  p.£v  yäp  Aa[J.ßav£Ta'.  avil  toj  y.aTa-iv],  t6t£  tö  ßpo  [xapbv  «Trb 
xoü  ßpc/w.  oxav  0£  avTi  tou  y.axacpaYTf],  I-'-^Ys:  ßpw.  Schob  H:  ct/w; 
'0  Ypa^Y^.  Diese  vom  Scholiasten  versuchte  Differenzirung  der 
Schreibweisen  basirt  aber  auf  der  Annahme  der  ganz  unmög- 
lichen Form  y.aTaßpw^£i£v ;  das  zu  Grunde  liegende  Verbum  kann 
nur  ßp=xoj  sein,  da  ein  Aorist  E'ßpw^a  zu  ß'.ßpwcy.o)  überhaupt  gar 
nicht,  ein  Futur  ßpwHw  erst  bei  Lykophr.  678  vorkommt.  Apol- 
lonios Soph.  96,  5  bewahrte  das  richtige  y,aTaßpc;£'.£v.  Wir  wissen 
ferner,  dass  Zeuodot  o  schrieb,  Schob  zu  P  54:  Zv)v63oto;  oia  tou  o 
ävaßsßpoxcv,  6)q  ixcT  ,aAA'  ex'  avaßpö;£t£  (ia\düGT,q'  [t.  242.  So  schrieb 
natürlich  auch  unser  Dichter,  G  hat  wenigstens  B  271  das  o  bewahrt. 

oij,apxYi  A  538;  die  homerische  Paradosis  und  Herodian 
schrieb  aiAapxvj,  Aristarch  «[^.apxr,,  daneben  aber  bestand  die 
Schreibweise  bM-apxf,  seit  früher  Zeit  (vergl.  La  Roche,  Hom. 
Textkrit.  188),  ja  auch  im  Veuet.  A  steht  bei  ^571  b[f.apvfi  am 
Rande.  Unser  Dichter  schrieb  mit  der  Paradosis  wie  sein  Lehrer 
Kallimachos  Hymn.  Artem.  243  ^p.apx'f).  In  G  fehlt  das  Jota 
subscriptum,  was  eine  Annäherung  an  die  aristarchische  Schreib- 
weise darstellt,  wie  uns  das  bei  dem  bekannten  Verhältniss  der 
in  diesem  Codex  enthaltenen  Redaction  der  Argonautika  zu  den 
aristarehischen  Normen  nicht  Wunder  nehmen  wird. 

Aus  dem  homerisch  -  epischen  Sprachgebrauch  entlehnt 
Apollonios  einmal  auch  das  Subst.  :p/aiJ.ov  A  330,  worin  o  aus 
a  verdumpft  ist. 


Grammatische  Stadien  zu  ApoUonios  Rhodios.  4d7 

■j.  äVAustc.  Dies  den  homerischen  Aeolismen  angehörige 
Adverb  verwendet  unser  Dichter  fast  nur  in  bestimmten  For- 
meln mit  ä'AAo;  vereint,  wie  er  es  bei  seinem  Vorbilde  vorfand: 
iAAuo'.?  ä'AXoc  A  1293,  1462  ä'XAuo;;  a'AAo-.  A  513  öTaauc'.c  akXri 
ß  980  äAAüOt;  xAAa-.  A  794.  Nur  A  353  steht  iAAuot;  für  sich 
allein:    sx'jrpo/.aAsscajj.evr,  äysv  äXAJO'.c. 

dcp-jotc.  Diese  g-leichfalls  äolische  Adverbialform  gebraucht 
ApoUonios  nach  homerischem  Vorgänge  A  239  und  an  weiteren 
zwanzig;  Stellen,  wie  auch  Kallimachos  Fr.  216. 

Dem  homerischen  Sprachgebrauch  ist  ferner  entnommen 
der  Comparativ  S'TuaffauTSpo;  A  579  sTraccutsp-/;  B  472  s-acrauTspou? 
A  994,  worin  das  j  äolisch  aus  o  getrübt  ist,  Schob  Hom.  A  383 
iTzxzGd-epov  A'OAr/.sv  eartv  aciov  aacixspo;  ass'jxspo;,  w;  övo(;.x  ovu[xa, 
/.at  £T:a(77UTspoc. 

Endlich  ist  zu  nennen  cp-uvsponepov  B  244  c[iu-(ipMXo^-o'.  B  374 
rsii'jyzpG):;  A  380,  das  die  äolische  Form  zu  [xo-fspo;  (bei  Apollon. 
\xo-(tpoh  r  853  A  37)  darstellt.  Homer  hat  das  Adverb  eTcicjAu- 
Yspw;  Y  195,  vergl.  das  Scholion  dazu;  das  Adject.  kraaij:j-(zp-fi 
Hesiod  A.  264. 

2.    LangeVocale. 

5.  Langes  a  haben  ionisch  -  epischem  Sprachgebrauche 
gemäss  statt  der  später  eintretenden  ionischen  Brechung  in  r, 
bewahrt: 

Osa  im  Nomin.  A  289  und  an  fünfzehn  weiteren  Stellen, 
e£a;  A  226.  721.  768.  802.  1150  B  423  Y  147.  940  A  436.  643 
Osa  A  251  Osav  V  1037  A  781.  Dagegen  findet  sich  Osr,; 
r  252  A  241  Osf,  r  549,  und  zwar  sowohl  in  L  als  G. 
Merkel  änderte  diese  Formen  in  die  gewöhnlichen  um,  doch 
gewiss  mit  Unrecht.  Im  nachhomerischen  Epos  bricht  sehr 
bald  das  Bestreben  hervor,  auch  in  diesem  Worte  das  all- 
gemeine ionisch-epische  Gesetz  vom  Uebergange  des  langen  a 
in  r,  durchzuführen.  Schon  im  Hom.  Hymn.  auf  Dem.  183  und 
279  lesen  Avir  wohlbezeugt  Os^c  und  im  späteren  Epos  tauchen 
derlei  Formen  immer  häufiger  auf,  so  hat  Kallimachos  Osi^  im 
Hymn.  Zeus  37.  Artem.  119.  151,  fhf,z  Hymn.  auf  Del.  431  Fr.  164; 
Nikandros  Or^c  Ther.  16  Oe-z^v  Ther.  487  Quintus  Smyrnaeus  Ö£^? 
XH  1 12. 378. 455  XI V 464,  Osv^v  V  563  f  vgl.  auch  Koechly,  Prolegg. 
zu  Qiiint.  LI  §  2),    Triphiod.  Oer,;  57.  137.  444.  648   Musaios  fhf,q 


438  Rzach. 

55.  126.  145  Dionys.  Perieg.  Osy]  828.  In  Zusammensetzungen 
ist  •/)  bereits  bei  Homer  und  Hesiod  vorhanden:  'AixtpiOsY)  -  416 
E-osOi-o  0  366  As'jy.oOsr;  e  334  llaciOer)v  E  269.  276  IlaGiÖey]  He- 
siod Th.  247.  Wir  werden  demnach  durchaus  berechtigt  sein, 
an  jenen  genannten  Stellen  die  handschriftliche  Ueberlieferung 
als  die  genuine  Schreibweise  des  Dichters  anzusehen. 

Weiters  haben  wir  eine  Reihe  Eigennamen  anzuführen, 
die  a  für  -q  bewahrten,   und  zwar  nach  homerischem  Gebrauche: 

TpiJ,£fac  B  1145  A  121  'Ep\j.öiy.v  Y  588,  nur  A  1137  haben 
L  und  Gr  'Ep\iöir,q,  was  zweifellos  auch  hier  im  Hinblicke  auf 
die  constante  homerische  Schreibweise  und  die  sonstigen  Stellen 
zu  ändern  ist.  Ein  Missgriff  von  Brück  war  es,  B  1145  A  121 
gegen  die  Ueberlieferung  'EpiJ.ti-qq  zu  schreiben.  Apollonios  stand 
hier  im  Gegensatze  zu  Kallimachos,  der  Hymn.  Artem.  69.  143 
'Epi).sir,q,  Del.  272  'Kpij.d-ri  sagte. 

ä  statt  r,  ohne  homerisches  Vorbild  finden  wir  bei  etlichen 
Eigennamen,  die  der  Dichter  in  ihrer  epichorischen  Form  in 
sein  Gedicht  aufnahm:  Q-qpocq  (aus  Sparta,  Schol.  zu  A  1763) 
A  1762,  "loa;  (Peloponnesier  aus  Arene)  A  151.  462.  485.  1004 
B  830  r  516.  556.  1170.  1252,  "TXac  (Herakies'  Gefährte)  A  131. 
1207.  1258  "VXav  A  1324.  1354;  zu  diesen  Personennamen 
kommt  der  Name  des  bithynischen  Flusses  'Pi,^xq,  im  Accus. 
Tv^ßav  ß  349.  650. 

Dagegen  lesen  wir  bei  Apollonios  'Psir^v  A  1139,  1151 
B  1235,  während  Aristophanes  und  Aristarch  nach  dem  Schol. 
Hom.  i  203  diesen  Namen  mit  ä  schrieben :  o'.a  toj  a  Töi'a^  al 
Ap'.c7Tap)^ou.  o'JTO)?  y,al  'ApiaTO^av^c;.  Merkel  Proll.  LXXX  und  La 
Roche  Hom.  Textkrit.  302  vermutheten  mit  Recht,  dass  Ze- 
nodot  hier  r,  bevorzugt  haben  mochte,  da  wir  wissen,  dass  er 
z.  B.  Aixciäpr^o?  0  244.  253  'Xpvqirr,  Z  592  X  231  schrieb,  vgl. 
Düntzer,  Zenodot  p.  50.  Diesem  Kritiker  mag  Apollonios  sich 
angeschlossen  haben  und  dies  um  so  eher,  als  auch  Kallimachos 
in  jenem  Worte  r,  schrieb :  'Veir,  Hymn.  Zeus  10.  28  Vdr,q 
ibidem  13. 

Unser  Dichter  schreibt  ebenso  Auy£iy;c  1'  440  Aüys'-iqv 
r  197.  363,  während  wir  bei  Homer  AuYet'a?  A  701  vorfinden. 
Möglicher  Weise  schrieb  auch  hier  Zenodot  Auysiy)^  und  folgte 
ihm  darin  unser  Dichter.  Leider  schweigen  hier  die  homeri- 
schen Schollen. 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rliodios.  4:öv 

Wie  im  alten  Epos  Ianjo;es  a  statt  r,  in  den  mit  dem 
Dativ  vauji  zusammeng^esetzten  Eigennamen  begegnet,  so  bei 
Apollonios  in  NajjiOoor  A  550  Nrja-.Gio'.o  A  539.  544.  547,  vgl. 
Hom.  r,  56  Hesiod.  Tb.  1017.  Derlei  Namen  sind  Reste  sehr 
alter  Bildungen  aus  einer  Zeit,  wo  das  ursprüngliche  lange  a 
noch  nicht  im  altionischen  Dialekte  in  •/;  gebrochen  war.  Der- 
selbe Fall  liegt  z.  B.   in  dem  obenerwähnten  'Ep\).v.oLc,  vor. 

Endlich  haben  wir  noch  zweier  Worte  zu  gedenken: 

YäTO[j.£ovT£c  B  1006.  Der  Dichter  verwendete  bei  diesem 
Compositum  die  dem  ionisch  -  epischen  Sprachgebrauch  nicht 
angehörige  Form  mit  öt  statt  •/),  vgl.  dagegen  z.  B.  -(r,-^{v/rfC. 
O.  Schneider  wollte  daher  Aa-oiJ.eov-s;  schreiben,  was  jedoch 
unstatthaft  ist,  da  man  nicht  wohl  sagen  kann  iXXä  t:'.or,po5cpov 
cTU(pcAr)v  yOiva   AatJixs'ovTsc. 

Langes  a  für  •/;  liegt  noch  vor  in  \)Av  A  869  B  48.  1207, 
und  zwar  in  der  Verbindung  oh  [xav  im  Versanfange.  An  der 
ersterwähnten  Stelle  ist  nun  zwar  die  Leseart  von  L  oü  [j.äv 
s'j/.Xi'.sIc  nothwendig  in  ou  (xsv  staXs'.öTc  zu  ändern,  wie  schon 
Hölzlin  vermuthete  (G  sjy.As'sTc),  an  den  beiden  anderen  Stelleu 
aber  ist  [/.t/  festzuhalten,  da  ApoHonios  hierin  Homer  folgte, 
vgl.  z.  B.  Hom.  A  512.  Auch  dieses  ij.t/  ist  als  ein  Rest 
uralten  Sprachgutes  aufzufassen,  das  den  Urvocal  x  erhielt. 
Uebrigens  ist  bei  unserem  Dichter  der  Gebrauch  von  [j.t/  auf 
jene  genannte  Formel  cü  [j.av  eingeschränkt,  während  die  home- 
rische Sprache  eine  weit  freiere  Verwendung  desselben  zeigt: 
so  in  der  Verbindung  r,  [j.iv  B  370  r,  er,  [j.xv  P  538  [xv]  p,av 
0  512,  auch  für  sich  allein  steht  es  E  765  6  373  11  14  u.  a. 
Apollonios  sagt  sonst  überall  [j.y;v,  so  allein  A  896  B  677. 
812    r  125    7.at  ij.-/;v  z.  B.  A  69.  146.  161.  199  u.  s. 

r,.  Dieser  Vocal  findet  sich  an  Stelle  eines  sonstigen 
kurzen  y.  in  mehreren  der  epischen  Sprache  angehörigen  Aus- 
drücken. 

rrrMiö  r  981    A  11;U    -qv^Oir,^^  A  308    A  1329. 

vi;j.af):£VT2;  A  948  -o-tJ-aOsscffav  A  932.  Die  Länge  des  Vocals 
trat  höchst  wahrscheinlich  als  Ersatz  für  einen  ausgefallenen 
Nasal  ein,  der  in  der  Nebenform  a'p,p.o?  noch  vorliegt. 

o'Jc/^Vi|j,2v  A  593. 

Eine  Reihe  von  Wörtern,  die  theils  von  a^f^tp  abgeleitet, 
theils    damit    zusammengesetzt   sind,    luit    gleichtalls   r,    statt  a: 


440  Rzarh. 

y-vopiY]  r  189  A  1468  vjvopf/;;  A  1052  y^vopiv)  A  1198  T  512.  1053 
r,^/opir;)  A  75.  205.  483  av-z^vwp  B  237  aY-/^vopo?  B  2  aY-^ivopiY]? 
B  150  xxrr'opir,  B  481  AYY)vopic-/)c;  B  178,  und  sechs  Mal,  Ayy)- 
vopioao  H  293  G-sp-z^vcpt  A  212.  1051.  Der  arund  der  Vocal- 
läng-e  ist  der  Schwund  des  einstigen  Digamma  im  Anlaut,  wie 
denn  auch  bei  avr]p  selbst  das  a  an  vielen  Stellen  unter  dem 
Schutze  der  Arsis  lang  ist. 

avY]vuaT(p  A  1307  nach  Hom.  x  111  und  in  der  erst  seit 
den  attischen  Tragikern  üblichen  Form  av/^vutoc  V  502,  von 
avjo),  das  zur  W.  van  gehört,  deren  einst  anlautender  V-Laut 
das  lange  -q  in  der  Zusammensetzung  erklärt. 

•^uxo|j.ov  A  568,  das  einzige  Beispiel  bei  unserem  Dichter, 
in  dem  der  Ueberlieferung  nach  die  Form  ijüq  erscheint. 

Nicht  homerisch  ist  arr^kezq  A  1047. 

ö.  Nach  homerischem  Sprachgebrauch  finden  wir  auch  bei 
Apollonios  das  eigentlich  äolische  Adjectiv  i\).(i[j.My,  wo  ö  für 
gemeingriechisches  o)  eintrat,  aber  nur  mehr  an  der  einzigen 
Stelle  r  190  a(AU[;,ova  «^I^pi^ov,  wenn  man  von  dem  demselben 
Stamme  angehörigen  Eigennamen  A[xujji.wv/]  A  137  absieht,  m  hin- 
gegen steht  regelrecht  im  Verb  [/«[j.rjc-ovrai  F  794. 

(0.  Unser  Dichter  gebraucht  nur  die  Namensform  Ato)vuaoi; 
mit  0):  Atwvucoto  A  116  A  540  Aiomcw  A  424,  die  ja  auch  bei 
Homer  die  herrschende  ist,  während  sie  Hesiod  ausschliesslich 
anwendet. 

In  vdjGato  A  1409  ist  w  das  Product  einer  Contraction 
=  voY^caTo.  Vor  Apollonios  finden  wir  sie  schon  bei  Theognis 
1298  'ma(x[).v/Qc,  in  derselben  Form  bei  Kallimachos  Fr.  345, 
woher  sie  unser  Dichter  haben  mag.  Häufig  ist  sie  bekannt- 
lich in  der  neuionischen  Prosa,  so  Herod.  I.  68.  86  ewwcjac. 
Homer  bietet  zwar  kein  Beispiel  bei  diesem  Verbum,  aber  doch 
£7:tßü)G0[j,at    OL  378    ß   143  (=   £'!rißo-/](70iJi.ai). 

Statt  des  Stammvocals  s  im  gemeingriechischen  ttaso)  haben 
wir  (.)  in  der  ionischen  Form  dieses  Verbs,  welche  Apollonios 
ausschliesslich  gebraucht:  ttXwste  B  348  tuXwouciv  A  525  ava- 
xX<oovTt  A  905  otaTTAws'.v  B  629  £^£7i:Aa);.».£v  B  645  stc£-Xw[X£v 
B  152,    £7:'7:Xw£ay.ov  A  549  {tOmm  ist  aus  TrXcFjd)  gebildet). 

Endlich  haben  wir  der  Form  wXy.ac  V  1054.  1333  zu  ge- 
denken, welche  wir  neben  auXay.ac  V  1347  lesen,  vgl.  Hom. 
N  707    c7  375.  Kallimach.   llymu.   Art.   180.    Dagegen  liegt  die 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  441 

Form  wAx;  dem  Compositum  c[)Mka7.eq  ß  396  b\).MXT/.a.q  B  787 
zu  Grunde,  sie  wird  vom  Scholiasten  als  doriscii  bezeichnet. 
Scliol.  zu  B  396  oitMKTAtc-  C[;.ojpo'..  ioKx/.y.  vip  Tv;v  TjKxv.y.  Awp'.y.öi;. 
7.y.\  "O;x-/]po;  /isij.evwv  v.y.zx  to'kv.y.'. 

3.    Eigenthümlichkeiten    der   Vocalquantität. 

*ä.  Lang-es  y.  statt  des  zu  erwartenden  kurzen  erscheint  in 
der  Arsis  1.  in  allen  Formen  des  Adjeetivs  aöavaxoq  wie  in  der 
epischen  Sprache  seit  Homer,  da  dies  Wort  drei  nothwendige 
Kürzen  enthält  und  sonst  im  PTexameter  nicht  zu  verwenden 
wäre.  Aus  demselben  Grunde  2.  in  axai^aTO«;  A  1656  a/.a[j.xTO'.o 
r  519.  1028  ay.a[jLaTW  V  1343  axa[^.aTov  B  275  a-/.a[j.aTOt  V  765 
axa^-äist;  A   1687     a-/.a[xa-Y)C'.v  ß  661. 

Die  Quantität   des   a   wechselt  in  folgenden  Eigennamen: 

In  der  Arsis  ist  a  lang  bei  'A'.oa  T  61  A  1510  wie  bei  Homer; 
die  Länge  des  Vocals,  die  sich  wenigstens  in  der  Vershebung 
erhielt,  geht  auf  ursprüngliches  \'J:zx  aus  "\rioa  zurück  (^Hartel 
Hom.  Stud.  III  23).  Dagegen  zeigen  die  Formen  von  'A-c-^;, 
dessen  a  überall  in  der  Thesis  steht,  dasselbe  nur  kurz:  Aioao 
B  353.  609.  642.  737   r  810  A  1666    AiBsto  P  704    Aßv]  A  1699. 

Ebenso  ist  das  a  in  AtcöXawv  in  der  Arsis  lang :  AxsXXwvo; 
A  403  B  686  A  528  'ArSkLui^n  A  966.  1186  B  927  T  1283 
A  1714  ATr6AA(.)va  A  410  B  493.  700.  952  A  1729,  dagegen 
kurz  in  der  Thesis:  A-6aao)v  A  307.  759  B  502  V  1181 
'A-öAAtovo?  A  612.  1548. 

"Apy;;  hat  langes  a  in  der  Hebung:  "Aprpz  T  1357  'Apsot; 
A  743  B  989.  990  T  1187.  1366  und  als  Appellativ  äptoq 
A  189,  "Apst  B  1205  r  1282,  endlich  äpsa  A  1024;  aber  auch 
in  der  Thesis  'Apr.t  B  991    clpr,'.  V  183. 

Kurz  ist  das  y.  in  der  Thesis:  "Ap-qq  V  1227,  'Aprfiq  B  385. 
1169.  1230  r  411.  754  A  166  Ä'pr.o;  B  870  «p-/;t  T  393  i'pr.a 
B  797    r  1385     Apsc;  B  404. 

Bezüglich  der  Quantität  des  a  sind  weiters  bemerkenswerth: 

a.x-(ic  r  1251  im  Versanfang,  beide  a  sind  lang.  Die  Länge 
des  zweiten  ist  nun  allerdings  organisch  begründet,  indem  das 
Wort  ursprünglich  äFaYe;  hiess  (W.  fy.-{),  und  sie  findet  sich 
denn  auch  regelrecht  bei  Homer  a  575  atlv  aavi?  (Versschluss). 
Apollonios  aber  gestattete  sich  auch  die  Längung  dos  anlau- 
tenden a  privans   oöenbar    aus   falscher  Analogie  nach  aÖävaTc; 

Sitzb.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hit.  31 


442  Rzach. 

und  a7.a[j.aTo;;  doch  ist  zu  beachten,  dass  die  genannte  Quan- 
tität nur  in  der  ersten  Arsis  des  Verses  Phitz  hat;  diesem 
Vorgange  folgte  später  Quintus  Smyrnaeus  VI  596  aavec  cöp'j 
[xa/,p6v,  gleiclifalls  im  Versbeginn, 

aacxjrr^v.  Das  anlautende  a,  das  nur  in  der  Vershebung  vor- 
kommt, ist  überall  lang  A  1333  (II.  Arsis)  B  313  (I.  A.)  623  (I.  A.), 
vgl.  Hom.  I  116.  119  T  137.  (Bei  Homer  ist  es  auch  in  Thesi 
lang  bei  aaaaxo  A  340,  kurz  jedoch  I  537.)  Die  in  der  Hebung 
durchweg  erhaltene  Länge  rührt  von  dem  hinter  dem  a  ver- 
klungenen  Digamma  (Hartel  Hom.  Stud.  III  25).  Im  Passivaorist 
variirt  die  Quantität  des  a  auch  bei  unserem  Dichter:  die  Länge 
finden  wir  in  ädcOv)  A  817.  1080,  beide  Male  im  Versanfang, 
kurz  in  der  Thesis  bei  aäffOr//  A  412  (Versschluss).  Bei  Homer 
steht  in  diesen  Formen  das  a  nur  in  der  Senkung  als  Kürze, 
z.  B.  T  136.  Wohl  aber  steht  im  Hom.  Hymn.  Dem.  246  aäoOy; 
[j-iva  fyj\xM  mit  der  Länge  des  a  in  der  vierten  Arsis.  Unser 
Dichter  ahmt  diesen  Vorgang  nach,  doch  insofern  nur  bedingt, 
als  er  vorsichtig  nur  an  der  hervorragendsten  Versstelle  (in 
der  I.  Arsis)  die  Länge  des  «  zulässt. 

Bei  asi'so)  und  den  zu  diesem  Stamme  gehörigen  Wörtern 
überhaupt  ist  das  a  bei  Apollonios  überall  als  Kürze  in  der 
Thesis,  nur  aeioouca'.  A  1399,  das  den  Vers  schliesst,  zeigt  es 
in  Arsi  lang.  Auch  bei  Homer  haben  wir  nur  eine  Stelle,  wo 
unter  dem  Schutze  der  Arsis  sich  die  durch  das  einstige  Vor- 
handensein eines  Digammas  (aFsiow)  begründete  Länge  erhielt: 
p  519  dccicY)  osoaw;  l-e'  IfxsposvTa  ßpotcTci.  Ausserdem  begegnet 
die  Länge  in  der  älteren  epischen  Sprache  in  der  Ilias  \v:/,^i 
Fr.  1,  1  "I/viov  a£{o(j)  -/.al  Aap3av(r,v  eÜTcwXov^  dann  in  den  Hom. 
Hymn.  allemal  bei  «si'ooj  in  der  zweiten  Arsis  XII  1  XVIII  1 
XXVII  1  (nach  der  Ueberlieferung  auch  XXXII  1  in  äcicstv); 
ein  unmittelbares  Vorbild  hatte  unser  Dichter  an  Kallimachos: 
asi'oio  in  der  IL  Arsis  Fr.  138  2,  «sicst  in  der  I.  Arsis  Fr.  42, 
u'Tuaei'Souc'.v  in  der  II.  Arsis  Hymn.  Del.  304. 

«saav  A  884  mit  langem  «  in  der  IV.  Arsis  (W.  ar  Curtius 
Grdz.  ^  390),  vgl.  Hom.  äica  t  342,  ascaiAcv  y  151,  woneben  bei 
Homer  in  Thesi  das  a  auch  als  Kürze  erscheint  ä'ssav  v  490  o  188 
aecat  o  40. 

ä'is  A  124,  äicv  R  1256  mit  langem  a  in  Arsi,  vergl.  das 
homerische   äiov  0  252    ä'ic    K  532     <I>  388;    auch  hier   ist   die 


GrammatiEclio  Studien  zu  ApoUonios  lihodios.  440 

Länge    etymulogisch    begründet    (ursprünglich    dFi'o)).     In    den 
übriaen  Bärmen  des  Verbums  steht  a  in  der  Thesis  als  Kürze. 

aij.äü).  In  der  Vershebung  stellt  sich  die  Quantität  des  an- 
lautenden a  durchweg  als  Länge  dar:  a[j.wiov  F  1382  (I.  Arsis) 
aijtwovxe;  T  1187  (II.  A.)  a[i.T,czv^0L\  A  G88  (V.  A.  Versschluss) 
ay:r,^Tntq  A  1183  (V.  A.  Versschluss)  ai/v^cacOai  A  989  (V.  A. 
Versschluss);  in  der  Thesis  ist  die  Quantität"  eine  wechselnde; 
die  Kürze  finden  wir  bei  aij/^cai  A  374,  aiJ.r^Gy.xo  A  1305,  daneben 
aber  ist  nach  der  besten  Ueberlieferung  auch  einmal  die  Länge 
möglich:  T  859  KacTriY)  sv  -/.ö/Xw  aij/Z^caio  oapfJLaaGcffOai,  wenn  KaaTciY) 
mit  kurzem  i  gelesen  wird.  Durch  die  einzige  Stelle,  die  nach 
der  Ueberlieferung  bei  Homer  in  der  Thesis  ein  langes  a  aufweist 
t  135  dq  &pxq  a|ji.w£v  wird  jene  Länge  bei  ApoUonios  nicht  gestützt, 
da  die  Leseart  nicht  sicher  ist:  H.  vp.  ajxjxowsv  (La  Roche  «[x;o)£v?). 
Ausserdem  ist  im  Medium  dieses  Verbs  a  bei  Homer  überhaupt 
überall  kurz,  da  der  rhythmische  Werth  dieser  Formen,  wenn 
das  a  als  Kürze  in  der  Thesis  verwendet  ward,  sie  geeigneter 
machte  zum  Gebrauche  im  Hexameter.  Es  wird  sich  daher 
empfehlen,  statt  des  überlieferten  sv  nach  Brunck's  Vorschlag  ivi 
zu  schreiben,  welches  unser  Dichter  zwar  nicht  ausschliesslich, 
wie  Gerhard,  Lectt.  Apollon.  97,  meinte,  doch  aber  mit  Vor- 
liebe braucht.  Zugleich  erhält  der  Vers  dadurch  einen  besseren 
Rhythmus.  Die  in  Folge  dieser  Aenderung  erforderliche  Länge 
des  '.  in  KacziY)  aber  darf  kein  Bedenken  erregen,  da  doch  den 
Eigennamen  betreffs  der  Quantität  der  Silben  eine  Ausnahme- 
stellung eingeräumt  war. 

Ein  auffälliges  langes  a  bietet  die  Ueberlieferung  von  L 
(G  hat  hier  die  Lücke)  in  A  821  y.'li  av£pyc[j.£vouc  0p7;/.wv  oi-rzo 
|xY)7.£Ti  TTup-j-cci;.  Die  Herausgeber  blieben  theils  bei  der  hand- 
schriftlichen Leseart,  sich  auf  Homer  A  392  berufend  (so 
Wellauer  und  Merkel),  theils  schrieben  sie  er.y.'npy^o[j.ivo'jq  nach 
den  Codd.  Regg.  (Brunck).  Allein  an  jener  homerischen  Stelle 
haben  Cod.  AHNO  Townl.  Ilarl.  Vrat.  a.  ex  corr.  oi'b  avaspyo- 
[jLsvo),  andere  Codd.  ä'h  xnpyo'j.vH,)  (wie  die  Ueberlieferung  bei 
unserer  Stelle  in  L  lautet).  Bentley  conjicirte  nach  Z  187  ol'l 
ä'p'  avcp/o[j,Evw,  was  zumeist  Anklang  fand.  Allein  mit  Recht 
hat  La  Roche  neuerdings  avaspxojxevw  in  den  Text  aufgenommen, 
denn  der  Hiatus  im  Innern  des  Wortes  ist  ganz  derselbe  wie 
in  TW  5'  £TCio!Jscp.£vw  P  381  an  derselben  Versstelle;  ebenso  lesen 

31* 


444  Rzach. 

wir  an  anderer  Versstelle  e-'.idtz\ion  I  167  ß  294;  da  bei  diesen 
Verben  an  einen  ursprünglich  eonsonantischen  Anlaut  nicht  zu 
denken  ist,  so  bieten  sie  eine  ganz  treffliche  Parallele.  (Un- 
vorsichtig aber  Avar  es  von  La  Roche,  in  der  kritischen  Aus- 
gabe auch  i-oyiipio  /.xtasbaTO  i~<.iKiJ.vfzz  u.  a.  heranzuziehen,  da 
alle  dort  genannten  Verba  ursprünglich  consonantisch  anlau- 
teten, daher  mit'  avasp/cij-svw  durchaus  nicht  in  Vergleich  ge- 
bracht werden  dürfen).  Nach  diesem  Sachverhalte  ist  denn 
auch  bei  Apollonios,  der  an  der  erwähnten  Stelle  entschieden 
sein  Vorbild  nachahmt,  zweifellos  ä^  avaep-/c[j.£vou<;  zu  schreiben; 
zugleich  spricht  diese  Nachahmung  fast  mit  Gewissheit  dafür, 
dass  unser  Dichter  jenes  ava£p/o[x$vw  selbst  auch  im  homeri- 
schen Texte  las.  Ja  sogar  wenn  ihm,  was  wir  aber  durchaus 
nicht  annehmen,  jene  Stelle  nicht  in  der  wieder  hergestellten 
Fassung  vorgelegen  wäre,  könnten  wir  an  dvaspyo[j.£'vcu;  nicht 
den  geringsten  Anstoss  nehmen,  da  es  durchaus  nicht  gewagter 
ist  als  Bildungen  wie  aTLOs/Auc-sv  A  366  £'ä'£tpc:r£v  F  628  u7iO£'<jTY;v 
r  501  (vgl.  p.  466  sq).  Unsere  Lesung  bestätigt  denn  auch  ein 
Codex,  Laur.  16. 

otrr,p.  Unter  dem  Einflüsse  der  Ai'sis  erhielt  sich  in  der 
epischen  Sprache  der  anlautende  Vocal  in  seiner  gewiss 
ursprünglichen  Länge  (vgl.  Hartel,  Hom.  Stud.  I^  108),  die 
wohl  auf  den  einstigen  Digammaanlaut  zurückzuführen  ist. 
Unser  Dichter  folgt  dem  homerischen  Gebrauche,  a  ist  lang 
in  Arsi  bei  arz-p  T  438  (I.  Arsis),  dann  in  VI.  Arsis  \  479 
B  469.  1073  A  199.  1486  avipo?  A  6.  703  B  841  r  79rx  1314 
A  199  av£p'  r  421.  743  A  1107.  1119  ävipa  A  154  B  102.  218. 
798  r  457  avapc;  A  612.  948  B  27.  80.  451  r  316.  345.  977 
A  109.  1075.  1183.  1213.  1281  av£pa;  A  883  B  753.  1014.  1130 
r  204  A  667.    Kurz  ist  a  in  Thesi  bei  «vv^p  A  182  A  1436.  1604. 

avo[j.£vo'o  zeigt  A  651  B  494  F  1340  langes  a  in  der  He- 
bung, wie  Homer  K  251  ä'vixat  (in  der  Thesis  ist  bei  Homer 
das  a  kurz  s'pYsv  ävoiTc  !i  473,  bei  Apollonios  fällt  der  Vocal 
nie  in  die  Thesis).  Die  Länge  des  a  erklärt  sich  durch  den 
Ausfall  eines  aus  f  assimilirten  Nasals,  indem,  wie  Curtius 
Verb.  I.  244  auseinandergesetzt  hat,  aus  der  anderen  bekann- 
teren Form  des  Verbs,  «vjw,  zunächst  *a'vF{o  und  äwo),  dann  ä'vw 
mit  Ersatzdehnung  waixl;  später  verkürzte  sich  das  y.  und  die 
einstige  Länge  erhielt  sich  nur  mit  Hilfe  der  Arsis.  Bei  Apollonios 


Grammatische  Studien  zu  ApoUoiiios  Ehodios.  44ö 

war  die  Verwendung  des  a  als  Kürze  ausgesclilossen,  da  er 
nur  die  erwähnte  Participialform  überhaupt  gebraucht :  wäre  a 
kurz,  so  kämen  dann  drei  noth wendige  Kürzen  zusammen, 
die  im  Hexameter  keinen  Platz  haben. 

!fapo;.  Bei  Homer  ist  a  stets  lang,  auch  in  der  Thesis, 
z.  B.  Q  588  s  230.  Unser  Dichter  aber  folgt  diesmal  einem 
anderen  Vorgänger,  Hesiod.  Er  braucht  nämlich  das  a  nur  in 
Arsi  als  Länge:  oi^-^z  B  30  F  1204  A  187  (allemal  in  der 
VI.  Arsis),  cpapsciv  r  454.  1031 ;  au  der  einzigen  Stelle,  wo  a  in 
der  Senkung  steht,  ist  es  kurz  F  803  C7uv  spcpvaici;  ©apissciiv,  wie 
bei  Hesiod  E.  198  As'j-/.oTt;iv  sapssaai. 

•aivoj.  Bei  Homer  hat  einmal  eine  nicht  augmentirte  Form 
iav6^  X  59  im  Versanfang  ein  langes  '.,  das  sich  aus  dem 
einstigen  Digammaanlaut  erklärt,  da  lai'vw  wohl  mit  löc.  ('.)  skt. 
visham  lat.  virus  zusammenhängt  (vgl.  Lobeck  Rhem.  157) ; 
bei  Apollonios  kann  jedoch  die  Länge  in  lavOr;  A  24  (I.  Arsis) 
und  '.aivov-o  A  109G  (Versschluss)  selbstverständlich  als  Augment 
gefasst  werden,  während  die  Formen  -avO-f;  B  639  A  1591 
•aivETs  B  102  r  1019  mit  kurzem  '.  in  der  Thesis  als  nicht 
augmentirt  anzusehen  sind. 

Ebenso  verhält  es  sich  mit  der  Länge  des  i  in  uyw,  das 
in  den  homerischen  und  hesiodischen  Gedichten  auch  in  nicht 
augmeutirten  Formen  öfters  -.  zeigt,  welche  Länge  auf  den  aus 
der  Vocalisirung  des  ursprünglich  anlautenden  F  (F-.Fa/oj)  ent- 
standenen Lautcomplex  ut  zurückgeht  (Hartel  Hom.  Stud.  HI  33j. 
Unser  Dichter  aber  gestattet  sich  die  Länge  nur  da,  wo  i  als 
durch  das  temporale  Augment  gelängt  aufgefasst  werden  kann, 
und  zwar  nur  in  der  Arsis:  IV/ev  A  524.  1314  F  1371  A  130.  581 
(vgl.  Kallimach.,  Hymn.  Dem.  40),  xikt/v)  F  253  avTia/sv  A  76 
l'r/ov  B  573  F  1370  avia^ov  B  270  irJ-x/yt  A  387.  Als  nicht 
augmentirt  sind  folgende  Formen  .  mit  kurzem  t  in  Tliesi  zu 
fassen :  \iyr,zv)  A  592.  640  \iyr,QT)  B  90  A  200.  592  ivTir/jocav  B  828. 
Von  Formen,  bei  denen  das  Augment  nicht  in  Betracht  kommt, 
findet  sich  nur  das  Part.  Präs.  tayovxoc  A  1240.  1200  mit  kurzem  t. 

!;t;|ji.[  und  U\).(x\.  Wie  bei  Homer  zeigen  diese  Verba  avich 
bei  Apollonios  wechselnde  Quantität  des  '..  Lang  ist  es  durch- 
weg bei  den  medialen  resp.  passiven  Formen,  und  zwar  allemal 
in  der  Arsis:  iqxevo?  F  333  \i]}.v>y.o  F  371  A  793  e^tspivoio  W  024 
ui;.£vou  B  73    l£|A£vov  B  953     •s'ixevo-.  A  738.  923    F  388     icixEvo'.a'.v 


446  Kzach. 

B  248.  430  Uja-evr]  A  314  T  890  U[;.sVr;v  A  1148  hxo  A  174.  1218 
r  SOG  A  391.  725.  903.  911  e^ic-o  T  497  '(vn  A  1005,  ferner  die 
Formen  des  Activs:  '(r,av/  A  1269  Tssav  A  729.  903.  911  esierav 
B  1088  e(f'.ii).E')  B  329  [j.sO'.iiJ-sv  F  476,  wobei  die  Formen  des 
Präteritums  allenfalls  als  aug-mentirt  gelten  können.  Au  zwei 
Stellen  aber  ist  das  i  selbst  in  der  Thesis  lang:  t'^c;'.  B  356  und 
ict  A  634.  Dagegen  kurz:  vr.ai  B  973  T  141  A  290  xnr,cv>  F  498 
i£{<;  r  1210,  leicra  A  731,  dann  in  den  nicht  augmentirten  Itera- 
tiven eqavi'saxov  A  622  [;.£0{eay.£v  Y  274  A  799.  Die  Länge  des  : 
erklärt  sich  aus  dem  ursprünglichen  Anlaut  jt  (*J!Jv;iJ/.),  indem 
sie  als  Ersatz  für  das  abgefallene  j  eintrat. 

lepoq.  Die  Quantität  wechselt  in  Hebung  und  Senkung  wie 
bei  Homer.  In  der  Arsis  erhielt  sich  die  ursprüngliche  Quan- 
tität, die  Länge,  die  ihre  Begründung  in  einem  nach  dem  i 
sich  entwickelnden  Spiranten  j  hat,  der  uns  inschriftlich  in  den 
kyprischen  Inschriften  vorliegt  in  Ijepioq,  auf  Nr.  VIII  bei 
Deecke  —  Siegismund  in  Curtius  Stud.  VII.  In  der  Arsis  ist  i 
lang  bei  unserem  Dichter:  Izpöq  B  1173  '.spsv  A  960  1092  1119 
B  182.  515.  658.  807  A  100.  123.  331.  1218.  1417  -.spä  A  433 
B  486.  523.  532.  1175.  1268  A  651.  Kurz  in  der  Thesis:  kpw 
B  699  A  1139  tepov  A  1208  T  915  A  134.  262.  423.  614.  1019. 
1153.  1396.  1414.  1428  'Ispv;  A  1019  up-^  A  991.  1268.  1758. 
hpriq  r  533  A  458  'Upf,q  A  1109  Ispoi  T  165  Upotstv  A  1133 
B  158,   dann  in  isprisc  B  526  A  259,   und  i£psu7C[;.£vo'.  B  1170. 

Langes  i  hat  in  Arsi  ferner  i-/.£aiY]v  A  1043,  r/.£aiao)v  A  709 
und  das  zugehörige  Adjectiv  'HidGio  A  358.  700  'ly.eabu  B  215. 
1132.  Im  alten  Epos  kommen  diese  Wörter  nicht  vor.  Apollo- 
nios  gebrauchte  den  anlautenden  Vocal  in  Arsi  lang,  weil  er 
es  so  wohl  in  verloren  gegangenen  epischen  Stücken  gefunden 
haben  mag.  Die  Länge  ist  auch  etymulogisch  begründet,  da  im 
Anlaut  ein  F  schwand,  W.  Fa,  vgl.  Curtius,   Grdz.   '137. 

ijj.a;.  In  der  Hebung  ist  i  lang:  A  890  TOL^iüax^neq  ev  l[j.Tnea5i 
7.ipoär,q  nach  Hom.  0  544,  aber  auch  in  der  Tiiesis  findet  sich 
dieselbe  Quantität  B  67  ot  o'  £-£•  ouv  '.[xiat  O'.auTaobv  T^pTÜvavro  nach 
Homer  W  363,  vgl.  K  475  <J>  46;  daneben  in  der  Thesis  kurzes  -.: 
B  52  ooiouq  £y.aT£pOEv  q/avTÄC,  15  63  wxa  o'  iixävxat;,  wie  öfter  bei  Homer. 

Ic;;.  Die  etymologisch  begründete  Länge  (aus  ursprüng- 
lich '^■'■f'.zfoz  laaoz  ward  Igoq)  erhielt  sich  bei  Homer  überall.  Aber 
schon  Hesiod  beschränkt  diese  Quantität  meist  auf  die  Stellung 


Grammatische  Studien  zu  Äpollonios  Rhodios.  447 

in  der  Arsis;  da  bei  den  attischen  Dichtern  die  Länge  ganz  und 
gar  der  Kürze  weichen  musste,  so  konnten  sich  die  Alexan- 
driner diesem  Einflüsse  nicht  ganz  entziehen  und  hieheu  sich 
daher  nicht  an  den  homerischen,  sondern  an  den  dem  späteren 
Gebrauche  näher  stehenden  Vorgang,  wornach  -.  in  der  Thesis 
kurz  ist.  Diese  Praxis  übt  Kallimachos,  bei  dem  in  der  Arsis 
das  •  lang  ist:  hr,  Hymn.  Del.  38  ^scv  Hymn.  Zeus  85  Ep.  4 
Fr.  110  lox  Ep.  59  '^air,  Hymn.  Zeus  63,  vgl.  Fragm.  328, 
Etym.  Mag.  477,  12  s.  v.  l'cjoc;  in  der  Thesis  ist  es  bei  ihm 
aber  kurz:  l'cov  Hymn.  Artem.  211.  253  l'aa  Hymn.  Artem.  53 
(Fr.  525?)  hi^K^'^.y.  Hymn.  Del.  175.  Ebenso  verfährt  unser 
Dichter:  a)  Länge  des  '.  in  der  Arsis:  ico;  A  774  A  1449  Isov 
A  972  r  345.  734  A  384  hr^i  Y  207  ho^  B  1255  A  1246  hz- 
Ococ  A  1513  hyJ\i.T.  V  1108  isosap-Zct?  A  482  iiosapiCoi  B  1206. 
b)  Kürze  des  t  in  der  Thesis :  'j.-o-\i.f,-(i  cy.oTct^  "asv  •  oX  s'ea'.ocvTc^ 
(Jj  G  l^cv  mit  falschem  Accent)  B  582,  ferner  aXXa  OsoT^^v  ba- 
i^3(ji,£v  aöavaio'.aiv  V  1045. 

hl'.zc.  Die  etymologisch  begründete  Länge  des  Vocals  i 
(aus  *£vc'.ric;)  ist  auch  in  der  Thesis  voll  erhalten  A  603  ^asov 
e?  £vo'.6v  y.£v  ejstoao;  5Xy.7.;  avj^sat  vgl.  Hom.  A  726  EvBto».  lx,ö- 
ij,£sO'  und  0  450  £v5'.o;  3'  6  Yipwv,  vgl.  Kallimachos  Fr.  134.  3 
l'oco;  ivsto'.o,  Theokr.  XVI  95  zo'.!j.£vac  £vc(o'jc;  doch  kürzt  Äpol- 
lonios auch  schon  den  Vocal  A  1322  svs'.ov  •f,iji.xp  £r,v,  worin  er 
später  bei  den  Dichtern  der  Anthologie  Nachahmung  fand. 
Durchgehends  verfährt  er  so  mit  dem  t  in  den  Compositis 
£Üowi  A  521  und  j-rjoic;  A  584  T  1202  Gz-jo-.a  A  1731 5  diese 
Wörter  kommen  im  alten  Epos  nicht  vor,  so  dass  unser  Dichter 
an  keinen  vorliegenden  Usus  gebunden  war.  Die  ursprüngliche 
Länge  findet  sich  aber  doch  bei  Aratos,  und  zwar  bei  öjq'.s;:  784 
£jBl:c  y,'  £1'y]  823  5x'  £uc(ou,  y.v/j^r^iJ.vtzq  916  i-CT'  £jstO'.  -o-io^nx'.,  bei 
•jzcjo'.or :  1012  zhzt  TzaA'.ppcO'.;'!  y.£v  -jziyo'.o'.  ocpiotvTS,  obzwar  bei 
diesem  Worte  das  •.  auch  kurz  gebraucht  erscheint ,  u-£joio; 
v.Tf  827   'jT.tJO'.oq  v.r^q  990  •jZ£uo'.a  '/:j'/yx  1035. 

Durchwegs  lang  erscheint  '.  in  £7:i0j£i;  B  1154  f  354 
£7:;6'jsj7a  A  1238  nach  homerischem  Vorgange  iTZiÖJouai  Z  175 
£'K'.6'jsavT£q  •::  297  ir.i^'jzK  Hom.  Hymn.  475.  Der  Grund  dieser 
Quantität  liegt  in  der  doppelconsonantischen  und  daher  position- 
bildenden Kraft  der  folgenden  Aspirata,  vgl.  Koscher  de  aspirat. 
vulg.  apud  Graecos,  Gurt.  Stud.  I  b  214. 


448  Rzach. 

Spr,:^  und  Deriv.  Die  Quantität  des  -.  wechselt,  lang  ist 
es  in  der  Arsis  bei:  Qpr,'.y.<.  A  24  (::)p-/^'.-/.sc  A  632  0pr)i/.tcc  A  905 
0p-^(v.'.ov  A  1110,  kurz  in  der  Thesis  bei  öpv^-.y.ac  A  637  0pr/ato; 
A  214  epr,ty.(o'.o  A  1300  Bpr.r/.'oj  B  427  A  14s4  Op-o'.xi'o'.c  A  954 
Sprm  A  602  epr/.y.i-oc  A  20.  795.  826.  1113  Öpy;'.y,(r,v  A  614.  799. 
Homer  kennt  nur  kurzes  t,  die  erste  Spur  der  Länge  findet  sich 
bei  Hipponax  Fr.  42  und  120.  Zu  Apollonios  Zeit  war  die 
Quantität  schon  schwankend,  wie  der  Gebrauch  des  Kalli- 
machos  zeigt:  Länge  in  Arsi  öpY^r/.».  Hymn.  Artem.  114;  Kürze 
in  Thesi:  Qpi'xoc  Del.  63  epviaiYiv  Fr.  109,  1. 

c(a).  In  den  offenen  Formen  des  Präsens  steht  t  überall 
in  Arsi  als  Länge  (A  196  B  441.  1166  T  28.  88  A  818);  die 
Formen  des  Aorist's,  die  bei  Homer  stets  langes  ;  in  Arsi  zei- 
gen, z.  B.  -  390  ofeaTO,  weisen  bei  unserem  Dichter  doppeltes 
Sigma  auf,  so  dass  sie  zunächst  hier  nicht  in  Frage  kommen; 
doch  aber  finden  wir  auch  eine  Form  Ci<.ci\j.r,'i  A  291  (im  Vers^ 
anfang)  mit  einfachem  7,  die  also  den  Vocal  i  als  Kürze  hat 
vgl.  o)(7aT'  bei  Moschos  I  8  (L  A.)  und  jenes  wicäirr,"/  Anth. 
Pal.  V  247.  2  (I.  A.)  VI  70.  4  (IL  A.).  Dieser  Fall  ist  ganz 
vereinzelt  und  ohne  homerisches  Vorbild,  jedoch  insoferne 
berechtigt,  als  auch  Homer  wenigstens  in  den  präsentischen 
Formen  i  in  der  Thesis  kurz  misst,  z.  B.  A  558,  im  Aorist 
konnte  dies  schon  deshalb  nie  der  Fall  sein,  weil  er  sich  nie 
augmentirt  findet. 

u.  Wechselnde  Quantität  zeigt  dieser  Vocal  in  den  Eigen- 
namen üsßpjy.c?  und  Bsßpuxir;;  in  solchen  Ausdrücken  war  den 
Dichtern  stets  eine  grössere  Freiheit  hinsichtlich  der  prosodi- 
schen  Messung  gestattet,  zumal  wenn  es  Fremdwörter  waren. 
Apollonios  konnte  auch  insofern  freier  verfahren,  als  die  er- 
wähnten Eigennamen  dem  alten  Epos  unbekannt  sind.  Das  u 
ist  lang  in  der  Arsis:  Bsßpu/.E;  B  792  ßeßpj/.a;  B  129.  768,  aber 
auch  in  der  Thesis  Bsßpj/.wv  B  2.  70;  kurz  in  der  Thesis  ße- 
ßpuy.£?  B  98    Bsßpjy.io;  B  136. 

Ohne  homerisches  Vorbild  ist  u  in  der  Arsis  lang  bei: 
3jcix£vcu  A  925  sjoixsvrjG'.v  r  225  oüeio  A  581  F  1191  A  1524 
ävcCjiTO  A  1128.  Diese  Messung  gestatteten  sich  die  Dichter  des 
alexandrinischen  Zeitalters,  so  Kallimachos  Su3ijl£vcj  Ep.  22.  2 
o'jo;a£vwv  Ep.  20.  6,  dem  Apollonios  wahrscheinlich  folgte;  vgl. 
auch    Aratos    ojoiJ.Evoto   840.  880    o'jo\).vjo'j  853;    spätere   Epiker 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  449 

ahmten  es  nach,  Orph.  Lithik.  503  ODO[j.ivr,  Nonn.  Dion.  VII 
28(3  cÜETa-.   Triphiod.  452  ioJz^o. 

Bei  fyj-(drr,p  wechselt  die  Quantität  von  j  in  Hebung  und 
Senkung,  wie  in  den  homerischen  Dichtungen.  Lang  ist  es  in 
Arsi  bei  ej^aispa  ß  947  A  1493  Ouvaiip'  A  897  OyvaxEpojv  A  10, 
kurz  in  Thesi  bei  allen  synkopirten  Formen  und  dem  Vocat. 
O'jvaTcp  r  11. 

T;XY)[A|j,yp(:.  An  zwei  Stellen,  B  576  und  A  1241,  ist  j  in 
der  1.  Thesis  lang,  indem  unser  Dichter  dem  Vorgange  des 
Panyasis  gefolgt  zu  sein  scheint  Fr.  12,  18  (Kinkel,  Epicc. 
Graecc.  Fragm.)  -^aOa'.  7:).r,[j.|j;jpcvTa  XsAajjxsvov  suspcsuvawv.  Kalli- 
machos  brauchte  u  auch  lang,  aber,  so  weit  wir  aus  den 
Ueberresten  seiner  Poesie  schliessen  können,  nur  in  Arsi: 
Hymn.  Del.  263  xp'JJw  o'£-X-<];x;rjp£  ßxÖJC  'Ivw-^rb;  ik'.yßziq.  An 
einer  Stelle  aber  brauchte  Apollonios  u  als  Kürze  A  1269, 
weil  er  das  ganze  erste  Hemistichion  aus  Homer  entnahm  -.  486 : 
zAr^jxiJ.'jpl;  £•/.  zsv-o'.o,  wo  der  Vocal  kurz  ist. 

Endlich  ist  noch  'jowp  zu  nennen,  dessen  j  im  alten  Epos 
in  der  Arsis  lang,  in  der  Thesis  kurz  gebraucht  ist.  Bei  Apol- 
lonios steht  es  damit  ebenso ;  kurz  ist  es  in  der  Senkung  in 
den  Formen  jowp  B  590  Y  225.  343  A  1615  uoaxcaciv  ß  939 
r  860,  lang  in  der  Hebung  in  allen  übrigen  (34  an  der  Zahl) 
und  im  Compositum  isucaTiV^  A  1229;  der  Nom.  'jowp  ist  hieran 
mit  ß  791   und  weitern  13  Stellen  betheiligt. 

4.    Diphthonge. 

at.  Dies  steht  nach  ionisch- epischem  Sprachgebrauch  in 
der  Conjunction  a- =  $-.,  fast  nur  in  der  Verbindung  al'  v.i. 
und  zwar:  A  171.  623.  678.  706.  1293  B  1128  T  26.  404.  1056, 
einmal  ohne  v.i  T  712    a?  vap  sssXXev. 

«•£•  A  374  und  au  weiteren  14  Stellen,  e-saui  A  1138,  aisv 
A  499  und  17  Stellen,  s-cra-iv  ß  716.  Daneben  aber  lesen  wir 
asi  A  861.  1225  B  738  A  536.  794  wie  bei  Homer;  dagegen 
nur  asvao'.  F  222  und  äsvaoiai  T  860,  woraus  zu  folgern  ist,  dass 
unser  Dichter  an  der  homerischen  Stelle  v  109,  wo  La  Boche 
auf  Grundlage  der  Handschriften  und  nach  Eustath.  1735,  56 
£v  c'  uBat'  äivasvra  herstellte,  dies  auch  gelesen  hat. 

Den  Diphthong  hat  constant  aiiioj  Y  852  a-sTÖv  B  1250. 
1259    wie  bei  Homer. 


450  Ezach. 

Während  im  einfachen  Verbum  vaico  und  im  Compositum 
evvaio)  (evvabua'.v  A  519  evvaiovTö?  A  107Ö),  dann  im  Substautivum 
Tcepivaistac  A  1149.  1222  B.  18G  A  405.  470  das  ursprüngliche 
ai  erhalten  ist,  kennt  unser  Dichter  nur  £vvai'r/]v  B  1033  evvaexa; 
A  921.  1048.  1180  B  1085  A  1174  br,aixaiq  B  1273  h^xivr^z: 
B  517  A  410,  ebenso  ewasw  A  1126.  Schol.  zu  B  1085: 
evvaixai  •  /.ai'  e^aipeatv  toü  i,  cv'  75  evvasxa'..  Der  Grund  dieser 
Gebrauchsweise  ist  einfach.  Da  £vvatexT,c  und  die  Casus  obliqui 
in  den  meisten  Fällen  für  den  Hexameter  unbrauchbar  sind, 
der  Dichter  aber  das  Wort  öfter  anwenden  musste,  so  sah  er 
sich  genöthigt,  eine  sprachliche  Form  zu  wählen,  die  auch  dem 
Metrum  Genüge  that.  Den  Weg  hatte  ihm  Zenodot  gewiesen, 
der  für  vaTs  die  Form  vae  brauchte.  Schol.  Z  34  vaTc  ok  Sat- 
vtöevTO;;  •  ÖTt  ZrjviooTOc  ypoctpst,  bq  vas  Zy.vn6vncq  und  N  172  OTt 
Zvjvöooxoq  Ypacei  Sc  vas  n-/]Satov.  Von  dieser  zenodotischen  Schreib- 
weise, die  durch  ähnliche  Erscheinungen  veranlasst  war  wie 
attisches  'ttoeo)  neben  Tuotsw,  konnte  der  Dichter  die  benöthigte 
Form  iT/(xi-r,q  sich  bilden. 

Neben  itaTpoc,  das  ausser  A  318  noch  33  Mal  vorkommt, 
begegnet  uns  fast  ebenso  häufig  die  dem  epischen  Sprach- 
gebrauch gleichfalls  geläufige,  nur  anders  gebildete  Form  'ixapoq, 
A  429  und  noch  30  Mal. 

£t.  Dieser  Diphthong  ist  in  einigen  der  epischen  Sprache 
angehörigen  Worten  durch  Ersatzdehnung  in  Folge  Ausfalls 
eines  Nasals  aus  e  hervorgegangen,  und  zwar,  in 

^sTvoc  und  den  Derivaten  (ursprünglich  ^svFoc,  das  F  in- 
schriftlich belegt  auf  der  Grabschrift  des  Menekrates  Z.  3 
Tupi^evFo?,  daraus  ^svvoc  und  ^=Tvoc).  Das  Substautivum  Hiivo; 
findet  sich  A  208  und  an  27  anderen  Stellen,  weiter  Hstvicj 
B  1132  r  193  a^ci'voto  B  548  'A;ecvov  B  984  'Ej^civoio  B  378 
eu^sivotat  A  1018  B  804  eu^s-vw?  A  963.  1179  ^sivoÜaOai  A  849 
e-jjs^etvouvxo  B  763  ^s(vt'  A  1553  ^siviqiov  A  770  und  an  8  wei- 
teren Stellen.  Ferner  sind  hier  zu  nennen  das  Adjectiv  y.ö'.vag 
r  1346  (aus  ursprünglich  *äcvjo;  /.ewic),  woncben  7.vfe6q  (eben- 
falls aus  der  Grundform,  indem  sich  j  vocalisirte  und  zu  c 
schwächte)  öfter:  xsvcoTat  A  285  xsvcai  B  445  Y.evs.(x'.q  Y  126 
v.B'teiq  H  254  F  1120;  weiter  ctsivöv  A  311  cxevr/i  A  1576  ats'.vy^v 
A  1452  aizvfdq  A  43.  1230,  und  das  Substantivum  cxc'.vtoTrto  B  1191 
(7X£'.vu)-6v  B  333.  549,    endlich   ehiv.x    (vergl.  lesb.  evvexa)   A  666 


Grammatische  Studien  zn  Äpollonios  Bliodios.  451 

B  180  A  191.  398.  650.  809.  1099  tbevC  B  261  r  721  avcy.sv 
B  216.  1131  A  1034.  1716.  Daneben  findet  sich  vereinzelt 
£vcx'  A  1523  und  svsxsv  A  364,  wie  Homer  p  288.  310  u.  s. 

Eine  zweite  Gruppe  bilden  die  Adjectiva  auf  eioq  mit  dem 
Suffix  io  (im  Attischen  auf  zoq),  und  zwar  atoyjpeirj  B  340  ü(ot,- 
pdriz  A  733  c'.CYjpiiiov  A  776,  daneben  aber  ciSv^psa  B  376;  xciX- 
7.eioq  A  1638.  1676  yaXxetoto  A  1670  /aXy.iuo  A  430  yak-zAr^c, 
A  1641  yXAxeiY)  A  746  T  1308  /aXxsiriv  B  1055  T  1264.  1281 
yß.-Ai',o'.  A  762  -/yAxsioic;  A  1059  A  1644  xaAxciYjj'.  A  1532  yx\- 
xcia'.c  r  1339  yjxX'Atiixq  B  1069  /xXxeta  A  627,  woneben  zahl- 
reiche Formen  auf  eoq  vorkommen :  ydX-Azoq  A  1646  ya/aeov 
r  1309.  1318  XOLkvAri  (L  das  unmetrische  ya/asiY))  A  1207 
Xa>.y.£ojv  r  62  yaXv.ioic  T  499  xaXyiYiJiv  B  1249  Y  218  yaXy.sa 
r  230.  1284  a'i093;  endlich  ypuaetsv  A  4.  889  B  1144.  1193. 
1224  r  88.  180.  404  A  87.  162.  341.  439.  1709  /.pu^s-r)  T  46 
yp'jztir,v  F  1228  ypuaefotc  T  118.  877  yput7ctat(;  x\  221;  daneben 
ziemlich  häufig  die  andere  Bildung:  y^poitd  B  1271  XP>J<^£y]  A  740 
r  156  xpÜJEov  r  13  A  176.  1142.  1319  yp'ja£y)v  A  729  ypicsoi 
B  676  ypjcrecov  A  1146  ypucrscq  A  978  ypuar/);:!  A  1366  ypussa 
r   137    7:aYyp'jc7£Cv  A    120    TcavypJcrE?.  A   1397. 

Dieselbe  Bildung  wie  die  genannten  Adjective  hat  oloik- 
cps'.oi  r  731,  das  vereinzelt  neben  dem  gewöhnlicheren  aSsAq/ec? 
A  192  ao£A9siv  A  92  aSeX^soi  F  657  vorkommt. 

Endlich  ist  hier  noch  des  Eigennamens  Teir^v  A  1139.  1151 
B  1235  zu  gedenken,  woneben  die  Form  'Pir,  A  506  begegnet. 

Diphthongischen  Anlaut  gegenüber  dem  gewöhnlichen 
blossen  s  finden  wir  in  zwei  nicht  augmentirten  Formen  von 
säw:  etaxe  A  873  (impcrat.),  elüai  T  409,  (letzteres  freilich  nur 
nach  einer  plausibeln  Conjectur  von  Gerhard  oCeq,  elüci  für 
das  handschriftliche  otc^iwci),  vgl.  Homer  du  A  55  c?w5'.  B132  5 
daneben  hat  Äpollonios  auch  die  Formen  sa  (imperat.)  T  1120 
nach  Homer  0  472  ii<Jr^q  A  825  nach  Homer  E  684. 

Bei  dem  Verbum  £ia(scü)  resp.  iXiiou>  jedoch  weicht  unser 
Dichter  von  der  homerischen  Gebrauchsweise  weiter  ab.  Wäh- 
rend wir  bei  Homer  dem  diphthongischen  Anlaute,  von  M  49 
abgesehen,  wo  die  Ueberlieferung  zweifelhaft  ist,  nicht  einmal 
in  den  augmentirten  Foi'men  begegnen  (nur  Hom.  Hymn.  VH  40 
ist  srAicasTO  beglaubigte  Leseart),  hat  dies  Verbum  bei  Äpollonios 
auch  in  den  nicht  augmentirten  Formen  der  Diphthonge  ebenso 


452  Rzach. 

häufig  wie  den  eiiifaclien  vocalisclicn  Anlaut.  Wir  lesen  näm- 
lich: ciXiaacxat  Ji  981  siXicaiv-ai  V  138.  1220  A  140.  261.  1281. 
1452  tl'/J.qocax'.  1  949  tT/d'/ßziioi.  V  055  (dazu  die  eventuell  aug- 
mentirten,  resp.  reduplicirten  c'.X((7J£to  A  1001  e-.XwaovTO  A  844 
A  937  s'.Xrj'pivoc  A  1541)  5  der  Diphthong  lässt  sich  etymologisch 
begründen,  indem  vor  das  einstige  Digamma  der  Verbalwurzel 
FcX  der  Vorschlag  s  vortrat,  der  dann  mit  dem  folgenden  £  contra- 
hirt  ward.  Mit  einfach  vocalischem  Anlaut  begegnet:  Ddaav.q  A  463 
akkaei  A  1062  sXiaasTai  ß  368  sXiacjojvTa-.  A  934  iX'^a;  B  25  iXta(JO[jiE- 
vow  A  145  £Xw(jö[;.£vov  r  1277  £Xiaa6iJ.£va[  A  1198    D.v/ßiiq  A  1520. 

Weiter  treffen  wir  den  Diphthongen  £'.  gegenüber  ge- 
wohnlichem £ :  in  der  Präposition  s-.v  A  460  A  232  (die  aus 
elvi  hervorging)  und  im  Compositum  £ivaX(-^  A  583. 

Besonders  hervorzuheben  ist  die  singulare  Form  des  Ad- 
verbs aa/£'o£ia);  T  897  für  aoeioioic.  Wir  haben  hier  eine  falsche 
Analogiebildung  zu  statuiren. 

z'Mq  A  1658  (und  durch  wahrscheinliche  Conjectur  auch 
r  1326)  zeigt  wie  t£':w?  A  359.  406.  640  B  132  r  965.  1134 
A  76.  285.  821.  1588.  1617.  1687  den  Diphthongen,  während 
wir  swq  B  398  T  98  A  302  und  tsw?  A  507  r  844  A  1474 
lesen.  Jene  diphthongischen  Formen  repräsentiren  im  altepischen 
Dialekt  nur  die  falsche  Schreibung  für  rjoq  und  x^oq  (skt.  jävat), 
während  £0);  und  tiw?  aus  diesen  letzteren  durch  Umspringen 
der  Quantität  hervorgingen. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  •A£Tav  A  588  (=  x^av)  im 
Versanfang.  Frühzeitig  war  in  den  Homertexten  £i  für  r^  in 
diesem  Worte  eingedrungen :  Schol.  H  zu  X  74  r,  -/.sivy)  y.ay,x£iai, 
'ApicTapxo?  y.ay.y.^at,  Eustath.  737.  14  o-.a  oioOiYTO'J  ^£  >^a''  vOv  xb 
v.v.d'no  "zoLpx  -olq  -kolXt.'.o'.c  avTivpa^ot? ;  Apollonios  schloss  sich  der 
gewöhnlichen  voraristarchischen  Schreibweise  an. 

Neben  v£aTo;  (z.  B.  v£aT(;)  A  946,  sonst  noch  4  Mal)  braucht 
unser  Dichter  einmal  die  Form  vciaTov  Y  763,  die  bei  Homer 
ziemlich  häutig  begegnet,  z.  B.  Z  295.  Der  Diphthong  reprä- 
sentirt  die  Ersatzdehnung  für  den  Ausfall  des  einstigen  Di- 
gammas  (vsFoc,  lat.  novus,  wir  sollten  übrigens  vr^aTc;  erwarten). 

Der  Diphthong  £'.  erscheint  woiters  in  einigen  Verben, 
die  sonst  auf  £a)  ausgehen,  indem  hier  eine  Bildung  nach  der 
J-Classe  vorliegt.  Sie  gehören  sämmtlich  bereits  der  alt- 
epischen Sprache  an : 


Grammatische  Stadien  zu  Apollonios  Rhodios.  453 

Osiwsiv  B  280  an  erster  Versstelle,  nach  dem  homerischen 
ösiY]  Z  507  0£'£'.v  K  437  u.  s.  w.  Alle  übrig-en  Formen  des  Präsens- 
stammes (23  an  der  Zahl)  sind  von  Oso)  gebildet. 

7cv£(ou(7iv  B  499  (Homer  z.  B.  -vstsi  P  447)  ava-vEiwv  A  472 
avaTCvsiou?«  B  737  aixzvstovTs;  F  1292  a[X'::vci£(r/.ov  F  231  (aber 
avEzvcOv  B  607)  e-tTTVctouctv  F  937  extTrvci'wv  A  1359  eTC'.-vsiovtcc 
B  961    s-tTcve-lovTö  F  1327. 

ßaöuppsi'ovTO?  B  795  ßxO'jppsbvTÄ  B  659  (L.  Dindorf  in  Steph. 
Thes.  ßaOi»  psi'ovTa)  nach  dem  hesiodischen  -KOTaixil)  peiovii  ioixo)? 
Fr.  237 ;  bei  Homer  kommt  ein  psi'w  nicht  vor. 

0'..  Zu  bemerken  ist  nur,  dass  unser  Dichter  von  der 
epischen  Form  tüvct^  (F  343  und  an  sonstigen  22  Stellen),  deren 
Diphthong  organisch  durch  Ansetzung-  des  Suffixes  -a  an  den 
Stamm  entstand,  häufigen  Gebrauch  macht;  ebenso  verwendet 
er  die  mit  demselben  Suffix  gebildeten  epischen  Formen  üoi-qq 
A  576.  1143  F  898  ^roir.v  F  1424  und  -/potf^  F  122.  855  A  656, 
dann  das  Adjectiv  r.ovf^^vnu  A  115. 

ui.  Zu  verzeichnen  ist  hier  söu'.ev  F  755,  welches  L  be- 
wahrt hat.  Der  Diphthong  j'.  erhielt  sich  gemeingriechisch  in 
G'j'.x;;  (A  636  Öuiac.v),  während  das  i  im  Verbum  durch  die 
Mittelstufe  des  Spiranten  j  hindurchgehend,  gewöhnlich  ganz 
ausgefallen  ist.  Cod.  G  hat  eOusv.  Das  Scholion  bestätigt  die 
Ueberlieferung  von  L:  topfxa  iy.vnho  ■  svOsv  Gutacs;  a'.  Baz-xa-, 
vgl.  die  Glosse  des  Hesychios :  eOu-.sv  •  hz\t.7hzxo  etpE/sv.  In 
unserer  Ueberlieferung  der  Ilias  und  Odyssee  lesen  wir  das 
Verbum  jedoch  nur  mitT*,  z.  B.  A  342  Gje-.  im  Versschluss.  Aber 
an  einer  Stelle  der  Hom.  Hymnen,  H.  auf  Herm.  560,  ist  uns 
öjtwriv  gut  überliefert,  so  dass  wir,  wenn  Apollonios  nicht  auch 
in  Ilias  und  Odyssee  den  Diphthongen  las,  diese  Stelle  als  sein 
Muster  ansehen  können.  —  An  einer  zweiten  Stelle  F  865  bieten 
übereinstimmend  LG  ÖOsv;  gewiss  that  Merkel  Recht  daran,  auch 
hier  im  Einklänge  mit  jenem  sOuisv  den  Diphthongen  zu  restituiren. 

vj.  Bemerkenswerth  ist  dieser  Diphthong  in  sjäcs  \  (597 
B  501  F  1083  suvsuacs  F  30.  In  der  homerischen  Sprache  hatte 
sich  durch  Vocalisirung  des  P  im  ursprünglichen  sracs  (W.  cFao) 
der  Diphthong  cj  entwickelt  (vgl.  z.  B.  tc  28);  unser  Dichter 
machte  von  dieser  alterthümlichen  Form  Gebrauch,  indem  er 
wahrscheinlich  dem  Beispiel  des  Kallimachos  folgte,  Hynin.  Art. 
183.  187   Fr.  191. 


L 


454  ß  z  a  c  li. 

Zu  nennen  ist  ferner  euY.-q\oc,  A  1290  V  709  A  Gl  zavsyy.r/Aoq 
r  119G  surr.Xo)  A  1249  süy.Y)Xci  A  568  V  219.  1172  A  390 
tuyJiMiavi  B  935  su/.v'^Xo)?  B  861.  Auch  hier  entstand  der  Diph- 
thong, indem  aus  urspi'.  *£rr/.*/;Ao;  (mit  prothet.  e)  durch  Synkope 
eFxYjAo;  und  hieraus  euxr^Xo?  ward ;  Homer  z.  B.  A  554.  Daneben 
aber  gebraucht  Apollonios  ebenso  wie  Homer  auch  die  Form 
exYlXo?  A  303    £XY]Xot  T  176.  969   A  1778,  Homer  z.  B.  E  759. 

ou.  Diesem  Diphthongen  begegnen  wir  in  einer  Reihe 
von  ionisch-epischen  Wörtern ,  und  zwar  zunächst  in  Folge 
Ersatzdehnung  für  den  Ausfall  einer  Liquida: 

oh\6\).vfoq  (aus  *6aXo(ji.£voi;  oXvo|ji,£vo<;)  nach  bekannter  homeri- 
scher Weise.  ouXo[j.£voj  T  436  cuXojxEvoto  B  1184  A  1252  cuXci^svw 
A  1011  ohlo[j.tiT,q  A  802  ouXoix£vov  B  153  F  677  ouXc[;.£vai  A  446. 
1485,  ebenso  oüXocv  B  85  T  1402  A  367.  410.  1033.  1024, 
daneben  äusserst  häufig  die  Form  0X06?  V  1338  und  31  Mal, 
dann  oXootppovo?  A  828. 

Youva  (aus  *YovFa  vowa)  B  202  Yoivaxa  T  706.  964  A  779. 
1048  Y^üvax'  r  804.  1350  A  116  -(O'xm-^  Y  817  A  82.  1013 
Ycuvafftv  r  1313  A  93.  940,  dann  in  der  Ableitung  youvou[ji,£vo? 
r  988   Youvoüto  B  1274. 

[j.o5vo?  r  556  und  an  weiteren  23  Stellen,  im  Compositum 
[xouvoYEv^  r  1035    [jiouvoYsvE'.av  F  847    (j-oüvo^OsTcxv  F  742. 

Soupato?  B  1111  cojpaTi  B  1118  Soupi  B  139.  831  F  416. 
1046.  1187.  1281.  1330  3o6paTa  A  1003.  1163  B  1126  A  414. 
1050.  1056  ooupaT'  B  1065  coupaci  B  1062  F  1356.  1375  osupatioic 
B  381.  Im  Nominativ  und  Accusativ  Böpu  (A  446  und  8  Mal) 
erscheint  der  Diphthong  nicht,  da  er  eben  nur  möglich  war, 
indem  u  consonantisch  zu  f  ward. 

xoup-^  A  712  und  an  sehr  zahlreichen  anderen  Stellen 
(ebenso  y.oupcx;  und  Deriv.)  aus  v-öpfrj  7.oppr,.  Nur  an  einer  einzigen 
Stelle  liegt  in  der  Ueberlieferung  die  attische  Form  des  Nomi- 
nativs 'AÖp-ri  vor:  A  811  aü-co);  B'  äoiJ.r,-:ic,  -z  -AÖpy.'.  xhpal  -i  inX  vrfvt 
(L  xöpot).  Die  Herausgeber  haben  sich  an  diese  überlieferte 
Form  gehalten,  obzwar  sie  das  grösste  Bedenken  erregen  muss. 
In  den  homerischen  Gedichten  kommt  sie  nirgends  vor;  das 
vereinzelte  7.spY;v  Ardxy^xspoq  ayv^v  im  Homer  Hymn.  Dem.  439  ist 
sehr  verdächtig,  Vers  438 — 440  sind  übrigens  auch  für  unecht 
erklärt  worden  (so  van  Hermann).  Wenn  Kallimachos  -/.bpTi 
schrieb  Hymn.  Del.  67  xöpry?  Epigr.  54.  3,  so  ist  das  ohne  Belang, 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  455 

da  er  mehrfach  rein  attische  Formen  braucht.  Es  muss  dem- 
nach im  Hinblick  auf  den  constantcn  epischen  Brauch  und  die 
so  überaus  zahlreichen  übrig-en  Stellen,  wo  unser  Dichter  die 
hergebrachte  Form  hat,  die  Ueberlieferung*  an  der  genannten 
Stelle  für  verderbt  erklärt  werden.  Die  richtige  Leseart  ist 
durch    leichte  Aeuderung    zu    gewinnen :    aÜTwc  o'  aof/^xs?  xiijpa'. 

•AO'jpi;  A  18  abgeleitet  von  'Asppr,  (urspr.  7.6pc-q)j  Schob: 
•/.oupt^  c£  y.ata  'AÖppr,:^   y.axa  /.scpaA^c. 

Durch  Epenthese  des  u  aus  der  folgenden  Silbe  entstand 
der  Diphthong  ou  in 

OuXu[/.7cc'.o  A  504.  598.  1099  T  113.  159  A  770  0'6Xo[xr.ivBe 
B  300  r  1358  A  781  OjXu.j.-övo'  B  603,  wobei  die  erste  Silbe 
allemal  in  der  Arsis  steht.  Ein  einziges  Mal  begegnet  daneben 
'OX6[ji7:{o  B  1232  (Versschluss)  mit  einfachem  Vocal  in  der  Thesis. 

TuouA'jc  A  27G  TcouAüv  B  479.  944  Y  211  -ouXÜ  B  351.  902. 
Daneben  fast  ebenso  oft  zoXu;  B  364  A  105  ttoauv  F  424  ttoau 
B  338    r  798 :  ausserdem  in  einer  Reihe  von  Compositis. 

Sonst  findet  sich  der  Diphthong  ou  noch  in 

ouvo[j.a  (urspr.  *0Yvc|xa)  A  20  und  an  17  weiteren  Stellen,  wo- 
neben ein  einziges  Mal  ovcjy.a  begegnetB  1139,  das  Homer  öfter  hat. 

oupo?  (urspr.  *YFopoc,  mit  Abfall  des  y  und  Ersatzdehnung 
für  Fo,  Brugman  de  prod.  suppl.  Stud.  IV  135)  in  den  Formen: 
ojpso?  A  739.  989.  1108  B  1258  A  444  oüpst  B  169  cüpsa  A  501 
B  1016.  1089.  1214.  1239  V  70  A  300.  576.  1215.  1340  ouperov 
r  162  oupsc'.v  A  26.  1150  B  476.  523.  1100  T  969.  1085  A  265. 
Wie  bei  Homer  ist  auch  bei  unserem  Dichter  daneben  die 
Formation  cpo;  gleichberechtigt:  Nominativ  A  941.  1178  B  1015 
A  323  Hpsc;  A  37.  50.  553  A  324.  1150  ipscov  A  1100.  1226  B  400. 
976.  1247    opscctv  B  26   F  858  A  287.  518.  1682    cpixp^ioq  B  34. 

Endlich  ist  noch  vojcro?  B  856  F  676  voucro'.at  A  1674  zu 
erwähnen,  dessen  Diphthong  noch  keine  genügende  Erklärung 
gefunden  hat. 


!5 


5.  lieber  den  Zusammenstoss  von  Vocalen. 

Was  zunächst  die  Patronymika  auf  eio-r;?  (resp.  otcY);)  be- 
trifft, so  sind  die  Vocale  eV  durchweg  offen.  Schon  Brunck  hatte 
mit  Recht  in  seiner  Ausgabe  die  offenen  Formen  eingeführt, 
die  neueren  Herausgeber  aber  machten  hier  einen  Rückschritt 


456  R  z  a  c  h. 

und  schrieben  durchaus  wieder  diese  Vocale  als  contrahirt. 
Wellauer  polemisirt  noch  zu  A  58  gegen  Brunck,  er  schreibe 
, contra  poetae  vohmtatein'.  Wenn  auch  die  Ueberlieferung  nur 
die  Contraction  kennt,  so  lehrt  doch  der  Umstand,  dass  die 
Silbe  £1  niemals  in  der  Arsis  steht,  zur  Genüge,  wie  ApoUonios 
schrieb.  Zudem  wird  die  weitere  Darstellung  zeigen,  wie  wenig 
Contractionen  und  unter  welchen  besonderen  Umständen  er 
solche  überhaupt  zuliess.  Die  Zahl  der  berührten  Fälle  ist  im 
Ganzen  nicht  erheblich,  doch  aber  gross  genug,  um  die  Norm 
deutlich  zeigen  zu  können.  Es  stehen  an  der  ersten  Versstelle 
folgende  Patronymika:  Katveio-/;?  A  58  Nr^Acto«'.  A  959  Ohdor,c 
A  190.  1046  II-/iA£>!o-ov  A  558  'Üpeto-^;  B  110.  Den  Versschluss 
bildet  Kpr,0£ioao  Y  357,  so  dass  £t  in  die  Thesis  des  fünften  Fusses 
fällt;  sonst  lesen  wir  noch  cuv  oh  7.y\  Ohzior,q  T  518  (£V  in  der 
2.  Thes.)  und  'Ep£/0£iBa;  dviy.acrTO  A  101  (£t  in  der  4.  Thes.). 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  Ar,zoior,q  (aus  A-zj-cFicr,;).  Es  steht 
an  erster  Versstelle,  so  dass  6(  in  die  1.  Thesis  fällt:  A  66.  144 
B  181  A-oTc(oYi  B  771  A-qT0'2T,  (Vocat.)  A  1706;  im  zweiten  Fuss 
(ov  in  2.  Thes.)  Ar^xoPyqc  B  698  AriToicao  A  484,  im  fünften  Fuss 
(oV  in  5.  Thes.)    Arjo(oao  A  439   A  612. 

Ausser  den  gewöhnlichen  offenen  Formen  von  ä£OXc;  resp. 
asOXov  (A  15  und  an  53  weiteren  Stellen)  a£eX'.ov  A  997  und 
dem  Verb.  a£0A£ucov  A  362  F  778  aEOAsuovT'.  T  480  aseXsjsuaa 
r  624  finden  sich  zwei  contrahirte  Formen :  d'öXwv  A  1304  und 
aÖAEuwv  B  783,  beide  an  erster  Stelle  im  Verse,  wobei  somit  die 
Contrahirten  Silben  in  die  stärkste,  die  erste  Arsis  fallen. 
ApoUonios  ahmt  damit  aufs  Genaueste  Homer  nach,  bei  dem  wir 
gerade  auch  diese  beiden  Formen  an  erster  Versstelle  contra- 
hirt finden:  ä'OXwv  0  160  äOX£JO)v  Q  734  (sonst  noch  in  dem  bei 
ApoUonios  nicht  vorkommenden  Adjectiv  aOXooipiuc  I  124.  266). 

AaTpav,  so  G  T  847  statt  Koyp-ov,  wie  in  L  steht.  Diese 
Bezeichnung  der  Persephone  stammt  aus  der  ersten  Recension 
der  Argonautika,  das  Schob  L  kennt  sie  und  bemerkt,  dass 
sie  für  Aa£ipa  stehe:  AaTpav  |j,ouvoY£V£tav.  to  AaTpav  xax'  ih\Bi<]tvf 
izxi  Toj  £,  ota  To  [jiTpov  Ax£'.pa  yctp  sati.  Die  contrahirte  Form 
AaTpav  gestattete  sich  ApoUonios  nur  an  der  ersten  Versstelle 
und  auch  da  wohl  nur,  weil  er  sie  in  dieser  Gestalt  schon  bei 
einem  anderen  Dichter  vorgefunden  hatte,  bei  Aischylos  in 
den  ^JV/aY^Yoi,  wie  uns  das  Scholion  weiter  berichtet. 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  457 

fy  für  eäv  wendet  Apollonios  nach  homerischem  Vorbilde 
ziemlich  häufig-  an:  A  891.  898.  907  B  228.  329.  345.  1028 
r  332.  344.  1069. 

£u  erscheint  nur  A  356  nothwendig  oflfen:  osupo  ßsa;  aYsXYjOsv 
ib  y.pivavTx;  iXa^aat  (Homer  z.  B.  q  247),  sonst  hat  die  Ueber- 
lieferung  überall  sy,  auch  wo  in  Thesi  eu  hergestellt  werden 
kann,  was  wir  im  Hinblick  auf  jene  Stelle  auch  zu  thun  berechtigt 
sind;  dies  ist  der  Fall  in  1.  Thesis  B  332.  496,  in  2.  T  155, 
in  3.  r  1034.  An  allen  übrigen  Stellen  steht  eu  in  der  Arsis 
und  zwar  in  der  I.  A  76.  1199  T  1294  A  1536,  in  der  H. 
B  523  r  1209,  in  der  IV.  A  369.  797  T  918,  in  der  V.  A  199. 
1187  B  867  r  1324.  In  der  Composition  bleibt  eu  offen  vor 
folgender  Doppelconsonanz ,  dagegen  ist  es  vor  folgendem 
Vocal  oder  einfacher  Consonanz  contrahirt.  Dieser  Regel  wider- 
spriclit  die  Ueberlieferung  in  A  869,  wo  L  ou  [xav  süy.XstsT?  bietet, 
während  wir  £u/.A£iy]  A  447  i-s/Xti-qc,  A  73.  141  A  379  finden.  Wie 
schon  an  anderer  Stelle  bemerkt  ward,  ist  ou  [asv  hi%\t%€iq  zu  lesen. 

Neben  OaäGasi  V  659  Oxaacwv  A  1026  Oaascstv  A  1274 
(W.  OxFr/.)  braucht  Apollonios  die  aus  O:o)y.cc  (das  auf  *OaFav.o; 
zurückgeht)  contrahirte  Form  Owy.ov  A  667  F  111  nach  Homer 
0  468    0  439  (Homer  hat  auch  Oiwy.oq  ß  26    \x  318). 

Ausser  den  offenen  früher  schon  erwähnten  Formen  0pv.^ 
0pr,aio;  begegnet  uns  einmal  auch  die  Form  OpVjy.*/;:  A  213 
£(7/aT'.-^  0?'fl"''-'1?  Bus/s-i^epcj ,  wie  bei  Homer  ständig  (Opfiy.r,?  an 
derselben  Versstelle  N  301  Y  485).  Für  Homer  hat  übrigens  Nauck 
Bullet.  1877  p.  26  sqq.  wahrscheinlich  gemacht,  dass  überall 
wo  r^  in  die  Thesis  fällt,  dafür  eV  zu  schreiben  ist,  mit  Berufung 
auf  Steph.  Byz.  317.  1  xo  sOvrAÖv  oac.  y.al  Öpeas;  y.al  OyjXuy.w;  Opeicca, 

'lawAy.:?  offen  im  Nominativ  T  1091  (L  IwXxcc  G  das  Rich- 
tige) und  in  der  Verbindung  v.c,  'laovaöv  T  1114  (so  nach  Brunck's 
nothwendiger  Conjectur  statt  des  hdschr.  iq  'JwAy.öv,  da  sonst 
das  i  gegen  den  ständigen  Usus  lang  wäre) ;  beide  Male  stehen 
die  Anfangssilben  in  der  zweiten  Thesis.  Oefter  aber  findet 
sich  die  contrahirte  Form :  i'voov  'Iw/aoj  A  906  (Versschluss) 
£vOiv  CTMC,  £;  'lioXy.bv  a.rr,^(/x'(e  T  2  voor/5(J£iv  iq  IwAy.öv  F  89  ex'  IwAy.bv 
ar.a-.  T  1109  '.£pY;v  iq  'IwAyiv  T  1135  voc-r.ca;  iq  'IcoXy.iv  A  1163 
Ya^av  'IwAy.ioa  A  572.  Homer  kennt  nur  die  offene  Form  B  712 
£uy.-i[X£vr;;  'laioAyiv  (Versschluss)  A  256  £v  £up'j-/6p(0  IxmXvm  (Vers- 
schluss),  aber    schon  in  den   hesiodischen  Gedichten    begegnet 

SiUb.  d.  phil.-hist.  Gl.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hft.  32 


458  Rzach. 

neben  zweimaliger  offener  Form  (in  der  streng  nach  homerischem 
Muster  geai'beiteten  Aspis  380.  474)  einmal  xou;  isXsaa;  £<;  'IwXxbv 
d^i'y.sTO  Th.  997 ;  Apollonios  hat  diesen  Ausdruck  i;  'IcoXy.öv 
viermal  verwendet  und  gestattete  sich  darnach  noch  zweimal 
selbständig  die  contrahirte  Form. 

Ipöc.  Diese  aus  hpzq  contrahirte  Form  hat  unser  Dichter 
nach  homerischem  Vorbild  mehrfach  verwendet,  jedoch  nur  an 
der  ersten  Versstelle,  wo  er,  wie  man  vielfach  beobachten 
kann,  zumeist  zusammengezogene  Formen  zulässt  und  zwar 
cpov  A  1691  tpv^v  A  531  \pi  A  418  Ipoic,  T  1214;  ebenso  muss 
B  1015  die  hdschr.  Ueberlieferung  Izpy/  B'au-:'  e7:t  toTctiv  nach 
Schneider's  Vorschlag  in  '.pbv  o'auT'  v.tX.  geändert  werden.  Dagegen 
widerspricht  der  erwähnten  Observation  Brunck's  Aenderung 
der  hdschr,  Leseart  B  718  xsTc'  '0[j.ovoi*/;(;  Ispov  —  das  folgende 
Wort  lautet  in  L  s^povo?  mit  über  ©  geschriebenem  u,  in  G 
£|j.^povog,  jüngere  Codd.  haben  £'j:ppovoq  —  in  x.  '0.  tpbv  su^povoc, 
da  tpo?  hier  in  die  Mitte  des  Verses  kommt.  Die  Argonauten 
geloben  sich  gegenseitigen  Beistand  und  bauen  der  Homonoia 
einen  Altar;  das  in  G  überlieferte  ep-sp^^^??  dessen  \j.  in  L  ur- 
sprünglich ausgelassen  und  dann,  ohne  dass  die  metrische 
Schwierigkeit  beachtet  ward,  wegen  des  bekannteren  Adjectivs 
e6app(ov  als  u  ergänzt  worden  war,  kann  ganz  wohl  ein  Epitheton 
der  Homonoia  bilden,  wenn  man  es  in  der  Bedeutung  von 
, dessen  (d.  i,  des  gegenseitigen  Gelöbnisses  der  Argonauten) 
bewusst'  ,es  im  Sinne  bewahrend'  fasst;  es  repräsentirt  dann 
G  die  ursprüngliche  Leseart,  ohne  dass  irgend  welche  Aenderung 
nöthig  wäre.  Ausser  in  dem  Adjectiv  lässt  Apollonios  einmal 
auch  im  zugehörigen  Verbum  IpeÜGmxo  B  302  die  Contraction 
zu,  doch  abermals  nur  an  einer  hervorragenden  Versstelle, 
nämlich  am  Schlüsse,  während  dies  bei  Homer  an  verschiedenen 
Versstellen  der  Fall  ist  ^  94   p  181    t  198   u  3.  251. 

xeap;  die  offene  Form  A  274  B  231  T  56.  551.  641.  760. 
954,  am  Anfange  oder  Schlüsse  des  Verses  aber  die  contrahirte 
Form:  xyjp  äyei  cfjiu/ouca  F  446  OapcaAsov  y.v^p  A  477  ©tXov  -ATip  V  492. 
Homer  kennt  nur  die  contrahirte  Form  (xsap  nur  Batrach. 
212) ;  es  zeigt  sich  daher  hier  sehr  deutlich ,  wie  ängstlich 
unser  Dichter   bei  der  Anwendung  von  Contractionen  vorging. 

Beim  Verb.  xXst'w  und  den  Deriv.  hat  unser  Dichter  entgegen 
dem  Gebrauche  bei  Homer,   wo  nach   Nauck's   überzeugender 


Grainmatisclie  Studien  zu  Apollonios  Hbodios.  4o9 

Darstellung  (Bullet.  1872  p.  472  sqq.)  offenes  eX  anzunehmen  ist, 
wenigstens  in  der  I.  Arsis  sicher  den  Diphthong.  Da  sonst  ei 
in  die  Thesis  fällt,  so  ist  es  dann  wahrscheinlich  als  offen  zu 
lesen.  y.Ast'o)  steht  in  der  Arsis  in:  xAsiojcriv  A  217  F  357  A  987 
(I.  Arsis)  xAsioviat  A  238  (I),  sonst  in  der  Thesis:  y.Xeioujiv  A  59 
(4.  Thes.J  r  277  (4)  1003  (4)  A  829  (4)  y.XsTov  ß  163  (2)  xA£':o)[j.sv 
B  687  (2)  vlziea^x:  B  977  (5)  iTrr/.Xeioüciv  A  18  (4)  A  571  (4) 
1599(4)  £7:'.xXctotT£  B  1156  (4)  e-r/.Xstovxs;  B  700  (2)  1553(4) 
\j.i-x/Xv.o\j'j'  B  296  (4).  Ausserdem  lesen  wir  ei  in  der  Arsis  beim 
Eigennamen  KA£iozaTpY;v  B  239  (Versanfang),  in  der  Thesis  bei 
£-j7.Asi-^;  A  73  (4)  A  379  (2)  staas-sTc  A  869  (2)  euxXeiYi  A  447  (2) 
iuxAS'lr;;;  A  141  (4).  Ebenso  begegnet  es  uns  in  rrjXexAe'.tv^v  F  1097 
(4.  Tlies.),  dann  im  Eigennamen  Kasitt,  A  976.  1063  Ka£ity;v 
A  1069,  an  der  ersten  und  letzten  Stelle  im  Versanfang,  A  1063 
in  der  dritten  Thesis.  Mit  Hyphärese  des  einen  e  aus  dem 
Stamm  y.Asec  ist  y-Asa  gebildet  A  1  A  361  und  ebenso  das  Verbum 
eV.Asov  F  246  nach  homerischem  und  kallimachischem  Muster 
(y.A£0|xa'.  V  299  £y.A£j  Q  202  sxaso  Kallimachos  Hymn.  Del.  40)  5 
doch  weicht  Apollonios  vom  homerischen  Sprachgebrauche  in- 
soferne  ab,  als  dieser  ein  actives  Verbum  /.asw  nicht  kennt, 
sondern    nur  ein   mediales  y.A£OiJ.a'.. 

Neben  y.Xr,iu£Txi  A  1153  y.sy.AT^i^xat  A  618  exAr^t-iat  A  990 
ey.Ar/.cTo  A  267.  1202  kommt  einmal  auch  eine  contrahirte  Form 
vor  F  993  v^pwsc  y.AYjCOuc.v  ic,  'EAAäoa  vocnQaavTSc ;  Vorbild  für 
Apollonios  war  hier  der  hom.  Hymn.  XXXI  18  ey.  ch  o'ap;a[j.£vo; 
y.AYjcco  [j.£ps'::o)v  ^ivo;  avopwv  -^[j.'.öiwv  (vgl.  Homer.  Epigr.  IV  9 
rfiz-Xivr,'/  y.Afjirai  oTav  yßyjoL). 

AuxoopYcc  A  164  A'jy.oopYi'.o  B  118  bleibt  offen,  dagegen 
gebrauchte  Apollonios  contrahirt  Kop'.vOtoupYic  in  der  y.Tist; 
KavwTTOj;  Steph.  Byz.  s.  v.  KiptvÖi;  et  tS/J.toc.  KopivO'.c.  •  -b  (jjvOcTov 
Kop'.vO'.ojpYT^^  w;  'A-x'.y.o'jpYO^ ■  'A'^cAAwvto?  c  'PsB'.o;  K-r/Mr.M  Czj-ip(<) 
Kop'.ve'.s'jpYe?  £ST'.  vgl,  Michaelis    de  Apollon.  Rhod.  fragm.  p.  6. 

Hier  muss  auch  der  Falschbildung  jA-zjOjpYO''  B  80  gedacht 
werden  =^  jAcjpYoi.  Apollonios  behielt  den  a-Stamm  'JAr,  bei 
und  setzte  zum  Zwecke  der  Composition  noch  ein  0  an,  so 
dass  dann  jene  Form  sich  ergeben  konnte. 

Yq/.t'.QZ  A  476.  1503  (Versanfang)  yc^/.z'm:  A  610.  1214 
B  626  A  986  (an  den  drei  ersteren  Stellen  im  Versanfang). 
Bei    Homer    kommt    noch    keine  Form    mit    dem    Diphthongen 

32* 


k 


460  lizach. 

vor,  dii  statt  der  Contraction  Hyphärese  des  einen  £  eintrat, 
wohl  aber  beg-egnet  uns  vr^Xeis;  an  erster  Versstelle  im  homer. 
Ilymn.  Aphrod.  245  und  an  derselben  Stelle  Yqkzir,q  bei  Hesiod 
Th.  770.  Die  synkopirte  Form  verwendet  unser  Dichter  gleich- 
falls: vy;A£ec  A  389  an  erster  Stelle  irr^Aziq  A  1047  nach  Homer 
z.  B.  n  33.  Endlich  finden  wir  auch  noch  die  weiter  con- 
trahirte  Form  YQKr,q  \  1438  an  erster  Stelle  nach  Homer  I  632, 
vr)X£a  A  588  an  erster  Stelle  nach  Homer  T  229.  Was  die 
A  703  an  der  Spitze  des  Verses  in  L  überlieferte  Form  Yqrr,v.q 
'.y.sxai  betrifft,  so  ist  diese  offenbar  in  Yqktietq  zu  ändern,  was 
G  bietet;  die  Bedeutung  ist  eine  passivische  ,mit  denen  man 
kein  Mitleid  hat'.  Auch  die  Stellung  im  Verse  spricht  dafür, 
dass  nicht  wj^eiTsT? ,  was  man  nach  ßekker's  Lesung  in  Homer 
conjiciren  wollte,  zu  schreiben  ist.  Yr,Ke':/jq  steht  bei  Apollonios 
überall  an  erster  Stelle,  er  folgt  hier  streng  den  erwähnten 
Vorlagen  bei  Hesiod  und  im  Aphroditehymnos. 

otv  r  1199  ctwv  B  465  o'.c  B  491  mit  offenen  Vocalen, 
aber  A  1090  evi  /.wcaiv  oiwv  im  Versschluss  wie  bei  Homer 
u  142  y.wcciv  ctwv  (sonst  ist  oiwv  noch  ziemlich  häufig  bei  Homer 
im  Versschluss  contrahirt,  so  A  678.  696  0  323  i  448  |x  299 
^  100). 

eq  'OröcVTo;  A  69  (Versschluss)  offen  wie  Homer  Z  326  elq 
'Otocvtä  und  B  531  'OTuöcvia;  Apollonios  verwendet  aber  auch 
die  contrahirte  Form  A  1780  'O:rouv-ia  t'  äcrea  Aoy.pwv.  Die 
contrahirte  Silbe  steht  in  der  vierten  Arsis;  zugleich  wird  die 
Contraction  auch  durch  die  Stellung  des  Wortes  am  Anfange  des 
zweiten  Verskolons   nach  der   trochäischen  Cäsur    entschuldigt. 

hib)  (urspr.  cFiw)  ist  zumeist  offen  A  196  B  441.  1166 
r  28.  88  A  818,  contrahirt  im  Versschluss  A  829  T  523  (nach 
Homer  E  252  K  105  T  71  u.  s.)  und  einmal  in  der  Hebung 
des  dritten  Fusses  B  1222  aXXa  -/.y.l  •r)[j.£a;  ol'w  szicTraiJ.svcj?  zoAeixoto. 
Diese  letztere  Gebrauchsweise  ist  bemerkenswerth ,  da  ein 
homerisches  Vorbild  dafür  nicht  vorliegt.  Alle  übrigen  Formen 
des  Verbums  sind  offen:  o(c[7.at  A  ()90  B  645  J^  .479.  1079 
A  197.  1654  oieaO'  B  342  oi6iJ.£vov  A  1037  bU'o  T  623  otasaxo 
r  456.  1189  A  14  otGc?aiJ.£voc  \i  1135  F  926  wicra|j.Y;v  A  291. 

T.ix'.q.  Der  homerischen  Gebrauchsweise  entsprechend  ge- 
braucht unser  Dicliter  das  Wort  offen,  ausgenommen  die  Fälle, 
wo  es  in  die  Arsis  kommt.    Wir  lesen  es  zweisilbig  und  zwar 


GrammiitiKche  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  461 

1.  beide  Silben  in  der  Thesis :  A  67. '202  R  703  T  241.  361 
A  460.  912.  1762  durchwegs  in  der  4.  Thesis;  die  Ueber- 
lieferung  bietet  hier  auch  überall  die  offene  Form  bis  auf 
A  202  und  F  361,  wo  in  L  und  G  r.cdc  steht;  doch  ist  selbst- 
verständlich kein  Zweifel,  dass  auch  an  diesen  Stellen  die 
zweisilbige  Form  hergestellt  werden  muss.  Ausserdem  lesen 
wir  das  bei  Homer  noch  nicht  vorkommende  Compositum 
ßsüra'.c  A  760  im  Versanfang  als  zweisilbig  überliefert,  so  dass 
der  zweite  Bestandtheil  in  die  Thesis  fällt;  auch  hier  werden 
wir    consequenter  Weise    die    offene    Form    herstellen    können. 

2.  T.i'.:  ist  zweisilbig,  indem  die  zweite  Silbe  in  Folge  Positions- 
länge in  einer  Arsis  steht :  A  224  (IV)  570  (III)  Y  866  (tc  vor 
einem  Vocal  lang  wie  Hesiod  E  376  in  III.  Arsis)  A  905  (IV) 
-äiv  A  697  (IV).  Contrahirt  erscheint  TiaTc  an  erster  Versstelle 
A  96  T.odq  ccyäOoj  TcXiovTsc  vgl.  Homer  r^  300  u  216  ■:  530; 
ausserdem  noch  B  1046  in  der  V,  Arsis:  -cotdtv  5'  A'/^'.ox'j.x; 
[;.j6-r;caT0,  r.saq  AXsoTo;  der  Ausdruck  r^od-  AXsoTo  ist  durch  Inter- 
punction  und  bukolische  Diärese  von  dem  übrigen  Verse  ge- 
trennt, so  dass  die  Stellung  von  zaTc  derjenigen  am  Anfange 
des  Verses  analog  wird  und  der  Gebrauch  der  contrahirten 
Form  an  dieser  Stelle  auch  ohne  homerisches  Muster  ent- 
schuldigt erscheint. 

cioc.  Dies  Adjectivum  ist  bei  Apollonios  durchweg  offen 
A  490.  1258  A  364  göo:  A  650  göt,  B  330  (vgl.  Homer  n  252). 
Unser  Dichter  hat,  da  er  nirgends  aw?  gebraucht,  also  auch 
bei  Homer  die  offenen  Formen  gelesen,  während  Aristarch  die 
contrahirten  bevorzugte,  vgl.  Schol.  des  Didymos  zu  A  117 
ccov  £[x(j.£va'.  •  c'jTw;  GÖiv  al  'Ap'.rcapyo'j,  yj  0'.Y]pE[j.£vojc  soov,  aXXä  iwv. 
c'jvaoc'.  xal  xo  ,vuv  [t.o<.  cw;  aiTrli;  cAsOpoc'  (s  305).  saO'  s-ko'j  ok  vtat 
z'.x'.pti  ,cscv  B'äv£VEU(j£'  (FI  252j.  Mit  Ausnahme  von  X  332  lässt 
sich  überall,  wo  in  unseren  Texten  cS>q  steht,  auch  sio;  her- 
stellen und  dies  war,  wie  das  Verhalten  unseres  Dichters  zeigt, 
die  voraristarchische  Lesung.  Bemerkenswerth  ist  weiter  der 
Comparativ  awsTEpo'.  A  918  an  erster  Stelle,  den  wir  bei  Homer 
in  dieser  Formation  nicht  finden  (nur  cawTipo;  A  32  von  Gioq), 
den  Positiv  G&zq  gebraucht  die  ionische  und  attische  Prosa, 
vgl.  Herodot  I  66  Xenophon  Kyr.  VII.  4.  13.  Diese  Bildung 
ist  offenbar  eine  sehr  alte,  aus  urspr.  cxFo;  entstand  in  Folge 
Verflüchtigung  des  r  und  regressiver  Assimilation  des  in  Folge 


462  Rzach. 

dessen  gelängten  ersten  Vocals  crwo<;.  Derselbe  Vorgang,  nur 
mit  Dehnung  des  zweiten  Vocals,  ist  in  der  Bildung  des  Eigen- 
namens ^oojvaüxYjv  ß  746  zu  constatiren,  über  dessen  Ursprung 
das  Scliol.  zu  d.  St.  berichtet.  Schliesslich  sind  die  Formen 
des  zugehörigen  Verbums  zu  erwähnen,  zunächst  die  des 
Präsensstammes:  cwcia  A  197  (an  erster  Stelle)  gwovto  ß  1010 
ffweaöai  ß  610  (an  erster  Stelle),  dann  auch  B  296  (am  Versanfang) 
wie  Merkel  nach  dem  Etym.  M.  689,  24  schreibt  (LG  aeusaeat) 
ctoo[ji.£votq  r  307  (Versanfaug).  Der  Dichter  gebraucht  also  nur 
solche  Formen  des  Präsensstammes,  in  denen  die  beiden  ersten 
Vocale  von  aaco)  contrahirt  sind,  wie  sich  dies  vereinzelt  schon 
bei  Homer  findet  cwovts?  t  430  ffwscxov  0  363,  zwei  Formen,  die 
Nauck,  Bulletin  de  l'academie  imp.  1877,  34,  gewiss  mit  Recht 
für  spätere  Aenderungen  der  ursprünglichen  aacio^neq  uijd  ca6£a/.ov 
erklärt.  Bemerkenswerth  ist  der  Umstand,,  dass  unser  Dichter 
die  contrahirte  Silbe  nur  in  der  Arsis  anwendet,  während  sie 
in  den  zwei  homerischen  Beispielen  in  der  Thesis  steht,  ja  noch 
mehr,  die  contrahirte  Silbe  findet  sich  bei  ihm  mit  Ausnahme 
von  B  1010  durchweg  in  der  ersten  Arsis  des  Verses,  ofi'enbar 
weil  ihm  bei  der  Spärlichkeit  der  homerischen  Vorbilder  die 
Contraction  ausser  an  der  hervorragendsten  Stelle  des  Verses 
zu  gewagt  schien.  Ich  möchte  daher  auch  B  1010  aeuovTO  statt 
{jwovxo  zu  schreiben  vorschlagen,  indem  jenes  besser  in  den 
Context  passt  und  leicht  verwechselt  werden  konnte,  wie  die 
oben  erwähnte  Discrepanz  B  296  zwischen  den  Codd.  LGr  einer- 
seits und  dem  Etym.  M.  andererseits  zeigt.  —  Allen  nicht  dem 
Präseusstamm  angehörigen  Formen  aber  liegt  bei  Apollonios  das 
offene  Verbum  aacw  zu  Grunde:  ecawca  A  786  eaäwcev  F  323  A  918. 
1458  ecjawcav  B  817  cacojY)^  T  1005  ca(i)j£p.£vat  A  837  EcäcoOev 
r  1127    A  639    aaa)6£{?  F  786    £;£Gawa£v  B  748.  1143. 

(fao;  und  Deriv.  Das  Substantiv  cpäo;  ist  durchgehends 
ofi'en  ß  184.  333.  669.  720  F  1143  A  111.  1019.  1296  oxüc^aiv 
r  1021  A  1170.  Zweimal  begegnet  die  Form  ?ia);  ß  441  Y  1223 
(aus  5xFoq  mittels  Assimilation  und  Ersatzdehnung).  Ebenso 
sind  die  Derivata  offen:  (paöc^öpo«;  A  885  «DaäOwv  T  1236  A  598 
<l>a£6jVT0?  A  623  <Py.i^ovxx  Y  245  ^aiOouaa  A  971  9a£eouaav  A  1690, 
auch  das  Adjectiv  <pa£tvoj  A  973  <paeivw  A  774  Y  154  »asw^ 
A  1282  ^aEivo«  A  239  (poeetvoT?  A  519  9a£iva;  A  605.  Was  das 
zugehörige  Verbum  betrifft,  so  lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob 


Orammatische  Studien  zu  Apollonios  Ehodios.  463 

die  Form  ^ai'vo)  aus  ^asi'vw  contraliirt  oder  aber  direct  aus  dem 
Stamme  cpa  (wie  ßaivw  aus  ßx)  gebildet  ist;  Apollonios  aber  hat 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  das  erstere  angenommen,  denn 
bei  ihm  linden  wir  die  kürzere  Form  fast  nur  am  Anfang 
oder  Schluss  des  Verses  oder  nach  der  bukolischen  Diärese, 
also  an  Stellen,  wo  er  Contractionen  zulässt.  Die  Formation 
sasi'vw  liegt  vor  in  cpaeivo;  T  728  A  1287  (fa£ivo[j.£vc'j  B  42 
^asivop^svYjv  r  828  fa.z.vK[).vnq  \  1362.  Assimilation  erscheint  in 
c^o^tSt,  B  687.  1041.  1285  r  1361  ?aavOr;C  A  1597  ^aavOr]  B  449 
f  956  A  1711  e^syaavOr,  A  1310  F  855  A  1001.  1602  ^aavOsi; 
B  693  r  961.  Von  oatvw  liegen  vor  und  zwar  am  Anfange  des 
Verses:  ooavz  B  23  9a(voi£v  A  1274  ^aivsxo  A  583.  1114  V  165, 
am  Schlüsse:  oaivs'.v  B  315  7:aix<paivouca  A  1310;  nach  der 
bukolischen  Diärese :  «faTve  A  782  (vorher  auch  Interpunction) 
^aivE-cai  B  853  ?ai'v£To  A  746  B  1104  T  425,  ferner  in  den  Com- 
positis  /.ata^aivcTO  A  1231  xpousatvei'  A  1123  TcpouyaivsTO  A  922^ 
wo  die  Silbe  at  gleichfalls  in  der  fünften  Arsis  steht,  so  dass 
eine  Analogie  in  Bezug  auf  den  Gebrauch  des  Simplex  nicht 
zu  verkennen  ist.  Scheinbar  widerspricht  der  genannten  Regel 
oaivovTO  A  583,  allein  der  Vers  lautet  ©aivexo  §'  zhfoudr,  ^/.laOo;, 
»aivovTO  o'  auwOcv  y.xX.,  es  ist  also  ^ai'vovxo  nur  eine  anaphorische 
Wiederholung  des  an  der  Spitze  des  Verses  stehenden  saiveto. 
Auch  die  Aoristformen  verwendet  der  Dichter  fast  nur  am 
Anfang  oder  Ende  des  Versös,  jenes  ist  der  Fall  bei  iresavsv 
A  1430  £;ca>ävrj  B  676,  dieses  bei  (pav^vat  F  819  fT/eJ.aai  A  1415, 
nur  -po!pav£VTi  A  786  steht   mitten  im  Verse. 

y^p^bi  und  xps'.w,  X?£o?  Xp-^o?  ^^nd  xp'^or.  Wie  Homer,  so 
braucht  Apollonios  xp-^^  und  x?-'^''  neben  einander.  Doch  findet 
sich  die  erstere  mit  Hyphärese  des  einen  s  gebildete  Form 
nur  an  drei  Stellen  B  167.  817  A  1164,  allemal  in  der  vierten 
Thesis  vor  folgendem  Vocal.  Viel  zahlreicher  ist  die  durch 
Contraction  entstandene  Form  XP-"^>  wobei  die  contrahirtc  Silbe 
sowohl  in  die  Arsis  als  auch  in  die  Thesis  zu  stehen  kommt. 
Doch  ist  zu  bemerken,  dass  Apollonios  sie  in  keiner  anderen 
Arsis  als  in  der  ersten  verwendet.  In  der  Arsis:  A  491  B  845 
r  332.  500.  599  A  721.  814  yptioX  r  988  A  358.  In  der  Thesis 
A  440  (4)  649  (2)  660  (4)  1092  (2)  B  8  (4)  390  (4)  1201  (4) 
r  33  (2)  52  (4)  173  (2)  A  191  (2)  348  (3)  411  (2)  556  (2) 
760  (2)    1769  (2j.     Unser    Dichter    nahm    die    Form    aus   den 


464  Rzach. 

homerischen  Texten  wie  er  sie  vorfand,  in  einer  unrichtigen 
Schreibweise ;  denn  ursprünglich  stand  gewiss  /p"^w  da,  aus 
Xp£Fc7(i)  mittels  Ersatzdehnung  für  f  und  Contraction  entstanden, 
vgl.  Brugman  de  prod.  supplct.  Curt.  Stud.  IV  159.  Ebenso 
hielt  er  sich  an  die  homerische  Ueberlieferung  bei  /pcw?  A  710. 
Dass  er  aber  doch  irgendwo  noch  die  richtige  Schreibung  mit 
■q  vorfand,  dafür  scheint  mir  die  Stolle  V  1198  cruv  Traaiv  -/prjSCTC'. 
zu  sprechen  (y,prßc  hat  sonst  noch  Maneth.  II  309).  Es  ist 
nämlich  durchaus  unwahrscheinlich,  dass  Apollonios  einmal 
"/^peioq  und  dann  wieder  ypv^sact  geschrieben  haben  sollte,  ohne 
dass  er  für  beide  Formationen  Muster  im  älteren  Epos  ge- 
funden hätte. 

Neben  den  genannten  Formen  findet  sich  als  die  ge- 
läufigste das  homerische  y^pioq  A  236  und  noch  achtmal,  ebenso 
gebildet  wie  xpew. 

Eine  eigene  Gruppe  der  Contractionen  stellen  die  mit 
vocalisch  schliessenden  Präpositionen  zusammengesetzten  Wörtei", 
die  selbst  wieder  vocalisch  anlauten,  dar.  In  solchen  Fällen 
erfährt  nur  die  Präposition  ■Trpö  Contraction  mit  dem  folgenden 
vocalischen  Anlaute  (der  öfter  das  Augment  ist).  Apollonios 
verfährt  ganz  genau  nach  dem  Vorbilde  Homers,  ^  wir  lesen  nach 
homerischen  Vorbildern :  TrpouOscav  T  627  wie  Homer  -po66r]-/.cv 
Q  409;  TrpouTud/cv  A  953  nach  Homer  w  319,  TrpouTU'i/av  T  1397 
nach  Homer  N  136,  Tupojtpat'vcTO  A  922  nach  Homer  v  169, 
TTpou^aive-c'  A  1113  nach  Homer  -.  143,  r.poüyo'noq  A  1583.  1626 
TTpo'j/ovTa  A  379  nach  Homer  W  325.  453,  zpou/oucav  A  925  nach 
Homer  'C  138  (vgl,  Kallimachos  Hymn.  Del.  218),  Tupou/cvTo  A  513 
nach  y  8,  eTcixpoü/ovio  A  524.  Ohne  directes  homerisches  Vorbild 
findet  sich  nur  Trpoußaivsv  A  809  F  686.  Diesen  contrahirten 
Formen  gegenüber  steht  vereinzelt  aTJOTiposXswov  B  1230,  was  aber 
kein  Befremden  erregen  kann,  wenn  wir  uns  das  homerische 
u7C£/.7:poiXu(7av  t,  88  (die  offenen  Silben  an  ganz  derselben  Versstelle, 
in  der  vierten  Thesis)  gegenwärtig  halten,  das  für  unseren 
Dichter  zweifellos  das  Muster  war  (vergleichsweise  lässt  sich 
auch  TTpceyouca  bei  Kallimachos  Fr.  125.  1  heranziehen,  während 
derselbe  Dichter  Hymn.  Del.  218  Trpo'jyojaa  sagt).    Dagegen  sind 

'  Bei  Homer  will  jetzt  Nauck,  Bulletin  de  racademie  imp.  1877,  4,  durchaus 
die  offenen  Formen  heratcllen,  nur  w  300  TzpoÜTze^L'^''  toi  av  (Versanfaug) 
fügt  sicli  diesem  Verlangen  niciit. 


Grammatische  Studien  zu  Äpollonios  Rhodios.  465 

mit  jener  Formation  nicht  zu  vergleichen  Bildungen  wie  TCposrjxe 
A  97.  258  B  562  zpiiYjxav  A  589.  640  ezt^rpoir^xa  r  379  etc.- 
7:por/)X£v  A  1185.  1617  exiTrpor/j'/.av  A  406.  1357.  Diese  enthielten 
ja  von  Haus  aus  keinen  inneren  Hiatus ;  Äpollonios  übernahm 
sie  als  starr  gewordene  epische  Bildungen  in  sein  Gedicht. 

Alle  übrigen  Präpositionen,  die  vocalisch  auslauten  (von 
rsp-;,  dessen  •.  natürlich  fest  ist,  abgesehen),  erleiden  in  dem 
oben  berührten  Falle  entweder  Elision  des  Vocalauslauts,  oder 
aber  nicht,  dann  aber  wird  dieser  mit  dem  folgenden  Vocal 
nicht  contrahirt. 

Bei  diesem  letzteren  Falle  haben  wir  zwei  Gruppen  zu 
unterscheiden :  theils  recipirte  unser  Dichter  aus  dem  im  alten 
Epos  vorhandenen  Bestand,  theils  gestattete  er  sich  neue 
Bildungen  nach  den  alten  Mustern,  freilich  zumeist  mit  falscher 
Analogie. 

Zu  der  ersterwähnten  Art  gehört: 

a;j.5'.i7:o'j!7[  A  1102  aij.oiz.'^:.-/  B  761.  1158  a[j,^iS7uovTas  F  547 
aij,cpi£7:£a/.£v  A  571  aij-s/'-STrscy.'  A  562,  bei  Homer  z.  B.  ü  804. 
Der  innere  Hiatus  kann  im  alten  Epos  nicht  auffällig  sein,  da 
er  nur  scheinbar  ist,  indem  in  diesem  Worte  die  Wurzel  cstc 
steckt.  Doch  lesen  wir  schon  in  den  homerischen  Gedichten 
auch  T^oz7:vf  ü  124  S  348  und  so  schrieb  denn  auch  unser 
Dichter  A  1145,  wozu  allenfalls  auch  noch  T  1304  kommt,  wo 
es  durch  Conjectur  versucht  ist. 

avaspyopivouc;  A  821,  das  aus  dem  hdschr.  überlieferten 
avcpyopisvcjc  hergestellt  werden  muss.  Ich  führe  es  unter  den 
Nachahmungen  derartiger  homerischen  Bildungen  an,  weil  ich 
überzeugt  bin,  dass  unser  Dichter  so  an  der  homerischen  Stelle 
A  392  gelesen  hat  (vgl.  oben).  Sonst  findet  sich  durchaus  das  a 
elidirt:  ävepx6|/svo;  B  674  Tnpyy^Arri  B  576  A  54.  1170.  1714 
ivspxc|j.Evoia'.v  A  442   A  1777    avip/sTj:'.  V  1230. 

'  avxsovov  B  1149  nach  Homer  1  146.  288  N  366;  hier  ist 
avx  jedoch  nicht  Präposition,  sondern  die  ursprünglichste  vollste 
Form  der  Negationspartikel,  wie  wir  sie  z.  B.  auch  in  aväsATrco? 
bei  Hesiod  Th.  660  vorfinden.  Ursprünglich  stand  zwischen  den 
beiden  Vocalen  ein  r  (ävarscvoi;  wie  avareX^TOi;). 

dTOspYsi  A  865  wie  Homer  0  325  (urspr.  aTzcPip-^h)). 

e-iavoavct  V  171  nach  Homer  11  407  singulär,  während  an 
anderen  Versstellen  wie  bei  Homer  das  spätere  ssavoavs'.  steht: 


466  Rzach. 

A  675.  700  r  34.  485.  537  A  419,  ebenso  £?r|V$av£v  r  950, 
während  Homer  doch  auch  £-iY^voav£  hat,  z.  B.  v  16.  Die  Prä- 
position £-■:  steht  dabei  in  der  vierten  Thesis;  zwischen  den 
beiden  Vocalen  stand  einst  ein  F,  W.  arao.- 

£-'.£>.7:o;j,a'.  B  1225  wie  Homer  9  126  £7:'.£A7:d;j.£vo; ;  an  anderer 
Versstelle  bei  Homer  auch  z.  B.  ir.'.ehr.eo  Homer  A  545,  W.  F£Xt:. 

izie>\).vtoq  A  179  £t:i£iijl£vy)  T  45  nach  Homer  H  164  0  214,  W.  H^. 

£TC'.(aTopa  B  872  A  1558  eTzdczopctq  A  16.  89  nach  Homer 
9  26,  W.  F'.B. 

.  ETciopxov  A  1086  nach  Homer  T  279. 

ETcioupov  r  1180  ETTioupoi  A  87  nach  Homer  v  405  o  39  N  450, 
W.  hp  vgl.  Curtius  Grdz.^  349. 

zpotc6ac70[xat  A  895  A  1372  B  889  nach  Homer  X  356  £  389, 
dann  ■KpcTicccETai  B  889 ;  der  Hiatus  im  Inneren  des  Wortes  lässt 
sich  hier  nicht  durch  einstigen  consonantischen  Anlaut  ent- 
schuldigen, da  die  Wurzel  cz,  =  ctc  ist. 

•J7:6£'.y.£v  B  1266  wie  Homer  n  305,  ut:c£i;£  A  1676  wie 
Homer  0  227  -  42,  G-;£';av  A  41,  aber  'jr.eilta  A  408  \jt:zI^o[).v/ 
B  23  nach  dem  homerischen  'jT,tilo[j.0L'.  A  294,  woneben  Homer 
auch  uTtcEi^u)  0  211  u7:o£(^oiJLai  W  602  hat;  die  W.  ist  Fiv,  (vgl. 
Curtius  Grdz.4  135). 

Selbständige  Bildungen  des  Apollonios  und  zwar 

a)  nach  richtiger  Analogie  anderen  homerischen  Com- 
positis  nachgeformt: 

imi\oo\):  A  783;  da  dem  Verbum  die  Wurzel  Hkl  zu  Grunde 
liegt,  so  ist  diese  Bildung  eine  regelrechte  Analogie  zu  £-'£X7:oiJ.a'.. 

£i:t£'J;£-:'  B  18  nach  dem  Muster  von  äjxs'i-co ;  daneben  braucht 
der  Dichter  I^exou^;  B  384    £cp£7;ovTa'.  A  576    T  315. 

■jzoic7X£Ta'.  A  169  •jzo(c-/£TC  A  473  nach  dem  Vorbilde  des 
homerischen  ■/.aTa'cr/£-:a'.  1 122;  durch  den  inneren  Hiatus  differenzirt 
unser  Dichter  das  genannte  Verbum,  das  gleichbedeutend  ist  mit 
■j-£/w,  von  'jTdr/^o-^.x>.  =  jT.:(r/yio\).<x<.,  das  er  B  24  in  der  bei  Homer 
üblichen  Form  braucht;  hatte  er  aber  einmal  •j7:o'!cr/,£Ta'.  sich 
gestattet,  so  musste  er  auch  •j7:o'!axav£  T  120,  das  jenem  hin- 
sichtlich der  Bedeutung  gleich  ist,  zulassen.  Ursprünglicher 
Anlaut  war  a,  da  IV/w  aus  i'.qv/m  hervorging. 

Wir  schliessen  hier  auch  das  Adjectiv  ÜT:o£pYÖ;  A  266  an, 
das  wie  TaXaEpvd;  A  1062  regelrecht  gebildet  ist,  vgl.  Homer 
W  654  u.  s. 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  4b7 

b)  Nach  falscher  Analogie  gebildete  Formen  liegen  fol- 
gende vor: 

aroiy.A'jasv  A  366  (G  hat  das  metrisch  unmögliche  ä-r/.Xjcsv); 
wahrscheinlich  Hess  sich  ApoUonios  durch  homerische  Formen 
wie  ä-c£pcj£  Z  348  oder  j.'zv:/,t  V  406  bestimmen,  auch  jenes  zu 
wagen,  allein  da  er  nicht  wusste,  dass  in  den  genannten  Verben 
dereinst  consonantischer  Verbalanlaut  Platz  hatte,  so  entging 
ihm  die  Einsicht,  eine  Missbildung  geschaffen  zu  haben. 

Biac'.pivo;  B  372  /.aTas'ixsvo;  A  939  y.aTasiixsva-  T  830  (von  5'.- 
resp.  7.ae{£iJ,a'.).  Dem  Schol.  zu  A  939  war  es  nicht  recht  klar,  woher 
er  y.aias'.ixevo?  ableiten  sollte,  er  erklärt  es  durch  ■/.y.-.y.^ptb\).v)Oc, 
^^  y,OLxrK-)tö\).tvoc,  r)  y,s-/.aAJ[JLiJ.£vo;  ^utoTc.  Abermals  ist  eine  falsche 
Analogie  zu  constatiren  und  zwar  nach  dem  von  ApoUonios 
selber  gebrauchten  £-'.£'.|jivoc  (von  sjpevvjij.'.)  und  dem  homerischen 
•Mi7.t<.\}.v)Z't  -  431   (von  y.a8£vvu|X'.). 

£-'£Tp£-cv  r  628,  daneben  aber  erATpir^o^/  A  642  £7:£Tp£'^£v 
A  1700  (der  Schreiber  von  G  nahm  wiederum  Anstoss  an  der 
Form  und  schrieb  das  metrisch  unmögliche  £-£ip£::ov  wie  oben 
a-£y.X'jc£v).  Unser  Dichter  ward  vielleicht  durch  das  homerische 
£7:iv^vcav£  v  16  u.  s.  zu  dieser  Falschbildung  geführt. 

■jT.oe-jTr,')  r  501  (Versschluss; ;  daneben  lesen  wir  aber  die 
regelrechten  Bildungen  jz£7-y;;  A  412  T  983  A  89  j-dstr,  B  92 
r  905.  1232   A  341    O-saxav  A  1389.  i 

Wir  sehen,  dass  ApoUonios  durch  sein  Bestreben,  alte 
Muster  nachzuahmen,  mitunter,  ohne  natürlich  selbst  eine  Ahnung 
davon  zu  haben,  sich  einen  ziemlichen  Missgriff  zu  Schulden 
kommen  Hess.  Das  aber  muss  man  doch  wieder  zugestehen, 
dass  er  seine  Neuerungen  so  weit  als  möglich  nach  alten  Mustern 
zu  schaffen  bestrebt  war,  wobei  ihn  natürlich  nur  die  ganz 
äusserliche  Analogie  leiten  konnte,  ein  Unternehmen,  das  bei 
der  damaligen  geringen  Kenntniss  des  Sprachbaues  nur  schwer 
gelingen  konnte. 

Die  Adjectiva  auf  ov.c;  bleiben  wie  bei  Homer  ahe  uncon- 
trahirt  bis  auf 


'  Aehnlichen  Falschbildungen  begegnen  wir  auch  sonst  in  der  epischen 
Sprache,  so  bei  Nikandros  i-or,pj-fz  Alex.  257  'j::oc'x),aac  Ther.  728  ür.o- 
cTpaaav  Ther.  86,  beliebt  sind  sie  bei  Tzetzes,  z.  B.  <x-oini-jzo  Posthorn. 
136.  307  ki7]Xu8E  Posthorn.  15  /.aia^xiavE  Hom.  193  Posthorn.  125  ujio- 
3'Tp£3£  Hom.  84. 


468  Kzach. 

'ApY(po?  A  658.  1620  \Kp^((fr,q  B  211  A  554  'ApYoV/]  A  319  A  938 
(nicht  homerisch);  mit  Ausnahme  der  erstangeführten  Stelle  steht 
die  Contractionssilbe  überall  in  der  Tliesis;  ebenso  erscheint 
durchaus  contrahirt  das  in  der  altepischen  Poesie  nur  an  einer 
und  zwar  interpolirten  Stelle  der  Hymnen  (Herrn.  17  an  erster 
Stelle)  vorkommende  Adjectiv  v;o)s;,  und  zwar  im  Versanfang,  so 
dass  die  contrahirte  Silbe  in  die  erste  Thcsis  fällt  A  1274  B  688 
■»50)01  B  899  (vgl.  Kallimachos  Ep.  22.  1),  in  die  zweite  Thesis 
fällt  sie  bei  -^^too'.civ  V  1021  und  u:cr/ooi  A  841.  Das  B  745  über- 
lieferte homerische  Feminin  r,ciT,v  ist  aus  sachlichen  Gründen 
anzuzweifeln,  worüber  Merkel's  Note  p.  107  zu  vergleichen  ist. 
Offen  aber  ist  die  schon  früher  besprochene  Form  'Ewiov  ATcöXXwva 
ß  700  (so  LG),  wornach  dann  selbstverständlich  auch  ß  686 
statt  des  überlieferten  prosodisch  fehlerhaften  swou  im  Vers- 
schluss  'Ewiou  ATr6X).a)vo(;  herzustellen  ist,  wie  schon  Wellauer 
richtig  gethan  hat.  Dass  hier  unser  Dichter  von  seiner  sonstigen 
Gewohnheit,  die  ionische  Form  dieses  Wortes  zu  contrahiren, 
abwich,  kann  uns  nicht  befremden,  da  er,  wie  schon  früher 
bemerkt  ward,  'Eioto?  durchaus  als  Eigennamen  gefasst  wissen 
wollte  und  sich  demgemäss  ganz  wohl  eine  Differenz  in  Bezug 
auf  "^wo?  gestatten  konnte. 

Endlich  haben  wir  noch  des  Adjectivs  zaxpwio;  zu  ge- 
denken. Es  ist  offen  im  Nominativ  T  359,  zaTpw-.ov  A  410 
xatpwto'.  ß  1160,  Aber  ß  486  verlangt  der  Vers  die  Form 
TcaTp(o-/;v :  lepoi.  xaTpoV^v  aJtsupLevov  aTcav  aXy^at.  Da  Homer  auch  im 
Feminin  (vgl.  v  188.  251)  nur  die  offene  Form  braucht,  so  ist 
wohl  mit  Synizese  zu  lesen,  also  -aTpwjr^v. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Adjectivum  ov^io?  (urspr. 
BaFio?  Alkman  Fr.  79  B.  -irvcuij-a  T^jp  te  oaF'.ov).  Es  ist  dreisilbig 
in  den  Formen  ov«/.ov  T  1304  oy-'.o'.  A  497  cr^-.x  A  635  wie  bei 
Homer  z.  B.  A  281  1  76  u.  s.  Ebenso  bildet  das  t  eine  eigene 
Silbe  in  den  Ableitungen  0Y;'.cr7;Tsc  A  682.  1030  V  1059  A  396. 
1010  oYi-oTviTt  r  234  A  338  or/.oTr,Ta  A  420  o^iöcovcs?  A  489  (wie 
Homej-  A  153)  crj-xaay.ov  B  142  so'/jiov  Y  1374,  die  beiden  letzt- 
genannten Formen  ohne  homerisches  Vorbild. 

Hingegen  finden  wir  eine  Reihe  von  Formen  des  ge- 
nannten Adjectivs,  wo  der  Vers  das  Verschwinden  dieser  Silbe 
verlangt.  Der  Laur.  enthält  das  -.  hierbei  stets  als  Adscriptum.  Im 
Hinblick  auf  die  oben  genannten  Fälle  werden  wir  anzunehmen 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Ehodios.  469 

haben,  dass  der  erwähnte  Vocal  in  der  Aussprache  in  den 
Spiranten  j  übergeht,  wie  dies  für  Homer  Hartel  vortrefflich 
nachgewiesen  hat  (Hom.  Stud.  III  11  sq.).  An  eine  Correption 
des  r^  vor  t  (neuerdings  Nauck,  Bullet.  1877,  26  sqq.)  ist  nicht 
zu  denken,  da  das  y;  sich  auch  in  Arsi  findet  (bei  unserem 
Dichter  bei  dem  Verb.  S-^iw  A  244  B  117  ^  1044  A  81).  Der 
Pentameter  der  Anjte  Anth.  Pal.  VI.  123  yaXy.sov  a[;.5'  cvu/a 
CTa^s  ocvcv  or^iojv,  den  Nauck  in's  Feld  führt,  könnte  für  das 
alte  Epos  nichts  beweisen,  selbst  wenn  o-qiwi  ganz  sicher  wäre 
(vgl.  Dübner's  krit.  Commentar  p.  236).  Merkel  schrieb  i  als 
subscriptum  bis  auf  A  533,  wo  er  inconsequent  \).i{Koxz  xyjv  oTjic.aiv 
avacxv^cscOai  eoustv  in  den  Text  aufnahm.  Die  Stellen  sind:  o-rji'ou 
TusXsi  e^  siAaBoTo  B  1077  (L  ausdrücklich  Br/iou,  ebenso  G)  vgl.  Homer 
0  181  zupbc;  cy;(oio,  or^iw  u-b  coupi  B  139  (L  or^im  G  o-r;to))  vgl. 
Homer  H  241  o-Ciii^  (jLsXTcsaOat  'Äp*o'.,  or,lw)  6obv  s'yjj.a  ßoXawv  A  201 
(LG  CYjiwv)  vgl.  Homer  0  533  cr^iwv  avopiov  aXewp'/^v,  su  osoaü)? 
OYjiotc'v  A  76  (L  OYjtoiciv  G  oaiotaiv),  \>:^^-ox^  ti\v  orjio'.atv  avacr/jcscöai 
louciv  A  533  (LG  o-/;b'.(7'.v),  ovjbcciv  o-aacw  A  1109  (LG  o-^ioiciv) 
vgl.  Homer  I  317  P  148  [j.dpvacOa'.  B-^ioistv  £■::'  avopac. ;  ebenso 
sind  unserer  Ansicht  nach  die  Formen  des  Verbums  oyjwo)  zu 
schreiben,  in  denen  das  i  im  Verse  seine  Stellung  als  selb- 
ständige Silbe  verliert;  die  Ueberlieferung  von  L  spricht  fast 
durchweg  dafür:  or^iyj^ntq  A  614  (L  or/. . . ouv-csq),  auch  bei  Homer, 
wo  wir  die  contrahirte  Participform  im  Nom.  Sing.  P  65  im 
Versanfang  lesen,  findet  sich  neben  o-r)wv  als  Variante  o-/)(wv 
überliefert;  o-^-.was'.av  A  244  (L  cTj-.wcaiav)  vgl.  Homer  A  416,  wo 
als  Variante  o-/;Vw(7a)5'.v  überliefert  ist;  ov^iojcscöat  B  117  (so  L) 
or/.(j)0?jva'.  A  1044  (L  cy;Vo)e-^vai)  und  so  ist  auch  A  81  zu  schreiben, 
wo  in  L  ausnahmsweise  einmal  or,o)0-^va'.  wohl  in  Folge  eines 
Schreibfehlers  steht.    G  lässt  theilweise  das  i  ganz  weg. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig  von  einigen  Wörtern  zu  sprechen, 
die  nur  mit  Contraction  vorkommen,  und  zwar 

OciAtc-ou/wv  A  347  und  ro/acjou/ov  B  846;  das  erstere  ist 
von  unserem  Dichter  selbst  gebildet  in  der  Bedeutung  des 
homerischen  0£[j.isTo-iXot,  das  zweite  verwendet  er  nach  dem 
Vorgange  des  Aischylos,  bei  dem  wir  es  öfter  finden,  z.  B. 
Hepta  804   Eum.  745.  843.  964. 

Eine  besondere  Erwähnung  erheischt  das  von  ApoUonios 
als  Adjectiv   gebrauchte    0£U[ji.op(-/j   V  676  (vouco«;)   0£U[j.opir)  V  974 


470  Rzaoh. 

(ä'xY]) ;  die  erste  Silbe,  welche  an  der  erstgenannten  Stelle  in 
der  zweiten,  an  der  letztgenannten  Stelle  in  der  ersten  Arsis 
steht,  ist  nach  ionischer  Weise  aus  Oeo  contrahirt.  Das  Adjectiv 
6£6[jLcpo;  kennt  schon  Pindar  Ol.  III  10,  unser  Dichter  jedoch 
entlehnte  den  Ausdruck  HvjiJ.opir,  offenbar  dem  Kallimachos 
Epigr.  32.  4  (Anth.  Pal.  XII  71.  4),  der  ihn  übrigens  nur  als 
Substantiv  in  der  Bedeutung  , göttliche  Fügung'  anwendet. 

Eine  Diärese  im  eigentlichen  Wortsinne  liegt  bei  Apol- 
lonios  nur  in  dem  dem  allgemein  epischen  Sprachgebrauch  an- 
gehörigen  oiQjq  und  den  stammverwandten  Wörtern  vor,  denen 
das  onomatopoietische  Klagewörtchen  c'i  mit  ursprünglichem 
Diphthong  zu  Grunde  liegt.  Wir  lesen  oticus?  A  192  otCuv  T  959 
A  1387    ctCupou;  ^  1630   o-Iusi  A  1374   o^wv  A  1324. 

Symzese. 

Fälle  von  Synizese  sind  bei  unserem  Dichter  nicht  gerade 
sehr  häufig ;  neue  ihm  speciell  eigenthümliche  finden  sich  nicht, 
er  Hess  nur  solche  zu,  die  schon  der  altepischen  Sprache  an- 
gehörten. Innerhalb  eines  und  desselben  Woi'tes  begegnet  uns 
die  Synizese  bei  folgenden  Lautverbindungen : 

ea:  c<piaq  A  1108  (II.  Arsis)    1308  (II.  A.). 

SY) :  ipuaeri-/  A  729  (III.  A.).  Dagegen  ist  der  Eigenname 
'HpaxXsr;?,  der  in  dieser  Form  9  Mal  und  im  Accusativ  'HpaxXsYjv 
ein  Mal  (B  767)  vorkommt,  nicht  mit  Synizese  zu  lesen,  sondern 
da  die  zweite  und  dritte  Silbe  stets  in  die  Thesis  fallen,  als 
viersilbig  zu  fassen. 

£Y):  yjxXv.iri  A  1207  (L  metrisch  unmöglich  '/oCkv.v.t,'.,  jenes 
L.  16,  III.  A.)  xa\xir^a'y  B  1249  (L  wiederum  ■/aX-/.£(Y;'.!Jt  G 
yaAy.ctViatv,  III.  A.)  T  218  (III.  A.,  LG  das  unmögliche  /aX/.siai?) 
XpucEYj  A  740  (IV.  A.)   r  156  (IV.  A.)    xpoiriai  A  1366  (III.  A.). 

eo:  yipdQBo^f  A  176  (eov  als  Länge  in  der  IV.  A.)  1319  (IV.  A.). 

£0'.:  xaX/.eo'.q  T  499  (III.  A.)  xpjasci  B  676  (III.  A.)  xpuaio'.Gi 
A  978  (IIL  A.). 

£0):  in  der  ionischen  Endung  des  Genet.  Sing,  der  a-Stämme: 
^"M  A  1537  (6.  Thesis)  Aiax(c£(o  A  853  (IL  Arsis)  A{c£w  T  704 
(III.  A.)  Aiv'.TcO)  A  245  (IL  A.)  1316  (IL  A.)  r  27  (III.  A.) 
86  (IIL  A.)  214  (IL  A.)  A  1044  (IL  A.)  A?ea/a5£(o  A  649  (IL  A.) 
A?crov(B£(o  A  887  (IL  A.)  T  542  (IIL  A.)  A  1012  (IL  A.)  A[jL7:j7.{5£a> 
A  1106  (IL  A.)  Apa^£a)  A  133  (6.  Thesis)  C^ixT^c^ko  T  852  (IIL  A.)  — 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Bhodios.  471 

in  der  Endung  swv  des  Genet.  Plur.  derselben  Declinatiou: 
AtoXtBswv  r  339  (IL  A.)  [^.sX-.cciwv  A  1132  (6.  Thes.)  Mcuc-ewv  B  845 
(IV.  A.)  ^  896  (IV.  A.)  Nup.9£a)v  A  1218  (II.  A.)  xacsojv  A  620 
(III.  A.)    n-ziYitov  A  1243  (IV.' A.)  — 

in  der  Endung  swv  der  Stämme  auf  eo:  osvopewv  T  207 
(1.  Thes.)  A  1429  (1.  Thes.)  /aXy.ewv  T  62  (III.  A.)  xpuaswv 
A  1146  (III.  A.)  —  ' 

in  der  Endung  swv  des  Genet.  Phir.  der  consonantischen 
Declination:  ■/.•/jciiov  A  280  (V.  A.)  Aa-<pi(i)v  B  903  (1.  Thes.) 
Ar.vswv  A  173  (III.  A.)  oüpstov  r  162  (1.  Thes.)  ^-q^ior,  B  50 
(IV.  A.)  r  289  (1.  Thes.)  755  (IV.  A.)  954  (III.  A.)  962  (IV.  A.) 
1015  (V.  A.)    Tsu/Jwv  r  1249  (III.  A.)  - 

bei  Pronomina  in  der  Endung  £0)v :  cncewv  A  980  (6.  Thes.) 
r  230  (6.  Thes.)    'Viwv  A  1031  (1.  Thes.). 

Im  Inlaute  bei  yaXxswva  F  41  (III.  A.)  vgl.  Homer  8  273; 
TcBvsüj-rwv  dagegen,  das  F  748  von  Stephanus  statt  des  hdschr. 
unmetrischen  tsövsiw-wv  hergestellt  ward,  wobei  die  mit  Synizese 
zu  lesende  Silbe  sio  in  die  zweite  Thesis  fiele,  ist,  wie  wir  sehen 
werden,  eine  unmögliche  Conjectur. 

SO):  xpujEw  B  1271  (IV.  A.) 

'jw :  nur  im  Eigennamen  'HXey.-rpuwvc;  A  748  im  Verssehluss 
(jü)  also  in  der  VI.  Arsis).  Hier  folgt  ApoUonios  Hesiod  A.  3, 
bei  Homer  kommt  eine  derartige  Synizese  nicht  vor. 

Die  Synizese  bei  zwei  aufeinander  folgenden  Worten  findet 
sich  nur  in  der  Verbindung  3r)  swetTa.  Doch  ergibt  sich  sowohl 
aus  der  Ueberlieferung,  als  auch  aus  der  Betrachtung  der  Grund- 
sätze, die  unseren  Dichter  bei  Anwendung  der  Synizese  geleitet 
haben,  dass  wir  hierin  eher  einen  Fall  von  Krasis  als  von 
Synizesis  zu  erkennen  haben  vgl.  p.  46.  Jene  Normen  sind 
nämlich  folgende : 

Regelmässig  steht  die  mit  Synizese  zu  lesende  Silbe  in 
der  Arsis,  in  der  Thesis  nur  am  Anfange  oder  Schlüsse  des 
Verses.  Was  die  Stellung  der  Synizese  an  den  einzelnen  Vers- 
stellen betrifi"!,  so  ist  sie  am  häufigsten  in  der  III.  Arsis  an- 
gewendet (von  53  Fällen  überhaupt  18  Mal),  dann  folgt  die 
IL  Arsis  mit  11  Fällen,  die  IV.  Arsis  mit  9,  die  V.  mit  2, 
endlich  die  VI.  mit  einem  Falle,  beim  Eigennamen  'HXsxTpjwvo?. 
In  der  Thesis  sind  die  Fälle  am  Anfang  und  Schlüsse  des  Verses 
fast  gleich  an  Zahl,  in  der  ersten  Thesis  finden  wir  nämlich  6, 


472  Rzach. 

in  der  sechsten  5  Fälle.  Ganz  singulär  steht  diesen  Normen 
g-egenüber  die  in  die  Texte  allgemein  aufgenommene  Conjectur 
des  Stephanus  tsOvewtwv  T  748  mit  Synizese  von  £oj  in  der  zweiten 
Thcsis  statt  des  von  LG  überlieferten  TeOvs'.w-wv.  Das  einzige 
homerische  Beispiel  der  Synizese  in  diesem  Particip  -  331  'Cmm, 
a-cap  TeOvstoTi  -f  bs'i^iiwvTa-.  zeigt,  wie  zu  erwarten,  die  betreffende 
Silbe  in  Arsi,  kann  also  gar  nicht  in  Betracht  gezogen  werden. 
Es  ist  daher  die  Form  anders  zu  emendiren.  ApoUonios  schrieb, 
glaube  ich,  an  der  genannten  Stelle  |j.T,T£pa  Tsövas-wv  aoivbv  zspt 
xw[j,'  Ey.äXu— ev,  indem  er  neben  -eOvyjw;  (oder,  wie  er  schrieb,  mit  si 
TsOvetiüTa  T  461)  ebenso  eine  zweite  P'orm  -sövau);  construirte, 
wie  er  nach  homerischem  Vorgange  neben  s(7r/;ü)-o!;  T  1384  ein 
esecxac-a;  T  1276  brauchte;  für  diese  Annahme  spricht  der 
Umstand,  dass  wir  jene  Form  bei  Quintus  Smyrnaeus,  der  so 
Manches  dem  ApoUonios  entnahm,  mehrfach  vorfinden  und  zwar 
den  hier  in  Frage  kommenden  Genet.  Plur.  xsOvaÖTwv  I  821 
(wohl  überliefert  durch  AM),  ebenso  TsÖvasto;  II  392  (so  M, 
A  hat  das  metrisch  unmögliche  xeOvawTo;),  ferner  VI  250, 
TeSvadTa;  II  536  (AM),  endlich  hat  Koechly  VII  65  statt  des 
von  A  überlieferten  TcOvsotoc  nach  den  übrigen  Stellen  -eOvaö-oc 
hergestellt.  Daneben  gebraucht  Quintus  aber  auch  -CcOvs-.wti 
V  502  wie  ApoUonios  T  461,  ein  Grund  weiter  zu  der  Annahme, 
dass  er  sich  im  Gebrauche  der  Formen  dieses  Particips  nach 
ApoUonios  richtete,  und  dieser  auch  in  Bezug  auf  die  Anwendung 
jener  anderen  Form  sein  Vorgänger  war. 

Krasis. 

Von  der  Krasis  macht  die  epische  Sprache  im  Allgemeinen 
wenig  Gebrauch  und  es  sind  nur  bestimmte  Wörter,  auf  die 
sie  beschränkt  ist.  Unser  Dichter  gestattete  sich  hierin  keine 
einzige  Neuerung,  er  folgte  nur  den  homerischen  Vorlagen. 
Wir  finden  in  der  Krasis 

1.  den  Artikel  in 

wXao'.,  in  der  Verbindung  w;  os  /.y).  wAAoi  A  1101  B  874 
r  365.  992,  in  der  Verbindung  abv  oe  -/.al  wXXoi  A  253  A  998, 
mXkoi  sonst  A  1081  T  176.  356.  Der  Cod.  L  bietet  überall  den 
Asper,  G  den  Lenis  bis  auf  B  874,  wo  gleichfalls  der  Asper 
steht;  der  Asper  wird  durch  das  Scholion  zu  A  998  bestätigt: 
C7UV    Zk    xal    ü)Xao'.  •    rTfC,   vecoTspai;  'laSo;    xb    waaoi,    und   zu  A  1081 


Graumatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  473 

heisst  es :  wXXoi  sxsv  p-  -q  TO'.a'jvr,  cJvxAotcpY)  r^;  vswTspa;  'liloq  hui- 
l:'z  7.x\  ;/£[j,a;ovTa'.  Zifjvjoi-w  £?7:sv-i  ,(oAAO'.  (sie)  ]J.v>  pa  Ose!  t;  y.al 
avips;'  sj  v,iypr,Tx:  yxp  txjty;  "O[j.-/;po;.  Apollonios  folg'te  hier  Zenodots 
Vorgaiig-e,  der  jedocli  nach  den  Berichten  der  homerischen 
Scholien  waXo-  mit  Lenis  schrieb,  zu  R  1  cti  7/r,^/zoo-zq  Ypxsst 
wXXoi,  vgl.  auch  zu  K  1.  Aristarch  wandte  dieselbe  Krasis, 
wenn  auch  nicht  in  diesem  Worte,  so  doch  in  wpiGTc.  an,  Schol. 
des  Didymos  zu  K  539  'Ap^sTap/oq  'ApYS-cov  üp'.c-o:  xat  xvsj  toO  i 
(ähnlich  E  396  suts  jx'.v  wüxbc  av^p).  Wenn  das  Scholion  zu  den 
zwei  genannten  Stellen  des  Apollonios  diese  Art  der  Krasis 
als  neuionisch  bezeichnet,  so  hatte  der  Scholiast  offenbar  die 
Belege  bei  Herodot  z.  B.  I  48  im  Auge. 

Krasis  des  Artikels  mit  dem  folgenden  Worte  begegnet 
bei  unserem  Dichter  weiter  noch  in 

-äXXa  B  335  (L  x'  aXXa)  nach  dem  homerischen  taXXa  z.  B. 
A  465  B  428  -(  462,  wobei  wir  der  Variante  ■:''  a/.Aa,  auf  welche 
die  Schreibung  des  Laur.  zurückzugehen  scheint,  begegnen. 

-a[j.ä  r  102,  zu  vergleichen  mit  dem  homerischen  ojixsc; 
0  360  und  mit  Toijpiv  bei  Kallimachos  P^pigr.  34.  2,  49.  6. 

2.  Die   Conjunction  y.ai  erscheint  in  der  Krasis  bei : 
•/axslvo^  A  1441    y.ay.sivw  A  972    y.ay.sivojc  A  83    y.xy.sTva  A  996 

y.iy.eiOsv  A  1731.  Der  Cod.  L  hat  überall  a  mit  •.  subscriptum. 
Die  Krasis  in  diesem  Worte,  wo  wir  also  die  Form  iv.tv/z:  zu 
substituiren  haben,  wandte  Apollonios  nach  der  homerischen 
'Azvrri  seiner  Zeit  an  (vgl.  La  Roche  Hom.  Textkrit.  247  sqq.) 
im  Gegensatz  zu  Zenodot  und  Aristarch,  die  v.y.':  y.ihzz  u.  ä. 
schrieben;  vgl.  Schol.  A.  0  179  y.al  y.iviz--  h.  -rzKrtZO-jq  rbv  TJvoeqj.ov 
'Apiciap/oc  und  Schol.  V  zu  d.  St.  y.icy.eiv;;  iv.  rArjpoj;  fwofür 
natürlich  /.xl  v.zhzz  zu  schreiben  ist,  Düntzer  de  Zenod.  stud. 
Hom.  59  Note  35),  z  y.x\  7yr,'izzzxzq  Ypxs£i.  Uebrigens  ging  unserem 
Dichter  sein  Lehrer  Kallimachos  voran,  dem  jener  den  Vers 
A  972,  wo  y.xy.c'vw  vorkommt,  entnahm;  vgl.  Kallimachos  Fr.  44 
(Schneider),  Schol.  Laur.  zu  Apollonios  A  972,  (jlerhard,  Lectt. 
Apollon.  7  sq. 

3.  Schon  oben  ward  bemerkt,  dass  wir  auch  bei  dem 
öfter  wiederkehrenden  oy;  sTrsita  eine  Krasis  zu  constatiren 
haben.  Der  Laur.  schreibt  mit  Ausnahme  des  fehlerhaften 
g'  £-£'.tx  A  70  an  allen  Stellen  o  -q-f-x  oder  5'  r,-v-x.  Merkel 
setzte    darnach    mit  Recht  or^-E'.-rx   in   den   Text;    das    vor    dem 

Sitzb.  d.  pliil.-hist.  Cl.  LXXXIX.   I'.d.  II.  Htt.  33 


474  Rzach. 

folgrenden  ffleichartiffen  Vocal  s  im  Verse  verkürzte  r,  Avard  so 
eng  mit  demselben  verknüpft,  dass  sich  thatsächlich  eine  Krasis 
Liklete,  welche  die  von  L  überlieferte  Schreibung  offenbar 
anzeigen  will.  Hiefür  spricht  ganz  besonders  auch  der  Umstand, 
dass  die  betreffende  Silbe  an  allen  Stellen  in  der  zweiten  Thesis 
steht,  wo,  wie  wir  früher  gesehen  haben,  eine  Synizese  bei 
Apollonios  keinen  Platz  hat.  Unmittelbares  Vorbild  für  unseren 
Dichter  war  Kallimachos  Hymn.  Del.  160  Dem.  88,  wo  die  Ueber- 
lieferung  S'  y^-ei-a  an  ganz  derselben  Versstelle  bietet,  das 
Schneider  richtig  als  or,-e:xx  in  den  Text  setzte.  Die  früher 
beliebte  Schreibung  o'  r,~t'.xoL  schmuggelt  eine  unerhörte  Form 
■qize'.-oi.  in  die  epische  Sprache  ein.  Die  Stellen  sind :  B  435. 
899.  1169  r  770  A  70.  1393.  Vgl.  übrigens  auch  Gerhard 
Lectt.  Apoll.  95  Merkel  Proll.  LXXIX.  Schneider  Callim.  1  289. 
4.  Endlich  findet  sich  die  Krasis  nach  homerischer  Weise 
in  o'6v£y.a  A  616  Y  246.  1125  o'jvs/;  A  1325  Y  356.  370  o'jvs/.sv 
r  334.  470.  626  A  793.  1032  -cüvsy.a  (mit  ionischer  Psilosis 
wie  bei  Homer)  A  338  li  642.  1128  toüvs-/.'  A  204  A  1272 
Toüvcxsv  A  1354  A  534;  besonders  bemerkenswerth  ist  cöoüvsy.ev 
r  933  (LG  o6'  ouvcv.sv,  von  den  Schreibern  missverstanden,  da 
es  nicht  =  '6v.  ouvev.tw  ist,  sondern  oxo'j  iv£y.£v) ;  dass  Apollonios 
in  diesem  Falle  die  Aspiration  zuliess,  obwohl  er  sonst  To'jvay.sv 
schrieb,  kann  nicht  befremden,  da  er  den  Ausdruck  der  Sprache 
der  attischen  Tragiker  entnahm,  vgl.  Aisch.  Prom.  330  Sopli. 
Ai.   123  u.  s.     Das  alte  Epos  kennt  diese  Formation  nicht. 

ApoJcope. 

Die  Apokope  findet  sich  bei  Apollonios  wie  sonst  in  der 

epischen  Sprache  bei  i'pa  und  den  Präpositionen  avä  y.a-a  und  -Kxpx. 

äcy.:    B  1011    i'vO'    iz=\    oip    y.t    -ivMy-x'.    und    A    1076    \lr,rqz 

0      OUX      dp    VaiE'.    C/_£02V. 

ava :  äv  =  äva  A  494  av  ok  y.ai  'Opavjz  Xaiy;  avac;/c[J.£vo;  v.i^xp'y 
T^v.py."^z')  äo'.cv;c,  vgl.  Aristarchs  Leseart  H  110  ävä  o'  avs/sc,  die 
Merkel  passend  in  Parallele  zog;  sonst  steht  äv  os  A  1110 
ß  492.  928   r  874.  882.  1231.  1236   A  1677  äv  3'  A  1350. 

ävo'./a  A  908  B  575.  927.  973  Y  23  A  31.  1291  oiävcr/a 
A  934   b'i109   Y  991    A  453. 

avO£T5  A  1237  dvOqxsvo;  A  189.  1589  avO£;j.£vo;  1}  1060 
A    L376.  1771    (LG   £vO£;/£vs'.)    ävO£tj.ivoj;  A  1386. 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Khodios.  AiD 

ävöopsv  r  556. 

iymhio-jay.  1  708  Tr/Shio^n^c,  A  1125  oc^r/Shi'^yiz  V  1212 
oL'r/.ochizaGX  r  861. 

äY/.£i[j.a'.  B  628  vgl.  Kalliraachos  Epig-r.  50.  2  und  57.  3 
avy.eTcrOai. 

ayxXtva'.  A  62. 

ävaxrjjov  A  1325. 

avs/o'.To  Ti  230,  aber  oj-x-xötoc  B  272  nach  der  Ueberliefe- 
rung  von  LG.  Ernesti  wollte  ojsavr/STo; ,  doch  weist  Merkel 
mit  Recht  darauf  hin,  dass  die  überlieferte  Lesung  nach 
Zenodots  Vorbilde  von  unserem  Dichter  stammen  kann,  vgl. 
Schol.  Ven.  B  694  öv.  Z-/;v:ooto;  vpaos'.  0L<jvr,:szz()3.'.  (für  av^-v^jicOa'.) 
£tji.£AAsv  /.TA.  Freilich  verfuhr  er  dann,  da  er  selbst  avc-rjaov 
braucht,  inconsequent,  wenn  nicht  etwa  dies  in  ä'cr/)70v  zu 
ändern  ist. 

avTsXXwv  B  44  r  520  av-iXAcvxo:  A  776  avieXXsuia  T  1224 
av-sXXs'.  B  1007    r  959    dvTOAa-  A  85    «v-oaswv  B  527. 

dv-iSiaYwv  B  119  so  nach  der  sehr  glücklichen  Conjectur 
von  Sanctamandus  für  die  corrupte  Ueberlieferung  von  LG 
cx:/liu  [j.iAav  TSTÄ-fwv,  S.  [).i'/C  dvTST.  Vgl.  Gerhard  124  Wellauer 
Note  z.  d.  St. 

^YX^Axcac  JJ  585. 

Mit  Uebergang    des  v  in  ;x  vor  [j.  und  den  Lippenlauten : 

d|i.ßoA{-^  A  861    r  144    diJ.ßo>,{Y;v  A  396. 

ä[).  [J.i^fy.  A  127. 

dix[A'.Y«  A  573  B  983  F  1405  A  628.  898.  1196. 

ä.j.  -soiov  A  1061  B  514  A  976. 

äi>.  TTsAa^o;  B  363.  808.  1089  A  1538.  1744. 

Ol.\).ZtX!iz7.C    B  255. 

oi.[).z'hav.ir,z  B  476    aixxAa7.'//;v  B  484. 
aij-TTAY^cwv  B  1195  (so  LG,  Merkel  conjicirt  3.\()T,~i>y>). 
d|j.T:v£(07T£;    r    1292     i;j.-v£':£T/.ov    r   231 '  ä;;.-v£Jcr£av    A    1264 
a|x-v£J(7a;  B  208. 

ä[j.  rSk'.y  A  166   B  996. 

a[A  xtoAisOpov  A  812. 

dixsaBov  B  983    r  570   A  1316.    1511    ä.^.'.ai-V   V  97.   982. 

di^-öas-:-/;  r  284.   1372    aijr.xzir,  B  40    V  811    A3. 

d|j.9£p£Ta'.  B   170. 

■/.x-y.:  ■/.■j.-J)yMii   Y   796     ivi/.ätOav'    B  834. 

33* 


476  Rzach. 

y.:(T0£T2  r  867  aT.o-/J.TQt-o  T  817.  1287  ivaatesTO  T  283 
itapa-icätOsto  ß  504    A  17o4    r^zpvm-:^txo  V  156. 

Mit  Assimilation    des    x    an    den    folo-enden   Consonanten : 

yJßßaAs  B  34  r  1308  A  188  ivr/.äßßaXs  A  1239  TTEp-.y.äß- 
ßaXcV  r  707. 

xao  o'  ä'[xu5ic  A  434  y.ao  o'  autoü  A  565  /.ao  es  ßapsTav  B  91 
xoe3    3'  apa  B  931    -mo    ok    oolzvh}   V   154    y.io  es  [j.'.v   i/X6;   Y  725. 

y.ocX)aäov  A  559  B  766  Y  1233  xaX)a-£v  A  7.  105  ß  994 
A  5.  29.  434. 

Y.d[).iJ.op^  A  1318. 

yt.d~r.eGt  B  831   A  1688     vn-mTZTZzav)  Y  655    Trspty.ocTiTcescV  Y  543. 

xapa :  TzapßoXaovjv  A  936  zap  oe  ol  £YX°?  ^  ^23  -rrotpOcTO  B  249 
TuapGscOat  A  346    TrapjjiiJ.ßXw/ev  A   1167    lüapcTairj  F  1239. 

Zum  ConsoTiantisnms. 

1.  Einfache  Consonanten. 

Labiale.  Zunächst  ist  der  Wörter  mit  dem  Anlaut  r.x 
statt  des  sonstigen  r.  zu  g-edenken  (das  t  entwickelte  sich  höchst 
wahrscheinlich  aus  Jod,  Kuhn  Zeitschr.  XI  340).  Unser  Dichter 
gebraucht   nach  altepischer  Weise  folgende  derartige  Formen  : 

TTToXtsOpov  mit  ständigem  Anlaut  tct  wie  bei  Homer,  die 
Ueberlieferung  von  L  ist  durchwegs  fest.  Mit  Positionsbihlung 
steht  r.z  A  398.  825  B  760  I'  824,  ohne  Noth  A  186  (wo  G 
vereinzelt  T^cXtsOpov  hat)  812.  1316   B  1143   Y  1405. 

Nur  zum  Zwecke  der  Positionsbildung  werden  die  Formen 
mit  TTT  (neben  solchen  mit::)  verwendet  bei  folgenden  Wörtern: 

r.-:oki\).oio  A  971  ■7:xoki[).o>.<7iv  A  467,  ferner  im  Inlaut  bei 
cpiXc-ToXe[;.oio  B  778  siXozToXeiJ.su;  B  991.  Daneben  steht  -öXsjj.3; 
A  1218  und  9  Mal,  ebenso  nur  -oltij:f,'.y.  T  562  A  1180  ::^Ai).'Zz 
A  43  TToXq/uov  B  758;  darnach  ist  auch,  wie  Merkel  that,  Y  1234 
das  von  LG  überlieferte  svavrßtov  -TsXqj.'.^sv  (G  -J^ev)  in  rSkiix'.zvf 
zu  ändern. 

TTTÖXtv  A  247.  653.  838  B  459.  654  (L  hier  ^sDys  -oXiv 
'Opxo|jL£voTo ,  Brunck  richtig  tctöX'.v,  Wellauer  cpsDvsv  zoX'.v)  890. 
1093.  1267  r  573.  621.  679.  749  A  1068.  1174.  1281.  -iXt; 
steht  daneben  z.  B.  A   1052  und  sonst  liäufig. 

Weiter  haben  wir  die  Namensform  «Pepscscv/;  W  916  zu 
erwähnen,    welche  Homer  und  tiesiod  nicht  kennen;    im  Epos 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  4r77 

lesen  wir  zuerst  ^zpGe^^övv.x  im  Hom.  Hymn.  XIII  2,  die  bei 
Apollonios  begeg'nende  Form  findet  sich  zuerst  bei  Simonides 
Ep.  128  B. 

Schliesslich  bleibt  zu  bemerken,  dass  unser  Dichter  einmal 
%-£/£v  braucht  B  1104  nach  dem  homerischen  ä-a;  £?pir)[X£vsv 
L,  225.-  Die  Aspirata  9  musste  in  die  Tenuis  tc  übergehen,  weil 
zwei  aufeinander  folgende  Silben  nicht  mit  einer  Aspirata 
anfangen  dürfen.  Wie  mechanisch  Apollonios  in  der  Reception 
homerischer  Ausdrücke  verfuhr,  zeigt  dies  Beispiel  deutlich. 
Denn  da  er  das  Wort  nur  ein  einziges  Mal  in  den  homerischen 
Gedichten  vorfand,  wagte  er  nicht,  es  auch  noch  ein  zweites 
Älal  anzuwenden  und  schrieb  daher  an  einer  anderen  Stelle 
A  324  die  gegen  die  griechische  Lautlehre  Verstössen  de  Form 
i'^.ciytz,  die  nach  seinem  Beispiel  später  Quintus  Smyrnaeus 
gebraucht. 

Dentale,  c  vor  jj.  wird  in  ionisch- epischer  Weise  be- 
wahrt  in 

l'$[x£v  A  135  A  1076.  1319  (zweimal)  15G9  l'c[^.£va'.  B  11 
r  355  A  725  odcixvni  A  1360  £;':o[X£vai  r  332.  1083,  im  Eigen- 
namen "IBiJ-cov  A  139.  436.  475  "lcixov=;  B  449.  850  "I$[^,ova  B  816. 

Ö3(xv^  B  272  A  158.  430  o^[j.fr,  B  229  ooijx^  A  622  oS[;.yjv 
B  191  A  112. 

ä;paStJ.05'JvYj  A  560  B  647  spaci^oaüvYjaiv  A  122  TCoX'Jspacf^.wv 
A  1311,  wozu  noch  aus  einem  Fragmente  der  v.v.T.q  Nauxpaiito? 
bei  Atiien.  Deipnos.  VII  283  D  (7u;;.opxo(jLova  hinzutritt;  endlich 
T.pz-z(fpoiii).v/x  Y  1315  nach  Hesiod  E.  655. 

6  ist  vor  \j.  bewahrt  in 

y.£7.:pje;x£voc  A  209. 

Bald  0  bald  'C  erscheint  in  ap(cr;Aoc  A  727  äp{cT;Aa  F  615 
('mit  kurzem  i)  neben  äpi'^r,\oq  T  958  ipi'Cr^Kc.  H  250.  Etymo- 
logisch sind  beide  Formen  gleich  berechtigt,  da  der  zweite 
Bestandtheil  entweder  von  dem  urspr.  cj  mit  Ausfall  des  j  den 
einfachen  c-Laut  behielt  oder  aber  Sj  in  'C  übergehen  Hess 
(vgl.  Curtius  Grdz.  '  603).  Apollonios  hielt  sich  in  Bezug  auf 
die  letztere  Form  an  die  hergebrachte  Ueberlieferung  der 
homerischen  Texte,  in  Bezug  auf  die  ersterwähnte  aber  an 
Zenodot's  Vorgang;  Schol.  zu  Homer  B  318  ap-l^'^Xcv  cti  Zr,v;- 
scTo;  Ypi^ei  ap'IBr/Aov.  Doch  wich  Apollonios  insofern  von  Zenodot 
ab,    als    dieser  an  der    genannten  Stelle    äp'tv>cv    mit    langem  i 


b 


f 


478  Rziich. 

lesen  musste,  wälireud  unser  Dichter  es  nur  mit  kurzem  i  ver- 
wendet, da  aber,  wo  eine  Länge  erforderlich  ist,  die  volgäre 
homerische  Form  braucht. 

Erwälmenswerth  sind  weiter  die  Adjectiva  mit  dem  Präfix 
^a,  das  aus  Zvj.  hervorging.  Sie  gehören  zu  den  Aeolismen  in 
den  homerischen  Texten.  Der  Ilias  und  Odyssee  entnahm 
ApoUonios  nur  Q^Ur^v  Ä  933  ly-'/sr^üc  A  1095  V  321  A  835 
!^ayp-/;£aiv  A  1159,  hiezu  kommt  noch  'C,<x\}.v)r\c,  A  1029  nach  dem 
Hom.  Hymn.  Herm.  307.  Neubiklungen  gestattete  er  sich  nicht. 

Bezüglich  des  Consonantismus  haben  wir  noch  einige 
Bemerkungen  hinzuzufügen. 

Für  das  der  epischen  Sprache  angehörige  Adverb  \J.ö^(iq 
verwendet  ApoUonios  durchwegs  nur  die  der  attischen  Prosa 
geläufige  Form  [jiX-.;  A  674  B  207.  488  T  188.  634.  1025. 
An  allen  diesen  Stellen  hat  L  [ji/ac,  nur  A  1233  hat  L  und  G 
[^.6^1?  (dies  G  auch  F  634) ;  diese  scheinbare  Abweichung  aber 
fügt  sich  sofort  der  Regel,  denn  nach  der  Note  Merkel's  zu 
d.  St.  steht  hier  in  L  und  G  der  Vers  <I>  417  der  Ilias  bei- 
geschrieben \}.ö-^^\c,  B's^avstpaTo  Ojij.öv,  woher  die  Irrung  der  Ab- 
schreiber rührt.  Uebrigens  sah  schon  Gerhard  Lectt.  Apoll.  95 
das  Richtige.  Den  alexandrinischen  Dichtern  war  ofienbar  das 
Bewusstsein,  dass  \).i>^i^c>  die  allein  berechtigte  epische  Form  sei, 
entschwunden,  denn  auch  bei  Kallimachos  lesen  wir  nur  \jSk\q 
Ilymn.  Dem.  27,  vgl.  Theokrit.  XV  4.  Der  Scholiast  zu  Apol- 
lonios  A  674  tadelt  die  Schreibweise  [xiAic  •  y.r/.toc  otä  toj  a  •  sosi 

Neben  -/spao-.o  A  1582  yjpco'j  A  1268.  1649  /ipaw  A  939. 
1009  li  860  r  575  A  79  -/ip^cv  T  199  A  1580  yi^i^v,  A  1264 
braucht  ApoUonios  die  Form  Xspövrjsov  A  925,  die  auch  der 
Prosa,  besonders  Thukydides  geläufig  ist;  hier  ist  natürlich 
nicht  das  c  als  ausgefallen  zu  denken,  sondern  vorher  eine 
Assimilation  zu  p  (wie  im  Attischen)  und  dann  Ausfall  der 
einen  Liquida  anzunehmen  und  zwar  nach  falscher  Analogie 
von  diJ.oippuTOc;  und  ajj.sipjTG;  und  ähnlichen  Gebilden.  Ja  sogar 
noch  eine  Synkope  des  o  im  ei-sten  Wortbestandtheil  gestattet 
sich  unser  Dichter,  doch  nur  am  Versschlusse  A  1175  Maxpioir;? 
STul  zeipau'.  "/£pv/;aoio. 

Das  oben  erwähnte  äolische  ap-uYspcä?  A  380  af^uYspoKspov 
B  244    i:]}:j^(E^iji~y.io<.  B  374    hat    den    ursprünglichen    Anlaut   be- 


Grammatische  Studien  zu  Äpollonios  Ehodios.  479 

wahrt,  während  er  im  Gemeingriechischen  [xz^fipiq  ([jLsvspoTo  F  853 
A  37)  abgefallen  ist. 

2.  Doppelconsonanz. 

a)  Liquidae. 

Das  Wesen  der  griechischen  Liquidae  hat  Hartel,  Hom. 
Stud.  I  -  40  sqq.,  in's  rechte  Licht  gestellt.  Er  hat  für  sie  eine 
, vollere  Articulation,  so  dass  sie  dem  Werthe  von  Consonanten- 
gruppen  nahezu  gleichkamen  und  wie  diese  Position  bilden 
konnten^  nachgewiesen.  Die  epische  Sprache  vor  Allem  bietet 
die  meiste  Gelegenheit  die  flüssige  Natur  dieser  Dauerlaute  zu 
erkennen,  die  sich  sowohl  in  der  Längung  kurzvocalischen 
Auslauts  vor  denselben  als  auch  in  der  Zusammensetzung  offen- 
bart. Die  späteren  Epiker  hielten  sich  an  den  Vorgang  der 
alten  Sprache,  ja  Äpollonios  blieb  nicht  bei  den  überkommenen 
Beispielen  stehen  ,  sondern  versuchte  auch  selbständig  vor- 
zugehen, indem  er  solche  Liquidaedoppelungen  (resp.  Län- 
gungen) auch  ohne  homerische  Vorbilder  sich  gestattete.  Indem 
wir  uns  vorbehalten  über  diese  ganze  Frage  an  einem  anderen 
Orte  ausführlich  zu  sprechen,  können  wir  uns  hier  darauf  be- 
schränken zu  erörtern,  in  wie  weit  unser  Dichter  den  in  der 
Natur  der  Liquidae  gelegenen  und  fast  ausnahmslos  nur  unter 
Unterstützung  der  Versarsis  wirklich  zum  Ausdruck  gelangten 
Doppellaut  auch  durch  die  »Schrift  bezeichnete.  Wir  werden 
vor  Allem  die  Liquidae  im  Inlaute  in  Compositionen  und 
nach  dem  Verbalaugment  zu  betrachten  haben. 

Von  Aristarch  wissen  wir,  dass  er  im  Anlaut  die  Liquida, 
wenn  sie  Position  bildete,  consequent  nur  einfcich  schrieb 
(vgl.  La  Roche  Hom.  Textkritik  391  sqq.  Hartel  Hom.  Studien 
I-  49  sqq.  j\Ierkel  Proll.  CIV  sqq.)  und  auch  im  Inlaute  sich 
meist  für  die  einfache  Setzung  dieser  Laute  entschied,  während 
Aristophanes  selbst  im  Anlaute  mitunter  den  doppelten  Laut 
setzte,  vgl,  Merkel  a.  a.  O. 

Doppelung  begegnet  uns  hier  nach  dem  Augment  sowohl 
wie  bei  Zusammensetzungen  mit  Präpositionen,  und  zwar  L  jenes 
nach  homerischem  Vorbild  bei:  eA/.aßs  A  1197  /.a-E'X/.aße  ß  108G; 
so  fand  Äpollonios   gewiss   zu   seiner  Zeit  in  den  homerischen 


480  BzacU. 

Texten  geschriebeu  und  so  behielt  auch  er  es  bei,  die  Ueber- 
lieferung-  ist  hier  einstimmig.  Auch  Aristarch  hat  gewiss  in 
solchen  Fällen  den  Doppelconsonant  geschrieben,  vgl.  La  Roche 
Ilom.  Textkritik  392;  nach  dem  Hom.  Hymn.  auf  Dem.  V.  87, 
wo  wir  iXXa/sv  lesen  (vgl.  Kallim.  Hymn.  IV  97  '€k\y.yeq)j  ge- 
stattete sich  Apollonios  sAXa/ov  B  881  (die  erste  Silbe  in  IV.  Arsis), 
wie  L  bietet,  während  G  iXayov  hat.  Dagegen  bildete  unser  Dichter 
ohne  ein  älteres  Vorbild  nach  dem  Muster  der  genannten  Formen 
£Xa'.-£v  B  1032  (die  gelängte  Silbe  in  V.  Arsis)  Till  (II.)  vd'/Xir.z 
A  515  (IV.),  an  welchen  drei  Stellen  denn  auch  die  Ueber- 
lieferung  einstimmig  den  Doppellaut  bietet. 

2.  Nicht  ganz  so  consequent  erscheint  die  Ueberlieferung 
in  der  Schreibung  der  gelängten  Silben  in  Compositis.  Nach 
homerischer  AVeise  erscheint  eine  Längung  vor  X  in  der  Arsis 
bei  a-cXX7^;£'.v  A  1353  (IV.  A.)  a-sXX-r-;£-.£  A  1154  (II)  A  767  (II) 
wie  an  denselben  Versstellen  bei  Homer,  vgl.  für  die  IV.  Arsis 
0  31  \j.  224  V  151,  für  die  IL  x  166;  die  Ueberlieferung  bei 
Apollonios  bietet  nur  Doppelliquidae,  was  dafür  spricht,  dass 
er  auch  in  Homer  so  geschrieben  wissen  wollte,  während  wir 
von  Aristarch  ausdrücklich  erfahren,  dass  er  den  einfachen 
Consonanten  schrieb  Schob  zu  0  31  OL-o'hhr,zr^;  •  otä  toj  i-epcu  X 
ai  Ap'.aTzp'/oj;  daraus  schloss  La  Roche  Hom.  Textkritik  390 
mit  Recht,  dass  Aristarch  auch  an  den  übrigen  in  Betracht 
kommenden  Stellen  so  geschrieben  haben  wird.  Schwankend 
ist  die  Schreibweise  bei  einem  anderen  Compositum,  wir  linden 
nämlich  in  L  zwar  iJ.t-3.X/.r,zt'.  V  110  (mit  der  Längung  in  der 
IV.  Arsis,  wie  bei  Homer  1  157.  261.  299  Hom.  Hymn.  Dem.  339), 
aber  p-etäX/^ycov  A  1271  (IV.  A.)  und  i^.cTaXvrsc/.sv  I'  951  (H.  A.); 
Cod.  G.  hat  an  der  erstgenannten  Stelle  gleichfalls  den  doppelten 
Consonanten,  an  der  zweiten  [j.£t'  äXXvjvwv,  an  der  letztgenannten 
stimmt  er  mit  L  überein.  A\'ir  werden  uns  natürlich  für  die 
Doppelung  entscheiden,  da  hiefür  schon  die  genannten  Formen 
von  ÖL-o'Kr,-(D)  überzeugend  sprechen.  Aristarch  schrieb  ebenso 
consequent  auch  hier  nur  ein  X,  Schob  I  299  o'.x  toj  eiipoo  X 
TO  p,£TaXXr,;avr'.  ai  Ap'.sxäpyoj. 

Endlich  gehört  zu  diesem  Stamme  ein  drittes  Compositum 
aXXr^y.Tcv,  dessen  gelängte  Silbe  jedoch  nur  au  zwei  Stellen  in 
der  Arsis  steht  Y  74  (IL  A.)  und  V  805  (I.  A.),  während  sie 
sich    dreimal    in    der    Thesis    vorfindet    A    1148    (2.    Thesis) 


Grammatische  Stadien  zu  ApoUonios  Rhodios.  481 

1299  (4.  Thesis)  und  B  940  (2.  Thesis).  Beide  Fälle  sind  der 
homerischen  Spruche  entnommen  vgl.  für  die  II.  Arsis  Homer 
B  452  A  12,  für  die  2.  Thesis  Homer  [>.  325.  An  säinmtlichen 
Stellen  des  ApoUonios  hat  L  die  doppelte  Liquida,  G  dagegen 
überall  mit  Ausnahme  von  A  1299  die  einfache.  Ob  dies 
letztere  etwa  die  Schreibweise  des  Aristarchos  war  und  als 
solche  in  den  Cod.  G  eindrang,  lässt  sich  nicht  entscheiden, 
für  unseren  Dichter  kann  es  aber  keinem  Zweifel  unterworfen 
sein,  dass  er  auch  hier  so  schrieb,  wie  es  L  bietet.  An 
dies  aAAr,/.T:v  schliesst  sich  eng  an  die  Form  sAAYj^av  ß  84, 
deren  gelängte  Silbe  in  der  2.  Thesis  steht.  Homer  kennt  diese 
Bildung  nicht,  ApoUonios  gestattete  sich  sie  im  Hinblicke 
auf  aÄAY;y.T3v  [).  325  und  seine  eigene  Gebrauchsweise  dieses 
Wortes  A  1148  B  940.  Auch  hier  ist  der  Doppelconsonant 
überliefert. 

Zwar  nicht  nach  einem  homerischen,  doch  aber  nach 
einem  altepischen  Muster  liess  unser  Dichter  die  Doppelung 
der  Liquida  a  endlich  noch  zu  in  eTi'.AAS'ßwv  A  1133  (IV.  Arsis) 
und  £z'.AA£'i3ov-3(;  A  1721  (IV.  Arsis).  An  der  ersten  Stelle  hat 
zwar  L  nur  ein  a,  allein  die  zweite  Stelle  sowohl  wie  die 
oben  angeführten  Fälle  sprechen  laut  dafür,  auch  hier  con- 
sequent  den  Doppellaut  zu  setzen.  Die  Leseart  von  G,  der 
A  1721  eTT'.AS'ßcvTa;  hat,  während  die  erste  Stelle  eine  corrupte 
Schreibung  bietet,  kann  nicht  in  Betracht  kommen.  Das  alt- 
epische  Vorbild  für  die  Längung  in  diesem  Worte  ist  das 
hesiodische  azcXe-'I/aq  Th.  793,  wo  die  Ueberlieferung  nur  den 
einfachen  Consonanten  aufweist. 

Nach  homerischem  Vorbilde  lesen  wir  o'j7i\j.\).zpoc  A  253. 
286  I'  809  cjja.u.;j.:p;v  ß  218  a;83  cj^oi[i.[j.op:  A  685;  das  Doppel-pi 
dieses  Wortes,  das  nur  ein  durch  cj7  gesteigertes  ix[>.iJ.opz;,  (un- 
glücklich, so  Hom.  Z  408  Q  773)  gleichbedeutend  mit  cJ3[j.:po; 
ist,  erhielt  sich  unter  dem  Einflüsse  der  Arsis  als  Repräsentant 
des  wahrscheinlichen  ursprünglichen  Anlautes  der  Wurzel  cjJLap. 

Ohne  homerisches  Vorbild  lesen  wir  von  demselben  Stamme 
das  Adverb  c'.a|jL[;,o'.pr,oä  F  1029  (gelängte  Silbe  in  der  IV.  Arsis), 
wozu  ApoUonios  aber  offenbar  sjA.y.opcv  als  Muster  nahm. 

Zu  nennen  ist  ausserdem  i\)\j.'^.z\ir,;,  A  96  (IV.  Arsis) 
1043  (II.  Arsis)  wie  bei  Homer. 


482  Rzach. 

Was  die  Schreibung  aller  der  genannten  Bildungen  be- 
trifft, so  bietet  L  durchaus  die  doppelte  Liquida,  G  hat  zwar 
Byaaixjxopoc,  aber  oi:L\j.o'.prfid  und  £'jij.eA'-^c,  welch'  letzteres  auch  im 
Scholion  zu  A  96  sich  so  geschrieben  hndet:  £U|j.£M-/)(;  o£  o  tcoXc- 
(Aivcoq,  axb  vqq  [/.e/daq. 

V. 

Von  dieser  Liquida  kommt  nur  ein  Fall  in  Betracht, 
nämlich  ah^nyiq  B  738  (die  gelängte  Silbe  in  der  I.  Arsis) 
aüvsyioj;  A  1271  B  189  (beide  Male  L  Arsisj.  Die  Längung  ist 
etymologisch  begründet,  da  sich  darin  die  Nachwirkung  des 
ursprünglichen  Anlautes  der  Wurzel  c:i/  zeigt;  für  Gjveyi?  lag 
dem  ApoUonios  Hom.  M  26  als  Muster  vor  (vgl.  auch  i  74), 
3Uv£/£0);  aber  verwendet  er  nach  dem  Vorgange  Hesiods  Th.  636, 
wo  wir  es  an  derselben  Versstelle  sehen.  Was  nun  die  Schreibung 
betrifft,  so  bietet  L  bei  dem  zweimal  begegnenden  cuvs/ea);  nur 
ein  V,  dagegen  ist  auvvs/i«;  geschrieben  ,altero  v  exiliter  postm. 
ascr.'  wie  Merkel  angibt.  G  hat  überall  nur  ein  v.  Die  home- 
rische 7.3'.vy5  zeigt  uns  der  Venet.  A :  c'jvvsyeq  (vgl.  La  Roche 
Hom.  Textkrit.  354).  Dieser  ward  von  Didymos  die  Schreib- 
weise des  Aristophanes  und  Aristarch  entgegengesetzt  Schol. 
zu  M  26  QUTiv/iq '  'Aptffxap'/o?  -/.at  'AptaT02)äv/](;  ota  xou  STspou  v. 
Merkel  schrieb  auch  bei  ApoUonios  überall  den  einfachen  Con- 
sonauten,  da  sich  nicht  leugnen  lässt,  dass  Cod.  L  sonst  den 
aristophanischen  Vorschriften  über  die  Gemination  der  Liquidae 
folgt,  so  dass  die  Argonautika,  wie  sie  in  dieser  Hdschr.  vor- 
liegen, als  eine  Recension  aristophanischer  Grammatiker  sich 
darstellen,  vgl.  Merkel  Proll.  CIV  sqq.  Wenn  wir  aber  die 
sonstige  Gepflogenheit  der  Ueberlieferung  von  L,  die  ganz 
entschieden  für  die  Doppelsetzung  der  Liquidae  spricht,  in 
Betracht  ziehen,  wenn  wir  fei'ner  erwägen,  dass  dieselbe  Hdschr. 
zwar  gerade  bei  dem  in  Rede  stehenden  Worte  das  v  nicht, 
wenigstens  nicht  consequent,  doppelt,  dafür  aber  zappaX'-^?  A  1560 
bietet,  das  einen  ganz  ähnlichen  Fall  repräsentirt  (Trxpx  und 
akq,  das  urspr.  mit  a  anlautete,  lat.  sal),  wenn  endlich  gebührend 
berücksichtigt  wird,  dass  in  den  Scholien  zu  A  769  und  Y  37 
der  Schreibung  ;ppa  unseres  Dichters  die  aristarchische  mit 
einem  p  geradezu  entgegengesetzt  wird,  so  können  wir  mit 
ziemlicher  Bestimmtheit  annehmen,  dass  ApoUonios  auch  cuweys; 
und  c7uvv£y£(o?  schrieb. 


Grammatische  Studien  zu  Apolionios  Rhodios.  483 

P- 

cppoi  mit  der  ersten  Silbe  in  Arsi  lesen  wir  Y  37.  845 
A  68.  251  ;pp'  A  769  B  718;  doppeltes  p  ist  sowohl  in  L  als  G 
durchgäng-ig  geschrieben ;  ebenso  muss  -6pp'  A  526  F  867  A  582 
geschrieben  werden,  wenn  auch  hier  die  Ueberlieferung  es  nicht 
überall  bietet.  L  hat  an  der  ersten  Stelle  nur  ein  p,  an  der 
zweiten  steht  tjv  p'  yjv'  e^avsXouaa  verschrieben  aus  ■T:opp\  an  der 
di'itten  endlich  ist  nach  MerkeVs  Angabe  das  zweite  p  von 
zweiter  Hand  hinzugefügt.  G  stimmt  an  allen  Stellen  mit  L, 
nur  ist  an  der  letzten  ~6pp'  von  einer  Hand  geschrieben.  Die 
Schreibweise  mit  Doppel -p  stimmt  vollständig  mit  der  sonstigen 
bei  Apolionios.  Zu  vergleichen  ist  mit  den  genannten  Stellen 
bei  Homer  11  228  z6  px  tst'  £■/.  /yjXoTi  Xcßwv  £-/a9y;pc  Oi£Üo  -pokov, 
wo  Aristarch,  wie  uns  das  Scholion  des  Didymos  zu  dieser 
Stelle  bezeugt,  nur  ein  p  schrieb :  c'jto);  Apistapyo;  t6  pa  c'.a  toD 
hoc  p.  Ausdrücklich  wird  der  Schreibung  unseres  Dichters  die 
aristarchische  gegenübergestellt  in  zwei  Schollen  zu  den  Argo- 
nautika :  zu  A  769  cpp'  ATaXavtv;  •  .  .  .  oi  0£  'Apiaiap/eto'.  oi  exspou  p 
syo'jG'.  -xq  TO'.xJTa?  -(pxoy.:,  w;  'HpaxXstov  i-r;7lv  h  r^  ■::'  zfiq  'IXiäoo? 
,-i  pa  tot'  £•/.  yT,Lolo  /.aßtov ;  ferner  zu  T  37  cppa  t£  oi  5ia  Büo  pp  • 
od  C£  "ApiG-ip'/ßioi  \cC  k-ipo\)  p]  vpacoucv,  '  w;  y.al  T:apa  tw  Tzzir^xf^  ,t6 
pa  tot'  £•/.  yr^^olz  Aaßwv-  ir)7tv  'Hpay.Aicov.  Wie  Antimachos,  der 
diese  Läugung  auch  verwendete  —  Fr.  ine.  66  Kinkel :  to  pa 
0-    oL'iy'Mv/iq   7.p£[j.aT0   ~ip\  -ädaaAov   yXv.  —  schrieb,    ist  ungewiss. 

Wie  durchgehends  oppa,  so  hat  der  Cod.  L  auch  in  zwei 
anderen  Fällen,  wo  Längung  eines  kurzen  Vocals  vor  folgen- 
dem p  bei  zwei  getrennten  Wörtern  stattlindet,  die  Doppel- 
lir^uida:  F  1020  steht  corrupt  '::£p'.ppo£o;7'.v,  während  G '::£pippoo££aa'v 
zeigt,  was  von  Schäfer  richtig  in  r.tp\  poorr,-'//  emendirt  ward; 
ähnlich  lesen  wir  £7:'.ppr,v£(7otv  A  1497;  beide  Schreibweisen  gehen 
auf  die  Gepflogenheit  des  Aristo phanes  zurück,  von  dessen 
Regeln  mehrfach  Spuren  in  L  wahrzunehmen  sind.  Apolionios 
schrieb  gewiss  hier  nur  den  einfachen  Consonanten,  man  vgl. 
nur  z.  B.  A  251  oppa  öea  f,piäzz  i-\  'pr^-y:.z<M  £0£i[j.av,  wo  zwar  öppa, 
aber  £-';  pr,Y[j.Tciv  mit  einem  p  neben  einander  steht. 


'  So  ist  statt  des  hdschr.  a:  o;  'Ap'.aTap/Eio'.  ypa'JOJUiv  zu  schreiben  im 
Hinblick  auf  das  erstcitirte  Scholion ;  Keil  ändert  uunöthigerweise  auch 
a'.  in  ol,    es  können  hier  ganz  gut  Exodaet;  gemeint  sein. 


484  Rzach. 

Zu  nennen  ist  ferner  ~y.ppx'/J:r,c  \  1560  an  erster  Versstelle. 
Die  Längung  der  ersten  Silbe  kommt  zwar  in  der  altepischen 
Sprache  nicht  vor,  ist  aber  g;leich\vohl  etymolog-isch  vvohl- 
begründet,  indem  sich  der  einstige  Anlaut  des  zweiten  Wort- 
bestandtheils  äXc  (p)  geltend  machte,  wie  wir  es  sonst  bei  Homer 
sehen:  vY;a;  «AaB'  B  165  TrcTaiJ-bv  aX'.[j.'jp-/;£VTa  e  640;  vgl.  Kalli- 
machos  Hymn.  III  238  T.7.ppy}J.r^  (II.  A.).  L  schreibt  das  p  doppelt, 
G  aber  nach  aristarchischer  Weise  einfach.  Eine  Nachahmung 
des  Apollonios  finden  wir  bei  Dionysios  Perieg.  253  ~xppx/sr,'f. 

Alle  übrigen  Geminationen  von  p  stellen  Assimilation  eines 
einst  vorhanden  gewesenen  anderen  Consonanten  (meist  F  oder  a) 
dar  und  sind  der  alten  Sprache  entnommen.  Ständig  ist  die 
durch  Assimilation  hervorgerufene  Doppelung  des  p  in  der  Arsis, 
in  der  Thesis  jedoch  tritt  mitunter  der  einfache  Consonant  ein, 
indem  die  Unterstützung  der  Vershebung  zur  Erhaltung  des 
ursprünglichen  Lautcomplexes  verloren  geht.  Diese  im  alten 
Epos  hervortretenden  Gesetze  hat  unser  Dichter  getreulich 
bewahrt.  Wir  haben  nur  einen  Fall  mit  der  Liquida  v  und 
eine  Reihe  solcher  mit  p  zu  betrachten. 

ivvcTJsv  A  241  A  586.  1596  £vv£-cv  A  1057.  1277  vnzTzi 
A  2  iJ.£T£vv£7:£  T  1168  -ap£vv£-£v  F  367  :rpoa£vv£-£v  A  711.  792 
r  51.  78.  433.  474.  710  (überall  steht  die  erste  Silbe  in  Arsi). 
Das  auf  ursp.  vt:  (W.  es-,  lat.  in-sece)  zurückgehende  w  erhielt 
sich  unter  der  Mitwirkung  der  Arsis,  während  nach  Aufhören 
dieser  Hilfe  der  einfache  Consonant  erschien :  hiizio  A  985 
£V£7:ojc?tv    A    26     £V£::j'.[x'.    B    1059     £V£7:c'.    A    1388     ivizor/    B    310 

£V£7C0VTC;    B    771      £;£V£7CCVT'.    A    764      £;£V£Tr5VTa    B    391. 

Fälle  mit  p. 

ippai^av  A  617  ^'.ippx:GV/  A  33  ippa-jOr^  A  1034  C'appa-.sOr/Ta; 
r  702  (wahrscheinlich  ursp.  Digarama-Anlaut),  überall  steht  die 
Silbe  mit  dem  geminirten  p  in  der  Hebung. 

eppi^^r^  B  1115  avxpp-r^;a;  1'  581  azoppo);  A  637  y.ppr,'/~o:a\ 
A  1265  (I/jycppaviovTx  B  833  W.  fpoL'c,  während  die  genannten 
Formen  die  Silbe  mit  pp  in  der  Arsis  haben,  erhielt  sich  auch 
in  der  Thesis  die  Gemination  bei  äpprjy.T:?  A  63  (1.  Thes.) 
A  1646  (2.  Thes.)  ai^.stppwYa;  A  995  (2.  Thes.).  Apollonios  wich 
hierin  von  Homer  ab,  w^o  wir  bei  ippr,y,-o^  stets  nur  die  erste 
Silbe  in  Arsi  finden,  während  das  zweite  Wort  überhaupt  nicht 
homerisch  ist. 


Grammatische  Studien  zn  Apollonios  Rhodios.  4:85 

£jppr,vc?  r  1086  suppv^vccc'.v  A  49  -oXOppr/^sc  B  377  (Wurzel 
rapv   rpav). 

äpp-r-Tju;  A  917   (W.  rsp). 

y.r/.cpp£7.TY;c'.v  F  595  y.aTappscasa  A  087  (W.  rzp'(  fpv{) ;  die 
Silbe  mit  Doppel -p  erscheint  aber  auch  in  der  zweiten  Thesis 
'ipp^^t'/  B  523.  1146  wie  bei  Homer  I  530   K  49. 

•/.ÄTappc-sc  B  593   W.  fpz~. 

■/.a-cippiYrjSiV  F   1132    eppi-(r,cv/  T  438    W.  fp'^(. 

ipp'CwOsv  B  605  ipp'CoJVTai  A  1122  B  731  F  969  ßaeüpp-Zov 
A  1199  W.  ptC,  wozu  wohl  auch  -sp'.ppY]o-(^c  A  431  ■::£p'.pp-/(CY)v 
A  1581  i-ipp-f^-r^j  B  040.  847  gehört,  Curtius  Grdz.^  353  (so 
dass  auch  hier  das  eine  p  die  letzte  Spur  des  einstig-en  r  wäre). 

ejpp'.vs'.  F  1299  roA'Jppivov  F  1231  (W.  Pp-.v). 

i'jpp'lvwv  B  125  (W.  ap'j?  Curtius  Grdz.^  355). 

a~oppi'^T/-z^  B  884   (W.  rps"). 

£-{ppc62;  B  1068  F  184  i-ippo<io;  B  225.  1050  F  559  A  1045 
£Z'!ppcOoi  B  1193  mit  pi^oq  zusammenhängend. 

eppee^f  F  805  A  1531.  1703  aYxtppoo;  B  367  ä-f/'-PP--'  B  963 
ßaeuppciov-c^  B  795  ßaOjpp£':ovTa  B  059  £-ipp27.{  A  023  i^üppso;  A  269, 
was  wohl  nach  Analogie  von  r/rAoiJ.oq  gebildet  von  Apollonios 
geschrieben  ward,  L  hat  unmetrisch  iuppso;  G  £'Jpoo:;  Merkel 
setzte  die  unwahrscheinliche  Conjectur  Meineke's  s'jpjppos;  in 
den  Text.  —  In  der  Thesis  finden  wir  dem  homerischen  Gebrauch 
entsprechend  die  einfache  Consonanz:  a;j.jtp'jr/)  A  1305  süpupeovia 
B  1201  zpop££(7y.£  F  225  o)y.'jpirjV  B  349.  050,  dies  letztere  kam 
auch  als  Eigenname  'Qxjpiy;v  in  der  -/.-.iziz  Nxjy.paiiw;  vor,  Athen. 
Deipnos.  VII  283  D : 

TW  pa  7:;t'   'üy.jpirjv  v'j[j.s7Jv  Tizp'xxKhix  xoüprjV 
Xr,c'.k^  £'jraT£p£'.a  T£y.£v  cCKÖrr,-'.  \).i^(eiaoi, 
'Qy.updrjv,  fi  vAkKc-  azstpfcov  tö-asav  ^Qpat. 

ippwsavTo  A  385  £-£ppw:vTo  B  001.  077  A  504.  1033  £7:£ppwjÄVTo 
F   1258    (pa)s;j.a'.    hängt   wahrscheinlich    mit  W.  'pj    zusammen). 


h)  Andere   Consonanten. 

'S 

£2o£'.cav  F  1293  -sptcSeicavTs;  A  1050  G-ooss-ca;  F  318  A  394 
'j-ooo£';Gai;  F  435;  überall  steht  die  Silbe  mit  der  Gemination 
des    0   in    der  Versliebung.     Diese    nach    homerischem  Vorbilde 


486  Hzach. 

angewendete  Doppelung-  des  o  liat  ihren  etymologischen  Grund 
in  der  ursprünglichen  Beschaffenheit  der  Wurzel  oFi,  deren 
einstiges  f  iu  dem  Namen  AFcivia;  inschriftlich  vorliegt  (Korinth. 
luschr.  Mitth.  des  deutschen  archäol.  Instituts  zu  Athen  I  1.  43); 
zu  vergleichen  ist  auch  die  Längung  iu  iizl  oioq  A  639  wie  öfter 
in  der  altepischen  Sprache. 

77. 

Wie  Homer,  so  brauchte  Apolloniös  otzizöhe  A  42.  83.  1349 
B  1212  r  299.  954  A  530.  755.  1355.  1656.  1720  ctttuö-'  B  654 
r  764.  1273.  1302  A  507  oztoO'  A  1242  oTu-cOt  B  1137  ci:r.r, 
B  983  V  316;  das  Doppel -t:  erklärt  sich  aus  der  Grundform 
cxFoTc  oTüFoTc.  Die  geschwächte  Form  mit  einem  tu  erscheint, 
wenn  die  erste  Silbe  in  der  Thesis  steht:  oTioxe  B  387  V  38 
A  1452  B  1052  A  933,  so  durchgehends  bei  otty)  A  854.  1344 
B  980.  1185   A  297.  532.  1470.  1701. 

G. 

Doppel -(7  erscheint  in  einer  Reihe  von  Wörtern,  bei  denen 
es  etymologisch  begründet  ist.  Sie  sind  alle  der  altepischen 
Sprache  entnommen  und  zwar  [xsaaov  A  427  und  in  verschie- 
denen P'ormen  an  über  zwanzig  weiteren  Stellen,  dann  in  den 
Ableitungen  [j.z.Gc-q-{ü  T  1317  (und  4  Mal)  [j-scc-^yü?  A  85  (und 
13  Mal)  [j.sTOÖOsv  A  1168  [j.sggoOi  A  1278  B  172  [j.iaaoLuXo;  V  235, 
dann  im  Superlativ  [j.saaoTaTOv  A  649;  daneben  sind  Formen  mit 
einem  g  verhältnissmässig  sehr  selten  und  zwar  nur  [xesov  A  1033 
B  620  A  374  ixiato  T  1002  [j.sgy;  A  1239,  wozu  nur  noch  der  Superlativ 
[AscraiTatTj  A  999  hinzutritt  ((j-satjo;  entstand  aus  *iJ,£6jo;  lat.  medius). 

Hieher  gehört  ferner  cggo^,  das  in  der  Form  cggov  z.  B. 
A  84,  im  Ganzen  an  über  40  Stellen  mit  doppeltem  Sigma  vor- 
kommt, woneben  die  jüngere  Form  mit  einem  g  jedoch  fast 
ebenso  oft  begegnet,  z.  B.  Bcov  A  371,  im  Ganzen  36  Mal. 
TÖaio;  findet  sich  an  über  20  Stellen,  z.  B.  xsjcov  A  84,  wogegen 
die  Form  mit  einem  g  nur  9  Mal  vorkommt,  z.  B.  licov  A  468 
(cGGO-  und  ■:zGGOz  gehen  auf  oxioq  und  tz-ioc,  zurück).  Ausserdem 
braucht  Apolloniös  auch  das  abgeleitete  occattsv  A  372.  468  und 
Toaaaxtov  A  962. 

oTticcu),  dessen  Doppelsigma  gleichfalls  etymologisch  be- 
gründet ist  (o-iOj(i)),  braucht  luiser  Dichter  A  5  und  an  weiteren 
23  Stellen,  wogegen  er  die  jüngere  Form  o-iffto  nur  spärlich 
verwendet  A    1017.   1298    15  44(1    1'  964. 


Grammatische  Stadien  zu  Apollonios  Khodios.  487 

'::p6aatii  lesen  wir  B  274,  Trpiaw  gleiclifalls  nur  einmal  A  1268, 
doch  ist  jenes  Conjectur  von  Schneider. 

Etymologisch  begründet  ist  weiter  höchstwahrscheinlich 
die  Gemination  des  a  in  zacj-o  Y  12S9.  1380  A  595.  14(57 
i;i(7cuT0  A  40  [j,£T£G(jJ7a'.  A  1270  hc^'jov-o  T  885,  bei  Homer  auch 
in  der  Zusammensetzung  z.  B.  s-'.acEJto  0  347 ;  wahrscheinlich 
haben  wir  hier  eine  W.  cru,  vgl.  Ahrens  Phil.  IV,  600. 

Ebenso  steht  es  mit  sjcetovro  B  1070  wie  Homer  V  59 
von  der  W.  cFa,  vgl.  Curtius  Grrdz.  ^  375    Ahrens  a.  a.  O. 

uTTOffffaivwv  r  396.  974  A  410  gestattete  sich  Apollonios  im 
Hinblicke  auf  das  homerische  7:£picaa(vov:£?  y.  215  -spi'affatvov  ti  4 
TCsptccatvoufft  ■::  10.  Auch  hier  glaube  ich  mit  Ahrens  a.  a.  O. 
an  das  einstige  Vorhandensein  des  Anlautes  er,  was  freilich 
Hartel  Hom.  Stud.  I  75  sq.  nicht  zugesteht. 

Nach  dem  Muster  des  homerischen  und  hesiodischen  Xascrcio? 
(z.  B.  N  128  Aspis  37)  bildete  Apollonios  rciOGau,)  B  927  vy;oc32cv 
A  570;  das  Wort  hängt  wahrscheinlich  mit  der  W.  cpj  zusammen, 
anderer  Ansicht  ist  Brugman  de  prod.  suppl.  Stud.  IV  156 
Note  71. 

TTO/aücsü/ov  B  846,  das  unser  Dichtei-  neben  7:o\':r,iyzu  \  312 
gebraucht,  verdankt  sein  Doppelsigma,  wie  Curtius  Grdz. '  282 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  annimmt,  einem  doppelten  hypo- 
koristischen  Suffix,  indem  der  darin  vorhandene  Stamm  TroXtcaa 
auf  rS/d-v-p.  zurückzuführen  ist  (das  •/.  auch  und  zwar  aspirirt 
in  -jT^Ai-y-vY]).  Apollonios  entnahm  das  Adjectiv  der  Sprache 
des  Aischylos. 

Durch  Assimilation  entstand  aa  bei  Traacuotv),  so  lesen  wir 
in  L  A  323.  634  B  759.  1063.  1169  F  195;  nur  A  859  steht 
T^xvG'jz'.T, ,  welches  die  geläufige  Schreibweise  in  G  ist.  In  der 
letzterwähnten  Hdschr.  haben  wir  eben  die  aristarchische  Schreib- 
weise vor  uns  Schol.  B  12:  o'6-a);  ch  oix  tcj  v  xb  Travauo-Yj  6  'Ap-- 
STap/o;  7.7.1  -y.  TrocpaTrAr^cta  tojto'.c  ,av7r/;50v'-  -/.xl  ,Taya  5'  avaTY^sscOz'. 
sjj-^AA^v'.  Apollonios  hielt  sich  wahrscheinlich  an  Zenodots  Vor- 
gang, von  dem  wir  wissen,  dass  er  äaTv^scaSxi  für  av-Tr^cecOat 
schrieb  (Schol.  Hom.  B  694  vgl.  Düntzer  Zenod.  60)  und  sonst 
die  Assimilation  begünstigte  (La  Roche  Hom.  Textkr.  394  sq.). 
Bei  Kallimachos  Hymn.  IV   159  ist  die  Sache  zweifelhaft. 

Etymologisch  unerklärbar  ist  die  Gemination  des  c:  im 
Eigennamen  MsvaAojffa/.sa  A  1045  (die  betreffende  Silbe  in  der 


488  Bzach. 

IV.  Arsis).  Doch  scheint  es  mir  keinem  Zweifel  zu  unterliegen, 
dass  hier  eine  falsche  Analogiebildung  vorliegt.  Wir  lesen  bei 
Hesiod  A.  13  ec  0-r^ßa;  iv.i-fJGt  Z'Spzcza.-Ais.c,  Kao[X£{G'j;;  nach 
diesem  c;£p£sjay.sac,  dessen  Doppelsigma  sehr  wohl  begründet 
ist  (Thema  sepe?  und  aiv.o:,  vgl.  sspsj-ß'.j;  Hesiod  Th.  693 
Hom.  Hymn.  Apoll.  341  u.  s.),  gestattete  sich  unser  Dichter 
jene  Bildung  mit  ganz  äusserlicher  Analogie,  doch  mit  Ein- 
haltung derselben  Versstelle  wie  in  seiner  Vorlage. 

T. 

Die  Gemination  von  x  findet  sich  nur  in  ctti  (urspr.  *ot-J'., 
auf  *c-/-jt  zurückgehend)  A  159  B  145  T  131.  699.  1011  und 
zwar  überall  als  Neutrum  von  5t7xt;;  die  Form  c-ct  lesen  wir 
nur  einmal  B  126. 

Declinatioii. 

1.  Vocalische  Declination. 

a)    A- Stämme. 

Nomin.  Sing.  Der  Ausgang  zvc,  bei  Abstracten,  die  von 
Adjectiven  auf  y;;  herkommen,  kommt  wenigstens  in  einem 
Beispiel  vor:  £U7.Xc(yj  A  447  suxXsiyj;  A  73.  141  A  379,  wie  tlomer 
z.  B.  0  285    0  402. 

Die  Nominative  masculiner  Stämme  auf  a,  wie  '-ziia 
vsosArf^epexa  u.  dgl.,  die  sich  im  alten  Epos  nicht  selten  vor- 
finden, hat  unser  Dichter  ganz  und  gar  gemieden. 

Von  Nominativen  masculiner  Stämme  auf  ac,  wie  'Epixv.x; 
Qr,pxz  "loxc  "VXa;  ward  oben  p.  438  schon  gesprochen.  Wir 
haben  hier  noch  hinzuzufügen,  dass  der  Grenetiv  Up'S/.xz  B  780 
einen  ähnlichen  Nominativ  auf  a;,  llpiöXa;,  voraussetzt.  Dieser 
repräsentirt  aber  einen  Eigennamen  mit  abgeschliffener  Endung 
=r  ripisAao;,  vgl.  das  Schob  zu  d.  St.  toiw;  tcv  6p-^voj'/£vov  IlptdXaiv 
»yjcjI,  twv  ä'XA0)v  Büipixiv  AivivTtov  Tiv  TiT'Oü  utiv,  w;  N6[X9'.;  v-xl 
KaXX'CTpaTo; ;  das  erste  Schob  zu  d.  St.  führt  den  Nominativ 
OptöXac,  aber  den  Genetiv  Ilp'.oXacj  an.  Das  alte  Epos  kennt 
den  Namen  nicht. 

Genetiv  Sing.  Hier  sind  die  verschiedenen  Formationen 
der  Masculina  zu  betrachten  : 


(xrammatische  Studien  zu  Apollonios  Bhodios.  4:89 

1.  Der  gewöhnliche  Ausgang  ist  der  auf  as,  wie  in  den 
homerischen  Gedichten:  'AßavTiäoao  B  857  Av-^vipioaG  B  293 
'krnP.oLo  A  560  B  557  'A-cao  A  353.  609.  642.  735  r  810  A  1666 
Aiavioa:  Y  382  A  503  AIt,'olz  A  337  B  403.  459.  890.  1094. 
1143.  1151.  1164.  1197.  1207.  1221.  1279  r  13.  142.  153.  177. 
212.  228.  241.  247.  269.  449.  492.  508.  528.  538.  609.  621. 
1404  A  84.  102.  440.  512.  684.  697.  731.  740.  814.  1007.  1102. 
1204.  1297  AisAtoao  B  849  T  361  Aicovicao  A  46.  123.  407.  1084 
r  60.  86.  194.  318.  574.  752  (so  Stephanus,  LG  unmetrisch 
AiacviBca)  t:s6(o)  1017.  1214  A  92.  688.  1313.  1755  AxTcpioao  A  72 
B  911.  916  apYiaTao  B  961.  993  A  1628  Biav-iaoao  B  111  Bopsao 
A  1300  B  234.  241.  273.  427.  440  A  1464  ßopszo  A  652.  1308 
B  362.  1098  A  286.  1232  'EpiJ.-J.xz  A  51.  642  T  197.  1175 
Kprßz'oxz  y  357  Kpsv-2ao  B  1211  A  520.  753  \-qxoiooLo  A  439. 
484  A  612  M'.vJas  A  230  NaußoA-oao  A  134  Nau-äXiacac  A  136 
'OpvjT-cao  A  207  neliao  A  3.  225.  242.  279.  323.  902.  981.  1304 
B  624.  763   A  242    IlpidXao  B  780. 

2.  Ziemlich  spärlich  ist  der  ionische  Genetiv  auf  £0)  ver- 
treten ;  bis  auf  das  dreimal  (wie  bei  Homer  H,  395  ^  692  ^  533) 
vorkommende  Bopsw,  dann  "losd)  und  'IzTröicO)  ist  der  Ausgang  sw 
mit  Synizese  zu  lesen :  a'/^-ceto  A  1.537  Afaxioeo)  A  853  AitTiTcO) 
A  245.  1316  r  27.  86.  214  A  1044  Aiosw  r  704  Aiaovioeo)  A  887 
r  542  A  1012  Apä;sio  A  133  Bspsw  B  288.  308  A  1484  (in 
diesem  P^igennamen  ist  das  eine  s  durch  Hyphärese  ausgefallen) 
"loeo)  A  470    'ItttustcO)  A  778    wp-r^c-ew  Y  852. 

3.  Ganz  vereinzelt  findet  sich  der  nach  dorischer  Weise 
gebildete  Genetiv  TXa  A  1350.  Wie  Apollonios  den  Nominativ 
"VXa;  A  131.  1207.  1258  und  den  Accusativ  "VXav  A  1324.  1354 
in  der  epichorischen  Form  in  den  Text  nahm,  so  flectirt  er 
auch  den  Genetiv  in  dorischer  Weise. 

Genetiv  Plural.  Wir  begegnen  drei  Formen,  wie  im 
alten  Epos : 

1.  Die  geläufigste  ist  die  ursprüngliche  auf  atov:  aXXäcüv 
A  506.  792  ao'.cawv  A  27  auTaojv  A  377  A  514.  941  ßoXawv 
r  32  A  201.  847  ßuy.Tawv  Y  1328  ofj.wäwv  1'  666  oo-.äcov  A  1708 
ivvcjtäwv  r  1364  iscTiAÄtov  B  1152  Osäwv  r  54  A  1347.  1420.  1434 
e-jpaoiv  r  44.  822  V/.zc'.ihi'f  A  709  Aa-'.Oäor;  A  41  XtTäojv  B  477  [xavio- 
ouvaiov  A  81  |j,£Xt77au)v  B  130  Moipäwv  A  1217  MiJciojv  A  1381 
vjixcäojvA  1223  zaps'.awv  B  676  A  1662  zaaawv  A  113.  1122  Trs/.c'.awv 

SiUl).  d.  pbil.-hist.  Ol.  T.XXXIX.  P.a.  II.  Hit.  34 


490  Rzach. 

^  486  TTEipatov  B  330.  340.  346.  553.  577.  587.  892.  1190  A  955. 
1254.  1658  •K'jXiwv  A  884  poatov  Y  1348  ai-.awv  B  1172  cruvecciäwv 
A  390,  endlich  xatov  B  273.  283.  319  1^  342.  895.  930.  996, 
überall  steht  dieser  Genetiv  Tawv  an  der  Spitze  des  Verses. 

2.  Wie  von  den  Formen  des  Genetivs  auf  sw,  so  macht 
unser  Dichter  von  denen  des  Genetivs  Plural  auf  cwv  nur 
ziemlich  beschränkten  Gebrauch.  Wir  lesen  Ab)aoitov  Y  339 
avToXewv  B  527  Gjpecov  A  41  [xeXtcarscov  A  1132  Moucriiov  B  845 
A  896  Nu[j.^ea)v  A  1218  r^aaeMv  A  620  n-^ystov  A  1243  TTjXitov 
A  634.  782  Z7.uOio)v  A  288.  Mit  Ausnahme  von  avxoXewv  O'jpewv 
(Hom.  (f  191)  TCu/itov  (Hom.  H  1)  ZxuOeoiv  ist  ewv  mit  Synizese 
zu  lesen. 

3.  Der  contrahirte  Ausgang  wv  findet  sich  nur  sporadisch 
in  besonderen  Fällen. 

a)  Bei  Substantiven  nur: 

[xsA'.ccjcüv  r  1036 ;  so  die  Ueberlieferung.  Das  Wort  schliesst 
den  Vers  Gi\j.fkr,'.(x  ep-(a  [j-eMaGClyt  wie  A  1132,  wo  wir  aber  die 
Form  ixzkiaciii)'/  mit  Synizese  finden.  Diese  Inconsequenz  der 
Gebrauchsweise  an  derselben  Versstelle  muss  uns  von  vorn- 
hei-ein  stutzig  machen.  Dazu  kommt  der  Umstand,  dass  das 
alte  Epos  (Homer  und  Hesiod)  den  contrahirten  Genetiv  [xeAiacwv 
nicht  kennt.  Es  ist  daher  jedesfalls  auch  statt  (j-eXiaadiv  aeXiccetov 
(mit  Synizese)  zu  restituiren. 

Tcapstwv  r  1118  im  Versschluss;  es  ist  dies  einer  der 
seltenen  homerischen  Fälle  dieser  Contraction,  wie  Q  794  o  198, 
auch  bei  Hesiod  A.  267.  Contrahirt  ward  hier  schon  in  früher 
Zeit  wohl  deshalb  leichter,  weil  ein  Diphthong  vorausgeht. 

b)  Bei  Adjectiven,  resp.  Participien  und  Pronominen: 
Twv  (=  -xMv)  Y  202  im  Versanfang,  mit  Bezug  auf  -piy.aAo- 

T£  7.ai  Ixia:-^  die  Contraction  ist  schon  homerisch  und  hesiodisch. 
«AAtov  A  830  im  Versschluss,  mit  Bezug  auf  Yr,zi>y/  {r.ep\ 
Y^p  ßaO'jATjto;  «Xawv  vr,c7(ov) ;  ebenso  lesen  Avir  diese  contrahirte 
Form  A  894  an  der  Spitze  des  Verses  («aaiov  Ia  xoA-cov).  Da 
unser  Dichter  in  diesen  beiden  sicheren  Fällen  die  Form  auf 
(ov  nur  je  an  einer  der  beiden  hervorragendsten  Versstellen 
zulässt,  während  er  sonst  nach  der  Ueberlieferung  die  Form 
aAAawv  gebraucht,  so  wäre  A  1637,  wo  wir  Kpr,Tr,v,  r,  -'  äAAo)v 
uz£p£T:A£TO  £iv  öcAt  v/^Gu>v  finden,  also  ä'AAwv  in  der  Mitte  des 
Verses,  dies  von  vornherein  anzuzweifeln.    Nun  hat  noch  Cod. 


Grammatische  Studien  zu  Apolloiiios  Rhodios.  491 

L  ä7v  ,  .  Awv  mit  einer  Rasur,  so  dass  ich  kein  Bedenken 
trage,  an  dieser  Stelle  äXXewv,  das  dem  Abschreiber,  da  es  bei 
unserm  Dichter  nicht  weiter  vorkommt,  ungewiihnlich  erschien, 
für  die  genuine  Form  zu  halten,  die  dann  mit  Synizese  zu 
lesen  ist. 

oC  a'jTwv,  nämlich  -zi^pior/  B  330  im  Versschluss,  ebenso 
auch  B  563  gleichfalls  mit  Bezug  auf  TisTpa;  (V.  558).  Abermals 
steht  die  contrahirte  Form  an  einer  hervorragenden  Versstelle. 

Hiezu  kommt:  tiov  xai  k~  äy.poiaxwv  T  202  (auf  das  oben 
genannte  r.pi[).y.).o{  ~z  xai  hiai  bezogen) ;  die  Silbe  o)v  steht  in 
der  III.  Arsis  und  die  Contraction  erfolgte  wohl  in  Folge  der 
Einwirkung  des  an  der  Spitze  des  Verses  stehenden  contrahirten 
Tö)v;  apac7so[jivo)v  ze-rpatov  B  553,  ooupcjjivwv  T  709  mit  Bezug  auf 
Medeia  und  Chalkiope  gesagt ;  in  diesen  beiden  letzterwähnten 
Fällen  steht  die  Contractionssilbe  in  der  V.  Arsis,  Endlich  ist 
zu  nennen  7:xXa[j,va(wv  (-i[j/r^opcv  ly.öciäwv)  F  709 ;  die  Contraction 
(in  III.  Arsis)  erfolgte  hier,  weil  die  offene  Form  vier  auf  ein- 
ander folgende  Längen  mit  einer  Kürze  davor  repräsentirt, 
ein  rhythmischer  Complex ,  der  sich  nur  schwer  hätte  ver- 
wenden lassen ;  zudem  stünde  vor  der  Endung  awv  auch  noch 
ein  Diphthong. 

Im  Allgemeinen  lässt  also  Apollonios  den  contrahirten 
Genetiv  auf  tov  am  Versanfange  und  Schlüsse  in  bestimmten 
Fällen  zu;  ausserdem  bei  einigen  längeren  Wörtern,  doch  so, 
dass  die  contrahirte  Silbe  in  die  III.  oder  V.  Arsis  fällt. 

'  Keine  Femininformen  sind  aYpoTspwv  B  G96  seil,  aivwv  und 
y.spawv  B  691  seil.  ai-;(7jv,  da  der  Dichter  alz  nur  als  Masculin 
kennt:  alya?  xepaoüq  B  279. 

Dativ  Plural.  Im  Dativ  der  A-Stämme  haben  wir  wie 
bei  dem  der  0-Stämme  zunächst  den  Ausgang  auf  c;  und  auf 
blosses  Sigma,  welch'  letzteres  durch  Abschleifnng  des  ursprüng- 
lichen Suffixes  allein  übrig  blieb,  zu  unterscheiden,  d.  h.  die 
Form  auf  r^ci  einerseits  und  die  auf  •/];  resp.  aic  anderseits. 
Der  erstere  Ausgang  überwiegt  weitaus,  denn  von  437  Dativen 
dieser  Stämme  gehen  330  auf  r,c'.  aus,  so  dass  drei  Viertel 
sämmtlicher  Fälle  dieser  Bildung  angehören.  Diese  Dativendung 
hat  ihre  bestimmte  Stellung  im  Verse,  wie  wir  dies  ebenso  bei 
dem  Ausgang  oic.  der  O- Stämme  beobachten  werden.  Die 
wichtigste  Stelle  ist  im  dritten    Fusse  vor  der  Cäsur  ax-x  xpiiov 

34* 


492  Bzach. 

TpoyaTov,  von  den  330  Fällen  gehören  145  hieher ;  die  näcbst- 
wichtige  Position  ist  der  Versschluss  fresp.  das  Ende  des  zweiten 
Verskolons,  wie  die  trochäische  Cäsur  das  erste  Verskolon 
abschliesst),  an  dieser  Stelle  finden  wir  den  Ausgang  r,s'.  94  Mal; 
als  dritte  wichtige  Stelle  haben  wir  endlich  den  fünften  Fuss 
zu  bezeichnen  (t,z'.  bildet  den  fünften  Trochäus)  mit  70  Fällen ; 
ausserdem  findet  sich  dieser  Ausgang  nur  in  etlichen  Fällen 
an  einer  andern  Versstelle.  Die  einzelnen  Bücher  der  Argo- 
nautika  enthalten  den  Ausgang  r,a<.  im  Einzelnen  vertheilt 
wie  folgt: 

Buch  A.  Im  III.  Fusse  zählen  wir  36  Fälle,  am  Vers- 
schluss 19,  im  V.  Fusse  21 ;  einmal  lesen  wir  -r^i».  A  627  im 
I.  Fusse,  und  einmal  fällt  der  Ausgang  in  den  II.  Fuss,  bei 
OTC)vO-£pY)Gt  A  693,  wo  diese  Stellung  durch  die  rhythmische 
Beschaffenheit  des  W^ortes  sich  ez'klärt.  Fünfmal  fällt  die  End- 
silbe c'.v  in  die  IL  Arsis  in  Folge  Positionsbildung,  wobei 
der  betreffende  Dativ  an  der  Spitze  des  Verses  steht:  A  502. 
567.  734.  1145.  1246. 

Buch  B.  Im  III.  Fusse  finden  sich  32  Fälle,  im  Vers- 
schluss 26,  im  V.  Fusse  15 ;  einmal  steht  f,Gi  B  213  im  I.  Fusse, 
zweimal  steht  der  Ausgang  im  IV.  Fusse  vor  dem  Wörtchen  t£ 
in  der  Verbindung  Acßr^^-!  te  jj.ö'.XiracÖa'.  B  692.  923 ;  dreimal 
findet  sich  die  Silbe  aiv  in  Arsi  in  Positionslänge,  wovon  2  Fälle 
der  II.  Arsis  angehören  B  33.  749,  1  der  IV.:  B  998;  in  den 
ersteren  steht  der  betreffende  Dativ  am  Versanfange. 

Buch  r.  Im  III.  Fusse  zählen  wir  27  Fälle,  im  Vers- 
schluss 16,  im  V.  14  Fälle ;  ausserdem  gehört  1  Fall  vor  der 
Partikel  t£  dem  IV.  Fusse  an :  T  986  IvA-r^T.  ze. 

Buch  A.  In  50  Fällen  steht  der  Dativausgang  yjs'.  im 
III.  Fusse,  34  Mal  im  Versschluss,  20  Mal  im  V.  Fusse; 
ausserdem  einmal  im  I.  Fusse  bei^^tv  A  1115,  zweimal  im  IV.  Fusse 
vor  T£  und  oi:  rj-9;s(  t£  A  1674  und  va-jirjct  oe  A  936;  dreimal 
endlich  steht  cv  in  der  Arsis  als  Positionslänge  und  zwar  A  363. 
1685  in  der  II.  Arsis,  indem  das  betreffende  Wort  den  Vers 
anhebt,  und  A  1665  in  der  III.  Arsis. 

Der  Ausgang  ais-  findet  sich  zwar  einmal  in  der  Ueber- 
lieferung  A  627  -xic.  an  erster  Stelle,  aber  schon  Brunck  hat 
mit  Recht  diese  Form  in  r?i5i  geändert,  vgl.  an  derselben  Vers- 
stelle fta:  l\  213  und  A   1115. 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  493 

Die  zweite  gi'osse  Gruppe  der  Dative  bildet  die  mit 
dem  abgeschliffenen  Ausgang  aic  resp.  Tf]c.  Der  Ausgang-  ai; 
findet  sich  bei  Homer  nur  bei  zwei  sicheren  Fällen :  ay.-aT«; 
M  248  ftsal;  r  158  £  119  (-rrasa-.;  /  471  ist  nicht  fest  überliefert), 
allein  im  Laufe  der  Zeit  wusste  diese  Formation,  offenbar  unter- 
stützt durch  die  Prosa,  auch  in  der  epischen  Sprache  sich 
mächtig  Eingang  zu  verschaffen  und  verdrängte  allmälig  den 
bei  Homer  noch  geläufigen  Ausgang  r,;.  Es  ist  die  Frage,  ob 
wir  bei  ApoUonios  die  Formen  auf  y;c,  die  sich  da  und  dort 
in  der  Ueberlieferung  finden,  aufrecht  erhalten,  oder  aber 
gänzlich  zu  Gunsten  derer  auf  y.::  eliminiren  sollen. 

Zunächst  ist  hervorzuheben,  dass  die  Zahl  der  Dative 
auf  ai;  in  den  Argonautika  86  beträgt,  wogegen  der  Ausgang  y]; 
nur  in  18  Fällen  sicher  überliefert  ist.  Lässt  sich  für  diese 
letzteren  nachweisen,  dass  in  ihrer  Verwendung  irgend  welche 
Norm  befolgt  ward  —  denn  Normen  lassen  sich  bei  den 
gelehrten  Dichtern  des  alexandrinisclien  Zeitalters  in  fast  allen 
grammatischen  Puncten  erkennen,  —  so  wäre  die  Zahl  der 
Fälle  gewiss  hinreichend,  um  die  Existenz  dieser  Dativform 
auch  noch  bei  ApoUonios  zu  wahren.  Ist  dagegen  eine  gewisse 
Gesetzmässigkeit  im  Gebrauche  derselben  nicht  erkennbar,  dann 
müssen  wir  sagen,  dass  die  Zahl  der  vorkommenden  Formen 
an  und  für  sich  schon  Bedenken  erregen  muss. 

Die  Endung  a-.;  hat  wie  Yjat  ihre  bestimmte  Stellung  im 
Verse.  Sie  findet  sich  in  den  Vershebungen,  und  zwar  in  der 
IL  III.  IV.  und  V.  Arsis,  ausserdem  in  der  Thesis  des  ersten 
und  sechsten  Fusses  (Versanfang  und  Schluss ) ;  ganz  ausnahms- 
weise begegnen  uns  zwei  Fälle  in  der  4.  Thesis  und  ein  Fall 
in  der  2.  Thesis.  An  allen  den  genannten  Stellen  (mit  Aus- 
nahme der  nicht  zu  berücksichtigenden  4.  und  2.  Thesis) 
finden  wir  ebenso  die  Formation  auf  y;s  und  zwar  ebenfalls 
sowohl  vor  folgendem  Vocal  wie  vor  folgendem  consonantischen 
Anlaut.    Im  Einzelnen  ist  der  Sachverhalt  folgender: 

a-.c  steht  in  der  IL  Arsis,  wobei  das  betreffende  Wort  den 
Vers  anhebt  und  zwar  vor  folgendem  vocalischen  Anlaut  bei: 
•TTCpsupsaic  EK'.y.e'j'j'y  A  438  aiöstxevai; ,  'jtcvo'j  A  518  äXXr,Xa'.;-  rj  o' 
r  101  w/.E-:?.'.;  i'J/oppo-.  A  42  rj'^.o'.oix:c,  up.£va'.sv  A  1160  ixavxsrjva-.;  • 
:o  A  1504;  mit  folgendem  consonantischen  Anlaut:  /pjcs-a-.; 
cuJ.l-zzi    A    221     wy.E'a-.c    y.£iJi.ac£OT'.    F    879     Or/Autspat;  •    tÖ)    A    368 


494  Kzach. 

afoiiispatq  zpivOevTec  A  454.  Hiezu  kommt  noch  F  1227,  wo  LG 
(joojiT£p-/];  ti>X£vpaTov  bieten,  aber  das  Schol.  P.  z.  d.  St.  beweist, 
dass  die  Form  auf  a-.;  dastand:  c-'fw.xspa'.c  '/ep?''*  xatt;  sauxoO  loia-.;. 

Diesen  Fällen  gegenüber  findet  sich  r,;  in  der  Ueberlie- 
ferung  in  der  Arsis,  wobei  das  Wort  an  der  Spitze  des  Verses 
steht,  und  zwar  in  der  I.  Arsis:  bei  folgendem  vocalischen  Anlaut 
in  ffi,  i-(M  A  360  x-^c  h:  A  884 ;  in  der  II.  Arsis  bei  folgendem 
Vocal  in  keinem  sicheren  Falle,  denn  A  1067  schrieb  zwar 
Merkel  o;;-/^;  tlXtX-o,  aber  L  hat  r)t  ,in  rasura' ;  bei  folgendem 
Consonanten :  xp-/]/£'/r]c  zrSkdoeaav/  \i  550    yjy'ky.v.r^z  yr^KTf:)  V  1339. 

In  der  II.  Arsis  steht  c/.<.-  vor  folgendem  Vocal,  ohne 
dass  der  betreffende  Dativ  an  der  Spitze  des  Verses  steht  in : 
<I>£paT(;  "kZ^:r{zzz  A  49,  vor  folgendem  Consonanten  in  -/.sviocl«;  gI>v 
yeps'v  r  126  \r.ylz  Oci^iv/;  A  1669 ;  y;;  findet  sich  in  dieser 
Weise  nicht. 

In  der  III.  Arsis  steht  a-.;  vor  vocalischem  Anlaut:  x'.;j.a'.; 
•^pfoi7'.  A  1048  Tüvoapioa'.i;  'A/^spouaioi;  Ji  806  -äaai;  i-'.\>.'.Q^(v:y.'. 
r  658  otvaiq,  ax£  A  613  aOavaxa'.;  -j^e  A  795  oiva-.v;  x-izov.'by.io  A  918 
oüpav(ai;  £vap(6[;,iot  A  1412  7.!X-:o(.yßo'/''.OL<.q,  clVA1413;  vor  folgendem 
Consonanten :  swaixat;  x£  OeoT;  B  1273  ap-aoxEpa'.;  Ospivr^  A  695 
(G  r]?)    Miv'jaic  ^£ir<]ia  A   1220    eyye'^iimiq  vcctw  A  1549. 

Yj;  steht  in  der  III.  Arsis  vor  folgendem  Vocal  bei :  ivvcair);;, 
r,  xo;  r  942  r.ocpdzviv.fiq  hci.\b('A'.a:  A  899  aüp-rj;  r/.£x'  A  994;  zweifel- 
haft ist  £vv£(j(y](;  wpci£v  A  774,  wo  L  -^q  G  v);  bietet;  Merkel  nahm 
wohl  mit  Recht  brnzir,c,  auf  (abhängig  von  jj.jOov)  nach  der 
ursprünglichen  Schreibung  von  L;  vor  consonantischem  Anlaut 
steht  -f);  an  dieser  Stelle  in  der  Ueberlieferung  nie. 

In  der  IV.  Arsis  begegnet  a-.;  vor  Vocalen  in:  ßoXaT; 
äv£[j.sio  A  607  koäq  vn  yjpG'.y  B  332  cp-iXai?  £vl  "/cp^^v  B  710  -poyoaT; 
tTZ',  ß  970  kodq  £V'.  X£pt7i  r  140  '/ix'.q  £7:i  sspßäaiv  F  276  £«1?  £va£'.paxo 
/£po{  A  171  £iJ<aTc  "Hoai(7xov  A  818  -ixpaiq  £7riy.ayAaJ^£a/,£v  A  944 
kodc,  e~\  7:aiG'  A  1089  YAv^va'.?  i'vi  A  1093  •/.£9aAaT?  it::  A  1406; 
vor  Consonanten:  xzf^a:  iiXa-.?  rxpyßaao  A  281  laT«;  Tcpouoai'vsx'  A  1113 
ßoXal;  xcsov  A  679  (G  ßo-jA^?  ^=  ßo'jXYJ?)  iaT«;  oöpij/.YYo;  A  906  «üxaT; 
CUV  'E/'.vac.  A   1230. 

7)?  dagegen  steht  in  IV.  Arsis  vor  Vocalen  bei  if,z  'jt.o- 
0'/;!j,cu'jvY)a'.v   B   1146,  vor  Consonanten:   "/Oov'Y];  ■TrapaxäxOcXC  B  504. 

In  der  V.  Arsis  findet  sich  atc  vor  Vocalen:  OEO-poüiai; 
'Ey.axo'.o  A  958    ior,\).oa'x/(X'.z  'Ey.xxcio  Ji  518    £la(A£vaT?  Tmo'.o  B  795 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  495 

AaO'.cposjva;;  hir,/.T/  A  356 ;   vor  Consonanten :  'i'U/a';  -z  xaij.ivTOJV 
ß  1273. 

r^:;  lesen  wir  in  der  V.  Arsis  in  der  Ueberlieferung  vor 
Vocalen  bei :  c'.oyjpsir;;  sXäaay.ov  A  733  zAsjpY];  apapuTai  A  946 
zvoiY]^  av£[ji.O'.o  A  1013  em  -poyoYJt;  Aj^üpsTs  A  617;  vor  Consonanten: 
O'.y^ocTxdri^  /,£OC(jüv-ai  A  500. 

In  den  Senkungen  an  den  zwei  hervorragendsten  Vers- 
stellen, d.  li.  im  1.  und  6.  Fusse  findet  sich 

x'.z  und  zwar  in  der  1.  Thesis  vor  folgendem  vocalischen 
Anlaut  in  :  XotßaT?  eya^escciv  B  715,  vor  consonantischem  in  auTOiq 
AY;:äo£7j'.v  A  823. 

Yj?  dagegen  in  1.  Thesis  vor  folgendem  Vocal  in  äy.p-r;:  sv 
YEvjsac.  ß  281,  vor  consonantischem  Anlaut  kein  Fall. 

In  der  6.  Thesis  am  Versschlusse  steht  otiq,  und  zwar 
indem  der  folgende  Vers  vocalisch  anhebt:  Ou-/;XaT?  (cO)  A  361 
xx-aTc  (f,[).x-')  A  588  ßaOeiai;  (autiixa-O'.)  A  685  ai^-ä^a;.;  (ay.r^v) 
A  845  O'j-^XaT;  (ävtatr,)  A  1140  aüpa-.^,  (al)  A  1159  7:y.Gy.iq,  (öcaat) 
A  1223  ao'.oaT;.  Ta-.)  A  1225  v^fj-^xi;,  (ai)  B  504  ävu-aic.  (cuo') 
ß  1022  ßouXaTc  (w;  t^)  A  734  i/ävOaic  (äy.pov)  A  1614  e'jyjXaT? 
( A !7A-/]Ty;v )  A  1729;  bei  consonantischem  Anlaut  im  folgenden 
Verse :  ifisipocz  (^''o)  A  672  apojpa'.c  (ysiotöjxov)  A  686  y.o'jpai;  (oäüp') 
A  801  O'vat;  (y.cTÖEv)  ß  368  [JLSffora'.c  (JlArjYact)  ß  595  Traaaiq  (/.uavs-^) 
r  139  ^Zzixiq  (ocvopewv)  F  206  av.oitja'.';  (y.puataAAo))  F  226  aeAAat^ 
(Tzpöfföc)  r  1295  äo'.oatc  ([j,v/;sa[JLiv'^)  A  59  äo'.oaT?  (pJ'-^'''^)  -^  157 
i'ü.x'.c  (_|J.Yjo£J  A  824  O'VÄ'.c  (y.'javeo'j)  A  842  x'(\j:xic,  (yivuvx')  A  1173 
■/■x'-j.\z  (p'^i^-^a)  A  1366  ßaps-a-.;  (■/p'!;j.'J/avT£;)  A  1566  OjiA/.a-.;  (v^a) 
A  1567  icc'.sai?  (-rpiq)  A  1668  AiJLÜy.Aai;  (tcOAaoc)  A  1704.  Hiezu 
kumnit  äs'.saT;  (pixvoTc'v)  A  42,  wo  in  L  zwar  die  erste  Hand 
ä^'.or;'.;  schrieb,  was  jedoch  von  zweiter  corrigirt  ward,  indem 
über  %K  x<.  gesetzt  ward.  Dies  ist  offenbar  die  richtige  Leseart, 
da  der  Vers  auch  mit  einem  solchen  Dativ  auf  ci.<.z,  anhebt 
or/.sia'.;  y.TA. 

r^z  begegnet  am  Versschlusse  nur  in  drei  Fällen  vor  folgender 
Consonanz  im  nächsten  Verse :  ßi^car,;  (sepßcto)  A  126  rd-pr^q, 
(•irov-iov)  A  990  i'^v:\).rfi  (-acauot-/])  A  858. 

Ausserdem  findet  sich  ausnahmsweise  a-.^  in  der  2.  Thesis 
bei  Tai;  auT'.;  A  579,  von  zweiter  Hand  über  das  zuerst  geschrie- 
bene "'.  c'  gesetzt;  dann  in  der  4.  Thesis  kot-\).7X^  Abovioas  V  574 
und  A  688. 


496  Kzüch. 

Tliilten  wir  nun  die  Ausgänge  a^  und  r,;,  deren  Stellung 
im  Verse  im  Vorhergehenden  entwickelt  worden  ist,  einander 
gegenüber,  so  lässt  sich  keine  bestimmte  Norm  angeben,  die 
den  Dichter  bewogen  hätte,  einmal  atq,  das  andere  Mal  f]?  zu 
schreiben.  Keine  Versstelle  ist  der  einen  oder  andern  Endung 
ausschliesslich  eingeräumt,  ausser  etwa  die  erste  Arsis,  wo  wir 
nur  YJ:  und  r?i;  treffen,  was  bei  der  Singularität  dieser  zwei 
Fälle  nicht  viel  heissen  will.  Man  könnte  sagen,  Apollonios 
habe  regellos  von  den  Formen  auf  y];  Gebrauch  gemacht,  weil 
er  sie  bei  Homer  vorfand,  allein  diesem  Einwurf  müssen  wir 
entgegnen,  dass  er,  wenn  er  sich  in  diesem  Puncte  hätte  an 
Homer  halten  wollen,  gewiss  nicht  die  Formen  auf  a-.;  in  so 
grosser  Zahl  zugelassen,  vielmehr  dem  alten  Ausgange  auf  -f;; 
mehr  Raum  gegönnt  hätte.  Vielmehr  werden  wir  nicht  fehlgehen, 
wenn  wir  annehmen,  dass  die  bei  Apollonios  in  der  Ueberlieferung 
enthaltenen  Dativausgänge  auf  yj;  auf  Rechnung  der  Abschreiber 
zu  setzen  sind,  indem  einerseits  homerische  Reminiscenzen  sie 
dazu  bewogen  und  sie  anderseits  durch  den  Gleichklang  des 
Vocals  bei  den  in  der  Nähe  stehenden  vielen  Dativen  auf  rjai 
verleitet  wurden,  statt  at;  y)c  zu  schreiben,  so  z.  B.  F  1389 
/i  1067.  Dass  dann  auch  andere  Stellen  geändert  wurden,  ergab 
sich  von  selbst,  aber  die  virsprüngliche  Lesung  zeigt  sich 
mitunter  doch  noch,  vgl.  T  1227,  wo  das  richtige  aic  von  dem 
Scholion  bewahrt  ist,  A  42,  wo  die  zweite  Hand  at;  nachbesserte. 
Hiezu  kommt,  dass  die  Zahl  der  Ausgänge  auf  y)c  recht  spärlich 
ist.  Es  ist  sicherlich  kein  allzu  kühnes  Wagniss  gegenüber 
86  Dativen  auf  a-.c  (hiebei  ist  das  A  806  aus  der  corrupten 
Ueberlieferung  von  L  herzustellende  ozpi7.vr,~y.'.c,  vgl.  Et.  M.,  nicht 
mitgerechnet)  18  Fälle  auf  riq  (da  zwei  unsicher  sind)  für  ver- 
wechselt oder  verschrieben  zu  erklären.  Wie  häutig  derartige 
Verwechslungen  von  Flexionsausgängen  vorkommen,  darauf  hat 
Wellauer  in  der  Note  zu  F  1020  hingewiesen,  wo  er  über  das 
Durcheinandergleiten  der  Ausgänge  o'.ai  und  r\a'.  in  den  Hdschr. 
des  Apollonios  spricht.  Wie  leicht  war  es,  neben  330  Dativen 
auf  fjc;'.    etliche  Male    den  Ausgang   y;;    statt   x:q   zu   schreiben ! 

Nehmen  wir  die  überlieferten  Ausgänge  auf  yjc  zu  denen 
auf  (x'.c  nun  hinzu,  so  ergibt  sich  die  Thatsache,  dass  Apollonios 
mit  Vorliebe  die  ältere  Endung  auf  t^c:  brauchte,  sie  reprä- 
sentirt  drei  Viertheile  sämmtlicher  Dative  Plur.  der  A-Stämme, 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Khodios.  497 

während    der    andere    Ausgang-    nur    ein    Viertheil    derselben 
umfasst. 

Wir  haben  bei  den  A-Stämmen  noch  zweier  Substantiva 
zu  gedenken,  die  in  verschiedener  Gestalt  bei  unserem  Dichter 
vorkommen:  das  eine  betrifft  den  Namen  'AO-^va'/r),  dem  wir 
A  110  und  noch  14  Mal  begegnen;  die  andere  Form  Wb-qv-r, 
findet  sich  etwas  weniger  häufig  B  602  und  noch  9  Mal.  Das 
zweite  Substantiv  ist  yaTa  resp.  7-^.  Die  letztere  Formation 
gestattet  sich  der  Dichter,  dem  homerischen  Vorbilde  folgend, 
nur  ausnahmsweise.  Denn  Avährend  wir  y^'^-^  i"  den  verschie- 
denen Casus  nicht  weniger  als  115  Mal  vorfinden,  kommt  y^ 
im  Ganzen  nur  dreimal  im  Accusativ  vor,  hievon  zweimal  an 
der  Spitze  des  Verses  in  der  Verbindung  yV'  Mapir/cuvöv  B  352. 
748,  einmal  im  Innern  KcX/joa  yV'  -^  132.  Anders  ist  das 
Verhältniss  der  genannten  zwei  Formen  in  dem  mit  ihnen 
zusammengesetzten  Adjectiv  y^-"17-''''(?  ^^nd  Y"1T^''''(?-  V^on  dem 
ersteren  brauchte  der  Dichter  einzig  die  Form  ^(M-q-^(zvrj  T  1186, 
das  letztere  aber  in  verschiedenen  Casus  14  Mal.  Diese  Incon- 
sequenz  in  der  Verwendung  der  Formen  -^(ody.  und  y"*/  erklärt 
sich  dadurch,  dass  Homer  keines  der  beiden  genannten  Com- 
posita  kennt,  Apollonios  sich  also  nicht  gebunden  fühlte. 

b)  O- Stämme. 

Genetiv  Sing.  Der  ältere  Genetivausgang  auf  010  ist  der 
bei  weitem  häufigere.  Er  findet  sich  in  den  Argonautika  568  Mal, 
und  zwar  im  Buche  A  127  Mal,  in  B  134  Mal,  in  T  117  und 
in  A  190  Mal.  Dieser  Ausgang  hat  gleichfalls  seine  feste 
Stellung  im  Verse,  die  Hauptstellen  sind  der  Versschluss  und 
die  trochäische  Cäsur,  wozu  noch  der  fünfte  Versfuss  kommt 
(tojj.t,  v.x'x  ■K£[;.rTcv  Tpo/aTov).  Das  Vorkommen  der  Endung  c.o  an 
anderen  Versstellen  ist  ganz  singulär  und  ohne  Belang.  Im 
Einzelnen  verhält  sich  die  Sache  folgendermassen: 

Buch  A :  Im  Versschluss  steht  ot:  48  Mal,  in  der  trochäi- 
schen Cäsur  47  Mal,  ausserdem  im  fünften  Fusse  (den  fünften 
Trochäus  bildend)  23  Mal.  Im  zweiten  Fusse  (den  zweiten  Tro- 
chäus bildend)  7  Mal  und  zwar  A  9.  412.  570.  643.  851.  1077. 
1325,  im  ersten  Fusse  ein  einziges  Mal  1351  -zclz  Be  p-jaC 
oTracaav,   desgleichen   im  vierten  Fusse  98  jripoLZ^  'Siaz  iyvi  ß'.OTOtö 


498  B  z  ;t  c  h. 

Buch  B :  Im  Versschluss  58  Mcil,  in  der  trochäisclicii  Cäsur 
52  Mal,  im  fünften  Fusse  17  Mal;  sonst  im  zweiten  Fasse 
4  Mal:  B  253.  297.  724.  878,  im  ersten  1  Mal  B  12ö9  toTo  Gecj, 
im  vierten  desgleichen  400  iztoioiö  t£  K'.pxaioto;  ausserdem  kommt 
1  Mal  der  auslautende  Vocal  o  in  Folge  Positionsläugung  in 
die  V.  Arsis  ß  118  Aux.o5pYoto  Opacb?  ulo?. 

Buch  r :  Im  Versschluss  52  Mal,  in  der  trochäischen  Cäsur 
40  Älal,  im  fünften  Fusse  16  Mal ;  dazu  im  zweiten  Fusse  ü  Mal 
r  331.  577.  621.  866.  1030.  1078,  im  vierten  Fusse  2  Mal 
r  304  'Kociohq  e[).f,q  xojpoi  ^l>p<.B,0'.6  T£  und  746  uttvo'.o  ok  xai  uq 
boivfiq]  im  ersten  Fusse  findet  sich  gar  kein  Fall.  In  der  Arsis 
steht  auch  in  diesem  Buche  das  auslautende  o  1  Mal  F  42 
vY^ffoio  7{k<x-^-Aifiq  (II.  Arsis). 

Buch  A.  Im  Versschluss  88  Mal,  in  der  trochäischen 
Cäsur  77  Mal,  im  fünften  Fusse  18  Mal ;  daneben  im  zweiten 
Fusse  ein  einziges  Mal  A  1282,  im  ersten  Fusse  ebenfalls 
1  Mal  A  145  Toio  o'  k\iccoi).v/o'.o ,  im  vierten  3  Mal  A  517 
T'jjxßo;;  'v'  'Ap[j,cvi-^;  Kdoixo'.o  t£,  1302  -Koxau.öiö  -e  vSkci  pisOpa,  1584 
%y.lj.d-coio  0£  ij:q  v.q  äviy;.  Hiezu  kommen  zwei  Fälle,  wo  o  in  der 
Arsis  steht  in  Folge  Positionslängung  A  140  -Aazvob  aTposaX^Yei; 
(II.   A.),  578  [/.Tfizixirq  ävuctv  xöio  tiXoou  (IV.  A.). 

Der  Ueberblick  über  diesen  Sachverhalt  ergibt  ein  inter- 
essantes Resultat :  die  Endung  oio  hat  ihre  Stelle  zumeist  am 
Ende  der  Verskola,  dem  Versschlusse  und  in  der  trochäischen 
Cäsur,  und  zwar  an  der  erstgenannten  Stelle  bei  568  Gesammt- 
fällen  246  Mal,  an  der  zweiterwähnten  216  Mal,  wozu  als  nächst- 
betheiligte  Stelle  der  fünfte  Fuss  hinzukommt  mit  84  Fällen. 
Im  zweiten  Fusse  steht  die  genannte  Endung  nur  18  Mal,  und 
sonst  nur  in  ganz  bestimmten  Fügungen ;  im  vierten  Fusse  nur, 
wenn  die  Partikeln  -.i  (5  Mal)  oder  oi  (2  Mal)  auf  den  betreffenden 
Genetiv  folgen,  im  Ganzen  7  Mal;  im  ersten  Fusse  endlich  nur 
bei  -sb,  im  Ganzen  an  drei  Stellen.  Ganz  selten  tritt  der  Fall 
ein,  dass  im  Ausgang  oto  die  erste  Silbe  (ot)  in  die  Thesis  und 
die  zweite  (o)  in  Folge  einer  Positionslängung  in  die  Arsis  fällt, 
im  Ganzen  nur  4  Mal. 

Die  jüngere  Endung  oj  ist  weitaus  weniger  häutig  ange- 
wendet, sie  steht  im  Buch  A  81  Mal,  H  ebenso  oft,  V  57  Mal, 
A  96  Mal,  zusammen  also  315  Mal,  so  dass  o-.;  nahezu  doppelt 
so    oft    vorkommt.      Was    die    Vertheilung    auf    die    einzelnen 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  499 

Versstellen  betrifft,  so  mögen  die  im  Buche  A  vorkommenden 
Fälle  ein  Bild  der  verschiedenfachen  Verwendung'  des  Genetiv- 
ausgangs cj  geben.  Er  steht  in  der  Arsis  vor  Consonanten 
29  Mal,  am  häutigsten  in  der  IV.,  15  Mal,  halb  so  oft  in  der 
IL,  nämlich  7  Mal,  in  der  III.  4  Mal,  in  der  I.  o  Mal,  aber 
nur  in  tou  (A  952.  1240)  und  ou  r.iaio:  (1064),  in  der  V.  Arsis 
nie.  Mit  Erhaltung-  der  Länge  vor  Vocalen  steht  der  Ausgang  ;u 
in  8  Fällen  in  der  Arsis  A  123.  367.  553.  G25.  644.  764.  987. 
1350,  wovon  die  meisten  wieder  auf  die  IV.  Arsis  entfallen  (3). 
In  der  Tliesis  steht  oj  als  Länge  vor  Consonanten  8  Mal  (4  Mal 
in  der  1.  Thesis,  je  2  Mal  in  der  2.  und  4.  Thesis),  ausserdem 
im  Versschluss  9  Mal,  mit  Langerhaltung-  der  Silbe  vor  Vocalen 
1  Mal  (V.  72);  endlich  vor  folgendem  Vocal  gekürzt  2(>  Mal, 
hievon  in  der  4.  Thesis  d.  h.  in  der  bukolischen  Diärese  am 
öftesten  —  13  Mal,  —  ausserdem  in  der  1.  Thesis  9  Mal, 
wovon  zwei  Fälle  die  Kürzung  in  der  1.  Thesissilbe  zeigen  (203 
Aipvoj  £■;:'!■/. Ar, G'.v  und  800  Br^iJ-Oj  aTropvJf^.svoi),  zwei  Fälle  g-ehören 
der  3.  Thesis  an  mit  Kürzung  in  der  1.  Thesissilbe,  endlich 
zwei  der  5.  Thesis  in  der  Verbindung  'VTcspacbu  •S'.eq  176  und 
E'jp'jTO'j  uis^  87. 

Vocativ  Sing.  In  der  bekannten  homerischen  Weise  findet 
sich  einmal  A  1073  val  d\oq  als  Vocativ  (vgl.  z.  B.  Homer  p  415 
ooq  o'.Koz) ;  offenbar  waltete  hier  eine  metrische  Rücksicht  auf 
das  folgende  vocalisch  anlautende  il  o'  äve  ob,  denn  unser 
Dichter  gebraucht  sonst  den  eigentlichen  Vocativ  oO.i  noch  in 
derselben  Rede  A  1086  tw,  d'/.t,  \J.r,-'  cuv  xjz'o-/  iy.wv  ir.iopv.o^t 
o;j.i!jGa'.,  und  noch  einmal  A   1741  tswv  xposc;,  w  siAs,  zx'Swv. 

Dativ  Plural.  Der  ältere  Ausgang  ciai  überwiegt  gegenüber 
der  abgeschliffenen  Endung  o'.c  bei  weitem ;  er  findet  sich  in 
Buch  A  95  Mal,  B  95,  Y  123,  A  124  Mal,  zusammen  also  437  Mal, 
während  der  jüngere  Ausgang  o-.;  im  Buche  A  55  Mal,  H  47, 
r  57,  A  73  Mal  begegnet,  im  Ganzen  also  232  Mal,  demnach 
weist  er  etwas  mehr  als  die  Hälfte  der  Ziffer  der  älteren  Endung 
auf.  Die  Endung-  oisi  hat  ihre  ganz  feste  Stellung  im  Verse, 
wie  wir  es  bei  co  im  Genet.  Sing,  gesehen  haben;  da  c.o  und 
cz:  rhythmisch  denselben  Werth  repräsentiren,  so  kann  es  nicht 
Wunder  nehmen,  wenn  wir  fast  ganz  dieselben  Resultate  hin- 
sichtlich der  Stellung  im  Verse  finden ;  abermals  ist  es  der 
Schluss  des  ersten  Verskolons  vor  der  trochäischen  Cäsur  und 


500  Rzach. 

der  Versschluss  selbst,  der  die  Hauptposition  der  erwähnten 
Endung  bildet;  ein  Unterschied  ergibt  sich  nur  insofern,  als 
diesmal  die  meisten  Fälle  auf  die  trochäische  Cäsur  entfallen 
und  der  Versschluss  in  Bezug  auf  deren  Zahl  erst  den  zweiten 
Rang  einnimmt^  Avährend  das  Verhältniss  beim  Genetivausgang 
c'.c  das  umgekehrte  war.  Die  nächstmeisten  Fälle  von  cc.  weist 
(wie  bei  c.o)  der  fünfte  Fuss  auf  (wo  o-u'.  den  fünften  Trochäus 
bildet),  in  den  übrigen  Versfüseen  steht  es  nur  ausnahmsweise 
(wie  bei  oio)    in  bestimmten  Fällen. 

Es  begegnet  ca:  im  Buche  A  in  der  trochäischen  Cäsur 
von  95  Gesammtfällen  49  Mal,  im  Versschlusse  20  Mal,  im 
fünften  Fusse  14  Mal;  dazu  kommen  3  Fälle  im  zweiten  Fusse 
(A  60.  1028.  1338)  und  6  Fälle  im  ersten  Fusse  bei  den  Wörtern 
Towt  A  90.  331.  605.  1112  toTciv  M  A  1310  und  cosTa-.v  (TrcpcjvwvTa'.) 
A  909,  endlich  3  Fälle,  wo  der  Ausgang  gi  durch  Positionsbildung 
in  die  Arsis  kommt:  Ov/;-oT(7iv  •  -avTY;  1036  (IL  A.)  xjtoTc.v 
T5;o'.atv   1195  (IL)    auTSÜc'.v  asY^vscc.v   1204  (II). 

In  Buch  ß  steht  o'.ai  bei  95  Gesammtfällen  in  der  trochäi- 
schen Cäsur  45  Mal,  am  Versschluss  23  Mal,  im  fünften  Fusse 
15  Mal;-  ausserdem  im  ersten  Fusse  6  Mal,  wieder  bei  xoTii  B  51. 
674.  698.  902.  1002  xotatv  U  1046,  1  Mal  im  zweiten  Fusse 
Ntaaiciai  ts  847 ;  endlich  sind  5  Fälle  zu  verzeichnen,  wo  die 
letzte  Silbe  der  Endung  in  die  Arsis  kommt:  G£C[ji,cT<j'.v  poTraXa) 
B  150  (IL  A.)  TcTaiv  t'  'EvEir,ioq  B  358  (III.  A.)  abv  toIt-.v  o  Ty.avs 
B  456  (II.)  ävTpoiff'.v  %c;x££aOat  B  510  (V.)  vcixcoTaiv  •  cuvapacss 
B  614  (IL). 

In  Buch  r  findet  sich  o-c.  unter  123  Fällen  überhaupt 
63  Mal  in  der  trochäischen  Cäsur,  25  Mal  im  Versschluss, 
22  Mal  im  fünften  Fusse;  dazu  kommen  3  Fälle  im  ersten  Fusse 
bei  -coiai  T  210.  531  icTa-v  3'  ( AvjoviS-oc)  V  491 ;  3  Fälle  in  zweiten 
Fusse  r  373.  540.  1193,  1  Fall  im  vierten  Fusse  T  454  ohiai  xz 
(vgl.  die  Fälle  von  oio  im  vierten  Fusse,  das  nur  bei  folgendem 
T£  oder  oi  au  dieser  Stelle  steht) ;  schliesslich  sind  auch  hier 
6  Fälle  zu  erwähnen,  bei  denen  atv  in  der  Arsis  steht :  Acuy.oTaiv 
o'  VAdxicbe  r  45  (IL  A.)  a'j-oTij'.v  TÖqotc.  T  96  (IL  A.)  o/aoiaiv 
Ayjou?  r  413  (IIL)  auToTj'.v  t6B'  T  537  (III.)  /.exTpo'.s-.v  -pr^v/',? 
r  655  (IL)    -AauAoTs'.v  o'.o6|j.s'.(7'.v  T  856  (IL). 

Das  Buch  A  endlich  euthält  bei  124  Gesammtfällen  die 
Endung  oif::  54   Mal    in    dei-    trochäischen    Cäsur,    33    Mal    im 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  501 

Versschlusse,  25  Mal  im  fünften  Fusse  ;  ausserdem  5  INIal  im 
ersten  Fusse  bei  xoTcriv  o'  (a'/CviO))  A  1551  ToT-t  oi  itc  A  1711  und 
0I71V  A  8.  667.  1071-,  2  Fälle  kommen  auf  den  zweiten  Fuss 
A  750.  1440,  bei  5  endlich  steht  ci  in  der  Arsis:  vj-j.vo'ia'.v  oi 
A  43  (II.)  vw-o'.c'.v  copswv  A  117  (II.)  aü-vo'Jt  T^po-.swv  A  128  (III.) 
Tsis'.v  ii  A  294  (III.)     spsTfJLoTstv  S£$oy.-r;iJ.svo'.  A   1660  (III.). 

Ziehen  wir  das  Gesammtresultat,  so  ergibt  sich  für  die 
Stelhing  von  otcji  im  Verse:  In  der  trochäischen  Cäsur  211  Fälle, 
im  Versschluss  101,  zusammen  312,  d.  h.  fast  di-ei  Viertel  aller 
437  Fälle;  auf  den  fünften  Fuss  kommen  76  Fälle;  der  Rest 
vertheilt  sich:  auf  den  ersten  Fuss  20  Fälle,  zumeist  bei  tc^c., 
einige  Male  bei  0'.7i,  einmal  bei  cozh'.,  auf  den  zweiten  Fuss 
kommen  9  Fälle,  auf  den  vierten  überhaupt  nur  ein  einziger 
(T  454),  endlich  steht  in  19  Fällen  die  zweite  Silbe  der  Endung- 
in der  Arsis. 

Gegenüber  diesen  festen  Stellungen  des  Dativausgangs  ois'. 
vertheilt  sich  der  jüngere  Ausgang  oi;;  so  ziemlich  auf  alle 
Versstellen.  Nehmen  wir  beispielshalber  das  Buch  A,  so  findet 
sich  die  genannte  Endung  am  öftesten  wieder  im  Versschluss 
fl5  Mal),  ziemlich  oft  auch  am  Schlüsse  des  ersten  Verskolons 
in  der  Penthemimeres  (^10  Mal) ;  in  die  zweite  Arsis  (also  in 
die  Trithemimeres)  fällt  c.c  11  Mal  (hievon  6  Mal  bei  Wörtern, 
die  den  Vers  anheben),  weiters  in  die  vierte  Arsis  (Hephthe- 
mimeres)  6  Mal ;  ausserdem  steht  die  Endung  4  Mal  in  der 
ersten  Arsis,  aber  nur  bei  den  Wörtchen  ■:dlz  (A  95.  399.  979) 
und  olc  (A  630),  3  Mal  in  der  fünften  Arsis  (A  153.  350.  1262), 
endlich  einige  Male  auch  in  den  Senkungen  und  zwar  in  der 
vierten  Thesis,  d.  h.  in  der  bukolischen  Diärese  3  Mal  (A  519. 
1187.  ]20r)),  in  der  ersten  Thesis  2  Mal  (A  129.  392),  und  in 
der  dritten  Thesis  1  Mal  A  482  bei  olc,  vor  dem  die  Penthe- 
mimeres ihren  Platz  hat:  ulxc  AXw-aBa;,  o'.q  oüo'  sssv  isosap^et;. 
Es  sind  demnach  Hauptstellen  für  c.z  die  Kolaschlüsse  nebst 
der  Trithemimeres. 

Nomina  mit  £  oder  s  vor  dem  Themavocal.  Diese  bleiben 
durchwegs  uncontrahirt  bis  auf  zwei  Fälle.  Der  eine  betrifft 
das  Substantiv  voC»;,  das  wir  in  dem  unter  des  Dichters  Namen 
in  der  Anthologie  (Anth.  Pal.  XI.  275)  auf  uns  gekommenen 
Spottepigramm  auf  Kallimachos  am  Schlüsse  des  ersten  Verses  : 
KaX/.i'ixa/o;  xb  ■Axhxpy.x,   t'o  Tra'YV.iv,  5  ^üXivo;  voü;  vorfinden.     Des 


502  Rzacli. 

grösseren  Effects  halber  benöthig-te  der  Verfasser  im  Vers- 
schlusse  ein  einsilbiges  Wort.  Apollonios,  wenn  anders  er  der 
Verfasser  ist,  konnte  sich  die  contrahirte  Form  um  so  leichter 
an  einer  so  hervorragenden  Versstelle  gestatten,  als  ja  schon 
Homer  dieselbe  Form  kennt  y.  240  (III.  Avsis),  ebenso  hat 
Hesiod  Fr.  222.  2  an  erster  Versstelle  vsGv  (o'  AH.aÖaovicatc). 
In  den  Argonautika  jedoch  finden  wir  nirgends  ein  Appella- 
tivum  contrahirt,  wohl  aber  zeigen  die  Adjectiva  yd\v.eoq  und 
ypücsoc  in  einer  Anzahl  von  Formen  Synizese  (siehe  oben). 
Dagegen  haben  wir  einen  Eigennamen  jnit  Contraction  zu  ver- 
zeichnen A  103  im  Versanfang  Ils'.piOw  £c;'r:ö[j.cVOv  xoivyjv  oocv. 
Homer  kennt  bei  diesem  Namen  keinerlei  contrahirte  Form : 
n£'.pi65o'o  B  741  o  296  Uv.p'Moj  M  129.  182  nsip^Oosv  A  263 
S  318,  der  Dativ  gleichfalls  oflfen  ß  742  t;v  p'  j-b  Ih'.p'M«) 
T£X£TO  y.XuTO?  'läTcoGaj^.sia,  ebenso  der  Dativ  I-ttoOcw  -cp'.ßavxa  P  313. 
Doch  hat  sich  unser  Dichter  offenbar  den  Dativ  Ilavöw  iv  yziztaa: 
P  40  zum  Vorbild  genommen  und  sich  darnach  jene  Contraction 
gestattet,  indem  er  im  homerischen  Texte  den  zusammen- 
gezogenen Dativ  llavOc.)  las,  wie  ihn  die  Ueberlieferung  uns 
bietet,  ohne  an  der  Erhaltung  der  Länge  des  w  in  der  Thesis 
vor  folgendem  Vocal  Anstoss  zu  nehmen.  (Die  ursprüngliche 
Form  war  offenbar  FlavOsw  wie  auch  0  522  P  9.  59  HsivOsou 
statt  des  überlieferten  IlavOoj,  während  V  146  die  offene  Form 
llavöoov  auf  uns  gekommen  ist.)  Die  Annahme,  Apollonios  hätte 
den  Dativ  FIsipiOw  etwa  von  dem  abgeschliffenen  Nominativ 
HiipiOoc  gebildet,  empfiehlt  sich  dem  genannten  homerischen 
Beleg  gegenüber  gar  nicht,  zumal  er  selbst  Naoaiöocc  A  550 
Nau(7t05o'.o  A  539.  544.  547  sagt.  Auch  Iktp'.OÖM  mit  Synizese 
der  auslautenden  0-Laute  unter  gleichzeitiger  Kürzung  vor 
dem  folgenden  Vocal  lässt  sich  nicht  annehmen,  da  bei  unserem 
Dichter  ein  anderes  Beispiel  von  Synizese  bei  ow  (oder  oo)) 
nicht  vorliegt  und  überhaupt  selten  ist. 

Sogenannte  attische  Declination. 

Diese  Declinationsform  begegnet  uns  nur  in  ganz  verein- 
zelten Beispielen,  zunächst  in  einigen  Eigennamen :  Nominativ 
TaAto;  A  1638  Genetiv  TäXco  A  1670  {o^.\mQ<.  yßkv.sioio  Ta>ao 
i[).i'(r,pev  c-wTrac,  der  Genetivausgang  in  IV.  Arsis)  "Aöw  A  601 
(•^pi  8s  v'.ct7o[xsvo'.7'.v  "AOd)  av£T£'.A£  7.1  Atovr, ,  0)  wicdcr  in  IV.  Arsis) 
auch  bezeugt  durch  das  Etym.  Mag.;   Homer  hat  vom  Nomin. 


Grammatisclie  Studien  zu  Apollonins  Rhodios.  oOo 

:\6:(.)c:  E  229  £;  'A0oto  r  e-1  rcv-ov  eßi-csTO  (Nomin.  'AOio;  Hom. 
Hymn.  Apoll.  33  Conjectui').  Unser  Dichter  steht  also  hier  auf 
einem  jüngeren  Standpuncte  als  die  homerische  Sprache,  was 
wir  ihm  aber  bei  Eigennamen  nicht  verdenken  können,  obzwar 
er  leicht  hätte  *op'.  ok  ^ncGO\j.ho'.c,  AOiw  aviisiXs  y.oAwvv]  und  o[).\j.oi.a: 
/aXy.stou  TxXio)  schreiben  können.  Auch  das  Compositum  Asojodv.o; 
A  119  ist  hier  zu  nennen,  dem  als  erster  Bestandtheil  die 
speciüsch  attische  Form  Xswc  zu  Grunde  liegt,  während  unser 
Dichter  sonst  regelrecht  nur  Aocöc  (B  781  und  sonst  noch  17  Mal) 
kennt  (auch  im  Eigennamen  Aotovior;  A   191.   192). 

Von  Appellativen  kommt  nur  das  bei  Homer  so  oft  be- 
gegnende ä'v£(.)  in  Betracht  und  zwar  in  der  formelhaften  Ver- 
bindung ä'vsw  y.a'.  ävauoo'.  T  503.  967  A  693  an  fester  Stelle  im 
Verse  (w  stets  in  der  II.  Arsis).  Was  die  Schreibung  betrifft, 
so  steht  in  L  überall  ä'v£o)i  mit  Jota  mutum,  G  aber  hat  av£0), 
was  wieder  die  aristarchische  Schreibung  repräseutirt,  der  wir 
in  dieser  Hdschr.  öfter  begegnen.  Apollonios  fasste  also  nach 
der  besten  Ueberlieferung  ä'vsfo  als  Nomin.  Plural ;  für  diese 
Annahme  bietet  auch  der  Umstand,  dass  er  es  nur  in  Ver- 
bindung mit  ävauso'.  gebraucht,  einen  klaren  Beweis,  während 
Aristarch  wegen  der  Stelle  'b  93,  wo  er  r,  o'  ä'vso)  oy;v  r,(jTO 
(y.-nM  als  Adverb)  las,  der  Consequenz  wegen  auch  an  den 
übrigen  Stellen  so  schrieb,  obzwar  diese  Stelle  aus  dem  letzten 
Theile  der  Odyssee  für  den  homerischen  Sprachgebrauch  nicht 
massgebend  sein  kann.  Mit  Recht  schloss  daher  l^a  Roche 
Hom.  Textkrit.  191,  dass  xvsw  die  y.O'.vr;  ava-fvo)?;;  im  hom.  Ti^xte 
gewesen  sei,  und  dieser  pflichtete  unser  Dichter  bei. 

Von  älteren  Casusbildungen  hat  Apollonios  nur  sehr 
wenige  nachgeahmt. 

Locative  finden  sich  gar  keine.  Dagegen  begegnen  uns, 
wenn  auch  ganz  spärlich,  Bildungen  mit  dem  Suffix  oi,  die 
der  homerischen  Sprache  entnommen  sind :  i-'  ezyy.pi^>M  \\  494 
an  derselben  Versstelle  wie  Homer  £  59,  a-'  ap-.i^'.v  A  80  wie 
Homer  p.  414,  s-'  '.y-piöc-tv  A  566  A  1663  wie  Homer  v  74  o  552 
I  vgl.  V  353  £  283).  Man  sieht,  dass  derlei  Bildungen  nur  noch 
als  zur  Sprache  des  Epos  einmal  gehörige  Antiquitäten  hie 
und  da  ein  Plätzchen  fanden  (vgl.  Lehrs,  quaest.  epic.  306  sqq.). 


504  Rzach. 

2.    Conson fintische    Declination. 

Stämme  auf  '.. 

Apollonios  befleisst  sicli,  dem  liomerisclien  Vorbilde  folg-end, 
der  streng  ionischen  Bildungen;  so  lesen  wir  nur  Genetive  auf 
'.o;:  r,^noq  \  174  o^to;  T  414.  498.  1028.  1055  x5)ao;  T  887  toa'j- 
p/^Tio;  A  851  t.6g<oc  A  1064  A  1064.  1108  xpo-icc  A  1244.  Im 
Dativ  Sing,  ist  das  Casussuffix  mit  dem  Themavocal  zu  langem  i 
contrahirt:  [j.-qii  A  560  B  383  T  548  (wie  Homer  W  315  v  299); 
o-fip:  A  1400  bei  Merkel  ist  Conjectur.  Der  Accus.  Sing,  bietet 
nichts  Bemerkenswerthes,  ausser  dass  eine  Reihe  von  Stämmen, 
die  sonst  in  die  Dentalen  übergingen,  den  ursprünglichen  Accu- 
sativ  bewahrt  haben:  aypÖT'.v  A  509  'ApT£tj.iv  A  571.  1225  aOXtv 
A  577.  1173  A  1293  (aber  AuXioa  A  1779)  Qivy  A  759.  773 
Ipiv  B  963  Ko'jpf^vy  A  1229  Kpaxai-.v  A  829  (Homer  [j.  124) 
KÜTupiv  A  860  r  25.  76.  127.  559  opv.v  B  1034  r  1121  <l>aciv 
B  1261  tI>pövT'.v  A  72  /aptv  A  421  und  10  Mal.  Von  Doppelformen 
der  Stämme  der  letzteren  Art  begegnet  nur  Mav.ptv  A  540  und 
Mäy.p'.oa  A  990.  Von  suw-'.c  findet  sich  vereinzelt  nur  eh6)-'.oy. 
A  1090.  Interessant  sind  aber  zwei  Bildungen,  die  durch  falsche 
Analogie  hervorgerufen  wurden :  Neben  dem  regelrechten  Accu- 
sativ  vv^'.oa  T  32  (wie  Homer  Z  198)  lesen  wir  vr;'.v  V  130, 
während  doch  hier  das  c  ein  primäres  ist  (W.  Fic)  und  sich 
nicht  erst  durch  den  bekannten  Lautprocess  (aus  einein  t-St.) 
entwickelte,  dem  wir  bei  den  zu  scheinbaren  Dentalstämmen 
gewordenen  '.-Stämmen  begegnen.  Doch  hatte  Apollonios  hierin 
schon  einen  Vorgänger  an  Kallimachos  Fr.  111.  3  vau-iXi-/]«;  £i 
vf^iv  i'/c;;  ßiov.  Selbständig  bildete  unser  Dichter  nach  derselben 
falschen  Analogie  von  dem  Nominativ  tJa^  den  Accusativ  r.ä'.-j 
A  697 :  M-ip  t'  Al-q-xo  tJ.v)  y.Tavsv ;  das  genannte  Substantiv  ist 
wie  ein  secundärer  Dentalstamm,  als  ob  es  sich  aus  einem 
'.-Stamm  entwickelt  hätte,  behandelt.  Dieser  Accusativ  r.ivi  ist 
zweifellos  auch  noch  an  einer  anderen  Stelle,  wo  die  Ueber- 
liefei'ung  ihn  nicht  bietet,  zu  restituiren :  A  276,  wo  die  Ueber- 
lieferung  sbv  -aTS""  a.-(7.a.c,  v/o-jgu  lautet.  Nun  braucht  aber  unser 
Dichter  den  Accusativ  zaToa,  wenn  die  erste  Silbe  in  die 
Arsis  fällt,  und  zwar  in  die  I.  Arsis  am  Versanfang  A  167 
A  802.  874.  1088,  in  die  V.  A  905  A  298,  ausserdem  nur  A  778 
Al'oXov  'I-TCÖTcO)  rS'Zy.  y-AUTsv,  wo  der  Auslaut  oa  in  die  Arsis  fällt. 
Es  wird  darnach  mit  ganz  leichter  Aenderung  der  Schriftzeichen 


Grammatisch«  Stadien  zu  Äpollonios  Rhodios.  505 

statt  IIAIAArK-\Z  zu  schreiben  sein  nArNAFKA^;  vgl.  Oppian 
Kyneg-.  III  218  sbv  xa-.v  ajjis'.ßsßwjav  und  Nauck  Bull.  1877,  8. 
Von  Vocativen  tiudet  sich  J)  •/.a/.:,u.xv:'.,  7.a/.5spac£c  Y  036  Siv. 
cTa  A  783  Ipi  sOvY]  A  757 ;  die  Stellung'  im  Verse  schliesst  jede 
Möglichkeit  aus,  etwa  die  Nominativformen  nach  Zenodots  Vor- 
gang in  Homer  (0£T'.;  Tavü-s^Xoc  lil  385.  424  statt  des  Vocat.)  als 
ursprünglich  anzunehmen. 

Nomin.  Plur.  regelrecht:  oiv.puq  T  166  o-ja'.eq  A  85  iJ/(^v'.£; 
A  1205,  der  Genetiv  gleichfalls:  osior;  A  503  A  1517  tcoXiojv 
A  894  nebst  o(wv  ß  465,  woneben  die  bereits  früher  berührte 
contrahirte  Form  siwv  A  1090  am  Versende  vorliegt  (wie  bei 
Homer  u  142).  Ein  Dativ  Plur.  kommt  nicht  vor.  Accusativ- 
bildungen  gibt  es  folgende:  mittels  des  urspr.  Suffixes  vc  nur 
c'.c  1)41)1;  mit  dem  Suffix  xq:  äy.p-.a;  A  520.  1273  T  1192  -/.üpß'.ar 
A  280  -öX'.a?  A  982.  Ausserdem  finden  wir  T  1088  c;  -cü-zz 
7:o(-/]jE  zöXs'.i;  xat  £0£t[xaTO  vr^ouc.  Man  erkennt  die  Nachahmung 
der  homerischen  Stelle  lil  490  in  der  auf  uns  gekommenen 
Gestalt:  vj  ok  ojo>  -Koi-qoc.  ttiXci;  [xspöxcov  avöpwTtojv.  Die  attische 
Form  des  Accusativs,  zcXcic,  kann  unser  Dichter  schon  im 
Homertexte  gelesen  haben,  wenngleich  sich  nicht  bestimmt 
entscheiden  lässt,  ob  nicht  -iXsu  statt  des  regelrechten  urspr. 
■TToXi?  erst  nach  Äpollonios  in  den  Homertext  eingedrungen  ist 
und  darnach  auch  in  die  Handschriften  der  Argonautika.  Jeden- 
falls aber  haben  wir  nicht  die  Berechtigung,  izzkic  statt  des 
überlieferten  -iXec;  in  den  Text  zu  setzen. 

Das  Substantiv  ttöX'.;  declinirt  Äpollonios  übrigens  nach 
homerischem  Vorbild  auch  aus  dem  gesteigerten  Stamme  -oXsi : 
::iXr,:;  A  317.  321.  781.  823  T  1237  A  1028  (vgl.  Homer  r  40. 
263)  -dX-r;cc  H  373  (von  Merkel  statt  xsXsüOo'  auch  B  543  con- 
jicirt)  wie  bei  Homer  A  45.  51    i  174. 

Stämme  auf  j. 

Den  Dativ  Sing,  mit  Erhaltung  des  Themas  bilden  iXüi 
IJ  819  XiYvüi  B  1008  c-CO:  A  192  sj'!  T  1351,  vom  gesteigerten 
Stamme  aber  ausser  hqi'.  B  1251  das  Substantiv  ~i'/.iv.v.  A  430 
mit  nothwendiger  Contraction  des  Ausgangs  in  der  III.  Arsis. 
Bei  Homer  und  Hesiod  findet  sich  dieser  Dativ  noch  nicht. 
Beim  Accusativ  vr/.jv  A  1534  und  ßapjv  A  600  ist  die  Länge  von 
UV  in  IV.  A.  Nachahmung  der  ursprünglichen  Quantität,  vgl. 
Hora.  P  394  -.  257  (Hartel  Hom.  Stiid.  I-  105).  Den  Accusativ 

Sitzb.  d.  phil.-hist.  Ol.  LXXXIX.  Bd    11.   Hft.  :jü 


506  Rzach. 

auf  jv  bildet  auch  das  den  DentaUtämmen  ang-ehörige  y.spu;: 
yip'jv  r  1228  wie  Homer  N  131  P  215,  bei  Homer  ist  übrigens 
•/.cpjöa  gewöhnlicher.  Neben  dem  regelmcässigen  eupjv  ß  401. 
701  r  42  lesen  wir  eq  ehpia  y.üxXov  A  1604,  einen  Accusativ, 
der  nach  Art  der  consonantischen  aus  dem  gesteigerten  Stamme 
cüpc'j  gebildet  ist  (urspr.  *£up=Fa).  Vorbild  war  Homer:  zhpix 
xöATOv  :i:  140  4>  125  0  435  s-jpioc  zsvtov  Z  291  I  72  co  118. 
Von  Vocativen  lesen  wir  TTsu  B  622. 

Der  Dual  ist  vertreten  durch  den  Accusativ  xig/sc  A  268, 
vgl.  Homer  E  314. 

Im  Nomin.  Plur.  sind  erwähnenswerth  die  Formen  der 
Adjectiva  vom  gesteigerten  Stamme  ^poiaiec  T  687  Ttp.'.Gitc  B  1061 
(zweimal)  A  201.  Neben  diesen  offenen  Formen  begegnet  auch 
die  contrahirte  ßapsTc  T  636,  wobei  die  zusammengezogene  Silbe 
in  der  IV.  Arsis  steht.  Im  Dativ  Plur.  ist  neben  'EY/cAsscaiv 
(Eigenname)  A  518  und  Opacesccr'.  A  100  besonders  bemerkens- 
werth  die  Form  -elvAeaai  A  1003  A  1683  (Homer  z.  B.  N,391). 
Der  Accus.  Plur.  weist  die  Bildung  mit  dem  Suffix  v;  und  a; 
auf.  Die  erstere  liegt  vor  in  ^{poL~zuq  A  279  (Homer  w  229), 
L  hat  ypa.'Kxhq  G  -(pxTzxxc.  Schon  Brunck  sah  richtig,  dass  -/.jpßta; 
epexegetisch  zu  ^paiz-zuq  stehe  (Wellauer  wollte  ypa'TrTOu;  mit 
Bezug  auf  xüpßia?  schreiben).  Die  zweite  Bildung  haben  wir 
in:  ipivOaq  A  714  'Epiviia?  T  712  l^uocq  A  949.  1349.  1611  und 
in  r,|;.'.(7£a;  T  1383,    das    vom    gesteigerten  Stamme  gebildet  ist. 

Von  neutralen  Stämmen  auf  j  lesen  wir  im  Nominativ, 
resp.  Accusativ  öiavj  A  696  und  an  14  anderen  Stellen,  -cöü  A  486, 
im  Genetiv  ä'aTso;  A  237  und  13  Mal,  im  Nomin.  Plur.  ä'jxsa 
r  164  und  das  substantivische  'dpoea  A  1238,  im  Dativ  ttwej'. 
A  1340  A  1486  und  Tapscj-.v  A  13,  im  Accusativ  äVtea  T  349 
A  1780  %6izy.  B  657  und  die  Adjectiva  Atysa  A  1299  b^zey.  ß  546 
r  281  A  1466  Tapssa  A  1195.  Ausser  diesen  offenen  Formen 
aber  gestattet  sich  der  Dichter  am  Versschlusse  einmal  Con- 
traction  A  274    [j.'jpi/x  o'  «er/;  (wie  aAirr,  B  1268). 

Stämme  auf  eu. 

Die  gewöhnliche  Form  des  Genet.  Sing,  ist  die  auf  rpq : 
'Ayjlf,oq  A  868  ßacXrio?  A  3  und  11  Mal  Ehp•JG^oz  A  130.  1347 
Kprfir,o;  B  1163  V  538  NriX^o;  A  158  Nr.p^o;  A  1311  A  772. 
1743  O'.AYJo;  B  1037  Oivy;o;  A  192  'Op^rjo;  A  23.  540.  915. 
1134    A  1159    nv/?i5;  A  853    tox^o;  A  412.  643    <P'.rr,oq  ß  277. 


Grammatische  Studien  zu  Apcllonios  Khodios.  507 

294.  647.  769.  1051.  1090.  1135  r  555  A  254.  Hiezu  kommt 
llpoij:rfir,cq  T  853;  L  hat  npo\)xfiehq,  was  Merkel  in  den  Text 
aufnahm:  ,Laur.  scriptura  recipi  potuit,  cum  talia  veteres  pi'O- 
miscue  admisisse  videantur.  certe  nee  Aristarchus  sibi  con- 
stitit  schol.  IL  B  517^  (Ow/.rja)V  xk  xotau-a  oiyß:;  £v  Tat; 'Ac'.cr-apxsu 
£Op'!cxo[J.£v,  7.x\  CiÄ  TC'j  £'.  *I^cox£iü)v  /.ai  oiÄ  Toü  '/]  <P<jiy:r,Mv).  Das  von 
Merkel  beigebrachte  Beispiel  passt  insofern  nicht,  als  <t»io7.£(wv 
von  einem  Nominativ  tpor/.c'ot;  abgeleitet  werden  konnte.  Besser 
hätte  er  für  seine  Ansicht  -/.sTav  =  y/qxv  als  Beispiel  anführen 
können,  das  unser  Dichter  selbst  braucht  A  588.  Solche  ortho- 
graphische Eigenheiten  aber  beschränkten  sich  auf  bestimmte 
Wörter  und  wir  haben  der  grossen  Zahl  der  anderen  Formen 
gegenüber  durchaus  keine  Berechtigung,  die  Schreibung  des 
Cod.  L  für  die  genuine  des  Dichters  zu  erklären.  •  —  Vereinzelt 
gebraucht  Apollonios  die  Genetive  auf  £o;  (ohne  Ersatz  für 
einstiges  F) :  Ku-«i£o;  B  403  T  228  npoiJ.Tfieoq  ß  1257  Tucpwio;  B  38. 

Der  Dativ  weist  nur  Formen  auf  -^i  auf:  ßaatA^.  A  362. 
889  B  839  T  274  A  1515  E'jpuaö?-'.  A  1317  Q-qrr,'.  V  1100  vo[j.f,'.  A  675 
n-rjA-v-  A  816  tP'.vYJ'.  B  530  ^ov^.  F  1184.  Im  Accusativ  halten 
sich  die  Ausgänge  auf  r,y.  und  £a  so  ziemlich  die  Wage:  A/'Xr,'j. 
A  558  ßas'.AYja  A  558.  1116  BajtXr.a  (als  Eigennamen)  A  1043 
0-/;7Y;a  V  997  taroßc^a  V  1318  Ituixov^a  A  1046  B  105  Nv]p-^x 
A  780.  1599  lIriX-?;a  B  868  ^irr,a  B  277  (zweimal).  Etwas 
geringer  ist  die  Zahl  der  Fälle  der  zweiten  Art:  Aypia  B  507 
e^Gia  A  101  Katvia  A  59  'Opcpea  A  32  Hpo^iia  A  1044  IvicÜT. 
A  105.    Auch  der  Vocativ  findet  sich:  4>'.v£Ü  B  438. 

Der  Nomin.  Plural  zeigt  regelmässig  den  Ausgang  rizq  mit 
Ausnahme  von  Kpi]i:aiiec  (so  Etym.  M,  L  Kp-^-ca££c;)  A  1129. 
Ebenso  ist  der  Genetivausgang  y;wv  der  regelmässige  und  nur 
durch  ihre  Stellung  am  Versanfange  (zum  Zwecke  der  Hervor- 
hebung) waren  zwei  Formen  auf  £wv  bedingt :  0£c-::i£wv  A  106 
Mr/.p'iwv  A  1024.  Den  Dativ  Flur,  dieser  Stämme  bildet  der 
Dichter  regelmässig  mit  dem  alten  Suffix  zcq:  (vor  dem  der 
Vocal  £  in  Folge  des  Digamma-Ausfalls  lang  wurde):  aauTr^Effc. 
A  70.  206  B  464.  685  F  505  A  349.  1553  •"v^£S7-.  r  1274 
(Hesiod  Th.  439).   Nur  der  Eigenname  'A'i/üp-£j?tv  A  481  erscheint 


Wie  Merkel    an    der   geuannten  Stelle    bei  Apollonios,    so  will  Schneider 
bei  Kallimachos  Fr.  87.  3  npo|jLr;8£ro;  statt  ripoixr/J^o;  schreiben. 

35* 


508  Ezach. 

im  Versschlusse  in  der  jüngeren  Form.  Auch  im  Accus.  Plur. 
iöt  die  Form    auf  Y;a;    die    regelmässige    und   zugleich   einzige. 

Stämme  auf  r,u. 

Vom  Substantiv  v^k  (Nomin.  ß  51)0  A  210.  226.  1268) 
findet  sich  ausser  dem  regelmässigen  Genetiv  rqiq  (A  401  und 
an  54  Stellen)  auch  vsöc  A  1201  (wie  bei  Homer).  Hiezu  käme 
nach  der  Ueberlieferung  auch  vswc  A  208  :  azacaäjxsvo;  7:putj,vaTa 
v£w:  a-b  zeisy-a-r'  iV.o'^ev  (so  L,  G  vab;  octco).  Es  sollte  also  dem 
Cod.  L  gemäss  Apollonios  einmal  die  Schrulle  gehabt  haben, 
die  attische,  dem  Epos  fremde  Form  vcw;  in  sein  Gedicht  auf- 
zunehmen. 1  Ich  glaube  vielmehr,  dass  mittels  einer  leichten 
Aenderung  die  ursprüngliche  Schreibung  herzustellen  ist,  wenn 
man  nämlich  vsic  mit  Läugimg  von  o;  in  der  IV.  Arsis  setzt 
(vgl.  Hom.  7.  172),  wie  tuoXsö;  i[)Ayr,pz  -i/.O'.o  A  289  (bei  Genetiv- 
ausgängen sonst  noch  aXy.Jcvö;  a/.ir,;  A  1096  in  der  II.  Arsis, 
~jpb;  evaA'vy.ta  A  1544  in  der  III.  Arsis;  in  der  IV.  Arsis  vgl. 
noch  /Oiv'.oc  osi;  A  1398).  Die  ungewöhnliche  Längung  mag 
einen  Abschreiber  veranlasst  haben,  statt  vsd;  das  naheliegende 
vcü);  zu  wjlhlen.  Diese  attische  Form  drang  bei  Homer  selbst 
an  einer  Stelle  ein,  wo  die  Form  ^/töq  vollständig  am  Platze  ist. 
Zu  0  704  "Ey.twp  c£  ■::pu[j.v^;  vebq  vjJ^aTO  TovTCTripoio  —  einer  Stelle, 
an  welche  die  unsrige  ofi'enbar  anklingt  —  sagt  Eustathios 
1039,  10  T'.vä  -0)7  •::aAa'.cov  avc'.YP^swv  oiä  toj  o  y.'.7.poj  Ypäoouci  tb 
vsbc  und  auch  sonst  ist  so  vew^  überliefert,  vgl.  La  Roche's 
Ausgabe.  Für  unseren  Vorschlag  spricht  endlich  auch  die 
Leseart  des  Cod.  G  vaöc,  wo  nur  das  von  vornherein  unmög- 
liehe  a  in  e  zu  ändern  ist.  Im  Dativ  lesen  wir  nur  ypr;'!  F  72 
und  rqi  A  304  und  21  Mal.  Im  Accusativ  findet  sich  69  Mal 
die  Form  rqoi.,  ganz  singulär  ist  daneben  eine  Neubildung  unseres 
Dichters:  vr/jv  A  1358.  Apollonios  bildete  diese  Form  nach 
Analogie  der  u- Stämme,  indem  er  nur  auf  den  auslautenden 
Vocal  j,  nicht  aber  auf  den  Diphthong  y;j  Rücksicht  nahm. 
Die  nächste  Veranlassung  zur  Bildung  derselben  mochte  für 
ihn    das    attische    vajv    sein.    Theilweise    entschuldigt   wird    die 


Mit  Berufung-  auf  die  kalliniachisehe  Forin  vsoj;  Fr.  110.  8  lässt  sich  die 
UeV)erlieferungf  unserer  Stelle  nicht  entschuldigen,  denn  dieser  Dichter 
brauchte  auch  sonst  attische  Formen:  vajv  Ep.  20.  2;  daher  kann  ich 
auch  der  Vcrinuthung;  Schneiders  Callim.  I  2U9,  Apollonios  habe  ihn 
hier  nachgeahmt,  nicht  beipflichten. 


Grammatische  Studien  zn  Apollonios  Rhodios.  509 

Kühnheit  dieser  Bildung  dadurch,  dass  Apollonios  sie  sich  nur 
einmal  und  nur  an  der  Spitze  des  Verses  gestattete.  Parallel 
mit  dieser  Formation  ist  der  Accus.  Sing.  7pr;jv  beim  Gramm, 
in  Cramer's  Anecdot.  Oxon.  IV  337,  28  (Fragm.  anon.  325  in 
O-  Schneider's  Callimachea)  und  der  Accus.  Plur.  tz;  vr,j;  bei 
Demosthenes  Bithyn.  IV.  B.  im  Etym.  M.  437,  18. 

Der  Nomin.  Plur.  v^sc  A  235  F  341,  ebenso  der  Genetiv  v/;wv 
(A  113  und  6  Mal)  sind  ganz  regelmässig.  Im  Dativ  begegnet 
sowohl  die  ältere  Form  vr^sss'.  B  749  als  die  jüngere  vt,-jz''.  A  237. 
453.  1236.  Der  Accus.  Plur.  lautet  nur  vv-a;  A  237.  319.  653.  1207. 

Stämme  auf  cj. 

Erwähnenswerth  ist  nur  der  Dativ  und  Accus.  Plur.  Nach 
homerischem  Vorbilde  (M  105.  111)  braucht  der  Dichter  einmal 
die  alte  Form  ßsscc.  V  623,  während  sonst  nur  ßoja;  vorkommt: 
A  425.  747  T  435.  469.  905.  1190  A  364.  551.  973.  Der 
Accusativ  zeigt  nur  die  Bildung  mit  dem  Suffix  a; :  ßi:<;  A  356. 
1108    r  417.  508.  626.  1052. 

O- Stämme. 

Ausser  dem  häufigen  Nominativ  sind  folgende  Formen 
zu  verzeichnen:  Genetiv  'Ap^ojc  A  591.  724  A  1609  Ar,oj;  V  413 
A  89().  986  A-oToDc  ß  213.  257.  676.  Dagegen  lautet  der  Genetiv 
zu  Vop^(6)  nur  Fosvivoc  A  1515  im  Versanfang;  ausserdem  ge- 
brauchte Apollonios  diesen  Genetiv  noch  in  der  -Av.aiz  AXs^av- 
Spsia^,  so  viel  sich  aus  einem  Fragment  im  Schob  zu  Nikandros 
Ther.  11  sehen  lässt  (vgl.  Michaelis  p.  5  sqq.)  Trept  vsOv  zr,q  twv 
äay.vsvTwv  6r,p(a)v  '(vdatMq,  'ix<.  kcxh  iv.  -cwv  T'.txvojv  toj  aV'^.aToc  .  .  . 
'A-oXA(i)vtoc  C£  5  'Psoioc  £v  rfi  r^c  AXc^avopeiac  v.-.'.Gt'.  0.7:0  twv  sTavivoJv 
toj  ty;;  Fopifcvoc  0!.'([).ol-zc.  Apollonios  folgte  hierin  dem  Vorgange 
Zenodots;  Schob  t)  349  b  Zr,viooTo;  Ypxc-s'.  Fop^ovo;  ;;j,!xa-:'  'iyor/ 
T,k  ßpOToXo'.YOj  'Ap-/;o;.  5  ok  "0;rA;po;  y^pl:  -o\>  v  Xiyv.  ,zf,  0'  i-\  \ih 
FopYw'  w;  Zar.so)  •  oCo  '/A'(Ei  Yzp-(o\)C  o)c  iazscOc.  Von  Dativen  lesen 
wir:  IIjöoT  A  413.  418.  536  A  1704  xps'.cT  F  988  A  358;  von 
Accusativen  'Apvw  A  4.  633  A  509.  1473  Bpiixcö  F  861.  S(y2.  1211 
nuöd)  A  308  A  530  UJiuioi  A  209.  Für  den  Vocativ  verwendet 
der  Dichter  die  Nominativform  'EpaTw  F  1,  Schob  zu  d.  St.: 
avTt  Toü  'Epa-oT-  ATT'.y.wc,  w;  to  ,'H£X'.o;,  ö;  tzt/t:'  ioopa' ]  vgl.  A  1073 
val  zif^z:  statt  des  Vocativs;  wahrscheinlich  schrieb  Apollonios 
so  durch  Zenodots  Vorgang  -  38.5  und  424  ermuthigt,  der 
für    OST'.    Tav'j7:£-A£  —  Qiziq    Tavu-srAo;    schrieb    nach  Schul,  des 


510  Rzach. 

Didvmos  zu  den  beiden  Stellen ;  vgl.  auch  La  Roche  Hom. 
Textkrit.  395  sq. 

Sigmatische  Stämme. 

a)  Stämme  auf  oc  mit  dem  Nominativausgang  o;.  Der 
Genetiv  Sing,  dieser  Stämme  auf  s:;  bleibt  durchweg,  der  Dativ 
zumeist  uncontrahirt.  Nothwendige  Contractionen  im  Dativ  sind 
und  zwar  1.  in  Vershebuugeu  :  Oapsst  t£  -£-K5'.65Ta  A  274  (III.  Arsis) 
xap-ä'.  T£  -eXo'.tg  r  850  (V.  Arsis).  2.  Die  contrahirte  Silbe  £•. 
wird  in  der  Thesis  vor  folgendem  Vocal  verkürzt:  äX^ci  bn 
cy.tcpfi)  A  1715  (Versanfang)  ep'.aOsvsoiv  [jivs;  ciMlpw)  A  543  (Vers- 
schluss)  [j-sva/u.)  zj.^v.  •  aXio  B'  TAh)V.r,  T  1253  zavxl  gOevs».,  ospa 
xsAxjcY)  r  1307  (die  zwei  letztgenannten  Fälle  finden  ihre  Ent- 
schuldigung in  ihrer  Stellung  vor  Interpunction  und  bukolischer 
Diärese),  endlich  noch  7;r^T£'.  livioc  A  887  im  Versschluss  (vgl. 
Homer  -  35  yr,-zi  htxniur/  im  Versanfang).  Nicht  begründet 
ist  dagegen  die  Schreibung  'Apv£'.  o-  ;;.G'p'  iciiv  A  1317  im  Vers- 
anfang (vgl,  aVij.att  0'.  A  665)  und  xr,T£i  •/,r,o^'^.i'f^^)'f  A  91  an  der- 
selben Versstelle,  vielmehr  ist  "^pvcV  und  yj-.v:  zu  schreiben. 

Im  Nomin.  und  Accus.  Plur.  bleiben  die  Ausgänge  £x 
uncontrahirt.  Nur  vereinzelt  an  hervorragender  Versstelle  ge- 
stattet sich  Apollouios  die  Zusammenziehung:  oi\z-q  B  1268  im 
Versschluss  (wie  das  erwähnte  clz-r,  A  274)  %r,  erA-.v.cx.  A  1217 
in  der  IV.  Arsis  und  -sAavr,  T  349  in  der  III.  Arsis  und  Haupt- 
cäsur  (und  zwar  in  der  Verbindung  ä'7-£a  xat  ::.).  Der  Genet. 
Plur.  bleibt  gleichfalls  offen,  nur  tritt  in  einigen  Fällen  Synizese 
ein  :  -/.r^oECDv  A  280  (ewv  in  der  V.  Arsis)  Aai^iwv  B  903  (1.  Thesis) 
Ar,veo)v  A  173  (III.  A.)  c'jpiwv  Y  162  (1.  Thes.)  c-r.eicov  ß  50 
(IV.  A.)  r  289  (1.  Thes.)  755  (IV.  A.)  954  (III.  A.)  962  (IV.  A.) 
1015  (V.  A.)  xeuxJwv  r  1249  (III.  A.).  Im  Dativ  ist  die  schon 
früher  erwähnte  Form  /pr,£!75'.  F  1198  von  ypr,o:;  besonders  be- 
merkenswerth. 

Von  dem  eine  eigene  Stellung  einnehmenden  Substantiv 
xXso;  (Nomin.  A  154  B  754  Y  992)  kommt  von  den  Casus 
obliqui  nur  der  Accus.  Flur.  vjJx  c-iotwv  A  1  und  Träxp-^jv  xe  xXea 
x£  |j,£Y-/po}v  A  361  vor.  Da  das  a  bei  Homer  in  der  Phrase  xXea 
ävopwv  1  189.  524  Ö  73  gekürzt  wird,  weshalb  Nauck,  Bull.  1872, 
182  •/./.££'  verlangt,  so  hielt  sich  Apollonios  für  berechtigt,  das 
auslautende  a  kurz  zu  brauchen.  Im  jungen  Hum.  llymu.  XXXII 
ist  y'hioL  90)7(1)7  V.  18  wahrscheinlich  Nachaiimung  des  Apollonios, 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rliodios.  511 

wie  bei  Christod.  Ekphr.  378.  Eigennamen,  die  mit  y.Xso? 
zusammengesetzt  sind,  hat  der  Dichter  zwei:  'Hpr/.Xir,;  A  349. 
426.  864.  993.  1040.  1163  B  967.  1052  1  1459,  also  stets 
offen ;  ebenso  ist  uncontrahirt  die  heteroklitische  Form  'Hpay./.sYjv 
B  7(i7  im  Versanfang.  Dagegen  sind  alle  übrigen  Formen  con- 
trahirt:  'Epxv.'/.r^oz  A  122.  197.  531.  855.  1303  B  793.  957  A  1469 
'Hpr/.Av.  A  397.  997.  1253  B  772.  913  A  538.  1400  'Hpa/.X-^a 
A  341.  1242.  1291.  1316  B  146  r  1233  A  1477.  Hiezu  kommt 
der  Accusativ  Tr^/.i7J.r,y.  A   1040. 

b)  Stämme  auf  o;  mit  dem  Nominativausgang  oj;.  Von 
männlichen  Stämmen  dieser  Art  sind  zu  nennen :  ript&q  (A  781 
und  14  Mal)  bildet  den  Accusativ  (der  Genet.  und  Dat.  Sing, 
kommen  nicht  vor)  vjpw  B  766  im  Versschluss  contrahirt.  Homer 
kennt  die  contrahirte  Form  nicht  (denn  Z  63  N  428  X  520  ist 
r,pLii'  die  richtige  Ueberlieferung),  dagegen  hat  schon  die  Ilias 
mikra  Fr.  2.  2  v;pw  n-/;A£ior,v  am  Versanfang.  Flur.  Nomin.  f,pw£c 
A  1000  und  oft,  Genet.  '^ptowv  A  21  und  sonst  häufig,  Dat.  f/pwcac.v 
A  100  A  1099.  1226  (Homer  B  483),  Accus.  -J-pwac  A  552  u.  s. 
Dieser  Flexion  folgt  bei  Apollonios  der  Eigenname  Mivo);  (F  1000. 
1100  A  1491);  hievon  lesen  wir  den  Genet.  Mivwoc  T  1098  und 
den  Accus.  M{vw  T  1107  mit  Contraction  (wie  yjpw)  an  erster 
Versstelle.  Unser  Dichter  hielt  sich  hierin  wieder  an  Zenodot 
Sehol.  £  322  Apitjxapyoc  Mivwv  suv  to)  v,  Z-/;vöooto(;  xwpk  toü  v.  Die 
uncontrahirte  Form  Mivoia  findet  sich  bei  Homer  N  450  a  567. 
Besonders  merkwürdig  ist  ein  weiteres  dieser  Flexion  angehörige 
Substantiv,  nämlich  y.xXtoc.  Wir  finden  hievon  bei  Apollonios 
den  Nomin.  Plur.  xaXws?  B  725  (LG  durch  Versehen  xäXwa;) 
im  Versschluss  und  die  Accusative  yS/Mocq  A  566,  1277  an  der- 
selben Versstelle.  Unser  Dichter  hat  also  vom  attischen  Nomin. 
Sing.  y.äXwc  ausgehend,  der  im  Attischen  selbst  nach  der  0-Decli- 
nation  flectirt,  das  Substantiv,  da  es  äusserlich  gleich  r,pMz 
erschien,  in  die  Flexion  der  o;- Stämme  übergehen  lassen.  Der 
Schol.  bemerkt  zu  A  566  y.aXoja;  a~'  eLiOiia;  vr,:  /.aXco;  v.olxx  'A~'.- 
y.;jc.  Homerisch  ist  bekanntlich  nur  y.äXou;  z  260.  Diese  Neu- 
bildung wird  auch  vom  Et.  Mag.  74,  9  erwähnt:  A-cXXwvto?  ok  b  t3c 
'ApYcvajtr/.ä  v.ze  y.äXojsc.  Nicht  zu  übersehen  ist  jedoch,  dass  der 
Dichter  seine  Neuerung  nur  am  Versende  braucht.  Der  Verfasser 
der  urphischen  Argonautika  übernahm  die  beiden  Formen  in  seinen 
Text  y.f/.ws^  621  vS/Mxz  253  und  bildete  selbst  neu  xiXwsi  237. 


512  Rzach, 

Von  den  weiblichen  Stämmen  dieser  Art  haben  wir  die 
Casus  obliqui  zu  erwähnen:  •/)oü;  A  13<jO  T  1341  A  111.  670 
aiooi  ß  1238.  r  649.  653.  659  -qoi  A  651.  985  r  1172  A  244 
>0io  A  1151   r  820.  828   A  1622.  1690. 

c)  Stän)me  auf  ac.  Das  a  behalten  xr,poic,  A  684  B  183, 
221  A  872  Yica;  A  829  B  249  oi-a;  A  472  y.spa;  T  1306 
lipo^c  A  258  und  9  Mal.  Genet.  Sing.  yY^paoc  A  98  os-ao;  T  1036, 
Dativ,  offen:  Yr^pai  A  669  an  erster  Stelle  (Homer  z.  B.  T  150) 
und  cssAat  T  1159  (cssXaV  /.Xivr^pc;  ivspOav) ;  contrahirt  aber  ist 
YT^pat:  A  263  qXqm  uro  jqpsLi  im  Versschluss  und  B  200  aopaviY] 
Y'f^pai  TS  (a-.  in  der  III.  Arsis).  Merkel  schreibt  an  beiden  Stellen 
YT/pa  (an  der  zweiten  hat  LG  Y'O?«)  mit  Unrecht,  indem  das  a 
kurz  ist  und  daher  mit  -.  nur  in  den  Diphthong-en  a:  contrahirt 
werden  kann.  So  liegt  Yv^pa-.  bei  Homer  X  136  d>  283  vor  nach 
dem  Zeugniss  Herodians  zu  A  385  und  den  sich  daraus  er- 
gebenden Folgerungen,  vgl.  La  Roche  Hom.  Textkr.  297.  Der 
Nomin.  Plur.  dieser  Stämme  kommt  nicht  vor.  Der  Genetiv 
ist  natürlich  offen :  -{tpior/  A  615  zepäixi^f  A  1364.  Von  Dativen 
begegnet  zspasccr'.v  A  431  T  1297  A  1616;  ausserdem  ist  y.epaecGi 
überliefert  A  978,  wo  L  stoip.sva-.  /pjcciotat  (corr.  in  /pjcreotc.) 
v.tpdcGGi  7.uctäac/.cv  bietet.  Brunck  schrieb  -/pjcsot;  xepascrsiv.  Die 
neueren  Herausgeber  aber  folgen  dem  Vorschlag  Gerhard's 
Lectt.  Apoll.  157  xpuaeoici  -/.cpaa^i  zu  schreiben.  Er  stellt  p.  154  sq. 
folgende  Regel  über  die  Verwendung  des  v  paragogicum  fest: 
Hoc  (v  parag.)  a  bonis  poetis  in  ceterorum  pedum  primi  et 
secundi  thesi  ponitur;  in  tertio  enim  per  caesuram  non  licuit; 
in  quarti  thesi  non  ponitur,  quoniam  fugiunt  eam  productionen), 
quae  ex  positione  nascitur.  Die  sämmtlichen  diesem  Kanon 
widerstreitenden  Fälle  (darunter  zwei  wohlbezeugte  homerische 
M  55  w  240)  will  Gerhard  durch  Conjectur  beseitigt  wissen 
und  meint  danach  p.  157,  es  müsse  auch  ypjjeo'.c.  vspiocui  gelesen 
werden.  Aber  einmal  ist  der  Gerhard'sciie  Kanon  nur  künstlich 
liergestellt,  indem  die  bestimmte  Ueberlieferung  bei  verschie- 
denen Dichtern  gegen  ihn  spricht  und  dann  muss  die  Kühnheit 
der  Bildung  /.späac.  selbst  Bedenken  ei'regen.  Denn  die  von 
Wellauer  angezctgencn  Missbildungen  /.späaToc  bei  Arat.  174  und 
■/.spaaTa  Oppian.  Kyneg.  H  494  (nach  Analogie  von  /.paats;  mit 
dem  Suffix  at),  zu  denen  Schneider  Callini.  I  186  noch  andere 
Stellen  beibringt,  sind  für  einen  Dativ  y.£päaa  bei  ApoUonios  nicht 


Graminatische  Studien  zu  Apollouios  Rhodios.  513 

beweiskräftig-.  Wollte  man  aber  etwa  in  dieser  Form  eine 
Dativbilduno-  sehen  mit  der  Endung  asi  wie  in  uiac;  bei  Homer 
und  Apollonios  und  äpvaa;  bei  Arat.  1104,  so  wäre  erst  noch  die 
Länge  des  ersten  a  unerklärt.  Wir  sind  vielmehr  der  Ansicht, 
dass  die  einfache  Aenderung  Brunck's,  wobei  die  mit  dem 
sonstigen  Gebrauch  des  Dichters  durchaus  übereinstimmende 
Form  7,=pi.fjZ'.  nach  der  Ueberlieferung  bewahrt  bleibt,  der 
ursprünglichen  Fassung  der  Stelle  zunächst  kommt.  Auch  Kalli- 
machos  kennt  nur  die  Form  y.£pa£7aiv  Hymn.  Apoll.  '62.  —  Den 
Accus.  Plur.  finden  wir  nur  einmal  -izs.  A  1410  mit  der  aus 
der  Contraction  hervorgegang-enen  Länge  des  a. 

Den  Vocal  des  Ausganges  ac  verändert  ouSa;  (A  1516)  im 
Genetiv  cjssc;  Y  22.  1022  A  536.  726,  und  im  contrahirten  Dativ 
ouSci  B  827  in  der  IV.  Arsis  (o;u  B'  öv£  xXaY;a;  ojosi  tüsctsv)  und  A  952 
im  Versschluss  (tq  o'  o-j-ots  mAvaia'.  oüos'.) ;  hiezu  kommt  y.öia; 
(im  Nomin.  und  Accus,  sehr  oft)  im  Dativ  Plur,  -/mzz'.v  A  1090. 

Adjectivstämme  auf  sc. 

Bei  diesen  kommt  nur  die  Frage  nach  der  Contraction 
in  Betracht.  Die  zahlreichen  Genetive  Sing,  sind  durchwegs 
ofi"en.  Im  Dativ  jedoch  begeg-nen  wir  neben  OjojosV  F  224.  867 
7:cp'.r,Y£'.  A  950  folgenden  Contractionen  in  der  Arsis:  «/.pasT 
üeojpw  B  721  im  Versanfang;  die  Leseart  ay.pasi,  die  G  bietet, 
ist  unstatthaft,  da  sonst  auch  bei  Apollonios  das  naturgemäss 
lange  a  faus  *ay.paFyi(;")  seine  Quantität  behält:  A  606  -ävp  ^xiV 
a/.prr,;  A  1224  ay.par;;  y;Ö)6s->  j-ky.  A-i;.  Weiter  lesen  wir  ol'jxz\).ov. 
T£  ß'/fi  A  1375  (III.  Arsis)  yji'k-i.^^'^joi^v.  pozÄco  A  1196  (III.  A,); 
hiezu  kommt  baTfiOst  evcoOsv  c^Xo)  A  368,  wo  die  contrahirte 
Silbe  vor  folgendem  Vocale  in  der  bukolischen  Diärese  ge- 
kürzt wird.  —  Die  sehr  zahlreichen  Accusative  Sing,  bleiben 
gleichfalls  offen  bis  auf  folgende:  -;y.ir,-;vrr,  zhy.-o  Xaiv  V  1186 
(von  Wellauer  aus  dem  verderbten  -(v^^-(vn^  des  L  mit  Hilfe 
des  Schob  hergestellt):  die  contraliirte  Silbe  ist  vor  folgen- 
dem Vocale  in  der  bukolischen  Diärese  gekürzt.  Durch  die 
Stellung  an  der  Spitze  des  Verses  entschuldigt  sich  die 
contrahirte  Form  \>.oxr.-;vrr,  c'  'Iv/.xrr,-^  V  1035;  ebenso  durch 
die  Stellung  der  contrahirten  Silbe  in  der  IIL  Arsis  und  Haupt- 
cäsur  der  Accusativ  cüy.xjj,-^  F  1388 :  äp-Y;v  £Üy,a;j.T:^  vscOr.via  yi^v. 
lj.si;.ap-a)c;  endlich  ist  noch  -rr./.-^lr,  B  482  (in  der  III.  Arsis 
und  Hauptcäsur)  anzuführen. 


514  Rzach. 

Im  Nomin.  Plur.  ist  neben  zahlreichen  offenen  eine  Reihe 
contrahirter  Formen  zu  verzeichnen,  die  ihre  Entschukligung^ 
ebenso  wie  die  schon  angeführten  Contractionen  durch  ihre 
besondere  Stellung"  im  Verse  finden.  Und  zwar  steht  1.  an  der 
Spitze  des  Verses :  «[xcpiAafpsTc  TrAaTavicio'.  ß  733  oi.Gv:rfi=ic  jj-ev  B  176 
^a-/pr)cTc.  tciYjv  A  1095  i^a/pr,i^.  yxt-zcjc,  V  321  Zaypr,e<.q  K-q^o'Jü'.v 
A  835  (an  den  beiden  ersten  Stellen  steht  die  contrahirte  Silbe 
auch  noch  vor  einer  starken  luterpunctiou)  Oj[ji.y)GcT;  ß'.oxow 
r  812  v/jAc'.cT?  ty.diai  A  703.  2.  im  Versschluss  w;  -ix  aoXXsTc; 
A  1455  (neben  aoXkeeq  B  122.  497  T  255  A  1182).  3.  in  der 
Hauptcäsur:  ou  [jiv  iu7.\eieiq  ys  A  869  (III.  Arsis)  oty-Atcs?  suttyjycT: 
OaÄa[j.oi'  t'  r  326  (III.  Arsis)  Xa^2[j.svo'.  Ttp-^vsT; ,  ol  o'  £[j,iraXtv 
r  1394  (III.  Arsis  und  Interpunction).  Sonst  ist  noch  ein  Fall 
zu  nennen  :  aav.rfiv.q  JTraXu^av  B  603,  wo  die  contrahirte  Silbe  in 
der  V.  Arsis  steht,  offenbar  durch  Anlehnung  an  das  oben- 
erwähnte y.T/:rßv.c  mit  veranlasst  (acv.r^ÖEs;  hood:  IIövicj  dagegen 
B  346).  Alle  übrigen  Formen  des  Plurals  bleiben  offen,  so  auch 
die  Neutra  z.  B.  avaicea  (seil,  oaai)  B  407. 

Dentalstämme. 

An  dieser  Stelle  ist  nur  der  Nominativ  vriArao;  F  646  zu 
nennen.  Unser  Dichter  hat  ihn  ganz  regeh'echt  nach  den  home- 
rischen Vorbildern  aeAXoTro;  6  409  0  77.  159  apii-o;  I  505 
6  310  xpiTco^;  X  164  (ebenso  Hesiod  A.  312)  neu  geschaffen  und 
sich  nicht  durch  die  nichtepische  Form  v/]ai-ou;  (Soph.  Oid. 
Kol.  249)  verleiten  lassen  diese  anzuwenden.  Im  Eigennamen 
McAa[j,zo'j?  A  121  dagegen  musste  er  natürlich  bei  der  gewöhn- 
lichen Form  bleiben. 

Liquidastämme  auf  sp. 

Bei  diesen  handelt  es  sich  um  Feststellung  des  Gebrauches 
der  synkopirten  und  vollen  Formen.  Die  einzelnen  hieher 
gehörigen  Substantiva  zeigen  hierin  ein  verschiedenes  Ver- 
halten —   und  zwar  weist 

avTQp  im  Allgemeinen  weit  mehr  synkopirte  Formen  auf. 
Im  Genetiv  überwiegen  allerdings  die  nicht  synkopirten  avipc; 
A  6.  703  B  841  r  795.  1314  A  199,  avopc?  nur  A  1338.  Der 
Dativ  kennt  nur  die  volle  Form:  avipi  V  421.  743  A  1107.  1119. 
Im  Accusativ  sind  beide  Bildungen  fast  gleich  zahlreich :  mipoi. 
A  154  B  102.  218.  798  V  457  ävSpa  dagegen  A  1153  B  29 
r   421.    580   A    1030.    1655.     Im  Dual,  nur   avcps   V  1174.     Im 


Grammatische  Studien  zu  Äpollonios  Rhodios.  515 

Nom.  Plur.  sind  die  beiden  Formationen  wieder  fast  gleich  oft 
verwendet  avips?  A  612.  948  B  27.  80.  451  T  3.  16.  345.  977 
A  109.  1075.  1183.  1213.  1281  ävBpsc  A  1149.  1251  B  98.  468. 
650.  874.  1179  r  326.  1366  A  569.  1719.  Der  Genet.  Plur. 
erscheint  ausschliesslich  in  der  Form  avopwv  A  543  und  34  Mal, 
ebenso  ist  der  Dativ  nur  durch  die  synkopirten  Formen  ver- 
treten:  ä'vopscj'.v  A  673.  1059  avGpxcjiv  A  17  und  43  Mal.  Im 
Aecusativ  überwiegt  wieder  die  nicht  synkopirte  Form  avipx; 
A  883  B  753.  1014.  1130  T  204  A  667,  avopa;  steht  nur  A  236. 
465  ß  917. 

aaxTtp.  Von  diesem  Subst.  kommen  überhaupt  nur  die  nicht 
synkopirten  Formen  vor:  äsTspi  A  108.  774  B  41.  523  «sTspeq 
A  240  r  1195  aGxipaq  Y  745. 

YÄCTY^p.  Hievon  lesen  wir  nur  je  einen  synkopirten  und 
nicht  synkopirten  Dativ:  yoi.aT:ipi.  B  233  ^actpi  A  1176. 

O'jvär^p.  Hier  überwiegen  die  synkopirten  Formen.  Sie 
sind  ausschliesslich  im  Genet.  b'j-(x-p6q  A  813  T  102  A  1094 
und  im  Dativ  Öu^axpi  A  1297 ;  im  Accus,  findet  sich  einmal 
ÖJYa-rpa  A  591,  dagegen  dreimal  Guyaiipa  B  947  A  897.  1493. 
Der  Vocativ  lautet  Guya-ep  F  11.  Der  Nom.  Plur.  ist  wieder 
durchweg  synkopirt  %^(OL-peq  B  711  T  247  A  1149.  1323.  1358. 
1599,  im  Genet.  Plur.  steht  dreien  synkopirten  Bj^aTpöv  A  230 
r  602  A  971    nur   eine    volle  Form    OjYa-spwv   A  10  gegenüber. 

Von  |J.r,Tr,p  kommen  wieder  zumeist  nur  die  vollen  Formen 
vor:  Genet.  ij:r,-:ipo-  A  193  MY;T£po;  (loar^?)  A  1128  —  [J''''rpi'~. 
A  815  r  155.  524.  735;  iJ/r;-ip'.  B  657  A  1327.  1353  —  [j.r,zpi 
A  907  A  28.  Der  Aecusativ  ist  durchweg  ohne  Synkope  [j-r^iipa 
A  761.  1094  r  258.  267.  486.  609.  748.  1139.  1375  A  1372 
Mr^tspa  A  1125.  Vocat. :  jj-r^xsp  A  295  A  31.  Vom  Plur.  kommt 
nur  der  Nomin.  iJ:r,-iptQ  A  812  Y  994  vor. 

Bei  T.x-r,p  sind  die  synkopirten  Formen  die  gewöhnlichen. 
Durchgängig  ist  die  Synkope  beim  Genet.  -aipsc  A  58  und 
40  Mal,  dann  beim  Dativ  TuaTpi  A  13.  558.  907  B  786  Y  &2S 
A  399.  1015.  1106;  im  Accus,  r.aiip'  B  1181,  im  Vocat.  ::äTcp 
A  1673  und  im  Genet.  Plur.  zaiepwv  A  279  erscheinen  die 
vollen  Formen. 

Comparativstämme  auf  -.sv. 

Es  kommen  nur  wenige  Casus  in  Betracht.  Von  einer 
Nachahmung  der  zenodoteischen  Schrulle,    im  Nominativ  das  v 


516  Rzach. 

wegzulassen  (vg-].  Düntzer  Zenod.  56  La  Roche  Hom.  Textkr. 
302)  findet  sich  in  der  Ueberlieferung  unseres  Dichters  auch 
nicht  eine  leise  Spur.  Casus  obliqui  kommen  folgende  vor: 
apstova  2.(I)Ta  Y  438,  daneben  aber  die  contrahirte  Form  apsiw 
(6u[ji,2v)  A  901  im  Versschluss  wie  Hom.  K  237  y  250.  Hiezu 
der  Nom.  Plur.  äpdovzq  B  801.  Zu  «txei'vwv  lesen  wir  den  Accus. 
d|j(.£(vova  (TTaBa)  A  801.  Endlich  ist  noch  die  contrahirte  Form 
)^ep£bu;  B  1220  zu  erwähnen,  die  wie  apsi'o)  nur  am  Versschlusse 
vom  Dichter  zugelassen  ward. 

3.    A  n  o  m  a  1  a. 
a)  Eigennamen. 

Für  den  Hades  lesen  wir  bei  Apollonios  die  zwei  Namens- 
formen: "A'.ca  r  61  A  1510  vom  St.  A-o,  und  A-ca:  B  353.  609. 
642.  735  r  810  A  1666  'Aicsw  V  704  'Aicyj  A  1699  vom  St.  'Aioa. 

"Aprj?  r  1227.  Vom  St.  "Apsu:  'Ap-z^oc  B  385.  1169.  1230 
r  411.  754.  1357  A  106  ä'prio;  B  870  "Ap-^-.  B  991  äpv)-.  Y  183. 
393  apY;a  B  797  r  1385.  Vom  St.  'Ape?:  "Apso;  A  743  B  989.  990 
r  1187.  1366  äpso?  A  189  'Apst  B  1205  Y  1282  ä^toi  A  1024. 
An  einer  Stelle  B  404  drang  die  Form  'Apsoj?  ein:  cTkicc  t£  cy.'.öi'.v 
'Apeo)c,  TÖSi  'Mitac,  st:'  öi'/.pTiQ  /.irX.  Möglicherweise  hielt  sich  der 
Abschreiber  an  die  spätere  homerische  Vulgata  H  485  ^  100. 
213  (vgl.  La  Roche  Hom.  Textkrit.  203).  Dass  Apollonios  selbst 
'Apsw;  geschrieben  hätte,  ist  unglaublich,  zumal  nicht  einmal 
Kallimachos,  der  doch  allerlei  Formen  des  attischen  Dialekts 
brauchte,  wenigstens  so  weit  sich  aus  den  erhaltenen  Resten 
schliessen  lässt,  'Apsojc,  sondern  stets  nur  "Acr,oq  oder  "Apso;  sagte 
(letzteres  Hymn.  Del.  58  Fr.  449).  Wie  diese  Formen  den 
Abschreibern  durcheinanderschwirrten,  sehen  wir  aus  B  989 
und  990,  wo  im  ersteren  Verse  im  L  apsw^  sp-p.  (G.  ä'psoc),  im 
zweiten  aber  cipso:  'Ap[j.ov(r,c  steht.  Sonst  hat  L  überall  kurzes  o. 
Schon  Stephanus  hat  daher  richtig  an  der  genannten  Stelle 
"Apso;  geschrieben. 

Eine  eigene  Form  Aoapr^ioc  statt  der  gewöhnlichen  A^x- 
peii?  postulirt  das  Patronymikon  A©apY;Tia5ai  A  151,  vgl.  Etyra. 
M.  175,  27  5  ce  "AkOAAwvic?  v.a\  flivoapoc  Woxpr^cq  (1.  AsapYj-cc)  üxo- 
TtOouci    TTjV    eüOctav.     Dagegen    weist    das    dreimal    vorkonjuiende 


Grammatische  Studien  zn  Apollonios  Rhodios.  517 

'Acpapv-s?  A  485  F  556.   1252  auf  die    gewöhnlich  gebräuchliche 
Form   \\5ap5'jc. 

Zeüi;.  Apollonios  bildet  von  drei  Stämmen  die  Formen  dieses 
Eigennamens:  1.  A'F:  A-.i;  A  1071  und  47  Mal,  At-  A  511  li  40. 
1147  A  119  Mx  A  762  A  617.  783.  932.  2.  Vom  St.  Zeu:  Zej; 
A  468  und  13  Mal,  ZsO  A  242  A  1673.  3.  Zy]v:  Zr,v;;  A  150 
und  12  Mal,  Zr,v-:  A  731  Z-^va  A  229.  558.  709. 

'Hpa/.Asr,;  bildet  wie  erwähnt  neben  'Hpay.A^a  einmal  den 
heteroklitischen  Accusativ  'Hpa7.A£r,v  B  767  an  erster  Stelle,  vgl. 
Theokr.  XIII.  73,  wo  wir  die  Form  freilich  nur  als  Variante 
neben  'Hpay.Ada  vortinden. 

4>öp7.uc.  A  1598  lesen  wir  den  Accus,  ^cpy.uv,  wie  Hesiod 
Th.  237  (bei  flomer  finden  wir  den  Accus.  <i>6p/.uv  wohl  auch 
P  218.  318,  aber  als  Namen  eines  troischen  Bundesgenossen, 
daneben  ^Pöp/.uva  P  312).  Dagegen  ist  die  Ueberlieferung  A  828 
schwankend:  y;v  (Zv/j'/'kt^  -iy.i  <I>dp/.w  J  vjy.-cf::;Ac^  'Ey-äTv,  schreiben 
Wellauer  und  Merkel  nach  Brunck  und  Beck  gemäss  der  Ueber- 
lieferung von  G.  Die  Leseart  von  I.  ist  nicht  sicher  zu  con- 
statiren  (Merkel  söpy.o;?).  Gegen  «I^ipy.w  aber  spricht  das  Schol., 
dessen  Urheber  offenbar  diese  Form  nicht  las:  'Ay-SJciAac;  (J^öp- 
xuvs?  y.al  'Ey.ar/;;.  tyjv  Sy.uAAav  As^i'.,  0[J.r,p:c  o£  ohy^  'Ey.är^v  aX/.a 
Kpa-Ä'.'.v.  aixsoTspoic  cüv  'Attoaawv'.o?  y.x-:r,y.o'A5jOr,a£v.  Deshalb,  glaube 
ich,  ist  nach  Wellauer's  Vorschlag  in  der  Ueberlieferung  zweier 
geringeren  Hdschr.  Vatt.  A.  D.,  welche  <Pcpy.Jv  |  vuy,Ti7:ÖAo?  6' 
'Exärr,  bieten,  die  Spur  der  genuinen  Schreibung  zu  sehen, 
nämlich  der  Dat.  <l>ipy.j'.,  der  in  dieser  Form  auch  wirklich  bei 
Hesiod  Th.  333  vorliegt  (vgl.  Wellauer's  Note  und  Verf,  Dial. 
des  Hesiod  405  und  415,  Flach  schreibt  nach  M  3  <t>spy,'j).  Diese 
Emendation,  die  übrigens  auch  Merkel  als  probabel  bezeichnet, 
scheint  mir  um  so  evidenter  zu  sein,  als  unser  Dichter  sonst  nur 
noch  den  Acc.  <l>öpy,'jv  kennt,  den  er,  wie  bemerkt,  aus  Hesiod 
herübernahm,  so  dass  der  Schluss  erlaubt  ist,  dass  er  sich  auch 
in  der  Form  des  Dativs  an  die  hesiodeische  Vorlage  gehalten  hat. 

h)  Noraina  appellativa. 

Ausser  den  Subst.  -(irj  und  ospu,  deren  Formen  aus  dem 
kürzeren  und  längeren  Stamme  bei  einer  früheren  Gelegenheit 
schon  erwähnt  wurden,  sind  folgende  Appellativa  hier  zu  ver- 
zeichnen : 


518  Rzuch. 

vsAw?.  Ausser  dem  Norain.  T  102  kommt  nur  der  Accus. 
YSAw  A  1723  vor  mit  Uebergang  in  die  a-St.  (IV/siv  h  Gvffieazi  veXw 
cöevov)  nach  G,  L  hat  die  Corruptel  ^(i'KM:.  Die  schlechteren 
Codd.  Vatt.  A  B  C  D  und  Regg.  ACE  (Wellauer)  haben  vsXwv, 
was  von  Brunck  in  den  Text  gesetzt  ward.  Doch  kann  man 
im  Hinblick  auf  die  homerische  Ueberlieferung  nur  die  Form 
yi'/M  für  berechtigt  erklären.  Bei  Homer  ist  sie  theilweise  noth- 
wendig :  j  346  äcßcciov  vsXo)  wp es,  ebenso  ist  sie  u  8  durch 
Eustath.  bezeugt,  a  350  sind  beide  überliefert.  Wir  werden 
daher  vsXw  an  unserer  Stelle  für  die  richtige  Lesung  erklären, 
zumal  da  diese  Form  an  dem  von  Apollonios  ausschliesslich 
gebrauchten  -.Spw  eine  weitere  Stütze  findet. 

iTa\j.dp~iupoLq  \  229.  Diese  Form  verdient  insoferne  eine 
eigene  Erwähnung,  als  sie  einen  der  Fälle  repräsentirt,  in  denen 
unser  Dichter  dem  Vorgange  Zenodots  folgte;  dieser  wollte  an 
verschiedenen  Stellen  bei  Homer  die  Formen  nach  der  conso- 
nantischen  Declination  hergestellt  wissen,  vgl.  Schol.  B  302 
r  280  1  274.  Obzwar  wir  von  Zenodot's  Ansicht  speciell  über 
das  angeführte  Compositum  keine  Nachricht  haben,  so  scheint 
dieser  Kritiker  doch  an  der  einen  Stelle,  wo  es  bei  Homer 
vorkommt,  etwas  anders  gelesen  zu  haben,  als  uns  die  Ueber- 
lieferung bietet:  H  76  Zrj;  o'  äV-i^.'  s-ttj.xfxupc?  'ia-M.  Dies  lässt 
sich  aus  Apollonios'  Gebrauch  wenigstens  vermuthen.  Auch 
Kallimachos  brauchte,  so  weit  wir  sehen  können,  nur  die  Form 
aus  dem  cons.  Stamm,  vgl.  Ep.  50.  2  [xipvjpx. 

epw;.  Regelmässig  sind  die  öfter  vorkommenden  Formen 
des  Stammes  ipun:  spto;  Nom.  ß  297.  1078  A  213  "Epto;  B  120. 
1018  r  275.  Voc.  "Epw;  A  445  "Epono;  B  972  epwxi  F  3  A  569 
"EpwTs;  r  452.  687.  765.  937.  Ausserdem  aber  begegnet  uns 
einmal  der  aus  Homer  bekannte  Accus,  epov  A  613,  der  eigent- 
lich, wie  auch  der  Schol.  richtig  bemerkt,  ein  Aeolismus  ist: 
Schol.  £pov  avtl  [to'j]  spwTx,  aioAiy.w?  oCx  toü  o.  Ueber  die  Formen 
bei  Homer  vgl.  Hinrichs  de  hom.  eloc.  vestig.  Aeol.  97.  Auch 
bei  Kallimachos  konnte  Apollonios  diese  Bildung  vorfinden, 
vgl.  Ep.  42.  2  "Epo?. 

6£|jL'.q.  Vom  St.  U\JA  der  Accus.  Ösiaiv  T  193  A  700  und  der 
Eigenname  \K[).yM[i.'y  A  1494,  vom  St.  0£[i.'c-  aber  der  Accus. 
Plur.  eiiAtTT«;  A  917  B  17.  98«  A  1179.  1207. 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodioa.  519 

iSpco?  (A  1261  B  663)  bildet  den  Accus,  lopcö  B  87  A  656 
mit  Uebergang  in  die  a-Stämme  nach  homerischem  Vorbild 
Hom.    A    27  K  572,    vergl   Kallimach.  Hyran.    Lutra   Fall.  11. 

/.äXwc.  Die  von  Apollonios  neug-ebildeten  Formen  y.xAajE; 
B  725  und  y.d'/My.q  A  566.  1227  wurden  bereits  oben  besprochen. 

y.ipr,.  Von  dem  mit  dem  Suftix  ai  erweiterten  Stamme 
y.pa-aT:  Genet.  y.pxa-o;  A  222  A  1611  (Hom.  E  177)  Accus. 
Plur.  -/.pio^zx  A  1010  B  1013  A  1158  (Hom.  T  93 1.  Contrahirt 
erscheint  derselbe  Stamm  in  y.päroc  B  1213.  1402  (Hom.  z.  B. 
'.  UO)  y.paTi  r  1228  (Hom.  oft)  y.paTa  B  93  (Hom.  Ö  92).  Vom 
St.  y.apa; :  y.apv]  A  427.  739.  1312  T  151.  707  A  164.  663.  1294. 
1543.  Von  demselben  mit  dem  Suffix  a-  erweiterten  St.  (unter 
Verlust  des  c):  xapv-aTog  A  1084  T  1017  A  1314  (Hom.  W  44) 
y.apy;aTt  T  834  (Hom.  T  405)  y.sipr.aciv  B  852  T  1398.  Daneben 
endlich  noch  die  Nebenform  vApr^'/y.  A  513  T  161. 

7.£A£j6cc.  Ausser  den  reg-elmässigen  Formen  lesen  wir  den 
metaplastischen  Nomin.  und  Accus.  Plur.  y.eXejÖa  A  246.  352. 
574  ß  628  A  1253  wie  bei  Homer. 

[löi'jm.  Dies  in  den  Formen  p.:(:cjv'.  B  1026  und  ixdccuva; 
B  1017  (und  im  interpol.  V.  B  383  a)  vorkommende  Substantiv  ist 
bei  Apollonios  ein  v-Stamm,  während  es  sonst  auch  als  0-Stamm 
vorkommt.  So  das  Schob  zu  B  378:  Moacüvoty.c.  ce  eOvc?  y.al  auxo  oltzo 
xriq  ctaYwv-^c  rr;v  zpocrjvopiav  icyrixcq.  [j.oaauvoi  yap  oi  ^uXtvoi  oiy.oi 
Ktp'na.'.  c'.q  y.at  auTol  eypwvio.  Die  weitere  Bemerkung-  aTub  ^ouv  toj 
|j,6cauvoc,  "ö  Av{e-:ix'.  o  ^jaivo;  oixo;  r/,A-/;6r;aav  Msaffuvo'.y.c.  rührt  offenbar 
von  einem  andern  Verfasser  her.  i\ls  0-Stamm  gebraucht  es 
auch  die  Glosse  zu  B  1026  sv  'jihr^/M  [jlocjuvo).  Xenophon,  bei  dem 
es  in  der  Päteratur  zuerst  begegnet,  braucht  es  im  Sing,  als  v- 
und  im  Plm-al  als  o-Stamm.  Anab.  V.  4.  26  sagt  er  £v  tw  [jLÖaauvt 
und  gleich  darauf  cüv  tcT;  [j.occuvo'.q. 

cTa-fs;  A  626.  1516;  Apollonios  bildete  diesen  meta- 
plastischen Plural  zu  Qxy.-;6i'/  neu  vom  St.  siay,  aus  dem  das 
Verbum   gebildet    ist.      Schob    zu    A  626   w;  a^b  toD  zzi^  ^1x7:; 

u'.i:.  Wir  finden  bei  unserem  Dichter  Formen  von  vier 
verschiedenen  Stämmen:  1.  j- :  Genet.  uTo?  A  742  Accus,  j-x 
A  69.  859.  1055  B  114.  163.  509.  814.  905  r  1175  A  1134. 
1733  jV  B  655  A  117  Nom.  Dual.  jU  A  118.  163  A  81.  1465. 
1483  (Hom.  z.  B.  B  679)  Nomin.  Plur.  uTe;  A  72.  87.  176.  211. 


520  Rzach. 

1300  B  273.  440.  492.  956  r  245.  360.  366.  517  A  1383.  Ger- 
hard wollte  r  517    die  Apollonios  sonst  unbekannte  Form  mziq 
schreiben,    weil  die  Epiker    einen  durch  Position  entstandenen 
Spondeus  im  4.  Fusse   vermieden  hätten ;    Koechly    schlug  uUs 
vor,  was  Merkel  annahm.  Doch  kann  es  mit  Rücksicht  auf  die 
vonWellauer  zu  d.  St.  angeführten  homerischen  und  apoUonischen 
Stellen  bei  der  Ueberlieferung  bleiben.  Dat.  Plur.  ulaciv  T  450. 
692   wie  Hom.  z.  B.  E  463    mit  dem  alten  Suffix  ac.     Accus. 
uTa?  A  98.  482  B  241  r  178.  776.    2.  St.  üb:    Nomin.  Sing,  u'.i; 
Ä  331  und  14  Mal,  Accus,  uliv  T  357  A  1194  Vocat.  mi  B  214 
(Hom.   z.  B.  H  47).  Den  Pluralformen  dieses  Stammes,  die  bei 
Homer    Seltenheiten    sind,    ging    unser   Dichter   ganz    aus   dem 
Wege.     3.  St.  uw  (der  Nomin.  hiezu  utü;  ist  inschriftlich  belegt 
vgl.  Neubauer  Hermes  X  158).    Hievon  der  Genet.  meo?  T  604 
Accus.  me7.  ß  803  A  1493  (Hom.   z.  B.    N  350).     Nomin.  Dual 
utse  A  735  B  426  Nomin.    Plur.    jIss;   A   52.    748    Accus.    ■Mac 
A  1352  B  235.  308.  Als  Vocat.  PI.  ist  w  u\elq  Bopico  B  288  über- 
liefert und  steht  so  in    der  Merkel'schen  Ausgabe.     Wenn  die 
Form    auch    ganz  vereinzelt    ist,    so   werden    wir    sie    doch    im 
Hinblick  auf  das  homerische  w  uIeI;  ripiai^ois  E  464  als  zulässig 
erklären  müssen.    4.  St.  uleu :  Nur  pluralische  Formen  :  Nomin. 
mfieq  B  1093.  1107   A  441    Accusat.  ut-?iac   B    1119   T  196.    256. 
303.  595.  713.    Diese  Formen  sind  eine  Neubildung  des  Apol- 
lonios.    Offenbar    wurde    er    darauf    durch    die    Analogie    der 
£u-Stämme  geführt,    von  denen  er  neben  einander  Formen  auf 
•rjs?  und  es;  resp.  r^ac  und  eocq  vorfand.     So  bildete  er  von  dem 
gebräuchlichen    Nomin.    ulseq    und    dem    Accus,    utea?    aus    die 
Formen  ur^s;  und  mf,aq.    Spätere  gingen  dann  hierin  weiter  und 
so  finden  wir  bei  Antipatros  in  der  Anth.  Pal.  IX  23.  3  auch 
einen  Dativ  Plur.  ulr^ssaiv  und  bei  Gregor.  Theol.  eine  Singular- 
form ul^i  Anth.  Pal.  VIII  88.  3,  wozu  Nikandr.  Fr.  110  (Schneider 
p.  131)  und  Nonnos  in  der  Metab.  XIII  131  den  Accus,  ur^a  bieten. 

©6Aay.cc  (Nomin.)  A  132.  Schon  Homer  hat  die  Form  aus 
dem  0-Stamme  ©jAay.su?  Ü  566  (und  sonst  als  Eigennamen). 
Das  Schob  zu  unserer  Stelle  macht  auf  diese  Bildung  eigens 
aufmerksam:  (^ukav.oq  Irniv-üq  o  <f6Xa;.  "Iwvsq  0£  £/.  lüiv  -(z^':/.Gy^ 
Ttoioja-.v  cüOiiac,  tou  9ÜXay,oc  5  (puXay.oc,  toj  [jApvjpoq  b  [j.ipxupoq. 

■/dp.  Vom  St.  y-sp  braucht  Apollonios  folgende  Formen: 
yepöc  A  85^  (nicht  homerisch,  wol  aber  /spt  z.  B.  6  289)  y.spotv 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios  521 

r  50.  408.  1014.  1237  A  125.  1290  yipeq  T  81  /epat  A  281  und 
35  Mal.  Vom  St.  xetp:  xeipc;  A  313.  842  F  106.  120.  1067  A  751. 
1578.  1663  xetpi:  A  155  und  15  Mal  yßpoc  A  344  und  9  Mal, 
yßpe  r  378  A  1447  yßpaq  A  944.  1171  F  1258  -/e-.pwv  A  1162 
B  188  r  84.  136.  570  yßpeaai  A  373.  552  B  14.  834  F  346 
A  695.    808   xetpac  A  248    und    28  Mal. 

Xpucaöpw  F  1283.  L  yp'jaacpt  'AxsXXwvt,  das  i  ist  aber  in  w 
con-igirt,  xpjtraipw  auch  G  und  Laur.  16;  dies  ist  natürlich  die 
richtig-e  Leseart,  da  der  sehr  unangenehme  Hiatus  behoben  wird 
und  Homer  nur  Formen  aus  dem  vocalischen  Stamme  kennt. 
E  509  xpuaaopcu  O  256  yp'jcdopo^.  Erst  Hesiod  hat  den  Nomin. 
Xpucraojp  Th.  281.  287  Xpuaaopt  Th.  979  als  Eigennamen,  dann 
XpuQdopa  E.   771,   doch  auch  yp^adopo^j  Fr.  227,  3. 

Xpwc.  So  lautet  der  Nomin.  B  200  auaiaAeo;  ypöyq  im  Vers- 
schluss.  Apollonios  hielt  sich  an  die  von  Zenodot  bei  Homer 
begünstigte  Form.  Schol.  zu  N  191.  oütw;  ai  'Apiaiapxcu  ypöoq 
w;  AOYo;.  ßo'jAETa'.  Se  oir,pf,a^ocf.  ty]v  euBsTav.  ZyjvöBctoi;  os  ^(py.(fei  yp6ic. 
Die  sonstigen  Casus  sind:  xp^s;  B  1129  F  762  A  1531  xpo- 
A  872.  1524  yp6x  F  725.  832.' 

Zum  Genus  der  Substantiva. 

a-/;p.  Durch  Missverständniss  homer.  Fügungen  wie  v^epa 
zsjAÜv  E  776,  wo  neben  r,ipi  -oaa?,  F  381  di,p  scheinbar  Mascul. 
ist  (vgl.  Hymn.  Dem.  383  ßaöuv  r^spa),  veranlasst,  braucht  Apoll. 
d-^,p  meist  als  Mascul.  A  177  F  211.  275.  1379  A  678,  wogegen 
es  nur  zweimal  A  648.   1667  als  Feminin  erscheint. 

al'5.  Dieses  bei  Homer  sowohl  als  Femin.  wie  als  Masculin. 
gebrauchte  Substantiv  hat  bei  Apollonios  nur  das  letztere  Genus: 
B  279  aTva;  y.epaou;  (wie  Hom.  O  271  ^  530);  darnach  sind 
auch  die  an  und  für  sich  zweifelhaften  Genetive  B  691  y.epawv 
£7:1  ixT,pia  ^GO\J.E^  aiytöv  und  B  696  sq.  v^  ä^poTeptov  ec-Sotev  aiy^v 
als  Masculina  zu  fassen. 

ßwAi;  ist  bei  unserem  Dichter  F  1055.  1336  A  1552.  1736. 
1756  wie  sonst  in  der  Literatur  Femininum,  nur  F  1393  lesen 
wir  T£Tpr;/CTa  ßwAov,  so  dass  wir  scheinbar  hier  ßwAs;  als  Mascu- 
linum  gebraucht  finden.  Allein  es  empfiehlt  sich  weit  mehr 
die  Annahme,  dass  der  Dichter  hier  das  Particip  in  der  Älascu- 
linform  für  die  feminine  setzte,  wie  wir  das  bei  Homer  und 
unserem  Dichter  oft  bei  Adjectiven  sehen.  Dasselbe  konnte  auch 
bei  Participen  geschehen,  vgl.  Hesiod  Fr.  103  oy.'.i,o[xv/sio  rShT^oq. 

Sitzb.  .1.  phil.-liist.  Gl.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hft.  3Ü 


522  Hz  ach. 

AsXo'jvY).  B  706  A£Ac.6vr;v  -o^zic.  zsXcJJptov  s^svapi^sv.  Aus  dem 
Wortljiut  des  Textes  ergibt  sich  ebensowenig  wie  aus  Nonn. 
Dion.  XIII.  28  A£A(piiv/jv  8'  =oa[j.x(Jcr£  -/.y).  afOspa  väTev  'AtöaXwv 
EtwHs  zur  Bestimmung  des  Genus  jenes  Eigennamens,  da  das 
Adject.  TUiAwpioc  auch  zweier  Endungen  ist  (vgl.  z.  B.  Hesiod 
Th.  179  TCS/vwp'.cv  i'XXaßsv  ap-ür,v).  Schon  die  Alten  waren  in  der 
Bestimmung  des  Genus  dieses  Namens,  womit  die  Formation 
des  Nominativs  zusammenhängt,  uneius.  Seliol.  z.  d.  St.  to 
ovo[j,a  TOü  opay.ovTOc  o\  txsv  appcV'.y.(7)^,  ol  c£  0'^Xuy.wc  siircv,  o  y-a!  ßeX- 
Tiov.  Dagegen  weiter  ä'XXwc  •  sii  A£Xa'Uv/;(:  sy-aXcT-o  c  s'jXäcswv  to  iv 
AsXcpoI?  yp-/)cr^p'.ov  Maizvopto;;  fL  Xcavopo?  doch  vgl.  Schol.  A  1126) 
V.OU  KaXXi[j.a)^oc  stiücv.  opr/.3!ivav  ck  au-/(V  c-yjc.v  siva;  0"r;/.uy.wc  xaXou- 
[jLsV^v  AsXffuvav  0  auibc  KaXX'![j!,axoc.  Vgl.  hiezu  das  Schol.  zu  711 
TY]v  o£  avaiptSsTcav  opay.aivav  AsXsuvav  xxXeTcOat  OvjXuy.wc  cpr^a'.  Ma'.av- 
cp[o<;.  Ueber  die  ganze  Frage  hat 'sich  jetzt  eingehend  O.Schneider 
Callimach.  zu  Fr.  364  ausgesprochen,  dessen  Erörterungen  wir 
uns  nur  anschliessen  können.  Schneider  gelangt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  Kallimachos  nur  den  Nominativ  AeXi-jv-/;  kannte,  wofür  auch 
sein  Nachahmer  Dionys.  Perieg.  442  Zeugniss  ablegt,  wenn  er 
schreibt :  fluOtovo?  Quosv  •äsScv,  Ti-/'.  zpx/.ovTOz  AsXc;'jvr,c  ipi-doest:'.  Oeoj 
Trapay.exX'.Ta'.  oXy.sc;  vgl.  Apollod.  Bibl.  I  6,  3 :  y,aTicr/;a£  AeXo'jvt/; 
cpay.a'.vav.  Nach  den  genannten  Zeugnissen  werden  wir  annehmen 
müssen,  dass  auch  Apollonios  sich  der  Meinung  seines  Lehrers 
anschloss  und  den  Eigennamen  als  Femin.  fasste,  und  demnach 
das  Adjectiv  -EXwp'.o;    hier  als  zweier  Endungen  anzusehen  ist. 

xiwv.  Dieses  Substantiv ,  dessen  Geschlecht  bei  Homer 
schwankt,  kommt  bei  unserem  Dichter  nui'  einmal  voi-  und  zwar 
als  Masculinum  F  216  £Üp£iac  T£  tcüX«;  y.al  y.'!ovac,  z'i  zipi  -oiyo'jz 
i^dT,q  ä'v£/ov,  vgl.  Hom.  t  38  y.i'ova  ij.ay.p6v  und  das  Schol.  des 
Aristonikos  zu  der  St.  sti  v.y.i  ap(j£viy.(oc  c  y.i'ojv. 

Adjectiva. 

1.  Zur  Flexion. 

Bemerkenswert!!  ist  vor  Allem  die  Declinati  des  Adject. 
7:0X6;.  Aus  dem  St.  ttoXu  sind  folgende  Formen  von  Apollonios 
verwendet  worden:  Nomin.  ttoXj;  B  3()4  A  105  Gen  ttoXeoc  A  289 
B  365  r  1359  Accus.  tcXjv  T  424  ttoXü  H  338  V  798  Nomin.  Plur. 
T.oXiec  A  751   B  883.  982  V  564   ttoXeTc   (dreimal  die  contrahirte 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  523 

Silbe  in  fler  IV.  Arsis),  und  zwar  A  261  oi).C)iq  rs  ttoXhT:  oi^wai  t' 
ä.^(ipo'no  B  898  'Ayv-a'-w  ok  aOActc  Y^v/;cav  itaipwv  (in  diesen  beiden 
Fällen  steht  rS/.tiq  auch  in  der  Hauptcäsur,  der  Hephthemi- 
meres)  A  1039  iJ.asvaij.svov  xsivoiu'..  rSKztq  o'  ezap-^y^^^?  «aXoi.  Die 
contrahirte  Form  gestattete  sich  ApoUonios  nur,  weil  er  bei 
Homer  eine  Vorlage  fand  A  708  r^'/Scv  ciJ.wc;  aüxci  ts  ttoXsT;  y.al 
[uhrjyjc  VzTrii,  wo  ttoasT;  dieselbe  Stelle  im  Verse  einnimmt.  Gen. 
Plur.  7:oA£ü)v  A  1127  B  454  A  901.  1336.  Als  Femin.  steht 
-oAswv  mit  Bezug  auf  rr,zzDz  A  333  Dat.  zcasscciv  A  273  ß  1027. 
1216  r  900  A  993  zoass-.v  A  427  Accus.  xoAsaq  als  Mascul.  B  7.  357 
r  1056.  1382,  als  Femin.  aber  F  21  r.okioLc,  3'  eTTcSotatja  ßouAaq. 
(Der  Gebrauch  von  -oXewv  und  -oAs'aq  als  Femininformen  wird 
unten  näher  besprochen.)  Einen  Accus.  Plur.  zoAcTc,  wie  ihn 
Zenodot  in  den  homerischen  Text  einführen  wollte,  kennt  Apol- 
lonios  nicht,  vg'l.  Schol.  L  zu  A  559  -okeac  •  Zy;vcooto;  tcoAsT«;; 
die  Angabe  des  Aristonikos  zu  B  4,  Zenodot  habe  auch  tzoXüc, 
für  zcAsa;  geschrieben,  kann  nicht  richtig-  sein,  vgl.  Heffter  de 
Zenod.  15  La  Roche  Hom.  Textkrit.  342  sq.,  dagegen  Düntzer 
Zenod.  55.  56  Anm.  20).  Vom  St.  ttcuXu  beg-egnen  die  Formen 
TcojA'j;  A  276  TTouAuv  B  479.  944  T  211  t:ouaü  B  351.  902. 

Die  Formen  desSt. -oaao  sind:  Norain.  r.z'/Xcq  X  760  T  1352. 
Der  Genetiv  und  Dativ  kommen  nicht  vor,  dagegen  häufig  der 
Accus.  -oAAÖv  A  316  und  18  Mal  (auch  als  Adverb,  so  A  160, 
in  der  Verbindung-  -sp-.TCoAAov  als  Adv.  B  437.  472  Y  427)  r^oWr, 
B  565  A  1525  -oaat.v  A  286  -c'aao-:  r  1396  zoaaoic  A  1190,  nie- 
mals aber  -oaaoü;;  tSij.t.  Y  200,  235.  1092  -oAAa  A  248  und 
an  27  weiteren  Stellen. 

Unserem  Dichter  eigenthümlich,  respective  von  ihm  zuerst 
gebildet  sind  die  Formen  zweier  Accusative  von  Neutris  der 
Adjectiva  auf  s'.c,  nämlich  B  404  aXao;  xe  c-v.itv)  Af£o;  und 
A  1291  cay.pjöstv  x-(y.r^aizv;  die  Endung  siv  bietet  die  Ueberliefe- 
rung  an  beiden  Stellen,  nur  G  hat  an  der  ersteren  cry.iöiv ;  dafür 
aber  lesen  wir  im  Schol.  zu  d.  St.  aAco;  zz  ^/.'isiv  •  a-;T;  -z-j 
z'/j.iv/  .  .  .  .  TO  5s  cxiöstv  avTt  ~cu  S'/.'.Ö£v  /.aia  Mojv.y.-i^v  TrpiaOiC.v  tcj  i. 
Es  wäre  möglich,  in  diesen  beiden  Formen  Fehler  zu  sehen, 
die  inetri  causa  sich  eing;eschlichen  hätten,  und  nach  Hom. 
Q  269  7:J;'.v:v  s;j.5aA6ev,  vj  ci-z-xsctjtv  apr,pi;  (welchen  Vers  Hermann 
Orph.  705  anführt)  Hessen  sich  allenfalls  die  s^ewöhnlichen 
Formen  herstellen,    allein  die  Bestimmtheit  der  üebcrlieferung; 

3ü* 


524  Hzach. 

und  das  Schol.  mahnen  zur  Vorsicht.  Wir  können  viehuehr 
diese  falsche  Analogiebildung^  nach  dem  Masculinum  der  Adjec- 
tiva  ganz  wohl  unserem  Dichter  zuschreiben,  zumal  sich  eine 
Spur  späterer  Nachahmung  in  der  Ueberlieferung  bei  Nonnos 
Dion.  XXV  440  r^ßv;--});  epistv  sbv  oijvo[;,a  yeiio'/'.  tcövio)  v'K.  (Koechly 
epöeiq)  erhalten  hat,  vgl.  Hermann  Orph.  705,  der  auch  bei  Anti- 
pater  Sidon.  Anthol.  Palat.  VII  218.  10  (Dübner)  eine  solche 
Form  Öuos'.v  statt  des  überlieferten  Ousev  hergestellt  wissen  will 
(/.«•  XiT.apal  öuöctv  aaO[;.a  xvsouat  7.c|j,a'.).  Bei  Nikandros  Ther.  748 
vermuthete  schon  Spitzner  de  vers.  Graec.  her.  40  ostpf,  [j-sv 
■Kupisiv,  aCv)  Y£  y-xX.  und  Schneider  schreibt  auch  Alex.  42  S-/;A-(^i'.v 
ay.öviTOv.  Wo  das  Metrum  jene  Bildung  auf  eiv  nicht  erheischte, 
behielt  Apollonios  selbstverständlich  die  hergebrachten  Formen 
bei  z.  B.  r,epöv/  GT6[j.a  A   1114  r^itpiev  ßsAo;  B  1038. 

Zu  aiuüc  verwendet  Apollonios  neben  dem  regelmässigen 
Neutrum  aiTuu  (B  807  lepcv  aku)  auch  dem  Plural  al-d  (pssOpa)  A  927 
gerade  wie  es  in  der  Ilias  in  Verbindung  mit  pseOpa  der  Fall  ist. 

Das  Feminin  zu  wxu;;  lautet  neben  dem  regelrechten  wy.stY; 
r  759  (w7.£(ai?  r  879  A  42  wxs-ac  A  820)  nach  homerischem  Vor- 
bild ionisch  wy.ea  in  der  hergebrachten  Verbindung  iby.scz '^Ipic  B  286. 

Von  eigenthümlichen  Adverbialbildungen  ist  nur  ein  Fall 
erwähnenswerth :  aTixepswq  A  1765  (mit  sogenanntem  a  intens., 
Schol.  erklärt  es  als  Taxstoc,  Hesych.  TCpo6'j[j.a)c).  Es  ist  wie  von 
einem  Adjectiv  aTixepv^?  gebildet.  Im  Etym.  Mag.  133.  34,  das 
für  ä-Tspew;  fälschlich  Hesiod  als  Q.uelle  anführt,  wird  damit 
das  Adverb  atJ/ociwc  (zu  ä'd/oioc)  verglichen.  Uebrigens  ist  die 
genannte  Form  nicht  eine  Neubildung  unseres  Dichters,  sondern 
findet  sich  vor  ihm  schon  bei  Parmenides  Prooim.  17. 

2.  Zum  Genus  der  Adjectiva. 
a)  Adjectiva  sim/pUcia. 

Gv.'jc  erscheint  in  der  Masculinform  als  Feminin  ver- 
wendet r  1199  6f,Xuv  [).h  ctv  wie  Hom.  y.  527  (svÖ'  civ  apveibv 
pe'Csiv  Or^Auv  t£  iJ.£Aatvav) ;  als  Mascul.  aber  V  1032  x<o  o'  £vi  Ö^Xdv 
apv£ibv  acä'Cciv. 

Von  7:oX'j;  lesen  wir  A  333  den  Genet.  Plur.  -jtoXecov,  wie 
erwähnt,  als  Femin.  Brunck  änderte  gegen  die  Ueberlieferung 
die  Form    in    TraXXöiv,    allein    der  Dichter    schrieb    ebenso   T  21 


Grammatieche  Studien  zu  ApoUonios  Bhodios.  525 

iroAea;  o'  sTueBoia^jx  ßouAa?.  Es  wäre  nichts  leichter  als  auch  hier 
-Kokkdq  zu  schreiben,  aber  mit  vollem  Rechte  bemerkt  Wellauer 
(in  der  Note  zu  d.  St.)  es  sei  die  auffällige  überlieferte  Form 
beizubehalten,  ^.praesertim  cum  intelligi  nullo  modo  possit^  quid 
commoverit  librarios,  ut  -oXiaq  illud,  quod  soloecisrai  speciem 
prae  se  fert,  scriberent,  si  usitatissimum  illud  ttoaXä;  iuvenis- 
sent^  Hiezu  kommt  als  weitere  Stütze  und  Bestätigung  der 
Ueberlieferung  der  Vorgang  des  Kallimachos,  der,  weil  er  im 
homerischen  Texte  die  singulare  Masculinform  als  Feminin 
gebraucht  fand  (K  27  B  709  ttouauv  so'  'JYPvO,  auch  Pluralformen 
so  zu  verwenden  sich  gestattete:  Hymn.  Del.  28  d  os  ai'yjv 
Tzokeec  ae  TrsptTpo-zcwaiv  äoioai  v.tX.  Artem.  42  r^okeixq  o'  sTCsXe^aTO 
vjjjLcpac  (vgl.  Xikandr.  Georg.  III  12,  Schneider  81.  83).  Hiezu 
kommt  das  oben  bereits  erwähnte  Particip  xsTpr^/sTa  ßwXov  T  1393, 
wobei  die  Femininform   durch   das  Masculinum  vertreten  wird. 

b)  Adjectiva  composita. 

Eine  eigene  Femininform  weisen  folgende  zusammen- 
gesetzte Adjectiva  auf: 

'Ay/ia/v-^  A  1130,  aber  nur  als  Eigennamen,  während 
das  Appellativ  nur  zweier  Endungen  ist:  B  914  i-"  x^('/j.£ko'j 
OävGv  ÖL7.-f,:  B  160  Bäsv-f)  .  .  ävyiäXw.  Dieser  Umstand  ist  einiger- 
massen  auffällig,  indem  Zenodot,  dem  unser  Dichter  so  vielfach 
gefolgt  ist,  bei  diesem  Adjectiv  die  selbständige  Femininform 
bevorzugte  Schol.  Hom.  B697  cti  Zyjvöocto;  Ypäoc-.  aYytaA-/;v  t'  'Avipwva. 

asixsX'r,  A  340  T  753  A  637.  724  aca£A(o?  B  1126  aer/.cAtr^v 
A  5  wie  Hom.  z.  B.  p  357  äcacXi'-*;;;  eirl  ^/,po;.  Doch  braucht  es 
letzterer  auch  als  Adjectiv  zweier  Endungen,  z.  B.  t  341  asi- 
7.iXu|)  £vl  •/.c'tY],  was  ApoUonios  vermieden  hat. 

aOavä-ai;  A  795 :  tqs  abv  äOavata'.c  r,k  Ovr,Tr;C7'.v  taJ:'.-^ ;  bei  Homer 
schrieb  Aristarch  aOavärf|ai  H  32,  vgl.  Hesiod  aOava-ratc  ce  O^at; 
E.  62.  Doch  sagt  unser  Dichter  auch  aOava-roq  von  einem  Femi- 
ninum A  872  wie  Homer  oft. 

i'.ovY^  A  389:  Tcepl  se  ccpiv  atovr;  /.v/.ts  X'-^vj;  nach  Hesiod. 
Th.  860  £v  ßY^7(jY)(7iv  a'.5v^? ;  bei  Homer  kommt  das  Wort  nicht  vor. 

ay.aixätrjff'.v  £7:£ppü)ovi'  iXäxYjc.v  B  661  gleichfalls  nach  Hesiod 
Th.  51 9. 747  a/.xiJ.ä-Y;^.  yJptQci  (Hom.  hat  ein  Femin.  überhaupt  nicht). 

äij-ßpcciv;  zz[::f]  A  430  'l»v  aixßposiv;  r/,£Ö£v  a'jof,  A  512,  vgl. 
z.   B.  Hom.   0  429   X[j.^jpzair,  vjq. 


526  Kzach. 

äy.c './,•>/. y;v  J{  671  schon  substantivisch  g-ebraucht.  as-tov  B' 
i-K'.oiopciJ.z.  vjy.T!  c-i'YY^?»  o'f'  ä|jLi)tAJ-/.r,v  ;j.'.v  avs^pciJ-^voi  xaAecjs-.v  nach 
Hom.  H  433  ä|j.5'.Xj/.r(  vu^. 

ai/s'.p'JTYj  A  1305:  Tv^vw  iv  «[j.s-.pÜTY;  wie  Hom  z.  B.  x  50 
rr,cii)  £v   ajj.s'.puTY)   /.  325  A(r,   £v  «[Asipürf;. 

ivT'.TTSpa'.av  A  521 :  v^aov  s?  av~'.-£px'.av,  ausserdem  als  Adverb. 
B  351.  Homer  kennt  es  nur  als  Neutr.  Plur.  ß  635. 

axö'.pecjiv;;  A  1478  aTueipscjiY)  F  1044  a-sipEcrov  A  159  ß  1242 
A  124  aTus'.psdiYjffi  r  1295  «Tcetpeat'a?  A  143  nach  homerischem 
Vorbild, 

apcfHo-Tf-j  r  1075 :  Y;vTtva  Tr,vo'  ovc[Ar,va?  apiYvwrr,v  veyauiav 
naT'.axzr;;.    Hom.  (^  108  las  Aristarch  pcTa  t'  äpt^vw-ry;  TrsAstat. 

auToiXÄTr^  cp'js  vaia  Tspaivv;?  ä'vOsa  tto'/^c  A  1143  nach  Hesiod 
E.  117  sq.  y.apTcbv  o'  ^(psps  i^etowpoi;  äpojpa  aüioixd-nQ;  Homer  sagt 
auT6[j.aTa'.  -jXa-.  iJ.6x:v  E   749  0  393. 

oivjspr-r/;  A  954  auf  v?;x  bezogen,  ferner  ß  227  wo'  al-^a 
O'.-^ep'.a».  TtOTsovTa'.  ("\pTCJta;)   nicht  homerisch  und  hesiodisch. 

O'.w/vUyit;?  .  . -/^zsipoto  A   1258,  nicht  homerisch. 

cop'.y.Tr,Ta'.c  A  806:  auiap  A-/;;aotaj'.  ocp'./.rr,Ta'.c  -xptxjov,  vg-l. 
Hom.   I   343,   wo  Aristarch  oojp'.xrr^r/;'/  schrieb. 

£'.vaXi-rj  A  583:  oa-vcio  o'  civaAiv;  -y.ixöoc  vgl.  Hom.  o  479 
c?vaAi-r;  y.Y^q  s  67  y-opcüva;  s'.vaAiai  Kallim.  z,  B.  Hymn.  Del.  243 
civäX'.a'.  söiy.ai. 

I 

Ewu/tY)  A  1063  seil.  Y'J'''Ö;  A  1225  "ApTe[j-'.v  ivvjyjyjcrtv  äet  |j,£A- 
-ecOai  ao'.caT?  vgl.  Hom.  y  178  (v^ec)  swü/ca-.  y.ix-iyo'no  Hesiod 
Th.   9   brij'/'.y.'.  a-v.yz'K 

£zr,,aäTia'.  T  895  auf  -(Dvodv.eq  bezogen,  nicht  vor  Apollonios, 
dem  Simplex  Ti\)Ax:oh  Hom.  1   72  nachg-ebildet. 

£'jy.Ti[j.£vr^;  t£  usAovTai  Tpyj/Tvc;  A  1355  vgl.  Hom.  z.  B.   -.  130 

V^70V     £'jy.T!|J,£Vf^V. 

£J^£C:TY)5'.V    £7:£ppiU0Vl'    SAXTYjS'.V    A     1633    Uach   HoUl.   H  5   £'j;£GTy); 

rAxTrja'.v. 

£uaT£ipr(C  seil.  vr,:c  A  401   nicht  homerisch. 

s^'joaT'Y;  seil.  v'j[j.5p-/]  A    1229  nicht  homerisch. 

^aO£-/;v  A  933,  wie  oft  bei   Homer. 

Y^YxOer^v  A  308:  Av.sv  x/  q'fx^iir,^,  A  1329  vr^^rr/y  i?  'Axa-.iSa 
wie  Hom.  z.  ß.  s  702. 

y.atx/Osv'x'.c;  seil.  Öcf,s'v  A  1413  im  Geg-ensatze  zu  ojpavlatc, 
nicht  vor  Apollonios.   Homer  hat  nur  das  Masculinum. 


Gramiiiatische  Stadien  zu  ÄpoUonios  Rhodiüs.  Öj?7 

iX£Ta-/pov{-/;  ß  300  ("Iptc)  587  {rr,'k).  L  hat  an  diesen  beiden 
Stellen  jj.sTaxOc/ir,,  vgl.  dag-egeu  die  Noten  Merkel's ;  F  1151 
('^■jy;/;)  [j.£-ca/povi-/;v  A  952  (azxipr,v)  1269  1385.  1568.  (v^x)  •  nicht 
homerisch,  aber  hesiodisch,  Th.  269  von  den  Harpyien  gesagt: 
[j.£Taypcviai  y*?  I'äaXov. 

vr,YaTiY)c7iv . . . y.aA6ßY;!7'.v  A  775;  bei  Homer  kommt  das  Femin. 
nicht  vor. 

Tiavr;[j,sp(v;v  \  1358:  vr^jv  ci  ::3:vrj[.».spiV,v  ävsjxc;  ^ips,  vgl,  o  356 
::avir;iJ.cp{r,  'fKy.z>Jzr,  vr,'jc.  Das  Homer  unbekannte  Adjectiv  '::3cv^[.;,spo; 
jedoch  braucht  unser  Dichter  nur  als  zweier  Endungen,  wie 
Kallim.  Hymn.  Del.  261  zavr,(j.£p:c  \i\j.rq:  \  1015-^  2'  söscv  Aaf- 
(jiGGt  -av/jtj.spo;  ß  1191  Tiav/^ij.spo'.  ("s-pa'.)  F  251  -avv][j.£po;  von 
Medeia  gesagt. 

-avvj-/ia'.  A   1304,   vgl.   ß  434  Trxvvyy(r,  vr;^;. 

TY;Xe7.A£VT7^v  t'  'ApiäovYjv  F  1097  das  Feminin  ist  zwar  nicht 
homerisch,  aber  nach  x';T/Xi(-rf  £y.aTC[j.ßr(  y  59  u.  s.  gebildet. 

■:y;AUY£Tr,v  ';z^((x'jiy.-/  ('V'i/'.7:j"A'/;v)  A  719,  L  merkwürdigerweise 
rr,"AuY£xcv  5  da  aber  Homer  dies  Adjectiv  als  dreier  Eludungen 
braucht,  so  ist  nach  dem  Vorgange  der  Herausgeber  jedenfalls 
jene  Femininform  herzustellen,  indem,  wie  wir  sahen,  Apollo- 
nios  überall  diese  Regel  beobachtet,  ja  mehrfach  selbständig 
solche  Femininformen  bildet.  (Ilom.  z.  ß.  F  175  zaTca  x£  ty;auy£tyjv 
von  der  Hermione.) 

'jTTcßpjy'Yjv  (ßöjAsv)  A  1757;  in  der  Ilias  und  Odyssee  kommt 
dies  Femin.  nicht  vor,  wohl  aber  Hom.  Hymn.  XXXllI  12 
-t;v  (zp6[j,vrjvj   o'   äv£[j,5;  ■:£  ]J'i\'x~  Y.ot.'.  y.^i.y.  (JaAxGff-/;?  6'^y.av  ur.oßpjyirjV. 

3.  Zur  Comparation. 

Von  den  Adjectiven  auf  sc  sind  folgende  Comparations- 
formen  zu  erwähnen : 

!j.£Gr:i;  bildet  bei  Apullonius  den  Superlativ  \i.iQX'.-y.-T^  A  999, 
der  erst  seit  Herod.  IV  17  vorkommt  (von  der  Locativform 
[Xiia'.  gebildet,  die  im  homerischen  [Ascat-TisAioc  N  361  erscheint); 
daneben  bildete  aber  der  Dichter  selbst  einen  neuen  Su])er- 
lativ  [j.tc'jQzoLxz'i  A  649.  Wahrscheinlich  ward  er  hiezu  dadurch 
bewogen,  dass  ihm  der  homerische  Superlativ  £v  ij.£ccaTw  0  223 
A  6  den  gewöhnlichen   Formen  nicht  analog  erschien. 

(xJy'.o:  (im  Positiv  nur  B  742  ^jaawv  -i  -/s'.-?;s'.  T'.vacso|X£v(i)v 
[j.jy'7j7'.).  Der  Superlativ  von  einem  einfacheren  Stamm  nach  Ana- 


f 

1 


r>28  Rzach. 

logie    von    vsaxo?  gebildet    lautet    \i.i)'/y.-z't  A  596  (Masc.)  \ijyivr^iz 
A  630   \>-^VJ^-(i   A   170   B   398   A    1243    ij.'j/aiyjv   A    1625   [j-j^aTcov 
(Neiitr.)  A  1698.    Diese  Superlativform  übernahm  unser  Dichter 
von    Kallimachos    Hymn.    Artem.  68  o  05    oü^axoc,    iv.  [>:jydzoiQ 
sp/£Tai  'Epi).e.ir,q. 

v£o;.  Apollonios  verwendet  im  Superlativ  (der  Comparativ 
kommt  nicht  vor)  nur  die  Form  via-oq  und  zwar :  veä-rw  A  946 
vsarrjq  B  166  veaiv;  A  313  vsaTr^cv  B  320  vsaxa?  F  1192,  ausser- 
dem v£iaTov  r  763. 

Von  (pfAD;  gebraucht  Apollonios  nur  den  Superl.  j-fATato:; 
B  457. 

Unserem  Dichter  eigenthümlich  sind  zwei  Superlativ- 
bildungen auf  cffTXTc;  von  Adjectiven,  die  eine  andere  Form 
erwarten  lassen.  Wir  lesen  B  4  u-cpoiiXviecTarov  zu  dem  vom 
Dichter  selbst  B  110  gebrauchten  Positiv  'jr.ipozLOz,  wie  von 
u7:öpo7:A-/)£i(;,  während  doch  das  Simplex  den  regelrechten  Super- 
lativ zeigt  oTtXÖTa-ov  A  71  •äavo-XoTxxrjv  F  244.  Ebenso  bildete 
Apollonios  den  Superlativ  Trccw/.YjssTaTcv  A  180  zu  dem  Positiv 
T.zo6r/:qq,  als  wenn  dieser  r:oow/.-r,c'.(;  hiesse.  Etwas  Aehnliches 
haben  wir  ja  auch  bei  Homer,  wo  ß  190  der  Compar.  avtrjpeaTepov 
zu  av'.Y;pi;  erscheint,  wie  dann  später  Antimachos  äi^vetdaTaTO? 
bildete  zu  asveicc  Fr.  73  Kinkel. 

Von  Adjectiven  auf  c?,  die  die  Comparationsendung  '.wv  '.aro; 
annehmen,  sind  zu  nennen : 

•/.aXöq  •  der  Superl.  v.aXXcaTat  B  41,  ausserdem  als  Eigenname 
KaAAt'cTr,  A  1758    Ra/vAtcrr^v  A  1763. 

xuBpoi;;   hiezu  gehört  /.jBicto'.o  F  363    x.'jci'(7ty;v  B  719. 

o?7.-p6c,  das  selbst  nicht  vorkommt,  bildet  nur  den  Superl. 
o'-xTicTw  A  1296  obMozciq  B  782,  während  bei  Homer  ausserdem 
auch  die  Formation  o?/.TpoTaTr,v  vorkommt  >,  421. 

Zu  j'^r^As?  gehört  der  Superl.  Ü'}(sto)  B  1026,  der  bei  Homer 
noch  nicht  begegnet. 

Adjectiva  auf  u:. 

YAu/.L»;;  hievon  der  Compar.  vajxiwv  F  815  wie  bei  Homer. 

Ör/Aj;  wird  nach  homerischem  Vorbilde  gesteigert:  ör^X'JTspai; 
A  368    6r;AJTEprj7tv  A  1345    Or^XuTepac  F  209. 

Tcpeaßu?  hat  den  Superl.  zpsaßJTaTO?  A  157  wie  bei  Homer 
z.  B.  Z  26.  In  den  homerischen  Hymnen  jedoch  finden  wir 
auch  einmal  -ps'sß-.jTo;  Hymn.  XXX  2,  was  Apollonios  vermied. 


Grammatische  Stadien   zu  ApoUonios  Rhodios.  ö2u 

T:pr,tc  bildet  das  bei  Homer  noch  nicht  vorkommende 
•::pr,ÜTÄ-cc'J  B  937. 

xayjj;;  hievon  nur  das  Adverb  -^i'/j-cxy.  A  1243. 

(1)7.6;  zeig-t  eine  doppelte  Steigerung-sart,  regelmässig  wy.JTepr, 
A  847  (Homer  nicht)  w/.jtx-s;  A  1017  (Homer  6  331),  daneben 
das  Adverb  w/.'.j-:a  A  242  wie  Homer  x  '^'^-  133.  Homer  be- 
vorzugt die  letztere  Formation,  während  wxu-aToc  nur  an  jener 
erwähnten  Stelle  vorkommt. 

An  sogenannten  anomalen  Comparationsformen  haben  wir 
zu  verzeichnen : 

Zu  aY«6i;:   a;j.£''vü)v   A  58    oi\).zv)Z')x  A  801. 

apc(o)v  A  1336  äpiisva  (cwta)  F  438  apeiw  (Accus.  Masc.) 
A  901  ä'pstov  A  G65.  676  F  136.  399.  546  äpsiovs;  B  801  äp'.axov 
A  338.  1285  B  15  A  805  aptciy;  A  1104  i'p'.7T:;  A  231.  548 
A  6.  1181.  1307    ipicTou;  A  1351. 

ße/vTiwv  kommt  wie  bei  Homer  nicht  vor,  ApoUonios  braucht 
nur  ßsATcpsv  als  Neutrum  A  254  B  338  T  501  A  1255,  weil  er 
nur  diese  Form  in  den  homerischen  Gedichten  vorfand. 

Von  Aw'üjv  finden  wir  nur  das  Neutrum  Xw'.gv  F  527  A  1102 
wieder  ganz  nach  homerischem  Vorbild,  z.  B.  p  417.  Eine  andere 
Form  hievon  kennt  Homer  und  auch  Hesiod  nicht.  Daneben 
ist  aber  eine  Weitersteigerung'  vom  Comparativstamme  im  Ge- 
brauch AojiTspoc  F  850  AwiTEpov  F  187,  bei  Homer  nur  das  Neu- 
trum in  der  Verbindung  AW'xspcv  y.x'.  ä;j.c'.vov  a  376    ß  341. 

Endlich  gehört  zu  yr(yfyöq  der  Superlativ  ospta-ro;  (derCompar. 
«spTspo:  kommt  nicht  vor)  in  sspxaTcv  A  1593  sipTato-.  A  1031. 
1383 ;  daneben  einmal  ©sptcTov  F  347,  beide  Formen  homerisch. 

Zu  y.ay.cc  lautet  bei  ApoUonios  der  Comparativ  nur  y.a/.(OT5po) 
F  421  /.ay-wTEpsv  F  79.  910.  1082,  während  Homer  sowohl  diese 
Form,  als  auch  -/.ay-itov  kennt.    Der  Superlativ  kommt  nicht  vor. 

Xepeiwv  B  77    F  465    yi^v^jq  B  1220  (Positiv  yi^^^t  F  403). 

Zu  [j,ay.pö?  lesen  wir  nur  den  Superl.  ;rr,/,'.cTov  A  82  A  1364 
(Hom.  H  155    a  309),  während  Homer  auch  [xxy.pi-aTo;  braucht. 

]).'.y.pbz.  Statt  des  homerischen  Comparativs  [j.ei'wv  verwendet 
ApoUonios  eine  selbstgeschafFene  Weiterbildung-  aus  dem  ge- 
nannten Comparativstamme :  lAc'.CTepo;  B  368,  die  nach  ihm  von 
einigen  Späteren  gebraucht  ward,  so  Dioskoi'ides  17. 

-o>.j;:  -/.£Tcv  A  472  B  343  A  864  TCAsiveaaiv  A  339  -Ae'cv  B  888  ; 
der  Superlativ:  zas-stoio  B  711  tXv.qxzk  A  231  ■::X£T(7Ta  B  471  zweimal. 


530  Rzach. 

pr;(s'.o;:  pr^'l-cipov  A   104.  629.  725  wie  bei  Homer. 

Wie  Homer,  so  braucht  unser  Dichter  mehrfache  Com- 
paratioiisfüi'men,  denen  der  Stamm  eines  Substantivs  als  Positiv 
zu  Grunde  liegt  und  zwar  ßac.XsjTspo.;  A  1 102  (ßaaiAsüc)  -/.spoiov 
r  798  (-/.Hpoo;)  -/.üvTspov  V  1064  B  474  y.ivTspa  A  921  -/.üviaToc 
r  192  A  1433  y.üvTaxov  F  514  v/jnoLTx  A  1262  (-/.Jwv);  vom  Stamme 
b-'kc  (mit  Aufgeben  der  ursprünglichen  Bedeutung)  o-XÖTspoc  A  43 
c~Koxipr,  A  971  c-AOTcps'.  A  175  CTrAoiepcov  A  316  s-XoTSpoictv  A  992 
öuXoTspYjai  A  693  c-XoTaxov  A  71  xavc-AOTaTrjv  P  244;  pr,".ov  B  430 
A  402  p'Y'.aToc  B  215  piYiccY)  B  292  (p'-y).  Positivlos  ist  auch  der 
Superl.  -J:j.aTsv   A   1082. 

Von  Adverbialstämmen  sind  ausser  dem  häutigen  Trpcxspo; 
gebildet: 

von   ;?:   lüyy-zt   B  1261    r.x^tiayxio^)  A  308; 

von  TiÄpo;:  Tcapstxspr,  F  24  A  982  zapoitspov  A  1146  F  179 
und  das  Adverb  -apot-spw  B  425  F  686.  Dem  Comparativ 
begegnen  wir  bereits  bei  Homer,  nicht  aber  dem  Superlativ 
TrapoiTÄ-o;,  den  unser  Dichter  mehrfach  anwendet:  A  910  B  29. 
610.  1122  A  494  (Schol.  zu  A  910  xapct'xaTo;.  icv-t  toj  Tupoiepo;. 
ea/'/jiJ-äx'.aTa'.  Be  aub  toO  Tuapo;) ; 

von  -ipa:  TicpaiTs'pco  B  425,  nicht  homerisch.  Das  Adjectiv 
TTspaiTöpoc  selbst  hat  erst  Pindar  Ol.  IX  113; 

von  -j-ep :  uTripTspo?  F  989  u-iptspov  A  196  G-epTspa  A  682 
'j-epTaxa  A  362  TravoTrepTata'.  A  1122;  daneben  6-aTOu  A  553  Girä-co 
A  222  B  207  A  180.  1348.  1610    'jxaxov  A  146.  282    O-ar^v  A  506 

UTTCCTWV    F    1213. 

Schliesslich  ist  zu  bemerken,  dass  ausser  den  bereits 
erwähnten  AwiTspoc;  [Asiöxcpoc  und  pY)iTcpoc  auch  noch  ein  vierter 
Comparativ  vorkommt,  der  eine  Steigerungsform  von  einem 
Comparativstamme  ist,  es  ist  das  aus  Homer  herübergenommene 
äolische  sTzaaajtepoc  V  579  sTrauajxipY]  B  472  szaaaiciepoji;  A  994 
(ä'aaov   A   702  und  noch  4  Mal). 

Nuuieraüa. 

1.    Cardinalia. 

Neben  |j.(a  braucht  Apollonios  wie  Homer  auch  die  Form 
Vrr.  A  192,  wie  Homer  z.  B.  LI  173. 

Für  die  Zahl  zwei  finden  wir  nach  homerischem  Vorbilde 
die  Ausdrücke : 


Grammatische  Stnilien  zu  Apollonios  Bhodios.  531 

1.  ojü)  und  zwar  als  Nomin.  Masc.  mit  einem  dualischen 
Substantiv  verbunden  j'.c  cjoj  'AXsoO  A  163  uie  g'jco  «Pp'cou  A  81 
ii'.i  cJd)  {Bopiao)  A  14G5 ;  als  Accus,  Masc.  mit  einem  Substantiv 
im  Dual :  sjw  ßis  A  407  ojo)  xa-jpw  '/jx/:/.z~zci  Y  495  ä'vope  ojoj 
r  1174.  Mit  einem  Substantiv  im  Plural  steht  es  als  Nomin.  Masc. 
Süd)  CISCO'.  A  752  oj(i)  j'.cc  Bcps'xc  A  1300  ß  273,  im  Accus,  ojw 
u'.ac  ßopeas  ß  241  cJw  c'  s-'t  to-s'.v  s-a-psu;  F  178.  Mit  einem 
Subst.  Femin.  im  Accus.  cty^Aä;  -.e  cjw  y.aÖJTispOsv  steu^cv  A  1306 
Kuav£:z;  öiLiGÖs  Suw  B  318.  Der  Genetiv  und  Dativ  kommen 
nicht  vor. 

2.  0605  dies  indeclinable  Numerale  findet  sich  (wie  bei 
Homer)  mit  einem  Masc.  Dual  im  Nomin. :  aAAo)  cüo  r^T.oi 
A  185,  mit  einem  Femin.  Flur,  im  Nomin.  a'.  (xb  (-/cipcc)  axo 
CT'.ßocpcöv  öjjxwv  §60  (-/jcpc'öovTa:  A   945). 

3.  p]ndlicli  begeg-net  öfter  ocw  und  oo'.o-,  und  zwar  das 
erstere:  Als  No)ninativ  mit  einem  Subst.  Masc.  im  Dual:  ä'vcp' 
£vrjva[j.$vw  ccoi)  jj.iav  (y.Xr,Toaj  A  396  ulis  co'.o)  \  735  ß  426  cco) 
-raupt.)  -/aXy.c-ocs  T  409  j-e  T£  ooiw  A  1483.  Mit  dem  Substantiv 
im  Flur,  nur  oz'm  ot  7:okok  V  161.  Im  Accusativ  oo<x>i  seil.  o\z 
B  490  und  in  Bezug  auf  äaTpavaACJc  steht  es  V  123.  Der  Plural 
co'.ci  findet  sich :  Ic.yjz  iy.äT^pOsv  \\xTnxz  ß  52  oo'.sj:  vap  -piTrccxc 
A  529  a;j.3'7:0AS'.  oo-.a-  Y  870  oo'.a(  'z:poyoy.i  A  311  Cv'.äwv  auf  -STpa; 
bezogen  A  1708  (noch  nicht  bei  Homer)  oc.^;  seil.  Yqzzuc  A  330 
OCX  seil.  aY5[^.xTa  ß  853. 

Ebenso  wie  cxo  erscheint  auch  äij-^w  nur  in  einer  Form, 
und  zwar  für  alle  vier  Casus :  Nomin.  Dual  Masc.  allein  A  39. 
90.  103.  484.  1011.  1045  ß  264  F  360.  628.  660.  947.  1022. 
1292.  1296  A  373.  378.  690.  1769  Gjva;x50)  A  134,  mit  dem  Dual 
des  Masc.  'ioxopt  0'  «[/^o)  A  188.  Feujin.  nur  mit  Flur,  ß  565 
a!j.50J  ;i;.5j  ;jv'.0J7a'.  (z:£Tpz'.j  F  25  äTcrcXiixeva'.  oi  [j.vj  ä'[J.5a)  112  ä'|.».50) 
~y.''.  Y£  248  AlY]Tao  OuvaTpe;  ä'iJ.sa)  708  ä'ij.jü)  £-'  aXX'/^XYj^'.  Oscav  y6gv 
(Mr,5i'.cz  und  XaXy.-.c-r,).  Im  Sinne  von  y.y.'ii-ipc'.  steht  ai^sa)  \  1011. 
1054  wie  Homer  ß  124.  —  Genetiv :  twv  ä'tj.^o)  yvwt'oc  -povivsaisps; 
A  I60  vgl.  Homer  y,  515  ojw  zctxjxwv  sp'.oijzojv,  von  ii^sw  kennen 
die  homerischen  Gedichte  keinen  Genetiv.  —  Dativ:  aiäp  rpüso; 
iXXo  ;j.iv  a'j-rb;  |  ä;/;o)  "/spsiv  i'/rov  ttste  ci/j/'.s;  A  1 169  nach  dem 
Muster  im  Hom.  Hymn.  Demet.  15  r,  c'  i'pa  Oxij.ß-r^jas'  wpsqaTo 
'/tpch  ä'i.' «'[x^ü)  y.xXbv  i:'0'jp[^.a  XaßeTv  (die  Massaliotike  hatte  <I»  162 
ccjpaj'.v  ä:;j.i(o).  —  Accusativ:  iy.ico   r/s  7:£-rr,(]5":a:  1'  1312  mit  dem 


532 


Ezach. 


Plur.  des  Masc,  aber  »'(x^pw  /sTce  tteSw  xat  atepvov  ipziaxq  \  1447 
mit  dem   Dual  des  Feminins. 

Neben  Tpeiq  (Osätov),  das  nur  A  1347  vorkommt,  braucht 
unser  Dichter  in  derselben  Bedeutung  auch  -pwcxi:  B  373 
ayiooOvf  ok  ü6\r,eq  rpiacai  'A[j.a2;ov(oa)v,  was  Homer  gar  nicht,  Hesiod 
nur  in  der  Bedeutung  .dreifach'  kennt:  Fr.  VII  2  o'jvexa  xp-.caYjv 
YaTav  kxocq  T.:i-priq  eoaaxvto.  Das  Neutrum  rpt'a  findet  sich  als 
Accusativ  mit  r,[mm  verbunden  A  1057    ß  837. 

T£C7(jap£q  begegnet  nur  einmal  A  946  (yßpec),  dafür  aber 
viermal  die  äolische  Form  xicupsc,  die  unser  Dichter  neben 
jener  bei  Homer  vorfand:  A  671  (TtapGevaai)  B  1110  (allein  als 
Masc.)  r  222  (xp-^VÄi)  und  1367  (ävops;  al^-rioi).  Auch  Kallimachos 
gebrauchte  rdaupaq  Hymn.  Artem.  105. 

Sonst  ist  von  Cardinalzahlen  nur  noch  ouo-/.aiScxa  I'  838 
i^  1386  anzumerken,  Avoneben  häufiger  ouwO£y.a  vorkommt  A  1079. 
1318    B  531    A  1221;  beide  Formen  sind  homerisch. 

2,  Ordinalia. 

Zu  erwähnen  sind  die  Comparationsformen  von  diesen 
Zahlwörtern,  die  unser  Dichter  nach  homerischem  Vorbilde 
verwendet:  Neben  -pwTo?  (A  363  und  noch  28  Mal  in  ver- 
schiedenen Oasusj  finden  wir  •äpwTwrrj  A  422  lo  7:ptbT'.(7T0v  B  632 
Toc  ■iCpwTKJÖ'  B  266 ;  neben  Träfj.xpwTOv  (A  368  und  öfter)  xai^'äpio-'.ata 
A  1693.  Die  Form  zpimToq  ist  sogar  häufiger  als  das  einfache 
TpiToc,  indem  dies  nur  im  Nominativ  A  74  V  516  und  im  Accusativ 
ipiTov  A  777  vorkommt,  jenes  aber  im  Nomin.  Masc.  A  53.  163, 
dann  in  den  Formen  Tpaaic.)  A  589  TpiTaiov  ß  720  T  1340  tp'.TaxY) 
r  224    ipiTäTY)  A  244. 

Der  siebente  heisst  nur  e^oi\).ix~oq  in  der  Form  ißoo[j,aT(i) 
A  1223,  der  zwölfte  nur  oucooexato?,  gleichfalls  im  Dativ  Suto- 
OcxotK.)  ß  899,  beides  ist  homerisch. 

Pro  110 111  ina. 

1.    P  e  r  s  0  n  a  1  i  a. 

1.  Person.  Der  Nominativ  lautet  ausser  dem  gewöhnlichen 
e^u)  vor  folgendem  Vocal  in  der  ursprünglichen  Form  £ywv: 
A  689  B  236.  290  r  61.  142.  177.  636.  788.  944.  976  A  194. 
1021;  die  verstärkte  Form  ^^(uiyi  lesen  wir  A  345.  840    B  483. 


Grammatisclie  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  533 

634  r  470.  513  A  747.  835.  1370.  Geuetivformen  braucht  der 
Dichter  folgende:  e^AH^/  A  901  T  352.  904  ^  30;  iixsTo  B  317. 
487  r  93.  307.  310.  403.  477.  716.  721.  1112  A  383.  743; 
besonders  bemerkenswerth  sind  ausserdem  drei  Stellen :  A  829 
izoLzpoz  e\i€io  0öavTC(;  iy^oic,  '•(ipxq  891  c/.r^-Tpä  xs  ■:ra:pb;  £[j.£To  Y  1076 
fi  T.a-phz  biiz-'fniz  icxiv  e\j.üo.  Statt  des  gewölmlicheren  Possessivs 
steht  hier  der  Genetiv  des  Personalpronomens  bei  einem  Substantiv 
im  Genetiv.  Doch  ist  wohl  darauf  zu  achten,  dass  dies  einzig 
beim  Subst.  TzaTpcc  der  Fall  ist.  Wir  haben  hier  abermals  eine 
Nachahmung  eines  kritischen  Vorgangs  des  Zenodot  zu  con- 
statiren.  Wir  wissen,  dass  dieser  an  einer  Reihe  von  Homer- 
stellen (sicher  S  118  a  413  'C  290  -  180)  zaipb;  kixv.o  für  ifj-oTo 
schrieb,  während  Aristarch  dies  letztere  las  (vgl.  z.  B.  Didymos 
zu  Z  118  £[JLoTo*  c'jTw;  Api'aTap/oc,  Z-r;vöooTOc  Bs  £[j.£Tc,  ouy.  opOwc). 
Aus  der  Beschränkung  auf  die  Ausdrucksweise  zaTpbq  eixeio  bei 
ApoUonios  lässt  sich  auch  vermuthen,  dass  Zenodot  X  458 
nicht  Tcatob^  e\).v.o,  sondern  wahrscheinlich  eiJ.d'.Q  las. 

Ausser  den  genannten  Formen  verwendet  ApoUonios 
ziemlich  selten  noch  i[j.e'j  A  1343  ß  888  F  109  und  nur  ein 
einziges  Mal  die  schwache  enklitische  Form  in  der  homerischen 
Phrase  y.r/.Auxs  [jls'j  A  1654. 

Im  Dativ  wechselt,  je  nachdem  das  Pronomen  stärker  oder 
schwächer  betont  ist,  die  volle  mit  der  enklitischen  Form. 
Auch  i[jLoiYs  begegnet  A  2. 

Im  Accusativ  ist  die  enklitische  Form  die  gewöhnliche, 
ilj.i  nur  B  779   T  18.  464   A  249.  796. 

2.  Pers.  Sing.  Nominativ.  Neben  au  steht  das  verstärkte 
cJYc  A  894  r  75.  135.  935.  1050  A  373.  825.  Daneben  braucht 
der  Dichter  nach  homerischer  Weise  die  dorische  Form  tjvy; 
(aus  TUV--0)    Ä    901    B  615    T  508.  940.  1109    A  88.  414.  1706. 

Der  Genetiv  hat  die  Formen:  cs'Osv  A  283.  837  B  244. 
438  r  291.  733  A  446.  748.  1751  csTo  \  286.  1097  B  636 
r  80.  151.  1110  A  59.  371.  1087.  1199.  P^in  Genetiv  atio  bei 
einem  Substantiv  im  Genetiv  (statt  des  Possessivs)  wie  ü  486 
Zenodot  schrieb  ixv^aa'.  7:aTpb;  iv.o  kommt  nicht  vor.  gzz  A  1. 
1291  B  415  r  688  A  406  7£u  r  1080  an  erster  Stelle  (c£u 
£7:'.Ar,G£c0a'.)  A  398  (thv/.x  (i£5). 

Als  Dativformen  erscheinen  d;is  durchweg  oi-thotonirte  coi 
(-oi'yc  A  840    r  703)    und    das    enklitische    ■:;(,    welch'  letzteres 


534  Rziich. 

nach  unserer  Zählung  A  828  und  noch  39  Mal  vorkommt. 
Selbstverständlich  wird  es  daneben  auch  als  Interjection  ver- 
wendet, z.  B.  r  188.  958.  976   A  279.  285  u.  s. 

Vom  Accusativ  ist  nur  zu  bemerken,  dass  auch  das  ver- 
stärkte ct{t  sich  vorfindet  A  1598. 

3.  Pers.  Sing-.  Dieses  Pronomen  erweckt  in  seinen  Formen 
und  Gebrauchsweisen  bei  ApoUonios  ein  besonderes  Interesse. 
In  den  ältesten  Denkmälern  der  g-riechischen  Sprache  finden 
sich  noch  Spuren  einer  Erscheinung,  die  in  anderen  stamm- 
verwandten Sprachen,  besonders  im  Slavischen,  ganz  gewöhnlich 
ist,  nämlich  der  Bezugnahme  des  Pronomens  der  3.  Person 
nicht  nur  auf  diese,  sondern  auch  auf  die  beiden  anderen 
(vgl.  Bi'ugman,  ein  Problem  der  homerischen  Textkritik  und 
der  vergleichenden  Sprachwissenschaft).  Ebenso  schwankt  schon 
das  ältere  Epos  in  Betreff  der  Verwendung  der  singularischen 
Form  für  den  Plural.  In  Folge  dessen  trat  bei  den  späteren 
Epikern  und  Hymnendichtern  eine  ziemliche  Verwirrung  in 
dem  Gebrauche  dieser  Pronomina  ein.  Und  hier  ist  es  vor 
Allen  zuerst  Apollonios,  der  seine  eigenen  Wege  ging.  Auch 
die  Formen  des  Pronomens  selber  stimmen  nicht  alle  mit  dem 
Gebrauche  des  alten  Epos  überein,  unser  Dichter  lässt  hier 
mehr  denn  sonst  den  Einfluss  der  zenodotischen  Kritik  erkennen. 
Im  Einzelnen  liegen  die  Verhältnisse  folgendermassen : 

Genetivformen:  1.  Bsv  in  reflexiver  Bedeutung  mit  Bezug 
auf  a)  den  Singular  eines  Masc. :  B  973  A  1084.  1764,  auf  ein 
Femin.  Sing.  F  77.  (lieber  die  eigenthümliche  Ausdrucksweise 
SU  sOcV  A  362  A  1471  siehe  unten.)  b)  Für  den  Plural  der 
3.  Person  steht  eOev  A  279  als  Genetiv  des  Reflexivs:  oi  or,  tc. 
vpa-j^Tj;  zaTEpiov  k'Osv  Eipjovtat.  Eine  derartige  Gebrauchsweise 
findet  sich  im  Epos  vor  Apollonios  nicht,  doch  mag  unser 
Dichter  sich  eine  Stelle  aus  den  homerischen  Hymnen,  wo  der 
Accusativ  desselben  Pronomens  i  im  Sinne  des  Plurals  sje 
verwendet  ist,  zum  Muster  genommen  haben  Hymn.  Aphrod.  267 
(Baumeister  athetirt  freilich  den  Vers  nebst  dem  folgenden,  be- 
sonders auch  an  dieser  Gebrauchsweise  des  Pronomens  Anstoss 
nehmend). 

2.  zh.  Dieser  Genetiv  steht  reflexiv  für  die  3.  Pers.  Sing. 
A  460  o'.cO'.  o'  avT'.y.pl)  jj.sttwv  r,z'.pr,aoL-o  p.öOc'.c  v.o  -/.actYVY^rr,;  ^  ausser- 
dem für  die  1.  Pers.  Sing,  aü-ip  svw^s  £'.o  [xsv  ouS'  i^ßatbv  arj^ciAat; 


Giaminatjsche  Studien  zu  Apollonics  Rbodios.  OOO 

in    den    Schollen    uaachl    die    Glosse    «vtI    sjjia'JToy    darauf    auf- 
merksam. 

3.  io'j,  nur  an  einer  Stelle  A  803  zzi[).y.-:'.  [):q  t'.c  zz'j  avTx;'.:; 
öTkkzc  iwiGcoi  mit  Bezug  auf  die  3.  Pers.  Siug.  Die  dem  epischen 
Sprachgebrauche  nicht  angehörige  Form  sou  ist  eine  Nachahmung 
der  zenodotischen  Schreibweise  im  homerischen  Texte  B  239 
c;  y.a;  vijv  'A/iX-^a  soi  (Aristarch  io)  [tA^  «[ASivova  9WTa;  Schob  hiezu: 
CT'.  ZrvioOTOC  Y5XSS'.  scu  •  touto  os  cuvapöpov  xa;  cuv  apu.cJ^ov  to)  aöyw; 
Vgl.  die  Schob  zu  T  384  r,  217.  Das  Schob  zu  unserer  Stelle 
bemerkt  übrigens  auch  -h  ko'j  i-n':  toj  es. 

4.  iolc.  Diese  merkwürdige  Form  begegnet  A  1032  aXXa 
[x'.v  A'jovtsr,;  T£Tpa[j.p,£vov  16b;  eoTo  ■^rX^^sv  £T:a(;a;  sr^Oo:  |j.£cov  Schob 
hiezu  (bei  Keil  unter  A  1040)  to  oe  soTc  vjv  y.xy.wc  y.cT-o:'..  e'--'. 
Y^tp  -pc^AY;^!^/."^/  '.croSuvÄfxo'jv  tw  sx'jtou.  B  6  :a~'  erl  y.al  C£'!v:'.s'.v 
dtity.sa  ÖEjjxbv  £Or,y,iV  (X'/^tiv'  aT:oaT£iy£'.v  -plv  zi'.pr,axz(i3i.i  koio  '!:j^(\).y.yiriZ. 
V  1065:  Nachdem  Medeia  dem  Jason  die  Mittel  zur  Erlangung 
des  Vliesses  angegeben  hat,  heisst  es:  w;  dtp'  i^Qj  "'■*'  ^^T^  TzcoCr/ 
■Kipoq  CGGS  ßaASJsa  |  Beszsjisv  A'.apolsi  '::apr,t5a  ox/.pu!;'.  Bsuev  |  [j,upo[AEVf,, 
ö  t'' i\i.eXKVJ  a.T.6~pob'.  tcoaaov  solo  ttcvtcv  e-fKAacYCccOat;  Schob  hiezu: 
ecio]  Tr,  y.TYjT'.y.vi  avTt  ty;;  •^pcoxoTu-ou.  itj-sTo  y^P  [''-^'']  '^'^^  '0?  "'^  ay.ÖAOjöov 
£'.0  av-1  abr^c.  F  1335  tvjAs  S'  ioTo  ßaAASv  apY;pc[j,£vrjV  ale\  y.axa  ßtoXov 
ooovia;  £VTpozaA'.iIo[7.£vojc  (Jasonj.  A  782  heisst  es  von  Hera,  die 
zu  Thetis  kommt :  r,  o£  [j.tv  äacov  icTo  izapsiai  ~e  cpaTve  te  [j.wOov. 
Dieser  Genetiv  wird  also  durchweg  in  reflexiver  Bedeutung 
mit  Bezug  auf  die  3.  Pers.  Sing,  gebraucht.  Die  Form  selbst  ist 
eine  Missbildung.  Ob  sie  Apollonios,  wie  Merkel  Prolegg.  LXXX 
vernuithet,  von  Zenodot  übernahm,  ist  darum  sehr  fraglich,  weil 
wir  überhaupt  nicht  wissen,  ob  Zenodot  irgendwo  diese  Form 
angewendet  wissen  wollte.  laicht  unwahrscheinlich  ist  es,  dass 
der  Dichter  von  jener  nach  Zenodot  angenommenen  Genetiv- 
form eoj  ausgehend  selbst  soTo  bildete  nach  Analogie  der  Gene- 
tive der  0-Declination,  deren  Endung  bald  o-j  bald  oto  ist. 
Darnach  mag  er  nach  Bedürfniss  sich  eoTo  neben  eoj  gestattet 
haben. 

5.  cu.  Diese  vor  Apollonios  in  der  Sprache  des  Epos 
niemals  vorkommende  attische  Form  lesen  wir  zweimal  in  der 
Verbindung  oO  IOev  im  Sinne  von  au~oO  söev  an  erster  Versstelle. 
A  362  Tciw;  z'  aJ  v.xl  ßoj[j.bv  izäy.T'.cv  'E|j.ßa7'!o'.o  |  6£(o;j.£v  'AtcoaXiovo; 
5  [j.z'.  '/^pvM't   'j-ilty.-zz  I  zr^]J.T)iv^^  oe(;£'.v  te  -rripcu;  iXb;,   v.  y,t  OüT,AaT;  | 


536  Rzacli. 

cO  eOiV  e^ipyMij.y.:  asS/.s'jtov  .  ßacrO.v;'.  A  1471  [xijj-ßAöTO  -^dp  o'.  \  su  sOsv 
3:|j-<p'  siapoio  [j.£i:aAAv;axi  la  Ixacta.  Eine  Glosse  hiezn  bemerkt: 
avTt  lauTou.  Auch  in  diesem  P'alle  folgt  unser  Dichter  Zenodot, 
der  Q  293  {=  311)  statt  der  regelrechten  Form  eu  oü  schrieb 
Schol.  xai  £'j  -/.pdzoq  hv.  [x^yictov  •  cxi  Z'/)voootoc  yP^T^^  ^-^z'  ^^'  -^'^i 
Ss  avirl  Tou  iauio'j  y.al  aStocfpopoc  6  AGycc;  an  zwei  anderen  Stellen 
schrieb  derselbe  Kritiker  oü,  wo  Aristarch  so  setzte  T  261  £  459 
(vgl.  die  Schol.  zur  letzteren  Stelle,  die  Restitution  durch  Düntzer, 
Zenod.  58). 

Der  Dativ  lautet:  1.  kol  und  zwar  a)  mit  Bezug  auf  die 
3.  Pers.  Sing.  A  460  evO'  aOt'  AiaovtB-fjc  [j.v/  iij.qyxvcz  ih  ioi  auxw  | 
T:op!pijp£a/.£v  ixacxa  •/,aTY](pt6ojvT!.  eoix,ü);.  b)  für  die  1.  Pers.  Sing.  V  99 
[;.£T£7C£tTa  y'  d-£;xßoi[j.r(V  £oT  aui^.  Das  Schol.  bemerkt  (Keil  zu  98) : 
xb  0£  £oT  ou/,  £'j  •/.£TTai  (spätcr  hinzugesetzt:  avtt  tcj  ijj.ot  yotp  Aajj,- 
ßävExai).  c)  Für  die  2.  Pers.  Sing.  A  893  p-^ioi'wc  o'  olv  IcT  y.al 
aTCEt'pova  Xabv  ayEipaic  |  ä'XXwv  iz.  tcoaicov  ;  £oT  hat  L,  darüber  steht 
TOI,  weil  dem  Abschreiber  der  Gebrauch  offenbar  ungewöhnlich 
vorkam.  Dem  Schreiber  von  G  war  die  Sache  noch  unklarer, 
er  schrieb  £cTo,  aber  dies  zeigt  klar,  was  in  der  Vorlage  stand. 
Daher  beging  Brunck  einen  Missgriff,  indem  er  toi  in  den  Text 
setzte;  vgl.  Gerhard  Lectt.  Apoll.  93  Brugman  a.  a.  O.  80.  Auch 
hier  tadelt  das  Schol.  die  Ausdrucksweise :  pYjioi'o);  o'  av  £;•  • 
ßouA£-ai  Xe^eiv  paotw;  o'  av  cauxw  xal  -o'auv  dbpoi(7y.q  hai'K  ohy,  £j  o£ 
£6-r)7,£v  tb  £oT  •  £CTi  yäp  TpiTO'J  TTpocTwiTOu  orfkbi-iiv.o'f,  tb;  aap'  'Oij,-/^pw  • 
OTp'/jpouc  ÖEpalTTOv-a?  eTTitJTrdciSai  kol  aÜTW. 

2.  oi.  Diese  Form  ist  ganz  gewöhnlich.  Nur  eine  Stelle 
ist  bemerkenswerth.  F  5  schreibt  Wellauer  tw  y.ai  ol  izrjpaTov 
cijvo[j.'  avvjTCTai.  Hier  soll  ci  =  coi  sein  mit  Bezug  auf  die  vom 
Dichter  angeredete  Muse  P^rato.  LG  haben  to».  Vat.  B  von 
2.  H.  (nach  Well.)  ao-.  Wellauer  einigen  Codd.  und  der  Vul- 
gata  folgend,  vertheidigt  seine  Schreibung :  ,nam  ol  significat 
tibi  ut  supra  I  893  bT,  ubi  item  libri  nonnuUi  toi  praebent. 
Haec  vero  lectio  praeferenda  est,  quia  non  facile  potuit  a 
librariis  proficisci^  Wie  man  sieht,  missverstand  Wellauer  ganz 
und  gar  das  Wesen  des  Gebrauches  der  3.  Person  für  die 
beiden  anderen.  Dies  war  nur  in  reflexivem  Sinne  möglich, 
da  sonst  die  heilloseste  Verwirrung  eingerissen  wäre. 

Der  Accusativ  £  bietet  nichts  Erwähnenswerthes.  Neben 
diesem  braucht  Apollonios  öfter  [j.(v,  so  für  den  Sing,  des  Masc. 


Grammatische  Studien  zu  Apollonio-;  Rhodios.  537 

z.  B,  A  5.  41,  das  Femin.  z.  B.  A  782.  Allein  dies  Pronomen 
wird  auch  als  Plurale  verwendet  =  auiouc  und  zwar  ß  8  xat 
CS  TST£  -poxl  Yr,a  y^wv,  y^pe'.il)  [j/.v  spssOai  |  vauTcAi-/;c,  cT  t'  sTsv,  G^ep- 
ßaciYjciv  at'.cffcv  ('Ä[j.i»-/.oc),  toTov  o'  iv  TravTSCo-i  ■Kapac/eobv  i'xsaTO  |j,uOov. 
So  lautet  die  beste  Ueberlief'erung  (LG).  Die  Codd.  Regg. 
A.  C.  und  Viud.  p.iv,  was  durch  Unverstand  der  Abschreiber 
in  diese  Hdschr.  gerieth.  Auf  beide  Lesearten  beziehen  sich 
die  Schol.  in  L:  ijli'v  las  der  Verf.  des  folgenden  Schol. :  xb 
(X'.v  evtxbv  avTt  ■::A-/]OuvT'.xcij  tcj  auTou;,  xohq  r,pu)OLq-^  [).vf  aber  liegt  zu 
Grunde  dem  Schol. :  y-ccI  ok  tots.  o  voüc,  y.at  -öte  5$  Tupbc  irjv 
vaüv  sAÖwv  Toü  1J.SV  xa  Tupbv;  xy)v  /psi'av  TuuOeaÖat  xou  tcAou  xouTso-xt  xi'vo? 
5(p£tav  e'xouct  y.at  xiveq  eictv,  -^spov-i'aTYjaev,  xoiauxa  Se  zpbq  auxouc  ciTcev. 
Die  Schol.  Paris,  enthalten  geradezu  noch  die  Bemerkung: 
dvxt  Ss  XP-'^  ?--'  TCOAAa  xöiv  avxiypa^wv  /petw  [J-iv  s'/ct  •/i[j.apx-^(;.£va. 
Zu  jenem  erstgenannten  Scholion  ward  aber  offenbar  von  einem 
andern  Scholiasten,  dem  [jm'v  als  Plural  nicht  behagte,  hinzu- 
gefügt: Büvaxai  §£  y.al  svty.bv  civa-.^  Ivx  Tzzpl  xou  A[j.'jy.ou  Aaßa)[j.£v  * 
£§£[  yap  aüxbv  xbv  "A[Ajy.ov  epon^cat  xob;;  v^pwa?.  Diese  Bemerkung 
ist  läppisch.  Nichts  zwingt  zu  der  Annahme,  dass  Amykos 
selbst  die  Argonauten  hätte  befragen  müssen.  Der  Zusammen- 
hang erfordert  klar  [xtv  als  Acc.  Plur.  zu  fassen.  Statt  die 
Argonauten  nach  ihrer  Fahrt  und  Herkunft  zu  fragen,  wie  er 
es  schicklich  hätte  thun  sollen,  thut  Amykos  ihnen  sofort 
Schmach  an.  Ein  Object  ist  durchaus  nöthig,  bei  axiccsv  steht 
keines,  weil  es  in  der  vorausgehenden  parenthetischen  Fügung 
schon  ausgedrückt  ist,  eben  unser  i)h.  Hätte  der  Dicliter  {jA-j 
geschrieben,  so  müsste  jedenfalls  ein  Object  bei  axtac;£v  stehen ; 
dann  würde  übrigens  die  ganze  parenthetische  Ausdrucksweise 
sehr  auffällig  sein,  und  wir  würden  bei  axtccsv  ein  os  ver- 
missen (denn  das  folgende  oi  hinter  xoTov  ist  ein  anreihendes 
und  verbindet  axiscsv  mit  r/.oaxo). 

Die  zweite  Stelle,  wo  \jh  für  einen  Accusativ  Plur.  = 
auxou;  steht,  ist  A  1209  cy;  xoxe  (jitv  ßasiX^ot;  £Oij  xpo[j.£ovxa;  vn-Koiq  \ 
ciyßa^  [/.siAi^avxo  suvv^jxovag.  L  bietet  merkwürdiger  Weise  oy;  xöxe 
By^,  G  die  angeführte  Leseart  (so  auch  Ivaur.  16  nach  Merkel), 
vgl.  übrigens  die  Note  Wellauer's  z.  d.  St,  Schon  W'ellauer 
sah  richtig,  dass  das  zweite  er,  nui-  an  Stelle  des  unverstandenen 
[xiv  eingesetzt  ward.  Auf  Alkinoos  lässt  sich  \j.iv  kaum  beziehen, 
da  sonst  der  Dichter    nicht  ßxaiX-^o;    ioO   gesagt    hätte,    welches 

Sitzb.  d.  phil.-hist.  Ol.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hft.  37 


538  Rzacli. 

Proii.  liier  (wie  an  andern  Stellen)  für  das  phiralische  steht. 
Gerade  die  Nachbarsclialt  der  beiden  sonst  für  den  Singular 
gebrauchten  Pronomina  spricht  dafür,  dass  das  eine  eben  so  wie 
das  andere  gebraucht  ist,  d.  h.  als  Plurale. 

Dagegen  ist  A  941  "Apv.-(.<y/  [j.'y  y.aAsoujtv  cpcc  ■jrsp'.vatsTäovTi; 
der  Accus.  [J.tv  nicht  nothwendig  auf  den  vorausgehenden  Plural 
x/.-al  a.[j.(iio\j\).oi  V.  939  zu  beziehen,  sondern  er  ist  ganz  allgemein 
neutral  zu  fassen  :  ,das  Arktosgebirge  nennen  das  die  Anwohner^; 
Merkel  weist  richtig  auf  Hom.  E  306,  obzwar  er  selbst  Proll. 
LXXXI  die  Möglichkeit  annimmt  [j.(v  als  Accus.  Plur.  zu  fassen. 

Fragen  wir  nach  dem  Beweggrund  weshalb  ApoUonios 
[xtv  auch  als  Plurale  verwendete,  so  ist  es  wieder  ein  Vorgang 
des  Zenodot.  Schob  Hom.  K  127  sv  fjXoLy.eca'.  ha.  ^dp  (7cp'.v]  cti 
Zr,v6oOTo?  TP^?^'  '''■'*  T'^'P  V-'-''-  '^^'^'^  ^-  -''•'^''^'^  "^'^  [xiv,  ßouXstai  Ss  o  tto'.-^- 
x-qq  Bta  xoü  ctplv  auToTc  Gr,iJ.-^vat.  O'.b  y.a\  k^r^q  kitioipei  ,7.£ivo'J?  Ss  y-'///- 
ao[j.£6aS  Wohl  linden  wir  auch  sonst  bei  Homer  \jh  scheinbar 
auf  einen  Plural  bezogen  (so  ■/.  212  p  268),  allein  da  ist  er  als 
Einheit  zu  fassen  und  es  waren  deshalb  diese  Fälle  für  unseren 
Dichter  gewiss  nicht  das  Muster. 

1.  Pers.  Plur.  Der  Nomiu.  r,\j.zic  steht  nur  B  1152  am 
Versaufang.  Häufiger  sind  die  Casus  obliqui :  Genet.  ri[j.i(>r/ 
Ji  152  mit  Synizese,  und  yji^.suov  A  339,  LG  zwar  jij-siwv,  doch 
vgl.  die  Note  Wellauer's.  Im  Dativ  begegnet  uns  sowohl  die 
orthotonirte  Form  y)[xTv  B  414.  882  A  1378  als  die  schwächere 
l)\).'.v  mit  zurückgezogenem  Accent,  wie  die  Schreibweise  von 
L  an  vier  Stellen  ist  (B  1047.  1278  T  487  A  451);  die  übrigen 
Fälle  sind  bei  kurzem  Ausgang  in  L  Perispomena  (bis  auf 
f,[ji.w  r  1111),  wobei  also  der  Accent  statt  auf  die  erste  auf  die 
zweite  Silbe  gerathen  ist ;  jene  oben  genannten  Stellen  weisen 
darauf  hin,  dass  auch  die  übrigen  Fälle  als  Properispomena 
und  nicht  als  Oxytona  zu  betonen  sind.  Die  Stellen  sind  A  420. 
897  B  616.  787  r  483.  1111.  —  Der  Accusativ  weist  nur  die 
offene  Form  'OfJi.sac  auf,  durchweg  ohne  Synizese :  A  866  B  439. 
612.  1222  r  328.  995  A  499.  1252.  Mit  Ausnahme  von  B  439 
1222  steht  es  an  der  Spitze  des  Verses. 

Ausser  von  den  genannten  Formen  macht  unser  Dichter 
auch  von  den  äolischen  äy-jj.'.  und  öi\).\).z  nach  homerischem  Vor- 
gang ziemlich  ausgedehnten  Gebrauch  und  zwai-  y.\i[j.'.  \  337. 
820.' 837.    921    B  22.  228.  248.  1133.  1160.    1193    V  359.  492. 


Graminatische  Stntlien  zu  Apollonios  Rliodios.  039 

559.  G40.  713.  777.  784.  1082.  1101    A  501.   1262.  1415.  1435 
iV.M.£  A  6(30  B  892  T  323.  1129  A  1354.  1373.  1675. 

2.  Pers.  Plur.  Nomin.  0[xeTc  A  827  B  210.  212  Genet.  up.iwv 
mit  Sjnizese  A  665  (L  das  metrisch  unmögliche  jiaeiwv)  B  796 
A  1031  JH-sitov  B  1139  r  92.  989  A  196.  Dativ.  u|j.'v  A  440 
(Versanfang)  und  JiJ.'.v  opiiipvi  (Versschluss)  F  314.  Accus.  \}[).ioi.q 
B  1128.  1183  r  261  A  84.  1046.  1352.  1383. 

Ausser  diesen  Formen  sind  die  äolischen  zu  nennen : 
W-s;  nur  A  195  wt  A  677.  686  B  11.  311.  388.  802  T  91. 
104.  172.  494.  545.  562.  727  A  257.  861.  1038.  1582.  1654. 
1776  uix[;.£  B  637  A  1328.  ' 

3.  Pers.  Plur.  Für  den  Genetiv  linden  wir  zweimal  a^s'or/ 
A  980  (orthot.)  F  230  (enklit.)  am  Schlüsse  des  Verses,  mit 
Synizese ;  daneben  ebenso  oft  cseiwv  A  766  F  966  im  Innern 
des  Verses.  Der  Dativ  lautet  csi'st  (24  Mal)  und  croji  (40  Mal). 
Hervorzuheben  sind  hier  nur  die  Stellen,  wo  c^istv  für  eine 
andere  als  die  3.  Person  gesagt  ist:  für  die  1.  Pers.  Plur.: 
B  1278  KoX/ioa  ij.kv  or,  -^tt.xv  ty.ävo;j,£v  i^os  pseOpa  *Piciooq  ■  ojpy;  S' 
r,\t.v/  £V[  csi'ct  jj.YjT'.äaaOa'.  zugleich  mit  reciproker  Bedeutung. 
Ebenso  F  909  o&pa  tx  ij.sv  oaacp.ecOa  [).t~oi.  ac-itjiv,  z.'(  y.sv  oTcac^Y]  owpa 
!S£pcov.  Medeia  spricht  von  sich  und  ihren  Dienerinnen.  Reci- 
prok  ist  c3/i(7'.v  von  der  3.  Person  gebraucht  B  127  Ta  ok  ((x^Aa) 
■rravTsOev  ax>~Mc  CTcivovtat  ttiztovtx  r.zpl  ^c-ic.v.  Das  Schol.  maclit 
hierauf  aufmerksam  :  sos;  zl-zh  -£pt  äXXr/Aoi;  -(Triovca,  oü  ^;xp  rspl 
ixjTx.  TS  o£  a;j,apT/;[j.x  twv  |j.c6'  "Oij.-^pcv.  Ebenso  statt  des  dualischen 
Pron.  (mit  Bezug  auf  ai^-ow,  Jason  und  Medeia)  F  1023  bxk  B' 
auTic  £-1  ciia:  ßäXXov  ö-w-ac.  —  Im  Accusativ  ist  neben  den 
häutigen  Formen  so*  (10  Malj  und  7s£a;  (^theils  enklit.  theils 
orthoton.  13  Mal)  besonders  zu  nennen  der  orthotonirte  contra- 
hirte  Accus.  Goiq  aÜTOuc  B  959  an  der  Spitze  des  Verses.  Ob- 
zwar  Homer  nur  das  enklit.  sca;  kennt  (E  567  y.£Ya  ii.  zfxc 
azos^r/Ac'.c  r,zvo:o),  so  ist  gegen  das  Vorkommen  dieser  Form  bei 
Apollonios  kein  Bedenken  zu  erheben  (wie  es  z.  B.  Spitzner 
de  versu  Graec;.  her.  190  that).  Denn  der  Dichter  folgte  hier 
offenbar  der  hesiodischen  Stelle  Th.  34  ssac  o'  tjtxc  -pwxov  -c£ 
■/,at  öataTov  a?£v  aet'oEtv. 

Dualformen  des  Personalpronomens  finden  sich  nur  von 
der  1.  Person:  Nomin.  vöä-.  F  944  Dativ:  vöv.v  B  250  F  ,56.  Wir 
haben  sonach  keine  Gelegenheit  zu  sehen,  ob  Apollonios  etwa 

37* 


540  Rzach. 

Zenodot's  Schrulle  vcöiv  auch  für  den  Accusativ  zu  verwenden 
billigte.  (Vgl.  Ariston.  zu  0  377  X  216,  Düntzer  Zenod.  57). 
Eine  eigene  Form  für  das  Reflexiv  kennt  ApoUunios 
ebenso  wenig  wie  Homer,  er  hielt  sich  genau  an  dies  sein 
Vorbild,  obzwar  schon  bei  Hesiod  Th.  126  (u.  s.)  sich  die 
besondere  Reflexivform  findet.  Soll  das  reflexiv  gebrauchte 
Personalpronomen  stark  betont  werden,  so  steht  eben  nur  auiö; 
dabei:  so  eij.ol  aÜTw  \  395  [xot  aÜTW  F  171  i\j.k  3'  autöv  B  1156 
TOt  a'JTw  r  485  cio  t'  auT'^?  T  701  aot  y'  auiv)  A  840  col  auTY,  V  34 
£iv  koi  auTw  A  460  ol  aÜTw  A  1189  T  594.  626  a^ac  autou;  B  959; 
mit  Voransetzung  des  auTo;  nur  selten:  auTr,v  \).i  T  1113  aüxoTo 
aeOev  F  331   xutojv  o'  u[j.£{ü)v  A  196. 

2.  Possessiv a. 

Ueber  die  Pron.  Possess.  der  1.  und  2.  Pers.  Sing.  £[j.6? 
q6q  ist  Nichts  zu  sagen.  Neben  cöz  braucht  unser  Dichter  nach 
homerischer  Weise  das  Pron.  tsoc  und  zwar  viel  Öfter  als  jenes, 
nämlich  24  Mal,  während  oiz  nur  13  Mal  vorkommt.  Die 
Formen  von  teö?  sind:  Nomin.  A  489  F  1101  A  811  tsoj  B  615 
A  813  T£u)  F  85.  734  t£6v  A  464  F  331.  348.  387.  1043  A  1026 
T£v^  A  368  Tef,q  F  722  ts-^v  F  486  t£wv  A  1295  A  89.  1741  t£o;c 
F  4  A  1745  T£o6?  F  713  T£f,ac  A  281  -tdq  A  415. 

Von  grossem  Interesse  ist  jedoch  die  Verwendung  des 
Pron.  der  3.  Person.     Es  erscheint  in  den  Formen : 

1.  izq.  a)  in  Bezug  auf  die  3.  Pers.  Sing.;  hier  ist  nur 
ein  Fall  besonders  hervorzuheben.  Die  Ueberlieferung  von 
A  225  lautet  in  L:  l(i^i[).o'j  ri£X(ao  S6jj,o'.c;  evi  -Tra-pbc  ivjoq;  dieser 
Leseart  der  einen  Handschriftengruppe  steht  die  von  G  gegen- 
über :  'rraxpb?  kolo.  kffic  kennen  die  Schol.  Paris.  (Wellauei-  zu 
A  224  am  Schlüsse) :  TauTa  Sl  So/,£i  xal  6  ATuoAAwv'Oi;  ahn-i:i\iv>oq 
AEyeiv,  OTi  O'jy,  tj6£As  pAiiyd^ev/  £v  otoixacji  TCaxpbc  i'^oc,  w«;  Syjaovöti  toj 
::aTpb;  TTE'iOovxo;  (xsvsiv.  Es  ist  die  Frage,  ob  das  Pron.  soTo  oder 
der  aus  den  homerischen  Texten  bekannte  Genetiv  krfiq  die 
genuine  Leseart  sind.  Diese  Form  war  schon  den  alexandri- 
nischen  Gelehrten  nicht  klar,  was  für  ApoUonios  ein  Grund 
sein  musste  ihr  aus  dem  Wege  zu  gehen;  wir  finden  sie  auch 
nur  au  der  einen  Stelle  und  auch  da  nicht  in  der  gesauimten 
Ueberlieferung,  was  von  vornherein  bedenklich  machen  muss. 
Hiezu  kommt  der  gewichtige  Umstand,   dass  Zenodot,  dem  unser 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Bhodios.  ö4:l 

Dichter    ganz    besonders    in  Bezug    auf  die  Pronomina  gefol^^t 
ist,  die  Form  ir,oc  in  den  horaer.  Gedichten  perhorrescirte. 

Auf  der  anderen  Seite  wissen  wir,  dass  es  besonders 
Aristarchs  Bemühen  war,  diese  Form  nach  Kräften  im  homer. 
Texte  zu  halten,  wenn  wir  auch  nicht  zugestehen  können,  dass 
er  sie,  wie  Brugman  a.  a.  O.  meint,  überhaupt  nur  zweimal 
bei  Homer  vorfand,  an  allen  anderen  Stelleu  aber  für  ioh  ein- 
setzte; vgl.  Hartel's  Recension  in  der  österr.  Gymnasialzeit- 
schrift 1876.  Gerhard  suchte  (Lectt.  Apoll.  93  sq.)  die  doppelte 
Ueberlieferung  so  zu  erklären,  dass  er  kf,oz  der  zweiten  Recen- 
sion der  Argonautika  von  Seiten  des  Dichters  zuschrieb, 
während  in  der  ersten  Ausgabe  hh  gestanden  sei.  Doch  man 
muss  fragen,  was  ihn  hiezu  bewogen  hätte;  das  Umgekehrte 
Hesse  man  sich  allenfalls  gefallen,  indem  man  annehmen  könnte, 
er  habe  das  in  den  homerischen  Texten  vorgefundene  kf,oc 
wegen  der  Schwierigkeiten,  die  dieser  Ausdruck  in  gramma- 
tischer und  sachlicher  Beziehung  bot,  nach  Zenodots  Vorgang 
in  das  naheliegende  kdlo  geändert.  Doch  spricht  auch  gegen 
diese  Annahme  wieder  der  Umstand,  dass  Apollonios  Ueber- 
lieferung sonst  öfter  7:aTcb;  loTs,  wie  Zenodot  schrieb,  bietet 
(A  667  B  475.  656  A  801.  1162),  ohne  dass  wir  auch  nur 
einer  weiteren  Spur  von  ir,zz  begegnen.  Demgemäss,  glaube 
ich,  ist  auch  an  der  obgenannten  Stelle  die  Ueberlieferung  des 
Cod.  L  kffOc  nur  als  eine  nach  den  aristarchischen  Schreibungen 
im  Homer  in  den  Text  eingedrungene  Glosse  aufzufassen, 
während  der  Cod.  G  die  genuine  Schreibung  des  Dichters  dar- 
stellt. Diese  Ansicht,  i^o;  rühre  nicht  von  Apollonios,  theilt, 
wenn  auch  nicht  ganz  entschieden,  Merkel  Proll.  LXXXHI, 
entschieden  Brugman  a.  a.   O. 

Ausser  in  Bezug  auf  die  3.  Person  Sing,  wird  es;  (wie 
das  Personale)  auch  für  den  Plural  dieser  Person,  dann  aber 
auch  für  die  anderen  Personen  und  zwar  sowohl  im  Singular 
als  im  Plural  angewendet ;  und  zwar 

b)  für  den  Plural  der  3.  Person,  statt  c^i;  oder  asiizpzz : 
A  617  sü/.  012V  Tjv  ~fiZ'.'i  £o'u;  s'ppa'.aav  x/.oi-az  ajjis'  sjvy;,  zäv  5' 
ä'p7£v  5|j,oij  ^{i'ioz.  A  1113  toTg'.  CS  Myy.p'.iot:  r/.s-'.xl  y.at  t.S.gx  Tzpair, 
Qpr,i'/J.r,c  £v!  yzp<sh  ioTc  -pousaivcT'  loicöa-..  Das  Schol.  tadelt  hier 
den  Gebrauch  von  kylz:  x;  es  /epctv  iai;  ijx  £u  sl'pr,)C£7  •  w^eiXc 
7ap  (j(p£T£pa'.;.     B  36    xjv.y.x    V    £7766'.    /wpsv   eaBixa  -a7:Tr,vavT£(;  uov 


04:Ij  Kzacll. 

eohq  l'.yx  7iTny.q  vA  <\oL\).yfyy.z<:t  i-ra-pou;  B  452  aisv  ;[xä)C  sopeovtc; 
kriq  caio  \j.y.pT/  icwov;?  B  513  v.T.  ij-'-v  süiv  [r/^Xwv  öeaav  -J^pavov  T  167 
■Jjpwec;  B'  a-avcjÖ£v  irjq,  im  afky.oia^  Yr,öq  !  ev  -o-a|j.w  y.aO'  IXos;  XeXo- 
yr,\}.v)0'.  r,'(cc6byKo  Schol. :  Be:  cksiv  c^-^;,  Vv'  -fj  tv;;  eauidiv  (Laur. 
ou)  To  §£  kf,q  iav.  r/jc  sauTOJ.  T  327  aXX'  o^y'  ävopsc  aTd^Kaoa^i  eSa- 
TcoßavTsc  I  vY;b;  i-^?  xpoTspw  evt  ■Jjp.aTt.  Schol.  tadelt  abermals  diesen 
Gebrauch:  vr;b;  iv;?  TupOTspw  •  xr/.tjj;  xb  r^(;  eni  TCAr^Oouc.  äsTi  ^ap 
£Vf/.cv,  £§£1  Ik  siTTsTv  acp£-£pYj;.  T  591  OKQ'.  i;,£[ji,-/jA£v  !  o6v£{oi>;  £tc1  '/Elpa 
r/jv  /,T£XT£5aiv  a£tp£tv  r  1375  o\  8'  £tc1  ^(aHoL^i  \  \v<]iipa.  tjTtttov  ioTc  uTib 
Soupaciv  i^uTE  TC£!jxa'.  y)  cp6£(;  A  235  Ttajav  £y;v  'j7:cli^(]j.vK'.  iVr^v  A  484 
KoAxt'Soq  «7x66-.  vr/cc  £r;v  zapä  v9;a  ßäXovTo  -^pwcc  A  1089  X(-^v  yap 
S6c^-/]Xo'.  iaT?  £Trt  Tuacui  Toy.-^£c  A  1113  ayvi^t^av  Ss  ^(wa\v.zq  I  aixspizoXot 
oeaTioivav  £y;v  [XETaroiTivuoujai  A  1029  Br,  TbT£  ij.'.v  ßaacX^o?  £0Ü  xpc- 
[Asovxa?  ivixac  ce/öa-.  [j.£'.X(^avTO  auvi^t/ovac;  A  1301  r^  ot£  /.aXa  vaovTO? 
£tc'  0(pp6t7'.  nay.TcoXoTc  |  xuxvoi  /.ivYjuwa'.v  ibv  [j-eXo;.  Die  älteste  Vor- 
lage für  diesen  Gebrauch  von  töc,  ist  Hesiod.  E.  58  w  /.£v  azav- 
T£(;  T£pT:(DVTai  y.axa  6up,bv  £bv  xay.bv  aij-saYaTcäivTEi;,  worüber  ApoUon. 
Dysk.  ■äcp:  avt.  403  B  bemerkte  :  'Hciooo?  (zävToi  £'n;([i.£jj--TÖ?  laitv 
£'7:wv  Ibv  /.ay.bv  a;j.9aYa7rwvT£c,  £v  lo  ivr/.w  avil  '::X'oOjvT'y.oij  E/p/j^ato. 
Zugleich  weist  Apollonios  Dysk.  auf  zwei  Beispiele  aus  Kalli- 
niachüs  hin:  Mouaat  |x'.v  (so  Schneider  Fr.  420  statt  des  über- 
lieferten vt'v)  £0^  £•;::  xavvbv  £Ö£vto  ;  das  zweite  Beispiel  ist  aus 
den  Aitia  Fr.  11  (y.oOpo'.  xbv  ^'.XEOuaivj  ko-t  oi  p.'.v  (so  seit  Ruhnken 
für  [j-oi)  oia  ^(o')r]y.  (yv.pot  ii:'  ohdr^/  äyp-.c  ä'YOUcr'.  ö-jpvjv).  Der 
genannte  Grammatiker  fügt  hinzu :  oeov  Yap  J'/cv  y.a-  (1901;.  Der 
Gebrauch  bei  Kallimachos  scheint  für  unseren  Dichter  den 
unmittelbarsten  Anstoss  abgegeben  zu  haben,  auch  seinerseits 
das  genannte  Pronomen  in  derselben  Weise  zu  verwenden. 

c)  £0;  steht  für  die  1.  Person  Singul.  B  226  xXXä  v.t  peia 
auTc;  £bv  \e/J.%z:iJ.'.  vbcv  o6p-oio  i).ti):r^/Mc,.  In  L  und  G  steht  allerdings 
S[a6v  statt  iiv,  allein  die  Schol.  Laur.  haben  die  ursprüngliche 
Leseart  bewahrt:  (Keil  zu  225)  v.t/m;  Bk  -0  iiv  Tiöcty.ev  avTt  -oj 
i[f.i'/  £'-(l)v.  Das  ursprüngliche  i:v  hat  denn  auch  Cod.  Vat.  A. 
Das  Schwanken  in  der  Ueberlieferung  erwähnt  die  Bemerkung 
in  den  Schol.  Paris,  zo  zk  k\j.y^  \'pxzie-:x<.  01  y.xl  ibv.  Die  neueren 
Herausgeber  schreiben  demgeraäss  auch  richtig  iBv.  Auf  die 
Hinfälligkeit  der  von  Brunck  für  Ej/dv  vorgebrachten  Gründe 
wies  Biiigman  hin  a.  ä.  O.  80  Note  I,  vgl.  auch  Gerhard  Lectt. 
Apoll.  93  und  Wellauer  zu  d.  St.    Ebenso  ist  nach  Brugman's 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  543 

Vorschlag  dasselbe  Pronomen  herzustellen  B  776:  iO  ^;xp  lyti) 
[^.'.7  Aacx'JAO'j  £v  [xz-^fipy.Q'.  -/.aTa'J-öO'.  zatpc?  ioiz  O'.o'  scrwcov ;  L  ioTo 
mit  von  anderer  Hand  überschriebenem  (jl  (siehe  Merkel).  Eine 
Zweideutigkeit  war  nicht  möglich ,  da  die  Argonauten  wohl 
wussten,  dass  Daskylos  nicht  Herakles'  Vater  war,  weshalb 
icio  nur  auf  den  Sprecher  Lykos  gehen  kann.  Brunck,  Well- 
auer  und  Merkel  schrieben  i,u.oTc. 

d)  iic  steht  für  die  2.  Person  Singular  B  634  z-j  o'  cüixa- 
psw;  aY^pcücic  cbv  irjc  '^^yr,q  aXsYW'  '-i^^P  T  140  ärap  cl'  [x'.v  iaTc  ivl 
ytpol  ßäAoio  aatrjp  wc,  oAsvsOovTa  IC  'qepzc  i/.xbv  !,'-/;-'.v,  Schol.:  ioet 
-eaT;  ä'.TcsTv.  F  511  il  o'  oj  t:-.  [xxXa  fJjiJ,5;  ir,  £-;  izi'f/y  zs'äoiOcV 
Ti'/opir,.  Schol. :  y.a/,(i)c  tb  zr,.  -piTOu  yip  sjt'.  zpiacoTroj,  ioi'.  zk  af^. 
r  1041  \j:r,  TZMq  xa  sxaaxa  y.oXoüaa;  ouo'  aüibc  /.a-a  7,;a[x;v  ioig  £-«- 
po'.Gi  -sAäasy;;.  Was  diese  Gebrauchsweise  bei  den  Vorgängern 
unseres  Dichters  betrifft,  so  lesen  wir  schon  bei  Hesiod  E.  381 
col  o'  £•!  •::aojtoj  9'j[j-bc  eeaoetä'.  ev  ^pealv  fjciv,  darnach  schrieb  Kalli- 
machos  Hymn.  Artem.  103  bv  zoTt  ()'j[j,bv  eeracc,  ebenso  erwähnt 
Apollon.  Dysk.,  dass  Kallimachos  statt  xsä  tc.  ■/.■/;ccx  a£;ov  gesagt 
habe  sä,  Trspl  ävt.  139,  bei  Schneider  Fr.  530.  Auf  die  home- 
rische Variante  o(öi;,actv  cb'.v  ccvxcco'.^  a  402  neben  7oTg'.v  kann 
natürlich  nichts  gegeben  werden. 

e)  Für  die  1.  Person  Plural  steht  iic :  A  203  vuv  B'  i%\ 
•/cpctv  -atSac  kohc  niipr,'/  ts  oCkz:  ^(epoi.poüc  -t  TO-/.-?;ac  |  la^cp-sv. 
Gleich  darauf  fährt  aber  der  Dichter  fort  mit:  ■q\j.=xepT^  3'  i-s- 
pcioiTa'.  'EAAa?   icopii,-?,. 

f)  Für  die  2.  Person  Plur.  steht  sbc:  B  332  xaa'  sü  aprJ- 
rxmz    i'r.z    i-n   yj.p'Z':)    spsx[J.ä,      T£,av£9'   aXb;    uxcivw-öv   l'  267    xi    oi 
y.£v  zbX'.v   'OpxO(^.cvcl!o,    ocx'.;    so'   "Op/oiJ.cvbc,   y.xsävwv  'AOä[j.avxc;   r/.r,x'. 
;;.r,x£p'  ir,v  iyiojay.'/  izo-poA'.Tcbvxsc  ''y.s'.sfJs  Schol.  irjv]  ävxi  [xouj  üiJ.e-jpav. 

2.  5;.  Auch  in  dieser  Form  wird  das  Possessiv  der  3.  Pers. 
Sing,  nicht  allein  in  seiner  eigentlichen  Bestimmungssphäre, 
sondern  auch  für  den  Plural  der  3.  Pers.  und  für  die  anderen 
Personen  angewendet. 

Es  steht  daher  a)  für  die  3.  Pers.  Sing.  Diese  Fälle 
bieten  nichts  Erwähnenswerthes. 

b)  Für  die  3.  Pers.  Plur.  also  für  i-^i;  oder  a^ixspo: : 
A  384  xcl  zz  -■xpi'zz'yt  j  m  'Kpi-ii  lipi<jx'ni  [j,'.'?;  ax'Jc;iA'.;av  ipcof,  v£'60£V 
iq  'iopr,z  \  529  mc  isxazvxD  zäpiiOsv  £p£cJ£iJ.£v  w  vn  "/.wpw  5  noch  in 
demselben  Satzgefüge  braucht  aber  Apollonios  !:^£Xcpo;:  i'jy.bjjxw; 


544  Kzach. 

(79£T£pO'.!7'.    Tiap'     SVTSC'.V     Ico'.CWVTS    V.     530.      A     805     OY]     vjep     y.o'jpiS'ac 

[i.£v  aTCiST'jYOv,  £7,  0£  |X£/,aöp(ov  I  •/;  [J.aT'.Y)  £'.^avT£c  a7r£aa£jcvT0  ^uvaty-ac. 
Schol. :  Y)  [j.äT'!y]  •  TY]  iauTwv  [xaTatCTrjTi  y.«!  iJi.wp{a  /.al  op£voßAa3£''3c 
vr/.-/;6£v-:£;  ß  132  ai  3'  r-.zi  xvMq  ]).h  acXXei;  (o  i-n  oi\)J^\u)  ßc[xßY;cbv 
■/.'hzvezv^x:  ß  145  9paC£3Ö\  ottc  •/.£v  •^aiv  avaXx£(Yja'.v  ip^^av  ß  559 
7:s'.Y;aavts  £ip£a{r,v  ....  y.apicV  w  ztajvc.  T  170  oi  o'  jza/.ojov  |  •^p£[j.a; 
^  £•/;  -/cüpr;  £-is/£pa)  Bp'.swvxc«;  A  1071  y.ojpY;;  zepi  ixr^xiaaTy.ov  ('AXy.i- 
voo;  und  'Ap-/;nf;)  olatv  h\  kzyiecc:  c-.x  y.väoac. 

c)  c?  steht  für  das  sing-ulare  Possessiv  der  1.  Person: 
A  1015  [J.7J  C£  [).e  KcA/otc  £y.O(orjc  m  xatpl  y.op.'.i^£[j.£v  sag^t  Medeia 
zu  Arete.  A  1036  ^,B'  svw,  r;  TcotTp-zjv  t£  xai  s'ut;  (oX£!Jca  Tcy.^ac.  Die 
Vorlage  für  diesen  weiteren  Gebrauch  des  reflexiven  Possessiv- 
pronomens bot  der  homerische  Text  •-  28  oü  tc.  ^ycove  |  ^c  -plt,: 
cuva|xa'.  Y>'^'Jy--pw'^^?-v  «''^Xo  iSäcöai  (Brugman  a.  a.  O.  65  sq). 

Für  die  2.  Pers.  Sing,  sowie  für  die  1.  Pers.  Plur.  kommt 
cc  nicht  vor,  wohl  aber 

d)  für  das  plurale  Pronomen  der  2.  Person.  A  1384  svw 
c'  JTraxouc^  aeicM  |  Hicpi'owv,  y,ai  Tr,vo£  T:avaTp£y.£c  ixXuov  ojacy^v  i  upiai;, 
w  TTspl  By]  [J-£Y5'-  cp£pxaTCi  ui£?  avay.T'.ov  y)  ßiY)  y;  t'  ap^T-^  AtßÜY;«;  dvä 
ötVÄC  £p-f([j.cuc  I  v^a  [ji.£Tax6ovi'/jv  caa  t'  ivooO-.  vr/c>;  ä'Y-<^Ö£,  |  av6£|ji,£V0'jc 
ü\).oia<.  9£'p£iv  ouoxaic£ya  xavxa  |  Y^[j,aO'  o[j,c;y  vjy.-ai;  x£.  ' 

Ueber  das  plurale  Pron.  der  1.  Person  ist  nichts  Beson- 
deres zu  sagen,  als  dass  das  in  den  homerischen  Gedichten 
vorkommende  äit^öc  sich  nicht  findet,  sondern  eben  nur  Yiiji,£T£poc. 
Dagegen  lesen  wir  neben  •Jixi-s.pzq  (an  8  Stellen)  einmal  auch 
&q  \).h  yap  Ttaiip'  jf^bv  uize^v.p'jxo  ipovoto  \J.r^■:pmr,^  ß  1181.    Der  Vers 


>  Die  Ansicht  Brugmaii's  a.  a.  O.  p.  80  Note  2,  es  Hessen  sich,  da  öfter 
die  freie  Gebrauchsweise  der  Pronomina  iu  den  Hdschr.  des  ApoUonios 
ganz  au.sgemerzt  sei  und  man  die  echte  Leseart  nur  durcli  die  Scholien 
erfährt,  diese  aber  vom  3.  Buche  au  knajjp  werden,  vermuthen,  dass  in 
den  beiden  letzten  Büchern  noch  einige  Stellen  anders  lauten  als  die 
Ueberlieferung  sie  bietet,  ist  nicht  begründet.  Denn  1.  geschieht  ja 
überhaupt  bei  einer  grossen  Auzahl  von  Stellen,  wo  die  Hdschr.  die 
freiere  Gebrauchsweise  des  Pronomens  bewahrten,  dieser  Thatsache  in 
den  Scliolien  keine  Erwähnung,  und  zwar  auch  im  1.  und  2.  Buche  nicht; 
2.  weist  gerade  das  3.  und  4.  Buch  mehr  dergleichen  Fälle  auf,  als  die 
beiden  ersten;  8.  müssten  sich  denn  doch  wenigstens  Spuren  eines  solchen 
freieren  Gebrauchs  auch  in  hdschr.  Varianten  vorfinden,  wie  dies  B  77ß 
im  Laur.  der  Fall  ist.  Warum  sollte  ApoUonios  den  freieren  Gebrauch 
des  Pron    der  3.  Person  gar  so  sehr  ausgedehnt  haben? 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Ehodios.  545 

ist  in  L  von  zweiter  Hand  zugeschrieben,  aus  Merkel's  Schweigen 
über  0;;iv  muss  man  schliessen,  dass  es  so  und  nicht  wie  Well- 
auer  angibt  als  'j|j-wv  (,Med.')  geschrieben  stehe. 

Für  die  3.  Pers.  Plur.  kommen  die  Formen  g^öc  (josc; 
und  ossTipoc  vor. 

Qccq  findet  sich  nur  einmal  und  da  in  seinen)  eigentlichen 
Gebrauch  als  pluraiisches  Fron,  der  3.  Person:  A  908  tv'  ävoiya 
ToTo  ä'vaxTOc  |  csoTatv  TuopTjvcovTa'.   ioiav.o'.  sv  \j.v(ipo'.a'y. 

G(^eoc,  steht  a)  in  eigentlichei"  Geltung  A  489  y.al  o'  aÜTcl»; 
^sivoüaöat  It::  aoix  Bwi^at'  aviffv-ov  p'/jccitoc. 

b)  Als  Vertreter  von  YjfxeTspo; :  A  872  sagt  Herakles  zu 
seinen  Gefährten  l'c[j.£v  auti;;  exaG-c.  s-::!  scpsa.  Schol. :  oiJx  '^T'^'*'''  "^ 
(jifea  xsl^Tat  •  ?Joouva[;.£'i  ^(kp  tw  aaä,  exl  xpiTOU  -poawTcou  xaaaöjxevov  • 
£C£t  CUV  EiTCciv  lop-sv  auTti;  £7.a(7TCi  io'  r,i).exepo(.  '  'icv.  Y«p  aul^UYia  twv 
zpcawTüwv  a'Jr/;,  r^iJ-s-epa  'j[.r,£T£pa  acp£T£pa.  toü  o£  (7<pa,  a[ji,a  u|JLa  acpa. 

Nie  aber  brauchte  ApoUonios  das  Pronomen  für  einen 
Singular,  obzwar  schon  vor  ihm  Alkman  es  so  verwendet  hatte 
Fr.  31   TW  ok  Y'jvx  Ta[JL(a  c^iaq  ££'.q£  yüpy.-. 

ci£T£po;  endlich  wird  a)  nur  an  zwei  Stellen  in  seiner 
eigentlichen  Bedeutung  gebraucht  A  530  cÜ'/.C(j[ji.w;  asE-räpoic.  -ap' 
evTccv  icpiiwvTO  A  1294  £v  o£  •/.'xpr^  rAiCky.Q'.  y.aXu'ixtj.Evo'.  a9£T£poi(7'.v 
a7.;x-r;vc'.  y.al  äzxcTO'.  i'KV.ctr.o  V'jy.T'  £-'.  xä^av  |  y.al  oäo?.  Sonst  steht 
dies  Pronomen  (theil weise  nach  älteren  Mustern)  für  das  singu- 
lare Fron,  der  3.  und  für  die  pluralen  Pronomina  der  1.  und 
2.  Person.  Dagegen  vermied  es  ApoUonios  auch  für  das  singu- 
lare Fron,  der  1.  und  2.  Person  ffy£T£po;  zu  gebrauchen,  hiefür 
war  nur  Ibc.  und  c;  bestimmt. 

b)  Für  s;;  und  c;  steht  7a;£X£po;,  indem  ein  Unterschied 
zwischen  dem  Singular  und  Plural -Pronomen  der  3.  Person 
nicht  gemacht  wird :  V  167  -xToa  1"  £bv  ssETspoisi  y.aa'.-jfvi^'rc'cr'.v 
'i-xQzvi  B  1040  k'/ao;  0£  cuvio-zjsiv,  airb  G'SfV^ipo'j  y.oA£oTs  /v'J7ajj,£vo; 
T£/.a[j.wva  y.xzrflpo't  F  186  (a*/;  c'  aÜTw;  a/.y.^,  "plv  z-tGoi  y-  7:£'.pYi6y;va'. 
■civc'  ä7:aiJ.£'pa)[;.£v,  aciTspsv  y,zipy.z.  Schol. :  G^iicpsv  '/.iipy.z  •  obv.  opOw: 
TS  ci£':£pov.  i'aTi  väp  ipiTCv  zpiaojzov  zX'/jÖJviiy.bv  y.al  a[j,xpTäv£'..  £0£'. 
yap  £V'.y.bv  xal  cü  "KAYjOüvx'.xiv,  a7:o-/a)p(sa'.  £bv  y.-£pa;.  F  302  £y.  os 
To5  A'.-<5ty;c  a!p£T£pY;c  £p££'.v£  fyj-^oi':po:  j'.-^a;  tc'O-.s'  -xpY;Yop£0)v  £-££C7'.v. 
Schol. :  y.ay.bv  to  c:5£Tspy;:.  F  622  yj  oi  t-.  tsTo  i'y.v;^'.  [A£-x  ztöXiv 
Atr;Ta5  £XO£[j.£v,  c^px  0£  i^tv  Gcp£T£pov  C5[xciv  slgavavo'.TO  y.oup'.i{r,v  rapä- 
xoiT'.v.    Schol.   y.y.'.   vjv   y.ay.w;  Tb  a^£T£pov.  zX-r,OuvT'.y.bv  y^p   sc7T'.v   £V'.y.;j 


546  Rzach. 

■KpojXvjTCT'.y.öv,  sSs'.  Bs  sbv  o6[xov  stzsTv.  F  643  £~t  ffcpsiepoic  a/souaa  ' 
Tratet  Schol.  or^STspoiq]  avxl  xoü  soI;:.  T  817  y.al  tyjv  jxev  pa  tcoIaiv  c^s- 
xepwv  aTrov-diÖcTO  yo'jvwv  Schol.  cjssTepcovj  avil  toj  iwv.  A  149o  >^v 
TtOXc  Mivwc  I  eq  AtßÜYjv  ä'TrevafJTc  Osou  ßapl»  y.u[;.a  ceps'jciav  |  Ou^arspa 
crs£T£c-/;v,  Das  älteste  Vorbild  dieser  Gebrauchsweise  des  Pro- 
nomens liegt  vor  bei  Hesiod  A.  90  ö;  r.pcK'.-iy/  scpE-spöv  xe  o6[jt.ov 
c^sTspou?  T£  xo-/.-^a;.  Zu  vergleichen  ist  auch  Pindar  Ol.  IX  78 
XIII  61  u.  s.  Darnach  gingen  dann  die  Alexandriner  vor, 
zunächst  Kallimachos  Hymn.  Artem.  229  co\  o'  'ÄYaj^ipwv  |  zr^ii- 
Atov  vribc  c^STsp-r,;  SY^äxÖSTO  v/;o)  Hymn.  Del.  233  •/.eirr,  y  ^'^^^  ''^oxe 
TOSxep-^«;  sTTfA-z^OsTai  £op-/)c.  An  diesen  seinen  Lehrer  mag  sich 
Apolloniüs  angeschlossen  haben.  Häutig  hndeu  wir  dieselbe 
Gebrauchsweise  bei  den  Bukolikern,  so  Theokrit  XII  4  und  XX 
209  Ahrcns  (XXII)  XIX  60  Ahrens  (XXIV)  Moschos  I  26.  163 
Incert.  id.  VIII  Ahrens  (Moschos  IV)  12. 

c)  Für  ■q\)A-:zpoc,  steht  das  genannte  Pronomen:  A  1353 
lJ.Y)T£pi  o£  a^STspY)  [).v/oeiY.ec(.  Ttffat  a[j,0'.ßY^v,  |  ö)v  'i-/.(X[J.v/  o-^pbv  y.axa  vrjS'Ji; 
«[xjjLS  (fepouaa  xta.  8o  spricht  Jason  von-  der  Argo  als  der 
Mutter  der  Argonauten:  vgl.  das  Folgende,  A  1327. 

d)  Für  6[jL£T£pO(;:  A  1327  o-q  pa  tote  asEXspY]  scTub  \i-t]xipi  t'V£t' 
xp.oiß*/^v  ;  dies  ist  der  Auftrag  der  libyschen  Göttinnen  an  Jason, 
den  er  an  der  vorgenannten  Stelle  den  Gefähx'ten  niittheilt. 
Schol.  J<f£T£pY]  •  iSet  sitceTv  u[j(,£T£pa.  Ein  altes  Vorbild  hatte  Apol- 
lonios  an  Hesiod  E.  2 :  oeuts  A{'  ewettete  acpetEpov  -axEp'  GixvEiouaai. 
Merkel  vernuithete  Proll.  LXXXI  diese  Gebrauchsweise  gehe 
auf  eine  zenodotische  Interpretation  von  I  327  und  K  398 
zurück,  was  Brugman  a.  a.  0.  81  Note  1  im  Hinblicke  auf 
die  erwähnte  Hesiodstelle  mit  Recht  zurückwies. 

Es  bleibt  noch  über  das  ursprünglich  nur  für  den  Dual 
der  2.  Person  stehende  Pronomen  «j^oJiTEpo;  zu  sprechen.  Dieses 
braucht  Apollonios  überhaupt  gar  nicht  mehr  in  der  ursprüng- 
lichen Bedeutung.  Der  Grund  hicvon  ist  übrigens  ziemlich 
einfacher  Natur.  Bei  Homer  steht  das  Pron.  nur  an  einer 
einzigen  Stelle  A  216  ypr,  jjiv  acpw'Tspdv  yE  Osa  'inoc  sipüaaaOa'.  (mit 
Bezug  auf  Athene  und  Here,  von  welch'  letzterer  nach  V.  208 
und  209  jene  abgesendet  ward).  Die  Verse  208  und  209  aber 
strich  Zenodot:  Schol.  5t'.  atxsoTEpoj;  Zy;vöootO(;  rfii-:r,Y..VK  —  In 
Folge  dessen  sah  er  sich  gezwungen  in  V.  21(5  ^^(o'TEpiv  als 
singularisches  Pronomen  der  2.  Person   zu  fassen,   was  er  auch 


GrammatiBche  Studien  zu  Apollonios  Bhodios.  54^ 

ohne  Bedenken  wagte,  vgl.  Schol.  zu  216:  et-.  -Kpoq  060  aij.sißetat. 
TO  '[kp  c^wiTäpcv  iov.  O'JiV.öv,  xavMq  i'poc  aOeiel  Zr^voooxo«;  xbv  ,7i:pb  ci 
[j.'  r;%£  Oea'  y,ac  tov  ,a[j,(p(«)  ojj-wi;'.  Diesem  Vorgange  Zenodots 
folgte  unser  Dichter,  nur  dass  er  die  Functionen  von  (jow.iepzz 
erweiterte. 

a)  Für  die  2.  Fers.  Sing,  steht  das  Frononien  nach  dem 
angeführten  zenodotischen  Vorbild  F  395.  Der  Aisonide  sagt 
zu  Aietes,  die  Argonauten  seien  bereit  ihm  zu  helfen  —  dx  ouv 
]Saupo[ji.ata?  ^(e  XtXxieat  eixs  xtv'  «aaov  |  c-^jxov  ccpo^ixepciaiv  67:0  (jy,-(^'äxpo'.o-i 
Bap-aacai.  Auch  hier  spricht  der  Scholiast  seinen  Tadel  aus : 
•AavMq  xw  c'f w.xspoiaiv   e^^pv^aaxo   £"1  ivtxo'j  •   £0£'.  ^ap  siTueTv  xsotfjt. 

Von  dieser  Gebrauchsweise  ausgehend  gestattete  sich 
Apollonios  ji)0)tx£po;  auch  b)  für  das  singularische  Fronomen  der 
3.  Fers,  zu  verwenden,  und  zwar  in  so  zahlreichen  Fällen  (8), 
dass  man  klar  erkennt,  wie  verwirrt  seine  Begriffe  über  die 
Fronominalformen  waren.  A  643  Xciw?  0'  aüx'  iv.  vr/oc  apiax^s? 
7cpo£Y]y.av  I  Ai6:zX(or;V  /.•(^puy.a  Öoöv,  xonuEp  x£  [jL£).£(jOa'.  |  ic^Y^'^^''*?  >'>■*"' 
ax-^TTxpov  £TC£xp£-cv  ''Ep\iz'.(xc  |  Gtpwtxspoio  xoxr^o;.  Schol.:  Ot.Y.a'.pMC  xw 
oui/,(;)  £-/pv}(jaxo  ävxl  ivty.au.  ß  465  ai']/a  0£  x6vy£  |  aa.ü)'.x£ptov  5io>v  ext? 
£^o}(o?,  £1;  £  y>.C[j.'!a!jai  |  '^xiv  iiroxpOva?.  -ß  544  to;  8'  3x£  x'.;  -äxp'/]0£v 
äAw[j.£V0(;  ....  ccp(i)'X£pouq  0'  £vcr,(j£  B5[ji,ou(;  y.xA.  Schol. :  a^totxipou;  • 
y.axd)?  E/pv^aaxo  xw  s^wix^poui;.  £0£'  y«?  stirEtv  (j9£X£pou>;.  (Der  Scholiast 
meint  also,  aiExspc;  könne  ohne  Weiteres  für  die  3.  Fers.  Sing. 
stehen. )  ß  763  Aiaovior^?  (X£v  ci  y^'-''^''  '^~  *^^''  oüvc[x'  iy.aaxou  |  <j(pw[X£- 
po)v  i/'j0£'i6' £xapwv.  Schol.:  asw'.xEptov  ävxl  (ja)£X£pa)v  (wie  im  vorher- 
gehenden Falle),  r  335  xy^oa  x'.c  iqxivo;  Träxpr,»;  a7:av£u6£v  iAa^aai  j 
xai  xxcjCvwv  ßaff'.XEu?  iccpiwa'.ov,  0'JV£y.£v  äXy.f,  c7'|(i)txcp'f]  7:ävx£(7(7i  [A£X£7:p£-£v 
AioA'Byjc'.v,  j  Tzq/uEc  osüpo  vsscOa'.  y.\).i{/Tio>.  Schol. :  sa/wtxip-fj  •  7.oi-/,G): 
xb  c^tü'.xipY)  £'TC£v   £zt  £viy.o'j '   S.CV.  ';o!.p  o'Jiy.bv.    F  600  XP^^***  t""'"'  ~'jy>-i'''bv 

X£     SbXoV    ßoUAXC    X£    '{EVefi'/,r,Z    \    C^W.XEp-fj?    äV^V    X£   TvOAUXpO'äOV    £^aA£aGOxi. 

Schol.:  c^w.xep"/;;;]  y.r/.wc  xo  asa)'.x£pY;;  0'jV-/.bv  £-1  ivr/sj  r/p'/^jaxo.  Bei 
Yap  £'Tr£Tv  £■/;?,  ?/  -^  xr;;  ia'JxoO.  F  625  0'!£X0  0'  ä[x:pt  ß2£ac;iv  a'jxr; 
ä£ÖA£!jo'jax  ixxa'  £'j!/5!p£(.)c  Toviscöa'.  •  I  a-^iii'.T ipo'jq  ?£  xoy.'^a?  u-ory^iair^; 
äöspi^E'.v.  Schol. :  oaiai-ipo'jq]  ohy^  'r^Mq  ohok  vuv  xb  s^pfotxepou?.  Su'.'y.bv 
Y^p  £3X'.v  £Tct  £vixo'j.  £0£'.  oOv  £'.T:£tv  £0'J;.  r  1 227  .  .  .  ££Jt;  O(op-^y.a 
GxaS'.ov,  xbv  ;i  ':rbp£v  £;£vap(^ac  c^w.x£patc  <Ka£YPä'.ov  "Apr,c  j-b  X£p(J'. 
Miixavxa.  Schol.  Faris. :  cf (oixEpai?  X£p'i "  xatc  iauxoü  »äfa'.;.  A  274 
£'vÖ£v  Bi^  xiva  ipaa'.  ~£pt^  cii  -äsav  boijaa'.  |  lvjpü)zr,v  'Ag't^v  x£  ßtr,  y.x' 
y.apx£'.'   Aaiüv  |  scw.xipojv   Öxpjc'.    xs   ZiTTO'.öixa.     In    demselben  Sinne 


548  Rzach. 

findet  sich  a(^(jy.T:epoq  gebraucht  in  Incert.  id.  IX  55  Ahrens 
(Theokr.  XXV)  (oot  yap  Ali-fei-qq,  u'.ö;  ^ihoq  'HeXi'oto  |  c^wi-epw  cuv 
Tiatoi,  ß{y)  tp'jA-r^o?  ayauGu,  |  yßiCoc,  S'  etXv^Xo'JÖev  du'  äcxeo;. 

Endlich  steht  c)  das  Pronomen  c(^oii-:epoq  auch  für  das 
pluralischc  der  3.  Person  =  c^sTepo?.  A  1286  el  tov  dptctov  anro- 
zpoAi7uivT£(;  'i^Ttaa^i  \  ccpwtTspwv  Ixolpwv.  üer  Scholiast  tadelt  wiederum 
diesen  Gebrauch :  cc^hmepuy/]  zs/  uy.w?  ouabv  /.a-ä  7:Ay}6oi»?  iör^xev, 
ISet  Yäp  ■KAr,ÖJvTabv  siTreTv.  A  454  toI  \).bi  pa  Biocvoi/a  v/]'jj[v  'iv-ikcx/ 
a<pü)tT£pa'.<;  -/.ptvOevTcc. 

Diese  an  Regellosig-keit  streifende  freie  Gebrauchsweise 
der  Possessivpronomina  fand  ebenso  wie  die  freie  Verwendung 
der  Pron.  Personalia  bei  den  späteren  Epikern,  ganz  besonders 
bei  Quintus  Smyrnaeus,  vielfache  Nachahmung,  vgl.  hierüber 
Brugman  a.  a.  O.  p.  34.  82. 


3.    Demonstrativ 


a. 


Von  den  Pron.  Demonstrativa  verlangt  nur  der  Gebrauch 
von  /.eivo«;  und  sxeTvoc  eine  Erörterung.  Apollonios  befolgte  hier 
eine  stricte  Regel.  Er  braucht  nämlich  die  vollere  Form  eY.ehoq 
niemals  ausser  in  der  Krasis  mit  y.ai  (vgl.  oben  p.  473),  ebenso 
verwendet  er  niö  exsTöev  und  £y.£Tce,  sondern  stets  xsTOev  und  -AV.ae 
mit  Ausnahme  des  einmal  begegnenden  -/.äxetöcv.  Der  Dichter  hielt 
sich  also  im  Allgemeinen  an  dieselbe  Norm  wie  Zenodot  und 
später  Aristarch,  die  beide  7,ev/oq  begünstigten  (Schol.  a  177  und 
0  179,  vgl,  Düntzer  Zenod.  59  und  Note  35),  aber  er  wich  von 
den  Ansichten  dieser  Kritiker  ab,  indem  er  exetvoc  doch  in  den 
genannten  Krasisfällen  beibehielt.  In  der  ^apaSoctc  des  homeri- 
schen Textes  findet  sich  ivSvjoq  namentlich  am  Schlüsse  des 
Textes  fast  durchweg  (vgl.  La  Roche  Hom.  Textkr,  248), 
Apollonios  aber  blieb  sich  streng  consequent  an  allen  Stellen  des 
Verses:  Am  Versanfang  steht  /.sTvo;:  A  182.  765.  1149.  B  402. 
760  r  29.  133.  785.  1250  A  760.  1134.  1153.  1573.  1577.  1689 
v.eteEv  A  597.  867.  922  B  351.  369.  1242  A  1022.  1765  xsiae 
A  305.  416.  442.  955  ß  718.  1223  A  832.  Im  Inneren  des 
Verses  ist  nur  -/.slvsc  möglich  A  28.  112.  278.  571.  958.  986. 
1039.  1180.  1292.  1320  B  147.  .534.  752.  853.  1029.  1189 
r  87.  320.  550.  721.  734.  850  A  120.  333.  342.  403.  415.  488. 
534.  601.  618.  652.  794.  809.  861.  988.  1388.  1468.  1517.  1622 
xsTOcv  B914   A  1214    /.she  A  1224;  mit  Synizese  wäre  allenfalls 


Graiuraatisclie  Studien  zu  ApoUonios  Khodios.  549 

hehoq  möglich  in  A  726  -^  xsTvo  A  1070  Jr,  y.sTvo  B  227  ^  vsvnz 
A  1754  v^  y.eTvog;  doch  ist  die  Ueberlieferuug  hier  ganz  fest  für 
xc'ivoc  ebenso  wie  in  den  Fällen,    wo,    wenn  hXaoq  stünde,    vor 
demselben  Elision    eines    voi-ausgehendeu   Voeales    möglich  ge- 
wesen wäre :  ß  6G  JctaTa  y.sTva    B  798  avspa  y.sTvov    B  1021  izsizc^d,- 
(x£6a,  y.cTva    B  1238  -J^Oea  v.zhx,  was  Y  1122  wiederkehrt,  w;  tsts 
xeTvo  A  143    oaxsa    y.eTva  A  481 ;    bei    /.sTösv :    A   1357    puaia   /.eTOev 
r  777    v^vaYS  y.sTOsv  (nach  der  richtigen  Schreibung  von  L)  B  451 
£7:'  r,\).oiX'.  v.ehe  A  1217    S'  sti  xsTcs  L,  G  hat  hier  ganz  ausnahms- 
weise M  t'  eY.v.Gs,  was  uns  übrigens  nicht  wundern  wird,  wenn 
wir   uns    erinnern,    dass  in  dieser  Handschrift  vieles  nach  den 
Normen  Aristarchs  gemodelt  ist.    Zu  Ende  des  Verses,  wo  bei 
Homer    ey.sTvo?    fast    ständig    ist,    hat   ApoUonios    wie    erwähnt 
durchweg   y-sTvoc   auch  an  Stellen,    wo  exsTvs;  durch  Elision  des 
vorausgehenden  auslautenden  Vocals  möglich  wäre,    und    zwar 
avepa  y.sTvcv  A  154    ouvo[xa  Xc'vyjv  T  1098    opyta  y.stva  A  920    Osay.eXa 
y.£{vü)v    A    657 ;    der  Vocal    t   im  Dativ  Sing.,    der    auch    in    der 
homerischen  Ueberlieferung  nicht  elidirt  zu  werden  pflegt,  steht 
vor   y.cTvoq:    Y;|j.aTt   xetvw  A  547,    was  B  1097    V  922  wiederkehrt 
dcTspi  y.sivcü  B  513    ev  yöovl  y.£ivY)  B  841,  ferner  in  den  Partikeln 
eqev.   xsivou    ß    782    A    250.    430    oüS'    £Tt   xE-ivac    Y   325.     Ohne 
Möglichkeit  der  Elision  des  vorausgehenden  Vocals  steht  y.sTvic 
am  Versende  in:    al  -£pl  y-sivr^v   T   1219    £/.  §£  vu  y.£(vwv  A    1428 
£y.    §£    vu    x£(vy;c    A    1727 ;    hiezu    kommt    o'j   oi   ti   y.£Tc;£    A    1239, 
da    das    '.    in   tI    nicht    elidirt   wird,    vgl.  Homer   v    111    obM  Tt 
xE'vYj,    wo  gegen  den  sonstigen   Gebrauch   bei   Homer  y.sTvo;  am 
Versende  stellt. 

4.   Relativa. 

Nur  das  zusammengesetzte  Pronomen  oaTt;  resp.  ot'.c  bedarf 
einer  Erwähnung.  ApoUonios  braucht  ausser  den  regelrecht 
doppeltflectirten  Formen  östi;  (A  704.  713.  1154  Y  20.  2(^6 
A  1655)  ovTtva  (A  6  ß  781  T  714  A  746.  1053)  r^vnva  (B  799 
r  949  A  1660)  oTtiv£;  (A  963  ß  1124  Y  315.  335)  öui  (A  159 
B  145  r  131.  699.  1011)  cv.  (ß  126)  mehrfach  auch  die 
bemerkenswerthen  Formen  des  Pron.  cti<;  (aus  6-t'.;,  ebenso 
zusammengesetzt  wie  s--oTo(;  u.  dgl.),  dessen  erster  Bestandtheil 
den  starren  Relativstamm  darstellt,  so  dass  nur  der  zweite 
ttectirt  wird.    Die  Fälle  sind  im  Einzelnen  folgende :  h:^  A  347 


550  Rzach. 

B  22.  215.  453.  465.  1148  r  192.  195.  239.  905.  1201  A  498. 
894.  1597  nach  Hom.  V  279  p.  40  r.  307  Kalliinach.  Apoll.  9. 
Deraet.  47;  ctw  A  4G()  B  412  A  258  (vgl.  li.-q^iö  A  802)  wie 
Hom.  M  428  (wo  Zenodot  aber  otsw  las) ;  '6x<yoL  B  875 :  rüiv  oxiva 
■Tzpüy.rqq  £'KtßY^TO[j,£v  ouiic  lix<h£'.  vau-tX{r,v ;  L  hat  6 .  T'.va  mit  Rasur, 
G  Twv,  Tt'va  unmetrisch.  Dem  Schreiber  von  L  war  die  Form  cx-.vx 
eben  nicht  geläufig-  und  so  mag  er  erst  bei  nochmaliger  Durch- 
sicht nach  der  Vorlage  das  v  ausradirt  haben.  Das  homerische 
Vorbild  ist  9  204  twv  c'  aXA(.)v  ÖTiva  Y.py.oiri  Ou[j,6?  t£  v.cXeusc  (vgl. 
d.  Schol.  zu  d.  St.),  ebenso  o  895  twv  o'  aAAo)v  Suva  y.paoiY]  y.at 
Ö'jfjLog  avwyc'.,   2'J0£T(i)  eqsAÖwv. 

Verbum. 

1.   Ueber  das  Augment. 

Statt  als  c  erscheint  das  syllabische  Augment  als  y;  bei  Apol- 
lonios  in  •»^[JLSAXe  A  1809:  v.al  ta  [xh  loc,  -J^fj-EAAs  jj.sTa  /pövov  rAXcAss- 
aOat.  Schol. :  KaAAq.'.ays'j  5  ffTr/oc.  v.c.vbv  c£  a[^.xprr][j.a  TrävKov  twv  [jisö' 
'0[j,-^pov  ■TTOir^TÖJv  T«  oLTzo  TJ[j-cpo)vou  äp)^c[;,£va  pT^f^-axa  '/.axä  tov  ivscTcoTjc 
/pövov  o'.a  TO'j  y;  s-Acpspsiv  1::'.  Trapa-a-aoj.  Nacli  diesem  Schol. 
entnahm  also  unser  Dichter  den  Vers  dem  Kallimachos,  bei 
0.  Schneider  Fr.  212.  Da  aber  derselbe  auch  sonst  noch 
■/^[jLeXXe  sagte,  —  eine  Stelle  wenigstens  ist  uns  erhalten  Hymn. 
Del.  58  o'jV£/.a  jaouvt;  |  Zr;v!  Ttxeh  •i^p.cAAE  cp'."AatT£pov  'Apsoc  u'.oi.  —  so 
ist  es  zunächst  auffällig,  warum  Apollonios  sich  das  Augment 
r,  bei  [.>.£AA(.)  nur  ein  einzigesmal  gestattet  haben  sollte ;  denn 
die  Formen  des  Indic.  Präteriti  sind  sonst  entweder  nicht 
augmentirt  oder  aber  haben  sie  das  Augment  t :  'i[).th\E.  A  78. 
373.  1080  B  116.  1092  F  752.  887  A  1259  iyiAAET^  V  260 
£V.£Xaov  B  625.  747  A  638.  904.  989.  1636.  Jener  Umstand 
erklärt  sich  aber  durch  die  Thatsache,  die  uns  das  Schol.  zu 
Hom.  M  34  berichtet:  r,  0'~Kf,  cv.  7//;v:oo-o:  vpacs'.  ,w;  '/^i^.EAAov 
'ö'K'.G^e'-  (für  (b;  ä'p'  e'[;,£AAov  otj.^j^z).  h'i  ok  ßapßapov.  Ta  yap  airb 
cu[ji.sa)v(i)v  äY/6[ji,£va  s.%\  tou  '::ap£A-/;A'jOiTC;  "/pivou  arb  to'j  £  äpy£TÄ'.. 
Apollonios,  dessen  Aengstlichkeit  bei  Nachahmung  homerischer 
Muster  wir  schon  mehrfach  zu  beobachten  Gelegenheit  hatten, 
wagte  es  nicht  eine  Form  •?,[j.£AAov  öfter  in  seinem  Epos  zu 
verwenden,  als  er  sie  in  seinem  (dem  zenodotischen  Texte)  de? 
Homer  fand,    obzwar  er  z.   B.   auch   bei  Hesiod,    den    er  ja  da 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  551 

und  dort  zum  Vorbild  hatte,  drei  unbestrittene  Stellen  mit  dem 
Au<>nient  r,  vorlinden  konnte  Th.  478.  888.  898. 

Ein  zweiter  Fall  des  Aug-ments  r,  ist  r,üoz.i  B  822  i^sicsiv 
A  1700  vgl.  Hom.  X  280  rr-icr,q  und  i  206  v^etcst.  Das  r,  rührt 
hier    von    der    Einwirkung    des    ursprünglichen    Digamma    her. 

Was  die  andern  sonst  -q  als  Augment  aufweisenden  Verba 
betrifft,  so  kommt  ßo'jAO[i.a!  in  keiner  augmentirten  Form  vor; 
cüva[j,a'.  hat  im  Präter.  kein  Augment:  ouvaio  A  314  A  854  ojgs 
oüvavTo  r  1249  nach  LG,  während  Merkel  ou  o'  souvav-o  schreibt; 
sOeao)  endlich  kommt  ausschliesslich  im  Präsens  vor,  während 
die  einzig  begegnende  Präteritalfonn  vom  kürzeren  Stamme 
ohne  Augment  gebildet  ist  B  960  oüä'  iv.  [h:[).vä'C^vf  OsXov  qxireoov. 
Aristarch's  Gesetz  verbannte  bekanntlich  die  kürzere  Form  ganz 
aus  Homer,  aber  die  älteren  Exemplare  hatten  jedenfalls  öfter 
OsXo),  wie  wir  es  von  1  114  wissen,  wo  statt  des  späteren  ari- 
starchischen  -jigtI  "l/aov  r^veiJLÖs'Tcav  Zenodot  "IXiov  alizh  OeXovxcc 
geschrieben  hatte  (Schob  z.  d.  St.).  An  Zenodot  also  hielt 
sich  wiederum  unser  Dichter;  aber  auch  andere  Zeitgenossen 
brauchten  OsXw,  so  Incert.  id.  IX  (Theokr.  XXV)  53  w;  toc  -av 
ö  OsXctc  al'ia  ZP^^?  ey-TS-ciAsaxai.  Moschos  I  110  i^v  ösAsv  apTcäcac. 
Die  meisten  späteren  Epiker  hielten  sich  an  Aristarch's  Kanon  ; 
vgl.  Gerhard  Lectt.  Apoll.  91. 

In  einer  Reihe  epischer  Verbalformen  ist  das  syllabische 
Augment  vor  folgendem  Vocal  erhalten  worden,  da  ursprüng- 
lich consonantischer  Anlaut  vorhanden  war.  Von  solchen  ver- 
w(!ndet  unser  Dichter  folgende : 

Ia;£    B  1109    iy.'(rt    T  954;    augmentlos    aber    a;cv  A   1168. 

£Üaoe  A  697  B  501  T  1033  A  568  auvsuaos  F  30  nach  dem 
bekannten  homerischen  Vorbild  Z  340  P  647  -  28  (aus  einstigem 
*ecFac£  ify.ct) ;  neben  dieser  alterthümlichen  Form  hat  der  Dichtei- 
auch  EaoEv  V  568  mit  Lenis,  eine  Bildung,  die  bei  Homer  noch 
nicht  vorkommt  (saSev  A  867  mit  Asper  ist  Perfect  mit  Präsens- 
bedeutung).  Im  Imperf.  ^/Bavs  A  717  B  656.  1069  V  912.  1381 
£(fr,vcxvcv  r  950  braucht  der  Dichter  (wie  Homer  z.  B.  A  24. 
378  u.  s.)  auch  das  temporale  Augment,  das  nach  Verflüch- 
tigung des  urspr.  Diganimaanlautes  das  natürliche  war. 

ü'.-a  und  k's'.zov  in  den  Formen  h'.r.y.c  A  480  V  1106  'ii'.r.v/ 
A  674.  1091.  1289  B  144.  242.  409.  769.  1198.  1276  V  90.  505. 
686.  726.  890.  9.39  A  56.  120.  189.  254.  738.  1097.  1127.  1201. 


552  Rzach. 

1331  let^'  r  455  ^i-üt^zv  A  331.  864  ß  G40  V  522  A  881 
ix£-ra .  .  .  ££'.7:£v  T  1276  TrpoaEcraev  A  294.  835.  899.  1336  B  419. 
437.  443.  621.  868.  885.  1140  r  17.  55.  101.  107.  128.  319. 
400.  1119  A  82.  394.  1114.  1563  TrpoaietTcov  A  1317. 

hiaaxo  A  522.  855  von  der  W.  FiS  wie  Hom.  ß  320  z  398 
T,  343  ■/.  149  u.  s. 

svseiaaxo  A  188  von  W.  cso :  'Äp6|j.vY]  B'  Iväst'aa-o  xcüp-^v  |  ävO£[j.£voq 
(dag-egen  B  1166  vuv  S'  gacacös  -apo-.Osv).  Jene  Form  ist  eigentlich 
eine  Missbildung',  denn  der  Diphthong  e>.  enthält  schon  das 
Augment,  das  im  homerischen  siacaTO  oder  iiaaa-o  ^  295  (kq 
AißuTjV  [j'  iizl  vvibc  kiGC(x-o  Tcovio-opoio)  noch  frei  erscheint.  Doch 
ist  Apollonios  zu  entschuldigen,  da  er  auch  bei  Homer  den 
Diphthong  in  Formen  vorfand,  wo  er  nicht  hingehört:  zhov 
(]  163,  Hiezu  kommt,  dass  Zenodot  an  der  oben  genannten 
Homerstelle  s^sicaTO  las,  so  dass  Apollonios  leicht  zu  der  An- 
nahme gelangen  konnte,  es  sei  diese  Form  ohne  Augment,  und 
demgemäss  eine  Form  esiaaio  sich  gestattete.  Dass  die  Bedeu- 
tung des  £1  im  Laufe  der  Zeit  schwand,  dafür  sind  Formen 
der  Prosa  wie  Herod.  I  66  sta^jj-Evc.  ein  klarer  Beleg. 

£Y]y,ev :  av£y]y.£V  A  478  ev  yap  £Y)-/,£v  B  274  evivjy.av  A  356  £-'.- 
7upo£-/]xa  r  379  e::i7upo£Yi7,£v  A  1185.  1616  Ir.vKpoirfm^i  A  406.  1357 
^irc/,z  A  712  B  1083  [j.£e£Y]y.£  B  1037  r  632  A  802  \>.zUr,y,T>  A  122 
T.^Qirc/.t  A  97.  258  B  562  ::po£Yixav  A  589.  640  cuvet^xe  A  1086. 
Beim  Simplex  aber  braucht  Apollonios  nur  T^y,t  A  622  und 
11  Mal,  und  einmal  ecpv's  F  211. 

I'wsav  A  104  £V£ü)(7£  A  1243  ^uvEwcav  A  1251,  aber  wje 
B  599. 

Besondere  Beachtung  verdienen  die  Formen  £(iV/£[  V  189 
(Hom.  1  474)  und  iü'kr.ti  V  370  (LG  ib\-Keu  seit  Stephanus 
steht  das  Richtige  im  Texte)  A  10  (vgl.  Hom.  s  96).  Diese 
Verbalformen  mit  scheinbar  doppeltem  Augment,  sind  durch 
Umspringen  der  Quantität  aus  irjC'./.£'.  und  vjoatce'.  zu  erklären ; 
vgl.  Curtius  Verb.  I  118. 

Apollonios  hielt  sich  also,  wie  wir  sehen,  durchaus  streng 
an  die  homerischen  Vorlagen,  und  selbst  der  eine  Fall,  wo  er 
selbständig  vorzugehen  scheint,  ist  in  der  Beschaflfenheit  des 
homerischen  Textes  begründet. 

Das  syllabische  Augment  erscheint  mit  dem  folgenden 
Vocale  in  die  Silbe  ei  contrahirt  bei  folgenden  Verben : 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Biiodios.  ÖOÖ 

etkEq  A  367  elXs  B  20.  577.  1216  T  726.  967  1067  sTActo 
r  157.  631  A  1040  s^siXeTO  F  844;  beträchtlicher  aber  ist  die 
Zahl  der  nicht  aug-mentirten  Formen  Ias  A  449,  das  ausserdem 
16  Mal  noch  vorkommt,  iXov  A  957  A  1314  'ikexo  B  184  saovic 
B  858  r  901.  1485.  Im  homerischen  Texte  findet  sich  das- 
selbe Schwanken  zwischen  den  augmentirten  und  nicht  augmen- 
tirten  Formen. 

sTXy.ev  r  1307  erAxsTo  A  533  el/aov  B  668  A  888,  von  nicht 
augmentirten  Formen  ist  daneben  nur  sseXy.eTO  A  1162  über- 
liefert. Entschieden  las  aber  ApoUonios  im  homerischen  Texte 
nach  der  älteren  Weise  die  augmentirten  Formen,  während  die 
aristarchische  Kecension  das  Augment  mied,  vgl.  Schol.  A  213 
A  457  N  383  n  406.  504,  La  Roche  Hom.  Textkrit.  238 ;  jenes 
eqieAy.sTO,  das  Merkel  beibehielt,  ist  offenbar  nach  den  Normen 
des  aristarchischen  Ilomertextes  in  die  Ueberlieferung  ein- 
gedrungen und  daher  in  eipetXxexo  zu  ändern.  Dass  unser  Dichter 
nur  die  augmentirten  Formen  verwendete,  dafür  spricht  auch 
der  Vorgang  des  Kallimachos,  der  keine  augmentlose  Form 
dieses  Verbums  kennt:  sIaxsv  Ep.  43.  4  Fr.  275  eiA/.ov  Hymn. 
iVrtem.  93.  Vgl.  über  jene  Formen  auch  Gerhard,  Lectt.  Apoll.  96. 

e'i-sTo  A  71  r  440.  916.  1334  A  149.  1486,  wobei  die  Silbe 
V.  überall  in  der  Arsis  steht;  ohne  Augment  aber  lesen  wir 
ixsTo  B  74  ixicÖYiv  B  275  szovio  A  652.  681. 

sIcEv  A  789  r  49  A  719  et^aio  F  1186  A  119.  550  izapCiae 
A  782  (svcSi'aaTo  A  188  siehe  oben). 

e\<j-rf/.z'.  A  1681;  diese  Form  las  ApoUonios  wie  das  oben 
genannte  v.'kv.v/  gewiss  auch  in  seinem  Homertexte,  Aristarch 
mied  die  Augraentiruug  vgl.  Schol.  A  329  Z  373  X  36. 

ciyev  B  596  T  424  'm-:v:/j.io  A  1249;  an  allen  weiteren  Stellen, 
wo    das  Imperfect    steht    (31    au    der  Zahl),  ist  es  aiigmentlos. 

Ausser  den  genannten  Verben  ist  nocii  eines  zu  nennen, 
bei  dem  der  Diphthong  st  auch  in  den  nicht  augmentirten 
Formen  Einlass  fand.  Es  ist  dies  eiAi'ccw,  das  unser  Dichter  in 
der  Form  saiüjo)  nicht  kennt  (urspr.  Anlaut  H'k).  Es  sind  daher 
die  bei  ihm  vorkommenden  Präterita  als  augmentlos  zu  fassen : 
£'.a{cc£to  A  1061  siA'ijcovTo  A  844.  1135  A  937. 


Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LX.\X1X.  Bd.  II.  Hft.  38 


ÖÖ'i  Rzacb. 


2.  Reduplication. 
a)  Reduplication  des  Aorists. 

Hiebei  folgt  Apollonios  bis  auf  einen  Fall  durcbweg-s  der 
homerischen  Sprache  und  gestattet  sich  niemals  eine  Form, 
für  die  nicht  schon  bei  Homer  ein  Beleg  zu  finden  wäre: 

W.  «y:  -oTave  F  777  A  444.  680.  1762  Trrr(or(v,  A  977  T  2 
•/.aTvr^T-    '^  31  -JjyaYOv  A  556  zh7.-((i'(Oi^o  T  622. 

«A/.:  aXa/aoi  A  872  aAaAx£(j.cvat  B  262  (hievon  weiter  gebildet 
das  Futur.  aXaXx-f^aoujiv  B  235). 

ap:  Tipape  A  99. 

a^:  Y^Tra'fs?  F  130  Tiapr^Tuacpev  B  952. 

ay'.   ot.vJ.'/oizo  B   190. 

£V[7c:  T^viTua-e  T  931. 

stc:  is-c'cörjv  A  690  ecT.oi\):r,'>  T  35  ia-o\iivo>.o  A  470  £J7:c|ji,evov 
A  103  ior.oiJÄrr,  V  615  £c-oiJ.£vr,v  A  434. 

epuT.:   £p'j/,ay.£  B  432. 

xeX:  y.'exAs-o  B  464  T  838  A  230.  1548  y.sxXöiJ.svo;  A  383 
xexAsiJ.ivY]?  A  163  x£xa6ij.£voi  B  493  A  1717  -/.sxAoijivtov  A  311  B  640 
eTT'.y.sv.AoixEvoto  A  1343.  Von  diesem  Aorist  ausgehend  bildete  Apol- 
lonios ein  Präsens  zr/Aoi/at  B  693  T  908  y.£-/.A£Tat  A  716  y.£y.A£0 
(Imperativ)  A  707  £7:a£XA£C3  T  85. 

y.Au:  x£y.AuOi  A  783  y.sxXuO'  B  11  y.ly.XuTE  A  1654. 

XaO:  A£AaOoi[j.'.  B  226  T  779  £xA£AäOo'c  T  1112  A£A3!Ö£sÜat 
B  150. 

mfi:  TisxiÖov  A  964  7:£'::i0oiiJ.t  A  417  7:£7:ieot[j.£v  1479  z£-i6s'.£v 
r   14  T^eruM^^  T  536. 

TCuO:  7:£"jeoi-o  A  1469  (Hom.  Z  50). 

TaY:  av-staYwv  B  119  nach  der  zweifellos  richtigen  Con- 
jectur  von  Sanctamandus;  für  das  verderbte  hdschr.  avhx  [jiXav 
T£TaYwv  ist  ald/a  i^.äA'  avT£TaYwv  zu  lesen ;  das  Simplex  tetäywv 
steht  bei  Hom.  A  591  0  23. 

T£|x:  T£tiJ.£  B  1236  Timov  T  1275  A  537  t£T|j.yi  A  908. 

o£v:  £-£5V£v  A  1044.  1213  B  798  A  1497  £7r£5vov  A  550 
7:£9V£v  A  1305  r  1180  xaT£7:£<pv£v  B  112  A  1488. 

Gpao:  -£ooac£v  A  267  B  768  F  550  A  754.  1126.  1450 
-iifpaoov  A  260  £7:£cppa3c/v  B  959  £-£c;pao£v  A  654  A  773  Si£7:£(fpaO£v 
A  848  B  846  F  741. 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhodios.  •  55o 

Xap:  y.£xapov-o  B   1157   A  998.    1628  y.£/aps'.T5   A  920. 

Der  oben  erwähnte,  durch  ein  Missverständniss  von  Seiten 
des  ApoUonios  bedingte  Fall  betrifft  den  Aor.  'i[).[j.optc  B  4  A  42. 
Indem  er  nämlich  die  homerische  Form  des  reduplicirten  Perfects 
£jji.[j.op£v  (aus  *y.£',!xop£,  Curt.  Verb.  II  131),  die  er  selbst  T  208 
A  1749  gebraucht,  für  einen  Aorist  ansah,  bildete  er  hievon 
ausgehend  eine  zweite  Person  i\ii).opeq. 

h)  BediLplication  heim  Perfect. 

Die  Reduplication  mangelt  bei  ävuiyoc  A  693  ävwYcv  A  328 
A  687.  755.  1207  y/myßi  A  759;  im  Plusquamperf.  avtoYci  A  47 
B  1138  r  825.  1084  A  100,  aber  auch  7^voäY£i  A  247  wie  bei 
Hom.  (z.  B.  M  355).  Da  Homer  nie  -/^vwYa  sagt,  so  ist  bei 
Y^vioYS'.  Augment  des  Präter.  anzunehmen.  Die  sonst  noch 
begegnende  Form  r,^/i)r(t  A  1217  A  166.  589,  die  bei  Homer 
ziemlich  selten  ist  (y]va)Y£  Hom.  Hymn.  Dem.  297.  348  -i^vwYov 
1  578  Z  216  ;  237  Hymn.  Ap.  105)  ist  danach  als  Imperfect 
vom  Perfectstamme  gebildet  aufzufassen. 

£5X0  r  454;  LG  haben  zwar  übereinstimmend  ^cto  und 
das  scheint  mit  der  Angabe  des  Schol.  H.  zu  X  191  zu  stimmen: 
r,cTOLi  •  ouxwc  Z-qvoooioc,  •  'Apistapyc;  -^cto.  Mit  Recht  aber  wird  diese 
Scholienangabe  fast  allgemein  bezweifelt,  denn  wir  finden  sonst 
hzo  im  Homertexte  überliefert  z.  ß.  p  203.  Es  ist  Aristarch 
nicht  zuzutrauen,  dass  er  eine  solche  etymologisch  unerklärbare 
Form  in  den  homerischen  Text  eingesetzt  haben  sollte.  Ebenso- 
wenig ist  anzunehmen,  dass  ApoUonios  r,::':o  schrieb,  da  wir 
daneben  ££ffTO  finden  T  1225  (vgl.  Hom.  M  464).  Schon  Brunck 
änderte  mit  Recht  die  hdschr.  Ueberlieferung  r^ozo  in  'ia-z  und 
hierin  haben  wir  ein  Plusqpf.,  bei  dem  die  Reduplication 
wenigstens  scheinbar  fehlt.  Aus  urspr.  FcFöcto  ward  ecco,  vgl. 
Curtius  Verb.  II  147. 

2.  Nur  der  Rest  einer  Reduplication  zeigt  sich  in  den 
Verben : 

iaSev  A  867  io^ZÖToc  B  35  A  1127  vgl.  Hom.  A  173. 

izk\>.v)oi  A  870  ££A[j.£va'.  A  604  (Conjectur  von  Gerhard) 
wie  Hom.  N  524  von  der  W.  fih;  hiezu  kommt  das  von  Apol- 
lonios  allein  angewendete  Plusqpf.  £2/.-^t5  F  471 ;  LG  haben 
zwar  x'SKr,-o,  aber  das  Et.  Mag.  325.  2  hat  die  richtige  Form 
bewahrt,    womit    Hesychios'  Glosse    iöXr^Ta-.  •    T£Tdpay.Ta'.    stimmt, 

38* 


556  •  Kzach. 

Vgl.  auch  eöXsi  bei  Pindar.  Pyth.  IV  233  nach  Boeckh.  Im 
homerischen  esAjj-sGa  Q  662  ist  der  Pest  der  Reduplication  auch 
bewahrt. 

espYiJievov  B  550  eepYi^ivo-.  A  1580  (Hom.  E  89).  Der  Vor- 
schlag des  £  im  Präsens  ist  jedoch  selbstvei-ständlich  anderer 
Natur,  siehe  oben  p.  435. 

Ug-o  T  1225  wie  Hom.  M  464,  W.  r£7. 

£S'.y.a  häufig,  hiezu  das  Plusqpf.  j'i'/.to  B  39  A  1612  vgl. 
Hom.  W  107. 

hl-x  A  1342  B  147  r  506.  783  A  1379  soX-ac  r  387  wie 
bei  Hom.  z.  B.  T  186. 

sop^a  A  381  wie  Hom.  T  57. 

3.  Einzeln  bemerkenswerth  sind  folgende  Perfectreduplica- 
tionen : 

Wir  lesen  ev.'KT,i~-y.'. :  A  990  Aps-avr,  toGsv  ey.Av^'.sTa'.,  ey-Xv^icxo: 
A  267  -oAuXr/.Gc  exAY^tcjTo  A  1202  yd[).o'j  -zekoq  iy.Xv^tffto;  diesen  drei 
Fällen  gegenüber  steht  einmal  die  regelrechte  Bildung  y.£y.Xv^'.- 
cxa; :  A  618  /.al  Ta  (ji,£V  ax;  y.etvotai  [j,£t' avopas-.  y.£/.X-/^'.(;Ta'..  Von  selbst 
bietet  sich  hier  die  geringe  Aenderung  [j,£-'  avopacnv  r/.Xr/.cTa-. 
an,  da  nicht  abzusehen  ist,  von  welchem  Beweggrunde  geleitet 
der  Dichter,  der  an  drei  Stellen  eine  Neubildung  sich  gestattet, 
auf  einmal  die  landläufige  Form  gebrauchen  sollte.  Zu  der 
eigenthümlich  reduplicirten  Form  aber  kam  Apollonios  offenbar 
deshalb,  weil  ihm  das  homerische  Perfect  iy.rr^cOai  I  402  vor- 
schwebte. Die  äusserliche  Aehnlichkeit  verleitete  ihn  hier  zu 
einem  grammatischen  Schnitzer.  Aehnliche  Abweichungen  von 
der  Regel  begegnen  übrigens  auch  bei  anderen  Schriftstellern, 
z.  B.  Aristoph.  Thesmoph.  131  y.a-eY>'^wxt'.a(xevov ;  vgl.  Curtius 
Verb.  II  126. 

Metathesis  des  RedupHcationsconsonanten  finden  wir  in 
£;j,;j.op£v  r  208  A  1749,  einer  Form,  die  freilich  Apollonios  selbst 
unmöglich  füi-  ein  Perfect  hielt,  da  er  sonst  nicht  die  2.  Pers. 
£[j,;j.op£;  B  4  A  42  geschrieben  hätte.  So  erklärt  es  sich  auch, 
warum  er  ein  anderes  Perf.  ;x£yipr,tai  A  646  [xeijiprjTO  A  973 
[j.£;xop;jiv;v  T  1130  braucht.  Vor  Apollortios  erscheinen  diese 
Formen  nirgends  in  der  Litteratur,  nur  sagten  die  Aeolier  nach 
Eusiatli.  790,  6  \).i[j.zp^x>.  (für  £;[j.apOx'.).  Bei  Apollonios  begegnen 
wir  also  in  dem  Paiticip.  einem  St.  [xop  und  in  den  beiden 
anderen    Formen    einem    hievon     weitergebildeten    p.op£.      Die 


\ 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Uhodios.  557 

Scholien  suchen  nach  ihrer  \A'^eise  die  Formen  zu  erklären,  zu 
A  646  iJ.t[>.ipTtZ3i.'.:  Y,3.-:x  r/.ÖA'.'i/iv  xoy  t  •  h-:  -(xp  \j.e[).oipy.xx'.  avTt  toj 
•/.E-/.>.-^co)Ta'.;  A  973  ;j.cp-ipf,-o :  e-v/Xr,pi)ii:o  'j-h  xrjq  i{)yr,q,  |/£ixo'.p3:jjL£vto; 
c?/£v.  Nach  Apolh>nios  werden  die  von  ihm  g-ebrauchten  Formen 
dann  einig-e  Male  verwendet :  iJ.e[j.opi).v/oq  Lykophr.  430  Nonn. 
Dion.  XI  520  iJ.sy.opiJ.i'/ci'.  (von  den  v.fipzq)  in  der  Anthol.  VII 
700.  5;  ixz\iopri[j.v/cq  hat  Nikandros  Alexiph.  229. 

Die  Reduplication  ist  nach  Art  der  bei  den  Intensiven 
g-ebräuchlichen  gebildet  in : 

ci^iyjx^o  A  319.  1180  A  996  wie  bei  Hom.  A  4  u.  s. 

csvSsaa  A  1100  Ssi'cia  B  636  T  637  5eioi[/£v  r  60  ^rcpios-c-.a 
B  1203  j-sostS'.sav  B  821  os-.ouav  T  753  osio-.cts;  T  1329  oeiB-.O: 
B  617. 

Die  sogenannte  attische  Reduplication  wendet  Apollonios 
nur  nach  homerischen  Vorbildern  an : 

TAr/r,^o  A  1324  r/.r;/£iJ.£voc  A  1260  ay.v;x£[j.r/r,  T  101.  672 
T/.r;/ziierq'/  T  618. 

aAäÄTjiJ.X'.  A    1041    aXxAr,VTO   A   812   aAa/,y;tx£voc  A    1190. 

äp-^pcv  B  1075.  1202  (Hom.  ap-opv)  e  361)  apöpst  A  957  T  218 
r,yr,pz'y-o  A  947  ipr,p6-x  B  1163  Q'^npr^zöict  B  1112  äpapj^xv  F  1324 
apap'jTa'.  A  946  a.pT^pz\}.i-iO't  F  833  äpY;pc[j.£vou;  A  677  apr,p£[ji.£va5 
A  787. 

apv^poT3  F  1343  ap-/;po[j.£vr/^  F  1336,  bei  Hom.  nur  das  Par- 
ticip  -  548. 

e/.v,AaTo  F  235  IXt^^x^vio')  B  231. 

£pY;p£-.vTa;  B  320  -^pr^pEi^TO  B  1105.  1172  (Hom.  F  358)  r^pr- 
pv:>"  F  1398. 

ÖTUwxa  B  1054. 

opiop£v  A  713  fund  6  Mal)  cpüpv,  B  473  F  457  wpwp£t 
A  1698. 

3,  Personalsuffixe. 

a)    Endungen    des    Actlvs. 

Die  alterthümliche  Endung-  cöx  der  2.  Pors.  Sing,  finden 
wir  ausser  in  oTiOa  A  784  nur  noch  in  dem  formelhaften  homer. 
£fi£/.r,cÖa :  B  55  ov  %  iUkrf^x  F  404  xl  y/  £6£Ar,c6a.  L  hat  zwar 
an  beiden  Stellen  IH'krp^x^  allein  das  •.  mutum  drang  nur  aus 
Missverständniss  ein,  denn  ein  '.-Laut  war  ja  in  dieser  Forma- 
tion   nie    vorhanden  (Curtius  Verb.    I.  53).     G  hat  wenigstens 


558  RzacU. 

an  der  zweiten  Stelle  die  richtige  Schreibung  eOiAr^sÖa,  B  55 
jedoch  das  unmögliche  eOsAotcrÖa.  Daneben  finden  wir  aber  auch 
fc>  .  .  .    £0£/-Y]q  A  892  r  332. 

Die  Endung  at  der  3.  Pers.  Sing.  (=  urspr.  rt)  begegnet 
bei  Apollouios  nach  homerischem  Vorbilde  ziemlich  häufig  im 
Conjunctiv;  doch  ist  die  verhältnissmässig  grosse  Zahl  von 
Neubildungen  bemerkenswerth.  Aus  Homer  sind  nämlich  nur 
entnommen :  ixdyrfiv)  A  1286  (Hom.  A  480)  «[j.stßaXYjaiv  A  437 
TrpoßotAYiai  r  1082  (ßäXY)aiv  Hom.  *  104.  576)  äv-Y^civ  "r  498  {\>r.- 
OiY]aiv  Hom.  N  234)  x%y)jiv  A  1247  (Hom.  P  658)  epptyricrtv  f  438 
(Hom.  r  353)  ^epYjfftv  A  826  (Hom.  Z  308  e  164  x  507). 

Nach  diesen  Mustern  bildete  dann  Apollonios  folgende 
neu:  avTtacYj-iv  F  643  oty.aaYjai  A  347  oic^eAaaviat  F  879  ^aps^öXäcrjcv 
A  764  7.a6J^y]!ji  A  608  (so  L  von  1.  Hand,  Subj,  ist  'joaxa,  die 
2.  Hand  schrieb  ein  w  darüber,  und  so  hat  Gr  -/.Aü^wutj  augyjcv 
A  1355  öpa-fici  F  1039  xcir/jct  A  1581  £vixp{[x-];Y)civ  A  1512.  Es 
ergibt  sich  die  Thatsache,  dass  Apollonios  mehr  Neubildungen 
verwendet  als  homerische  Fälle. 

Die  3.  Pers.  Plur.  der  secundären  Tempora  hat  die  alte 
einfache  Endung  v  in  folgenden  Fällen : 

a)  Im  Imperfect  ?av   A  636   A  1357  scpav  B  1197  A  1330. 

b)  Im  starken  Aorist  Activi  nur  bei  den  zwei  Stämmen 
-ßa  und  cTa:    ßäv  F  1176  A  1293    sßav  A  152.  825  F  219  A  514. 

1214.  1537  d^i^^a^)  A  1692  eiaaveßav  A  985  siaazeßav  A  846  A  650 
exeßav  B  946. 

GTöcv  B  683  eaiav  B  102  F  40.  215  A  1314.  1350  STraviaTav 
A  363  GTueaxav  A  1389. 

c)  Im  starken  Aorist  Passivi  nur  in  der  Falschbildung 
y-axeoapösv  ß  1227   und  in  e^s'cavsv  A  1430. 

d)  Im  schwachen  Aorist  Passivi  in  ayspOev  V  356  iy.eoacOcv 
B  135  sVAtÖev.  F  1196  eV.piGev  A  1462  S-.r/.p'.Oev  A  498  s-AxaGr/ 
A  1040  aet^Osv  A  1325  uJ.olz^v)  F  966  A  353.  1305  svaaOev  A  513 
xaxevaaOev  A  91  ■:zü^rfivt  F  1147  eppitwOsv  B  605  hiiSvi  F  1127 
£;eGäa)6£v  A  639  eaxaOsv  A  1330  evsaxaOsv  A  380  A  1778  STiva/Osv 
A  641. 

e)  Als  specifische  Eigenthümlichkeit  des  Apollonios  treten 
hinzu  drei  Formen,  die  nach  falscher  Analogie  jenen  der  älteren 
Sprache  entnommenen  Fällen  nachgebildet  sind.  Es  sind  dies 
rpi'M  B  65  Y^siSc'.v  A   1700  und  vipv^pe-.v  A  947,    also    drei  Formen 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  559 

des  Plusquamperfects  Activi,  das  in  der  3.  Pars.  Plur.  sonst 
stets  die  spätere  Endung-  aufweist.  Statt  -/jp/^pciv  bietet  zwar 
LG  r^pv^pstvTO,  allein  der  Zusammenhang'  weist  auf  die  urspr. 
Leseart.  Der  Vers  lautet  in  L  -^p/^pstvto  ok  zoaaov  ur.v'.peyßv  ayp'.ov 
o'.o\xy. ;  das.  erstgenannte  Verb  gehört  zum  vorherg-ehenden  Satz, 
und  muss  vom  Folg-enden  durch  ein  Komma  getrennt  werden ; 
es  liegt  dann  offenbar  eine  Corruptel  vor,  die  am  besten 
behoben  wird,  wenn  so  gelesen  wird,  wie  sich  thatsächlich 
in  zwei  jungen  vaticanischen  Handschriften  (36  und  146) 
findet  und  wie  es  Merkel  in  den  Text  aufnahm:  '(^py^psiv,  xb 
Ss  TToXXbv  ij-£i'p£}(£v  oloy.a.  Die  Form  -/^p-^ps'.v  stimmt  dann  genau 
zu  '(^eiosiv.  Die  Corruptel  war  leicht  möglich,  da  eben  jene 
Form  durchaus  ungewöhnlich  ist  und  den  Schreibern  unerklär- 
lich war.  Apollonios  gestattete  sich  zweifellos  die  Verwendung- 
des  alten  Personalsuffixes  zunächst  bei  dem  Plusqpf.  von  oloa, 
da  dies  Verb  ihm  an  und  für  sich  unregelmässig-  vorkommen 
rausste,  und  erst  von  da  aus  wagte  er  auch  -^pv^pctv.  Mit  Recht 
tadelt  diese  Formen  Cobet  nov.  lection.  467  ;  vgl.  auch  Curtius 
Verb.  II  239. 

Das  alte  Suffix  der  2.  Pers,  Imperat.  Activ :  Oi  begegnet 
bei  Apollonios  in:  ävi^yßi  \  759  ostotOi  ß  617  lOi  A  420  T  486. 
736.  940  FAaOt  A  1014.  1600  Tkrfii  B  693  (zweimal)  xXüÖt  A  411 
y.£y.Au6i  A  783  opvuöi  T  487  xXffii  A  300  ^i^Xa^i  A  64. 

b)  Endungen  den  Mediums  und  Passivs. 

Die  Endung  der  2.  Pers.  Sing,  der  primären  Zeiten  aat 
erscheint  (mit  Ausfall  des  a)  fast  ständig  ohne  Contraction  mit 
dem  vorausgehenden  Vocal,  wie  dies  ja  auch  bei  Homer  die 
Regel  ist,  und  zwar  im  Indic. :  a^Eat  F  975  0£p/,£ai  F  363  £;£{p£ai 
F  19  i'^acai  F  1050.  1124  djy^o^:  B  22  'tq£ai  F  1073  XiAo^ieai  F  394 
;x£T7./äaa£at  F  436  [j:r,'7Z0L'.  F  12  oiazon  F  1061  a-äoi^Ext  F  419  ovoo^aEai 
F  475  9£pߣa'.  A  1016;  im  Conjunct.  [rfi  \).0'.  xt  '/ohüiitai  A  1332, 
dann  x-iiJ.{t>qy.'.  \i  56  '(O'jvica-qy.'.  A  747  '(or,-xi  A  862  ar^a-.  F  944. 
1069.  1109.  1122  'Xiaar^oL'.  F  1037  T£y.Y]ai  A  905.  Contrahirt  sind 
nur  zwei  Formen:  F  136  r^q  lu  7UY~  lJ-~'-X'.o')  äXXo  X£'.pwv  'll^aiaTco 
y.aTay.TEaTiuaY)  ä'p£tov  und  A  357  twv  o'  cüx-.  [X£xaxp£TrY)  Bcs'  ä-^öpvjez 
yjpv.zl  £v'.(7-/6p.£vcc ;  bei  letzterer  Form  liegt  also  eine  Contraction 
aus  Eai,  bei  der  ersteren  aus  r^a-.  vor. 


560  R  z  a  c  h. 

Ebenso  bleibt  der  Ausgang  clo  im  schwachen  Aor.  Medii 
fast  durchweg  offen  :  aEipao  A  746  £7:acip3:o  F  734  sxuBäccao  A  1337 
[j.r,aao  A  739  tap/ücrao  Ä  281,  contrahirt  ist  nur  ■^Xsüco  A  797  (II.  A.). 

Der  Ausgang  so  findet  sich  im  Indic.  der  secundären 
Zeiten  nur  selten:  r/.sc  A  1706  cuV.so  B  411  T^^^'.irXto  F  130, 
ständig  contrahirt  ist  IttAsu  :  A  414  I-Xsu  äeOXwv  A  743  ä^Xsu  qj-eio. 

Im  Imperativ  erhielt  sich  die  Endung  so  nur  in  zapä 
6'  Texaco  F  1  OzsptsTaco  A  370.  Apollonios  steht  hiemit  Zenodot 
gegenüber,  der  wie  auch  später  Aristarch  K  291  -«pic-ao  gelesen 
wissen  wollte,  Schol.  zu  d.  St.  outw  */wpl;  "oj  c  Trapisiao  al  Api- 
GTocp/CJ.  Zr,vocc~oc  -apicTac  y.al  T:6p£  xuoo?  *  xwpt;  ce  toü  q  y.xl  aÜTÖc. 
(Das  Simplex  tatacro  steht  A  314  T  197,  Düntzer  de  Zenod. 
stud.  Hom.  63  vermuthet,  dass  auch  A  314  Zenodot  tcxao  las, 
r  197  ist  es  unmöglich :  VaTac;'  £[ji.£To.)  Sonst  aber  ist  sowohl  im 
Präsens  als  auch  im  Aorist  das  n  ausgeworfen  und  der  Aus- 
gang £0  bleibt  bis  auf  einen  einzigen  Fall  uncontrahirt.  Wir 
lesen:  b.-^aT.a(^to  A  416  adpeo  A  420  aXs^io  A  414  äp/jo  F  11 
£vtßaAA£o  A  295  B  256  a£'.o{ac£o  B  1219  el'pso  F  982  ii-io 
F  420  ETceiyco  F  512.  1059  Ipxöo  F  434  A  64.  745  TOpaxäx8£o 
A  1743  rcx£o  B  22  A  395  y.£/.A£o  A  707  iTrixdxXso  F  85  xopiaaso 
A  448  Aiaffso  F  946  [j.£i}a'ac7£0  A  1026  ij.y^o£o  A  822  ij.vü)£o  A  896 
F  1069.  1110  v(aa£o  A  888  F  1061  p£o  A  1073  c/so  F  386  Gtis- 
pai'Bco  F  978  (ppä^£o  A  490  F  1026  A  411  /äreo  F  1051  avaxai;£o 
F  1038  yakiizxzo  F  109.  Die  einzige  contrahirte  Form  ist  ßaXsj 
B  57,  die  contrah.  Silbe  in  der  IL  Arsis:  äXXa  ßäX£u  Tuept  x^'P'-- 

In  der  1.  Pers.  Plur.  verwendete  Apollonios  in  einigen 
wenigen  Fällen  metri  causa  das  ältere  Suffix  iJ,£c6a:  oa7Ö[j.£c6a 
F  909  aö[j.£crÖa  F  311.  896  veöixsaOa  B  647  £Z£Tpa-6ix£s6a  F  488 
£VT'jvo)[A£<76a  A  354. 

In  der  3  Pers.  Plur.  findet  sich  neben  den  gewöhnlichen 
Bildungen  nach  epischem  Spi-achgebrauche  auch  das  alte  Suffix 
axai  und  axo,  freilich  nur  in  spärlichen  Belegen,  und  zwar : 

1.  Beim  Indic.  Perf.  und  Plusquamperf.  a)  nach  voraus- 
gehendem Consonanten :  Iv.ziyjxx''  A  319.  1180  A  996  ■:z-:zi>yjx-7.<. 
F  137  b)  nach  einem  Vocale :  x£(aTai  A  481  Ixs^axo  A  1295  (da- 
neben y.EivTai  A  940  £X£ivTO  B  61)  /.Ey.AYjaTa:  A  1128  -re-ovr.ato 
A  752  B  263. 

2.  Beim  Optativ  Präs.  und  Aor.  x/Eyoixxo  A  1005  apapo'a:; 
A  369  ßiwato  A  1236  ■^.rqoxio^-.o  A  841.        ' 


Grammatische  Studien  zu  Apoüonios  Bhodios.  561 


4.    I  n  fi  n  i  t  i  vö  uf  f  ix  e. 


Das  ursprüngliche  Suffix  [j.iva-.  verwendet  unser  Dichter 
nicht  selten  und  zwar 

a)  im  Präsens:  ßatvEjjLsva'.  A  523  'iiJ.[iv>0Li  A  173.  332.  1022. 
1339  B  245.  870.  1074.  1204.  1221  r  362.  457.  1107  A  239. 
377.  684.  814.  987.  1559.  1643  7üaps[j.p.evai  ß  489  ip£GC£[;.£vai 
B  574    IV-svat  A  774   B  684; 

b)  im  Futurum :   ou)^i[j.v/y.:  B  950    saw^qj-sva;  A  837  ; 

c)  im  starken  Aor.  Activ:  äXaAy.s[JL£va'.  ß  262  e7t'.ß7^[j.sva'. 
B  556  r  1236  A  86  avsAeii^svai  A  999  eizeij-evar.  A  766  tot^svat 
B  11    r  355.    A  725    cdo[,.v,ai  A  1360   e^i^-vm  T  332.  1083; 

d)  im  starken  Aor.  Passiv :  oa[j.r,[xsvai  F  480  Tap'x-rjfj.svÄ'. 
r  660    T£p(rriiJ.£vat  T  1390  (Homer  t  98); 

e)  im  Perfect  Activ :  üoecxiiJ.v/x'.  T  619. 

Das  durch  Abschleifung"  der  Endsilbe  aus  [;.iva'.  hervor- 
gegangene Suffix  [j.sv  braucht  unser  Dichter  an  ganz  bestimmten 
Versstellen  und  zwar : 

1.  zumeist  in  der  Thesis  des  vierten  Fusses  vor  der 
bukolischen  Diärese,  meist  mit  folgender  Interpunction : 

a)  im  Präsens:  aOsptuqj.Ev  A  1101  aij,'jv£|j,£v  F  611  A  399 
£TCa[;,uv£(j.£v  A  490    avzc;c£p,£v  A  719    £TC'ßatv£[/£v  A  707.  716   O'.y.a'^eiJ.sv 

A    1105      COy.cJ£[JL£V   A    755     £AaUV£[J,£V  F  1154     £p£GC£[^.£V  A  529    B  533 

£puy.£[;.£v  A  1678    £C'£|j,£v  B  329    i/£6'.£ij.£v  F  476    '[j-cv  A  198  tcai:£i^.£v 
F  1045    y.a'.£ij.£v  F  204    y.o.j.'.j;£iJ.£v  A   1015    T£y,Taiv£[j.£v  F  592; 

b)  im  Futurum  :  7,'.yr,Gi\j.vf  A  1482    '::£'.!j£ij.£v  A  499 ; 

c)  im  starken  Aor.  Activ:  £7:£aO£|x£v  A  197  ij.£-£a6£!j.£v  F  370. 
547    -Äpaay£;j.£v  A   1217. 

2.  In  der  Thesis  des  ersten  Fusses,  bei  der  Hälfte  aller 
Fälle  folgt  Interpunction  : 

a)  im  Präsens:  £[x£v  F  629  A  4  6£Xy£|j.£v  A  436  i[;.£v  A  843. 
1188    F  113.   1176    A  878.  1293    ?c-/£|j.£v  ß  390    X-^0£[;.£v  A  15; 

b)  im  starken  Aor. :  £X6£[j.£v  F  622  A  438  mit  folgender 
Interpunction ; 

c)  im  Futurum:  oü)5£[j.£v  F  767  mit  folgender  Interpunction. 

3.  Am  seltensten  ist  die  Stellung  in  der  Thesis  des  fünften 
Fusses ;  es  folgt  stets  ein  zweisilbiges  Wort  ohne  Interpunction  : 

a)  im  Präsens:  £-aiJ.'JV£iJ.£v  A  843    va'.£;j.£v  A  278.   919.    1038; 


562  Kzach. 

b)  im  Futurum :  ctat^csij.sv  T  769 ; 

c)  im  starken  Aor. :   irAcyiiJ.v/  T  526. 

4.  Endlich  sind  noch  die  F'älle  anzuführen,  wo  der  Aus- 
gang |j.£v  in  Folge  einer  Positionslänge  in  die  Arsis  kommt. 
Dies  beschränkt  sich  auf  IV-sv  A  720  B  540  A  50.  849,  wo  |j,£v 
überall  in  die  II.  Arsis  fällt,  und  auf  ii.EQi\j.e^j  A  280,  IV.  Arsis. 

Darnach  lässt  sich  als  Gesetz  für  den  Gebrauch  der 
Infinitive  auf  [xev  bei  ApoUonios  aufstellen :  Diese  Formen  stehen 
gewöhnlich  in  der  Senkung  des  vierten  Fusses  vor  der  buko- 
lischen Diärese,  ausserdem  in  der  Senkung  des  ersten  Fusses, 
wobei  in  der  Mehrzahl  der' Fälle  Interpunction  eintritt,  nur 
ausnahmsweise  ohne  folgende  Interpunction  in  der  Senkung  des 
fünften  Fusses. 

Betrachten  wir  diesen  Infinitiven  auf  [xsv  gegenüber  die 
auf  £'.v  ausgehenden  (die  Infinitive  des  starken  Aorists  auf  eiv 
mit  inbegrilfen,  doch  mit  vorläufigem  Ausschluss  derer  auf  setv), 
so  ergibt  sich  über  ihre  Gebrauchsweise  Folgendes: 

Auch  dieser  Infinitivausgang  hat  seine  bestimmte  Stellung 
im  Verse:  er  darf  nur  in  die  Arsis  fallen,  ausgenommen  die 
erste  und  letzte  Stelle  im  Verse,  an  diesen  hervorragendsten 
Versstellen  darf  s-.v  auch  in  der  Thesis  stehen  (1.  und  6.  Th.). 

1.  In  die  Hebungen  fällt  der  Ausgang  e-.v  und  zwar: 

a)  in  die  II.  Arsis,  wobei  der  Vers  mit  dem  betrefienden 
Infinitiv  anhebt: 

im  Präsens :  c'/jOüvetv  B  75  tlz^xiwii^i  A  1275  A  1590  teuveiv 
B  868     vai£Tä£iv  A  828.  903     cr^ixa-vs-.v  A  343    cacij-xccsiv  T  478; 

im  Futurum:  v-^Or^Ts-.v  ß  442  ixowsc-.v  A  1119  e^avü-stv 
A  1190  Ao)5Y-c7£'.v  r  874  A  819  viaTy^cretv  F  89  A  561  vwjjiYiaetv 
A  1006; 

in  die  II.  Arsis,  ohne  dass  der  betreffende  Infinitiv  selbst 
den  Versanfang  bildet: 

im  Präsens:  äyE'-v  B  1193  \j.vn:v  A  1257  v^ias-.v  B  501 
zsAE'.v  A  1373    ssps'-v  A  300   B  814; 

im  Aor.  Activ :  ßaXeTv  B  849  A  1467  sXsiv  A  1050  icsTv 
A  1712    [j-oaeTv  B  1223    -ejsTv  A  393    tsxsTv  A  802; 

b)  in  die  III.  Arsis  vor  die  T.z'ff)r,iJ.:\).zp-qc : 

im  Präsens:  aTcoßAtö^xciv  T  1143  o-a-Awsiv  H  629  £;azTi'v 
r  207  iJ.i;j.vä!;e'.v  B  960  vaisxas-.v  V  680.  1134  vaie-.v  A  1744 
csäl^eiv  r   1033; 


Grammatisclie  Studien  zu  Äpollonios  Rliodios.  Ood 

im  Futurum :  avacTv^Citv  A  1349  ava-A-r;ae'.v  A  1323  x^eiv 
B  895.  897    S£(;£iv  A  361    ixapyiffcsiv  B  1049    ?/i;£cv  r  582; 

im  Aorist:  si-eTv  T  26  losTv  T  923  Xi-eh  A  1291  [j.sXeTv 
A  704    £y.-psiJisA£tv  A  1539.  1587    zcpti-f  T  148; 

c)  in  die  IV.  Arsis: 

im  Präsens:  av£,v  A  658.  1316  T  404  ::£[/z£'.v  r  601  -sas-.v 
A  1736    9sps-.v  A  1386; 

im  Aorist:  ßaXsTv  A  596  i/.E'iv  ß  1207  Xi-ksTv  T  799  [j.sAeTv 
A  759    Tr.-'.%=h  Y  536    r.opv.^j  A  590; 

d)  in  V.  Arsis: 

nur  im  Futurum:  äza-Xv^^Eiv  A  15  a7:0AAr,;e;v  A  1353  az;- 
Tp.-o;£'.v  A  1120. 

2.  In  die  Senkungen  fällt  s'.v  und  zwar: 

a)  in  die  1.  Thesis  mit  folg-endem  consonantisclien  Anlaut: 

im  Präsens :  C^-'-v  A  265   [xiij.vc-.v  B  233  vaistv  A  1319  A  547 ; 

im  Futurum:  cwaeiv  F  498. 

Ausserdem  findet  sich  mit  folgendem  vocalischen  Anlaute 
überliefert  in  der  1.  Thesis  IV/s-.v  hl  ar/^ÖEjs'.  A  1723  (so  L, 
Merkel  hyiv^  sv  crrfizcc.),  was  mit  Bezug  auf  B  390,  wo  wir 
'.a/e;j.Ev  in  der  ersten  Thesis  lesen,  in  lT/i\j.vi  v/  ar/^Ösast  zu  emen- 
diren  ist ;  ferner  cy/^sE-v  h  Oj[^.w  F  700,  das  ebenso  in  Gyr,üi\j.v^ 
geändert  werden  muss,  endlich  der  Aorist  i'/Sih  dq  ay.Tac  A  761, 
der  gleichfalls  der  Form  £a6s;j.£v  weichen  muss,  vgl.  das  zwei- 
malige e/M\).v/  an  dieser  Versstelle  F  622   A  438. 

bj  in  der  6.  Thesis  (Versschluss) : 

im  Präsens:  a7sp£j£'.v  A  649  aEiBsiv  A  921  A  249  a£(p£'.v 
A  266  A  65  aÖEp-lEiv  F  548  du.tjxiiv^  F  1105  x-rjvE-.v  F  553.  694 
Büve'.v  A  627  iic-{zrj  A  1208  ipetv/tvi  A  1462  Oaäacrciv  A  1274 
■aOE'.v  A  795  './.ave-.v  A  348  Xs'jgceiv  A  1307  A  575  (x'iuvsiv  B  463 
65eii£..v  A  838    ss^Xetv  B  801    7;:A£;r:E;£'.v  A  408    caivs-.v  B  315; 

im  Futurum :  ä/.j;£'.v  A  585  ä[j.s'./,aAj«l/£'.v  B  583  ava^£'.v  F  29 
07.\}.iüGi<y  A  1654  Ga)S£iv  F  768.  984  £pj;c'.v  A  820  /.oij.'sse-v  A  1705 
T-sE'.v  F  351.  594    •j-aA:;£'.v  F  336; 

im  Aorist:  i~xjpih  A  82  £'Z£'v  A  1511  iXOe-v  A  764  [j.etsaQe'v 
F  438    £vi7-£'v  A  1333   F  685.  917    A  736.  783. 

Ausserdem  findet  sich  einmal  in  der  4.  Thesis  B  1190  saGeTv, 
äTt'  £V!  TTcvTip;  selbstverständlich  muss  hier  £aO£|j.£v  geschrieben 
werden,  vgl.  £-£a6£ij.£v  A  197  ebenso  mit  Interpunction,  dann 
l).zzOM[j.vj   F    370.   547.     Auch  Merkel   bemerkte  Proll.   CXII: 


564  Ezach. 

,ß  1190  edendum  fiiit  ¥)M\j.zv' ,  ohne  dass  er  es  im  Texte 
wirklich  that. 

Im  Ganzen  finden  sich  in  den  Arö-onautika  42  Infinitive 
auf  iJ.v/7.'.,  55  auf  [xsv,  84  auf  s-.v  ohne  die  aoristischen  auf  siv, 
deren  Zahl  29  beträg-t.  Zu  den  letzteren  kommen  noch  die 
Infinitive  auf 

seiv  hinzu.  Da  in  diesen  Infinitiven  eia  Rest  des  Suffixes 
sva;  vorliegt,  so  ist  mit  Recht  von  Renner  in  Curtins'  Studien 
I  2  32  sqq.  behauptet  worden,  dass  sie  ursprünglich  auf  ssv 
ausgingen  (woraus  sich  die  contrahirte  Form  eiv  ergab).  Renner 
zeigt  auch  a.  a.  O.,  dass  bei  Homer  von  102  Fällen  nur  14  vor 
einem  Vocal  stehen  und  zwar  in  der  Arsis,  so  dass  eine  Resti- 
tution nicht  unmöglich  wäre.  Bei  Hesiod  finden  sich  diese 
Infinitive  nur  in  der  eng  an  die  homerische  Sprache  sich  an- 
schliessenden Aspis  vor.  Apollonios  folgte  genau  dem  homeri- 
schen Vorgange:  alle  anzuführenden  Infinitive  kommen  bereits 
im  homerischen  Epos  vor,  bei  allen  diesen  Infinitiven  fällt  die 
letzte  Silbe  in  die  Arsis,  ebenso  stehen  sie  nur  selten  vor  Vocalen. 

In  der  II.  Arsis,  wobei  der  betreffende  Infinitiv  den  Vers- 
anfang bildet,  steht  vor  Consonanten  :  i\j.^oC/dv.v  B  589  s'.aßaXsetv 
A  639  esßaXss'.v  A  826  i^eAs'siv  T  809  Tai^eetv  B  479  ix^u^setv 
A  741; 

in  der  III  Arsis:  Gavietv  A  443  datUevt  T  775  A  854 
TU£G£c'v  A  388; 

in  der  IV.  Arsis :  eavsetv  B  854  T  429  lohvj  A  175  ojv^s-v 
B  616. 

Vor  Vocalen  stehen  derlei  Formen  nur:  in  der  II.  Arsis: 
iBsetv  A  1479  (vor  Trithemimeres  mit  Interpunction),  in  der 
III.  Arsis  vor  der  Penthemimeres  avac/sOsetv  A  876  (vgl.  xjt/z- 
Oee'.v  Homer  =  320)  mit  Interpunction,  in  der  IV.  Arsis  ßaXss'.v 
A  602  6avsstv  r  768  mit  Interpunction,  y.0L\).iv.w  A  19.  Im  Ganzen 
zählen  wir  19  Fälle  solcher  Infinitive,  wovon  5  vor  vocalischem 
Anlaute. 

Nicht  häufig  wird  das  Infinitivsuffix  va'.  gebraucht.  Es 
erscheint 

1.  im  Präsens:  bei  af;va'.  B  1098  eTvat  A  1038  B  22.  31. 
39.  887.  1274   r  507.  603.  713    ?£vai  r  1165.   1173; 

2.  im  starken  Aor.  Activ:  äXwva'.  B  814  ßTjvat  B  341  £-.- 
ß^va;  A  1226    Souva-.  B  1129    A  148; 


Gi:uiimatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  565 

3.  im  starken  Aor.  Passiv:  Z'J.r^-rJ.\  A  1306  oap.v;va'.  T  774 
A  1658.  1676    H-'-T'i^'^'  -^  Hlö.  1164    oav^va-  F  819; 

4.  im  schwachen  Aor.  Passiv:  £v'.y.p'.vOv;va'.  A  48. 

5.  Zur   T  e  m  p  u  s  b  i  1  d  u  n  g. 
a)  Schicacher  Aorist. 

I.  Wir  haben  hier  zunächst  den  Aorist  mit  Doppelsig-ma  zu 
betrachten.  Apollonios  verwendet  eine  ganze  Reihe  solcher 
Aoristformen.  Je  nach  der  Art  der  Entstehung  lassen  sich 
verschiedene  Gruppen  dieser  Aoriste  mit  geminirtem  c  be- 
trachten : 

1.    Bei  Verben   mit   ursprünglich   sigmatischem   Auslaute: 

Homerischem  Sprachgebrauch  entnommen   sind: 

Ep'jaay.c  T  913.  1306  ipüsjai  A  382  B  1282  e^stpusss  B  1039 
epuccap-svoc  A  1250  Ip'jccrafj.cvii  B  102.  931  epu(ja-a;j.£va'.  A  1351 
von  der  W.  Fsp'Js  (ziehen);  indem  frühzeitig  damit  die  \V.  Föpu 
(wahren)  verwechselt  ward,  konnte  auch  hier  Doppelsigma 
erscheinen,  und  so  hat  es  Apollonios  in  spüsjai  A  932  ipuacato 
A  689  wie  die  homerischen  Gedichte. 

s-£;j,xcsaTS  T  106  A  18,  die  Wurzel  war  wahrscheinlich  [j.xc, 
Leskien  in   Curt.  Stud.  II  88  sqq. 

ssca-G  r  1205  a.\).o'.  os  <säpoq  icsa-c  -/.'javEOv,  W.  Fc7,  ej/sc^x-o 
A   1326    y.uiJ.'  äXiacTOv   ioE^^axo  vs'.dG;   oj'iac. 

v^J^Gz  r  150  A  26  v.'jcsai  A  1238,  daneben  -/.üctev  (u)  A  313, 
die  jüngere  Form. 

vaccaTo  A  93.  1356  A  275.  567.  988.  1140  a-evaass  A  1492 
h[Y.!X-hoi.Gavf  r  116  ewäacavio  A  1213  /.aTcvacaaio  B  520.  906; 
W.  vac,  Leskien  a.  a.  0.  87  sq. 

czacc;a(j,£vc;  A  208,  daneben  'iz-y.zt  A  1239  z~iQy.'i  B  924, 
Leskien  90. 

Tpssjsv  A  12  ■j-o-piTcioG'.  A  1050  'jTroTpesaavTOc  A  1507,  W.  Tpscr 
(lat.  tcrs  —  terreo),    daneben  äipssav  A  1522    ürsTpscav   A  1049. 

Zur  Wurzel  aßec  findet  sich,  obzwar  bei  Homer  ein  Aorist 
mit  Doppelsigma  vorkommt,  ein  solcher  bei  unserem  Dichter 
nicht,  sondern  nur  die  jüngere  Form  mit  einfachem  Sigma 
sߣj£v  r  1349    A  668. 

Nicht  der  homerischen  Sprache  entnomnicn  ist  das  hieher 
gehörige 


566  *  Rzach. 

öscrcräjj.svc.  A  824,  von  der  Wurzel  Osa  bitten  (öijjajOa-.  -(ap 
xb  a-.T^crai  y.al  ly.cieucai  Schol.),  Wohl  aber  fand  sich  diese  Verbal- 
form bei  Hesiodos  an  einer  Stelle,  die  uns  das  Scholion  zu 
unserem  Verse  bewahrt  hat :  vS:  'Hsfsso;.  (^eafjiiJ.e-foc,  y£V£y;v  Kasc- 
cociou  y:jiyXi[j.o<.o  (Fr.  IX  Gr.);  auch  Archilochos  gebrauchte  nach 
dem  Schol.  das  Particip  Osccai^-svoi.  Zweifellos  entnahm  Apollo- 
nios  den  Ausdruck  aus  Hesiod. 

2.  Verba  mit  dentalem  Stammauslaut : 

a)  Homerische  Fälle: 

aoXtsaa?  A  863 

a2/U(j(ja[j.cVC(;  A  1209  Y  1349  A  1768  io'Jzzy.\j.iYri  A  669 
a9U3ca[j.£va)v  A  456 

Sa[j.ac7ff£v  B  786.  954  ic<i^7.aae  A  218  B  29.  85  A  450.  542. 
1475    oa[j,ac(7ai  F  395 

SixacjcY)  A  376,  daneben  of/.acrjfj'.  A  347 

£ccac8£  B  1166,  W.  £0 

•/.aSiaraTo  B  947    A  278.  1219 

■/.sassa;  r  378    /.Eaacx'  A  392 

x6[xwc£v  B  146  h,i\).'.Gai  A  556.  1269  £7.o[j.{c:c7a;j.£v  A  1568 
ey.cixtcaav  B  303  A  1501  y.oij.ijsat  B  465.  1129  T  620  A  1106, 
daneben  y.c[j.tJc'.ac  A  1488    >toij.(!7£iav  A  889 

y.T£aTi(j-aTo  B  788    y.a-ay.T£aT'!!:7Yj  F   136 

voGsiGaExat  A  182,  daneben  svoc^t^av  B  793  vGai/iaajji,Yjv 
A  362 

c::a77£  A  167.  326.  722  B  616.  947  A  220.  1220  cxaccav 
A  1351  F  657  cr.dzcr,  B  690  F  909  czä^ca-.;  F  349  c-aaaa;  B  813 
o-äcaai  A  249.  676.  885  F  180,  daneben  ü-^qe  B  32  F  1182 
o-j{ca'.(j.'.  F  132    ozäss'.av  A  1026 

£&0'iwX(7a£tav  A  1720  eooTuXiJcaaöa'.  A  332,  daneben  icptoTcXisav 
B  157  ' 

•äaccacOai  A  1072  zacjai^ivr;  F  790  A  21,  daneben  izasavto 
B  1177  -izy.'.-o  F  807,  von  einer  anzunehmenden  Stammform 
zai,  Leskien   121  sq.  (von  dieser  ward  -jcaTicp-ai  gebildet). 

rSKaGGtv  B  439  ixeXaccav  A  1017  A  1407  ^iXaacav  F  1166 
:rcXac7C7);  F  1041  rShdaar]  B  13  F  1307  ::£Xac5a'.  A  692  B  293 
■;i£Xa!7aa;  B  230,  daneben  rAXacE  A  994    ireXasav  A  637 ; 

TZziJ.-rzizca-o  A  350 

e-oX'.ffjr/  A  178  rSKiczx'.  F  1095  -ziJ.zcxz  A  1472  •:r;X'.jja- 
[xevor  A  1346 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  567 

hpiacoi-co  A  15  5ca-sG)VTa'.  T  604  ©pacrsaceai  T  20.  501.  918. 
933  9p3;7j:t|j.evo'.  A  1362  siCfpacjasOat  T  720  sjix^pajca'.i  1'  698, 
daneben  espdsxxo  A  50.  577. 

b)  Nicht  homerisch  sind  folgende  in  diese  Kategorie 
gehörige  Fälle: 

iOip'.jcrs  ß  488 

sTrapTiffcsiev  A  1210 

flCTiaaö  B  9    ä'T'.ffsav  A  615    itT-isa-.  A  1100 

aüvacsauSa'.  B  682    y.aTXJYasaav-o  A   1248 

YouväciTjai  A  747,  bei  Homer  nur  das  Futur  Youvacop-ai  A  427 
in  der  jüngeren  Form,  natürlich  aber  mit  ä; 

sy.joascao  A  1337. 

3.  Verba  mit  dem  Suffix  ez : 

a)  Der  homerischen*  Sprache  entnommene  Formen: 
ocloiGzocGde  B  1132  (vgl.  aioscOsic  A   1316) 

äpzGCOLv  r  301  ap£Sjäij,Evo^  B  462  F  846  ap£C7c-ä[/.£vot  A  353 
apicffacÖÄ',  r  187  A  246  ^uvapsjcats  F  1100  cjvapeccTaixsv  A  373 
ffuvapssssTS  F  901,  daneben  -iipscrav  A  1110  apj^acröai  St.  apsa  von 
der  W.  ap  gebildet  mit  dem  Suffixe  sj;  derselbe  Stamm  wie 
im  Verbum  liegt  vor  im  homerischen  Vocativ  'Apeq  «pdq,  wie 
schon  in  alter  Zeit  Ixion  las  E  31,  vgl.  das  Scholion  des  Didy- 
mos;  es  ist  die  Fositivform  zu  ap£'!cov,  vgl;  auch  Bekker  Hom. 
Bl.  195    Curtius  Grdz.^  342; 

■/.yXtzzy.  A  666  v/,i\izzx  A  807  IySkzczt/  B  518  7,ot.kzzzx[j.irri 
A  848  A  1114  £/.7:pcy.aA£7sa,aevrj  A  353,  daneben  aY^xAscac  F  1212 
oL^f/.oChizoiizx  F  861 

y.opsccavT'  B   307     xopsctjaixsvci    B    1227,    daneben    xspeatofASv 

F  897 

XoiccaTo  F   1203    Ao=t:ca[xevO(;  F   1030    Xoesjafjivr,  F  860.  877 

v£(y.£!7C£v  A  875,  daneben  veixeccv  A  462 

iÖA£"a  A  1036  o/dzz-r,  A  17  F  689  bXizzaq  F  125,  daneben 
^A£C£   F   660 

£Ta£C!:ac  A  252  A  742.  757  k^azzzTf  B  765  'O.izzxi  F  801 
A  1161.  1276,  daneben  TcA£G£t£v  A  382    t£X£cov  F  131. 

b)  Nicht  homerisch  ist: 

xp/Azzx:  B  1124  £7:apx£cca'.  B  1161;  doch  finden  wir  oft  bei 
Homer  r,py.£ca  mit  kurzem  Vocal,  also  die  jüngere  Form. 

Zu  7Top£vvu[j.'  (St.  c-op£7)  finden  wir  bei  unserem  Dichter 
nur    die    jüngeren    Formen    £::Tcp£7£v    A    1155     z-ipzzx'/    A    405 


568  Ezach. 

BG-ipzca-)  A  1141   cTopscavTc  A  375,  wälirend  bei  Homer  die  Formen 
mit  Doppelsigma  vorlieg-en. 

4.  Verba  mit  dem  Suffix  az,  und  zwar  durchwegs  home- 
rische Bildungen : 

e^eXasccv  A  485    h{i\ixGGT/  A  1171 

Soaffcai  r  955    SoasiraTi  V   770 

eldcGGo^q  B  115  iXacaai  A  356  B  288  T  333  A  211.  1576 
£-cXaffuat  B  797,  daneben  kommen  27  Fälle  mit  einfachem  er  vor. 

ipaaGd\j.tvoq  A  542 

IXacT^at  r  1037 

y.iBaffcev  B  1189  vAoxaco'.'/  T  1360  exsoaffcav  B  1126  xeSacca'. 
B  5,   daneben  aTiScy-sBacev  F  214  «TCoaxeoacsiai;  F  996 

■/.epaucafxevot  A  516  A   1128. 

5.  Einzeln  stehende  Verba. 

a)  Aus  der  homerischen  Sprache 

avuffffai  A  603  TiVDGzx  A  413  daneben  r^vjca  A  1039  r^vucev 
A  1065  yjvucav  A  600  Btr/vu-av  A  935  icavjcrrj  A  1320  £^avj-ai[x'. 
A  897  e^avucsicv  F  188.  788;  das  Doppelsigma  im  Aor.  erklärt 
sich  aus  der  Nebenform  ocvjto),  die  neben  avüto  steht. 

Nach  Analogie  von  ävucaa'.  ist  gebildet : 

Tavucca?  A  993  F  278  A  601.  906  Tavuaaaxo  A  344  B  91 
F  1209  A  1571  Tavu(jci[j.£voi  A  564.  590  xavuacaaevY]  A  771  daneben 
xavuaavTec  A  890. 

Eine  eigene  Stellung  nimmt  ein : 

Sjxoccev  A  797  op-dac-/)?  B  252  hixoGcon  F  714  A  1086,  daneben 
c[j(.oaov  F  699  und  wfjisaev  B  291 ;  am  einfachsten  lässt  sich  die 
Gemination  des  c  noch  erklären,  wenn  wir  mit  Curtius  Verb.  I. 
392  diesen  Aorist  zu  einem  '"-biJ.ölM  stellen. 

b)  Nicht  homerische  Bildungen. 

apoccY;;  F  1053  apiscat  F  497.  Das  alte  Epos  kennt  nur  die 
jüngere  Form  oLpöariq  Hesiod  E.  485.  Nach  richtigem  Sprach- 
gefühl bildete  der  Dichter,  von  der  vorgefundenen  jüngeren 
Form  ausgehend,  eine  entsprechende  ältere  mit  ca. 

Ganz  singulär  und  eine  Neubildung  des  Apollonios  wäre 
oicca-o  F  456.  1189  A  14  owc-ai^svo;  B  1135  F  926,  daneben 
dnaairrjV  A  291  am  Versanftmg.  Das  doppelte  Sigma  ist  durch 
die  Ueberlieferung  von  L  und  G  an  allen  Stellen  durchaus 
gesichert.  Eine  innere  Begründung  hat  die  Gemination  des 
Sigma  nicht.     Da    wir    nun    bei  Homer    ö'laaTC    (i)    a  323  i  213 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Khodioe.  569 

ötffa(ji,£vc;  0  443  vorfinden  und  die  sämmtliclien  bei  Apollonios 
mit  aa  überlieferten  Formen  diese  Gemination  an  ganz  der- 
selben Versstelle  zeigen,  an  der  die  zweite  Silbe  jener  homeri- 
schen Formen  steht,  nämlich  in  der  IV.  Arsis  (bei  Homer 
steht  übrigens  auch  ö'5a[j.£vo;  mit  der  zweiten  Silbe  in  der 
II.  Arsis  1  339),  so  steht  zu  vermuthen,  dass  wir  in  der 
Doppelung  des  i<j  in  der  Ueberlieferung  des  Apollonios  nur 
eine  Aushilfe  zu  sehen  haben,  um  die  Quantität  dieser  Silbe 
gegenüber  wtcajXYjv  A  291  zu  erklären.  Denn  mit  kurzem  '.  findet 
sich  eine  Aoristform  dieses  Verbums  bei  Homer  nicht.  Apol- 
lonios ist  unseres  Wissens  der  Erste,  der  in  diesem  Aorist  das 
'.  als  Kürze  verwendet,  spätere  Dichter  ahmten  es  dann  nach, 
so  z.  B.  ausser  den  p.  448  erwähnten  Fällen  Orph.  Lith.  562. 
563  oicacOa-.  neben  oicaTO  (mit  langem  i  in  der  IV.  Arsis) 
Lith.  123,  wo  Hermann  gegen  die  Vulg.  ciaaaTO  schrieb.  Um 
nun  diesen  dem  homerischen  Musterepos  fremden  Quantitäts- 
wechsel einigermassen  zu  maskiren,  griff  man  zu  dem  Mittel 
der  Doppelung  des  c,  indem  man  einer  falschen  Analogie 
folgend  sich  solche  Verba  zum  Vorbild  nahm,  die  berechtigter 
Weise  in  der  älteren  Form  (mit  ca)  und  daneben  in  der  jüngeren 
(mit  kurzem  Vocal  und  einfachem  u)  vorkommen.  Ob  dieser 
Vorgang  aber  auf  Rechnung  des  Apollonios  selbst  zu  setzen 
ist  oder  aber  auf  die  der  Schreiber,  ist  schwer  zu  entscheiden, 
obzwar  ein  solcher  Fehlgriff  dem  Dichter  schon  zuzutrauen 
wäre.  Für  das  Letztere  scheint  der  Umstand  zu  sprechen, 
dass  er,  diesmal  freilich  richtig,  Formen  wie  apscrav;;  und  apiaoat 
sich  gestattete,  ohne  dass  er  sie  im  alten  Epos  fand,  das  zu- 
fällig nur  solche  mit  einfachem  a  und  kurzem  Vocal  anwendet. 
Hiezu  kommt  noch  die  an  allen  Stellen  coustante  Ueber- 
lieferung. 

IL  Von  den  epischen  Aoristen,  deren  Sigina  (wie  in  mehreren 
griechischen  Dialekten)  zwischen  zwei  Vocalen  total  geschwun- 
den ist,  verwendet  unser  Dichter  nur  homerische  Fälle: 

V.cuo)  A  797  v«£'jaTO  A  1498  aX-jai^.svo;  A  91  F  886  A  lU. 
340  i;x>^^^'.^Ö£  B  339  s^xXsasOai  ß  319.  611  F  466.  600. 

az(jxx    B  540  A  849. 

iyeux  A  367  /eusv  A  34.  613.  648  v/z^x^*  B  851  y.eOav  A  565. 
1067,  woneben  einmal  auch  e/sav  B  902  vorkommt,  das 
Homer  gleichfalls  nur  an  der  einen  Stelle  Q  799  kennt;  weiters 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist    Ol.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hft.  39 


570  Kzach. 

Xsüa-co  r  2\)\     yt\)OL\Jsvoi    Ä    454    ciiyjDX^/  T  320    sTcexsuato    A    268 
y.aTSxejaxo  A  25. 

Neue  Bildungen  dieser  Art  gestattete  sich  Apollonios 
nicht,  er  hielt  sich  streng  an  die  homerischen  Vorbilder.  Wohl 
aber  sei  hier  eines  sonst  bemerkenswerthen  schwachen  asig- 
matischen  Aoristes  gedacht,  der  im  Epos  hier  zum  ersten  Male 
betreffnet,  nämlich  avijpaxo  A  1133.  Diese  Form  entnahm  der 
Dichter  der  alexandrinischen  Redeweise  und  wir  dürfen  es  ihm 
nicht  übelnehmen,  dass  er  etwas,  was  er  im  alexandrinischen 
Dialekt  fand,  einmal  auch  in  sein  Epos  aufzunehmen  sich 
erlaubte.  Derlei  locale  Einflüsse  waren  ja  allezeit  massgebend, 
was  uns  z.   B.  die  griechische  Lyrik  schlagend  beweist. 

III.  Statt  des  dem  schwachen  Aorist  eigenthümlichenThema- 
vocals  a  erscheint  in  der  epischen  Sprache  mitunter  s  oder  o 
in  Folge  Hinüberspieleus  in  die  Analogie  des  starken  Aoristes. 
Bei  unserem  Dichter  finden  wir  nur  mehr  wenige  Spuren  und 
diese  verdanken  ihr  Vorhandensein  gewiss  nur  dem  Bestreben 
des  Apollonios  der  Sprache  des  alten  Epos  auch  in  Details 
möglichst  nahezukommen,  die  alterthümliche  Färbung,  die 
nun  einmal  ihr  zukam,  nicht  zu  verwischen.  Diese  wenigen 
Fälle  sind : 

apcsTs  B  1062,  so  hat  LG,  die  Variante  äpats  haben 
einige  schlechtere  Codd.  (codd.  Regg.  ACE),  denen  Brunck 
folgte.  Wellauer  wies  zwar  die  Schreibung  apaate  zurück,  aber 
er  hielt  jene  Form  für  ein  Futurum,  ebenso  wie  das  gleich  zu 
erwähnende  öpcsTS  B  1067 :  ,utroque  loco  meliores  et  plures 
libri  futurum  praebent,  quod  pro  imperativo  saepe  poni  potissi- 
mum  est/  Ein  Futur  apcw  jedoch  kommt  in  der  epischen  Sprache 
nicht  vor,  wohl  aber  lesen  wir  bei  Homer  den  Imperativ 
Aoristi  äpcov  B  353  (Indic,  äpce  o  45  Partie.  äpc(xq  A  136  u.  s.), 
wovon  Apollonios  an  der  genannten  Stelle  den  Plural  bildete; 
bei  Homer  haben  wir  den  Themavocal  z  ebenso  im  Imperativ 
ä^cTc  r  105  Ü  778  ^  414.  Für  die  Auffassung  jener  Form 
als  Imperativ  und  nicht  als  Futur  spricht  endlich  auch 
der  Umstand,  dass  wir  in  der  nächsten  Nähe  V.  1061  und 
1063  die  Imperative  ipscGst'  und  opvjT'  vor  uns  haben;  dies 
Moment  schliesst  zugleich  die  Annahme  aus  ä'pccxs  sei  Con- 
junctivus  adhortativus  mit  kurzem  Modusvocal.  Ebenso  ist 
aufzufassen 


Grammatische  Studien  zxx  Apollonios  Kbodios.  571 

zpzz-:e  B  1067,  wie  L  von  erster  Hand  bietet,  die  zweite 
Iland  hat  ein  a  über  das  t  g-eschrieben  und  '6pay.-z  hat  Gr.  Dieser 
Imperativ  hat  sein  Analogen  an  äpcsts,  mit  welchem  er  in  einer 
und  derselben  Partie  steht.  Bei  Homer  kommt  dieser  Plural 
gleichfalls  nicht  vor,  wohl  aber  der  Singular  öpTso  T  250. 

Ausser  den  beiden  genannten  Fällen  findet  sich  der 
Themavocal  £  für  a  nur  vereinzelt,  und  zwar  zunäclist  in 

£-£ßiQ(j£TO  A  458 ;  so  steht  in  L,  Merkel  schrieb  aber  mit 
Recht  £-£ßY;5aT0  analog  den  anderen  Stellen,  wo  £-£ijr,(7a':3  im 
selben  Sinne  überliefert  ist  T  869.  1152  (ß-/-ja-o  A  382  T  889. 
1237  A  1663),  festzuhalten  ist  dageg-en  die  von  L  und  G 
überlieferte  Form  ij.£T£ßY^(7£To  A  1176,  vgl.  die  Note  Merkel's 
zu  d.  St. 

£0J7£T0  A  63  oCkk  äppr,*/.To;  ä/.a;a7:to^  £ou(j£-o  vüiOt  Yair,c,  aber 
ic'jjax;  A  865  'q  y.al  £'::£it'  a{c-/;Xc;  icücaTo  ßivOiX  Tcivtcu;  Merkel 
bemerkt  gut  ,credibile  est  diasceuasten  Apollonii  consulto  A  63 
scripsisse  £0'jc£to,  äv:-.  toü  TrapaTaT'.y.oü,  schol.  11.  B  35,  hoc  autem 

loCO    £0'J(jaTO^ 

Endlich  ist  zu  erwähnen  T^ov,  als  3.  Pers.  Plur.  Indic.  Aor. 
A  184.  661.  1396  nach  homerischem  Vorgange  E  773  K  470  S  433. 

h)  Futurum. 

Hier  sind  nur  zwei  Erscheinungen  bemerkenswerth :  1 .  das 
sigmatische  Futurum  mit  doppeltem  Sigma;  2.  das  sogenannte 
asigmatische  Futurum  betreffs  des  Verhaltens  der  coutractions- 
fähigen  Vocale. 

Futura  mit  Doppelsigma  finden  wir  analog  den  betreflPenden 
schwachen  Aorist  folgende : 

1.  bei  Verben  mit  dentalem  Auslaut:  x-i:;7ti  F  181  oxij.iczn'. 
r  353  oociiizG-.v,  A  1654  ov/.iz-ti  A  1117  Y.z^.izzi^  A  419  B  637 
vi5cp(jjoiJ.a'.  A  1108  b-xccbi  A  1109  szassct?  F  75  b7:iccv.  B  1224 
(^aber  sTcä^w  F  142)    opac7s-5[j.£6'  F  183    rj[j.cpiGGz.-:y.'.  F  87; 

2.  bei  Verben  mit  dem  Suffix  £s:  ir.ap-Aiccvy  B  1049 
T£X£cc£i?  F  418; 

3.  bei  Verben  mit  dem  Suffix  uz :  'rxGzizO:^:  B  747  iwäffsivca'. 
A  1751. 

Die  Futura,  bei  denen  in  Folge  Ausfalls  des  urspr.  a 
zwischen  zwei  Vocalen  diese  letzteren  zusammenstossen,  bleiben 
im  Activ  regelmässig  uncontrahirt  und  zwar: 


572  Kzach. 

aYYsXeovte;  B  13G  i^spsw  A  797  V  172.  1084  A  1558 
xpavesi  A  404  o-.a/.pivesi  F  1129  oTpuviw  B  803  OTpuvse-.  A  499 
e-OTpuveijff«  A  1115  -opcjvsstr  T  1129  Tuopcavicus'.v  F  1124  iropca- 
vis-jsa  A  428    cryj[;,avi£'.v  A  361.  414    A   1379    TSAeojs-.v  A  488. 

Auch  im  Medium  ist  das  Offenbleiben  der  zusammen- 
stossenden  Vocale  Regel :  e-iopayi£c6a[  A  373  ÖavisGÖat  B  62(3 
y.xp.e376xt  V  580  x^AiaOx'.  B  618.  1135  ev^^Aig^x^  A  1309.  Die 
einzige  Ausnahme  bildet  TiXstcOa'.  A  895  im  Versschluss,  nach- 
gebildet dem  homerischen  Vorgange  <]/  284,  wo  wir  TsXsTcOai  an 
derselben  Versstelle  bereits  vorfinden,  während  sonst  wie  bei 
Apolloniüs  xe\izzbx'.  begegnet  z.   B.  B  36    o  664. 

6.    Z  n  r    M  0  d  u  s  b  i  1  d  u  n  g. 

a)   Conjunctive  mit  kurzem  Modusvocal. 

Diese  Reste  ursprünglicher  Conjunctivbildung  sind  bei 
Apollonios  natürlich  nur  mehr  spärlich  vertreten,  da  er  sie  als 
reine  Antiquitäten,  die  eben  mit  zum  Apparat  der  epischen 
Sprache  gehörten,  verwendet.  Alle  die  Conjunctive  mit  kurzem 
Modusvocal  repräsentiren  nichts  anderes  als  Conjunctive  zu 
nicht  thematisch  gebildeten  Indicativen.  Aus  der  Fülle  derartiger 
Erscheinungen  einer  alten  Sprachperiode,  wie  sie  in  der  home- 
rischen Sprache  vorliegt,  griffen  die  späteren  gelehi'ten  Epiker 
nur  noch  da  und  dort  etwas  heraus,  um  sich  doch  äusserlich 
nicht  gar  zu  sehr  vom  Kanon  des  Epos  zu  entfernen.  Die 
genannten   Conjunctivbildungen  finden    sich 

a)  bei  Verben  nicht  thematischer  Conjugation  und  zwar: 

1.  im  Präsens.  Apollonios  gestattet  sich  nui'  zweimal  die 
Verwendung  der  homerischen  Form  l'op.iV,  einmal  mit  langem  i 
A  872  im  Versanfang,  wie  Homer  B  440  1  625,  und  einmal 
mit  kurzem  -.  ceOp'  h\).t')  V  25  wie  Homer  z.  B.  Z  526-, 

2.  im  starken  Aorist.  Auch  hier  haben  wir  nur  zwei 
Formen  zu  verzeichnen  StüC|ji.£v  A  1335  wie  Homer  z.  B.  H  351 
und  O£io[x£v  A  360  wie  Homer  z.  B.  A  143  W  244  v  364  u.  s. 
In  dem  zweiten  Falle  war  die  Schreibung  mit  st  die  allgemeine 
Ueberlieferung  der  alten  Homer-Exemplare,  wahrscheinlich  her- 
vorgerufen durch  Missverständniss  der  alterthümlichen  Formen 
zur    Zeit    der    Alpluil^etumschreibnng ;    statt    des    in    die  Texte 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Rlmdios.  573 

eingedrungenen  s;  stand  hier  wie  in  anderen  Aoristen  der  Art 
ein  r,,  indem  der  Stammv^ocal  die  ursprüngliche  Länge  bewahrte, 
vgl.  hierüber  Ciirtius  Verb.  I  195  II  59  sqq.  besonders  II  03. 
Besonders  beinerkenswerth  scheint  uns  der  Umstand  zu  sein, 
dass  Apollonios  die  beiden  genannten  Formen,  da  sie  ihm  als 
reine  Antiquitäten  wohl  ziemlich  unverständlich  waren,  nur  am 
Versanfang  (die  angeführten  Homer-Stellen  nachahmend)  und 
auch  nur  im  ersten  Buche  seines  Epos  verwendet  hat  (ebenso 
wie  das  berührte  ioiJ.v/,  während  das  Homer  geläufigere  "ojj.sv  (Vj 
in  einem  späteren  Buche  vorkommt).  Das  letztere  gilt  auch  von 
den  bei  dieser  Gelegenheit  mit  zu  erwähnenden  Formen  yvoKos-. 
A  661  (Homer  z.  B.  A  302 j  und  Bwwc.  A  898.  1293  (Homer  z.  B. 
A  137),  die  mit  Uebergang  in  die  thematische  Conjugation  ge- 
bildet sind,  den  Stammvocal  aber  gleichfalls  in  der  ursprüng- 
lichen Länge  zeigen. 

b)  bei  Verben  mit  sonst  thematischer  Bildung: 
1.  im  Präsens.  Hier  liegt  bei  unserem  Dichter  nur  ein 
scheinbarer  Fall  vor.  Sicher  finden  sich  bei  Homer  Spuren 
von  Conjunctiven  thematischer  Verba  mit  kurzem  Modusvocal 
im  Präsens  (vgl.  Stier,  Curtius  Stud.  11  138  und  besonders 
Curtius  Verb.  II  72  sq.),  obzwar  ihre  Existenz  mehrfach  ange- 
griffen worden  ist.  Darnach  könnte  man  allenfalls  der  Ansicht 
sein,  dass  auch  bei  Apollonios  ein  solcher  Conjunctiv  vorliege 
in  R  1049,  wo  Amphidamas  zu  den  Argonauten  spricht:  iWi 
tr/  ä'XAr^v  i/r^Ttv  zopjjv(«)[/Ev  sTitppcOov,  z'(  x'  i'^rr/.eXsai  [/saXcTS, 
*h'.v?;o;  ;;.iij,v/;[j.£vot,  w;  sttstcXXsv  (L  iJ.ikXeiOL'.).  Einen  Indicativ 
nach  £1  •/.'  zu  vertheidigen  wird  Niemandem  einfallen.  Bei 
Homer  Hesse  sich  damit  vergleichen  5  672  w;  3!v  i-'.G[j:j^(tpC')^ 
•nj-iu.tTX'.  thf/.y.  zTiTpic,  hier  ist  jedoch  wahrscheinlich  vauT'XAiTa; 
Aorist,  indem  entweder  nach  Peach  vauifAiTai  zu  schreiben 
oder  nach  Stier  Stud,  I  138  jenes  als  äolische  Bildung  zu 
fassen  ist  wie  ossXXsisv  0  651.  Wir  hätten  es  also  mit  einem 
Conjunctiv  Präs.  ixiKKt-i  zu  thun.  Da  sich  nun  aber  keinerlei 
Vorbild  hiefür  bei  Homer  finden  lässt,  so  kann  ich  nicht 
glauben,  dass  Apollonios  auf  eigene  Faust  einen  solchen  Con- 
junctiv gebildet  haben  sollte;  vielmehr  steckt  in  der  Ueber- 
lieferung  ein  Fehler :  für  ■/.'  ist  nämlich  mit  leichter  Aenderung  7' 
zu  schreiben,  was  ganz  wohl  zum  Sinne  passt.  Damit  ist  der 
Schwierigkeit  einfach  abgeholfen. 


574  Rzach. 

2.  Im  schwachen  Aorist.  Hier  sind  zunächst  die  Reste 
kurzvocalischer  Bildungen  bei  den  sig-matischen  Aoristen  zu 
betrachten.  Dass  auch  diese  alte  Formen  —  Conjunctive 
primärer  Bildung  zu  sigmatischen  Aoristen  ohne  Thema- 
vocal  —  sind,  kann  jetzt  Niemand  mehr  in  Abrede  stellen, 
vgl.  Westphal  Method.  Gr.  I  2.  266  sqq.  Curtius  Verb. 
II  259.  Da  diese  Formen  dem  Verständnisse  der  alexan- 
drinischen  Grammatiker  äusserlich  doch  näher  lagen,  als  die 
früher  erwähnten  Conj.  Präs.  und  des  starken  Aorists,  so  ver- 
wendete sie  Apollonios    auch    etwas  öfter  als  jene,    und  zwar: 

A  665  jjjiwv  o'  £1  T'.;  apstov  s'-o;  [j-Yj-ciasTat  ö/.Xyj,  h(pea^ii)-^ 
IJi.v|Ticr£Tai  ist  als  Conjunctiv  zu  fassen,  da  hier  tl  statt  d  y.e  steht, 
wie  öfter  bei  Homer  und  auch  den  Attikern. 

A   1332  AtccvioTj,    \j:r,  [j,o(   t'.    /oXwcea;,    aopaBiYjGiv    et   v.   Tcsp 

B  1073  ü)?  o'  cx£  Tt«;  y.cpaixw  /.aTcpsti/STac  epy.iov  avv^p  x-A. 
r  570  atap   auTOt    etüI  '/Oovbg   sy.  'kot:ix[xoXo   aiJ.cpaobv  y^Sy)  'Kt'.Gi).(xx'' 
ava4'0[X£v,    voraus    geht  der  Imperativ  'Äp^s;   [J-v/   Tcapa   vr/oc  .  . . 

CX£/xA£gO(0. 

r  909  C9pa  xa  [;.ev  oa(76[ji.£cOa  [/£-a  ^v.giw,  d  y.vj  oTia^ar)  cwpa 
(pspwv,  xoj  o'   aOx£  y.ay.wxEpov  aAAo  •i:6pw[J.£v  c;ap[xay.ov. 

A  182  'Kcpl  Y^P  0^'^'^  ^^pi^  ^  I-'-'O  "^f?  avopoiv  vj£  6£Öv  vo(7(pi(j<j£xac 
avxißsArjcac. 

A  438  Sifpa  Soaov  GU!Ji,cppac(j£X3!i  /.XA. 

A  831  [J/f^rw;  cp.epcaAsr^G'.v  i-ai^aca  y^'^'J'^'-''  )v£y.xcuc  Y;pa)wv 
ov)A-r^(7£xa'.  (ilxjAAy;)  vgl.   Homer  0  444. 

Möglicherweise  liegen  derartige  Conjunctive  auch  vor: 

■A  417  Gc\  o'  Äv  otc'Iggw  TÖcfftov,  5j!J0'.  y.£v  vcsxiQaciJ.sv,  ayAxa 
xaupojv   ipa  ^äXtv  ßa)|xo)  £7ci6((](jO[j.£v. 

r  901  y.at  o£  X£  cijv  zsAEeactv    ov£{2giv    ol'xao'   ixotcOe    Y;[;.axi  xw, 

£1    [J,0'.    C'JVap£(ja£X£    X-/^VO£    p.£VOlV/^V. 

A      1418      0£{^XX'      ££A0i|JI,£V0'.7lV      £VlOTCaSl?      ä'[X|JL'.      !paV£lCa'.      YJ      XIVX 

■7r£xpaiY;v  /üctv  uoaxo?,  ■/)  xiva  vai-^^  lepbv  exßXüovxa,   Osal,  poov,  w  azb 
ct'|av  a'.Oo[;.£vr/^  ä[j,oxov   A(ji)(p'<^co|x£V. 

Ausser  den  genannten  sigmatischen  Conjunctiven  begegnet 
uns  bei  Apollonios  auch  noch  der  interessante  Fall  eines  Con- 
junctivs  mit  kurzem  Modusvocal  von  einem  nicht  sigmatischen 
Aorist.  Wir  lesen  nämlich  V  25  sq.,  wo  Here  die  Athene 
auffordert,  mit  ihr  zu  Kypris  zu  gehen: 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Khodios.  575 

oeup'  \o\).t^  [).ixa.  Ku-ptv  •  £T'.~Xc|jL£va'.  Se  uav  äp-sw 

IZOLiol    £(0    £?7C£Tv    0  Tp  J  V  0  ;j.  £  V  ,    otl'  •/.£    ziO-rjTa'. 

y.O'jpYjv  A'liQTEü)  7:oA'jcpäp|j.a/.cv  eist  ߣA£as'.v 

6£Aca'.  ctG'T£'j!7ai;  stc'  Tr^aovu 
Dem  Schreiber  des  Laur.  steckte  die  landläufige  Form 
zzp'xKo\j.vj  SO  in  der  Feder,  dass  er  die  Forderung  des  Metrums 
nicht  beachtend  sie  niederschi-ieb  (dies  haben  auch  Vi'at.  Viud. 
Wellauer).  G  bietet  die  richtige  Schreibung,  Oft'enbar  ward 
Apollonios  durch  das  vorausgehende  ic[;.£v  bewogen,  in  dem 
unmittelbar  folgenden  Conjunctivus  adhortativus  ebenfalls  eine 
solche  Form  mit  kurzem  Modusvocal  anzuwenden ;  keineswegs 
aber  ist  etwa  daran  zu  denken,  dass  hier  etwa  ein  Conjunctiv 
Präsentis  vorliegt.  Uebrigens  hätte  wohl  unser  Dichter  die 
Form  überhaupt  nicht  gewagt,  wenn  er  nicht  bei  Homer  eine 
ähnliche  vorgefunden  hätte  w  89 

:tc  y.£v  zot'  azo(p8i|ji,£vo'j  ßai'.A'^oc; 
'(wvvuv-ai  T£  v£0!.  y.x\  £7:£ VT'jvovxat  a£6Aa. 
Mit  Kecht  fasst  Curtius  Verb.  II  262  evTjvoviai  nur  als 
Conjunctiv  Aor.  (vgl.  £vrjv£a'.  ^  63  mit  kurzem  Modusvocal)  und 
nur  so,  als  Conj.  Aor.,  wird  man  auch  unsere  Form  ansehen 
können,  da  ausser  dem  ganz  und  gar  berechtigten  h\j.z'f  eine 
andere  derartige  Bildung  im  Präsens  nicht  begegnet ;  man  muss 
daher  zugestehen,  dass  Apollonios  in  diesem  Puncte  richtiges 
grammatisches  Gefühl  bewiesen  hat. 

h)   Optativausgänge  ivi  schwachen  Aorist  Actlv. 

In  Betreff  der  Ausgänge  der  2.  und  3.  Pers.  Sing,  sowie  der 
3.  Pers.  Plur.  können  wir  bei  unserem  Dichter  eine  feste  Regel 
hinsichtlich  der  Gebrauchsweise  constatiren.  Apollonios  begünstigt 
weitaus  die  volleren  Ausgänge  auf  v.y.z  £t£  etav;  Optative  mit  dem 
Ausgang  a».;  oder  a:  (a'.£v  kommt  überhaupt  nie  vor)  sind  spärlich 
und  mit  einer  einzigen  Ausnahme  an  eine  feste  Stelle  im  Verse, 
den  Versschluss,  gebannt.  Während  bei  Homer  und  Hesiod  jene 
volleren  Formen  nur  den  Vorzug  geniessen,  viel  häufiger  ange- 
wendet zu  werden  als  die  anderen,  ging  der  gelehrte  Epiker 
schon  weiter  und  schuf  sich  eine  eigene  schärfere  Norm. 

Die  Fälle  sind :  ava-A-/;j£ia;  A  365  äviiacsia;  A  806  'j.~z- 
cy.£ca7c;x;  Y  996  iprjvE-.a?  1^  698  £;j,-A-(iJ£'.a;  A  429  y.z\t.'.^v.yiz  A  1488 
lJ.£TaßA£dy£'.a;  A  726  ; 


570  Rzach. 

aYYeiAstcv  A   1122    a6p-/,G£t3  A  467    OL-n-i-fz'.vi  Y  821    avT-.ass-.sv 

■  r   588.    694.    1337     ai^ciev   A    1507     a-oUv^^etsv   A    1154   A  767 

ot.izo-'kä-^'^v.v)   A    1220     iTrapTi'aasicV    A    1210     £7:oTp'jvs!cv  A  429     £-'.- 

ßp{(j£t£v  A   1157     £7rtT:v£uff£i£  A  423     ^Tnov.v)  r   188.  788    cr;£'.£ 

A  1658    £p-0Tua£i£  A  171    iOüc£icv  B  950   T  629.  652    •/.•jpc£i£  B  980 

Vl({^£t£V     A     588       V0Crr/^(7£'£     r     468       OTpÜV£l£     A     382       -a'J5£t£V     A     714 

T£X£c:£i£v  A  382    xictivi  r  75    fStaetEv  r  460; 

a|j.üv£iav  ß  440  aiJ.Trv£6c7£tav  A  1264  avTiac£'.av  V  588.  694 
A  1057  äva~AY^a£'.av  A  342  a7rocp0':a£iav  A  1292  liOLX\}:r^zv.ct-)  V  1047 
SY](0(7£iav  A  244  £}affC7£'.av  B  265.  558  I'  597  A  386  iaoTCAfaffc-.av 
A  1720  xoixtffEiav  A  889  XücEcav  A  903  0TAr^(7£uv  A  1 227  •  OTraG£tav 
A  1026    p:c£tav  A  619. 

Die  kürzeren  Endungen  ai;  und  ai  begegnen  nur  am  Schlüsse: 

«YEipai?  A  893    OTuacaat?  T  349; 

avucaai  A  603  Soaccai  V  955  £YYuaX(bt  B  446  \>.'jxr,aoLi  B  471. 
Die    einzige    Ausnahme    bildet    br.ooMooL'.q    T    435,    das    seiner 

metrischen  Beschaffenheit  nach    (- )    nicht   am  Versende 

stehen  konnte. 

7.    V  e  r  b  a    p  u  r  a. 

Die  Verba  pura  auf  aw  em  und  ow  erscheinen  im  epischen 
Dialekte  in  drei  bekannten  Formen:  mit  offenen  Vocalen,  mit 
Assimilation  und  endlich  mit  Contraction  derselben.  Apollonios 
folgt  im  Grossen  und  Ganzen  wiederum  den  homerischen  Vor- 
bildern. Einzelne  Abweichungen  haben  allemal  ihren  besondern 
Grund.  Bei  solchen  Verben,  die  bei  Homer  nicht  vorkommen, 
sucht  sich  unser  Dichter  stets  wenigstens  an  die  zunächst  liegenden 
homerischen  Muster  anzulehnen. 

Ä)    Verba  auf  aw. 

a)  Offene  Formen.  Diese  sind  verhältnissmässig  nicht  sehr 
häufig.  Von  den  Verben,  die  bei  Homer  offene  Formen  auf- 
weisen,   finden  wir  bei  unserem   Dichter  nicht  contrahirt: 

Yoxouciv  r  995  £7:f/.p3!$äovTÄ?  A  552  (bei  Homer  wenigstens 
xpa^Äwv  öfter,  z.  B.  H  213)  vatETaei  T  313  vaiEiaouc.  A  799.  S26. 
831.  942  (so  L)  B  377.  395.  1016.  1205  r  1092  A  275.  792 
vatexaovTo;  F  991  -£ptvat£T3£0VT£<;  A  229.  941  ß  909  vai£T«£-v  A  828. 
903    r  680.  1133    TvjXeeaovta  A   1425    £Z£/pa£v  (angreifen)  V  431 


Grammalische  Studien  zn  AfoUonios  Rhodios.  577 

£TCs/paov  B  283.  498  ^  508  (vgl.  Homer  II  352.  356  ß  50,  an 
welch'  letzterer  Stelle  übrigens  Aristophanes  i-f/pwv  las). 

Zu  diesen  Verben  kommen  zwei  hinzu,  die  wir  mit  offenen 
Vocalen  zwar  nicht  in  der  Ilias  und  Odyssee,  doch  aber 
wenigstens  in  den  homerischen  Hymnen  vorfinden:  ekiM  Y  411 
eXaouca  T  888  sXaovxc?  B  80.  402  iXaovta?  B  575  durchwegs 
Präsensformen,  das  nächste  Vorbild  ist  eXacov  im  Hymn.  Herrn. 
342;  hiezu  kommt  l-iy.uBiast;  A  383  (so  LG),  womit  zu  ver- 
gleichen ist  xuotxouffai  im  Hymn.  Dem.  213. 

Nicht  der  homerischen  Sprache  gehören  aber  an  die  offenen 
Formen : 

avTtasi  A  1675  avTtaotxe  B  804  cKiaei  A  604  criaXaei  A  1064 
iz'.-zpoyiti  A  1266  izt-rpoyatov  A  1606  yyoiov-oL  B  779  /voaovtac 
B  43  £zr/voao6aY)  A  672  v/jpoLv>  (Orakel  geben)  B  454  A  257, 
wogegen  freilich  i/pv]  A  302  am  Versanfang;  mit  s/pasv  ist  zu 
vergleichen  das  pindarische  'iypoLow  Ol.  VII  92. 

b)  Assimilation.  Die  weitaus  grösste  Zahl  der  Verbal- 
formen dieser  Zeitwörter  gehört  hieher.  Wir  betrachten  zu- 
nächst 

a)  die  progressive  Assimilation. 

Diese  ist  bei  Apollonios  fast  nur  auf  die  Infinitive  Präs. 
beschränkt.  Von  sonstigen  Formen  sind  zu  nennen  nur  0Y;p'.ä- 
acOov  ß  89  der  homerischen  Sprache  entnommen  (M  421),  und 
eii:t[j.£iBiaa;  T  129,  wie  in  L  überliefert  ist.  Doch  möchte  ich  im 
letztern  Falle  i'K'.\j.tio:y.z{q  schreiben  (so  haben  einige  schlechte 
Codd.,  tres  Regg.  W.),  da  Apollonios'  Vorbild  der  Hom. 
Hymn.  X  3  gewesen  zu  sein  scheint:  s?'  tjj.spTw  ck  ■Trpo^wTCw  aisl 
[j.v.o'.ie'.,  während  bei  Homer  selbst  nur  das  Particip  vorkommt. 

Von  activen  Infin.  Präs.  gehören  hieher  vier  auch  schon 
bei  Homer  begegnende:  avTtaav  A  971  c(sopaav  V  679  eXaav 
A  101  ~ipiy.')  A  496 ;  in  drei  Fällen  folgt  ein  consonantisch 
anlautendes  Wort,  nach  IXaav  aber  ein  vocalisches,  und  es  ist 
av  lang.  Daraus  ergibt  sich,  dass  Apollonios  überall  die  Länge 
der  auslautenden  Silbe  als  die  ihr  zukommende  Quantität 
ansah;  jedoch  ist  zu  beachten,  wie  vorsichtig  er  hiebei  vorging: 
es  findet  sich  nämlich  die  fragliche  Silbe  bei  ihm  nur  in  der 
Arsis  des  3.  Fusses  vor  der  Penthemimeres,  nach  avttaav  und 
eiscpaxv  ist  auch  Sinnespause  und  Interpunction,  ein  Beweis 
dafür,  dass  ihm  die  Länge  der  Silbe  doch  als  nicht  ganz  sicher 


578  Bzach. 

erschienen  sein  muss.  Aus  der  Stellung  im  Verse  allein  lässt 
sich  übrigens  auch  bei  Homer  die  Länge  des  av  nicht  erklären, 
jedenfalls  wirkte  hier  eine  Verschiebung  der  Quantität  mit, 
indem  die  Länge  des  ersten  a,  die  ihren  Grund  in  dem  Aus- 
fall des  ursprünglichen  j  hatte,  auf  das  Zweite  überging. 

Von  medialen  (resp.  passiven)  Infin.  sind  zu  nennen: 
avT'.aacröa'.  B  24  cuvccptaaaOai  A  328  cüyiTaaaOai  A  588  e'i/'.axsOa'. 
r  950  iJ.r,v.doLa(i7.i  B  1278  T  506.  743  eicopaaaöat  B  37  T  815. 
960  -aA'.vxpo-xaacOa'.  A  165.  Mit  Ausnahme  des  letzten  sind  alle 
homerisch,  nur  avitaacOai  braucht  Homer  zwar  nicht,  doch  aber 
die  ebenso  gebildete  Form  avxtäacOc  ü  62  (Bekker  -^vt.).  Aber 
auch  z^'hvnpo-do'.caoi'.  hat  Apollonios  gewiss  aus  Homer  ent- 
nommen: wir  müssen  nämlich  vermuthen,  dass  er  es  in  seinem 
Horaerexemplar  11  95  las,  wo  unser  jetzige  Text  aXXa  Tra/av 
TpoJTracÖat  bietet;  das  gleich  im  folgenden  Verse  96  vorkommende 
cr]piaacOai  weist  auf  jene  Leseart. 

ß)  Regressive  Assimilation. 

1.  Die  ursprüngliche  Länge  des  ersten  Vocals  (die  in 
dem  Ausfall  des  j  begründet  ist),  erscheint  in  den  bereits  bei 
Homer  vorkommenden  Formen:  jj-vwovt'  B  862  qxvwovTO  A  518. 
1073  (zu  iJ.vy.o\j.<xi)  5  hier  ist  die  Assimilation  an  den  folgenden 
0-laut  ganz  in  der  Ordnung;  allein  Apollonios  bildete  neu 
einen  Imperativ  [xvcoso  A  896  T  1069,  eine  Form,  in  der  das 
w  gar  keine  Berechtigung  hat,  da  hier  eine  Anlehnung  und 
Assimilation  an  einen  folgenden  0-laut  factisch  ja  gar  nicht 
möglich  war. 

Ausserdem  finden  wir  A  1255  in  der  hdschr.  Ueberlieferung 
IxsvoivowvT«;  oXscOa;,  das  im  Hinblicke  auf  Hom.  N  79  [j,cV5ivü)a) 
zweifellos  in  ixsvo'.vwsvia?  zu  bessern  ist.  In  der  Handschrift 
haben  die  beiden  0-laute  die  Plätze  vertauscht;  [j.evotvwwvTa; 
mit  Merkel  zu  schreiben,  dafür  liegt  kein  zwingender  Grund  vor. 

Für  unsere  Schreibung  in  dem  genannten  Falle  spricht 
vielmehr  die  Formation  eines  weiteren  hieher  gehörigen  Ver- 
bums, die  der  Dichter  ohne  homerisches  Vorbild  braucht:  at/wwv 
r  1382  und  a[j.wovTo;  Y  1187,  wie  LG  übereinstimmend  bieten. 
Merkel  bemerkt  hiezu  ,a[j.o)(.)VTOc  editum  vellem',  ohne  dass  er 
jedoch  es  wirklich  zu  thun  wagt. 

2.  Regressive  Assimilation  mit  Umspringen  der  Quantität 
ist  die  allergewöhnlichste  Erscheinung.   Wie  bei  Homer  ist  sie 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Bhodios.  079 

auch  bei  Apollonios  in  reichstem  Maasse  angewendet  und  zwar 
entnahm  er  zumeist  die  betreffenden  Verbalformen  der  homeri- 
schen Sprache,  jedoch  bildete  er  nach  diesen  Vorbilden  auch 
assimilirte  Formen  von  Wörtern,  die  bei  Homer  noch  nicht 
vorkommen. 

Die  einzelnen  Fälle  sind :  In  der  3.  Fers.  Flur.  Indic. 
Fräs.  Activi:  äv-iöwciv  A  405.  703.  717.  859  aayaAcwff-.v  B  988 
-tpzMcvj  A  461  sTi/cojj'.v  A  30;  Medii  (^Fassivi)  or,p'.6wvTat  A  1729. 
1772  eüysTCtovTat  B  359  s^i'iwvTai  A  459  [rrj/avötovia'.  B  1020  tho- 
pcojvTa-.  A  85  u'äc^y.iiwvxai  A  451 ;  von  allen  genannten  Verben 
kommt  bei  Homer  entweder  dieselbe  Form  vor  oder  aber  eine 
andere  mit  derselben  Art  der  Assimilation  gebildete.  Nicht 
homerisch  sind  /.aTrviowiJiv  B  131   i;.y)v[ca)civ  B  247. 

Optativ  Fräs,  aviicwto  A  470  T  1406  opäwxo  A  814;  nur 
der  letztere  Optativ  liegt  bei  Homer  vor  in  cpiw-re  A  347. 

3.  Fers.  Flur.  Imperf.  Medii:  ß-.ctovTO  A  751  eceixavcwvTO 
A  884  ecp'.iwvTo  A  330.  530.  671.  1344  euxstswvto  A  189.  231 
B  1173  A  1360  i'hiöorno  B  811  T  118  rr;opli^'no  B  1226  T  168 
layavöojvxo  B  864  qxrj/avctovxo  A  527  opowvto  F  503  siJopotovTO  A  975 
ec-7>vTo  A  1227  A  1181. 

Nicht  homerisch  sind :  oiy^öiiyno  A  1616  TraXivipozioivio 
A  643. 

Fartic.  Fräs.  Mascul.  aiJ-sasiwv  B  199  avi'.owvxoc  A  836 
«vT'.owvTa  A  1214  avTiowvTE;  A  998  B  69  F  1298  A  1206  avxiöwvTac 
r  416  asxaXcwvxo?  B  243  asxaAsojvx-.  B  498  A  1278.  1703  äa/a- 
Aiwvxa  r  433  ac/aÄcor/ts;  B  836  T  448  aaya/icovxa;  B  1114  o-^pi6wv- 
x£c  A  572  Sr^piöwvxa;  A  493  ecpiöor/xe;  T  170  Trapsopictüv  ß  1039 
y.xv^aAdwv  r  286  y.aYxaXctovTt  T  124  y.jS-iwv  A  174  T  1261  ly.iJ.T.t- 
TC(ov-a  r  1362  [xs'.O'iwvxs;  T  1025  iJ.r,xav=(ovT£;  T  583  siacpctov  A  241. 
765.  1176  A  429  ebopiwv-s?  A  1166  B  1038  A  660  tloopcM-nx^ 
A  1245  -x[j.5av5(i)vx'.  A  788  Trspöojvx'.  A  530  Trspotovxs;  A  647.  1557 
sy-spdwvxec  A  594  zspöwvxac;  A  786  ojaidtovxs  B  87  sjsidwvxiC  T  410. 
1303  «pjuiocüvxat;  r  496  ävac'jctowv  B  431. 

Nicht  homerisch  sind:  ETravö'.owvxa;  T  519  cJO'.iwvT;  B  371 
£uo-=or/xsc  A  424  B  903  A  933  evsjciotov  ß  935  y.axr.sistov  F  123 
y.axrjcp'.5o)vxi     V    461   [Xcr^[xßp'.öa)vxs;  B  739   s7:'7:a|J.9aA6(i)vx£;  B   127. 

Fartic.  Fräs.  Femin.  ävT-.iojsa  \  703  F  35.  880  A  1078 
ävxictoaav  A  370  F  717   as/aXswca    F  710  asyaXcwuav  A  108  äa/^a- 


580  ßzach. 

Xdwsa'.  A  138  y.yxUMZ'j.  V  928  [xs-.Biswsa  F  51.  107.  150  ix-r;T'.sw!;a 
r  24.  210  £-'.!r/]T'iws3:  r  668  cpdwca-.  \  1724  s-jopiiosa  F  77.  662 
sicopöwsav  A  960  eiacpsoicat  A  550  A  1192  -^atj-^avcwcav  V  1280 
TY^XeOcojjav    \    1191. 

Hieher  gehörige  Formen    von    nichthomerischen  Verben: 
[xu36o)ffa  A  1531  -XaoöwsÄV  B  662  jspiYowtjai  F  1258. 

Es  bleibt  uns  noch  übrig  von  denjenigen  Formen  von 
Verben  auf  aw  zu  sprechen,  die  nicht  nur  den  ersten  sondern 
auch  den  zweiten  Vocal  lang  zeigen.  Von  diesem  schwer 
erklärlichen  Falle  liegt  uns  bei  Apollonios  nur  ein  Verbum 
vor,  das  jene  auffällige  Formation  auch  bei  Homer  aufweist, 
nämlich  [j.at[j.ä(i) ;  wir  lesen  [j.a'.ij,ü)oiv  A  1270  F  1351  (das  an 
und  für  sich  nicht  in  Betracht  käme),  dann  einerseits  [j.a'.y.wovT-. 
A  1544  ''so  nach  Lj,  anderseits  aber  [j.a'.i^.wwvts;  A  219  und 
yx-fj-ww^ai  B  269.  Zweifellos  ist  die  Form  des  Partie.  Fem  in., 
die  wir  ja  aus  Homer  belegen  können,  z.  B.  E  661.  In  Bezug 
auf  die  andern  Formen  entsteht  die  Frage,  ob  wir  den  doppelten 
langen  Vocal  überall  herstellen  sollen  oder  nicht,  da  die  hand- 
schriftliche Ueberlieferung  schwankt.  Ich  glaube,  dass  Apollonios, 
selbst  wenn  er  bei  Homer  die  Formen  mit  doppeltem  langen 
Vocale  las,  dennoch  ihnen  in  seinem  Epos  aus  dem  Wege 
ging  und  die  regelrechten  Bildungen  mit  langem  erstem  Vocal 
gebrauchte,  so  dass  wir  A  1544  der  hdschr.  Ueberlieferung 
zu  folgen,  A  219  aber  ;j.a'.;j.wov-£c  herzustellen  haben.  Die  For- 
mation mit  doppeltem  langen  Vocal  musste  dem  Dichter  bei 
näherer  Beachtung  doch  gar  zu  sehr  als  Singularität  vor- 
kommen, und  wenn  er  sich  auch  \xy.\\KÜitioci.\  gestattete,  weil  er  es 
bei  Homer  so  las,  so  spricht  doch  z.  B.  3.]}.üo-i~oq  F  1187  wieder 
für  durchgängige  Anwendung  dieser  Bildung  bei  dem  Partie. 
Masc.  Wissen  wir  doch,  dass  auch  Aristarch  I  446  -^ßwovT«  las. 
Wenn  Merkel  in  der  Note  zu  A  219  auf  die  Stellen  A  1255. 
1284.  1544  hinweist,  wo  ,vestigia  eiusdem  formationis^  vorliegen 
sollen,  so  hat  diese  Bezugnahme  gar  keinen  Werth;  denn  an 
der  ersten  Stelle  steht  iJ,svoiv:(.)VT3!;  überliefert,  indem  die  beiden 
0-laute  ihre  Stelle  vertauschten,  A  1284  entfällt,  da  die  Ueber- 
lieferung '.opd)ovTa  bietet  (was  zudem  gar  kein  Verb  auf  ao)  ist), 
und  an  der  letzten  Stelle  spricht  die  Ueberlieferung  ja  aber- 
mals gegen  Merkel,  denn  wir  lesen  in  L  nach  seiner  eigenen 
Angabe  ;j.xtij.o)ovT'.. 


Grammatische  Studien   zu   Apollouioe  Rhodins.  581 

3.  Contraction. 

Betreffs  der  contrahirteu  Formen  von  Verbis  auf  aw  hielt 
sich  unser  Dichter  vorsichtig  an  den  homerischen  Spracligebrauch. 
Nur  solche  Verba  werden  zusammengezogen,  von  denen  ent- 
weder dieselbe  contrahirte  Form  bereits  selbst  bei  Homer  vor- 
liegt oder  aber  wenigstens  andere  Contractionen  bei  Homer 
geläufig  sind.  Zumeist  ist  das  erstere  der  Fall. 

Vom  Fräs.  Indic.  begegnen  wir  folgenden  Formen :  Sa|j,va 
A  464  (als  Präsens)  wie  Hom.  /.  221  vmg:  A  409  wie  Hom. 
ß  132  £-'.Tpto-a-:£  A  351  (Hom.  z.  B.  a-oipw-acrös  9  112)  c-pw- 
oizH'  A  827  c-tpwswsiv  r  893  7:apac7Tpü)c;ä>vra'.  B  665  (cTpa)cpxo>  hat 
bei  Homer  nur  contrahirte  Formenj. 

Vom  Optativ  finden  wir  nur  ßiioa-o  A  1236  wie  bei  Homer 
A  467. 

Von  Infinit.  Präs.  nur  a-oxpto-aaOxi  F  16. 

Particip.  Präs.  aJM\j.v/zc  B  541  cC/Miiirct  A  51  vgl.  Hom. 
e  482  ■/.jy.wi^.evov  A  1327  A  629  Hom.  «1>  235  'hoy^(^i).vr.'.  A  991  vgl. 
Hom.  V  268  opwjAsvo'.  A  935  hophip-vfO'.  B  563  TC£ipa)[j.£voc  B  638 
r.tiphiixirr,  Y  693  7:£'.pa)[ji.£vr)  T  68  (Hom.  ■KtipCrno  M  341). 

Imperat.  Präs.  ajsa  A  464  Hom.  E  195  sx  T  1120  Hom. 
P  16  di-e  A  873  '^.-rlzbM  Y  639  Hom.  7:  391  c-vx  B  254  vgl. 
Homer  1  90. 

Imperf.  3.  Pers.  Sing,  rßoc  A  699  Y  76.  564.  912.  1078. 
1142  A  99.  1380.  1562  !J.£-Y;jSa  B  54.  467.  773  A  1369  (B  54 
schreibt  Merkel  nach  G.  Hermann  gegen  die  Ueberlieferung  von 
LG  -pj7Y;Joa,  ein  Compositum,  das  bei  Apollonios  nirgends  vor- 
kommt, obzw^ar  er  häufig  -irpscivvE-cv  7:p:c££i-£v  und  einmal  auch 
zpc;c£0(;jv££v  gebraucht);  e(x  B  74.  185  Hom.  r,  41  vcöiax  B  678 
r  1231  Hom.  £7wiJ.a  K  358  und  öfter,  G-püi^a  Y  424  (foi-x  A  1249: 
ausserdem   die  Media  zwTax'  A   1085  [X£':£Tpa)T:ÄTO  Y  297. 

Imperf.  3.  Pers.  Plur.  a^r^upwv  A  344.  916  bei  Hom.  häufig, 
ßö(i)v  B  554,  Homer  hat  diese  Form  nicht,  wohl  aber  z.  B.  das 
contrahirte  Particip  ßowv  B  224;  vocov  A  1057  B  837  Hom.  v.  567 
•A£ptov  (■/.zpiiii)  A  1185  nach  homer.  -/..tpuyr.xz  i»  364,  xpiö/wv  Y  874 
wie  Hom.  Z  318. 

Einen  einzigen  Fall  haben  wir  zu  verzeichnen,  in  welchem 
Apollonios  ohne  homerisches  Vorbild  eine  Contraction  zuliess : 
A  302  iy^pr,  an  erster  Versstelle  (£-£!  [J-^Xa  oitCs.  ♦J[>oißcc  I  £.\ 
während    er    sonst    selbst    zweimal    die   offene  Form   £xpx£v  vor 


582  Rzach. 

demselben  Verbum  braucht  B  454  (hier  auch  an  erster  Vers- 
stelle) und  A  257.  Bei  Homer  findet  sich  keine  Form,  die 
Contraction  eingehen  könnte,  allein  r/py;  liegt  vor  bei  Tyrtaios 
III  3  und  bei  Hermesianax  II  89,  von  welch'  letzterem  es 
Apollonios  wohl  übernahm. 

B)    Verha  auf  eo). 

Bei  diesen  ist  die  ofiene  Form  die  Regel,  wie  im  home- 
rischen Sprachgebrauch.  Die  contrahirten  Formen  sind  ent- 
weder schon  durch  das  homerische  Vorbild  oder  durch  bestimmte 
Umstände  bedingt.  Die  Lautgruppe  so  wird  dem  episch-ioni- 
schen Gebrauch  gemäss  zu  sj  zusammengezogen. 

Im  Indicativ  Präs.  begegnen  wir  folgenden  ofi'enen  Formen : 
ooxso)  B  1142  r  548  voew  F  20  A  1334  -Azp-oiiieiq  T  56  Tcap-zjYo- 
psst?  ß  622  9pov££t<;  A  476  T  509  biv.  T  345  A  1017  xotssi  A  701 
ßpo|j.£0'jc;'.  A  787  zsp-ßpoiJLsouci  A  879  coviouatvT  1376  epicuai  (Fräs.) 
A  1354  -/.aXeouat  A  941.  1068.  1221  ß  361.  382  b.  506.  671. 
910  r  559.  1090.  1341  A  175.  312  y.cixsouci  A  780  B  1013 
A  813  v.Xovioujtv  A  487  \).o-{iouci  B  663  Tpo^eousiv  A  606  uTuoTpo- 
[jLeoufftv  A  1340  yy.xko\icv/  A  1557  xpc-^iouctv  A  135. 

veo(A'  ß  1164  Vcöp.-:7Öa  B  657  xaXesffÖe  A  1413  vsccOc  T  306 
■/.aXsovTai  r  115.  553.  860  xXoveovTat  B  133  xpoTsov-cai  A  1608  viovcai 
r  331  -jTiTssvrai  B  227  Trovsovia-.  B  667  üosovra-.  B  528  A  264 
90p£0v:at  B  46  suij-sopdoviai  A  39. 

Contrahirte  Formen  des  Indic.  Präs. :  durch  die  Stellung 
im  Verse  schon  bedingt  ist  die  Contraction  bei  t.-)v.  B  229 
vs6ii.ce'  ß  1153  vsTaÖ'  r  373,  sowie  bei  afasTaOs  A  1048,  welche 
Worte  alle  den  Versanfang  bilden,  ebenso  bei  (fQpsu[j.ai  A  363, 
das  an  letzter  Versstelle  steht;  ausserdem  steht  die  contrahirte 
Silbe  in  der  Arsis  bei  ^i-uOsTaGs  F  406  (III.  A.).  Homerische  Vor- 
bilder für  Apollonios  waren  vsj,aat  i  136,  wo  die  contrahirte 
Silbe  in  der  III.  Arsis  steht,  vsTcOai  c  88  (die  Contraction  in  der- 
selben Arsis)  aiosTcös  E  530  0  562  (die  contrahirte  Silbe  in 
der  II.  Arsis) ;  für  irvsT  und  (fopsufj.«-.  hatte  unser  Dichter  keine 
homerische  Vorlage,  für  [jljOsTjOs  jedoch  z.  ß.  lAuöeTTa'.  p  580, 
wo  freilich  die  contrahirte  Silbe  in  der  Thesis  steht.  Ausser 
den  angeführten  Beispielen  haben  wir  noch  zwei  Fälle  zu 
nennen  mit  der  Contraction  in  der  Thesis:  oltXoqz  siXsT-rai 
A   1271   und  Zsivi'sj  aiSsi-aj  F  193,    wo  also   allenfalls  die  ofi'ene 


Grammatische  Studien  zu  Apnllnnios  Rhodios.  583 

Form  möglich  wäre;  allein  der  Umstand,  dass  Apollonios  von 
diesen  Verben  sonst  nur  contrahirte  Formen  braucht  und  Muster 
für  sie  in  den  homerischen  Gedichten  vorliegen,  ist  für  die 
Richtigkeit  der  Ueberlieferung  entscheidend ;  vgl.  el\=Xxo  A  1067, 
bei  Hom.  siXsijv-o  <1^  8  s-Asüvta  X  573,  und  das  erwähnte  aiosisOe 
r  193  bei  Apollonios,  bei  Homer  aiosTiat  p  578,  wo  die  contra- 
hirte Silbe  in  der  ersten  Thesis  steht. 

Von  Conjunctiv  Präs.  ist  nur  die  Form  öiri  \  1284  zu 
verzeichnen,  die  mit  Synizese  zu  lesen  ist. 

Der  Optativ  Präs.  bleibt  durchweg  offen :  axsot?  A  765 
(von  Apollonios  nach  dem  homer.  av.ewv  gebildet)  su;j,£V£C'.sv  ß  26 
vioiTo  A  70  r  787  TraTsotis  B  17  tsasoito  A  1169  ciopioi-o  A  387 
(cpcvsotev  A  822. 

Der  Imperativ  hat  fast  nur  contrahirte  Formen :  äypei 
A  487  im  Versanfang,  wie  stets  bei  Homer  z.  B.  E  765;  öäpcrsi 
A  300  B  421  Hom.  z.  B.  A  184  TrapavsTcOs  B  357  (die  contra- 
hirte Silbe  in  der  V.  Arsis)  vgl,  das  homer.  vsTsOai  o  88,  Nicht 
zusammengezogen  ist  nur  iztpi.=z(iz  B  425,  was  seinen  Grund  in 
dem  homerischen  Gebrauch  hat,  wornach  dies  Verbum  niemals 
Contraction  zeigt  vgl,  z,  B,  s^episcöat  y  24,  Besonders  bemer- 
kenswerth  ist  der  Imperativ  u-spato^o  T  978;  vgl,  das  hom.  al'Sco 
<[>  74  y  312,  344,  Während  aber  Homer  auch  einen  Imperativ 
a-oeis  Q  503  t  269  vom  Präsens  aio£:;j,at  kennt,  bildet  ihn  Apol- 
lonios nur  vom  Präsens  alsop-at. 

Die  Infinitive  Präs.  sind  zum  weitaus  grössten  Theile 
offen:  ez-ßpopisiv  A  240  £'j[j.£V££tv  B  1124  fJesiv  A  1368  y.aAe^tv 
A  713; 

oiEcspsesOa'.  A  327  -upeztpiezfiai  T  979  -/.«AiscjOa-  T  845  A  798 
y.o|x£ccfJa.  B  510  vsijOa-  A  156.  171.  303.  525.  708.  720.  877. 
1206  B  12.  814.  1185  F  336.  376.  572.  646.  1062.  1139.  1148 
A  190.  409,  774.  827  TrovesjOa'.  A  1348  B  335  T  624  zix;izzOx' 
B  343  ^zpiezhxi  B  73  xs^aOai  V  205. 

Contrahirt  sind  nur  drei  auch  schon  bei  Homer  in  dieser 
Form  erscheinenden  Infinitive:  ypv.c[).iv/  B  249  T  643  \).\jbthbx'. 
r  103  (alle  drei  zu  Anfang  des  Verses)  und  vsTcOa-,  B  1138 
r  431,  wo  die  contrahirte  Silbe  in  der  V.,  beziehungsweise 
III.  Arsis  steht,  während  sonst  überall  die  offene  Form  sich 
findet;   zu  vergleichen  ist  o  88,  dagegen  Nauck  Bull.   1877,  5. 

Das  Particip.  Präs.  Activi  ist  in  allen  Formen  offen. 


584  Rzacli. 

Mascul.  (resp.  Neutr.) :  äiJ.Yj/aviwv  B  410.  885.  1140  T  423 
a;xr,-/av£OVT£(;  A  1701  a[i/^yavicvi:ac  A  825  aTurjXsYSOvxe?  B  17  ay^ecvii 
ß  622  YaxofjtsovTä;;  B  1005  3ua[;.£veovTac  T  352  £yxcv£ovt£;  B  812 
£^£p£o)v  B  149  A  1177.  1443  i^epeovm  T  317  £^£p£ovT£;  B  695 
e^zpio-nxq  A  711  £Üi;.£V£gvt£?  A  1335  B  1136  F  540  A  1421  £'j|j.£- 
vdoviac  A  707.  716  B  1161  £U'^pov£a)v  A  331  B  437  F  484  A  1586 
•;;p£[X£OVT£;  A  514  0£ov-£;  A  600  B  940  Oeövtcov  A  58]  ÜEGvxaq  A  1694 
■irpcOicvTCi;  A  314  £-fäpo6£cvT£;  A  582  6£oi:p07:£ü)v  B  922  T  544 
y.aX£ü)v  A  1703  ■/.aA£ovT£c  B  297  A  284  y,ctpav£CvTo:  A  547  y,o'.pa- 
vEovxo;  A  34  r  406  VvAovsovTO«;  A  908  xotecov  F  1252  y-poxEOvia  A  1195 
[xoYEOVTi  A  739  B  474  [^.oyEOvta  A  1318  (i.OY£OvT£<;  A  1388  [xoYiovTa; 
A  1162  TcapaTpoTUEwv  F  946  7:ap-/)Ycp£0)v  B  1196  F  303  Trap-rjYopiovxEi; 
B  64  -^ipiay.oTTEwv  A  1265  TruyjxayiovTa  B  783  pEovxa  B  1261  picvTa; 
F  532  c-uY£wv  B  628.  629  Tpoiieo^-eq  B  1106  TpoixsovTa;  A  1209 
•jiroTpojj.£ovT£;  F  884  cpiAdovTEq  F  937  q;oߣ(i)v  B  74  cppovdwv  A  348 
B  19  F  517  ^opdcov  A  117  (topsoviE?  B  452  xaTEovxt  F  719.  1016 
/a-ioucriv  A  837  B  1124  yaTiovia;;  B  1167  A  1431  d/u/oppaYEOVTa 
B  833. 

Feinin.  :  aYxaAdouca  A  708  axdouaa  F  85  (vgl.  Hom.  X  141) 
ai).rjyaveoi)cx  A  692  ayiouira  F  643.  659  a/doucav  F  267  A  1054 
£Y'/.ov£0'jcav  A  66  £^£p£ou(7a  A  1546  £u[j,ev£ou(ja  B  433  F  87  eu^pi- 
v£ouc'  F  998  •^psii.iojsat  A  1171  Odojaav  A  954  B  1035  A  953 
ü-£y.'7rpsO£ou7ai  A  937  y,aX£0'Jca  A  146  x£pTO[j.£0'jjx'.  F  663  ■/.o\).iojG3i'. 
B  1176  xoTEcuca  A  1672  [xeMooGOi.  A  917  (oopiouaa  A  .557  ©opsoDaa'. 
F  793  9pov£Ous'  B  540  ya^iouGa>  F  84  yßouaoL  A  250  A  1029  y.axa- 
7üpO/£OUGa    F    1118. 

Die  Contrahirten  Formen  beschränken  sich  auf  das  me- 
diale resp.  passive  Particip.  Präs.  Dies  aber  erscheint  niemals 
offen,  sondern  stets  mit  dem  ionischen  Diphthong  £u;  nur  theil- 
weise  sind  diese  Formen  der  homerischen  Sprache  entnommen. 
Wir  lesen  atx£'jij.£vov  B  486  (nicht  hom.)  cov£6|jL£va  F  1295  (nicht 
hom.)  6r,£6[;.£vo;  A  436  0-/]£6[X£voi  B  808  A  300  (vgl.  hom.  0-/)£üvxo 
z.  B.  H  444  £0-rj£Ü[j,£c6a  •.  218)  'i:ov£6[ji,£vo'.  A  731  (Hom.  tzq'/e'jixv/cc 
N  288  xov£Ü(ji,£vcv  A  374)  (pcpE6[j.£vo?  B  192  (pop£U[ji,£vov  A  1236 
cpop£U|j.£vot  B  1245  (nicht  hom.).  Die  Contractioussilbe  steht 
überall  in  der  Arsis. 

Das  Imperf.  endlich  weist  im  Activ  w^ie  im  Medium  als 
Regel  die  offenen  Formen  auf;    nur  in  der  3.  Fers.  Sing,  und 


Giiinnnatische  Studien  zu  Apollonios  Ehodios.  o85 

Plural  begegnen  zusammengezogene  Formen,  die  Apollonios  der 
homerischen  Sprache  entnahni. 

Offene  Formen:  avi'vsov  A  613  a-sfAss  F  607  -/^veov  A  348 
r  947  £-y;v£ov  r  907  auvYjvsov  A  463  f.pcov  A  397  ä'^psev  A  1327 
ßXacjTcOv  A  1425  ißöfj-ßecv  B  569  ßpö;j,cov  B  597  y'/^Osov  A  93 
a(X9£0£ov  B  64  £5iv£ov  B  695  oix£ov  A  666  liv^  A  1262  A  955 
6ä[jLߣsv  A  73  eSai^^ßsov  A  550  T  924  A  1363  e££v  A  239.  1264 
A  43  £6££v  A  1015  Uov  A  568  B  274  A  964.  1225  T:ap£^£0£ov 
A  592  iOv^Acov  r  221    r/.Xcov  T  246    £yic|x£ov  B  1263    -/.tüttsov  B  83 

eAU)E£OV  B   648     £Atb9££V  A   1627     XaT£Xd)y£OV  r  616    [J.£X£XlJ)9£CV  A   1161 

[X£Tp£=v  A  930  £[A£Tp£ov  B  915  Trapsij.sTcsov  A  595.  1166  B  937 
A  218  rr,'/eo'^  A  403  7:xp£vv^v£0v  A  1123  0[x(A£Ov  A  630  £7:i7:A£C.v 
r  119  av£Trv£ov  B  607  aTTETuvee  B  193  pes  A  887  T  462.  761. 
1353  A  1680  ipp££  r  805  A  1531.  1703  piov  T  222  p-/0£ov 
A  925  ec^opcov  A  1145  |j.£T£9ü)V££v  A  702.  1287  B  208.  431.  1178 
r  169  7:poj£9wv££v  r  1067  XE£  A  435  B  1272  T  1210  A  750 
X£;v  A  1142.  Hiezu  kommen  die  Formen  r^vieov  A  845.  931. 
1183,  wo  a  zu  £  geschwächt  ist  nach  dem  homerischen  Vor- 
bilde H  423,  wovon  ausgehend  sich  Apollonios  auch  einmal 
cuvt^vtee;  A  1486  gestattete  (vgl.  Curtius  Verb.  I  351)  ;  weiter 
cp.:y.A£cv  A  1006  nach  Homer  0  658. 

Medial  (passiv):  äxiovTO  B  156  sv.  x'  iph^no  T  1167  v.OLKio'no 
A  1149  £7:'./.Aov£ovTC  A  783  i-i-poviovro  A  1588  7cap£^£v£;vr3  B  651. 
941.  1243  TToveovTo  A  1185  T  1340  eiJ.cpop£ov-o  A  626.  1699 
cpcpeovTO  A  1279  T  71  A  579.  1540  yüx  A  1525  i/Jovto  A  638 
7:poy/ovTo  A  635.  883. 

Contractionen.  Die  hieher  gehörigen  Formen  nehmen  ent- 
weder die  beiden  Hauptstellen  im  Verse  ein  (zu  Anfang  oder 
am  Ende)  oder  aber  steht  die  zusammengezogene  Silbe  in  der 
Arsis.  In  erster  Thesis  mit  folgendem  Vocal  (so  dass  Ver- 
kürzung des  Diphthongen  zi  eintritt)  stellt:  coü-ei  (£-'.  Gv.o-irjc) 
B  1056  EiAct  (aoy.ca6\iv)Qc)  A  181  (wie  Homer  [j.  210),  mit  folgen- 
dem Consonanten :  v.iaij.z.'.  T  46  (vgl.  Homer  r,  13  iv.6G\ie<.  am 
Schlüsse)  aij-oETOAS'.  A  1547  Täpߣ'.  Y  459  A  16  wie  Homer  z.  B. 
Y]  51.  An  letzter  Stelle:  aü-c£i  A  1337,  1702  gerade  wie  auch 
bei  Homer  sicli  diese  Form  zweimal  an  derselben  Versstelle 
vorfindet  Y  .50  <I>  582.  In  den  Vershebungen  steht  die  con- 
trahirte  Silbe  ausser  in  d;j,9£-5A£'.  bei  i-?iß:'.  fll.  A.)  A  1695 
v-^0£..  iIII.  A.)  A  436  (Apollonios  las  wohl  Z  140  7r/)£'  für  -(r^diX) 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.   II.  Hft.  -10 


586  ßzach. 

po'Ici  (III.  A.)  \  129  f^pv.  (IV.  A.)  A  619  (vg-1.  Homer  6  304, 
wo  die  Form  am  Versschlusse  steht)  zThv.  (IV.  A.)  B  571 
•/.aXc-  (IV.  A.)  A  843  vgl.  Homer  N  740  iv-o^/^i:  (IV.  A.;  T  48 
(öfter  bei  Homer). 

Die  3.  Pers.  Plur.  Activi  zeigt  Contraetion  zweimal  an 
erster  Versstelle:  6ä[j,ßsuv  A  1192  w[j.apT£uv  A  579;  bei  sajxapaYsuv 
r  1333  steht  die  contrahirte  Silbe  in  der  III.  Arsis  vor  der 
Hauptcäsur ;  keine  dieser  drei  Formen  kommt  bei  Homer  vor, 
auch  von  sonstigen  Contractionen  findet  sich  nur  cixo^py.^;:!  Homer 
B  210.  Zu  diesen  drei  Fällen  kommt  noch  das  von  Hermann 
zu  Lithik.  172  conjicirte  o.aaoejv  T  1304,  wo  die  contrahirte 
Silbe  wie  bei  iap.apy^^e-jv  in  die  III.  Arsis  vor  der  Hauptcäsur 
fällt.  Es  hat  demnach  unser  Dichter  in  diesen  Formen  sich 
die  Contraetion,  da  er  von  Homer  unabhängig  vorging,  nur 
an  den  hervorragendsten  Versstellen,  wo  sie  leicht  entschuldbar 
war,  gestattet. 

Bei  medialen  Formen  des  Imperfects  erlaubt  sich  unser 
Dichter  eine  Contraetion  nur  dann,  wenn  die  betreffende  Form 
entweder  an  einer  der  beiden  Hauptstellen  des  Verses  oder 
aber  die  contrahirte  Silbe  in  der  Arsis  steht:  Zu  Anfang  des 
Verses  finden  wir  die  einzige  contrahirte  Form  der  3.  Fers. 
Plur.  Med. :  p-uOsivO'  A  458,  am  Ende  des  Verses  ^wpeTis  A  639 
A  1687  (vgl.  das  hesiodische  y.aTYjwpsDvTc  A.  225)  i\).zis'Kovzi-:o 
r  251  wie  Homer  M'  681;  die  contrahirte  Silbe  steht  in  der 
III.  Arsis  bei  siXsTto  A  1067  (hom.  srAsOv-c  4>  8)  br,zixo  A  958 
wie  Homer  e  75,  ixjÖcTto  A  1346  [j.u63tÖ'  ß  763,  in  der  V,  Arsis 
nur  Or,£iTO  T  445  wie  Homer  s  237. 

Präsentia  auf  v.m.  Von  diesen  die  ältere  Stufe  der  Verba 
auf  £0)  darstellenden  Bildungen  (wo  das  ursprüngliche  j  sich 
vocalisirte)  hat  unser  Dichter  etliche  Fälle  aufzuweisen,  und  zwar 
zunächst  das  P^rticip  äxstsijiv/;  A  1082 ;  Apollonios  hielt  sich 
genau  an  den  homerischen  Vorgang,  denn  bei  Homer  hat  auch 
nur  das  Particip  den  älteren  Diphthongen,  z.  B.  a/.£'.ö[j,£voi  II  29 
ä/.£'.6i/£vov  ;  383,  während  die  übrigen  Verbalformen  die  jüngere 
Bildung  aufweisen,  z.  B.  axiovTO  E  448  X  2;  demgemäss  hat 
auch  Apollonios  B  156  £Xy.£a  c'  ävBpwv  c'j-a|ji.£Vü)v  av.isvTs.  Jeden- 
falls waren  metrische  Gründe  bei  der  Verwendung  jener  älteren 
Form  in  der  homerischen  Sprache  massgebend,  und  diese  be- 
wogen gewiss  auch  unseren  Dichter,  auf  die  alte  Form  zurück- 


Grammatische  Studien  zu  ApoUonios  Rhociios.  087 

zugreifen.  Weiter  ist  zu  nennen  das  gleichfalls  der  homerisclien 
Sprache  entnommene  Particip  xp^'-wv  A  360  B  182.  314,  welches 
als  Partie.  Präs.  zu  y.päw  fungirt  (Homer  G  79),  daneben  das 
Medium  xp£ictj.£V(o  A  413.  Die  jüngere  Form  xpiwv,  welche  wir 
Hom.  Hymn.  Apoll.  253  (neben  jenem  y^pdh)''  Hymn.  Apoll.  393) 
vorfinden,  weist  darauf  hin,  dass  wir  einen  Uebergang  von 
Xpiw  in  die  Gruppe  der  Verba  auf  sw  anzunehmen  haben  (wie 
z.  B.  das  obengenannte  6[xi/.XcOv)  und  eine  dem  berührten  a7.£t6[j.£vo'. 
analoge  Bildung.  Ein  ursprünglich  zwischen  £  und  '.  vorhan- 
denes 7  ist  natürlich  keinesfalls  anzunehmen,  vielmehr  liegt  in 
Xpsüov  derselbe  Fall  vor,  den  Curtius  Verb.  I  344  für  das  home- 
rische ixT/e>.z\iv/oc  p  471  statuirt,  das  er  aus  dem  St.  [^aya  ableitet. 

Dieselbe  Bildung  ist  anzunehmen  bei  dem  defectiven 
Particip  -Apzm'/,  das  ApoUonios  nach  homerischer  Weise  (0  31 
X  48)  in  den  Formen  y.p-io^v  T  240.  1177  A  1009.  1069  y.psto'jca 
A  579  verwendet;  die  zu  Grunde  liegende  Wurzel  ist  %pa,  Curtius 
Grdz.^  154  (vgl.  aÜTO-z.pa-T(j)p). 

Ausser  den  angeführten  Beispielen  begegnet  uns  eine 
weitere  derartige  Form,  die  bei  Homer  nicht  vorkommt,  (^£ioujav 
A  734:  [).y.k=pzio  7:'jpb;  i^EioJcav  äu-[j.r,v  neben  ^se'j  A  1262  u.  s. 
^£0v  r  273;  hiezu  kommt  das  Compositum  äva'C£''s'j(ja  A  391.  w; 
sa-r'  Tfx'C.aio-JGo.  ßxpl»v  /cAov  nach  der  allgemein  acceptirten  evidenten 
Conjectur  von  Ruhnken  für  das  hdschr.  av.a'wojcja.  Das  alte  Epos 
kennt  die  ältere  Form  mit  dem  Diphthongen  nicht,  wohl  aber 
hat  Kallimachos  Hymn.  auf  Artem.  60  Zv.owix.  Beide  alexandri- 
nischen  Dichter  bildeten  diese  Formen,  wofern  sie  nicht  in  der 
uns  verloren  gegangenen  epischen  Literatur  ihnen  vorlagen, 
nach  den  homerischen  Mustern  ganz  regelrecht,  denn  die  Wurzel 
ist  L£(j,  woraus  durch  *^£ojo3  *i^£Jw  ^£iü>  ebenso  wird  wie  z.  B.  aus 
*V£'.y.£cj(«)  Vc'.y.sito. 

C)    Verba  auf   oto. 

Diese  erscheinen  theils  in  assimilirten,  theils  in  contra- 
hirten  Formen: 

Zu  den  ersteren  gehört  IcpwcvTa  A  1284  im  Versschluss 
(die  Länge  des  Themavocals  erklärt  sich  durch  Ersatzdehnung 
für  das  einstige  j ),  Merkel  schrieb  gegen  die  Ueberlieferung 
lopcotovTa,  was  nicht  gutzuheissen  ist,  vgl.  Homer  '.cswovtx  -  372 
'.cptoivTac  z  ö\). 

40* 


588  Kzach. 

Mit  Umsetzung  der  Quantität  sind  gebildet  die  Formen 
apcwct  A  796  wie  Homer  i  108  und  CYjtowvTec  A  489  wie  Homer 
A  153.   . 

Alle  übrigen  Formen  von  Verben  auf  ow  sind  contrahirt 
und  zwar  Youvouixai  A  1014  youvoOto  B  1274  yojvo6[j-£voc  F  988 
vgl.  Homer  yo'xfo^[).oi.\  <I>  74  -^o'j'^cdiivfoc  0  660;  OYi'.cuvtec  A  614 
vgl.  Partie.  o-^-.oW  P  6.5  Imperf.  or^io'jy  0  708;  ?coü(xxt  T  1108  wie 
bei  Hesiod  icojcOa'.  E.  562,  während  Homer  nur  die  Form  lch)zix'.[).r,-/ 
von  diesem  Verbum  kennt;  an  diese  der  alten  epischen  Sprache 
entlehnten  contrahirten  Formen  schliesst  sich  das  von  Apollonios 
nach  diesen  Mustern   neu  aufgenommene    eTCt^eivojvto  B  764  an. 


8    Verba  auf  iJ.'.. 
a)    Themalose  Aoriste. 

Was  diese  Aoriste  betrifft,  so  hielt  sich  Apollonios  im 
Ganzen  an  die  Sprache  des  alten  Epos.  Nur  in  einem  Falle 
wollte  er  auch  selbständig  eine  derartige  Neubildung  versuchen, 
allein  gerade  durch  diesen  unglücklich  ausgefallenen  Versuch 
bewies  er,  wie  sehr  ihm  das  eingehende  Verständniss  für  diese 
alten  Spracherscheinungen  abging. 

Der  homerischen  Sprache  sind  entnommen: 

aXwr,;  A  491   vgl.   Homer  P  506,  aAwvai  B  614 

a"/.-o  B  286  r  1253  £;aXTO  A  464  £;aA[X£vai  B  268  i^nrJX- 
lJ.v,o:  B  825  A  873  y.XT£-aA[j.£vov  B  583  (aber  icry^XaTo    A  878) 

ap;x£voi  A  1461    äp!j.£va  A  237.  889 

aTCGupac  A  1212    T   175    A  1433 

ß^r  A  168  u.  s.  sß-/;  A  209  u.  s.  'i^riij.v^  A  866  T  558 
£ßYlT£  r  316.  403  i'ßYjcrav  A  872  u.  s.  i'ßav  A  152  ßa(yi  A  441 
ß-^vat  A  104    ßavT£?  A  528   A  1550 

ßXö[A£vcc  B  914.  1038   ßX/^p.Evov  B  1212  ^6;xßXY;To  A  311.  1253 

^U[J.ßA-01X£VCC    X    121 

Y£VTO  (fassen)  V  1321:  vsvto  Oowv  £[x-X£'.ov  oBovtwv  Tm^XYjxa 
^p'.yyr,-^  oipj  t"  ä'(7/_£TSv  und  A  225:  ''ri'ny.  B'  t'-cov  '[hxo  yj-poi')  'AJ^'-ipTsc; 
Homer  z.  B.  IN  241.  Auch  Apollonios'  Lehrer  Kallimachos 
verwendet  das  Wort  Hymn.   Dem.  44. 

£YV(ov  B  486  £>«)  A  1254  A  48.  698  yvw  F  973  yvoiy;t£ 
A  797 


GrammatiBclie  Studien  zu  Apollonios  Rhodios.  581) 

c£y.To  A  1242  io£/.To  B  1147  T  190.  871  Ss^o  A  420  Sr/Oc 
A  1554  ^iyßT.  A  650.  822  B  1275  F  585  A  186.  1210  oi-([>,vioz 
A  455  T.oT'UyiJ.v,oi  A  1282  jTreSsy.To  A  210.  360.  954  B  653.  894 
r  580.   1014  A  1635  •jr.oce-nj.evo:  A  235  ü-üooiyßyii  T  425 

oO  r  1256  Bu  A  1195  r  1407  A  771.  1618.  1629  '»/j 
r  1444 

■/XuO'.  A411  y.XuTc  B  209.  311  A  1347  y.sxAoO;  A  783  y.r/.XuO' 
B  11   /iy.XuT£  A  1654 

y.axsy.xa  A   1043 

£uy.Ti[ji.evo;  A   1355 

i-^Y.axihBy.zo  A  431 

lJL(y.To  r  1223  (Hom.  A  354)  l>iy.T=  Y  1163  (a  433) 

opco  A  703  (Hom.  A  204)  wpxo  A  159  und  noch  18  Mal 
(Hoin.  z.  B.  £  590) 

ouxa  B  111  r  1381  (Hom.  Z  64)  o'jxajAcvoi  F  1396  ouTaivivwv 
B  156;  daneben  cjtcz^s  B  831  wie  Hom.  O  528  zu  ouxäv^.wv 
F  132  gehörig 

tüXy-to  A  697.  1052  A  17 

i^e'i:Xti)\).t\    B    645    sTrsTrXwij.sv    B    152    (Hom.    z.    B.    iTrexXw? 

T  15). 

sviaTTs;  A  487.  832,  so  L  an  beiden  Stellen,  während 
F  1  und  A  1565  sv.aTri  in  derselben  Handschrift  überliefert 
ist.  G  hat  überall  vnar.e  ausser  A  832,  der  in  der  Lücke  ist. 
Ueberall  steht  dieser  Imperativ  wie  bei  Homer  im  Versschlusse. 
Bei  Homer  begegnet  uns  sowohl  hiüT.tq  z.  B.  y  247  als  auch 
evi'cTiE  resp.  sv.cTce  als  Imperativ,  letzteres  3  642.  Beide  Formen 
lassen  sich  durchaus  plausibel  erklären,  vgl.  Curtius  Verb.  I  191; 
für  hi'jzez,  führt  der  Urheber  des  Schol.  V.  zu  Q  388  (wahr- 
scheinlich Herodian)  szia/c;  als  Parallele  an,  und  hiari  erklärt 
Curtius  richtig,  indem  er  annimmt,  dass  das  ursprünglich 
wurzelhafte  e  in  die  Analogie  des  thematischen  überging.  Dass 
auch  unser  Dichter  die  beiden  genannten  Formen  im  homeri- 
schen Texte  las,  dafür  scheint  mir  die  Ueberlieferung  des  Laur. 
zu  bürgen.  Bei  der  penibeln  Nachahmung  Homers  in  formellen 
Dingen  ist  es  mir  auch  unzweifelhaft,  dass  er  von  beiden 
Formationen  Gebrauch  machte,  so  dass  überall  die  Leseart 
von  L  beizubehalten  ist.     Merkel  schrieb  überall  svi^tte;. 

hXr^q  A  793  hXr,  A  204  (und  4  Mal)  sxX-riixsv  A  192.  1252. 
1360  TAai-o?  r  719  TAaiV,  F  389  xXyiO-.  A  300  TXy;Tc  B  341.  344 


590  Rz'^'h. 

syjr,  B  584  jTTs^Or,  A  307  -^^oär,  A  1180.  1209  A  1768  ^po'^Oa- 

|x£vo;  A  913 

^ÖicOd)  r  778  (der  Imperativ  kommt  vor  Apollonios  nicht 
vor)  (fObOx-.  r  754  (L  cpOsTsOa'.)  ofi:[j.v/o:o  A  1063  c-O'.ijivo'.s-.  B  889 
(f6t[jL£vr,  r  791  a7ro96(;j-£vo;  A  1529  aTroipO'-ijivou  B  852  aTO^Otjjivr.v 
A  1066 

XUTO  B  bi)i    A   1279    e/./jto    B    97   -:y.-/iiJ.£va'.    A  880  G::£;£y;jT' 

r  705. 

Nach  einem  hesiodischen  Vorbilde  gebraucht  Apollonios 
eY£VTo  (=  £Y£V£To) :  A  1141  xx  o'  iov/.ixa  G7^|/aT'  £Y£vto  A  1427 
'EaTtepr,  a.h(eipoc,  ■7rr£/.£r;  o'  'EpjOr^'.c  £Y£vto  vgl.  Hesiod.  Th.  705  tögctcc 
oouTuo?  eyevTo  Oewv  spiBt  ^uvtövxwv  (sonst  noch  -civxo  Th.  199.  283) ; 
unmittelbaren  Anstoss  zur  Verwendung  dieser  Form  mag-  wohl 
Kallimachos  unserem  Dichter  gegeben  haben,  bei  dem  wir  sie 
gleichfalls  lesen  :  Hymn  Del.  147  r/;[j.o;  £7£vt'  ä'paßc;  oiv.toz  xöco; 
zhy.wXoio,  ausserdem  noch  Lutra  Fall.  59  und  yevxo  Hymn.  Zeus  50. 
Von  den  angeführten  der  alten  Sprache  angehörigen 
Bildungen  ausgehend  versuchte  Apollonios  eine  selbstgeschaffene 
Form  iü  sein  Epos  einzuführen :  sXeizxo  A  45.  824  A  1244 
überall  im  Versschluss  nach  vorausgehendem  Consonanten,  so 
dass  nirgends  eine  etwaige  Corruptel  aus  A£>v£'.::xo  vermuthet 
werden  kann.  Diese  Form  kann  nicht  etwa  als  ein  Plusquamper- 
fectum  aufgefasst  w^erden,  wie  es  ehedem  Buttmann  that,  denn 
obwohl  Apollonios  gar  manche  grammatische  Schrulle  hatte, 
so  lässt  sich  doch  nicht  mit  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  er 
habe  neben  dem  regelrechten  XiXenzxo^  das  er  \  855  und  an  vier 
anderen  Stellen  anwendet,  ein  reduplicationsloses  Plusquam- 
perfect  iXsiTrco  geschaffen.  Vielmehr  griff  er,  indem  er  Aoriste 
wie  £0£7.xo  vor  Augen  hatte  bei  der  Nachbildung  solcher  Formen 
fälschlich  zum  Präsens-  statt  zum  Vcrbalstamm  und  gelangte 
so  zu  der  genannten  Form.  Uebrigens  fand  Apollonios  (vgl. 
Curtius  Verbum  I  190  und  II  148)  in  dieser  Missbildung  Nach- 
ahmer, so  an  Nonnos,  der  ein  äiif-To  braucht,  Dion.  XLIV  241 : 
opOio;  '.Txb:  xij.z'.t.to  7.y.\  a;x-£Xc£'.;  7:£X£v  opTTv;; ;  ferner  Anthol. 
Pal.   XIV  4.   2  B;  >'  ^x^^vrvzz. 

b)  Perfecthildungen  ohne  thematischen   Vocid. 

Von  den  Resten    der  primären  Perfectbildung    verwendet 
Apollonios : 


Grummatische  Studien  zu  ApoUonios  Khodios.  591 

TMyßi  A   760  (zu   TJio-;7.)   wie  W  158. 

ßsßaoccriv  \  359  ßsßatbc  T  1312  qxßcßaw;  F  1241  s.AßeßawTc; 
B  1127  A  999  i7:£ij.ߣßaü)?  A  1681 

YSYaaci'.v  B  1162  T  366.  731  vevawTa  F  421  vc^auia  T  535 
Ycva-jtav  A  719  T  244.  1075  sy-YSYätr^v  A  56  e7^(eydocav^  A  260 
i/Y^vaä);  A  208  T  364  ey.vevajTa  A  233.  975  e/.YcYawTec  A  952 
sxYSYawTac  B  1225 

oeoaw?  A  76.  140.  445   B  247  otoouo^e   A  52  (Hom.  p  519) 

o£':o'.iJ.£v  r  60  osi'c'.ei  B  617  (Hom.  S  342)  Seioulav  T  753 
o£;ci;t£?  F   1329 

£V/.To  B  39  A  1612  (Hom.  W  107) 

l'oixev  A  135  A  1076.  1319.  1569  h^e  B  1047  haai  F  932 
laToj  A  466  und  7  Mal,  '.'cixava^  B  11  F  355  A  725 

[j.£|j.aac»'.v  A  399  [j,£[;.au)?  F  564  A  490  iJ.e[)Moxeq  A  207.  1050 
[j.£,aaoT£?  A  1588  (vgl.  Hom.  B  818)  [XEjjLjcöxa;  B  1198  [j.£|j-auTa 
F  809  iJ,£piauTav  F  682 

7r£7rTY;wTa  A  1056  B  832  A  1292-  r.eTzvfi&^OLC  F  321.  1311 
7:£'KTY;dT£(;  A  1298  •::£7rTY;sTaq  A  1263  ■^rciCTf/jTav  B  535  A  93  -::£- 
7UTr;jTa'.  A  1454  iv.TTcTrrr/jTav  F  973;  die  Form  7r£'n;Tr,dT£;  ist  nicht 
homerisch,  während  die  andere  T.ti:xr,uix^z  z.  B.  q  474  begegnet. 

ea-raffav  F  238  £aTY;tlJ?  B  49.  193  isTr.wta;  F  1384  isrou^a 
F  878  A  163.  959  ioiaxaaa^^  F  967  htovr,toc;  F  121,  aber  i-pecTadTa? 
F  1276  vgl.  Hom.  hEaxaöxeq  z.  B.  M  51.  199,  während  Homer 
jene  Formen  nicht  kennt,  'joe.axx\).v/(x.:  T  519; 

£T£tXa.JL£V    A    807    T£TAa6'.    A    64    T£TAr,CT£?    B    542 

T£Ov£'.wT'.  F  461,  wozu  für  das  F  748  handschriftlich  über- 
lieferte aber  metrisch  unmögliche  xzHvz'.6m,y/  (statt  des  von  Ste- 
phanns conjicirten  T£6v£d)Tiov  [mit  Synizese],  wie  wir  oben  gesehen 
haben)  T£f)vai-:ü)v  hinzukommt,  so  dass  wir  bei  ApoUonios  t£6v£iw; 
resp.  T£6vr,o)c  und  xtbvxd):;  ebenso  neben  einander  vorfinden,  wie 
EGvCfOK  und  iffxawc  (letzteres  in  der  Form  Utaxixöxocc  F  1276).  Auf 
die  Nachahmung  jener  Form  'C£9vaw£;  durch  Quintus  Smyrnaeus 
ward  oben  schon  hingewiesen. 

c)  Bemerkungen  über  einzelne   Verba  auf  [j.u 

y:r^\v..  Von  diesem  Verbum  begegnen  uns  bei  ApoUonios 
die  regelrechten  Formen :  Imperat.  aoTw  A  768  (nicht  vor 
ApoUon.)    Infin.    äyjva-.    B  1098    (^wie    Hom.   y    183)    Imperf.    äV, 


592  Rzach. 

A  926  (Hom.  \j.  325)  Partic^p  ivnoq  A  241  mit  kurzem  Vocal 
vor  VT  wie  bei  Hom.  avneq  E  526  aevTo;  Hom.  Hymn.  VI  3. 
Allein  neben  den  genannten  Formen  finden  wir  auch  ein  Imper- 
fect  ä'sv  A  605:  toTcjiv  3'  aur^;xap  ij.kv  ä'sv  y.y}  stI  /.vi^aq  oupoq  B  1228 
f,pi  c'  av£Ypo|j,£vo'.(7'.v  eu-zpay;;:  ä'sv  ojpoc.  Die  letztere  Stelle  lässt  keinen 
Zweifel  über  die  wirkliche  Existenz  der  Form,  bei  der  erstr 
genannten  könnte  man  allenfalls  daran  denken,  dass  oir,  zu 
schreiben  sei  wie  A  926;  so  aber  schützt  eine  Stelle  die  andere. 
Wir  haben  in  jener  Bildung  einen  Uebergang  in  die  thematische 
Conjugation  zu  erblicken  (wie  wenn  ein  Präsens  ä'to  existirte) ; 
fragen  wir,  wie  es  kam,  dass  Apollonios  eine  solch  unerhörte 
Form  wagte,  so  scheint  es  mir  zweifellos,  dass  er  äsv  nach  dem 
Muster  von  hw  bildete,  das  er  selbst,  freilich  ganz  vereinzelt, 
B  199  gebraucht:  toIo;;  dwv  oloq  7u6X£|ji,6vo'  i'cv.  Die  medialen 
Formen  des  Verbums  ci.r,iJ.i  sind  ganz  regelmässig. 

dijJ..  Die  1.  Plur.  lautet  sV-sv  B  1150  T  393  A  1322  wie 
bei  Homer.  Als  3.  Plur.  findet  sich  neben  ehi  A  271  (und  an 
weiteren  9  Stellen)  die  aus  anderer  Bildung  hervorgegangene 
Form  'iaG:  A  442  und  noch  22  Mal  (fast  durchwegs  am  Vers- 
schlusse,  im  Innern  des  Verses  nur  A  442.  479  B  882).  Von 
der  regelmässigen  Flexion  des  Imperfectes  kommt  nur  vor  ^v 
als  3.  Sing.  T  231.  501  und  als  3.  Plur.  das  augmentlose  saav 
A  730  (und  14  Mal),  das  überhaupt  die  einzig  vorkommende 
Form  dieser  Person  ist.  Sonst  lesen  wir  ^a  T  978  (Hom.  E  808) 
^£v  A  79  und  41  Mal,  so  dass  diese  Formation  als  die  Regel 
gelten  kann.  Daneben  findet  sich  £y;v  A  134  und  14  Mal.  Im 
Optativ  Präs.  konnte  es  sich  unser  Dichter  nicht  versagen 
neben  slV^v  I^  704.  1116  ^  B  231  (und  5  Mal)  £t£v  A  22  B  9 
A  1774  auch  einmal  das  seltene  ist  (Hom,  1  142  X  838)  an- 
zuwenden: r  548.  Im  Infin.  Präs.  ist  am  häufigsten  die 
älteste  Form  £;j.[j.£vai  A  173  und  17  Mal  7cxp£[/tx£vai  B  489,  £|j.ev 
kommt  nur  einmal  vor  T  629,  dagegen  £lvat  A  1038  und  10  Mal. 
Ueber  den  Imperativ  'iaxw  (F  82  und  4  Mal)  und  das  häufige 
Particip  ist  nichts  zu  bemerken.  Im  Futurum  sind  die  älteren 
Formen  mit  Doppelsigma  die  Regelmässigen:  s^aojj.ai  T  989 
|X£T£C7aoiJ.ai  B  447  haeoa  T  1050.  1124  iasexai  A  291  und  20  Mal 
Trap£Gt7£Tai  A  891  eaG6[t.Efix  A  870  ax£c;(76[jL£e'  F  945  icG^cfiz.  A  390 
i'ccovTat  A  840.  Das  als  Futur  verwendete  mediale  Präsens 
(ohne  Thema)  Esiat  hingegen  begegnet  nur  zweimal  V  184.  358. 


/ 


Grammatisclie  Stadien  zn  Apollonios  Rhodios.  593 

Auch  im  Infin.  Futur,  ist  die  ältere  Form  mit  cc  die  geläufige 
(A  469  B  646  r  524.  550.  590.  A  255),  wogegen  ececOat  nur 
B  253  begegnet. 

v.[jA.  Ausser  den  bereits  berührten  Conjunctiven  XoiJ.vf 
A  872  r  25,  welche  die  ursprüngliche  Conjunctivbildung  haben, 
finden  wir  die  spätere  Bildung  vertreten  durch  ^uvmc.  ß  1078. 
Vom  Optativ  begegnet  nur  loisv  ß  277  wie  schon  im  Hom. 
Hymn.  VI  12.  Nur  an  zwei  Stellen  lesen  wir  die  älteste  In- 
finitivform i'[j.eva'.  A  774  ß  684,  gewöhnlich  ist  l^-sv  A  720  und 
11  Mal,  Ivjoii  nur  T  1165.  1173.  Imperativ  l'ec  A  420  und  3  Mal, 
I'ts  A  1414.  1584.  Das  Imperfect  wird  von  Apollonios  nur 
in  einer  einzigen  Form  nicht  thematisch  gebildet,  nämlich  in 
der  3.  Plur.  r^^jav  T  1331  -/.aiv-isav  B  812.  An  einer  Stelle  T  442, 
bietet  die  Ueberlieferung  von  L  ol  c'  -j^effav  ex  ii.e^(apdlo  (G  corrupt 
r^sffav),  wir  hätten  also  'die  attische  Form  vor  uns,  die  jedoch 
Apollonios  gewiss  nicht  geschrieben  hat.  Vielmehr  lief  oflfenbar 
einem  Abschreiber  die  attische  Form  in  die  Feder  und  es  ist 
V-cav  herzustellen,  das  wir  an  den  genannten  Stellen  vorfinden. 
Merkel  blieb  bei  dem  von  L  überlieferten  '/^ciav.  Ausserdem 
braucht  einmal  Apollonios  auch  die  Form  ohne  Augment :  ix 
B'  "crav  r  112.  Alle  übrigen  Formen  des  Imperfects  aber  bildet 
er  nach  der  thematischen  Conjugation  und  zwar  die  1.  Pers. 
Sing,  e^v^iov  A  446  wie  schon  Hom.  /.  274  avr/.ov,  weiter  die 
3.  Fers.  Sing,  ri'.e  A  141  (und  5  Mal)  Ottois  T  1077,  ff-v  A  74 
\  454  in  den  Versschlüssen  y]sv  ^OO.z'jq  und  ^ev  'ly'^cor^ ;  hiezu 
kommt  das  ganz  singulare  lev  B919;  loloq  ewv  oio^  •ä:6Äc[x6v3' l'ev. 
Dies  Imperfect  ohne  Augment  findet  sich  in  den  homerischen 
Gedichten  etwa  10  Mal  vor.  Von  der  3.  Plur.  endlich  ist  nach 
dieser  Flexion  gebildet  avr;'.ov  A  238  (Hom.  /.  446). 

ol5a.  Zu  nennen  ist  die  1.  Pers.  Plusqpf.  ffier/  F  309,  die 
3.  Pers.  Sing,  erscheint  uncontrahirt  y^sicsi  ß  822,  besonders  be- 
merkenswerth  aber  sind  die  bereits  erwähnten  Formen  der 
3.  Pers.  Plur.  fjsstv  B  65  und  y^siosiv  A  1700,  die  nach  falscher 
Analogie  das  Personalsuffix  v  aufweisen. 

'iriii:.  Von  diesem  Verbum  ist  nur  die  3.  Pers.  Sing.  Präs. 
'it:  zu  erwähnen  A  634  e'::Tx  oia  !jTo;;,aTtov  '(ei  ^io'/ ;  wir  haben  hier 
einen  Uebergang  in  die  thematische  Flexion  wie  bei  Hom. 
B  752  xpciet.  Doch  ist  bei  Apollonios  'irfv^  das  i'egelmässige, 
so  B  356.  973  V  141   A  290. 


594  Rzach. 

St.  tXa.  Von  diesem  Stamme  lesen  wir  den  Imperativ 
Präs.  tAYjO'.  B  693  nach  v  380  r.  184;  neben  dieser  Form  mit 
y;  aber  gebraucht  Apollonios  auch  'Ch7.fi:  A  1014.  1600  lAaxc  A  984. 
1333.  1411.  1773,  das  die  regelmässige  Bildung  vom  St  '•Xv. 
repräsentirt ;  dies  letztere  nahm  der  Dichter,  da  es  bei  Homer 
nicht  vorkommt,  offenbar  nach  Kallimachos'  Beispiel  auf: 
Hymn.  Dem.  139;  übrigens  vgl.  TAa-xx'.  Hom.  Hymn.  XXI  5 
und  Nauck  Bull.  1875,  505.  Die  übrigen  Formen  dieses  Stammes 
sind  nach  der  thematischen  Conjugation  gebildet  iXässÖa-.  B  847 
A  479  (vgl.  Hom.  B  550  '.Xäovxai).  Daneben  verwendet  Apol- 
lonios sowohl  Ihda-AoiJ.y.'.  z.  B.  ''KxGv.ovxa'.  T  1140  als  auch  '.Xi^y.o'.!; 
B  708  nach  dem  homerischen  iXy^j/.-fjc.  s  365. 

9.  Iterativbildungen. 

Unser  Dichter  hat  von  diesen  der  epischen  Sprache 
besonders  eigenthümlichen  Bildungen  einen  ausgedehnten 
Gebrauch  gemacht.  Nicht  nur  nahm  er  viele  der  bereits  vor 
ihm  voikomm enden  Fälle  in  sein  Epos  auf,  er  gestattete  sich 
auch  mehrfache  Neubildungen.  Während  wir  jedoch  in  den 
homerischen  Gedichten  Iterativa  aus  den  Stämmen  des  Präsens, 
des  starken  Aorists  thematischer  und  nicht  thematischer  Bil- 
dung, endlich  aus  dem  schwachen  Aorist  vorfinden,  gebraucht 
Apollonios  einzig  und  allein  solche  aus  dem  Präsensstamme. 
Denn  die  Form  zapi^azv.t  A  210,  die  er  einmal  nach  dem  home- 
rischen azÄ^  X£Yi;j.£vov  \  104  anwendet,  ist  ein  Imperfect  zu 
dem  Präsens  ,ja(r/.o),  wovon  der  homerische  Imperativ  ßaTv.'  l'Oi 
öfter  vorliegt  (vgl.  Curtius  Verb.  I  274  II  378).  Die  iterative 
Bedeutung  freilich  ist  an  manchen  Stellen  stark  verwischt,  was 
uns  aber  nicht  Wunder  nehmen  kann,  da  dies  ja  mehrfach 
schon  im  alten  Epos  der  Fall  ist. 

Gemeinschaftlich  ist  nach  der  Lehre  der  Alten  den  Ite- 
rativen der  Mangel  des  Augmentes:  E.  M.  p.  295,  14  la  -(xp 
Tota'jT«  aTToßaXXo'Jc;  rr//  ev  ipyfi  y.X'.Tr/.rjv  eV.Tactv.  Aber  wie  sich 
mehrfach  Spuren  des  Augmentes  bei  Homer  finden  (vgl.  Curtius 
Verb.  II  379),  so  hat  auch  unser  Dichter  mitunter  augmentirte 
Iterativformen  gebraucht.  Misslich  ist  es  jedoch,  dass  die 
Augraentspuren  sich  nur  bei  zusammengesetzten  Verben  finden, 
wo  also    der  Vers    kein  Kriterien    für  das  Vorhandensein  oder 


Grammatische  Studien  zu  Apollonios  Kbodios.  Oc/O 

Fehlen  desselben  abgeben  kann,  und  man  einzig'  auf  die  hand- 
schriftliche Ueberlieferung-  und  die  homerischen  Vorbilder 
ang-ewiesen  ist.  Handschriftliche  Spuren  finden  sich  deutlich 
namentlich  an  zwei  Stellen:  T  687  hat  L  ir.v/Xo^füzv.o'/,  ebenso  G. 
Merkel  schrieb  sr'.y./.ovEEsy.ov  ,ex  uno  libro  recentissimo'.  Der 
zweite  Fall  ist  A  1725,  wo  in  L  die  erste  Schreibung-  s-'.-to- 
v££c/.ov  in  das  durch  den  Sinn  verlangte  s-scxsßscsy.ov  corrig-irt  ist, 
das  auch  von  G  geboten  wird  und  durch  die  Schob  Flor,  weiter 
beglaubigt  ist:  £-£SToߣ£r/.ov.  izeuvt  ihO'.oopo\)'no,  ußp-.wov.  Die  Schob 
Paris,  haben  hiefür  auf  die  erwähnte  erste  Schreibung  von  L 
zurückgehend  £'::£C7To;j.£esy.ov.  An  beiden  genannten  Stellen  wird 
es  sich  empfehlen  im  Hinblick  auf  homerische  Beispiele  wie 
7:ap£y.£cy.£T'  ^  521  av£ixcp;rjp£c:y.£  [x  238  (mit  der  Variante  ava[j,op[rjp£(7y.£) 
besonders  aber  j  7  a:  [j,vr,7-r,p5'.v  £|/;!7Y£cy,ovTc  ■::apoc  r.zp.  wo  das 
Augment  beim  Iterativ  durch  den  Vers  geschützt  ist,  die  hand- 
schi-iftiiche  Ueberlieferung  aufrecht  zu  halten,  wie  Wellauer 
that.  Eine  willkommene  Parallele  bietet  uns  Apollonios'  Vor- 
gänger Aratos  111:  /.al  ß(cv  c'jtm  rr,i:  ari-poOöv  •(^v.'vss-/.ov,  ähn- 
lich wie  auch  bei  Alkman  Fr.  72  B :  •^r/.£  gut  bezeugt  ist 
(statt  £V/.£).  Auch  an  zwei  andern  Stellen  noch'  schrieb  Brunck 
ein  Augment  A  1074  oitZ6itT/,zv  und  A  1650  ht'ApoJtT/.o^/  nach 
einigen  schlechten  Codd.  (Codd.  Regg.  CDE).  Da  aber  LG 
hier  kein  Augment  haben,  so  ist  selbstverständlich  o'.o:aÖ£r/.ov 
und  hy:/.pojzzv.ov  die  richtige  Leseart. 

Was  nun  die  Bildung  der  Iterativa  betrifft,  so  können 
wir  die  bei  unserem  Dichter  vorkommenden  in  zwei  Haupt- 
gruppen scheiden:  1.  Iterativa  von  Verben  der  nicht  themati- 
schen, 2.   solche  von  Verben  der  thematischen  Conjugation. 

1.  Die  erste  Gruppe  beschränkt  sich  auf  zwei  Fälle:  itaz 
208.  747.  754.  1116  r  195.  927.  1290  A  381.  1173.  1646  iV/.sv 
A  899.  Bei  diesem  Verbum  ist  die  iterative  Bedeutung  am 
wenigsten  zu  urgiren.  Iliezu  kommt  £;av{£ay.5v  A  622  und  ;j.£0(£r/.£ 
r  274,  von  Apollonios  wahrscheinlich  dem  Iterativ  hiiT/.i  bei 
Hesiod  Th.  157  nachgebildet,  da  bei  Homer  diese  Bildung  nicht 
vorkommt. 

2.  Bei  dieser  Gruppe  müssen  wir  drei  Unterabtheilungen 
unterscheiden,  indem  die  Iterativa  der  Verba  pura  auf  ao>  und 
£co  eine  eigene  Beachtung  verlangen. 


596  Rzach. 

a)  Regelrechte  Bildungen  consonantischer  und  vocalischer 
Verba,  und  zwar  a)  nach  homerischer  oder  sonstiger  epischer 
Vorlage : 

a|j/^t£Z£ay.cv  A  571  iixfisTzayJ'  A  562;  Homer  hat  zwar  nicht 
dies  Compositum,  aber  ^fsiusa^ov  [j.  330 ; 

avay.A6(^c5y,£v  B  551,   Hom.  das  Simplex  y.Au'C£c/.ov  W  61 ; 

otaCo)£C7.ov  A  1074,  nicht  bei  Homer,  aber  bei  Hesiod 
wenigstens  das  Simplex  i^u)cc/.ov  E.  90.   133; 

otvcÜ£Gy.ov  A  1184  A  1456,  Homer  otv£6£cy.'  Q  12; 

£m7rAa)£ffy.ov  A  459,  nicht  homerisch,  bei  Hesiod  aber 
wenigstens  TOMi'CzGv.''  E.  634 ; 

£pryT6£cy.ov  A  1301,   bei  Homer  nur  ipYjtücracy.s  A  567; 

Oap5'jv£(jy.£v  zi  1054    Oapfj'jvcffyov    B  712,    vgl.    Homer   A  233. 

y.Aa(£cx£v  A  272,  Hom.  0  364; 

'küecv.z  (^OL^id  .  .  .  Xözcv.e)  T  822,  Homer  dXküea'/.e  ß   105; 

vaiec'/Le^i  A  509  T  240  A  575  cuvva';£cy.£v  B  657,  Hom.  ö  719; 

0Tp6v£ay.£v  F  653,  Hom.  Q  24  ; 

7rotjj,aiv£{7y.£v   A  970,  Hom.   i  188. 

ß)  Ohne  homerische  oder  sonst  epische  Vorlagen  braucht 
unser  Dichter  noch  folgende  Iterativa  dieser  Abtheilung : 

ä'Yeu/.ov  A  489  (schon  bei  Herod.  I  148) 

a|j.'rtv£(£ay.ov  F  231 

avaßAu£(jy.£  F  223  (G  av£ßA.) 

avay,pou£ffy,ov  A   1650 

avacxa'/ucaxov  F   1354 

av[a(£(jy.ov  F   1138 

ßap'j6£(jy.£  A  43 

octat^£(7y,£v  F   819 

£Atvu£Ciy.ov  A  589 

£VTÜV£(7y.£    F    40 
£7:t66v£7/.£V     F     1325 

£7:ty.ayAa'C£5y.£v  A  944 

£7utcTa/6£(jy.ov  A  972 
£p£e£cy.ov  F  618.  1103 
£9C'::At'££r/.ov  F  843 
O'j[;.a{v£!:y.ov  F   1326 
lxacT£'jcffy.ov  A   1394 
[xstaAA'K^Yä'jy-ev  F  951 


Gramniatiscb.!  Studien  zu  ApoUonios  Ehodios.  Dvi 

o'.§a(v£c/,ov  r  383 
TwairTaivsay-s  T  953 
-Kapaiccsfjy.ov  B  276 
-irepescy-ov  A  800 

■jTopcaivscxov  A  897 

TCOpCpUpcC/.cV    A    461 

Tu66£ay.£  A  1530 
(jy.aipscjy.sv  A   1402 
Te[ji.v£c/.£v  A  1215 
Tiv£ffy.£v  B  475 
Tp(ߣay.£  B  480 
Tp6)(£7y.£v  B  473 
9ai3puv£!7y.£v  A  671 
)^pi£cy,£  A  871. 

b)  Die  Verba  pura  auf  £0)  bilden  das  iterative  Imperfect 
theils  regelrecht,  theils  mit  Hyphärese  des  einen  £-Lautes. 
Jenes  ist  bei  ApoUonios  das  Gewöhnliche : 

a)  Nach  homerischen  Vorlagen : 

e££cy.£v  A  182  e££ay.ov  A  1624,  Hom.  Y  229 

■AaA££ay.ov  r  1099,  Hom.  Z  402 

7.o,u.££cy.ov  B  455,  Hom.  w  390. 

(|/opl£o:y.£v  B  34,  Hom.  B  770. 

ß)  Ohne  homerisches  Muster: 
£7r£y.Aov££cy.ov  T  687 

£7:£C'C0ߣ£!jy.0V    A    1725 

y.otpav££(r/.£v  B   998 

[j(,OY££ay.ov  A  962 

7iapr,Yop££(7y.£v  F  610  A  1410  ■äapr^YopEEcv.ov  A   1740 

'7:£p'.ßpoiJ.££(jy.ov  A   17 

'TzpopiEGV.e  T  225 

CppOV££ffy.£    A    1164. 

Hyphärese  des  einen  der  beiden  zusanimenstossenden  £ 
zeigt  nur  y.i\eaY.z  A  1514,  wie  wir  auch  bei  Homer  0  338  J'.b? 
51  ^iifr/Aoio  y,aA£cy.£-co  Bouy.oXiSao  lesen.  Es  ist  daher  auch  selbst- 
verständlich derVorschhigBrunck's,  wegen  des  früher  erwälinten 
y.aA££c:y.ov  V  1099  an  unserer  Stelle  statt  der  überlieferten  Leseart 
xzzt  Y^p  ySkitT/.i  \}.'m  ojvsy.a  \J.r^v^^p  zu  schreiben,  ganz  und  gar 
haltlos.     Die  Hyphärese  des  einen   £  findet  sich  im  alten  Epos 


598  Rzaeh. 

öfter,  z.  B.  Hom.  E  790  oi/vscv.s  Hesiod.  Th.  835  po^sc-/',  bei 
Herodot  im  neuion.  Dialekte  ist  sie  ständig-.  Dem  Apollonios 
scheint  diese  Iterativform  nicht  behaut  zu  haben. 

c)  Die  Verba  auf  zw  weisen  durchaus  nur  solche  Iterativ- 
formen auf,  in  denen  der  Themavocal  e  nach  vorausg-ehendem 
a  zu  a  sich  assimilirte.  Auch  hiefür  hatte  unser  Dichter  die 
Vorlagen  bei  Homer  und  er  entnahm  der  homerischen  Sprache 
folgende  Beispiele : 

Yoaa(7y.cv  A  264  voaacy.ov  A  293  Hom.  0  92; 

sAczacy.ov  A  733.  1156  B  1071  A  77,  bei  Homer  kommt 
zwar  diese  Iterativform  nicht  vor,  doch  aber  die  aoristische 
sXacacy.sv  B  199;  jene  Form  bildete  Apollonios  vom  Präsens- 
stamme iXa,  der  bei  ihm  in  den  Präsensformen  sXaousx  T  888 
iXäovTs;  B  80.  402  sXaovT«;  B  575,  im  Imperf.  fAaev  T  872  vor- 
liegt,  wie  schon  bei  Homer  in  der  Form  fAtov  Q  696  S  2. 

vatstaacxsv  A  68  va'.£Taac7y.ov  B  997  Y  977  A  1211  Hom. 
vatSTaaay.ov  z.  B.  B  841. 

Nicht    homerisch    sind    dagegen    folgende    bei    Apollonios 
begegnende  Bildungen : 
avTtaacy.ov  B   100 
ßoaacxsv  A  1272  B  588  A  923 
•/.aYXotXaaay.cv  A  996 
y.uStaxcy.ov  A  978 
[ir,v.xaGv.e  T  612  A  7  (j,-^Ttaaay.ov  A  492.  526.   1070. 

Besonders  bemerkenswerth  ist  S-^jiaaffy.ov  B  142.  In  dieser 
Form  liegt  eine  Falschbildung  von  Seiten  des  Dichters  vor, 
da  es  ein  Verbum  o-/;tato  nicht  gibt.  Doch  ist  dieser  Irrthum 
leicht  erklärlich:  indem  Apollonios  Formen  des  Verbums  Br^iow 
vorfand,  die  ganz  das  Ansehen  hatten,  als  wären  sie  von  einem 
Verbum  auf  aoj  gebildet  —  so  3-r;toa)VTci;  Hom.  A  153,  das  unser 
Dichter  selbst  braucht  A  489,  oder  o-^'.owvto  Hom.  N  675  —  so 
konnte  er  auf  den  Gedanken  kommen,  es  existire  wirklieh  ein 
Verbum  Sr)iaa),  von  dem  er  ausser  der  Iterativform  gewiss  auch 
das  erwähnte  Particip  oY;ii(ovi£;  ableitete ;  für  den  letzteren 
Umstand  spriclit  besonders  die  Thatsache,  dass  unser  Dichter 
auch  das  Particip  oy;'.ojvxc;  A  614  gebraucht,  das  er  wie  die  sonst 
begegnenden  Formen  c-^uoffs'.av  A  244  o-/;'.oj(7£cOa'.  B  117  o-r;ta)0?;vai 
A   81  A    1044    von    dem    richtigen    Präs.    ärjiöt»)    abgeleitet    hat, 


üramiuatische  Studien  zu  Apolloiiios  Rhodiüs.  ö99 

während  er  daneben  ein  OYjtäco  und,  wie  wir  aus  dem  T  1374 
vorkommenden  Imperfect  eov^iov  ersehen,  auch  ein  ct/m  als 
Nebenform  im  Präsens  ansetzte.  Jedoch  ist  zu  bemerken,  dass 
er  soY^tov,  wie  die  g-anze  Stelle  F  1372  sqq.,  aus  dem  Epiker 
Eumelos    in    sein  Gedicht    herübernahm,    Schol.  L  zu  T  1372 : 

Mt^osia  ~poq  "B[j.ova. 


Zusatz. 


Mit  Sia[j.[j.oipr,oa  F  1209  auf  p.  481  ist  das  homerische  Sie- 
[j.c'.pöcTo  ^  434  zu  vergleichen. 


VI.  SITZUNG  VOM  13.  FEBRUAR  1878. 


Herr  Dr.  Anton  Mayer,  Secretär  des  Vereines  für  Landes- 
kunde von  Niederüsterreich^  übersendet  mit  Begleitschreiben  den 
I.  Band  seines  Werkes:  ^Geschichte  der  geistig-eu  Cultur  in 
Niederösterreich^ 

Das  w.  M.  Herr  Professor  Maassen  legt  eine  Abhandlung 
des  Herrn  Professor  Dr.  Thaner  in  Innsbruck  vor,  welche  den 
Titel  führt:  , Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellen- 
kunde des  canonischen  Rechtes  I',  und  um  deren  Aufnahme 
iu  die  Sitzungsberichte  ersucht  wird. 


Herr  Professor  Dr.  Richard  von  Muth  liest  eine  Ab- 
handlung: ,Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer 
Lieder  von  den  Nibelungen'  und  ersucht  um  deren  Veröffent- 
lichung in  den  Sitzungsberichten. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Freiburg  i/B.,  Universität:  Akademische  Gelegenlieits-Schriften  von  1876/77; 

40.  und  8». 
Gesel  Isc  liaft,  deutsche,  morgenländische:  Zeitschrift,  XXXI.  Band,  4.  Heft, 

Leipzig,   1877;  B". 
Journal  the  Canadian  of  Science,  Literature  and  History.  Vol.  XV.  Number  5. 

April   1877.  Toronto,   1877;  8". 
Mayer,  Anton,  Dr.:  Geschichte  der  geistigen  Cultur  in  Niederösterreich  von 

der  ältesten  Zeit  bis  in  die  Gegenwart.  I.  Band.  Wien,   1878 ;  4". 
Orsoni,   Fran^ois:  Carte  .<<ceuographique  du  chateau  de  Noto. 
jRevue    politique    et    litteraire'    et  ,Revue    scientifique    de    la  France    et    de 

l'Etranger.  VII«  Annee  2«  Serie  No.  32.  Paris,  1878;  40. 
Sapieha:  Revision  der  Oekonomic  von  Kobrin.  Wilna,   187G;  4". 
Verein    für    Geschichte    der   Deutsclieu    in    Böhmen     XV.    Jahrgang,    Nr.    3 

und  4.  Prag.   1877;  4".  XVI.  .Jalirgang,  Nr.   1  und  2.  Prag.   1877;  4".  — 

Der  Ackermann  aus  Böhmen  von  .Johann  Kuieschek.    Prag,    1877;    8^. 


Thaner.    Untersuchungen  u.  Mittheilungen  z.  Quellenkunde  d    canon.  Rechtes.       601 


Untersuch imgen  iiuci  Mittlieilungen  zur  Quellen- 
kuüde  des  canouischen  Rechtes. 


Von 

Dr.    Friedrich    Thaner, 

Professor  der  Rechte  in  Innsbruck. 


Die  nachpseudo-lsidor'sche  S.aninihmg   des  Codex  522  von 

Moiiteeassino. 

Der  Codex  Nr.  522 '  des  Klosters  Montecassino  saec. 
XII  in  4"  enthält  von  p.  7  bis  179  eine  Canonessammlung-. 
Da  in  derselben  Handschrift  von  p.  228  bis  231  und  p.  236 
bis  372  noch  eine  Sammlung  aber  der  historischen  Ordnuno^ 
ohne  pseudo-isidorisches  Materiale  vorkommt,  so  bezeichne  ich 
jene  zum  Unterschiede  von  dieser  als  die  nachpseudo-isido- 
rische  Sammlung-,  oder  schlechthin  als  die  Sammlung  von 
Montecassino,  weil  dieselbe  aus  einer  andern-  Handschrift  nicht 
bekannt  ist. 

Meines  Wissens  hat  erst  Aug.  The  in  er  in  den  Disqui- 
sitiones  criticae  p.  338  bis  341  einige  nähere  Mittheilungen 
über  das  Werk  gemacht.  Nachdem  er  von  der  äusseren  An- 
lage desselben,  von  der  Anzahl  der  Capitel,  die  315  beträgt, 
und  der  Vertheilung  derselben  unter  74  Rubriken  gesprochen 
hat,  fährt  er  fort,  dass  jede  einzelne  Abtheilung  ihre  besondere 
Aufschrift  habe,  die  alle  insgesammt  (universim)  aus  dem 
Werke  des  h.  Anselm  entnommen  seien.  Desgleichen  wären 
auch  alle  Capitel  aus  der  nämlichen  Sammlung  und  zwar  aus 


*  InTheiner  Disquisitiones  criticae,  Rom  18.S6,  p.  338  steht  durch  einen 

Druckfehler  in  der  Ueberschrift  des  Paragraphen  num.  ö52. 
2  Siehe  Nachtrag. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hft.  -il 


002  T  h  a  n  e  r. 

allen  dreizelin  Büchern  entlehnt.  Sodann  führt  Theiner  einige 
Beispiele  der  vermeintlichen  Benutzung  Anselms  an,  und  ge- 
langt so  zu  dem  Schlüsse:  ,Haec  pro  nostra  collectione  suffi- 
ciant,  quae  nullius  momenti  est,  et  ad  nihil  aliud  inservire 
poterit  quam  ut  eius  ope  capitulorum  inscriptiones  in  Anselmi 
opere  corrigantur'  etc.  Diesem  Urtheile  würde  auch  kaum  zu 
widersprechen  sein,  wenn  die  Angaben  Theiner's  auf  Wahrheit 
beruhten,  allein  statt  dessen  sind  sie  vielmehr  so  ungenau  und 
unrichtig,  dass  sich  mit  weit  mehr  Recht  behaupten  Hesse, 
dass  sie  selbst  nullius  momenti  seien;  denn  was  das  Verhältniss 
unserer  Sammlung  zu  derjenigen  des  Anselm  von  Lucca  betrifft, 
so  bleibt  von  den  Behauptungen  Theiner's  nur  das  bestehen, 
dass  eine  grosse  Uebereinstimmung  zwischen  ihnen  vorhanden 
ist,  oder  bestimmter  ausgedrückt,  dass  die  weitaus  überwie- 
gende Mehrzahl  der  Capitel  der  Sammlung  von  Montecassino 
sich  auch  in  Anselms  Sammlung  findet. 

Ein  richtiges  Urtheil  lässt  sich  über  die  Bedeutung  unserer 
Sammlung  nur  durch  die  Feststellung  der  darin  enthaltenen 
Quellen  und  Vergleichung  aller  Capitel  mit  der  Sammlung 
Anselms  von  Lucca  gewinnen. 

Diese  Untersuchung  lege  ich  nun  in  der  folgenden  Gegen- 
üb^'stellung  der  Capitel  vor,  nachdem  ich  mir  die  dazu  er- 
forderlichen Notizen  zu  Ostern  vorigen  Jahres  in  Montecassino 
gesammelt  habe.  Da  ich  während  der  Bibliotheksferien  der 
Vaticana  auf  der  Reise  von  Rom  nach  Neapel  nur  einige  Tage 
für  den  Aufenthalt  in  Montecassino  zu  verwenden  hatte,  so 
beschränkte  ich  mich  dort  darauf,  aus  der  Handschrift  eben 
nur  das  Nothwendigste  zu  notiren,  um  nach  der  Rückkehr  aus 
Italien  die  Quellen  der  einzelnen  Capitel  zu  erheben.  Neben 
die  Capitel  aus  Anselm  stellte  ich  die  entsprechenden  aus  dem 
Decretum  Gratiani,  und  glaube  damit  um  so  weniger  etwas 
Ueberflüssiges  gethan  zu  haben,  als  ja  die  Collectio  Anselmi 
noch  nicht  gedruckt  ist.  Die  Zahlen  der  Capitel  setzte  ich  nach 
der  Zählung  des  Cod.  Vatic.  1363  der  Collectio  Anselmi,  die 
durch  spätere  Zusätze  noch  nicht  verändert  ist.  und  mit  der 
die    Codices   Paris    12519    und   Graz   41/43    übereinstimmen.  ' 


'  Theiner  muss,  nach,  den  hohen  Nummern  der  Capitel,  die  er  p  339 
aus  dem  Hb.  VI.  anführt,  zu  urtheilen,  einen  Codex  benutzt  haben,  in 
den   später   viele  Capitel    eiiifvesclioben    sind;    wahrscheinlich    den    Codex 


Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.       bOo 

Die  fett  gedj-uckten  Ziffern  zeigen  jene  Capitel  an,  die  in  der 
Reihe  der  Sammlungen  eine  besondere  Stellung  einnehmen. 
Ich  habe  nämlich  die  Capitel  der  Sammlung  von  Moutecassiiio 
nach  den  Anfangsworten  mit  mehreren  der  bedeutenderen  all- 
gemeinen systematischen  Sammlungen  aus  der  Zeit  von  Ps. 
Isidor  bis  Gratian  verglichen,  und  zwar:  mit  der  Collectio 
Anselmo  dedicata, '  von  der  ich  ein  Verzeichniss  der  Rubriken 
und  Capitel  besitze,  mit  Regino  de  synod.  causis,  mit  dem  De- 
cretum  Burchardi,  mit  der  Collectio  XII  partium,  von  der 
ebenfalls  ein  Rubrikenverzeichniss  und  eine  Abschrift  der  ihr 
eigenthümlichen  Capitel  in  meinem  Besitze  ist,  soweit  sie  in 
dem  unvollständigen  -  Exemplar  der  kön.  Bibl.  zu  Berlin  Ms. 
Savigny  2  enthalten  ist,  mit  der  Coli.  III  part.  nach  Ab- 
schrift des  Berliner  Cod.  Nr.  197,  ferner  mit  der  Sammlung 
des  Anselm  von  Lucca  nach  dem  verglichenen  Text  der  drei 
oben  citirten  Handschriften  und  den  mit  ihr  verwandten 
Sammlungen:  Coli.  XIII  part.  (Walter  Kirchenrecht,  §.  100, 
Nr.  20)  aus  Ms.  Sav.  3,  Sammlung  des  Cardinais  Deusdedit, 
Sammlung  in  sieben  Büchern  (Walter  1.  c.  Nr.  29)  nach  einer 
vollständigen  Abschrift  des  Wiener  Cod.  2186  ^  und  einer  theil- 


der  Barberina;  denn  diesen  hat  Theiner  nach  einer  eigenhändigen  Notiz, 
die  sicli  in  demselben  findet,  schon  im  Jalire  1835  eingesehen  und  eine 
Lücke  ans  der  Vatic.  Handschrift   1364:  ergänzt. 

1  Nach  der  Bamberger  Hä.  P.  I  12.  Da  aber  diese  in  P.  I,  XI  und  XII 
Lüclten  hat,  so  dass  ihr  im  Ganzen  56  Capitel  fehlen,  so  habe  ich  aus 
dem  Codex  des  Domcapitels  in  Modena  die  betreffenden  Capitel  zu  den 
Rubriken  der  Bamberger  kurz  notirt.  Im  Herbste  des  vorigen  Jahres 
hatte  Herr  Hofrath  J.  Ficker  die  Güte,  meine  Aufzeichnungen  mit  der 
Handschrift  der  Anselmo  dedicata  im  Domcapitel  zu  Vercelli  zu  ver- 
gleichen und  daraus  zu  vervollständigen,  wornach  im  Wesentlichen  die 
beiden  italienischen  Handschriften  übereinstimmen. 

2  Es  fehlen  demselben  das  ganze  2.,  7.,  8.  und  12.  Buch,  ausserdem  aber 
auch  aus  dem  9.  Buche  über  vierzig,  und  aus  dem  10.  Buche  eilf  Capitel. 
Vgl.  H.  Wasserschieben  Beiträge  zur  Geschichte  der  vorgratianischen 
Kirchenrechtsquellen,  S.  35,  Leipzig  1839. 

3  Dieser  Codex  führt  zwar  auch  im  neuen  Handschriftenkatalog  der  Wiener 
Hofbibliothek  den  Titel,  den  ihm  einst  Laml)ek  gegeben  hat:  Decretale 
Bonizonis;  er  enthält  aber  in  Wirklichkeit  jene  Sammlung  in  sieben 
Büchern,  von  der  Theiner  aus  dem  vatic.  Codex  Nr.  134H  in  den 
Disquis.  crit.  p.  347  bis  355  die  Rubriken  veröffentlicht  hat;  nur  ist  sie 
dort  mit  Zusätzen  bis  aus  der  Zeit  Paschal's  II.  und  Excerpten  aus  einer 
kirchenrechtlichen    Schrift,   die    wirklich    von  Bunizu    Iierrührt,    vermehrt. 

41* 


(504  T hau  er. 

weisen  des  Cod.  Vatic.    1346,    sowie    endlich    mit    Ivos  Decret 
und  Pannormie.  Die  durch  den  Druck  hervorgehobenen  Capitel 
sind    nun    lauter    solche,    die    nur    in    der   Sammlung   Anselms 
von  Lucca  oder  einer  der  drei  als  mit  ihr  verwandt  angeführten 
Sammlungen    vorkommen,    sich    also    weder    in    einer    voran- 
selni'schen,  noch  in  einer  der  beiden  Sammlungen   Ivos  finden. 
Aus    der    neuen    Ausgabe    des    Decretum    Gratiani    von    Emil 
Friedberg    sehe    ich,    dass    von    diesen   Capiteln    manche    im 
Polycarp    und  der  Caesaraugustana    also    in  zwei  Sammlungen 
vorkommen,    die    gleichfalls   zu  den  mit  der  Collectio  Anselmi 
verwandten    gehören.     Bei    dieser   Unterscheidung    der  Capitel 
ging  ich  von  dem  Grundsatze    aus,    dass    für    die  Bestimmung 
des  Verhältnisses  der  Sammlungen  zu  einander    die  üeberein- 
stimmung    oder  Verschiedenheit    der  Quellen    allein  nicht  aus- 
reiche,   dass    es    vielmehr  auf  Form  und  Umfang    der  Capitel, 
insbesondere  auf  den  Text  der  Capitelanfänge    ankomme.     So 
kommt,    um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,    aus  dem  cap.  2  der 
römischen  Synode  vom   19.  Nov.  465  (Maassen  Geschichte  der 
Quellen  d.  can.  R.  §.  282  n.  8,  Thiel  Epist.  gen.   Rom.  pont. 
p.   161)    ein  Citat   mit  viererlei  Anfängen  in  den  Sammlungen 
vor,    nämlich:    Cavendum    ergo    in'primis    est  —   inlicitis    in    der 
Anselmo  dedicata  sowie  im  Original,    Cvrandtim    ergo  inprimis 
est  —  convenerhif  in  der  Sammlung  des  Anseimus  und  dem  in  der 
Coli.  XIII   part.  enthaltenen  Auszug  aus  derselben,    Cavendum 
ergo    est   inprimis    —   convenerint   in    der  Sammlung    in    sieben 
Büchern,  endlich  Cavendum  est  inprimis  —  conveniunt  praecepta 
in  Ivos  Pannormie,    und'  Cavendum    est  inpnmis  —  prnec.  con- 
venerint   in   unserer   Sammlung    cap.    152.    Die   Nummern    der 
Rubriken  setzte  ich  unter  Klammern,  da  sie  in  der  Handschrift 
fehlen,    dasselbe  that  ich  bei  der  Bezeichnung  der  Capitel  des 
Anselm,    wo    sie    sich    nicht    vollständig  mit  jenen  von  Monte- 
cassino  decken. 

Der  Sammlung  geht  eine  Uebersichtstafel  voraus^  deren 
erste  Reihe  die  (rothe)  Nummer  jedes  Capitels  enthält,  da- 
neben steht  die  Autorität  geschrieben,  der  es  angehört,  die 
dritte  Reihe  bilden  die  Nummern,  die  die  Capitel  in  der  be- 
treffenden Quelle  führen,  und  in  der  vierten  Reihe  stehen  die 
Anfangsworte  der  Capitel,  daneben  hat  eine  neuere  Hand  noch 
die  entsprechende  Seitenzahl  (fol.)  des  Codex  hinzugesetzt. 


Untersuchnngen  und  Mittheilnngen  zur  QuelleiiltuDde  des  canonischen  Rechtes.      605 

Ich  lasse  nun  das  Quellenvei-zeichniss  nach  der  Reihe  der 
Capitel  folgen,  das  ich  aus  diesen  selbst,  nicht  aus  ihren  In- 
scriptionen,  die  ja  zu  ung-enau  und  unvei'Iässlich  wären,  fest- 
gestellt habe. 


Diversorum  patrum  sententiae  de  primatu  Romanae 

ecclesiae. 

1.  Ex  libro  Deuteronoraii  XVII  8  flf.    Ans.  II  1. 

2.  Pseudo-Anacletus  c.  30  Anfang  u. 
c.    34;    Hinschius    Decretales 

Ps.-Isid.  p.  83,  84 I  2, »  c.  2  pr.  §.  6  D.  22. 

3.  „    Zepherinus  (c.  6)  H.  132   .  .  II  6,  c.  8  C.  II  Q.  6. 

4.  „    Calixtus  (c.   1)  u.  2  H.  136.  I  12,  c.  1   D.  12. 

5.  „    Fabianus  c.  15   Anf.  H.   163  II  10  (—  tribuitur). 

6.  „  „         (c.  27-29)  H.  167  f.  II  10  (Si  quis  iudicem  — 

Ende),  s.  c.  2  C.  II  Q.  6 
u.  c.  3  C.  III  Q.  6. 

7.  „    Sixtus  I  (c.  5  u.  6)  H.  108  f.    II  8,  c.  4  C.  II  Q.  6. 

8.  Constitutum  Silvestri  c.  XX.  Co u- 

stant  App.  52,  n.  27 I  19,  c.  13  C.  IX  Q.  3. 

9.2Ps.-Julius  (c.  11)  H.  464 

10.  Gelasius    (Ep.    26),    ad    ep.    per 

Dardaniam  H.  643 II  16,  c.  17  C.  IX  Q.  3. 

11.  Ennodii    libellus   apolog.   pro   sy- 

nodo  p.  344,  H.  672 I  24,  c.  14  C.  IX  Q.  3. 

12.  Ps.-Vigilius  c.  7  Anf.  H.  712  .  .    19 

13.  Greg.     IV.     Mabillon     Vetera 

Analecta  298 II 17,  vgl.  c.  1 1  C.  II  Q.  6. 

14.  Greg.  IV.  Mab.  Vet.  Analecta  298    I  20,  c.  2  D.  12. 

15.  „  „        „  „  „       II  19,  c.  5  D.  19. 

16.  „  „        „  „  „      II  20,  c.  42  C.  II  Q.  7. 

'  Bei  Anselm  fehlt  der  Satz :  Iffitur  si  quae  causae  di/ficilio7-e.t  —  iudicio,  der 
hier  wie  in  Ivo  Pannorm.  IV  J.  den  Schluss  des  Capitels  bildet;  ist  aber 
später  II  5  zu  einem  eigenen  Capitel  verwendet. 

-  Ist  das  c.  IV  12  in  Ivo  Pann. 


606  Thaner. 

17.' Aus    Nicolaus    I.    Ep.    ad   Hinc- 

marura  J.  2179,  Mansi  XVcol.  359    (I  21)  c.  30  C.  XVII  Q.  4. 

18.  Cjprianus  de  cathol.  eccl.  unitate 

(c.4,5)ed.Gu.Hartelp.212    I  10,  c.  18  pr.  C.  XXIV 

Q.  1. 

19.  „    (c.5,6)  „  „214 eod.  §.  1. 

20.  „    (c.  6)  „  „  214    Y  2,  c.  19  pr.  ead. 

(II.) 

Item  de  eadem  re  et  quod  Petrus  et  Paulus  passi  sunt 

una  die. 

21.  Ps.-Anaelet.  c.  30  H.  83 I  72,  ^  c.  2  —  §.  2  D.  22. 

22.  Gelasius  I.  Decr.  de  recip.  et  non 

recip.   libris.   Einleitung.  H.  635    I  67,  c.  3  D.  21. 

23.  =^S.  Maximi  Taurinensis  Homilia 

LXXII,  Migne  T.  57,  col.  404  .    I  69,  c.  37  C.  II  Q.  7. 

(III.) 
De  privilegioruni  auctoritate. 

24.  Ps.-Anaelet.  c.  15  Anf.  H.  73.  .    IV  1,  c.  1  C.  XXV  Q.  2. 

25.  Leo  ad  Martianum   imp.   ,Magno 

munere'  H.  610 IV  2,  c.  2  ead. 

26.  Siniplicius  Ep.  14,  n.  1  i.  f.  Thiel 

201 IV  3,  c.  63  C.  XI  Q.  3. 

27.  Gregor.   I.    Ep.  34   1.    8   Migne 
Patrol.  lat.  T.  77  col.  935  ...  .    IV  4 

28.  Gregor.  I.  Ep.  14  1.  8  M. '  917.  .    IV  5,  c.  7  C.  XXV  Q.  2. 


J  In  Ivo  Pann.  IV  IG:  Neminem  sedis  ap.  etc. 

2  In  Ivo  Pann.  IV  2  hat  das  Capitel  wohl  den.selben  Anfang,  ist  aber  dem 
übrigen  Inhalte  nach  verschieden. 

'  £x  sermone  Maximi  episcopi.  In  nat.  apostolorum  P.  et  P.  c.  X. 
Beati  Petrus  et  Paulus  eminent  —  pnncipes  morerentur.  Am  Rande:  vel 
morarentur.  Der  Text  .stimmt  vollständig:  mit  dem  bei  Migne  T.  57, 
col.  404  nnd  405  abgedruckten  der  Ausgabe  vom  Jahre  1784,  die  von 
P.  Pius  VI.  dem  König  von  Sardinien  Victor  Amadeus  gewidmet  worden 
war,  nur  dasa  er  die  Varianten  not.  d.  und  e.  hat. 

*  Migne  T.  77  (Greg.  M.  T.  III),  wo  nicht  ausdrücklich  ein  anderer 
Band  citirt  ist. 


Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.        607 


29.  Gregor.  I.  Ep.  47  1.  2  M.  588 . 

30.  „  „   111  1.  9  M.  1041 

31.  „  „     31  1.  8  M.  934 

32.  „  „     57  1.  9  M.  994 


33.  L.  8  1 

Cod. 

Theod. 

XVI  2 .  . 

34.  L.  16 

)7 

n 

35.  L.  26 

n 

n 

36.  L.  29 

n 

» 

37.  L.  30 

n 

)) 

38.  L.  34  3 

J7 

» 

IV  6,  c.  8  ead. 

IV  7,  c.  9  ead. 

IV  8,  c.  34  C.  XVI  Q.  7. 

IV  9,  c.  1  C.  XXXV  Q.  9 

vgl.  c.  12  C.  XXV  Q.  2. 
IV  13 
IV  U,  c.  23  pr.  C.  XXIII 

Q.  8. 
IV  15,  c.  23  §.  1  ead. 
IV  lö,  c.  20  pr.  C.  XXV 

Q.  2. 
IV  17,  c.  20  §.  1  ebda.  2 
IV  18,  c.  20  §.  2      „ 


(IV.) 
De  monachorum  monasteriorumque  übertäte.^ 

39.^  Gregor.    I.    Conc.    Rom.    a<*  601 

Migne  1340 V  54,  vgl.  c.  5  C.  XVIII 

Q.  2. 
Ep.  41  I.  2  M.  578 .  .    VII  164,  c.  3  ebda. 
1  1.  5  M    721 .  .    V  55,  c.  26 
43  1.  7  M.  902 .  .    V  56,  c.  27 
11  1.  4  M.  680.  .    VII  163,   c.  38  C.  XVI 

Q.  1. 


40. 

V 

E 

41. 

» 

V 

42. 

71 

V 

43. 

?7 

n 

(V.) 
De   ordine   accusationis   deque  accusatorum    personis. 

44.  Ps.-Anacl.  (c.  3  u.  4)  H.  68 .  .  .    III  10,  s.  c.  2  C.  III  Q.  4. 

45.  „  c.  35  Anf.  H.  84  .  .  .    III  14,  c.  2  C.  III  Q.  5. 


1  L.  1  Cod.  Just.  I  3. 

2  Vgl.  c.  2  §.   1   Anf.  D.  12. 

^  L.   13  Cod.  Just.  I  3.     lu   der  Sammlung    schliesst  aber  das  Capitel  wie 

bei  Anselm  und  im  Decr.  Grat,  erst  mit:  vigorem. 
^  Diese  Rubrik  findet  sich  auch  im  Codex  Vatic.  reg.  1054  der  Sammlung 

Ps.-Isidors,  Hinsch.  p.  XXI  (n.  VII). 
^  Es  folgen  zum  Schluss  die  Unterschriften,    die    in  der  Coli.  Ans.  fehlen. 


46. 

Ps 

47. 

>i 

48. 

r 

49. 

n 

50. 

)i 

51. 

n 

52. 

n 

53. 

n 

54. 

>7 

55. 

n 

56. 

» 

57. 

n 

58. 

)i 

59.- 

> 

60. 

n 

H. 

608  Thaner. 

Ps.-Telesphorus  (c.  1)  H.  110  .  .  III  29 

Eleutherus  (c.  3)  H.  126    .  .  III  64,  c.  4  C.  II  Q.  1. 

Calixtus  (c.  17,  18)  H.  141  .  III  53 

Fabianus  c.  13  Ende  H.  162 c.  6  C.  II  Q.  7. 

„         c.  22  Auf.  1  H.  165  III  72,  c.  1  C.  IV  Q.  4. 

Stephanus  (c.  2)  H.  182  ..  .  III  5,  c.  17  C.  VI  Q.  1. 

c.  8  Anf.  H.   185  III  54,  c.  5  C.  II  Q.  8. 

„  (c.  7)  H.  184  ..  .  III  27 

„  c.  11  H.  186  ..  .  III  71,  c.  1  C.  III  Q.  11. 

Felix  I.  (c.  13)  c.  14  H.  202  III  7,  vgl.  c.  1  C.  III  Q.  7. 

Euticianus  (c.  6,  7)  H.  211  .  III  70,  c.  18  C.  II  Q.  6. 

„  (c.  8)  H.  212.  .  .  III  25,  c.  11  C.  III  Q.  4. 

Gaius  c.  2  II.  214 III45  Aiif.,c.25C.IIQ.  7. 

Marcellinus  (c.  3)  H.  221  .  .  III  24,  c.  3  C.  XI  Q.  1. 
Silvester  (c.  2)  u.  c.  5  Anf. 

449 III  23,  c.  9  ebda. 

61.  Ps.-Silvester  (c.  5)  H.  449  ...  .  VII  149 


(VI-) 

U  t  infra   provinciam   accusatio   terminetur   et   quid  sit 

provincia. 

62.  Ps.-Cornelius  c.  5  H.  174    .  .  .  . 

63.  „    Stephanus  c.  10  Ende  H.  185    III  74,  c.  4  C.  III  Q.  6. 

64.  Innocentius  I.  ad  Victi-icium  c.  3 

H.  530 III  75,  c.  14  ebda. 

65.  Ps.-Pelagius  II.  H.  724 VI  103,  c.  2  C.  VI  Q.  3. 

(VII.) 

Quod   ordine   inferiores  non   possint  accusare 

superiores. 

66.  Ps.-Zepherinus  (c.  3)  c.  4  H.  131    III  58 

67.  „    Fabianus  c.  21  H.  165  ...  .    VII 150,  c.  31  C.  XI  Q.  1. 


•  Schliesst  aber  mit:  causam  wie  Anselm  und  das  Decr.  Grat. 
2  Wie  im  Original:   Clericus  .  .  nullum. 


»         Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.      0(39 

68.  Ps.-Stephaniis  c.  12  Anf.  H.  186 

69.  „    Silvester   (c.    2)    c.    3    (c.   4) 

H.  449 III  43 


(VIII.) 

Quod  ecclesiarum  pastores  prius  sint  ammonendi 

quam  accusandi. 

70.  Ps.-Anaclet.  (c.  20,  21)  H.  77.  .    III  36,  in  c.  15  §.  4  C.  II 

Q.  7. 

71.  Ps.-Alexander  (c.  8)  H.  98.  .    III  81,  c.  16  ebda. 

72.  Ps.-Sixtus  II.  c.  5  H.  192  ...  . 

73.  „    Felix  I.  c.  9  H.  201 


(IX.) 
Quod  non  possunt  oves  accusare  pastores. 

74.  Ps.-Anaclet.  c.  38  H.  85 III  37,  c.  12  C.  II  Q.  7. 

75.  „  „        c.  37  H.  85 VI  123 

76.  „    Alexander  (c.  6)  H.  97.  .  .  .  III  8 

77.  „  „  c.  7  Ende  H.  98.  III  38 

78.  „    Fabianus  (c.  22,  23)  H.  165 

79.  „    Dionysius   c.  4  Anf.   H.  196  III  61 

80.  „    Euticianus  (c.  9)  H.  212.  .  .  III  40 

81.  Capit.  Angilramni  Cor.  XV.  H.  768 


(X.) 
De  iudicio  et  examinatione  episcoporum. 

82.  Ps.-Evaristus  c.  7  H.  91 III  82,  c.  4  C.  III  Q.  2. 

83.  „    Sixtus  II.  (c.  2)  H.  190  ..  .  II  81,  c.  5  C.  III  Q.  6. 

84.  „    Zepherinus  (c.  2)  H.  131   .  .  III  66,  vgl  c.  5  C.  II  Q.  1. 

85.  „    Melchiades  (c.  2,  3)  H.  243. 

86.'    „    Felix  II.  c.  12  n.  18  H.  488  III  76 

87.     „  „         c.  12  n.  19  H.  488 


'  Wie  bei  Anselra :    Quotiens  pastor  vel  rector  ecdesiae. 


610  Thaner.  * 

88.  Ps.-Felix  II.  c.  12  d.  20  H.  488  II  59,  c.  16  C.  II  Q.  6. 

89.'         „        I.  (c.  12,  13)  H.  202.  III  56 

90.     „    Damasus  c.  8,  9  H.  502  .  .  II  60,  c.  6  C.  III  Q.  6. 

(XL) 
De  episcopis  sine  Romana  auctoritate  depositis. 

91.2Ps.-Fabianus  c.  20  H.  165  ..  .  III48,  vgl.  C.2C.IIIQ.  1. 

92.  „         „  c.  17  H.  163  ..  .  III  39 

93.  „    Sixtus  II  c.  6  Anf.  H.  192  III  49 

94.3   ^    Eusebiiis  c.  12,  11  H.  237  .  III  50,  c.  3  C.  III  Q.  1. 

95.     „    Felix  IL  c.  12  n.  7  (9)  H  486  III  51,  s.  c.  7  C.  III  Q.  2, 

c.  1  C.  III  Q.  3. 

96.^    „    Julius  c.  8  H.  460 II  43 


11 


(XII.) 
De  numero  et  qualitate  iudicum. 

97.  Ps.-Zepherinus  (c.  5,  6)  H.  132    III  41,  c.  2  C.  V  Q.  4. 

98.  „    Felix  IL  c.  15  Ende  H.  490    III  83 

99.  „    Julius  c.  18  Ende  H.  473  . c.  4  C.  XI  Q.  1. 

100.  „        „       (c.  11)  H.  465  ...  .    III  84 

101.  „    Damasus  c.  16  Anf.  H.  501 z.  Th.  in  c.  2  C.  IV 

Q.  4. 

102.  Gregor.  L  Ep.  50  1.  10  M.  1106    III  85,  c.  3  C.  II  Q.  1. 

(Xin.) 

Ut  nemo  absens  iudicetur  et  de  iniustis  iudiciis. 

103.  Ps.-Eleutherus  c.  5  Anf.  H.  126,  in    III  27,  c.  2  C.  III  Q.  9. 

104.  „  „  c.  3    „    H.  126,  in    III  52,  s.  c.  3  C.  III  Q.  3. 

105.  „    Calixtus  (c.  6)  H.  137    ...    III86,  c.89  pr.C.XIQ.3. 

'  Mit   demselben    Eingang   wie    Anselm    III    56 :     Si   accusatus  episcopus  et 

accusatores  eins, 
2  Mit  dem  Anfang:  Stntuimu.t  ne  episcopi  etc.  wie  Anselm. 
^  Mit  demselben  Anfang:  Bedintec/randa  sunt  ans  c.  12  wie  Anselm  nnd  Grat. 
*  Nur  bis :  nmi  videntur  concessa. 


Untersuchungen  und  Mittheilnnsen  zur  Quellenkande  des  canonisclien  Rechtes.       611 

106.  Ps.-Cornelius  c.  6  Auf.  H.  174    III  57,  c.  4  C.  Ill  Q.  9. 

107.  „    Marcellinus  c.  3  Ende,  4  Anf. 

H.  222 111  87,  c.  8  C.  XXV  Q.  1. 


(XIV.) 
De  episcoporum  iudiciis  et  de  sinodica  vocatione. 

108.  Ps.-Felix  IL  in  c.  15  H.  489  . c.  2  §.  1  C.  III  Q.  3. 

109.  „    Marcellus  c.  9  Anf.  H.  227 c.  5  C.  III  Q.  9. 

110.  „    Damasus  c.  11  H.  503   ..  . c.  1  C.  V  Q.  2. 

(XV.) 
De    praelatis    imperitis   indignis  symoniacis  neophitis. 

111.  Innoc.  I.  ad  Aurelium  ,Qua  in- 

dignitate^  H.  546    Yl  28,  c.  4  D.  61. 

112.  Coelestiu.    I.    ad    ep.    Apul.    et 

„     Calabr.  c.  1   H.  561.  .  .  .     VII  102,  c.  4  D.  38. 

113.  „     ad  ep.  per  Viennensem  cet. 

c.  5  H.  560.  . VI  21,  c.  13  D.  61. 

114.  „     ad  ep.  Apul.  et  Calabr.  (c.  2) 

H.  561    VII  28,  c.  7  D.  61. 

115.  Leo  I.  Ep.  59   ad  Constantino- 

politanos  H.  572 VII  101,  c.  3  D.  38. 

116.  Item.  Quisqtiis  mconcessa  quae- 
sierit,  ipse  suo  opere  atque  iudicio 
universalis  ecclesiae  pace  et  so- 
cietate  privabit  (1.   privabitur). 

117.  „     Ep.  167  ad  Rusticum   c.  1 

H.  616 VI  65,  e.  1  D.  62. 

118.  „     Ep.  14  ad  Anastasium  Thes- 

salon, ep.  c.  2  H.  619  .  .  .    VI  15 

119.  „     Ep.  14  c.  4  H.  619  in .  .  .    VI  16 

120.  „       „    12  ad  ep.  Afrieanos  (c.  1) 

H.  622 Yl  17,  c.  25  C.  I  Q.  1. 

121.  „      „    „  (c.  1)  H.  622 VI  18,  c.  5  §.  3  D.  61. 

122.  „      „    „  (c.  1)  H.  623 VI  125,  c.  8  D.  61. 


612  Thaner. 

123.  Symmachus    Ep.    15    ad    Caesa- 

rium  c.  5  H.  657 VI  66 1 

124.  Hormisda  Ep.  25  ad  ep.  Hispa- 

niae  I,  H.  690  in VI  19  bis  sacerdotii  digni- 

tatem  c.  2  D.  61. 

125.  Gregor.  I.  Ep.  109  1.  9  M.  1037  VI  67,  c.  1  D.  61. 

126.  „     „  110  1.  9  M.  1039  VI  68,  c.  28  C.  I  Q.  1. 

127.  „     „  106  1.  9  M.  1028  VI  69,  s.  c.  2  C.  I  Q.  1 

c.  3  C.  I  Q.  6  u.  c.  13 
C.  I  Q.  1  (c.  4  ead.). 

128.  „     „  106  1.  9  M.  1029  V  28,  s.  c.  27  C.  I  Q.  1. 

129.  „    „  106  1.  9  M.  1030  VI  26,  c.  3  D.  59. 

130.  „     „  106  1.  9  M.  1031  VI  25,  c.  2  D.  48.  '^ 

131.  „     „  106  1.  9  M.  1032  VI  71 

132.  „    „  29  1.  12  M.  1240  VI  73,  vgl.  c.  5  C.  I  Q.  1. 

133.  „    Lib.  I  hom.  4 VI  72,  c.  114  C.  I  Q.  1. 

134.  „    Ep.  57  1.  5.  M.  791  .  VI  78,  c.  3  D.  100. 

135.  „    Conc.  Roman,  a*»  595 

c.  5  H.  746 VI  79,  s.  c.  3  u.  4  C.  I  Q.  2. 

136.  Conc.   Tolet.  VIII  c.  3  H.  389    VI  74 

137.  Leo  I.  Ep.  12  ad  ep.  African.  c.  1 

H.  622 VI  29,  der  Anfang  des  Ca- 

pitels:  Ubi  est  illa  steht 
in  c.  5  §.  2  D.  61. 
(XVI.) 

Quibus  sacri  ordines  sint  tribuendi  quibusve 

denegandi. 

138.  Ex  synod.   gestis  Silvestri   c.  7 

H.  450 VII  40 

139.  Siricius  adHimeriumc.  11  H.522    VIII  5,  c.  5  D.  84. 

140.  „  „        c.  14  H.522    VII 16,  c.  66  D.  50. 

141.  „       ad  diversos  episcopos  c.  3 

H.  524 VII  34 

142.  Innoc.  I.  Ep.  2  ad  Victricium  c.  2 

H.  529 VII  10,  c.  61  D.  50. 

'  s.  c.   1   C.  I  Q.  6. 

'  Aber  nur  der  erste  Theil  bis  ,ascensnm'.  S.  Fried  berg  Corp.  jnr.  can. 
zu  diesem  Capitel  n.  44. 


Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.       613 

143.  Innoc.  I.  Ep.  2  ad  Victricium  c.  4 

H.  530 VII  11 

144.  „  Ep.  2  c.  5  H.  530.  .  .  VII  8,  c.  13  D.  34. 

145.  „  c.  6  Anf.  H.  530 ....  VII  9 

146.  „  ad  B^licem  c.  1  H.  533  VII  30,  c.  6  D.  55. 

147.  „  „         in  e.  3  H.  533  VII  7,  c.  2  D.  51. 

148.  „  „         c.  4  H.  533  VII  29,  >  c.  6  D.  33. 

149.  „  ad  episcopos  Tolosanos 

c.  3  H.  552 VII  33 

150.  Coelestin.  I.  Ep.  ad  episcopos  per 
Viennensem  cet.  c.  6  H.  560.  .    VI  61 

151.  Leo  I.  Ep.  ad  episc.  Campaniae 

(c.  2)  H.  614 VIII  4 

152.  Hilari  papae  synodale  decretum 

c.  2  H.  630 (VII  12)''  s.  c.  9  D.  34. 

153.  „       c.  33  H.  630 (VII  13)  c.  3  D.  55. 

154.  Felix  III.  Ep.  ,Qualiter  in  Afri- 

canis'  c.  5  H.  634 VII  U,  c.  10  C.  I  Q.  7. 

155.  Gelasius  I.  Decret.  g-enerale  c.  5 

H.  651 VII 15,  c.  59  D.  50. 

156.  Conc.    Quinisext.    a.    692,    c.    7 

s.  Mansi  XI  col.  943 c.  26  D.  93. 

(XVII.j 
Ne  ignotis  sacri  tribuantur  ordines. 

157.  Ex  synod.  gestis  .Silvestri  c.  10 

a.  E.  H.  451 VII  19,  c.  1  D.  98. 

158.  Ps.-Anastas.  I.  H.  525 VII  20,  c.  2  D.  98. 

159.  Gregor.  I.  ep.  37  1.  2  M.  575  .    VII  21,  c.  3  D.  98. 

'  In  anderen  Sammlungen  beginnt  das  Capitel  mit:  Laici  vero  qui  wie 
im   Original. 

2  Aber  mit  dem  Anfangsworte:   Curandum  statt  Cavendura. 

3  In  unserer  Sammlung  beginnt  das  Capitel  nicht  wie  im  Original  und 
Anselm  mit:  Inscü,  sondein  wie  im  Decr.  Grat,  mit:  Poenitentes  vel,  vind 
hat  doch  auch  den  in  letzterem  fehlenden  Satz :  vel  hi  qui  ex  poenüen- 
tibus  sunt. 


614  Thaner. 

(XVllI.) 
De    consecratione    episcoporum    et    archiepiscoporum. 

160.  Ps.-Anaclet.  I.  (c.  18)  H.  75 .  .    VI  45,  c.  1  D.  75. 

161.  „    Anicetus  (c.  1,  2)  H.  120  .    VI  33,  s.  e.  4  D.  64,  c.  1 

§.  1  D.  66. 

162.  Innocent.  I.  Ep.    ad   Victricium 

c.  1  H.  529 VI  48,  c.  5  D.  64. 

(XIX.) 

De  ordinatione  presby terorum  diaconorum  et 

ceterorum. 

163.  Ps.-Anaclet.  I.  c.  18  a.  E.  H.  82    VII  89 

164.  „    Zepheriuus  c.  14  Anf.  H.  135    VII  36,  c.  3  D.  75. 

165.  Leo  I.  ad  Dioscorum  c.  2  Anf. 

H.  627 VII  37,  c.  4  D.  75. 

166.  Gelasius  I.  Decret.  gener.  c.  13 

Anf.  H.  652 VII  38,  c.  7  D.  75. 

(XX.) 
Ut  episcopi  semper  testes  secum  habeant. 

167.  Ps.-Anacl.  I.  c.  10,  11  Anf.  H.  70    VI  126,  c.  1  D.  59  de  cons. 

s.  c.  2  pr.  D.  10  de  cons. 

168.  „    Evarist.  c.  1,  2.  Theil  H.  87    VII  59,  c.  11  D.  93. 

169.  „    Lucius  c.  1  H.  175 VH27,  c.  60  D.  1  de  cons. 

(XXI.) 
De  munditia  sacerdotum  et  continentia  clericorum. 

170.  Synod.     Silvestri    I,     apocrypli. 

c.  19  Mansi  II  630 VIII  10 

171.  Innocent.    I.    ad    Maxiraum     et 

Severum  H.  544 VIII  14,  c.  6  D.  81. 


üntersuchnngen  uml  MittheiluDgen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.       615 

172. 'Leo  I.  ad  Anastasium  c.  3  H.  619    z.  Th.  Ans.  VII  128, 

s.  c.  1  D.  32. 
173.  Gregor.  I.  Ep.  60  1.  9  M.  997  .    VI  181 

(XXII.) 
De  Romano  pontificatu. 

174.2  Syn.  Romana  I.  sub  Symmacho 

a.  499  (c.  2)  H.  658  ...  .    VI  1  Anf.,  c.  2  pr.  D.  79. 

175.  „     c.  2  H.  658 VI  1  (et  post  pauca),  c.  2 

et  infra  D.  79. 

176.  „     c.  3  H.  658 VI  1  Mitte,  c.  10  D.  79. 

177.  „     c.  4  H.  658 YI  1  Ende 

(XXIII.) 

De   observatione   decretorum    pontificum   Romanorum. 

178.  Ps.-Damasusl.  c.222Anf.  H.507    IV  47. 

179.  „     de  corepisc.  a.  E.  H.  515    IV48,  c.  12  C.  XXV  Q.  1. 

180.  Leo  I.   ad   Rusticum   pr.   a.   E. 

H.  616 II  76,  e.  2  D.  14. 

181.  Damnatio  Vig-ilii  a.  E.  H.  629.    VI  148,  c.  22  C.  XXV  Q.  2. 

182.  Gelasius  I.  Decret.  gener.  c.  30 

H.  654 IIV  145,  c.  47  C.  II  Q.  7. 

183.3  Agatho  jaffe  1629 e.  2  D.  19. 

(XXIV.) 
Ne  universalis  quisquam  vocetur. 

184.  Ps.-Pelagius  IL  H.  721  a.  E.   .    VI  117,  c.  4  D.  99. 

185.  Gregor.  L  Ep.    30  1.  8  M.  933    VI  118,  c.  5  D.  99. 

^  Ad  exhihendam  —  detegüur,  aber  oline  den  Satz:  ut  et  qui  —   singulares. 

2  Dieses  Capitel  ist  in  der  Sammlung  als  c.   1  der  Synode  bezeichnet. 

3  Die   Inscription    dieses  Capitels    liabe   ich    nicht  vollständig  notirt.    es  ist 
aber  c.  10  citirt. 


616  Thaner. 

(XXV.) 
De  episcoporum  mutatione. 

186.  Ps.-Evarist.  (c.  4)  H.  90 TI  98,  c.  11  C.  VII  Q.  1. 

187.  „    Calixt.  I.  (c.  14)  H.  139  .  .    VI  99,  c.  39  C.  VII  Q.  1. 

188.  „    Anteius  c.  2  H.  152 VI  90,  c.  34  C.  VII  Q.  1. 

189.  Damasus    de    sacerdotibus    etc. 

H.  516 VI  91,  c.  43  C.  VII  Q.  1. 

190.  Leo  I.  ad  Anastasium  H.  620  .    VI  92,  c.  31  C.  VII  Q.  1. 

(XXVI.) 
Ut  unusquisque  suis  contentus  sit  terminis. 

191.  Ps.-Annicius  c.  4  Anf. '  H.  121    (II  21)  c.  6  C.  IX  Q.  3. 
192.2    „    Calixt.  (c.  13  zu  Anf.)  H.  139 

193.  „         „      c.  12  H.  138 VI  115,  c.  1  C.  IX  Q.  2. 

194.  „         „      c.  13  Ende    u.  c.  14 

Anf.  H.  139 VI  114,  c.  3  C.  IX  Q.  2. 

195.  Leo  I.  ad  ep.  Campaniae3  IL  614    VII  23,  c.  1  D.  54. 

196.  Leo   I.    ad   Anatolium    ,Manife- 
stato^   c.   4  Opera   ed.  Ball  er.  I 

1166 VI  116,  c.  3  C.  XXV  Q.  1. 

(XXVII.) 
De  vana  corepiscoporum  superstitione. 

197.  Ps.-Damasus  H.  510 VII  108,  c.  5  D.  68. 

198.  „    Leo  H.  628 VII  107,  c.  4  D.  68. 

(XXVIII.) 

De  reparatione  sacerdotum  post  lapsum. 

199.^Ps.-Calixt.  I.  (c.  20)  H.  142  .  . c.  14  §.  3  D.  50. 

200.  ^  „         „     (c.  20  Schluss)  H.  143 

'  Bis :  timor&m  habeant. 

2  Es  ist  das  Capitel  II  305  bei  Regino. 

3  Nämlicli   Rubrik  I  uiicl  Text  von  c.   1  von  nisi  forte  an. 
*  Errant   —   ab  ira. 

5  Ist  Ivo   Decr.  VI  4'J. 


Untersuchungen  und  Mittheilnngeu  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.      617 

201.' Gregor.     I.     Secundino     apocr. 

H.  737    c.  16  D.  50. 

202.2Isidorus    ad   Massonam,     Opera 

ed.  Arevalus  VI  col.  563  sq.  .  .    Till  34,  c.  28  D.  50. 

(XXIX.) 

Quod   non   debeat   missa   celebrari    nisi    in    sacratis    ab 

episcopis  locis. 

203.  Ps.-Silvester  c.  9  H.  450  .  .  .  .    TU  118,  c.  15D.  1  de  cons. 

204.  „    Felix  IV.  Decreta  H.  701  .    VII 119,  c.  11  D.  1  de  cons. 

(XXX.) 
De  sacramentorum  oblationibus. 

205.  Ps.-Alexander  e.  9  Anf.   H.  99    IX  1,  c.  1  D.  2  de  cons. 

206.  „    Silvester  c.  6  H.  450  .  .  .  .    IX  2,  c.  46  D.  1  de  cons, 

207.  Cyprianus  ep.  LXIII  ad  Caeci- 

lianum   (c.   13)    ed.   Gu. 

Hartel  p.  711 IX  4,  c.  2  D.  2  de  cons. 

208.3       „      (c.  14)  p.  712 IX  5,  c.  9  D.  8. 

(XXXI.) 
De  ecclesiarum  consecrationibus. 

209.  Gelasius  I.   Decret.  gener.  c.  6 

H.  651 V4,  c.  6  pr.  D.  1  de  cons. 

(XXXII.) 
De  ecclesiarum  sacerdotumque  sollemnitatibus. 

210.  Ps.-Felix  IV.  Decreta  H.  701  .     V  23,  c.  17  D.  1  de  cons. 

'  Item  de  eadem  re.  cap.  CCXXII.  Gregorius  Romanae  ecclesiae  praesul 
Secundino  servo  dei  recluso.  Sanctitati  tuae  a  nobis  requirere  placiiit  — 
Spiritus  contribulatus. 

2  Ex  epistola  Ysidori  ad  Massonum.  cap.  X.  ,Domino  sancto  etc.  Veniente 
ad  nos  famulo'.  Mit  diesem  Anfange  findet  sich  das  Capitel  nur  in  der 
Sammlung  des  Anselm. 

3  Schüp.sst :  traditionem   vestram  statuatts. 

Sitzangeber,  d.  phil.-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  il.  Uft.  42 


618  Thanpr. 

(XXXIII.) 

De  benedictione  salis  et  aquae. 

211.'  Ps.-Alexander  (c.  9)  H.  99  .  .  . c.  20  D.  3  de  cons. 

(XXXIV.) 
Ut  evangelia  stando  audiantur. 

212.  Ps.-Anastasius  I.  H.  525 TU  147,  s.  c.  68  D.  1  de 

cons. 

(XXXV) 
De  ehrismatis  consecratione. 

213.  Ps.-Fabianus  (c.  9)  H.  160  ..  .    IX  27. 

(XXX  VI.) 
De  sacramento  inanus  impositionis  et  baptismatis. 

214.  Ps.-Urbanus  c.  10  a.  E.  H.  146    IX  20,  c.  1  D.  5  de  cons. 

215.  „    Melchiades  c.  6  Anf.  H.  245    IX  23, '^  c.  3  D.  5       „ 

216.  „  „  c.  6  a.  E.  H.  245    1X21,  s.  c.  2  D.  5      „ 

(in  baptismo  etc.) 

217.  Idiioc.    L    ad    Decentium    c.    3 

H.  528 IX  22,  s.  c.  119  D.  4  de 

cons. 

218.  cf.   Leo  I.    ad  Sicilienses  episc. 

Rubr.  c.  5  u.  6,  vgl.  H.  611  .  .    IX  12,  s.  c.  12  u.  16  D.  4 

de  coDS. 

219.  Gelasius   I.   Decr.   gener.   c.    12 

H.  652 IX  11,  c.  18  D.  4  de  cons. 

220.  Greg.  I.  Ep.  ad  Leandruiu  ,Re- 

spondere*  Schluss  H.  733  ....    IX  15,  c.  80  D.  4  de  cons. 


'  Scliliesst  mit:  mtmdat. 

■^  Nämlich  mit:   De  kor  .«.  beginnend,  wähnend  die  andern  Sammlungen  und 
das  Decr.  Grat,  nach  dem  Original:  De  his  vero  s.  beginnen. 


Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.       619 

(XXXVII.) 

Ne  baptismus  iteretur. 

221.  Leo  I.   ad  Nicetam   c.  7   H.  64    IX  28,  c.  51  C.  I  Q.  1. 

(XXXVIII) 
De  bis  qui  ab  baereticis  ordinantur. 

222.  lunocentius  I.  ad  Rufum  etc.  c.  3 

H.  550 VI  70,  c.  18  C.  I  Q  1. 

(XXXIX.) 
De  clericis  in  baeresim  lapsis  et  post  conversis. 

223.  s.  Leo  I.  ad  Jauuariura  H.  614    VIII  18,  vgl.  c.  112  (42) 

C.IQ.1U.C.21C.IQ.7. 

(XL.) 
De  sedibus  episcoporura  et  de  potestate  eorum. 

224.iPs.-Urbanus  c.    7    Anf.  H.  145    A^I  138 

225.2  ^  „        (c.  7  u.  8)  H.  145 

(XLI.) 
De  auetoritate  sacerdotali  et  de  potestate  regali. 

226.3  Leo  I.  ad  Pnlcberiam  ,Gaudere 

me*  Scbluss  H.  603 -  -s.c.21C.XXIIIQ.5. 

227.-'  Gelasius  I.  ad  Anastasium  imp, 

H.  639 171  Anf.,  vgl.  c.  10  pr. 

§.  1  D.  96. 
228.5      „        H.  639 I  71  Mitte 

•  Bis:  materiam  docet. 

2  Bis:  praecavere  dehemus. 

3  Omnes  res  aliter  tuae  (sie)  —  auctorilas. 

*  Duo  sunt,  Imperator  —  voluntatem. 
5  Si  cunctis  —  celebravit. 

42» 


620  Tlianer. 

(XLII.) 
Ne  praesumat  quis  clericum  servum  retinere  alienum. 

229.  Leo  I.   ad  Anastasium  ep.   c.  8 

H.  620 VII152,s.c.lC.XIXQ.2. 

230.  „  ad  episcopos  Campaniae, 
Ruhr.  u.  Schluss  von  c.  1,  s.  c.  195 

H.  614 YII  23,  c.  1  D.  54. 

231.'  Gelasius  I.  Decret.  gener.  (c.  16) 

H.  652 VIT  170,  c.  12  pr.  zweite 

Hälfte  D.  54. 

232.  Gregor.  I.  Synod.  romana  a*  595 

c.  6,  s.  H.  747 VII  165,  c.  23  D.  54. 

(XLUl.) 
De  cantoribus  Romanae  ecclesiae. 

233.  Gregor.  I.  Syn.  Rom.  a«  595  c.  1 

H.  746 VII  60,  c.  2  D.  92. 

(XLIV.) 
Ne  feretrum  Romani  pontificis  veletur. 

234.2  Gregor.  I.  Syn.  Rom.  a«  595  c.  4 

H.  746 

(XLV.) 
De  auctoritate  Arelatensis  episcopi. 

235.  Gregor.  I.  ad  Augustinum  H.  739 

IX VI  85,  c.  3  C.  XXV  Q.  2. 

(XLVI.) 
De  pastoribus  luporum  laude  gloriantibus. 

236.  Pe.-Anaclet.  c.  8  Anf.  H.  69 .  .    VI  140,  c.  6  D.  83. 

•   Quisquis  episc.  —  pulsaverü. 
2  Ist  Deusded.  I  118. 


Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.       621 

(XL  Vir.) 

Ne  clerici  vel  sacerdotes  sint  cupidi  vel  foeneratores. 

237.  Leo   I.    ad    Anatholium    , Mani- 

festation H.  611 VII  140,  c.  6  D.  47. 

238.  „  ad  ep.  Campaniae  c.  4 

H.  614 VII  141,  c.  10  D.  46. 

(XLVIIL) 
De  ieiunio  clericorum  ante  pascha. 

239.  Ps.-Telesphorus  (c.  1  u.  2)  H.  109    VII  156,  c.  4  D.  4. 

(XLIX.) 
Quod  sacerdotes  non  debeant  sacramentum  facere. 

240.  Ps.-Cornelius  (c.  3)  H.  173  .  .  . c.  1—3  C.  II  Q.  5. 

(L.) 
De  auctoritate  praedicationis. 

241.  Anastasius  IL  ad  Anastas.  imp, 

c.  7  Schluss  H.  656 VII 136,  c.  8  D.  19. 

242.  Leo    I.    ad    Theodoritum    a.    E. 

H.  567 VII  123 

(LI.) 
De  vestimentis  ecclesiae  vel  altaris. 

243.  Ps.-Clemens  c.  45  H.  47    .... c.  39  D.  1  de  cons. 

244.  „    Stephanus  c.  3  Anf.  H.  183 c.  42  D.  1         „ 

245.  „    Soter  (c.  3)  H.  124 c.  25  D.  23. 

(LIL) 
De  cubiculariis  pontificum. 

246.  Gregor.  I.  Synod.  Rom.  a.  595 

c.  2  H.  746 VI  128,  c.  58  C.  II  Q  7, 


622  Thaner. 

(LIII.) 
Ut  destruatur  quod  illicite  commissum  est. 

247.  Hylari  synodale  decretum  (c.  4) 

H.  630 VI  143 

(LIV.) 
De  consecratione  virginum. 

248.  Gelasius  I.  Decret.  gener.  c.  14 

u.  15  Anf.  H.  652 c.  11  C.  XX  Q.  1. 

(LV.) 
De  correptione  praelatorum  in  sl^bditis. 

249.  Leo    I.    ad    ep.    Aquilegiensem 

a.  E.  H.  .575 VI  141,  c.  1  D.  86. 

250.  „         ad  Rusticum  H.  616   . c.  2  D.  86. 

(LVI.) 
Qualis  debeat  esse  modus  poenitentiae. 

251.  Innocent.  I.  ad  Decentium  c.  7 

H.  528 XI  25,  c.  17  D.  3  de  cons. 

252.  „  ad  Victricium  c.  12 

H.  531 XI  79,   c.  10  C.  XXVII 

Q.  1. 

253.  Leo  L  ad  Theodorum  H.  625  in    XIll(etpostaliqua),c.  10 

C.  XXVI  Q.  6. 

254.  Gelasius  I.  Decret.  gener.  c.  22 

H.  653 XI  80,  c.  14  C.  XXVII 

Q.  1. 
(LVII.) 
De  illatione  ciiminis. 

255.  Ps.-Fcibianus  c.  28  (von  Si  quis 

ergo  iratus)  H.  168 III  79,  c.  5  C.  II  Q.  3. 

256.  Gelasius    I.     ad     Anastas.     imp. 

H.  640 XII  20 


üntersnchnngen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Hechtes.      623 

(LVIII.) 

Ut  houiü  litteratus  a  causis  vacet  saecularibus. 

257.  Gregor.  I.  Ep.  27  1.  12  M.  1237 c.  8  D.  88. 

(LIX.) 

Ut   singula   ecclesiarum    officia  singulis  coinmittantur 

personis. 

258.  Johannes  Diac.  Vita  Gregor.  M. 

II  54,  MigneT.75,  110    VII  94,  c.  1  D.  89. 

259.  Gregor.I.Ep.  71  1.  11  M.  1211    VI  31,  c.  2  D.  89. 

(LX.) 

Ne  laicis  facultates  committantur  ecclesiasticae. 

260. 1  Ps.-Stephanus  c.  12  H.  186, 
Symmachus  Syn.  Rom.  III  a. 
502  H.  660 V  10,  c.  24  C.  XVI  Q.  7. 

261.  Gregor.  I.  Ep.  65  1.  9  M.  1002    VI  132  (c.  5  D.  89). 

262.  „  Syn.  Rom.  c.  3  a.  E. 

H.  746 c.  Ipr.a.E.C.XVI 

Q.  6. 

(LXI.) 

De   damnatione   invasorum   ecclesiasticorum 

praediorum. 

263.  Ps.-Pius  (c.  7  u.  8j  H.  118    .  .    V  322,  c.  5  C.  XII  Q.  2. 

264.  „    Urbanus  ^c.  4)  H.  144  .  .  .     V  33,  s.  c.  16  §.  2  C.  XII 

Q.  1. 

265.  „   Lucius  (c.  7)  H.  179  ...  .    XII4, '  c.5  C.XVII  Q.4. 


' facultas,   neque   deinceps  fieri  permittiTniis   sed   omnino   irUerdicentes 

prohibenms. 
^  Ivo  Decr.  XIII  39  beginnt  das  Capitel:  Ad  sedem  apostolicam. 
3  In  anderen  Sammlungen   beginnt  das  Capitel  anders. 


624  Thaner. 

266.  Symmachus  Exemplar  constituti 

Syn.  Rom.  a«  502  (c.  4)  H.  661    (IV  28)  Anf.  • 

267.  „     (c.  6,  7,  8)  H.  661    ....    s.IV  29,  s.  c.  1  C.  XVII 

Q.  4. 
268.2  Ps.-Symmachus  H.  682 

269.  Gregor  I.  Ep.  51  1.  9  M.  982  .    V  34,  c.  2  C.  XVII  Q.  4. 

270.  „  Ep.  5  1.  10  M.   1070    V  35,  c.  4  C.  XVII  Q.  4. 

(LXII.) 

De  legitimis  conjugiis. 

271.  Ps.-Evarist  (c.  2)  H.  87 X  2,  c.  1  C.  XXX  Q.  5. 

(LXIII.) 
De  coniugiis  aliqua  necessitate  divisis. 

272.  Leo  I.  ad  Nicetam  c.  1  H.  621    X  22,  s.  c.  1  C.  XXXIV 

Q.  1  u.  2. 

(LXIV.) 
Quod  religionis  causa  non  sint  solvenda  conjugia. 

273.  Gregor  I.  Ep.  45  1.  11  H.  744    X18,  c.l9C.  XXVIIQ.  2. 

274.  „  Ep.  50  1.  11  M.  1169    (X  19)  c.  21  C.  XXVII 

Q.  2. 

275.  „  Ep.  43  1.  3  M.  639  .    X  36 

(LXV.) 

Incipiunt  quaedam  capitula  a  beato  Gregorio  in 
generali  synodo  disposita. 

276.  bis  289 vgl.  X  34  3 

'  Bis :  iura  transferre. 

2  Hera  capitulo  eodevi.  Generaliter  statuimus  tit  qtdcumque  —  anathemate 
feriantiir. 

3  Anselm  bat  nur  zwölf,  es  fehlen  auch  noch  VIII  und  X;  auch  sonst 
steht  der  Text  unserer  Sammlung  dem  Original  näher,  als  der  der 
Anselm'schen  Sammlung:  V.  Si  quis  fratris  uxorem  etc.  —  Ans.  Si 
quis  sororem  etc.;  XIII.  Si  quis  .  .  .  temeraverit  et  non  in  omnibiis 
observaveril,  an.  sil.  —  Ans.  Si  quis  .  .  .  temeraverit,  an.  sit. 


UntersDchnngen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunde  des  canonischen  Rechtes.      625 

Vierzehn  Anathematismen  der  römischen  Synode  unter 
Gregor  II.  vom  Jahre  721  (es  fehlen  die  Nummern  XIV  bis 
XVI).     H.  754. 

(LXVI.) 

Haec  capita  sparsim  collecta  sunt  et  Algilranno  Medio- 
matricae  urbis  episcopo  Romae  a  beato  papa  Adriano 
tradita,   quando   pro   sui   negotii   causa    inibi  agebatur. 

290.   bis  307.  Achtzehn   Capitula  Angilramni. 


(LXVII.) 
De  inventione  sanctae  crucis. 

308.  Ps.-Eusebius  c.  20  H.  242  .  .  . c.  19  D.  3  de  cons. 

(LXVIII.) 

Quod  cum  excommunicatis  non  sit  coramunicandum. 

309.  Ps.-Fabianus  c.  6  H.  159  .  .  .  .    XII 18,  s.  c.  16  C.  XI  Q.3. 

(LXIX.) 
Ne  Judaeis  ullum  inferatur  praejudicium. 

310.  Gregor.  I.  Ep.  25  1.  8  M.  927. 

(LXX.) 
Ne  Judaei  christiana  possideant  mancipia. 

311.  Gregor.  I.  Ep.  21  1.  4  M.  690. 

(LXXI.) 
De  clericis  raonachorum  appetentibus  propositum. 

312.  Conc.  Tolet.  IV.  c.  49  H.  370.    VII 169,  c.  1  C.  XIX  Q.  1. 


62()  Thaner. 

(LXXII.) 
Ne  quisquam  sacerdotum  libros  leg-at  gentilium. 

313.  Gregor.  I.  Ep.  54  1.  11  M.  1171 c.  5  D.  86. 

(LXXIII.) 

Ut   propria   iniuria   nullus   excommunicare   praesumat. 

314.  Gregor.  I.  Ep.  49  1.  2  M.  591.    XII  22,  c.  27  C.  XXIII 

Q.  4. 

(LXXIV. 
De  pastoribus  iniuste  subditos  excommunicantibus. 

315.  Gregor.  I.  in  evang.  üb.  II  hom. 

26  n.  5 XII  23,  vgl.  c.  88  C.  XI 

Q.  3. 


Aus  dieser  vergleichenden  Uebersicht  ist  vor  allem  sofort 
zu  ersehen,  dass  nicht  alle  Capitel  unserer  Sammlung  auch  in 
der  des  Anselm  vorkommen,  es  fehlen  dieser  vielmehr  an 
viei'zig-  solcher  Capitel;  weiters  dass  in  derselben  nicht  aus 
allen  dreizehn  Büchern  des  Anselm  Capitel  stehen,  aus  dem 
dreizehnten  Buche  kommen  keine  vor.  Aber  auch  mit  den 
Rubriken  verhält  es  sich  anders,  als  Theiner  angibt;  da  besteht 
gerade  am  wenigsten  Uebereinstimmung,  und  es  ist  ja  natür- 
lich, dass  Rubriken,  die  für  mehrere  Capitel  zusammen  gelten 
sollen,  allgemeiner  lauten  müssen  als  Einzelrubriken.  Ich  habe 
nur  folgende  Rubriken  gefunden,  die  in  beiden  Sammlungen 
ganz  oder  nahezu  wörtlich  gleich  lauten ,  während  bei  den 
anderen  die  Uebereinstimmung  nur  die  allgemeine  ist,  die  sich 
aus  der  Gleichheit  des  Inhaltes  ergibt,  es  sind  jenes  die  RR. 
XX  (Ans.  VI  127),  XXIV  (Ans.  VI  117),  XXXIX,  XLV, 
XLVIIl,  LIII,  LVII  (Ans.  III  79),  LIX  (Ans.  VII  94),  LXIII, 
LXIV  (Ans.  X  18),  LXXI  und  LXIII.  ' 

'  Die  Rubrik  von  Auselm   III   58 :     Ut   inferioren  ordine  non  acctisent  xiipe- 
rlorejt  et  in  re  dubia  certn  non  detnr  sententin  et  absens  nemo  iudicetur  findet 


Untersnchung-en  nnd  Mittheilungpii  zur  QupHpnkunde  des  canonischen  Rechtes.      627 

Nach  den  Behauptiing'en  Theiner's  müsste  die  nachpseudo- 
isidorische  Sammlung'  von  Montecassino  ein  Auszug  aus  der 
Coli.  Anselmi  sein,  allein  ausser  dem,  dass  sie  so  viele  andere 
Rubriken  und  Capitel  enthält,  sprechen  dageg-en  noch  folgende 
Umstände: 

Erstens  ist  es  unwahrscheinlich,  dass  ein  Epitomator  die 
Anordnung  des  Stoffes  in  der  Vorlage  so  vollständig  verlassen, 
und  die  Einth eilung  in  Bücher  durch  Zusammenstellung  der 
Capitel  unter  Gesammtrubriken  ersetzt  hätte,  die  auch  wieder 
nach  einem  eigenen  Gesichtspunkte  geordnet  war. 

Zweitens  bedürfte  es  einer  besonderen  Erklärung,  warum 
das  letzte  Buch  übergangen  wurde. 

Drittens  hat  der  Verfasser  bei  den  Quellencitaten  die 
Capitelzahlen  angegeben,  die  in  Anselm  fehlen;  für  einen 
Auszug  eine  ganz  ungewöhnliche  Vervollständigung. 

Viertens  erscheint  das  Capitel  23  des  h.  Maximus  bei 
Anselm  unter  der  Aufschrift  des  h.  Ambrosius  als  Schlusstheil 
eines  längeren  Capitels  (I  69). 

Fünftens  endlich,  und  dies  halte  ich  für  das  Entschei- 
dendste, fehlen  unserer  Sammlung  die  Capitel,  die  Anselm  aus 
seiner  Zeit  in  sein  Werk  aufgenommen  hat,  es  steht  kein 
Capitel  Gregor's  VII.  darin;  es  kommen  überhaupt  aus  der 
Zeit  nach  dem  neunten  Jahrhundert  keine  Quellen  mehr  darin 
vor.  Dieser  Punkt  führt  auf  die  wahre  Stellung  der  315  Capitel 
in  der  Reihe  der  Sammlungen;  Theiner  p.  339  glaubte  in  der 
Befangenheit,  dass  sie  aus  der  Sammlung  Anselms  gezogen 
seien,  deshalb,  weil  sich  nichts  aus  der  Zeit  nach  Anselm 
darunter  findet,  annehmen  zu  dürfen,  dass  sie  bald  nach  dessen 
Tode  geschrieben  seien.  Theiner  hat  offenbar  unterlassen,  die 
einzelnen  Capitel  auf  die  Zeit  ihrer  Erlassung  anzusehen,  ob- 
wohl diese  Mühe  bei  systematischen  Sammlungen,  wo  das  der 
Zeit  nach  letzte  Capitel  nicht  auch  an  letzter  Stelle  steht,  un- 
erlässlich  ist.  Da  aber,  wie  gesagt,  die  Quellen  nur  bis  ips 
neunte  Jahrhundert    reichen,    und    es    ganz    unerklärlich   wäre. 


sich  z.  Th.  in  E.  VII  und  XIII  unserer  Sammlung-;  vgl.  Ps.-Zepheriuus 
R.  IV  Hinsch.  p.  131  und  Ps.  -  Silvester  E.  II  Hinsch.  p.  449.  Die 
R.  III:  De  monachorum  monasteriorumque  libertate  findet  sich  auch  am 
Anfang  des  Cod.  Vat.  reg.   10.")4  des  Ps.-I.sidor  Hinsch.   p.  XXI. 


628  Thaner. 

warum  alle  späteren  Quellen  ausgelassen,  insbesondere  auch 
die  aus  der  Zeit  Anselms  selbst  weggeblieben  wären,  so  muss 
mau  vielmehr  zur  Annahme  gelangen,  dass  die  Sammlung  von 
Montecassino  vor  die  Abfassung  der  Collectio  Anselmi,  wenn 
nicht  noch  vor  das  eilfte  Jahrhundert  fällt. 

Es  entsteht  nun  aber  die  Frage,  wie  sich  die  Ueberein- 
stimmung  der  beiden  Sammlungen  erkläre.  Die  Antwort  darauf 
wird  lauten  müssen,  dass  unsere  Sammlung  derjenigen,  die  den 
Namen  des  Anseimus  führt,  als  Quelle  gedient  hat.  Um  diese 
Ableitung  für  die  Capitel  im  Einzelnen  nachzuweisen,  oder  auch 
nur  den  näheren  oder  entfernteren  Grad  des  Quellenverhält- 
nisses zu  bestimmen,  dazu  ist  freilich  unsere  Kenntniss  der 
nachpseudo-isidorischen  Quellen  bislang  zu  unvollständig;  gleich- 
wohl glaube  ich  es  im  Grossen  und  Ganzen  unbedenklich  be- 
haupten zu  dürfen. 

Die  durch  den  Druck  hervorgehobenen  Capitel  in  der 
Sammlung  Anselms,  die  allein  schon  etwa  die  Hälfte  der  Samm- 
lung von  Montecassino  ausmachen,  finden  sich  in  solcher  Fassung 
sonst  in  keiner  anderen  früheren  Sammlung;  diese  Ueberein- 
stimmung  ist  nicht  aus  der  gemeinsamen  Abstammung  vom  Ori- 
ginal zu  erklären,  denn  es  sind  viele  Capitel  darunter,  deren  An- 
fänge hier  wie  dort  von  denen  des  Originals  abweichen,  ich 
verweise  z.  B.  nur  auf  die  Capitel  86,  89,  91,  94,  148,  215.  Am 
auffälligsten  ist  diese  Uebereinstimmung  bei  solchen  Capiteln, 
die  auf  eigenthümliche  Weise  zusammengesetzt  sind,  wie  c,  218, 
das  blos  aus  zwcd  Rubriken,  oder  c.  195  (c.  230),  das  aus 
einer  Rubrik  und  dem  Schlüsse  des  betreffenden  Capitels  ge- 
bildet ist.  Die  Verwandtschaft  der  beiden  Sammlungen  erweist 
sich  noch  näher,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  es  Capitel 
gibt,  die  zwar  mit  denselben  Anfängen  auch  in  anderen  Samm- 
lungen vorkommen,  den  gleichen  Schluss  aber  nur  in  jenen 
haben. 

Solche  Capitel  sind  c.  38  und  50. '  Für  das  Quellen- 
verhältniss  der  315  Capitel  zur  Sammlung  des  Anselm  spricht 


'  Dieses  Capitel  reicht  ■/..  B.  in  dei'  Auselmo  dedicata  III  157  und  in 
Regino  Append.  III  62  nur  bis  ,testes',  in  der  Coli.  III  part.  I  18,  6 
und  Ivo  Deer.  VI  821  bis  ,mag;istruni'.  Mit  , causam'  scliliesst  dasselbe 
in  Folge  eines  Zusatzes  zum  Texte  Ps.-Isidors  auch  noch  in  der  Coli. 
XIII  p.irt.  und  in  der  Sammlung  in  sieben  Büchern. 


ÜntersucLnngeu  und  Mittheilungen  zur  Quelleiikumle  des  canonischen  Rechtes.       629 

auch  die  wörtliche  Uebereinstimmung-  der  vorhin  citiiten 
Rubriken;  zieht  man  ferners  in  Betracht,  wie  bei  den  Rubriken 
XXIV,  LVII,  LIX  und  LXIV  g-erade  das  erste  der  darin 
enthaltenen  Capitel  bei  Anselm  die  gleiche  Rubrik  hat,  so 
drängt  sich  die  Vermuthung  auf,  dass  die  Rubriken  zu  diesen 
Capiteln  aus  der  Sammlung  von  Montecassino  herüber  genommen 
sind.  Auch  ist  zu  erwägen,  dass  ich  nur  jene  Capitel  aus 
Anselm  im  Verzeichnisse  hervorgehoben  habe,  die  auch  in 
keiner  der  Ivo'schen  Sammlungen  vorkommen.  Es  gibt  nun 
aber  einige,  wie  die  Capitel  58  bis  61,  die  so  nur  noch  bei 
Ivo  '  vorkommen;  da  aber  dieser  später  schrieb  als  Anselm,  so 
führen  auch  diese  Capitel  Anselms  auf  unsere  kleine  Samm- 
lung zurück.  Endlich  ist  in  der  Rubrik  III  De  privilegiorum 
auctoritate  die  Reihenfolge  der  fünfzehn  Capitel  in  beiden 
Sammlungen  ganz  die  gleiche.  —  Demnach  stehe  ich  nicht 
an,  die  Sammlung  von  Montecassino  als  Quelle  der  Samm- 
lung Anselms  und  derjenigen  ihr  verwandten  Sammlungen 
zu  erklären,  die  man  unter  der  Gregorianischen  Gruppe  zu- 
sammenfasst.  - 

Untersuchen  wir  nun  das  Verhältniss  derselben  zu  den 
voraufgehenden  Sammlungen,  so  fällt  sogleich  in  die  Augen, 
dass  die  weitaus  überwiegende  Mehrzahl  der  Capitel  der 
Sammlung  Ps.-Isidor's  angehört;  was  sonst  noch  vorkommt, 
entfällt  grösstentheils  auf  Excerpte  aus  Schreiben  Gregors  I.; 
denn  ausser  einigen  Capiteln  (13  bis  17j  aus  einem  angeblichen 
Schreiben  Gregors  IV.,  einigen  Stellen  aus  den  Schriften  des  h. 
Cyprian  (18  bis  20,  207,  208,  220)  und  etlichen  römischen  Leges 
(33  bis  38)  sind  es  nur  noch  vereinzelte  Capitel,  die  sich  aus 
anderen  Quellen  finden.  Es  ist  daher  unsere  Sammlung  als  ein 
systematisches  Compendium  aus  den  echten  und  unechten  Decre- 
talen  Ps.-Isidors  zu  bezeichnen;  von  Concilien  finden  sich  ausser 
römischen  Synoden  unter  P.  Hilarus,  Symmachus,  Gregor  I. 
und  Gregor  II.  nur  in  c.   136  das  achte  Concil  von  Toledo,  in 


1  Nämlich  in  der  Pannormie  IV  63,  31,  89  und  30. 

2  Es  kommen,  wie  die  in  der  vorigen  Note  angeführten  Beispiele  zeigen, 
einige  Capitel  vor,  die  die  Anselm'scdie  Gruppe  ausschliesslich  mit  Ivos 
Pannormie  gemeinsam  hat;  allein  die  Zahl  derselben  ist  doch  so  gering, 
dass  gerade  mit  Rücksicht  auf  unsere  Sammlung  auch  Ivos  Pannormie 
eine  abgesonderte  Stellung  einnimmt. 


630  T  h  a  n  e  r. 

c.  156  das  Cüiicil  Quinisextum  und  c.  312  das  vierte  Concil 
von  Toledo  angeführt.  Innerhalb  der  einzelnen  Rubriken 
war  der  Verfasser  bemüht,  die  chronologische  Ordnung  ein- 
zuhalten. 

In  welcher  Form  die  Ps.-Isidor'sche  Samjnluug  zur  Vor- 
lage gedient  hat,  darüber  lässt  sich  ohne  die  vollständige  Ver- 
gleichung  der  beiden  Texte  kaum  ein  Urtheil  abgeben.  Auf 
jeden  Fall  muss  aber  dieselbe  beide  Decretalenreihen  enthalten 
haben,  dagegen  fehlten  ihr  wahrscheinlich  die  Concilien.  Die 
unechten  Decretalen  waren  nicht '  in  Capitel  eingetheilt,  die 
zu  den  Rubra  der  Capitel  beigesetzten  Zahlen,  z.  B.  c.  84 
Item  de  eadem  re.  cap.  I  und  ebenso  c.  85,  bezeichnen  in 
Wirklichkeit  nicht  die  Zahl  des  Capitels,  sondern  der  Epi- 
stola  des  betreffenden  Papstes,  daher  ist  c.  84  als  c,  I  des 
P.  Zepherinus,  c.  164  als  c.  II  des  nämlichen  Papstes  ge- 
zählt. ^  Ausserdem  lässt  sich  wohl  nur  mit  Bestimmtheit  sagen, 
dass  die  Form  B  ausgeschlossen  ist,  weil  der  Brief  des 
Papstes  Leo  an  die  Constantinopolitaner  , Licet  de  his' 
c.  115  vorkommt,  der  in  dieser  Classe  fehlt  (P.  Hin- 
schius  Decretales  Pseudo-Isidorianae  p.  LIX),  ebenso  die 
Damnatio  Vigilii  c.  181,  die  gleichfalls  in  den  Codd.  B  nicht 
vorkommt  (Hinsch.  p.  LXXI),  und  weil  drittens  die  Auf- 
schrift der  Capitula  Angilramni  zu  verschieden  lautet  (Hinsch. 
p.  LX). 

Gegen  die  Form  C  spricht  der  Umstand,  dass  die  Damnatio 
Vigilii  in  der  Rubrik  XXIIl  vor  Gelasius  steht,  während  sie  in 
jener  erst  nach  Silverius  kommt  (Hinsch.  p.  LXXI).  Da  endlich 
von  dem  Briefe  Leos  I.  ,Manifestato'  an  Anatolius  der  Schluss  so 
wie  in  der  Hispana  lautet  c.  196,  so  scheint  auch  die  Form  AI 
(Hinsch.  |).  XX  VII,  n.  44)  ausgeschlossen  zu  sein,  und  es  bliebe 

*  Es  ist  aiuli  das  ein  Beleg-,  dass  unsere  nach  Ps.-Isidor'sche  Samm- 
lung nicht  der  Anselmo  dedicata  entlehnt  sein  kann,  die  ihre 
Capitel  nnd  Rubriken  aus  einem  Ps.-Isidor'schen  Codex  der  Classe 
A  "2  genommen  liat,  J'.  Hin  seh  ins  Decretales  Pseudo-Isidorianae 
p.   LH. 

2  Die  Stellen  .aus  den  Schriften  Gregors  I.  sind  lediglich  mit  Capitel- 
zahlen  citirt,  z.  B.:  c.  30  als  c.  127,  31  als  c.  10,  32  c.  eod.,  201  als 
c.  222,  273  als  c.  237,  274  als  c.  44,  275  als  c.  43,  315  als  c.  10; 
c.  258  ist  als  c.  55  citirt. 


Untersuchungen  und  Mittheilungen  zur  Quellenkunile  des  canonischen  Rechtes.      bol 

somit  nur  die  von  Hinschius  als  A/B  bezeichnete  übrig.  In 
dieser  müsste  aber  wieder  von  dem  Montecassiner  Codex  des 
Ps.-Isidor  abgesehen  werden,  obwohl  sonst  auf  diesen  zunächst 
zu  muthmassen  wäre,  denn  dieser  stimmt  gerade  in  dem 
zuletzt  erwähnten  Punkte  mit  den  Codd.  A  1  überein  (Hinsch. 
p.  CII).  Wenn  man  aber  darauf  nicht  allzu  grosses  Ge- 
wicht legen  wollte,  weil  ja  hier  die  Form  A 1  auf  einem 
Irrthum  beruht,  der  frühzeitig  corrigirt  worden  sein  mag, 
so  käme  auch  der  Codex  von  Kouen  15/9  E  in  Betracht, 
der  den  Brief  des  Isidor  an  Massona  (M  a  a  s  s  e  n  Ge- 
schichte d.  Quellen  d.  can.  Rechts  §.  489  n.  2),  das  achte 
Concil  von  Toledo  und  Excerp,te  aus  Briefen  Gregors  I., 
sowie  aus  der  sechsten  Synode  von  CP.  enthält  (Hinsch. 
p.  XXXI),  also  Stücke,  die  auch  unsere  Sammlung  charak- 
terisiren. 

Für  die  Form  A  1  fällt  ferner  ins  Gewicht,  dass  der  Text 
der  falschen  Decretalen,  so  viel  sich  aus  der  Abschrift  von 
fünf  Capiteln  (85,  215,  243,  244,  268  2)  entnehmen  lässt,  fast 
durchwegs  mit  dem  der  Ausgabe  von  Hinschius  zu  Grunde 
liegenden  übereinstimmt;  bemerkenswerth  erscheint,  dass  im 
c.  85  alle  Zusätze  im  Texte  vorkommen,  die  im  Darmstädter 
Codex  eine  Hand  des  zwölften  Jahrhunderts  theilweise  an  den 
Rand  geschrieben  hat,  Hinschius  p.  243,  Note  10,  11,  16,  18. 
Dagegen  weicht  der  Text  der  echten  Decretalen  vielfach  von 
dem  in  den  älteren  Sammlungen,  z.  B.  in  der  Hispana  über- 
lieferten, ab,  wie  sich  aus  c.  153,  172,  177,  201,  226,  250, 
253,  262,  266,  267  und  268,  die  ich  abgeschrieben  habe,  zur 
Genüge  ergibt;  zu  c.  201  (Zusatz  zum  Schreiben  Gregors  I. 
an  den  Mönch  Secundinus:  ,Dilectionis  tuae*^)  habe  ich  23 
Abweichungen  vom  Texte  der  Ausgabe  der  Benedictiner 
notirt.'*  Unsere  Sammlung  hat  eben  auch  diese  Capitel  aus 
einem  Ps.-Isidorianischen  Codex  entnommen. 


'  Die   ersten  drei  Capitel  war  Herr  Dr.  pliil.  Gustav  Löwe   .so  freundlich, 

für  mich  in  Montecassino  abzu.schreihen. 
-  In  diesem  Capitel  fehlt  der  Satz:  ut  a  —  audivimus  Hinsch.  p.  682  not.  2 

und  der  Schluss  lautet:  nisi  cito  res  Dei  a  rectoribus  ecclesiae  ammoniti 

reddiderint,  perp.  an.  fer. 
3  In   c.    33   (^Cod.  Justin.   I    3,   1)    steht  fundos  et  mancipia    cestra    statt    ,et 

vos'  etc. 


632      Tlianer.    Untersuchungen  u.  Mittheilnngcn  z.  Quellenkunde  d,  canon.  Rechtee. 

Zum  Schlüsse  bemerke  ich  nur  noch,  dass  in  der  Hand- 
schrift, die  die  eben  beschriebene  Sammlung  enthält,  mehrere 
Schreiben  eines  Papstes  vorkommen  und  einiges  aus  der  Zeit 
des  Investiturstreites,  worüber  ich  an  anderem  Orte  zu  be- 
richten gedenke. 


NACHTRAG. 

Die  nämliche  Sammlung,  nur  hin  und  wieder  mit  einigen 
Abweichungen,  fand  ich  seither  auch  in  der  Bibl.  Laureutiana 
zu  Florenz,  in  der  Casanatensis  zu  Rom  und  als  Bestandtheil 
einer  Canonessammlung  in  einem  Codex  der  Vaticana.  Die 
Capitel  (III)  de  privilegiorum  auctoritate  sind  ferners  in  den 
I^iiber  praeceptorum  für  S.  Sophia  in  Benevent  aufgenommen. 
Die  betreffenden  Handschriften  stammen  aus  dem  zwölften 
Jahrhunderte.  Es  lässt  sich  .demnach  auf  eine  ziemliche  Ver- 
breitung der  Sammlung  schliessen,  die  es  um  so  erklärlicher 
macht,  dass  sie  von  Anselm  benutzt  wurde. 


Muth.   Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.        633 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer 

Nibelungenlieder. 

Mit   einem  Excurse  über  die  innere  Geschichte  des  XIV.  Liedes  und 
einem  Anhange  über  das  Linzer  Bruchstück. 

Von 

Richard  von  Muth. 


Uass  das  Nibelungenlied  nicht  der  grossen,  schöpferischen 
Initiative  eines  Poeten  sein  Dasein  verdankt,  sondern  ein 
organisch  erwachsenes  Product  der  geistigen  Strömung  eines 
Landes  und  seiner  Stände  ist,  diese  Ueberzeugung  bricht  sich, 
je  mehr  man  sich  gewöhnt,  litterarische  Erzeugnisse  und  Er- 
eignisse nur  im  Zusammenhange  mit  dem  politischen  Leben 
und  der  Culturentwicklung  des  Volkes,  d.  h.  nach  historischen 
Gesichtspuncten  und  nach  den  Grundsätzen  der  historischen 
Kritik  zu  betrachten,  desto  entschiedener  Bahn.  Aber  auch  der 
umständliche  und  doch  nicht  langwierige  Process  des  Werdens 
der  Dichtung,  der  in  eine  Zeit  gewaltiger  geistiger  Gährung 
fällt,  wobei  ihre  Gönner  zu  ihren  Standesgenossen  jenseits  des 
Böhmerwaldes  sich  verhalten  wie  die  Stürmer  und  Dränger 
zu  den  Kritikern  und  Classikern,  liegt  Dank  der  selbst  in 
unseren  Tagen  seltenen  philologischen  Akribie,  mit  der  gegen- 
wärtig die  Textkritik  der  Nibelunge  betrieben  wird,  in  früher 
ungeahnter  Klarheit  vor  uns.  Schrittweise  ist  das  Epos  geworden 
und  denen,  die  es  zur  Hand  nahmen,  war  seine  Genesis  vertraut 
und,  was  nicht  der  Name  einer  grossen  Autorität  schützte,  ver- 
stümmelte wohlmeinend  und  ungescheut  Liebhaber  und  Tag- 
löhner,  Die  grossen  Redactionen,  stattgefunden  haben  sie 
freilich,  heben  sich  nicht  scharf  ab  von  Vor-  und  Zwischen- 
stufen, die  sie  vorbereiten  und  vermitteln :  zwischen  A*B* — C* 
tritt  eine  Mittelclasse  unbestimmbarer  Stellung,  wahrscheinlich 
auf  dem  Wege  von  B*  zu  C* ;    aber  diese  Mittelclasse  wieder 

Sitzuugeber.  d.  pbil.-hist.  Ol.  LXXXIX.  Bd.  11.  Hft.  43 


634 


Mnth. 


hat  einen  sehr  selbständigen  Nebenzweig,  also  A*B*OC*;  aber 

I 
J* 

auch  die  jüngste  Classe,   das  liet,  zerlegen  ihre   Herausgeber 

in  drei,  sicher  in  wenigstens  zwei  Gruppen:    A*B*ORC*  oder 

I 
J* 

wenn  wir  für  A*  den  gemeinsamen  Archetypus  /,    für  B*  als 

Archetypus   der  Vulgata   'b   einführen:    •/ — '\' — O -- R — C;  aber 

I        I        I 
A    B    J* 

auch  diese  Reihe  genügt  noch  nicht;  in  J  führt  einzelnes  über 

OB  auf  yA ,    ebenso    in  einer  Mischgruppe,  DNS,  zwischen  B 

und  C,  so  dass  für  die  Vulgata,  ebenso  wie  für,  das  liet,  eine 

Spaltung    in    zwei    wenig    verschiedene    Varianten,    eine    etwas 

ältere,    dem  Archetypus    nähere   Form    uothwendig    anzusetzen 

ist,  von  der  mögliclierweise  in  LgM  ein  Rest  erhalten,  so  dass 

der  Handschriftenstammbaum,  so  weit  er  mit  einiger  Sicherheit 

festzustellen  ist,  etwa  folgendermassen  sich  gestaltet: 


EFG 


DNb 

Es  sind  hiemit  nur  bekannte  Thatsachen  wiederholt;  die 
Spaltung  des  gemeinen  Textes  in  zwei  Classen  allein  ist  leicht 
zu  beweisen  aus  wiederholter  Uebereinstimmung  nicht  nur  AD, 
AJ,  sondern  auch  AL,  AM,  Ag  gegen  BC;  die  Fälle  können 
bei  dem  geringen  Umfange  der  drei  letztcitirten  Fragmente 
nicht  besonders  zahlreich  sein,  da  doch  kein  Zweifel  darüber 
möglich  ist,  dass  alle  drei  Handschriften  zur  Familie  der  Vul- 
gata gehören ;  aber  das  Vertrauen  zu  der  als  Archetypus  des 
gemeinen  Textes  angesehenen  B  muss  hiedurch  allerdings  sehr 
erschüttert  werden.  Da  das  Verhältniss  der  Texte  hier  nicht 
zur  spociellen  Erörterung  kommt,  sondern  nur  insoferne  berührt 


Ueber  eine  Sfhiehte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibflungenliefler.  635 

wird,  als  daraus  ein  Beleg  für  die  successive  Gestaltung  der 
Dichtung  zu  gewinnen  ist,  genügen  wenige  Beispiele  zum  Be- 
weise; über  das  kleine  Fragment  M,  das  von  besonderer 
Wichtigkeit  scheint,  nicht  nur  oft  über  B  auf  A  zurückgeht, 
sondern  auch  einige  Eigenthümlichkoiten  und  eine  dem  Arche- 
typus ähnliche  Anlage  besitzt,  wird  im  Anhange  gehandelt. 
849,  4.    A.    do  sich  an  sine  triwe  dm  schcene  künigin  verlie 

L.  diu  schoßne  künegtn  Kriemhüt 

verlie 
B.  KriemJiiÜ  die  künegtn  verlie. 

Hier  wird  die  Mittelstellung  sofort  klar;    wenn  Bartsch's 
Variaute  zu  trauen  ist,  hat  L  zum  Titel  den  Namen  in  Weise 
einer  Glosse  gefügt,   B  durch  Auswerfung  des  Attributs  hierauf 
das  zerstörte  Metrum  wiederhergestellt. 
930,  4.     A.     in  vart  mikel  siocere  in  ir  herze  begraben. 
L.    in  ivart  michel  sivoire  in  ir  herze  gegrabin. 
B.    in  toart  vil  michel  swcere  in  ir  herzen  begraben. 
B  redigirt  metrisch  und  syutactisch  selbständiger,  L  folgt 
der  Vorlage  wieder  treuer. 

1520,  3.    Ag.    daz  im  für  mere  sagten  diu  wilden  merwip. 
B.     daz  im  für  icär  sageten  ditt  wilden  merewip. 
Aus  dem  Linzer  Bruchstück  M: 
1334,  4.  A.    do  begond  ir  aber  suhven  von  herzen  trehen  ir  getoant. 
M.    do  begond  ir  ab''  selwen  vö  h''zen  trehene  ir  gewät. 
B.     do  begonde  ir  aber  salicen  von  heizen  trehen  ir  geivant. 
Hier  hat  wieder  erst  B  den  richtigen  Sinn  hergestellt  und 
es  ist  der  relativ  jüngste  Text,    wie  gewöhnlich    der  beste,   ja 
hier  der  einzig  brauchbare.    Man  vergleiche  übrigens  888,  1,  2. 
890,1.  896,1.  897,2.  963,4.1001,2.  1334,1.  1339,4.  1344,  3. 
1352,4.  1356,3,4.  1357,3.  1364,3,4.  1510,4.  1511,2.  1518,4. 
1520,  3.  1527,  1.   1580,  2,   1590,  wo  Ag  gegen  BC  eine  Aven- 
türenüberschrift    haben,    1610,  4.    1614,  8.    1617,  3,    wo    g    den 
Fehler  hat,  der  die  Variante  veranlasst:    A.  sit  truogen  an  die 
helde,  g.  Sie  trungen,  B.  do  truogen. 

So  kann  an  der  Mittelstellung  dieser  drei  Handschriften 
zwischen  B  und  dem  Archetypus  der  Vulgata,  von  dem  in  M 
selbst  ein  kümmerlicher  Rest  erhalten  sein  könnte,  kein  Zweifel 
sein;  auf  LM  geht  dann,  soweit  sie  nicht  dem  Liede  folgt,  die 
Mischgi-uppe  DNSb  zurück,  deren  ältester  Repräsentant  S  ist. 

43* 


636  Muth. 

Wie  später  die  Redactiouen,  hatten  sich  früher  die  ein- 
zelneu Theile  des  Epos  entwickelt;  Lachmann  hat  drei  Phasen 
vorausgesetzt,  indem  er  annahm,  dass  der  zweite  Theil  eine 
Sonderexistenz  geführt  und  vorher  noch  in  wesentlich  abwei- 
chender Gestalt,  Lieder  von  ähnlichem  Inhalt,  vorhanden 
gewesen  sei.  Unmittelbar  vor  diesen  letzten  Stufen  liegen  die 
Liederbücher,  wie  Müllenhoff  gezeigt  hat;  aber  jeder  sam- 
melnden Thätigkeit   läuft   auch  die  der  Interpolatoren  parallel. 

Da  die  Lieder,  die  sich  auf  einen  bestimmten  Punct  der 
Erzählung  stellen  und  eine  einzelne  Thatsache  behandeln  oder 
eine  Begebenheit  in  ihrem  Verlaufe  oder  ihren  Folgen  dar- 
stellen oder  endlich  nur  den  Zusammenhang  zwischen  aus- 
einanderliegenden Situationen  vermitteln,  nicht  von  vorneherein 
zum  Zwecke  der  Sammlung  gedichtet  sind  und  ihre  Vereinigung 
zu  einem  pragmatischen  Ganzen  befriedigte ,  wenn ,  wie  es 
geschah,  ein  leidlich  vollständiger  und  leidlich  klarer  Gang 
der  Erzählung  hergestellt  war,  ist  anzunehmen,  dass  neben 
ihnen  noch  andere  existirten :  oder  wer  die  Einheit  des  Epos 
behauptet  muss  doch  zugeben,  dass  die  Sage  im  Munde  des 
Volkes  in  Liedern  lebte,  wie  er  weiters  nicht  wird  läugnen 
können,  dass  das  VIIL  und  XIV.  Lied,  jedes  in  seiner  Art, 
so  bestimmt  von  ihrer  Umgebung  abgegrenzt,  so  ganz  ver- 
schiedenen Stiles  sind,  dass  sie  einem  Autor  mit  dem  ganzen 
Epos  zuzuschreiben,  für  Unkenntniss  oder  Unverstand  gelten 
müsste.  Auf  jeden  Fall  muss  man  die  Existenz  von  Liedern 
neben  dem  Epos  zugeben.  Nachdem  nun  die  poetische  Thätig- 
keit nie  gefeiert  hat,  wie  das  Sinken  der  Sage,  die  ausdrück- 
lichen Zeugnisse  des  Marners,  des  Textes  C,  des  jüngeren 
Titurels,  das  Eindringen  einzelner  jüngerer  Züge  in  die  spä- 
teren Recensionen  beweist;  da  überdies  die  Zeugnisse  für  die 
Nibelungendichtung  durch  das  ganze  XII.  Jahrhundert  hinauf- 
laufen, die  verwandten  Quellen,  Klage  und  Biterolf  voran,  ob- 
wohl sie  älter  sind  als  unser  Epos,  doch  deutliche  Beziehungen 
auf  Nibelungenlieder  enthalten,  ist  die  Annahme  der  Existenz 
verwandter  Lieder,  die  gleichzeitig  mit  der  Sammlung  der  Lieder 
in  diese  nicht  einbezogen  wurden,  eine  logische  Notwendigkeit. 
Betrachten  wir  nun  die  Lieder  unserer  Sammlung  nach  Form 
und  Inhalt,  so  finden  wir  wesentliche  Unterschiede,  eine  Ab- 
stufung  im    Sinne   des  fortschreitenden  höfischen  Geschmacks; 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  637 

in  den  einen  heroische  Einfachheit,  Reichthum  des  Inhalts, 
epische  Knappheit,  sprunghafte  Darstellung,  Schwerfälligkeit 
der  Reime,  fehlende  Senkung,  stehende  Formeln;  in  den 
anderen  Wechsel  des  Ausdrucks,  Vernachlässigung  der  stren- 
gen metrischen  Regeln,  dafür  Sorgfalt  im  Reimen,  breite  Aus- 
führung, behagliche  Schilderung,  gehaltlose  Leere,  höfischer 
Frauendienst;  dort  Kämpfe,  hier  Spiele;  dort  tragische  Er- 
schütterung, hier  kunstvolle  Unterhaltung.  Das  IV.,  VIIL, 
XIV.,  auch  das  XVI.  Lied  haben  als  Beispiele  ältesten,  III., 
IV.  b.,  XII.,  XV.  als  Belege  für  die  Entartung  des  epischen 
Stiles  zu  gelten ;  andere  e;  ü'iZoX-q'^izwq  gedichtet,  bvmches  nach 
der  Terminologie  des  französischen  Epos,  sind  einfach,  aber 
farblos;  wieder  andere,  die  Aristien  einzelner  Helden,  Er- 
zeugnisse der  österreichischen  Ritterschaft,  nehmen,  zwar  arm 
an  sachlichem  Gehalt,  aber  edlen  Stiles,  eine  gewisse  Mittel- 
stellung ein. 

Nehmen  wir  nun  ganz  willkürlich,  aber  nicht  um  viel 
fehlgreifend  an,  die  ältesten  dieser  Lieder  seien  um  1190  ent- 
standen, so  haben  um  1190  gewiss  noch  andere  Lieder  existirt, 
die  den  gleichen  Charakter  trugen,  auch  Lieder  noch  älteren 
Gepräges ;  denn  die  Sammlung  zum  Epos  entsteht,  während 
eine  niedere  Strassenpoesie  bereits  üppig  wuchert  (Str.  101, 
9o9,  5 — 8  u.  dgl.).  Die  Volkspoesie,  die  nicht  erfinden  will, 
hat  stets  eine  Tradition  der  Sage  und  eine  Tradition  der  Kunst- 
form verbunden;  wir  dürfen  annehmen,  dass,  wenn  20  Lieder 
in  der  gleichen  Strophe  existirten,  diese  die  gewöhnliche  für 
derlei  Gesänge  war.  Volkspoesie  ist  formelhaft,  sie  hält  zäh 
an  traditionellem  Brauche :  wir  werden  die  kunstvolle  Anord- 
nung in  Zwölfzahl  zu  besprechen  haben.  Es  darf  uns  daher 
nicht  wundern,  in  den  einzelnen  Liedern,  in  den  verwandten 
Epen,  Kudrun,  Biterolf,  Klage,  Laurin,  vor  allen  im  Alphart, 
ja  in  der  nur  auf  verwandte  Quellen  zurückgehenden  Thidreks- 
saga  denselben  Wendungen,  stehenden  Beiwörtern,  Formen  der 
Anrede,  Tropen,  Phrasen  und  Formeln  zu  begegnen.  Wie  der 
Zug  der  Sage,  dass  den  auf  der  Fahrt  zu  Etzel  über  einen 
Strom  setzenden  Burgonden  die  Ruder  zerbrechen,  durch  alle 
Jahrhunderte  in  allen  Versionen  der  Sage  wiederkehrt,  so  auch 
gewisse  an  sich  unwesentliche  Reden  und  Wendungen :  War- 
nung und  Ausruf  vor  Allem.  Würden  wir,  was  man  schmerzlich 


638  Mnth. 

vermisst  und  die  Wörterbücher  nicht  ersetzen,  ein  vollständiges 
Glossiir  zu  (Umi  verwandten  Quellen,  die  um  dieselbe  Zeit  in 
denselben  Landen  entstanden  und  daher  so  wenig  getrennte 
Behandlung  eifahren  dürfen,  als  jemand  ein  Lexicon  zur  Ilias 
oder  Odyssee  allein  abfassen  würde,  besitzen,  so  Hesse  sich 
der  Sehatz  gemeinsamer  Phrasen  und  Formeln  leicht  über- 
sehen und  feststellen,  was  Eigenthnm  der  älteren  Volkspoesie 
ist.  Denn  wenn  sich  Ausdrücke  des  XX.  Liedes  wie :  ich 
armer  Dietrich,  Riiedeger  vater  aller  tilgende,  in  einem  Theile 
der  Klage  finden,  der  entschieden  älter  und  doch  vom  Dichter 
des  XX.  LiedeS;,  dessen  Kenntniss  der  Begebenheiten  eine  weit 
geringere  ist,  nicht  gekannt  war,  so  haben  wir  in  diesen  Wen- 
dungen ererbte  Formeln  der  Volkspoesie.  Aehnlich  die  stehende 
Wendung  vom  Waifenischmucke  des  Helden,  em  swert,  daz  ze 
sinen  ecken  harte  vreisUchen  sneit,  die  I.  74,  IV.  418,  XIV.  1472 
und.  Alphart  370  wiederkehrt. 

Ebenso  unbedenklich  aber,  wie  die  Dichter  und  Sammler 
Lieder  anderer,  ihnen  gemeiniglich  nach  der  Natur  des  Volks- 
gesanges unbekannter  Autoren  aufnehmen  und  sich  der  alt- 
überlieferten Formeln  und  Wendungen  bedienen,  ebenso  un- 
bedenklich haben  sie  auch  Theile  anderer  Lieder  ihren  Dich- 
tungen eingefügt,  eine  kräftige  Individualität  seltener,  der 
Stümper  natürlich  lieber,  am  liebsten  der  Mann  massiger  Be- 
gabung mit  geschickter  Hand  (Dichter  des  I.  Liedes).  Sehen 
wir  also  die  Lieder  unseres  Epos  in  drei  Schichten  aufeinander- 
gelagei't:  junghöfische,  ritterliche  Rhapsodien,  echte  Volkslieder, 
so  dürfen  wir  annehmen,  dass  von  der  Schichte,  die  unmittelbar 
vor  unseren  ältesten  Bestandtheilen  lag,  auch  noch  Reste  uns 
erhalten  sein  werden.  Diesen  Resten  im  Texte  nachzugehen, 
ist  der  Zweck  der  vorliegenden  Abhandlung.  Es  sind  zu  die- 
sem Behüte  alle  Stellen  angezogen,  bezüglich  deren  eine  Ver- 
juuthung  ausgesprochen  wurde  oder  nahe  liegt,  dass  sie  einem 
gleichzeitigen  oder  älteren  Liede  angehören  könnten,  und  unter 
möglichster  Vernachlässigung  alles  ,Subjcctiven'  nach  vor- 
wiegend formellen  Kriterien  methodisch  geordnet  und  geprüft. 
Man  darf  diese  Reste  älterer  Dichtung  nicht  für  Ein.schübe 
halten  —  Zusätze  unterliegen  der  gleichen  Kritik;  wenn  aber 
Interpolationen  ausnahmsweise  aus  dem  lebendigen  Gesänge 
sch()pfeu,  so  ist,  da  sie  ja  selbstverständlich  jünger  sind  als  das 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  133  U 

Lied,  dem  sie  eingefügt  werden  sollen,  in  dei"  Regel  die  eben 
auftauchende  niedere  Siegfriedsdiclitung  ihre  Quelle^  —  viel- 
mehr sind  sie  integrirende  Theile  der  Dichtung  und,  da  in  der- 
artiger Auswahl  auch  ein  ungebildeter  Geschmack  nicht  leicht 
fehlgreift,  oft  die  schönsten  und  kräftigsten  Stellen. 

Auf  grosse  Schwierigkeit  stösst  jedoch  die  Feststellung 
des  Resultates ;  apodictische  Sicherheit  liegt  nur  dort  vor, 
wo  durch  Relationen  zu  einer  anderen  Quelle  ein  äusseres 
Zeugniss  gewonnen  wird ,  alles  Andere  ist  Hypothese  — 
nur  wo  sie  durch  formelle  Gründe  gestützt  wird,  überhaupt 
zulässig. 

Demgemäss  ist  bei  dem  Umfange  des  Epos  und  der  Um- 
ständlichkeit der  Untersuchung  das  Ei'gebuiss  nicht  eben  ein 
reichhaltiges,  immerhin  aber  genügend  für  eine  Reihe  der 
wichtigsten  Folgerungen.  Mit  strenger  Scheidung  des  Sicheren, 
Wahrscheinlichen  und  Möglichen  ergibt  sich  aus  den  folgenden 
Specialuntersuchungen : 

Einem  älteren  Liede  wörtlich  entnommen  sind  Str.  11 
der  Einleitung,  VIII.  941,  XIV.  14G2,  XX.  2064,  2125,  2218 
^XIX.  2015);  ebenso  beruhen  auf  einem  älteren  Liede,  aber 
ohne  dass  sich  entscheiden  Hesse,  inwieweit  wörtlich,  I.  77 — 85; 
höchst  wahrscheinlich  ist  eine  derartige  Derivation  bei  XII.  1279, 
1280;  nur  möglich  bei  I.  13--19,  XVII  b.  1849—57;  Str.  88 
bis  101  sind  ein  Einschub,  aus  der  niederen  Volkspoesie  auf- 
gegriffen. 

Haben  wir  oben  theoretisch  und  im  Princip  die  Berech- 
tigung einer  solchen  Untersuchung  dargethan,  so  ist  der  Erfolg 
derselben,  ohne  dass  wir  uns  desshalb  im  Kreise  bewegen,  eine 
Bestätigung  für  die  Richtigkeit  unserer  Prämissen.  Die  Existenz 
von  Nibelungenliedern  hat  Niemand  bestritten ;  aber  über  ihre 
Form  war  die  Discussion  eine  oflfene.  Hier  nun  wird  die  Frage 
zur  Entscheidung  gebracht,  und  zwar  —  darin  liegt  die  Be- 
deutung dieser  Entscheidung  —  in  einer  Weise,  die  völlig 
unabhängig  ist  von  der  Frage  um  Einheit  oder  Composition? 
Denn  auch  wer  an  der  Einheit  festhält,  muss  an  den  betref- 
fenden Stellen  die  Benützung  nicht  der  nächstbesten  Vorlage, 
sondern  eines  Liedes  gleicher  Form  zugestehen.  Ob  nun  die 
Sänger  oder  der  Dichter  die  Lieder  der  älteren  Schichte  be- 
nutzt haben,  ist  ganz  irrelevant;    es  genügt    an    der  Thatsache 


640  Math. 

und  dem  exacten  Beweise  ihrer  Existenz,  und  zwar,  da  stellen- 
weise wörtliche  Entlehnung  stattgefunden  hat,  in  der  gleichen 
Form,  der  zweiten  Kürenbergsweise  oder  Nibelungenstrophe. 
Dadurch  aber,  dass  der  Nachweis  ermöglicht  ist,  dass  Lieder 
von  den  Nibelungen  in  der  Kürenbergsstrophe  üblich  waren, 
ist  aber  die  Wahrscheinlichkeit  gewachsen,  dass  das  in  der 
gleichen  Form  bestehende  Epos  desselben  Sageninhaltes  auf 
Lieder  zurückzuführen  sei:  somit,  ohne  dass  wir  darauf  aus- 
gegangen sind,  ein  neues  Argument  für  Lachmann's  Theorie 
gewonnen. 

Beiläufig  wird  durch  ein  Verfahren  wie  das  der  Spiel- 
leute, die  die  alten  guten  Erzeugnisse  ihrer  Standesdichtung 
zu  benützen  fortfuhren,  oder  der  Ritter,  die  sich  mit  den 
Traditionen  der  Volkspoesie  behalfen,  oder  beider,  die  um  der 
Glaubwürdigkeit  der  Nachricht  willen  und  aus  eingewurzelter 
Scheu  vor  dem  Hergebrachten  begierig  nach  alter  Wendung, 
überlieferter  Formel  griffen,  ja  haschten,  begreiflich,  wie 
Mancher  an  einzelnen  Stellen  Spuren  einer  Ueberarbeitung 
—  ich  erinnere  an  die  wiederholt  aufgetauchte  Behauptung 
von  der  Revision  der  Reime  —  zu  finden  vermeinen  konnte ; 
sollten  solche  wirklich,  wenigstens  so  exact  wie  die  Benützung 
älterer  Lieder,  nachweisbar  sein,  so  ist  das,  nachdem  wir  über 
die  Natur  der  Vorlage  unterrichtet  sind,  keine  Schwierigkeit 
mehr :  wie  Manches  wörtlich,  wird  wohl  Manches  auch  nur 
dem  Sinne  nach  modernisirt,  adaptirt  in  die  Dichtung  über- 
gegangen sein,  wenn  wir  uns  auch  hüten  müssen,  mit  moder- 
nem Massstab  zu  messen  und  uns  die  Methode  einer  Zeit  vor 
Augen  zu  halten  haben,  in  der  Glaubwürdigkeit  die  erste 
Forderung  ist,  welche  an  eine  poetische  Erzählung  gestellt 
wird,  und  dem  entsprechend  der  Standpunct  des  Autors  gegen- 
über seiner  Quelle  stets  ein  bedingter  und  beschränkter  bleibt. 

Auf  die  Genesis  des  Nibelungenliedes  aber  fällt  ein  neues 
Streiflicht,  freilich  nur  in's  Klare  setzend,  was  unvergleichlicher 
Scharfsinn  schon  vor  Mensehenaltern  erkannt  hat.  Hat  man 
Lachmann  vor  fünfzig  Jahren  von  Seite  der  Gegner  (Rosen- 
kranz) zugestanden,  dass  es  sein  unbestrittenes  Verdienst  sei, 
die  Frage  um  den  Autor  des  Epos  unter  allen  Umständen 
zur  völligen  Gleichgiltigkeit  gebracht  zu  haben,  so  dürfen  wir 
das  heute   in   erhöhtem  Masse  behaupten.     Die  Entstehung  des 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  641 

Nibelungenliedes  ist  eine  Nothwendigkeit  und  ein  Zufall :  eine 
Nothwendigkeit  in  Bezug  auf  Alter  und  Heimat,  denn  wie  nur 
in  Oesterreich  und  nur  nach  dem  dritten  Kreuzzuge  die  gei- 
stigen Vorbedingungen  für  diese  Dichtungen  gegeben  waren, 
war  sie  andererseits  der  natürliche  Culminationspunct  und 
Abschluss  dieser  Periode  phantastischer  Erregung;  ein  Zufall, 
wie  es  wird,  zufällig  die  erste  Aufzeichnung,  absichtlich  zwar 
die  Sammlung,  aber  zufällig  ihr  Umfang,  lückenhaft,  land- 
schaftlich gefäi'bt,  wechselnd  im  Tone,  bald  modern,  bald 
archaistisch,  unklar  in  den  Motiven,  aber  rein  und  klar  im 
Versbau,  würdig  in  der  Charakterzeichnung,  meist  verständig 
geordnet,  die  Sprache  streng,  die  Darstellung  angemessen, 
eines  der  besten  Producte  seiner  Zeit,  in  seiner  Naivetät  eines 
der  hervorragendsten  Denkmale  der  Volkspoesie  aller  Zeiten, 
des  Beifalles  werth,  den  es  gefunden,  stark  genug  dem  Zahn 
und  den  Stürmen  der  Zeit  zu  trotzen,  ein  Hort  des  Volkes, 
der  wie  das  Gold  der  Zwerge  in  den  tiefsten  Schachten  der 
mütterlichen  Erde,  so  in  der  innersten  Falte  des  vollen  Her- 
zens geborgen  war,  bis  er  zu  guter  Stunde  entzaubert  hervor- 
trat an,  das  er  wohl  vertrug  und  überstrahlte,  das  volle  Licht 
des   Tages ! 

1. 

Einleitung,  Strophe  11.  Lachmann  weist  Anm.  S.  7,  9  hin 
auf  die  Zusammengehörigkeit  der  Strophen  4,  9,  10:  in  den- 
selben werden  in  kunstgerechter  Form  zwölf  Burgonden  auf- 
gezählt, angeordnet  in  Gruppen  zu  je  drei:  3  Könige,  o  von 
der  Tronjer  Sippe,  3  Herren  vom  Hofe,  3  Hofämter;  die  An- 
ordnung zeigt  alte  Elemente;  wie  die  drei  Könige  durch  Allite- 
ration, sind  die  Inhaber  der  drei  Hofämter  durch  Anomination 
gebunden, 

4.  //•  phldgen  dri  kiinege         edel  unde  rieh, 
Gunthere  unde  Geniöt         die  recken  lohelich, 
und  Guelher  der  junge         ein  üz   erweiter  degen. 
diu  frouwe  was  ir  swester         die  fürsten  hetens  in  ir  pflegen. 
9,  Daz  was  von   Troneje  Hagene         und   onch  der  hruoder  hin, 
Dancioart  der  vil  snelle,  und  von  Metzen  Ortwin, 

die  zwene  marcgrdven,  Gere  und  Eckewart, 

Volker  von  Alzeije,         mit  ganzen  eilen  wol  hewart. 


G42  ji  u  t  h. 

10.  Rümolt  der  kuchenmeistei',  ein  uz  erweiter  degeu, 
Sindolt  und  HfmoU,  dise  heren  muosen  pßegen 
des  hoves  und  der  eren,  der  drier  künege  man, 
sie  heten  noch  manegen  recken,  der  ich  genennen  nicht  enkan. 
Wie  sie  da  stehen,  können  die  drei  Strophen  freilich  nicht 
unmittelbar  auf  einander  gefolgt  sein;  aber  die  erste  trägt  in 
der  fast  wörtlichen  Wiederholung  des  Gedankens,  der  schon 
zu  Anfang-  ausgedrückt  ist,  in  der  Schlusszeile,  wie  Lachmann 
richtig  hervorhebt,  alle  Kennzeichen  einer  Aenderung.  Die 
symmetrische  Anordnung  von  je  zwölf  Helden  war,  wie  a.  a.  0. 
S.  309  zu  Klage  816  gezeigt  ist,  alte  Kunsttradition  der  Volks- 
dichtung ;  der  ritterlichen  Kunstübung  geht  sie,  etwa  wie  der 
Gebrauch  der  Heptaden,  eben  damals  verloren ;  in  der  Klage 
noch  deutlich  —  Lachmaun's  Beispiele  lassen  sich  leicht  ver- 
mehren: im  I.  Liede  Kl.  166 — 273  werden  12  Gefallene  auf- 
gezählt, in  drei  Gruppen  4  Fremde,  u.  zw.  Bloedelin,  Her- 
mann von  Polen,  Sigeher  von  Walachen,  Walber  von  Türkei; 
4  Deutsche,  wobei  zu  der  gewöhnlichen  Reihe  Irnfried,  Hawart, 
Iring  noch  Rüdeger  tritt;  4  Burgonden,  nämlich  Hagen  mit  den 
Königen;  im  IV.  Liede  Kl.  1147 — 1214  tritt  allerdings  zu  4X3, 
den  Königen,  Etzel's  Hause :  Kriemhild,  Ortlieb,  Bloedelin, 
dreien  Burgonden :  Hagen,  Volker,  Dancwart  und  den  drei 
Deutschen  als  dreizehnter  Rüdeger;  das  V.  Lied  1265  zerfällt 
in  drei  Abtheilungen,  deren  jede  vier  Personen  beschäftigt, 
indem  Botschaft  wei'ben  Etzel,  Dietrich,  Hildebrand  durch 
Swemmelin,  der  auf  der  Reise  verständigt  die  Markgrätin 
Frau  Gotelinde  mit  ihrer  Tochter,  Pilgrim  und  Else,  während 
in  Worms  auftreten  Ute  und  Brünhild,  Sindolt  und  Rumolt  — 
lassen  sich  im  Biterolf  nur  mehr  Spuren,  Gruppen  zu  13,  18,  24, 
nachweisen.  Wir  sehen  die  höfischen  Sammler  und  Sagen- 
encyclopädisten  von  der  überlieferten  Kunstform  hierin,  wie 
in  Wichtigerem,  abweichen ;  der  Art  mittelalterlicher  Sammler 
entspricht  es  auch  ganz,  eine  in  zwei  Variationen  oder  Ver- 
sionen zu  ihrer  Kenntniss  gelangte  Thatsache  zweimal  vorzu- 
führen, wofür  neben  vielen  Contaminationen  der  nordischen 
Sagaen  die  zweimal  nacheinander  erzählte  Nachtwache  Hagen's 
und  Volker's  in  Heunenland,  XVI.  und  XVII.  Lied,  als  hin- 
reichender Beleg  gelten  mag,  so  dass  es  nichts  Auffälliges  ist, 
dass  hier  nach  Vollendung  der  AufzäJilung  vom  Redacteur  der 


Ueber  eine  Scbichte  älterer,  im  Epos  nacliweisljarer  Nibelungenlieder.  b4«J 

Einleitung-  eine  Strophe  zug-efügt  ist,  die  eine  Gruppe  von  vier 
schon  genannten  Helden  enthält.  Lachniann  nimmt  mit  Recht 
an,  dass  jede  Aufzählung-,  die  zu  4X3,  wie  die  zu  4,  ein  Frag- 
ment von  3X4  Namen,  aus  einem  anderen  Liede  stamme. 
Strophe 

11.  Dancwart  der  was  marschalc:         do  loas  der  neve  sin 
trukscefze  des  hüniges,         von  Metzen   Orticin: 
Sindolt  der  icas  schenke,         ein  uz  erioelter  degen ; 
Hünolt  icns  kamercere;         si  künden  grözer  eren  pßegen, 

die  übrigens  Sindolt's  und  Hunolt's  Wirkungskreis  zu  ver- 
wechseln scheint,  kann  nur  aus  einem  anderen  Liede  stammen, 
das  die  ältere  anominirende  Reihe  den  neueren  Hofamtern  zu 
Liebe  aufgegeben  hatte  und  die  Recken,  etwa  im  Munde  eines 
Helden  oder  im  Anschlüsse  an  eine  bestimmte  Situation  auf- 
zählt ;  demnach  ist  die  Benennung-  der  Hofämter  wesentlich, 
der  Raum  aber  so  knapp  bemessen,  dass  denselben  Inhalt  etwa 
in  vier  Kurzzeilen  zu  g-eben  unmöglich  wäre.  Es  ist  daher 
anzunehmen,  dass  diese  Strophe  aus  einem  anderen,  uns  ver- 
lorenen Liede  wörtlich  ausgehoben  ist;  nach  Reim,  Form, 
Ausdruck  und  Styl  ist  es  durchaus  den  unseren  gleichartig 
und  gleichzeitig.  Dass  auch  die  Strophen  4,  9,  10  einem 
älteren  Liede  entnommen  seien,  wird  dadurch  wahrscheinlich, 
dass  sie  die  traditionelle  Anordnung  beobachten,  für  die  der 
Verfasser  unserer  Einleitung-  keine  Pietät  mehr  besitzt.  Auf- 
zählung der  Helden  mochte  eben  als  Einleitung  zu  den  ver- 
schiedensten Liedern,  wenn  sie  sich  auch  sonst  auf  einen 
bestimmten  Punct  als  Anfang  stellen  und  nur  ein  einzelnes 
Moment  der  Fabel  behandeln,  erwünscht  gewesen  sein.  Die  in 
Beiden  vorkommenden  Wendungen :  itz  erweiter  degen,  des  hoves, 
der  eren  pßegen  erhalten  erhöhte  Bedeutung  als  Foi-meln  der 
älteren  Dichtung  im  oben  fS.  638)  berührten  Sinne. 

Auch  wer  an  einem  Dichter  für  das  ganze  Epos  fest- 
halten zu  sollen  glaubt,  wird,  wenn  nicht  bei  der  Gruppe  4,  9,  10 
doch  bei  Strophe  11  die  Entlehnung  aus  einem  älteren  Liede 
zugeben  müssen,  sowie,  dass  die  Ueberlieferung,  in  der,  ab- 
gesehen von  der  Redaction,  nicht  zwei  Handschriften  überein- 
stimmen, in  Unordnung  gerathen  sei ;  die  Geschmacklosigkeit, 
Strophe  1  — 12,  wie  sie  vorliegen,    einem  Autor  zuzuschreiben, 


644  Mnth. 

begeht  heute  wohl  Niemand  mehr :   es  ist  auch  kritisch  wider- 
legbar. 

Wichtig  ist,  worauf  wir  zurückkommen,  dass  die  Frage 
um  die  Provenienz  der  Strophen  unabhängig  ist  von  der  um 
die  Entstehung  des  Epos. 


1.  Lied,  Strophe  13 — 19.  Der  eigenthümliche  Ton  dieser 
Strophen  hat  bekanntlich  von  der  Hagens  Ansicht  über  die 
Entstehung  des  Nibelungenliedes  bestimmt :  Anhänger  der  Ein- 
heit glaubte  er  an  Benützung  von  Rhapsodien  von  geringem 
Umfange  und  balladenartigem  Character.  Dass  es  alte  allite- 
rirende  Lieder  von  Kriemhilt  in  Baiern  gegeben,  zeigt  Müllen- 
hoff  HZ.  12,  299  f.;  auch  dass  das  Wortspiel  mit  erkrimmen 
altüberliefert  ist,  hat  schon  Lachmann  gekannt.  Auch  die  nor- 
dische Sage  zeigt  Spuren  der  gleichen  Sage.  Ursp.  Gest.  S.  105, 
HS.  ■!•  S.  184 :  Thidrek's  C.  164,  165  führen  Günther  und  Hagen 
Adler  im  Schilde ;  Völss.  C  35  erscheint  der  künftige  Gatte 
unter  dem  Bilde  des  Habichts,  der,  wie  Zacher  aufmerksam 
macht,  nach  Fromann  4,  170  im  Erzgebirge  , Krimmer',  ähn- 
lich wie  der  Geier  in  Schlesien,  heisst.  Die  Völsungasaga  zeigt 
überdies  eine  Spaltung,  indem  aus  dem  symbolischen  Traume, 
der  unter  dem  Bilde  eines  edlen  Thieres  das  Ende  des  künf- 
tigen Gatten  bedeutet,  zwei  getrennte  Fabeln  geworden  sind; 
neben  dem  Traume  vom  künftigen  Gemal  ein  eigener  von 
seinem  Ende,  wo  C.  26  Siegfried  als  ein  Hirsch  erscheint.  In 
einem  niederdeutschen  Rosengarten-Fragment  HZ.  5,  369  f. 
heisst  es  V.  34,  35  von  ihm  : 

Hfj/  geliket  eyme  välken, 

Ind  traget  eynes  leicen  nioet. 
Das  Bild  des  Falken  für  Siegfried  war  demnach  feststehend 
in  der  epischen  Dichtung ;  dass  es  also  ältere  Lieder  solcher 
Art  gab,  ist  nicht  zu  bezweifeln.  Müilenhoff  sagt  ZGNN.  S.  30, 
der  Traum  Krierahild's  sei  so  reich  an  Eigenthümlichkeiten, 
dass  man  denselben  fast  für  ein  Bruchstück  eines  anderen 
Liedes  halten  möchte.  Insbesondere  fällt  in  die  Wagschale, 
dass  diese  Besonderheiten  formeller  Natur  sind.  Der  Ton  der 
Darstellung  wechselt  von  Strophe  12  bis  21  viermal;  auf  die 
unbeholfene  Einleitung  folgt  eine  der  besten  Strophen  des  Epos, 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  645 

die  ein  abgerundetes,  in  sich  geschlossenes  Bikl  enthält;  dann 
die  langsam  sich  entwickelnde  Deutung,  die  von  17  an  in's 
Weichliche  übergeht,  bis  20  so  neu  anhebt,  wie  wohl  ein 
epischer  Gesang  beginnen  kann,  und  in  dem  viel  besproche- 
nen , raschen,  etwas  herben'  Tone,  der  von  nun  an  für  diesen 
Abschnitt  charakteristisch  bleibt.  Dieser  Neubeginn  ist  um  so 
auffallender,  als  Str.  17 — 19,  die  sich  auf  den  endlichen  Aus- 
gang des  ganzen  Epos  beziehen,  deutlich  zur  Anknüpfung  der 
vorausgehenden  Strophen  eingeschaltet  sind ;  Str.  45  wird  Kriem- 
hild  und  mit  Emphase  neu  eingeführt;  Str.  47,  2,  3  spielt  auf 
die  Worte  15,  3,  4  in  einer  Weise  an,  die  deren  Vorhandensein 
in  demselben  Gedichte  keineswegs  voraussetzt:  14,  1,  2  steht 
der  Reim  Voten:  g/ioten  in  der  ersten  Hälfte  des  Epos  ganz 
vereinzelt ;  '  doch  darf  der  archaische  Reim  nicht  neben  dem 
Wechsel  des  Tones  von  13  zu  14  geltend  gemacht  werden; 
die  Strophen  13 — IG  scheinen  denn  doch  einem  Autor  zu 
gehören,  der  die  conjugatio  periphrastica  13,  4.  14,  4  vergl. 
suln  15,  4.  16,  2  und  Synkope,  selbst  in  letzter  Senkung 
(riters  Itp)  liebt.  Dass  der  Autor  dieses  Liedes  auch  sonst 
ganze  Strophenreihen  anderen  Liedern  entnommen  hat,  ist  sehr 
zu  beachten;  Str.  17  —  19,  die,  wie  gesagt,  auf  das  Ende  weisen, 
könnten  übrigens  bereits  mit  13  - 16  aus  einer  älteren  Gesammt- 
darstellung  genommen  sein  —  dem  gleichen  Autor  beide  Gruppen 
zuzuschreiben  ist  unmöglich  —  weil  13  —  19  gerade  eine  Heptade 
ist,  die  letzte  Hand  unseres  Ordners  die  Heptadenordnung  aber 
nicht  mehr  beachtet  hat;  doch  ist  das  eine  unerweisliche  An- 
nahme. Apodiktische  Sicherheit  dafür,  dass  dieser  Absatz  einem 
älteren  Liede,  und  ob  wörtlich  entnommen  ist,  liegt  nicht  vor, 
doch  ist  die  Existenz  alter  Gesänge  dieses  Inhaltes  unzweifel- 
haft und  nicht  verächtliche  formelle  Umstände  sprechen  gegen 
die  Autorschaft  des  Dichters  des  I.  Liedes. 


/.  Lied,  Strophe  77  fg.    Von  Strophe  69  zeigt  Lachmann 
Anm.  S.  18,  dass  sie  neben  73  nicht  bestehen  könne;  70  ver- 


'  Doch  sehe  ich  mich  veranlasst,  nachträglich  zu  bemerken,  dass  I.  84,  1 
auch  den  Reim  Hagene  :  d'egene  hat,  der  in  der  ersten  Hälfte  nur 
viermal  (84.  .386  810.  813)  erscheint,  gegen  naiiezu  40  Fälle  im  zwei- 
ten Theile. 


640  M  n  t  h. 

räth  sicli  als  Interpolation  durch  eine  aig-e  metrische  Rohheit, 
die  im  echten  Nibehingentexte  ihresgleiclien  nicht  hat,  den 
Binnenreim  tmrieJtche  :  minnecliclie  (1245,  3  ?.  Lachmann's 
Annierlcnng"  S.  1G5  ist  unrichtig;  in  den  Bearbeitungen,  wo 
dem  höfischen  Geschmack  der  Verfall  der  alten  Kunst  parallel 
geht,  während  in  der  Lyrik  das  umgekehrte  Verhältniss 
waltet,  bis  in  beiden  Zweigen  die  starre  Glätte  eines  Konrad 
von  Würzburg  zum  Durchbruche  und  zur  Herrschaft  gelangt: 
B.  292,  1,  vlizecUche  :  minnecUche,  C.  938,  5  =  Lassb. 
8362  hitf (V liehe  :  jcemerliche,  C.  1674,  3  =  Lassb.  14424 
voUeeliche  :  ivülecliche).  Auch  Str.  71  zeigt  aber  eine  gewisse, 
zu  dem  lebhaften  Tone  der  sie  umgebenden  echten  Strophen 
in  fühlbarem  Gegensatze  stehende  Unsicherheit  der  Diction ; 
ich  möchte  sie  darum  nicht  mehr  für  unecht  halten,  wie  ich 
(jeleffentlich  im  Anschlüsse  an  eine  ältere  Ansicht  Lachmann's 
vermuthet  habe  (UG.  S.  71,  EN.  '  S.  287,  Note);  aber  ihre 
Verwandtschaft  mit  XIV.  1460  fällt  auf,  einem  Abschnitt, 
auf  den  gleich  wieder  eine  Parallelstelle  74,  4  =  1472,  4 
weist,  so  dass  der  geänderte  Ton  umsomehr  in  Nachahmung 
seinen  Grund  zu  haben  scheint,  als  bei  den  folgenden  Strophen 
der  stricte  Nachweis  der  Entlehnung  zu  führen  ist.  Die  Stelle 
berührt  sich,  wie  Müllenhoff  ZGNN.  zuerst  gesehen  hat,  auf 
das  engste  mit  Biterolf  5961  f.,  so  eng,  dass  B.  Symons 
Taalk.  Bijdr.  1,  309  f.  daraus  die  Bekanntschaft  des  Biterolf- 
dichters  mit  unserem  Nibelungentexte  hat  folgern  wollen  (vergl. 
Zeitschr.  f.  d.  Alt.  u.  d.  Litt.  22  [1878],  Septemberheft).  In 
beiden  Fällen  handelt  es  sich  um  den  Empfang  eines  Helden 
dui'ch  König  Günther  und  seine  Mannen  in  Worms,  hier  um 
Siegfried's,  dort  um  Rüdeger's;  da  nun  das  Nibelungenlied 
gleichfalls  eine  Ankunft  Rüdeger's  in  Worms  schildert,  wobei 
deutlich  Detail  aus  unserer  Situation  herübergenommen  ist 
1117,  3  =  81,  1.  1120,  2  =  87,  2,  wäre  diese  doch  das 
nächstliegende  Vorbild  gewesen,  wenn  der  Verfasser  des  Bi- 
terolf nach  einem  solchen  greifen  wollte.  Aber  eine  ein- 
gehende Vergleichung  ergibt  ein  anderes  Resultat. 

Es  ist  deshalb  nothwendig,  die  Parallelstellen  auszuheben. 


'  So  citiie  ich  meine  , Einleitung  in  daa  Nibelungenlied',  Paderboin,   Schö- 
ningh,   1877. 


lieber  eine  Scbichte  älterer,  im  Epos  nacli weisbarer  Nibelungenlieder. 


647 


Nachdem  Nib.  72 — 76  der  Eintritt  Siegfried's  in  heroisch 
einfacher,  Bit.  5933 — 75  die  Anknnft  Rüdeg-er's  in  ritterlich 
förmlicher  Weise  geschildert  worden  ist,  begegnen  sich  plötz- 
lich beide  Gedichte  in  fast  wörtlicher  Uebereinstiramune-. 
Voraus  heisst  es  im  Biterolf,  was  fast  wie  eine  versteckte 
Quellenberufung  klingt: 

Bit.   5972.    Von  maneger  muofer  kinde 
hefe  er  (Rüedeger)  e  tcol 

vernomen. 
wi   st    in   daz    land  loceren 
komen. 
75.  erbeizet  loävens  (die  da. 
der  marsclialc  herhergen  so. 
wolde  do  die  geste. 
do  sprach  der  muötes  veste, 
des  kilnic  Efzelen  man 
80.  Hat  uns  diti.  ras  stän : 

lüir  mngen   hie   nicht  htten, 
wir  müezen  schiere  riten. 


Nib.  77.  Diti  ros  si  icohlen  dannen 
ziehen  an  gemach. 
Stfrit  der  vil  küene, 
lüie  snelle  er  do  sprach ! 
Hat  uns  sten  die  moere 
mir  und  mznen  man. 
wir  tvellen  schiere  hinnen; 
des  ich  guoten  loillen  hdn. 

78.  Sicem  sin  kunt  diu  mcere, 
der  sol  mich  nicht  verdagen, 
wä  ich  den  kilnic  vinde, 

daz  sol  man  mir  sagen, 
Günthern  den  vil  riehen 
üz  Burgnnden  lant'. 
do  sagte  ez  ime  einer, 
dem  ez  rehfe  was  hekant. 

79.  ^Welt  ir  den  künic  vinden, 
daz  mac  vil  lool  geschehen. 
in  jenem  sah  leiten 

hdn  ich  in  gesehen, 
hl  den  sinen  helden. 
da  srdt  iv  hine  gdn : 
da  muget  ir  bi  im  vinden 
manegen  herlichen  man. 

80.  Nu  wären  deme  künige 
diu  mcere  geseit, 


Ich  horte  des  gerne  mcere, 
wä  der  kilnic  iccere, 
85.  ob  daz  m'öhte  geschehen  (vgl. 
Nib.  79,  1  :  2). 
daz  ich  den  künde  gesehen. 


do  sprach  ein  Gernotes  man 
'daz  wil  ich  iuch  wizzen  län. 


get  uf  den  palas, 
90.   da  ich  vil  niid.ichen  was, 


ich  wcen,  man  in  da  vinde 
bi  sinem  ingesinde . 
do  hete  ouch  nu  der  künec 
vernommen. 


648 


Mnth. 


daz  da  komen  tcceren 

ritter  wol  gemeit ,' 

die  fuorten  riclie  hrünne 

nnd  erlich  gevmnt. 

si  derkande  nieman  95. 

in  der  Burgonden  lant. 

81.  Den  kUnic  nam  des  wunder, 
von  wannen  kmmen  dar 
die  herlichen  recken 

in  wcefe  lieht  gevar, 

und  mit  so  gt(oten  Schilden 

niu  unde  hreit. 

daz  im  daz  sagte  nieman, 

daz  was  Gunihere  leit.  6000. 

82.  Des  antwurte  dem  künege 
von  Bletzen  Ortivtn 
(rieh  unde  kllene 
moht  er  vil  lool  sin) 


daz  im  geste  wceren  komen. 


fragen  er  hegunde, 
oh  ieman  wizzen  künde, 
der  im  sagte  mcere, 
wer  daz  gesinde  woere. 


daz  enkunde  im  niema  n  sagen . 
do  hegunde  er  tougen  klagen 

von  Hetzen   Ortwinen, 


83. 


,sit  wir  ir  nicht  erkennen, 
so  sult  ir  heizen  gän 
nach  minem  ceheim  Hagen en  ; 
den  solt  ir  si  sehen  län. 
Dem  sint  kunt  diu  rtche 
und  ellin  vremdiu  lant. 
sin  im  die  herren  künde, 


den  liehen  neven  sinen: 
der  starp  ze  fron  in   smen 

tagen 
er  gedähte  des,  der  solde  im 
sagen 
5.  von  fremden  icignnden 
üz  iesltchen  landen. 
Da  was  ein  ander  Ortwin: 
der  was  der  vetern  sun  sin, 
der  was  da  zen  Sahsen 

10.  von  kintheit  gewahsen. 

der  kam  da  er  den  künec  sach : 
vilicol  horte  er  swaz  er  sprach, 
dö  sprach  der  junge  loigant: 
'si  sint  üz  verrer  künege  lant 

15.  her  hekomen  an  den  Rin. 
ni(  hahet  des  den  rat  min, 
sendet  hin  nach  Hagenen : 
hat  ieman  von  den  degenen 
vei'nomen  deheiniu  mcere, 

20.  iu  mac  der  Tronjcere 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibeluagenlieder. 


649 


84 


daz  tuo  er  uns  bekant' 

der  künic  bat  in  bringen 
und  die  sine  man : 
man  sack  in  herliche 
mit  reken  hin  ze  hove  gdn. 
Waz  sin  der  künic  wolde, 
des  fragte  Hagene. 
'ez  sint  in  mime  hüse 
unkunde  degene, 
die  niemen  hie  bekennet: 
habet  irs  ie  gesehen, 
des  solt  du  mir,  Hagne, 
hie  der  wärheit  verjehen'. 
85.  'Daz  tuon  icK  sprach  Hagne : 
zeinem  venster  er  do  gie, 
sin  ougen  er  da  wenken  ^ 
zuo  den  gesten  lie. 


der  mcere  schiere  hdnverjehen, 
ob  er  si  e  habe  gesehen\ 
Die  boten  Uten  da  er  was. 
do  stuont  er  vor  dem  palas. 
25.  ma7i  hiez  in  zuo  dem  künege 

gdn. 

der  fürste  fragte  sinen  man 
ob  der  helt  erkande 
die  fremden  ivigande, 
wannen  sie  kcemen  in  sin  lant. 


30.  do  blicte  der  küene  wtgant 
nider  für  den  palas, 
da  der  marcgrdve  was. 


Die  Verwandtschaft  beider  Stellen  steht  durch  den  paral- 
lelen Gang  der  Darstellung-,  dann  durch  die  oft  wüjtliche 
Uebereinstimmung  in  Ausdruck  und  Reim  ausser  Frage-,  doch 
ist  an  eine  Benützung  der  einen  durch  die  andere  nicht  zu 
denken;  dem  Bitei-olfdichter  muss  ein  Text  vorgelegen  sein, 
der  das  Missverständniss  für  der  künic  begunde  tougen  klagen 
Orttvine  (wenn  nicht  gar  nur  fragen  Ortwin)  zu  setzen  klagen 
Orticiii  ermöglichte,  in  dessen  Folge  die  hier  so  unpassend  als 
nuiglich  eingefügte  Geschichte  dieses  Metzer  Geschlechtes  ist, 
die  weit  besser  etwa  um  V.  2480  angebracht  wäre.  Die 
formelhafte  (vgl.  Thidreks.  c.  363)  Schilderung  der  Ausrüstung, 
im  Nibelungenliede  episch  wiederholt  72.  73.  80.  81,  wie 
einzelne,  man  kann  nicht  sagen  unhöfische,  denn  was  er  nach 
eigenem  Geschmacke  einführt,  wie  das  überhäutige  loigant,  ist 
um    nichts    feiner,    sondern    ihm    nicht    zusagende    Ausdrücke 

'  Bei  dieser  Gelegenheit  werfe  icli  die  Frage  auf,  ob  niclit  an  Stelle  der 
halten  Apokope  lAn'  (iu)  ursprünglich  gestanden  hat  s%n  oiige  (:=  B), 
woraus  ein  Schreiber,  der  von  der  Einäugigkoit  Hagens  nichts  mehr 
vvusste  und  die  häufig  fehlende  n-Abbreviatur  aus  Versehen  ausgelassen 
wähnte,  den  jetzigen  Text  machte? 

Sitzungsber.  d.  phil.-hibt.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  II.  Hft.  44 


650  Mnth. 

hat  der  Biterolfdichter  beseitigt;  er  prag-matisirt  (die  Jugend- 
geschichte des  jungen  Ortwin ,  ohne  jede  weitere  Gewähr, 
könnte  möglicherweise  ganz  allein  auf  dem  Erfordernisse  eines 
Reiniwortes  zu  gev)ahsen  balanciren),  am  deutlichsten,  wenn 
der  Gernötes  man  eben  erst  (vü  niulichen)  beim  Könige  war, 
Hagen  gerade  vor  dem  Saale  steht  u.  dgl.  Unter  diesen 
Umständen  ergibt  sich  als  nothwendige  Voraussetzung  die 
Annahme  einer  gemeinsamen  Quelle,  welche  der  Nibelungen- 
dichter jedoch  mit  weit  grösserer  Treue  folgt,  vermuthlich  aus 
dem  Grunde,  weil  ihre  gleichfalls  strophische  Form,  wo  sie 
schon  nicht  wörtliche  Herübernahme  erlaubte,  doch  überall  zu 
geringeren  Aenderungen  nöthigte  als  die  kurzen  Reimpaare 
des  Biterolf. 

4. 

Einschuh  im  I.  Liede,  Strophe  88 — 101.  Dass  die  inter- 
polirte  Erzählung  Hagen's,  ihm  in  den  Mund  gelegt,  während 
Siegfried  im  Hofe  wartet,  also  ein  grober  Verstoss  gegen  die 
poetische  Oekonomie,  einem  Liede  der  niederen  Volkspoesie, 
die  sich  vornehmlich  mit  Siegfried's  Jugend  beschäftigte  (hie- 
her  gehört  vielleicht  auch  die  räthselhafte  Stelle  von  einer 
Anwesenheit  des  Helden  im  Heunenland  1097,  3.  vgl.  Biterolf 
9471  f.),  wie  die  bekannten  Zeugnisse  darthun,  angehört,  wird 
so  ziemlich  allgemein  zugegeben:  zu  deutlich  sprechen  die  un- 
geschickter Weise  stehen  gebliebenen  Spielmannsformeln  89,  2 
als  mir  ist  geseit,  93,  1  so  wir  hoeren  sagen  (die  Ausscheidung 
dieser  Strophe  als  noch  jünger  wie  96  und  101  MüllenhofF 
ZGNN.  S.  59  entbehrt  des  Grundes),  endlich  101,  1,  das,  wie 
wieder  der  Vergleich  mit  dem  Biterolf  7810 — 7849  lehrt,  einem 
anderen  Liede  entnommen  ist,  die  ganz  handwerksmässige 
Phrase:   noch  vjeiz  ich  an  im  mere,  daz  mir  ist  bekannt. 

Die  Stelle  ist  jedoch  bis  zum  Ueberdrusse  oft  behandelt 
HS.  2  S.  134.  ZGNN.  S.  59  HZ.  21,  185.  EN.  S.  332  f.)  und 
kann  insoferne  nicht  für  uns  in  Betracht  kommen,  als  diese 
Lieder  der  , verwildernden  Volkspoesie'  zwar  der  Sammlung 
oder  dem  Epos  gleichzeitig,  aber  nicht  der  älteren  Schicht 
zuzuzählen  sind. 

Demnach  war  nur  der  Vollständigkeit  halber  dieser  Stelle 
als  eines  unzweifelhaften  Liedfragmentes  im  Epos  zu  gedenken. 


Ueber  eine  Schichte  filtfrer,  im  KpoB  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  651 

5. 
VIII.  Lied.,  Str.  941.    B.  Sijmons  in  dem  schon  oben  an- 
gezogenen   Aufsatze    taalkund.    bijdr.    ],  323    hat    ferner   auf- 
merksam gemacht  auf  eine  Anspielung  im  Texte  des  Biterolf; 
Dietleib  kommt  von  Metz  durch  Lothringen: 

2674.  Die  knahen  schnofen  do  ir  varf, 
do  si  ir  geleite  heten  län; 
durch  Lüfringen  si  do  dan 
riten  an  den    Wasgenwalt. 
do  sprach  der  junge  degen  halt 
,mi  reichet  mir  den  heim  her 
lind  schiftet  mir  daz  sper 
wider  an  den  minen  schaft. 
ez  sint  Ithte  hie  mit  kraft 
schächcere  in  diesem  tiefen  tan: 
an  den  kan  nieman  lop  hegdn, 
wan  sioaz  man  ir  slüege  tot, 
daz  ivaere  lande  und.  Hüten  ndt.^ 
Dem  Dichter  war  entweder  Str,  941  unseres  VIII.  Liedes 
oder  doch  eine  ähnliche  im  Sinne : 

,ir  sidt  ez  heln  alle  und  stdt  jegliche  jehen 
da  er  jagen  rite  aleine,  Kriemhilde  man, 
in  slüegen  schächcere,  da  er  füere  durch  den  tan.' 
Das  VIII.  Lied  verlegt  jedoch  den  Schauplatz  der  Jagd 
auf  das  rechte  Rheinufer,  denn  sie  müssen  über  den  Rhein 
zurückfahren  943,  1,  in  einen  Wald  859,  2,  nahe  dem  Strome 
871,  3;  dazu  stimmen  die  Interpolationen,  die  in  diesem  alter- 
thündich  gefärbten  Abschnitte  genau  dasselbe  Gepräge  tragen 
wie  der  echte  Text  der  jüngeren  (nicht  jüngsten!)  Lieder:  sie 
sind  über  den  Rhein  gezogen  870,  1 ;  auch  die  Verwechs- 
lung mit  dem  Spehteshart  908,  3  ist  nur  möglich,  wenn  die 
Wormser  von  Hause  aus  eine  östliche  Route  eingesclilageu 
haben;  0*C  verlegen  denn  auch,  gewiss  nicht  nach  eigener 
Erfindung,  sondern  auf  Grundlage  alter  Sage  —  der  Zusatz 
939,  5  ist  im  Tone  verwandt  der  Str.  101  —  und  in  üeber- 
einstimmung  mit  dem  übrigen  Texte,  den  Scliauplatz  nach  dem 
Ofenwalde  939,  7. 

Im  Biterolf  aber  rüstet  sich  Dietleib   im  Wasgenwalde, 
was    zu    dem   bekannten   Widerspruche  im  VII.  Licde  stimmt: 

44* 


6o2  Muth 

854,  2.   ,so  wil  ich  jagen  rtten         hern  und  stvin, 

hin  ze  dem    Wasken  walde         als  ich  vil  dike  hdn.' 

Die  Version,  wonach  die  verhäng-nissvolle  Jagd  in  den 
Vog-esen  stattgehabt  hätte,  erhält  durch  die  Stelle  des  Biterolf 
eine  uuvermuthete  Bestätig'ung;  es  scheint  dies  die  in  Oester- 
reich  g^ang  und  gäbe  Ansicht  gewesen  zu  sein,  vielleicht  er- 
klärlich durch  die  Popularität,  die  ebendaselbst  die  Walther- 
sage genoss.  Es  fällt  damit  auch  ein  erwünschtes  Streiflicht 
.  auf  die  Heimat  des  VII.  Liedes  und,  da  dieses  nur  zur  Ver- 
bindung des  VI.  und  VIII.  eingefügte  Branche  ist,  auch  des 
betreffenden  Liederbuches. 

Noch  bleibt  aber  die  auffallende  Thatsache  unerklärt,  dass 
der  Verfasser  des  Biterolf  in  seiner  Anspielung  den  Wasgen- 
wald  mit  einer  Stelle  verknüpft,  die  sich  in  unserem  Texte 
wenigstens  auf  einen  anderen  Schauplatz  bezieht;  mit  der 
Erklärung,  dass  ihm  unser  Nibelungenlied  vorlag,  was  übrigens 
sattsam  widerlegt  ist,  ist  nichts  geholfen;  zudem  liegen  Str.  854 
und  941  um  vierhundert  Langverse  auseinander,  so  dass  es 
wohl  Niemandem  eingefallen  wäre,  beide  in  einer  Anspielung 
zu  vereinigen.  Man  muss  annehmen,  dass  dem  Verfasser  des 
Biterolf  ein  Lied  vorlag,  das  eine  dem  Wortlaute  nach  ent- 
sprechende Stelle  enthielt,  an  welche  sich,  etwa  wie  in  C  die 
Benennung  des  Odenwaldes,  die  Angabe  des  Wasgenwaldes 
als  Schauplatz  schloss.  Dass  dabei  zwei  charakteristische  Reime 
des  VIII.  Liedes  tan  (875,  3,  883,  3.  887,  1.  841,  3)  und 
halt  :  loalt  (859,  1.  871,  1.  872,  3  bis  809,  1)  begegnen, 
zeigt  nur,  dass  dieser  Gesang  mit  seinem  alterthümlichen  Ge- 
präge, dem  bei  seiner  völligen  Verschiedenheit  von  allen 
übrigen  Theilen  des  Epos,  auch  den  ältesten  wie  IV  und  XIV, 
selbst  von  den  entschiedensten  Gegnern  der  Liedertheorie  der 
Charakter  einer  epischen  Rhapsodie  zugestanden  wird  (H.  Fi- 
scher, Nibelungenlied  oder  Nibelungenlieder?  S.  85),  Stil  und 
Ton,  Formeln  und  Wendungen  älterer  Dichtung  bewahrt  hat. 
In  diesem  Abschnitte  archaisiren  deshalb  auch  die  Interpola- 
toreu  wie  die  Fortsetzer  (vgl.  unsere  854,  2  heiii  unde  swin 
mit  859,  3,  4). 

Dem  Dichter  des  Biterolf  lag  also  ein  älteres  Lied  vor, 
das  zwar  die  Jagd  in  den  Wasgcnwald  verlegte,  formell  aber 
die    grösste    Aehnlichkeit    mit    unserem   VIII    hatte,    das    unter 


IJpber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisliarer  Nihelnngenlieder.  653 

Anderem  entweder  nur  die  Schlussphrase  oder  die  ganze 
Strophe  941  jenem  entlehnt  hat.  Damit  ist  auch  der  schein- 
bare Widerspruch  erklärt  zwischen  dem  wiederholt  hervorg-eho- 
benen  alterthümlichen  Stile  und  der  metrischen  Leichtbeweg- 
lichkeit des  VIII.  Liedes,  die  es  mit  jüngeren  Liedern  auf  ein 
Niveau  drückt  (ZGNN.  S.  50).  Bei  der  Congruenz  des  Aus- 
druckes und  der  Reime  steht  die  gleiche  metrische  Form 
unseres  und  des  älteren  Liedes  ausser  Frage. 


XIL  Lied,  Str.  1279,  1280.  J.  Hoffman,  de  Nibelungiadis 
altera  parte,  pag.  6,  hat  der  Ansicht  Raum  gegeben,  dass 
Strophe  1279,  80  des  XII.  Liedes  einem  älteren  entnommen 
sein  könnten;  sein  Grund  ist  die  auffallende  Rundung  der  Dar- 
stellung, durch  welche  sie  sich  von  ihrer  Umgebung  unter- 
scheiden. 

1279.  Von  Riuzen  und  von  Kriechen  reit  da  manic  man: 
den  Poelän  nnd  den  Vlächen  sack  man  swinde  gdn 
TOS  diu  vil  gouten         si  mit  krefte  riten. 

swaz  si  site  heten  der  wart  vil  icenic  vermiten. 

1280.  Von  dem  lande  ze  Kiewen         reit  da  manic  degen, 
und  die  wilden  Pesncere.         da  wart  vil  gapßegen 
mit  bogen  schiezen         zuo  voglen  da  si  fingen 

die  phile  sie  sere         zuo  den  ivenden  vaste  zugen. 

Für  Hoffmann's  Meinung  sprechen  formelle  Eigenthüm- 
lichkeiten,  Metrisches:  die  kurzen  Monosyllaba  an  erster  Stelle 
für  Hebung  und  Senkung  rös  diu  vil  giloten,  mit  bögen  schiezen; 
Syntactisches:  ras  d.  v.  g.,  von  dem  lande  .  .  .  degen,  icart 
gepfiegen  schiezen;  die  passive,  nicht  absolute  Rection  1280,  2b; 
das  starke  axb  y.oivou  1279,  3a;  die  azx;  dpr,\).e'/7.,  sowohl  die 
Völkernamen,  als  das  unerklärte  loende  in  der  Schlusszeile, 
auf  die  vielleicht  Licht  fällt  aus  der  nachahmenden  Stelle,  die 
den  eigentlichen  kritischen  Anlass  für  uns  bietet,  von  dieser 
Hypothese  Notiz  zu  nehmen,  nachdem  das  sehr  junge  XII.  Lied 
dem  Biterolfdichter    kaum    bekannt   sein  konnte.  '     Es    stossen 


1  Man  beachte  auch,    dass   die    sechs    Völkernamen   wieder   der  Tradition 
der  Kunst  entsprechen:    4  -]-  -  ;    im    Folgenden    ist   die    Anordnung   ver- 


654  M  « « h- 

im  Kampfe  zusammen  Etzel's  Bruder  Bloedelin  und  der  Böhme 
.    Wäzläv  der  mizre;  dann  heisst  es  weiter 

Bit.  10190.    die  V lachen  kämen  in  geriten 

mit  mcmegem  hurmnen  hogen, 

die  wären  höhe  vf  gezogen 

ze  schuzze:  manege  pMle 

die  sach  man  an  der  wile 

so  dicke  von  der  seneioen  gän 

sam  ofte  der  sne  hat  getan 

da  den  tribet  der  icint.  (Vgl.  Kudr.  861,  2,  3.) 
Das  Lied;  dem  beide  Strophen  entnommen  wären,  könnte 
möglicherweise,  da  auch  nichts  darauf  hinweist,  dass  das 
XII.  Lied  dem  Dichter  der  Klage  bekannt  gewesen  wäre,  das 
ältere  aber  Polen  und  Wallachen  nannte,  Quelle  für  die  be- 
kannte Stelle  Klage  173  f.  =  k.  2017,  5 — 16  gewesen  sein, 
so  dass  wir  dann  in  den  drei  Zusatzstrophen  von  k.  zwar 
nicht,  wohl  aber  in  der  Stelle  der  Klage  dem  Inhalte  nach 
einen  Rest  des  gleichen  Liedes  hätten.  Die  Verse  der  Klage  lauten: 
173.  der  herzöge  Herman  ein  vürste  üzer  Poelän, 

und  Sigeher  von    Wäldchen  vil  flizecltchen  rächen 

der  edeln  Kriemhilde  leit.  zwei  tusent  riter  gemeit 

si  hrähten  zuo  der  ivirtschaft,        die  von  der  edeln  geste  kraft 
Sit  alle  wurden  versioant.  dar  het  durh  Krieckischiu  lant 

hräht  Hz   Türkie  Walher  der  edelfrie 

zwelf  hundert  siner  man :  die  muosen  alle  da  hestän, 

swaz  ir  von  Kriechen  was  be- 
kamen, und  swaz  die  da  heten  genomen 
des  Kriemhilde  goldes  und  Etzelen  soldes: 
den  dienten  si  vil  sivinde.  von  ir  vil  maneges  kinde 
icart  Sit  geweinet  sere.                      si  ivänden  werben  ere, 
und  würben   niht  loan  den  tot:      diu  vil  schedelichiu  not 
het  den  sig  an  ihn  genomen. 

Wenn  aber  für  Hoffmann's  Ansicht  kritische  Gründe  spra- 
chen, lässt  sich  die  Vernuithung  bezüglich  der  letztausgehobenen 
Stelle  methodisch  nicht  erweisen. 


worren,  jedenfalls  ist  n.icli  zwei  Gruppen  von  je  '^<,  1283,  84.  1285  auch 
1286  nicht  mit  Laclimann  v.w  vorwerfen,  sondern  die  erste  Zeile  zu 
emendireu    durch    Streichung    des    Wortes    mit   wodurch    der   Grund    der 


Atetliese  wegfällt. 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  655 

7. 
XIV.  Lied.  Einleitung  in  das  Nibelungenlied^  S.  293, 
326  f.  habe  ich  gezeigt,  dass  neben  unserem  XIII.  und  XIV. 
Liede  andere,  verwandte  Versionen  existirt  haben.  Es  ergibt 
sich  das  aus  Beziehungen  des  Textes  zu  Wolfram's  Parzival 
und  zur  Thidrekssaga;  erstere  sind  a.  a.  O.  ausgeführt,  so 
dass  von  einer  Wiederholung  des  daselbst  Gesagten  Umgang 
zu  nehmen  und  nur  das  Resultat,  soweit  es  in  den  Rahmen 
dieser  Untersuchung  fällt,  hieher  zu  ziehen  ist. 

Wolfram  spielt  Parz.  420,  20  f.  auf  die  Nibelunge  an, 
und  zwar  auf  den  Rath  Rumolts  gegen  Gunther's  Auszug,  den 
jener  gethan  habe,  do  er  (Günther)  von  Wormz  gein  Hürnen 
schiet;  es  folgt  eine  launige  Anspielung,  die  sich  jedoch  nur 
mit  dem  Texte  C*  (Hs.  a)  des  Nibelungenliedes  berührt;  in 
der  Antwort  ist  dann  die  Rede  von  den  küenen  Nibelungen^  die 
sich  unhetwungen  üz  hnohen. 

Gunther's  Abschied  von  Worms  wird  geschildert  im 
XIV.  Liede ;    ebenda  heisst 

1462.  Die  snellen  Burgonden         sich  üz  liuohen. 

do  wart  in  dem  lande  ein  michel  nahen : 

beidenthalp  der  berge  loeinde  icip  wnde  man. 

swie  dort  ir  volc  tcete,  sie  fuoren  vroßliche  da». 

Diese  Stelle  scheint  Wolfram  vorgeschwebt  zu  haben;  Rumolt's 
Rath  aber  fällt  in  unserem  Liede  früher:  im  XIII.  Liede 
Str.  1405  f.  und  an  dieser  Stelle  findet  sich  die  Parallele  des 
Textes  C*.  Ich  habe  mich  nun  bemüht  zu  zeigen,  dass  Wolf- 
ram und  der  Verfasser  der  Recension  C*  aus  einer  Quelle 
schöpfen,  einem  älteren  Liede,  das  Rumolt's  Rath  nicht  bei 
der  Beschlussfassung,  sondern  heroisch  einfach  und  wirkungs- 
voll beim  Ausritt  erfolgen  liess,  wovon  XIV.  1458  ein  matter 
Rest  und  eine  letzte  Spur,  denn  aus  der  Uebereinstimmung 
XIV.  1462,  1  =  Parz.  421,  9  ergibt  sich,  dass  die  Str.  1462 
aus  diesem  ältesten  Liede  wörtlich  herübergenomnien  ist;  dafür 
spricht  auch  hüoben  :  äobhi,  nicht  der  scheinbar  klingende  Reim, 
der  in  diesem  Abschnitte  nichts  Auftallendes  hat,  sondern  der  Man- 
gel des  Umlauts.  Ob  dieses  ältere  Lied  den  possenhaften  Spass, 
den  C*  und  Parzival  herausheben,  bereits  umfasste,  als  es  dem 
Dichter  des  XIV.  Liedes  vorlag,  oder  ob  dies  nicht  vielmehr 
eine  Interpolation  in  jenes  ältere  Lied  war,  entsprechend  dein 


G5G  M  u  t  h. 

Charakter  der  niederen  Volkspoesie,  jener  sagenverzerrenden 
Strassenmuse,  die  sich  auch  mit  der  Frage  um  Etzel's  Seelen- 
heil in  ganz  ähnlicher  Weise  befasste  (Schluss  der  Klage  nach 
dem  gemeinen  Texte),  steht  dahin. 

Schwieriger  sind  die  Beziehungen  zu  der  Darstellung  in 
der  nordischen  Thidrekssaga  zu  tixiren.  Die  Saga,  mag  sie 
auch  zunächst  auf  niederdeutschen  Liedern  beruhen,  zeigt  in 
Einzelheiten  so  nahe  Uebereinstimmung  mit  unseren  Liedern, 
dass  eine  Verwandtschaft  der  Texte  angenommen  werden  muss. 
Der  umfassende  Beweis  zwar,  den  Döring  versucht  hat,  '  den 
gemeinen  Text  als  Hauptquelle  der  Saga  darzustellen,  ist  ver- 
unglückt; denn  hiefür  sind  die  Abweichungen,  namentlich  in 
dem,  dem  XIV.  Liede  entsprechenden  Abschnitte  c.  363  f. 
doch  zu  wesentlich. 

Die  Saga  ist  zum  Theile  reicher,  zum  Theile  ärmer  an 
Einzelheiten;  nachdem  sie  dort,  wo  sie  mehr  bietet,  mitunter 
guten  und  alten  Berichten  folgt,  was  fehlt  aber  zu  den  jüng- 
sten Zusätzen  gehört,  hat  man  anzunehmen,  dass  sie  einer 
älteren  Quelle  folgt.  Sind  nun  die  Beziehungen  zum  Texte 
der  Nibelunge  not  so  enge,  dass  die  Verwandtschaft  ausser 
Zweifel  steht,  kann  aber  das  XIV.  Lied  in  seiner  uns  vor- 
liegenden Gestalt  die  Quelle  nicht  sein,  so  ist  auf  ein  älteres 
hochdeutsches  Lied  —  dem  Verfasser  der  Saga  kann  es,  man 
denke  an  die  Nibelungenhandschrift  T,  auch  in  niederdeutscher 
Fassung  vorgelegen  sein  —  zu  schliessen,  aus  dem  beide  Texte 
als  Derivationen  flössen.  Ob  dasselbe  identisch  war  ndt  jenem 
von  Wolfram  gekannten,  darüber  ist  nicht  einmal  eine  Ver- 
niuthung  möglich;  doch  lässt  sich  der  Inhalt  desselben  ziemlich 
genau  begrenzen. 

Es  fehlt  in  der  Saga  der  Bischof  Pilgrim,  dieser  selbst- 
verständlich, möchte  man  sagen,  ferner  die  Episode  mit  dem 
Kaplan,  endlich  der  Kampf  mit  Else  und  Gelfrat:  Partien,  die 
viel  zu  umfangreich  sind,  als  dass  mau  bei  der  sonstigen  Treue 
des  Verfassers,  der  übrigens  seinem  Gedächtnisse  durch  schrift- 
liche Aufzeichnung  zu  Hilfe  gekommen  sein  muss,  mit  Döring 


'  Rassmanu's  neue,  gegen  Döring  gerichtete,  in  allem  Negativen  stich- 
hältige Abhandlung  ist  mir  nicht  etwa  unbekannt  geblieben;  sie  bietet 
jedoch  keinen  neuen  Gesichtspunct  zur  Entscheidung  der  hier  allein 
intoressircuden  Frage. 


Ueter  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer    Nibelungenlieder.  657 

als  ,GedäcIitnissfehler'  ausehen  dürt'te  (2jeitsclinft  f.  d.  Phil. 
2,  7o.  EN.  S.  2931  —  Gotelinde  erscheint  als  Nudung's 
Schwester,  Hagen  erschlägt  die  Meerweiber,  der  Tod  des 
Fergen  ist  ganz  anders  motivirt  als  im  hochdeutschen  Liede; 
älteren  Quellen  folgt,  wie  Sitzungsber.  LXXXV,  5 — 8,  gezeigt 
ist,  die  Saga  hinsichtlich  der  Verlobung  Giselher's  und  der 
Warnung  durch  Rüdeger's  Geinalin. 

Alledem  steht  eine  vereinzelte  Uebereinstiramung  aller- 
dings höchst  auffallender  Art  gegenüber.  Strophe  1494  lautet 
in  A  und  C*  (a): 

Omca  was  der  selbe  schifman         vil  müelich  gesit : 
diu  gir  nach  grözem  guote  vil  boesez  ende  git. 

Für  milelich  gesit  hat  der  gemeine  Text  niidich  gt^Mt,  was 
Lachmann  in  seine  Ausgabe  aufnimmt,  während  umgekehrt 
der  jüngste  Herausgeber  der  Vulgata  gerade  hier  A  folgt. 
Hier  stimmt  nun  Thidrs.  c.  365  zum  gemeinen  Texte,  ja 
es  führt,  allerdings  in  einem  Tone,  der  sehr  pragmatisirend 
klingt,  den  Gedanken  oder  die  Thatsache  zu  einer  kleinen 
Erzählung  aus:  da  der  Fährmann  Högni's  Gold  sieht,  denkt  er 
daran,  dass  er  sich  vor  Kurzem  verheiratet,  und  will  seiner 
schönen  Frau,  die  er  sehr  liebt,  den  Ring  bringen  —  in  der 
That  nichts,  was  nicht  aus  den  zweiten  Worten  der  Variante 
abgeleitet  sein  könnte. 

Nennen  wir  die  Staramhandschrift,  auf  welche  alle  uns 
erhaltenen  Nibelungenhandschriften  zurückgehen,  wie  oben  •/, 
die  des  gemeinen  Textes  6,  so  scheint  die  Uebereinstimmung 
A  C*  !>  B,  da  A  =  y  und,  wenn  auch  B  =  'li,  doch  C  über  B 
hinaus  auf  B*  oder  'l  zurückgeht,  gegen  Lachmann's  Emen- 
dation  zu  sprechen.  Schwerer  aber  wiegt  die  Thatsache^  dass 
von  dem  übrigen  Detail  des  gemeinen  Textes,  z.  B.  dem  Namen 
Amelrtch  und  der  Reihe  oben  aufgezählter  Episoden  die  Saga 
nichts  weiss,  endlieh  dass  der  Tod  des  Fährmanns,  der  vor 
Gunther's  Augen  erfolgt,  mit  anderem  Vorwand  und  anderem 
Grunde  motivirt  wird:  da  die  Ruder  zerbrechen,  erschlägt  ihn 
Högni,  damit  keine  Botschaft  ihnen  voraneile. 

Entscheidend  ist,  dass  gesit  :  git  in  der  ganzen  Reihe 
der  Dichtungen  der  volksthümlichen  Hofepik  als  Reim  ganz 
vereinzelt  stünde,  indem  sich  wohl  in  :  in,  aber  nirgends 
it  :  it    wieder    tindet;    dies    dürfte,    ohne    dass    er    es    anführt, 


658  M  n  t  h. 

auch  Lachmann's  Motiv  für  die  Abweichung  von  seiner  Vor- 
lage gewesen  sein.  Die  gemeine  Lesart  bietet  überdies  eine 
verständig  fortschreitende  Motivirung,  A  hier  einen  kaum  er- 
klärbaren Lückenbüsser :  wir  haben  es  also  mit  einem  Lese- 
fehler des  Schreibers  von  A,  der,  was  palaeographisch  ohne 
alle  Schwierigkeit  anzunehmen  ist,  die  Worte  nivlich  gehit  in 
7^  als  miiolich  gesit  verlas. 

Demnach  ist  nicht  nur  die  Benützung  des  gerneinen  Textes 
durch  die  Thidrekssaga  ausgeschlossen,  sondern,  da  wir  für 
dieselbe  eine  ältere  Quelle  annehmen,  durch  ihre  Ueberein- 
stimmung  mit  der  Vulgata  die  Lesart  derselben  an  der  be- 
sprochenen Stelle  und  Lachmann's  kritisches  Vorgehen  ge- 
rechtfertigt. 

E  X  c  u  r  s. 
Die  innere  Geschiclite  des  XIV.  Liedes  (U47— 1581). 

Nicht  leicht  hebt  sich  ein  anderer  Abschnitt  so  deutlich 
in  seiner  Selbständigkeit  aus  seiner  Umgebung  heraus,  als 
Lachmaun's  XIV.  Lied,  so  dass  selbst  wer  die  Einheit  ver- 
lieht, hier  den  Einschub  oder  mindestens,  da  es  durchaus 
alterthümliches  Gepräge  trägt,    die  Entlehnung  zugeben   sollte. 

Durch  Verschiedenheit  in  den  Zahlenangaben  scheidet 
sich  der  scharf  markirte  Anfang  vom  XIII.,  durch  Voraus- 
setzung- einer  anderen  Auffassung  der  Persönlichkeit  Ecke- 
wart's  der  Schluss  vom  XV.  Liede  (UG.  S.  11—22,  26.  Anm. 
S.  185.  EN.  S.  83,  271,  299).  Das  Metrum  trägt  denselben 
Charakter  wie  in  den  ältesten  Theilen  des  Epos,  ja  die  Reime 
sind  nirgends  schwerfälliger;  '  auch  der  Satzbau  ist  auffallend 
und  bietet  Einzelheiten,  die  in  der  classischen  Periode  ihres 
Gleichen  nicht  mehr  finden,  ebenso  dei'  Wortschatz ;  kein  Lied 
endlich    besitzt  wie  dieses   neben   altüberlieferten,  überall   wie- 


'  Schwerer  Aut'tact,  kurzsylbige  Cäsur,  Enjainbeniont,  kurze  Monosyllaba 
an  erster  Stelle  für  Hebung  und  Senkung  J.  Hoifm.  Nib.  alt.  pars,  p.  12; 
Heime:  Uol<-  :  gnote,  verborgen  .■  sorgen,  gtinävien  :  bequämen ,  Hdgene  .- 
lUgen'e  :  sägeiie,  vörderösl  :  trdst;  syntaktisch  merkwürdig  vor  Allem  der 
im  Mhd.  ganz  vereinzelte  Acc.  c.  inf.  1461,  3,  eine  Stelle,  die  Lach- 
mann, Kl.  Sehr.  S.  246,  272,  276  mit  nichten  erklärt  ist. 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  6o9 

der  voifindlichen  Formeln  sachlich  ganz  unerklärbare  Stellen : 
144S,  2.  1462,  3;  keines  wie  dieses  zeigt  eine  so  lebendige 
Naturanschaimng  des  Dichters  146(5,4.  1473,2.  1508,2.  1511,4. 

So  zwingen  formelle  Gründe,  diesen  Abschnitt  gesondert 
zu  betrachten  und  machen  die  Frage  um  so  mehr  unabhängig 
von  der  Liedertheorie,  als  dieses  Lied  —  denn  diesen  Charakter 
kann  man  ihm  nicht  bestreiten  —  auch  dem  Grundgedanken 
nach  von  den  übrigen  Theilen  der  zweiten  Hälfte  sich  wesent- 
lich unterscheidet.  Denn  so  sicher  die  historische  Grundlage 
des  zweiten  Theiles  der  Nibelungensage  wie  des  Nibelungen- 
liedes ist,  so  wenig  kommt  dieselbe  in  diesem  Abschnitte  zur 
Geltung,  der  unter  einem  Gesichtspunkte:  , Darstellung  der 
Ahnungen  und  Vorzeichen  des  unseligen  Ausganges,  einer  der 
erweislich  ältesten  Theile  der  Sage  von  Gunther's  Untergang' 
(Anm.  S.  189)  eine  ganze  Kette  rein  mythischer  Begebenheiten 
zusammenstellt. 

Wiederholte  Neueinführungen,  widerspruchsvolle  Darstel- 
lung, verschiedene  Auffassung  des  Charakters  Hagen's,  dem  ein 
Autor  eben  so  gewogen  als  der  andere  abgeneigt  ist,  scheiden 
die  einzelnen  Bestandtheile  des  Liedes  und  gegen  die  ausführ- 
liche Begründung,  die  Lachmann  hier  seinen  Atetheseu  bei- 
gegeben hat,  ist  noch  nichts  Erhebliches  vorgebracht  worden. 
Als  jüngste  Zusätze  sind  die  Probe  mit  dem  Kaplan,  die  an 
die  Begegnung  mit  den  Meerweibern  geknüpft  ist,  und  der 
Baiernkampf,  der  das  Abenteuer  mit  dem  Fährmann  voraus- 
setzt, auszuscheiden.  Dann  ergibt  sich  eine  Reihe  lose  ver- 
bundener Bilder  von  verschiedenem  Umfange : 

I.  Uten's  Traum; 

IL  Auszug  der  Burgonden ; 

IIL  Prophezeiung  der  Meerweiber;  .  .  .  Probe  mit  dem 
Kaplan; 

IV.  Der  Ferge;    .  .  .   Kampf  mit  Else  und  Gelfrat. 

V.  Eintritt  in  Rüdeger's  Mark. 

Nach  Ausscheidung  des  Unechten  und  Feststellung  des 
Grundgedankens  sehen  wir  eine  Idee  in  verschiedenen  For- 
men variirt.  Hagen  tödtet  den  Fergen ;  nach  Thidreks.  c.  364 
erschlägt  er  auch  die  Meerweiber;  dass  er  dem  Eckewart  das 
Schwert  nimmt  und  dann  —  zur  Sühne  —  Gold  bietet,  ist 
wohl    eine    symbolische    Handlung    gleichen    Sinnes ;    von    den 


660  Muth. 

Meerweibern  wird  Auskunft  über  die  Ueberfahrt  über  den 
Strom,  von  dem  Fergen  diese  selbst,  von  Eckewart,  wie  harm- 
los die  Erzählung  dies  auch  gestaltet,  der  Eintritt  in  die  Mark, 
die  er  hütet,  gefordert;  die  Meerweiber  und  Eckewart  warnen 
vor  weiterem  Vordringen,  der  Ferge  wehrt  es.  Ueberall  han- 
delt es  sich  also  um  ein  gewaltthätiges  Eindringen  in  ein  ab- 
geschlossenes, gehütetes  Gebiet;  jedesmal  wird  es  durch  List 
oder  Gewalt,  Raub  der  Kleider  und  des  Schwertes  können 
als  beides  aufgefasst  werden,  ertrotzt.  Haben  wir  demnach 
Varianten  einer  Sage,  so  handelt  es  sich  darum  zu  bestimmen, 
welche  die  älteste,  welche  zuletzt  eingedrungen  und  Avie  die- 
selben mit  einander  verknüpft  worden  sind. 

Integrierender  Bestandtheil  der  Nibelungensage  ist  nur  die 
Warnung  durch  Eckewart,  der  aber  hier  wie  in  Rüdeger's  Dienst, 
so  auch  nur  als  eine  Function  desselben  erscheint,  denn  in  dem 
Klimax  der  Warnungen,  im  Liede:  Ute,  Meerweiber,  Eckewart, 
in  der  Sage  ursprünglich  Ute,  Rumolt,  ein  Genosse  der  Kriem- 
hild,  entweder  Eckewart  oder  Rüdeger  oder  Dietrich,  gebührt 
diese  Stelle  dem  Rüdeger ;  das  beweist  der  Umstand,  dass  hier 
die  Warnung  erfolgt  im  Dienste,  d.  h.  ja  wohl  im  Auftrage, 
nicht  etwa  aus  spontaner  Dankbarkeit  Eckewart's,  die  schlecht 
zu  der  Erinnerung  an  Siegfried  stimmen  würde,  und  dass  in 
der  Thidrekssaga  Rüdeger's  Gattin  mit  Worten  warnt,  die  im 
Nibelungenliede  Dietrich  in  den  Mund  gelegt  sind  (c.  369  = 
1662,  4j ;  jenes  offenbar  nach  alter,  guter  Ueberlieferung,  da 
nach  ihrer  hochdeutschen  Quelle  die  Saga  Dietrich's  Worte, 
auf  diese  Weise  müssig,  wenig  später  c.  375  wiederbringt. 
Alle  Fäden  laufen  also  in  Rüdeger  zusammen,  dem  somit  dieser 
Platz  gebührt;  dass  Dietrich  an  seine  Stelle  trat,  geschah  erst, 
als  oder  weil  er  gegenüber  dem  naiv  vertrauenden  Rüdeger  den 
vorschauenden,  vorsichtig  und  bedächtig  erwägenden  König  dar- 
stellen sollte,  aus  rein  ethischen  Motiven.  Die  beiden  letzten 
Spuren,  ganz  verschieden  und  jede  selbständig  beglaubigt,  Ecke- 
wart's Warnung  in  Rüdeger's  Dienste  und  die  der  durchaus 
unselbständigen  Gotelinde  mit  Worten,  die  wiederholt  werden 
aus  einer  anderen  Quelle,  wo  sie  sich  in  eines  anderen  Helden 
Munde  linden  —  ein  prägnant  ausgediilcktes  episches  Bild,  das 
somit  uralt  ist,  weil  es  jener  Periode  der  Dichtung  entstammt, 
in  der  Rüdeger's  Rolle    noch    wichtiger   war   als   die  Dietrich's 


Ueber  eine  Scliichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibeliingenlieder.  bol 

und  die  im  X.  Jahrhunderte  schon  ihren  Abschluss  erreicht 
hat    —    lassen  keinen  Zweifel    an    der    ursprünglichen  Gestalt. 

Die  jüngste  Variante  wird  die  von  den  Meerweibern,  die 
einer  Localsage,  wie  sie  am  Ufer  eines  grossen  Stromes  hei- 
misch sind,  nicht  unähnlich  ist,  deshalb  sein,  weil  sie  am 
losesten  eingefügt  das  Abenteuer  mit  dem  Fährmann  schon 
voraussetzt. 

Es  handelt  sich  nun  um  den  Sinn  der  mythischen  Er- 
zählung. Den  Uebergang  über  den  Strom  richtig  gedeutet  zu 
haben  ist  das  Verdienst  Wilhelm  Grimm's  (Briefw.  mit.  Lachm. 
Zeitschr.  f.  d.  Phil.  2,  193,  343,  515  f.);  der  Strom  bedeutet 
die  Grenze  der  Unterwelt:  ob  hier  die  Donau  oder  der  Lech 
gedacht  ist,  eine  Frage,  deren  Beantwortung  Lachmann  Anm. 
S.  193,  198, .nachdem  1465,  4  ausdrücklich  die  Donau  genannt 
ist,  ein  Interpolator  1531,  1  an  den  Lech  gedacht  hat,  für  un- 
möglich erklärt  hat,  obwohl  sich  wenigstens  der  Grund  des 
Missverständnisses  recht  gut  zeigen  Hess  (Einleitung  in  d.  NL. 
S.  337),  ist  demnach  für  die  Sache  ganz  irrelevant.  Auch  die 
Rolle  Hagen's  als  Psychopomp  1466,  2  und  die  , bleiche'  Schaar 
1530,  2  habe  ich  a.  a.  O.  S.  84  erklärt.  Es  handelt  sich  also 
um  den  Eintritt  in  die  Unterwelt  und  die  hiebei  nothwendige 
Ueberwindung  des  Hüters,  ein  rein  ethischer  Mythus,  die 
höchste  Probe,  die  der  Heros  besteht,  ein  Zug,  der  sich  in 
der  epischen  Poesie  der  verschiedensten  Völker  findet.  Dadurch 
gewinnt  auch,  was  pragmatisiiende  Ausschmückung  scheinen 
könnte,  der  falsche  Name,  den  sich  Hagen  beilegt,  Bedeutung; 
es  ist  möglicherweise  der  Rest  einer  Auffassung,  nach  der  — 
man  denke  des  Gestaltentausches  —  der  Held  die  unterwelt- 
liche Grenze  nicht  in  seiner  wahren  Gestalt  überschreiten 
darf;  nur  weil  er  sich  für  einen  Angehörigen  dieses  Reiches 
ausgibt,  wird  ihm  der  Zugang  eröffnet. 

Nachdem  soweit  Klarheit  herrscht,  ist  über  einen  weite- 
ren und  letzten  Schritt  —  Pilgrim  und  der  Kaplan  bedürfen 
keiner  Erklärung  —  die  Einführung  Elses  und  Gelfrat's  eine 
Hypothese  zulässig. 

Ursprünglich  hat  der  Ferge  mit  diesen  beiden  Helden 
nichts  zu  thun ;  sie  beide,  obwohl  sie  sonst  wie  der  Jarl 
Eisung  des  Nordens  und  das  zeitliche  Vorkommen  der  Namen 
in    Baiern    (Mone    HS.    Seite    21    f.,     verbunden    anno    1140 


662  Muth. 

Müllenhoff  ZE.  XXXV.  TTZ.  12,  414)  beweist,  in  der  Helden- 
sage feststellen,  ebensowenig-  mit  der  Nibelungensage  ins- 
besondere. Man  wird  sie  entweder  für  bairisclie  Stammes- 
dioskuren  zu  halten  haben  wie  die  österreichischen  Astolt  und 
Wolfrat,  oder  wenn  sie  mit  dem  Fergen  in  unlöslicher  Ver- 
bindung stünden,  was  sehr  wenig  wahrscheinlich  ist,  für  ein 
elbisches  oder  riesisches  Brüderpaar  gleich  Schilbung  und 
Nibelung,  (joltwart  und  SeM^art  u.  a.  Es  lässt  sich  aber  die 
Verknüpfung  mit  dem  Fährmann,  der  enger  an  Else  geknüpft 
ist  als  an  Gelfrat  —  sonst  könnte  dieser  in  der  Thidrekssaga 
an  dieser  Stelle  nicht  fehlen  —  auf  rein  äusserlichem  Wege 
erklären. 

Ihm  gegenüber  gibt  sich  Hagen  als  das,  was  er  selbst  ist, 
als  Elsen  man   1492,  4. 

Der  Ferge  erschien  uns  als  ein  Hüter  der  Unterwelt;  sein 
Herr  sollte  demnach  ein  Gebieter  der  Unterwelt  sein. 

Als  einen  der  Bändiger  des  sommerlichen  Helden, 
Beherrscher  eines  winterlichen  Reiches,  kennen  wir  aus  der 
Orendelsage  den  Meister  Ise;  über  diese  Eisensippe  handelt 
ausführlich  Simrock,  Deutsche  Mythol.  §.  110,  2.  2  S.  390; 
hieher  gehören  möchte  auch  Iseu stein  371,  3.  445,  3,  denn 
wenn  man  auch  Brünhild  des  Epos  ganz  gewiss  auf  der  Insel 
Island  localisirt  dachte,  bedeutet  jener  Name  doch  wohl  gleich 
der  Waberlohe,  die  die  schlafende  Walküre  umlodert,  wie  sie 
Simrock,  Uhland  und  Wilhelm  Müller  richtig  gedeutet  haben, 
eine  winterliche  Welt:  die  Doppelhilde  somit  eine  chthonische, 
keine  Himmelsgottheit. 

Der  Ferge  als  Isen  man  hätte  demnach  nichts  Auf- 
fallendes. 

Im  12.  Jahrhunderte  beginnt  die  baierische  Gunirung 
des  i  zu  ei. 

Nib.  D.  1485,  4,  was  wichtiger  ist,  wo  der  Name  zuerst 
erscheint,  A.  1492,  4.  1501,  4  steht  in  der  Handschrift  nicht 
Else,  sondern  eise.  Eisen,  was  österreichisch  für  Ise, 
Isen    eingetreten  wäre.  ' 


*  Oben  ist  auf  Isenstein,  den  Aufenthalt  der  Brüuhild,  hingewiesen;  dass 
die  Burgonden  in  Etzel's  Gebiet  treten  wollen,  dass  es  also  dieses  sein 
könnte,  dessen  Grenze  der  Fährmann  hütet;  dass  somit  wie  an  Stelle 
des    liöchsten    Ilimmelsgottes    aucli    au    die    seines   riesisch -chthonischen 


Ueber  eine  Schichte  älterer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  663 

Gleichzeitig  begannen  die  Fahrenden  ihre  Lieder  aufzu- 
zeichnen und  zu  sammeln ;  i  und  l  des  XII.  Jahrhunderts  sind 
unschwer  verwechselt;  es  kann  einmal  Else  für  Eise,  der 
im  XII.  Jahrhundert,  wie  der  Orendel  beweist,  noch  keines- 
wegs verschollen  war,  verlesen  worden  sein  und  die  An- 
knüpfung des  Donaufergen  an  die  Herren  des  Donaulandes, 
die  bairischen  Brüder  Else  und  Gelfrat  war  vollzogen. 

War  der  Ferge  mit  Else  verknüpft,  trat  an  die  Stelle 
des  Klimax  der  Sage  der  Klimax  der  Warnungen  des  Liedes, 
ward  pragmatisch  an  die  Prophezeiung  der  Meerweiber  die 
Probe  mit  dem  Kaplan  und  nach  ethischen  Grundsätzen  zur 
Rache  für  Elses  Fährmann  der  Baiernkampf  angefügt,  so  war 
dieses  dunkelste  und  schwierigste  aller  Lieder  vollendet. 

Ob  di"ese  Episoden  vor  ihrer  letzten  Vereinigung  Gegen- 
stand der  volksthümlichen  Hofpoesie,  d.  h.  in  Nibelungen- 
liedern dieser  Strophenform,  behandelt  waren,  ist  nicht  zu 
ergründen ;  wenn  irgendwo,  wäre  hier  eine  Contamination 
möglich:  wenn  aber  überhaupt  irgendwo,  so  doch  hier  nicht 
nachweisbar;  so  klar  die  innere  Geschichte  des  Liedes  vor 
uns  liegt,  die  äussere  lässt  sich  nicht  verfolgen. 

8. 

Fortsefzimg  des  XVII.  Liedes,  'Str.  1849 — o7.  M.  Rieger, 
HZ.  11,  206  —  209,  hat  die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass 
die  bezeichneten  Strophen  einem  Ortliebsliede  entnommen  seien, 
das  durch  ein  Eingreifen  Ortliebs,  wie  es  die  Thidrekssaga 
erzählt,  den  Ausbruch  des  Kampfes  motivirte,  während  an 
unserem  Platze  eine  Ueberladung  der  Motive  eintrete.  In  der 
That  schlösse  XVIIb.  mit  1848,  4  besser;  mit  1849,  2,  bei 
Umstellung  der  beiden  ersten  Zeilen,  wie  Rieger  vorschlägt, 
könnte  gut  ein  Lied  begonnen  haben. 


Gegenbildes  Attila  geschoben  erschiene,  wozu  die  Abliängigkeit  der 
Brynhild  von  Atli,  die  dadurcli  mit  einemraale  aufgeklärt  wäre,  stimmen 
würde  —  das  Alles  verweise  ich,  obwohl,  so  wenig  an  der  historischen 
Grundlage  der  Gestalt  Etzel's  zu  zweifeln  ist,  doch  auch  sein  Uebertritt 
in  einige  Mythen  ebenso  feststellt,  in  die  Anmerkung,  weil  das  XIV.  Lied 
keinen  Anhaltspnnct  bietet  und  es  mir  überhaupt  widerstrebt,  Hypothesen 
als  Prämissen  zu  verwenden. 


664  Mnth. 

Formelles  spricht  dafür  und  zwingt  von  dieser  Ansicht, 
nicht  von  der,  dass  wir  aiich  1917  f.  die  Fortsetzung  dieses 
Stückes  besässen,  Notiz  zu  nehmen: 

3mal  sun  :  tuon  1849,  53,  ;  frun  51  (nicht  so  arg  wie 
123,  3,  ersteres  nur  noch  332.  936.  1153);  unterscheidend  von 
XVII  b.  fehlt  der  zweisylbige  Auftact,  wogegen  Elision  in  der 
Cäsur  1849,  2,  der  Versbau  sonst  streng;  entschiedene  Vorliebe 
für  die  Nachsylbe  -lieh  und  das  verstärkende  ge-:  vreislich, 
mortlich  (?),  güetlich,  genaediclicli,  veicUcli;  gewahsen^  gedienen, 
getroiiwen,  gevdhen ;  und  all  das  in  einer  Heptade,  denn  so 
viel  bleibt,  wenn  die  sicher  zugesetzte,  lahme,  bei  der  Ein- 
fügung augebrachte  1857  und  die  entbehrliche,  schwächliche, 
in  unserem  Zusammenhange,  wo  Ortlieb  ein  kleines  Kind  ist, 
erklärbare,  nach  der  Thidrekssaga,  wo  er  handebid  auftritt, 
weshalb  auch  1849,  3  tragen  emendirt  werden  müsste,  unmög- 
liche 1850  wegfallen. 

9. 

A'Ä'.  Lied.  Zwischen  der  Klage  und  einzelnen  Partien  der 
Nibelunge  not  walten  ähnliche  Beziehungen  wie  zur  Thidreks- 
saga; die  Klage  folgt.  Einzelnes  vernachlässigend,  theilweise 
abweichenden,  theilweise  reicheren  Quellen ;  da  sie  aber  auf 
gleichem  Boden,  in  gleichem  Zeitalter,  wenn  auch  etwas  früher 
entstanden,  können  diese  nur  Lieder  unserer  älteren  Schichte 
sein.  Heimat  und  Alter  allein  genügen,  um  vielfache  Ueber- 
einstiramuug  im  Ausdrucke  zu  erklären;  wo  aber  bei  ab- 
weichender Darstellung  plötzlich  eine  über  das  Maass  der 
überaus  häufig  auftretenden  Formel  hinausgehende  Congruenz 
im  Wortlaute  eintritt,  ergibt  sich,  insbesondere  wenn  die  ältere 
Quelle  der  Klage  hiebei  unzweifelhaft  feststeht,  als  kritischer 
Grundsatz,  dass  hier  Text  der  Klage  und  der  Noth  auf  eine 
gemeinsame,  mehr  oder  minder  wörtlich  nachgeahmte  Quelle 
zurückzuführen  sind.  Von  stehenden  epischen  Formeln  und 
allen  naheliegenden  Wendungen  muss  abgesehen  werden;  noch 
weniger  darf  Auseinanderstehendes  zusammengeschoben  werden: 
wenn  Bartsch,  Unters,  über  d.  Nibelungenl.  S.  342  f.  N.  2187,  2 
e  daz  ers  (Hildebrant)  iime  xcnrde  (dass  sich  seine  Recken 
gewaft'net    hatten)     stellt    zu    Kl.    1934    e    ez    her    Dietrich    do 


Uober  eine  Schicbtt)  älterer,  im  Epos  nachwoisbarer  Nibelungenlioder.  660 

hevant  (waren  alle  seine  Mannen  gefallen),  kann  das  natürlich 
nichts  beweisen;  ebensowenig-  wenn  hier  wie  dort  Sig-estap 
herzöge  äzer  Berne  lieisst,  Dietrich  die  Gotelinde  siner  hasen  kiiit 
nennt  oder  wenn  zu  Nib.  2156,  2  do  sluoc  Gernoten  Eiiedeger 
der  degen  durch  heim  vlinsherten  zwei  weit  auseinanderlieg'ende 
Stellen  zusammeng-estoppelt  werden  Kl.  226  daz  er  den  starken 
Gernoten  sluoc  (!)  590  durch  heim  vlinsherten,  ohne  dass  an  letz- 
terer Stelle  von  Rüdeg-er  oder  Geruot  die  Rede  wäre,  welcher 
letztere  in  der  Klage  zu. alledem  in  die  Brust  verwundet  wird. 
Bei  methodischem  Verfahren,  das  dem,  von  welchem  hier  Bei- 
spiele gegeben  wurden,  entgegengesetzt  ist,  wird  man  Congruenz 
nicht  ungewöhnlicher  Ausdrücke  nur  bei  Beziehung  auf  gleiche 
Umstände  oder  dieselbe  Person  zu  beachten  haben.  Sehr  in's 
Gewicht  fallend  ist  auch  die  Vertheilung  der  Parallelstellen: 
aber  es  genügt  nicht,  wie  a.  a.  O.  geschieht,  dieselbe  an  einem 
Orte  zu  verfolgen,  sondern  man  muss  sie  in  beiden  Quellen 
systematisch  anordnen. 

Da  ergibt  sich  denn  die  auffallende  Thatsache,  dass  ein- 
zelne Theile,  so  das  IV.  Lied  der  Klage  1147 — 1214  gar  keine 
Beziehung  zum  Texte  der  Nibelunge  zeigen;  andere  nur  Ver- 
einzeltes, was  beachtenswerth  ist  oder  woraus  Kenntniss  einiger 
Lieder  des  zweiten  Theiles  sich  ergibt.  Da  leicht  zu  zeigen 
ist,  dass  die  Klage,  hinsichtlich  der  letzten  Kämpfe  reicheren 
und  älteren  Quellen  folgend,  unser  XX.  Lied  nicht  kannte, 
fällt    im    I.  Liede  der  Klage    eine    vereinzelte  Anspielung  auf: 

Nib.  2064.  Kl.  256. 

Noch  genasen  gerne  nu  loart  ir  sterben  mit  in  kunt, 

die  fiirsten  und  ir  man,  die  icoiren  gerne   noch  genesen, 

oh  noch  ieman  icolte  des  enmoht  leider  niht  tvesen 

gen  ade  an  in  begdn.  daz  si  langer  leben  solten/ 

desen  künden  st  niht  vinden  die  da  rächen  unde  ivolten 

an  den  von  Hiunelant:  ir  seiher  Übe  vogt  loesen: 

do  rächen  si  ir  sterben  der  enkunde  einer  niht  genesen, 
mit  vil  williger  hant. 

Zahlreich  und  eng  sind  aber  die  Beziehungen  zwischen 
Nib.  XX  und  Kl.  II,  einem  Liede,  das,  da  es  noch  heroisch 
gegenüber  dem  höhschen  Nibelungentexte  den  schwersten 
Kampf  mit  Hagen  den  letzten  sein  lässt,  während  in  Nib.  XX 

Sitzungsber.  d   phiL-hist.  Cl.  LXXXIX.  Bd.  11.  Hft.  45 


666  Mnth. 

aus  Etiquettcrücksichten  der  sonst  so  sehr  zurückg;estaiidene 
Günther  über  Hagen  gestellt  wird  durch  die  Ehre  des  letzten 
Kampfes,  ganz  zweifellos  auf  älterer  Sage  und  Dichtung  fusst. 
Hier  ist  also  der  oben  aufgestellte  Grundsatz,  dass,  wo  unter 
solchen  Umständen  Congrucnz  des  Ausdruckes  obwaltet,  ge- 
meinsame Quelle,  also  Benützung  eines  älteren  Liedes  im 
Nibelungentexte  anzunehmen  ist_,  in  Anwendung  zu  bringen. 
Der  arme  Diefrtch  (Kl.  514,  Nib.  2256)  und  Rüedeger,  vater 
aller  tnrjende  (Kl.  1066,  Nib.  2139)  stammen  demnach  aus  der 
älteren  Dichtung  des  XH.  Jahrhunderts. 

Nib.  2218.  KL  781. 

Ritschart  unde  Gerbart,  Och  sluog  er  Sigehere 

Helpfrtch  unde    Wtkhart,  einen  degen  here 

die  heten  in  manegen  stürmen        und  den  küenen   Wikharten. 
selten  sich  gtspart.  si  beide'  liltzel  si)arten 

in  Sturme  die  hende. 
Die   Stelle  ist   anzuziehen,   weil   eine    doch   nicht   häufige 
Phrase  in  Bezug  auf  dieselbe  Person,  Wichart,  wiederkehrt. 

XIX.  2015,  2.  Kl.  819. 

daz  bluot  allenthalben  daz  hluot  allenthalben  vloz 

durch  diu  löcher  vloz  durch  diu  r igelloch  her  nider. 

und  da  ze  den  rigelsteinen 
von  den  töten  man. 

Gleiche  Situation,  gleicher  —  seltener  —  Ausdruck.  Nicht 
minder  deutlich  ist,  wieder  weil  es  sich  um  dieselbe  Person, 
Rüdeger's  Tochter  handelt,  die  Anspielung: 

Nib.  2125,  4.  Kl.  914. 

die  itcer  schcene  tohter  nu  ist  diu  maget  wol  getan 

weit  ir  verwitwen  ze  fruo.  verwitwet  leider  al  ze  fruo. 

Diese  wenigen  Stellen  Str.  2015  (XIX),  2064,  2125,  2139 
(vielleicht  2157,  Kl.  936,  an  beiden  Stellen  die  Rede  von  Ger- 
not's  Schwerts,  das  aber  in  der  Klage  minder  prägnant,  nur 
als  Küdeger's  gäbe  bezeichnet  wird),  2218,  sind  die  einzigen, 
die  mit  Sicherheit  ihrem  Wortbestande  oder  Ausdrucke  nach 
als  Reste  eines  älteren  Liedes  zu  gelten  haben,  dem  aber  hier 
nur  ein  Gedanke,  eine  Wendung,  ein  Wort,  nie  nachweisbar 
die  ganze  Strophe  entnommen  wurde.  Das  Verhältnis  der  Ana- 
logien innerhalb  der  Klage  selbst,  bestätigt  die  Richtigkeit  der 


üeber  eine  Schichte  älterer,  iiu  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  GG7 

Kritik  der  Klage  durch  Rieger  HZ.  10,  241 — 255,  dessen 
Scheidung  in  fünf  Lieder  die  Gegner,  ohne  auch  nur  einen 
Versuch  der  Widerlegung  —  Berichtigung  lohnt  nicht !  — 
gemacht  zu  haben,  einfach  ignoriren  zu   dürfen  glauben. 


Anhang. 
Das  Liiizer  Bruchstück,  Nib.  Hs.  M. 

Das  Linzer  Fragment  einer  Nibelungenhandschrift  ist 
zwar  zweimal  abgedruckt :  Spaun,  V.  Jahresbericht  über  das 
Mus.  Franc. -Carol.,  Linz  1841,  S.  41 — 59,  und  v.  d.  Hagen's 
Germania  V,  S.  1  f.,  beidemale  jedoch  so  fehlerhaft,  und  es 
sind  in  Folge  dessen  so  zahlreiche  Irrungen  auch  in  den 
neuesten  Variantenapparat  gedrungen,  dass  nicht  nur  eine 
neue  Collation  geboten  war,  sondern  auch  ein  Wiederabdruck, 
den  ich  hiemit  nach  meiner  im  August  1877  genommenen  pa- 
läographisch  treuen  Abschrift  biete,  umsomehr  wünschenswerth 
scheint,  als  die  Handschrift  nicht  ohne  Wichtigkeit  ist.  Das  dem 
Linzer  Abdrucke  beigegebene  Facsimile  ist  vorzüglich  gelungen. 

Es  ist  ein  Blatt  Pergament,  von  einem  Unbekannten  (!) 
aus  Wels  erworben  1837,  vollkommen  wohl  erhalten,  nur  auf 
der  zweiten  Seite  unten  hie  und  da  die  schöne  deutliche  Schrift 
etwas  verblichen ;  dreiseitig  beschnitten,  links  gewaltsam  los- 
gelöst; doppelspaltig  zu  je  3ß  Zeilen;  Verse  abgesetzt,  Stro- 
phen nicht  ausgezeichnet,  jede  zweite  Zeile  mit  einer  grossen 
Initiale  beginnend;  Schriftcharakter:  guter  des  XIII.  Jahr- 
hunderts, vorherrschend  Schluss-s,  kein  doppeltgeschlungenes 
a,  aber  stark  zurückgebogenes  d;  fast  immer  Abbreviatur  ü 
für  gewöhnliches  e  =  en  oder  ne.  Bei  Str.  1332,  1343,  1353 
rothe  Initiale,  bei  1335,  1362  so  unbedeutend  grössere,  dass 
ich  vielleicht  kaum  aufmerksam  geworden  wäre,  fehlte  nicht 
der  Aventürentitel.  '  Durch  den  Abgang  der  Titel  wird  jede 
sichere  Berechnung  unmöglich.  Die  Strophe,  mit  der  das  Blatt 
anhebt,  ist  in  Bartsch  Ausgabe  der  Vulgata  die  1389ste,  nach- 
dem er  drei  (1,  3,  524,  letztere  ganz  willkürlich)  anderen  Texten 
entnimmt,  die  1386ste :  es  gehen  sonach  voraus  1385  =  5540  oder 


*  In  A:    Wit   Werbel  vn  Swemel  die  bolschaft  wrhen. 

45  = 


6G8  Muth. 

(+  1  und  3)  1387  =  5548  Vcrszeilen;  nun  ist  72  X  77  =  5544: 
es  wäre  damit  eine  grosse  Congruenz  erreiclit,  da  die  Differenz 
nur  vier  Zeilen  beträgt  und  eine  der  beiden  Strophen  leicht 
auch  schon  in  der  Vorlage  gefehlt  haben  könnte,  aber,  wie 
gesagt,  der  Abgang  der  Ueberschriften  macht  Alles  schwan- 
kend, und  es  geht  nicht  an,  auf  obiges  Resultat  hin  das  Blatt 
frischweg  für  das  78.  einer  verlorenen  Handschrift  zu  erklären. 
Die  Einrichtung  gleicht  der,  die  ich,  bis  auf  die  nicht 
nachweisbare  Auszeichnung  der  zweiten  Zeilen  für  den  gemein- 
samen Stammcodex  allei',  wahrscheinlich  gemacht  habe  (Zeit- 
schrift f.  d.  Phil.  8,  405);  Uebereinstimmungen  MA>-BC 
(s.  0.)  beweisen,  dass  sie  auf  /,  den  Archetypus  der  Vulgata 
zurückgeht,  ein  Umstand,  der  zu  genauester  Beachtung  heraus- 
fordert und  den  Verlust  der  Handschrift  als  einen  emptindlichen 
erscheinen  lässt. 

M. 

Seite  1,  Spalte  a. 

1329.  Swaz  ie  gvter  tvgnde  an  vrohn  helchn  lac. 
dWleiz  sich  nv  vrowe  .  C  .  dar  nach  vil  mägü  tach. 
Di  sitte  si  lerte  herrat  div  ellnde  meit. 

div  hete  tognlichn  nach  helchn  groziu  leit. 

1330.  Den  vremde  vii  dn  chvdfi  was  si  vil  wol  bechät. 
di  tahte  daz  nie  vrowe  beseze  eines  chvges  lät. 
Bezer  vn  milt*  daz  hete  si  fvr  war. 

daz  lop  si  toch  zen  hivne  vnz  an  drivzehnde  iar. 

1331.  Nv  hete  si  wol  erchvnen  daz  ir  niem  wid'  stvt. 
Also  noch  fvrsten  wibe  chvnge  rechn  tvnt. 

Vn  daz  si  alle  zite  zwelf  chvge  vor  ir  sach. 

si  gedaht  vil  maniger  leide  d^ir  da  heime  geschach. 

1332.  Si  '  gedaht  och  mager  ern  vö  niblvnge  lät. 
d  ^  si  was  gewaltich  vii  di  ir  Hagne  haut. 
Mit  Sivrides  tode  hete  gar  benomen. 

ob  im  daz  noch  im^  vö  ir  ze  leide  mohte  chom. 

1333.  Daz  geschehe  ob  ich  in  mohte  bngen  I  daz  lät. 
ir  triite  daz  ir  gienge  vil  dicche  an  der  hat. 
Giselher  ir  brvder  si  chvstn  zaller  stvnt. 

vil  ofte  in  senftem  slafe  sit  wart  in  arweitn  chvt. 


'  Rothe  Initiale. 


Deber  eine  ScUichte  ältörer,  im  Epos  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  669 

1334.  Ach  wene  tV  vbel  valät .  C  .  daz  geriet.  . 

daz  si  sich  mit  vrivntschefte  vö  GiscUre  schiet. 

Den  si  dvrch  svne  chvste  in  bvrg-on  hit. 

do  begvnd  ir  ab^  selwen  vü  h^zeu  trehene  ir  gewät. 

1335.  Ez  '  big"  ir  an  dem  herzen  spat  vnde  vrv. 
wi  mä  si  ane  schvlde  brete  dar  zv. 

Daz  si  mvse  niinen  eine  heidenischli  man. 
di  not  dl  het  ir  Hagne  vii  Gvnth^  getan. 

1336.  Des  willn  inir  h'zn  chö  si  vil  selten  abe. 

si  gedaht  ich  pin  so  riche  vnde  -  hä  so  groze  habe. 
Daz  ich  mine  vinde  gefvge  noch  el  leit. 
des  wer  ot  ich  vö  troye  Hagne  gerne  bereit. 

1337.  Nach  du  gt\vn  iam^t  dicche  daz  h*ze  ml. 
di  mir  da  leide  täte  moht  ich  bl  den  sin. 
So  wrde  wol  errochen  mines  vriwndes  lip. 
des  ich  chvm  erbite  spch  daz  ezelne  wip. 

Spalte  b.  • 

1338.  Ze  liebe  si  do  hete  alle  schvnges  man. 
di .  C  .  rechn  daz  was  vil  wol  getä. 

Der  cham^e  der  pflach  ekwart  do  vö  er  vrivnt  gewä. 
du  .  C  .  willen  den  chvnde  nieme  vnd''stan. 

1339.  Si  gedahte  zalleu  zite  ich  wil  du  chvnich  bite. 
daz  er  ir  des  gvnde  mit  mit  gvtlichu  siten. 
Daz  mä  ir  vriwilde  brehte  in  d'  hivnen  lät. 
des  argen  wille  nieiTi  and'  chvgine  vät. 

134(J.   Do  si  eines  nahtes  bi  dem  chvge   lach. 

mit  arm  vmbevangeu  het  er  si   als  er  pflach. 
Di  edln  vrowen  trivten  si  was  im  also  sin  lip. 
do  gedaht  ir  vinde  daz  vil  herliche  wip. 

1341.  Si  spch  zv  dem  chvnge  vil  lieber  herre  ml. 

ich  wold  ivch  bitte  g^ne  moht  ez  mit  hvldn  sin. 
Daz  ier  mich  sehen  liezet  ob  ich  daz  het  vsolt. 
ob  ir  den  minen  vriwenden  wet  inUichn  holt. 

1342.  Do  spch  d^  chvnich  riche  getwe  was  sin  mvt. 
ich  bringe  ivch  des  wol  inne  swa  liep  vn  gvt. 
Den  rechn  wid^  fvere  des  mues  ich  vreude  han. 
wand  ich  vö  wibes  mlue  nie  bezer  vriwnde  gewä. 


'  Etwas  grössere  Initiale,  vielleiclit  z-ufällio^. 
-  e- Schlinge  am  d,  hier  und  öfter. 


G70  Mutb. 

1343.  Do  '  spch  div  chvg-inne  iv  ist  daz  wol  geseit. 

ich  han  vil  höh'  niage  dar  vmbe  ist  mir  so  leit. 
Daz  mich  di  so  seltn  rvchnt  hie  gesehen, 
ich  höre  di  mine  livte  niwan  ff'r  ellnde  iehe. 

1344  Do  spch  d'  chvuich  ezle  vil  libiv  vrowe  min. 
dovht  ez  si  niht  ze  verre   so  sand  ich  vber  rin. 
Swelho  ir  da  g^ne  sehet  varn  h'  in  miniv  lät. 

des  vrevte  sich  div  vrowe  da  si  de  willii   sin   ervät. 

1345  Si  spch  weit  ir  mir  twe  leisten  herre  min. 
so  svlt  ir  boten  senden  ze  wormez  vber  rin. 

So  enbivt  ich  mine  vriwenden  des  ich  da  habe  mvt. 
so  chvmbt  vns  her  zelande  vil  manich  edel  ritt^  gvt. 
134G    Er  spch  swenne  ir  gebietet  so  lazet  ez  geschehn. 
ir  enchvndet  iwer  vriwende  so  g'ne  nicht  gesehn. 
Als  ich  si  gesehe  d'edln  vten  chint. 
mit  mvt  daz  harte  sere  daz  si  vns  so  läge  vremde  sint. 

Seite  2,  Spalte  a. 

1347.  Ob  ez  dir  wol  gavalle  vil  liebiv  vrowe  min. 
so  wold  ich  g^ne  senden  nach  de  vriwndn  din. 
Di  mine  videlere  in  bvrgon  lant. 

di  gvten  videlere  hiez  er  bngen  sazehant. 

1348.  Si  ilte  harte  balde  da  der  chvnich  saz. 
bi  der  chvginne  er  sagt  in  beiden  daz. 
Si  soldn  böte  werde  in  bvrgon  lant. 

do  hiez  er  in  bereite  harte  herlich  gewant. 

1349.  Vier  vn  zweinzech  rechn  bereite  mä  div  chleit. 
ovch  wart  in  von  dem  chvnge  div  botschaft  geseit. 
AVi   si  dar  laden  solden  Gvnth^  vn  di  sine  mä. 

.  C  .  div  vrowe  si  svnder  gesprechn  begä. 

1350.  Do  spch  d'  chvnich  riebe  ich  sag  iv  wi  ir  tvt. 
ich  enbivte  mine  vriwnden  den  liep  vil  allez  gvt. 
Daz  si  gervchn  riten  h'  in  miniv  lät. 

ich  han  so  lieber  geste  wenich  noch  bechät. 

1351.  Vn  op  si  mines  wille  iht  wellen  began. 
di  .  C  .  mage  daz  si  des  niht  enhin. 

Sin  chofn  an  disem  svm'e   zv  min'  hohgezit. 
wände  vil  d'  mine  wnne  an   mine  chonemagu  lit. 


'  Rothe  Initiale 


üeber  eine  Schichte  älterer,  im  Eiios  nachweisbarer  Nibelungenlieder.  671 

1352.  Do  spch  d*  videlere  d'  stolze  sweiiimelin. 
wenne  sei  iwer  hohgezit  in  disen  landen  sin. 

Daz  wir  daz  iweren  vriwendn  chvnen  dort  <j:esa<rn. 
do  spch  d'  clivnich  ezle  zon  nehsten  svnweudn  tagn. 

1353.  ^Vir  '  tvun  swaz  ir  gebietet  spcli  do  w^belin. 
inir  chemnate  bat  siv  div  chvnegin. 
Bringen  togeuliehn  daz  si  di  böte  gespch. 

da  vö  vil  mangem  degne  sit  wenich  liebes  geschach. 

1354.  Si  spch  zen  böte  beiden  nv  dienet  michel  gvt. 
daz  ir  inine  willn  vil  gvtlichn  tvt. 

Vn  sagt  swaz  ich  enbiete  heim  in  vns'  lät. 

ich  mach  ivch  gvtes  riebe  vli  gib  iv  h'Iich  gewät. 

1355.  Vn  swaz  ir  miner  vriwende  Im'  mvgt  gesehn, 
ze  wormez  bi  dem  rine  dn  solt  ir  niht  vMehn. 
Daz  ir  noch  nie  gesellet  betrvobet  mine  mvt. 

vn  sagt  mine  dienest  den  beiden  chvon  vnde  gvt. 
Spalte  b. 

1356.  Bittet  daz  si  leistn  daz  Rvdg'es  inbot. 

vnd  mich  da  mite  schiedn  vö  all'  min'  not. 
Di  hivnen  wellnt  wene  daz  ich  ane  vriwüde  si. 
ob  ich  ein  ritt^  were  ich  chome  ettewene  bi. 

1357.  Vn  sagt  ovch  Gernote  dem  edln  brvd'  mi. 
daz  im  zer  werlde  hold*  niem  mvge  sin. 
Bittet  daz  er  mir  bnge  hin  ditze  lant. 

vns'  beste  vriwude  daz  vns  ze  ern  si  gewät. 

1358.  So  sagt  ovch  Giselhe'  daz  er  wol  geduche  dar  an. 
daz  ich  vö  sine  schvldn  nie  leides  niht  gewä. 
Des  sehn  in  vil  g*ue  hie  div  ovge  min. 

ich  het  in  hie  vil  g'ne  dvrch   di  grozn  twe  sin. 

1359.  Saget  ovch  miner  mvter  die  ere  di  ich  hä. 
vn  op  vö  tro  Hagne  welle  dort  bestan. 
Wer  si  däne  solde  wisen  dvrch  div  lät. 

dem  sint  di  wege  von  ehinde  h'zen  hivne  wol  bechät. 

1360.  Di  böte  nine  westen  wa  vö  daz  was  getä, 
daz  si  vö  tro  Hagne  niht  solden  lan. 
Biliben  bi  dem  rine  ez  wart  in  sider  leit. 

mit  im  was  mange  degne  ze  gmme  tode  wid'  sei  - 

'  Rothe  Initiale. 
'^  Beschnitten. 


hl  2  Math.   Ueber  eiuu  Suhiuhte  älterer,  im  Kijos  nachweisbarer  Niljoluiigeuliedor. 

1361.  Brieve  vn  botschaft  was  in  uv  g-eg-ebn. 

si  fvrn  gvtes  richu  vn  mohtn  schone  lebn. 
Vrlop  gab  in  ezle  vn  ovch  sin  schone  wip. 
in   was  vö  g-vter  wete  wol  gezieret  d'  lip. 

1362.  '  Do  *  ezle  zv  dem  rine  sine  botn  sande. 
do  flvgen  disiv  inere  vö  lande  ze  lande. 
Mit  bete  harte  snelln  er  bat  vü  och  gebot 
Zv  sin''  hohgezite  des  holte  mag''  do  de  tot. 

1363.  Di  böte  danne  fvrn  ovzer  hivnen  lät. 

V  -^  den  bvrgö  dar  warn  si  gesant. 
Nach  drin  edln  chvngen  vn  ovch  nach  ir  mä. 
si   soldn  chom  ezle  des  mä  do  gähn  began. 

1364.  Hinze  bechlarn  choiTi  si  gerite. 

do  diente  raä  in  g^ne  daz  enwart  da  niht  v''niitn. 
Rvdger  sine  dienest  nbot  ^  vn  Gotlit. 
bi  in  hinze  rine  vn  och  ir  beider  chint. 


•  Kein  Aventiirentitel,  aber 
2  wie   1335. 
•''  Verblichen. 


VIL  SITZUNG  VOM  27.  FEBRUAR  1878. 


Herr  L,  R.  Landau  in  Budapest  übersendet  mit  Begleit- 
schreiben sein  Werk :  , System  der  gesammten  Ethik.  II.  Band. 
Das  Recht  und  die  Pohtik    und    ihr  gegenseitiges   Verhältniss.' 


Herr  Dr.  Franz  Richter  in  Gloggnitz  übermittelt  ein 
Pantaidingbuch  der  dortigen  Herrschaft  mit  mehreren  Weis- 
thümern  zum  Zwecke  ihrer  Copiatur  für  die  akademische 
Sammlung. 

Herr  Professor  Dr.  V.  Hintnerin  Wien  legt  die  druck- 
fertige Arbeit:  , Beiträge  zur  tirolischen  Dialectforschung.  Der 
Defregger  Dialect'  mit  dem  Ersuchen  um  Bewilligung  eines 
Druckkosteubeitrages  vor. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Ambrosi  Francesco:  La  Valle  di  Tessino.  Borgo,   1878-,   12".    —     Cenni  per 

iiua  Storia  del  progresso  delle  scieuze  natiirali  in  Italia.  Padova,  1877;   12'^'. 
Central-Commission,    k.  k.  statistische:    Statistisches   Jalirbucli    für  das 

.Jahr  1875.  VIII.  Heft.  Wien,   1878;  4".  —  Für  das  Jahr  1876.  XI.  Heft. 

Wien,   1878;  4^. 
Gesellschaft,    k.    k.   geographische,    in   Wien:    Mittheilungen.   Band  XXI. 

fN.  F.  XI)  Nr.   1.  Wien,  1878;  4". 
Istituto    R.    di    studi    snperiori    pratici    e    di    perfezionainento    in    Firenze. 

Sezione    di    Filosofia    e    Filologia.    —    Accademia    Orientale :    Repertorio 

Sinico-giapponese    compilato    dal    Prof.    A.  Severini    e    da   C.  Puini. 

Fascicolo  III.  —   mamoru  —  sentou.  Firenze,   1877 ;  4". 

45** 


674 


Kiel,  Universität:  Schriften  der  Universität  aus  dem  Jahre  miG.  Band  XXIII. 

Landau,  R.  L.:  System  der  gesammten  Ethik.  II.  Band.  Das  Keeht  und  die 
Politik  und  deren  Verhältniss  zur  Moral.  Berlin,   1878;  8". 

Lese-Verein,  akademischer,  an  der  k.  k.  Univer.sität  und  k.  k.  technischen 
üochschule  iu  Graz:  Zehnter  Jahrcsbericlit  im  Verein.tjahre  1877.  Graz;  6'^. 

Mittheilungen  aus  Justus  Pei'thes'  geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 
mann. 24.   Band,   1878.  II.  Gotha;  4". 

,Revue    politique    et    litteraire'    et  , Revue    scientifique    de    la  Frauce    et    de 

TEtranger'.  VII«  Anuee  2«  Serie  Nos.  33  et  34.  Paris,   187»;   4". 
Rostock,    Universität:    Akademische    Schriften    aus    den    Jahren  1875,   1876 

und   1877;  8"  und  4«. 
Zenti,    Ignazio    Pr. :    Elenco   dei  Doni    pervenuti  alla  biblioteca  comunale  di 
Verona  dnl  1864  al   1875.  Verona,   1877;  8". 


SITZUNGSBERICHTE 


DER  KAISERLICHEN 


I 


AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE   CLASSE. 


NEUNZIGSTER    BAND. 


WIEN,  1878. 


IN    COMMISSION   BEI   KARL   GEROLD'S    SOHN 

BUCHHÄNDLER  DUR  KAIS.  AKADKMIE  DKR  WISSENSCHAFTEN. 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN  CLASSE 


DER  KAISERLICHEN 


AKADEMIE   DER  WISSENSCHAFTEN. 


NEUNZIGSTER    BAND. 


JAHRGANG  1878.   —   HEFT   I— IIL 


WIEN,  1878. 

IN    COMMISSION   BEI    KAKL   GEROLD'S   SOHN 

BUCHHÄNDLER  DKK  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTKK. 


Druck  von   Adolf  Holzhausen  in  Wien 
k.  k.  Univcrsitiits-Biiclidnickcrei. 


INHALT. 


Seite 

Till.  Sitzung  vom  13.  M;irz  1878 3 

IX.   Sitzung  vom  -20.  März  1878 7 

Pfizmaier:    Nachtrage  zu  japanischer  Dialektforschung    ...  9 

Reinisch:    Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien  ....  89 

Keller:    Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden  143 

X,  Sitzuag  vom  3.  April  1878 183 

Soll  er  er:    Deutsche  Studien.  III 18.5 

XI.  Sitzung'  vom  10.  April  1878 243 

Miklosich:    Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarten.  IV.  245 
Müller,    D.  H. :    Bericht    über   die  Ergebnisse    einer  zu  wissen- 
schaftlichen Zwecken  mit  Unterstützung  der  k.  Akademie   der 

Wissenschaften  unternommenen  Reise  nach  Constantinopel  .     .  297 

XII.  Sitzung  vom  8.  Mai  1878 345 

Müller  Job. :  Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plinius.  IL  349 

Horawitz:    Erasmiana.  1 387 

XIII.  Sitzung  vom   15.  Mai  1878 458 

Pfizmaier:  Der  Palast  Josi-teru's 461 

XIY.  Sitzung  vom  22.  Mai  1878 ö41 

Hartel:  Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen,  I.  543 

Sauer:  Ueber  den  fünffüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan      .  625 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE   CLASSE. 


XC.  BAND.  I.  HEFT. 


JAHRGANG  1878.  —  MÄRZ. 


Sitzungsber.  d.  pbil.-liist.  Cl.  XC.  Bd.   I    Hft. 


Ausgegeben  am  22.  October   1878. 


VIII.  SITZUNG  VOM  13.  MÄRZ  1878. 


t 


Der  Vice  -  Präsident  gedenkt,  indem  die 
Mitglieder  sich  von  den  Sitzen  erheben,  des 
schmerzlichen  Verlustes,  den  die  kaiserliche 
Akademie  durch  das  am  8.  März  1.  J.  erfolgte 
Ableben  ihres  Ehrenmitgliedes 

Sr.   kaiserlichen   Hoheit   des   durchlauchtigsten 
Herrn  Erzherzogs 

f rill  Otrl 

erlitten  hat. 


1* 


Der  Vice-Präsident  erinnert  weiter  an  den  Verlust,  von 
dem  die  Akademie  durch  den  am  1.  März  d.  J.  erfolgten  Tod 
des  w.  M.  Herrn  Ludwig  Arndts  Kitter  von  Arnesberg  ge- 
troflfen  wurde. 

Die  Mitglieder  geben  ihr  Beileid  durch  Erheben  von  den 
Sitzen  kund. 

Herr  Vincenz  Pro  kl,  Inspector  und  emerit.  Archivar  in 
Eger  übersendet  mit  Begleitschreiben  seine  Abhandlungen : 
jSchloss  Seeberg  im  Egerland'  1870,  ,Waldstein's  letzte  Lebens- 
jahre und  Tod  in  Eger'  1876  und  das  Werk :  ,Eger  und  das 
Egerland' in  zwei  Bänden,  1877,  für  die  akademische  Bibliothek. 


Das  k.  k.  militär  -  geographische  Institut  übermittelt 
die  achte  und  neunte  Lieferung  der  neuen  Specialkarte  von 
Oesterreich, 


Der  Rathsgebietiger  des  Meisterthums  des  hohen  deutschen 
Ordens,  Freiherr  v.  Pettenegg,  theilt  mit,  dass  die  auf  Ansuchen 
der  Weisthümer-Commission  angeordneten  Nachforschungen  nach 
Taidingen  in  den  steirischen  Ordensbesitzungen,  Kommenden  und 
Pfarreien  ohne  Ergebnisse  geblieben  seien. 


Der  Chorherr  und  Professor  der  Theologie  im  Stifte 
St.  Florian,  Herr  Wilhelm  Pailler,  legt  eine  von  ihm  ver- 
anstaltete Sammlung  , oberösterreichischer  (und  tirolischer) 
Weihnachtslieder  und  Krippenspiele'  mit  dem  Ersuchen  um 
Gewährung  eines  Beitrages  zur  Drucklegung  vor. 


Von  Herrn  Professor  Dr.  Leo  Reinisch  in  Wien  wird 
eine  Abhandlung  eingesendet,  welche  den  Titel  führt:  ,Die 
Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien',  und  um  deren  Aufnahme 


in  die  Sitzungsberichte  ersucht  wird. 


Das  w.  M.  Herr  Hofrath  v.  Miklosich  legt  eine  für  die 
Denkschriften  bestimmte  Abhandlung  vor:  ,Ueber  die  Steigerung 
und  Dehnung  der  Vocale  in  den  slavischen  Sprachen'. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Werner  legt  eine  gleich- 
falls für  die  Denkschriften  bestimmte  Abhandlung  vor  unter  dem 
Titel:  , Heinrich  von  Gent  als  Repräsentant  des  christlichen 
Platonismus  im  dreizehnten  Jahrhundert'. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Academie,  royale  des  Sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts  de  Belgique: 
Bulletin.  4G»=  aiinee,  2«  serie,  tome  44.  No.   12.  Bruxelles,   1877;  8". 

Akademie,  k.  b.,  der  Wissenscliafteii  zn  München:  Sitzungsberichte  der 
philosophisch -philologischen  und  historischen  Classe.  1877.  Heft  IV. 
München,  1877;  S«. 

Akademija,  jugoslavenska  znanosti  i  umjetnosti:  Rad.  Knjiga  XLI.  U  Za- 
grebu,   1877;  8'1 

:  Starine.  Knjiga  IX.  U  Zagrebii,   1877;  80. 

—  — :  Monumenta  spectantia   historiam    Slavoruin    meridionalium.     Volumen 
VIII.  Commissiones  et  relationes  venetae.  Tomus  II.  Zagrabiae,  1877 ;  8". 
Ljetopis.  Prva  svezka.   1867  —  1877.  U  Zagrebu,  1877;  kl.  8". 

Bureau,  k.  statistisch-topographisches:  Würtenibergische  Jahrbücher  für 
Statistik  und  Landeskunde.  Jahrgang  1877  ,  IV.  und  V.  Heft.  Stutt- 
gart, 1877.  40.  —  Die  Alterthümer  in  Württemberg  von  Fiuauzrath 
Dr.  E.  V.  Paulus.  Stuttgart,    1877;  4". 

Institut,  k.  k.  militär-geograpliisches :  Vorlage  der  VIII.  und  IX.  Lieferung, 
bestehend  in  49  Blättern  der  neuen  Specialkarte  der  österr. -ungarischen 
Monarchie. 

Körösi,  Joseph:  Statistique  internationale  des  grandes  Villes.  IL  Statistique 
des  Fiuances.   Budapest,   1877;  4". 

Mittheilungen  aus  Justus  Perthes'  geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 
mann: Ergäuznngsheft  Nr  53.  Gotha,  1878;  4".  —  24.  Band  1878.  III. 
Gotha,   1878;  4". 

Prökl,  Vincenz:  Schloss  Seeberg  im  Egerlande ,  seine  Geschichte.,  seine 
Geschlechter,  seine  Kirche.  Eger,  187Ü;  12".  —  Waldstein,  Herzogs  von 
Friedland  letzte  Lebensjahre  und  Tod  in  Eger.  Eger,  1876 ;  8".  —  Eger 
und  (bs  Egerland.   I.  und    H.   Band.   Falkciiau.   1877;  8". 


,Revue  politique  et  litteraiie'  et  ,Revue  scientitique  de  la  France  et  de 
l'Etranger':  VII«  Annee,  2<=  Serie,  Nos.  35  und  36.  Paris,  1878;  40. 

Society,  the  Royal  of  London:  Philosophical  Transactions  for  the  year  1876. 
Vol.  166.  —  Part  II.  London,  1877;  gr.  4«.  -  1877.  Vol.  167.  — 
Part  I.  London,  1877;  gr.  4".  Catalogue  of  scientific  Papers.  1864—1873. 
Vol.  VII.  London,  1877;  gr.  4". 

Verein  für  Geschichte  der  Mark  Brandenburg:  Märkische  Forschungen. 
XIV.  Band.  Berlin,  1878;  8", 

Würzburg,  Universität:  Akademische  Schriften  aus  den  Jahren  1876/77. 
151  Stücke;  4»  und  8». 


IX.  SITZUNG  VOM  20.  MÄRZ  1878. 


Von  dem  c.  M.  Herrn  Professor  Dr.  von  Inama- Stern  egg 
in  Innsbruck  wird  sein  Werk:  ,Die  Ausbildung  der  grossen 
Grundherrschaften  in  Deutschland  während  der  Karolingerzeit', 
und  von  Herrn  Canonicus  Anton  Frind  in  Prag  der  vierte 
Band  seiner  , Kirchengeschichte  Böhmens'  mit  Begleitschreiben 
der  Akademie  eingesendet. 


Die  Direction  des  k.  würtembergischen  Haus-  und  Staats- 
archives  spricht  den  Dank  aus  für  die  Ueberlassung  akademi- 
scher Publicationen. 

Das  w.  M.  Herr  Dr.  Pfizmaier  legt  eine  für  die  Sitzungs- 
berichte bestimmte  Abhandlung:  , Nachträge  zu  japanischer 
Dialectforschung'  vor. 

Von  Herrn  Dr.  Julius  Grossmann,  k.  Hausarchivar  in 
Berlin  wird  eine  Abhandlung:  , Raimund  Montecuccoli;  eine 
Rechtfertigung'  mit  dem  Ersuchen  eingesendet,  dieselbe  in 
den  akademischen  Schriften  zu  veröffentlichen. 


Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Freiherr  von  Sacken 
legt  die  von  Herrn  Canonicus  Dr.  Kerschbaumer  mitgetheilte 
ungedruckte  ,Correspondenz  zwischen  Cardinal  Kiesel  und  seinem 
Official  zu  Wr.-Neustadt  M.  Gaissler'  mit  dem  Ersuchen  ihrer 
Veröffentlichung  in  den  akademischen  Schriften,  vor. 


Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Dr.  Sehen  kl  überreicht 
eine  Abhandlung  des  Herrn  Professor  Dr.  Otto  Keller  in  Graz, 
welche  den  Titel  führt:  , Kritische  Beiträge  zum  vierten  Buche 
der  horazischen  Oden',  und  um  deren  Aufnahme  in  die  Sitzungs- 
berichte ersucht  wird. 


8 

Herr  Dr.  David  Heinrich  Müller,  Privatdocent  an  der 
Wiener  Universität,  legt  den  , Bericht  über  die  Ergebnisse  einer 
zu  wissenschaftlichen  Zwecken  mit  Unterstützung  der  kais.  Aka- 
demie der  Wissenschaften  unternommenen  Reise  nach  Constanti- 
nopel'   vor. 

An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Acad6mie  des  Sciences,  Belles-Lettres  et  Arts  de  Lyon.  Classe  des  Sciences. 

Tomes  XXI.  et  XXII.  Paris,  Lyon,    1875— 187G  et  1876—1877;  4». 

Classe  des  Lettres.  Tome  XVIL  Paris,  Lyon,  1876-1877;  4". 

Akademie    der  Wissenschaften,    k.    b.,    zu   München:    Sitzungsberichte    der 

philosophisch -philologischen    und    historischen    Classe.     1877.    Heft    III. 

München,  1877;  8". 

—  —  königl.  Schwedische:  Öfversigt  af  —  —  Förhandlingar.  34.  Jahrgang, 
Nr.  5  und  6,  und  Nr.  7  und  8.  Stockholm,   1877;  8«. 

Frind,  Anton:  Die  Kirchengeschichte  Böhmens  in  der  Adrainistratorenzeit. 
Prag,  1878;  8». 

Inama- Sternegg,  Dr.  Karl  Theodor  von:  Die  Ausbildung  der  grossen  Grund- 
herrschaften in  Deutscliland  während  der  Karolingerzeit.  Leipzig,  1878;  8". 

Museum,  germanisches  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit:  Anzeiger.  1877. 
Nr.  1  — 12  und  XXIII.  Jahresbericht  des  germanischen  Nationalmuseums. 
Nürnberg;  4". 

RäjendrahUa  Mitra,  LL.  D. :  Notices  of  Sanskrit  M.  SS.  for  the  year 
1876.  Calcutta,  1877;  8». 

—  — :  A  descriptive   Catalogue   of  Sanskrit   M.  SS.    in    the   Library    of  the 
Asiatic   Society   of  Bengal.    Part  first.    —    Grammar.  Calcutta,  1877;  8". 

,Revue    politique    et   litteraire'    et    , Revue   scientifique    de   la   France    et    de 

l'Etranger'.    VII«  Annee.  2«  Serie.  No.  37.     Paris,  1878;  4". 
Society,   the   Asiatic   of  Bengal:    Bibliotheca   Indica.    New    Series    No.   376. 

Vol.  V.  Fasciculus  I.  Calcutta,  1877;  8».'  Vol.  II.  Fasciculus  X.  Calcutta, 

1877;  8".  N.  S.  No.  378,  Fasciculus  XXI.  Part  II,  No.  6.  Calcutta,  1877; 

40.  N,  S.  No.  379  et  380.  Vol.  IL  Fasciculus  II.  Calcutta  1877;  4«.  N.  S. 

381.  Vol.   II.   Fasciculus   XL  Calcutta,    1877;  8".   N.  S.  No.  382.  Vol.  V. 

Fasciculus  II.  Calcutta,  1877 ;  8".  N.  S.  No.  383.  Fasciculus  VII.  Calcutta, 

1877;  80.  N.  S.  No.  .386.  Vol.  IL  Fasciculus  XII.  Calcutta,  1877;  8". 
Journal.    New    Series   Vol.   XLV.   No.   CCVII. :    Index,    Title-page,    to 

Vol.  XLV,   I'art   IL   1876.    Calcutta,    1877;    8".     Vol.  XLVI.    No.  CCX. 

Part  II,  No.  II,   1877.  Calcutta,   1877;  8«. 

Proceedings.  No.  VI.  June,  1877.  Calcutta,   1877;  8». 

Tübingen,  Univer.sität:  Universitäta- Schriften.  23  Stück  aus  dem  Jahre  1876. 
Verein  für  Hamliurgische  Geschichte:  Mittheilungen.  Nr.  4,  ü  und  6,  Januar, 

Februar  und  März  1878;   8». 


Pfizmaier.    Nachträge  zu  japanischer  Dialectforscliung.  9 


Nachträge  zu  japanischer  DialectforschuDg. 

Von 

Dr.  A.  Pfizmaier, 

wirkl.  Mitglied  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften. 


In  der  vorliegenden  Arbeit  werden  als  Ergänzung  zu  der 
Abhandlung  des  Verfassers :  , lieber  japanische  Dialecte^,  zum 
Theil  auch  zu  der  Abhandlung :  ,Japanische  Etymologien' 
weitere  dialectische  Verschiedenheiten  der  japanischen  Sprache, 
vorläufig  in  einem  dem  gewöhnlichen  Ausmaasse  akademischer 
Schriften  entsprechenden  Umfange,  verzeichnet  und  erklärt. 
Diese  Verschiedenheiten  finden  sich  in  den  Mundarten  einzelner 
Gegenden,  vorzüglich  aber  in  den  Denkmälern  der  alten  Sprache, 
und  ist  des  zu  Erforschenden  noch  so  viel,  dass  das  hier  Gre- 
lieferte  nur  in  die  ersten  Buchstaben  des  zur  Anordnung 
benützten  Sanscritalphabets  eingereiht  wurde. 

Es  braucht  wohl  kaum  erwähnt  zu  werden,  dass  die  in 
dieser  Abhandlung  vorgeführten  Gegenstände  in  keinem  euro- 
päischen Wörterbuche,  selbst  nicht,  vielleicht  mit  wenigen 
Ausnahmen,  in  demjenigen  des  tief  betrauerten ,  für  gründ- 
liche japanische  Sprachwissenschaft  unersetzlichen  Professors 
J.  J.  Hoffmanu,  welches  das  einzige  für  das  Verständniss 
der  Literaturwerke  brauchbare  zu  werden  verspricht  und  von 
welchem  der  erste  Buchstabe  des  Sanscritalphabets  in  diesem 
Jahre  erscheinen  soll,  enthalten  sind. 


A  ist  in  dem  Man-jeo-siü  und  einigen  anderen  alten  Werken 
ein  im  Anfange  des  Satzes  vorkommendes  Ausrufungswort,  für 
welches  gegenwärtig   y   ■>     (a-a)  gebraucht  wird. 

In   a-nare,    a-be-kere    und  anderen  Wörtern  ist  a  die  Ab 
kürzung  von   ^^  (am)  ,haben'. 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.   Bd.  I.  Hft.  '  2 


10  Pfizmaier. 

Ferner  ist  A  ein  Wort  der  Bejahung.  In  dem  ^  Jii^\  ^^ 
(kin-fisseo)  antwortet  ein  Weib  des  Palastes,  welches  das  kaiser- 
liche Handwasser  (mi-te-u-dzu)  darreichen  soll,  mit  a  ,ja'. 

Das  in  manchen  chinesischen  Ausdrücken,  wie  in  ^  0||j 
a-si  , Lehrer'  jjpj"  -^  a-mo,  Mutter'  ^  ^  a-kib  , älterer  Bruder* 
u.  s.  w.  gebrauchte  ^  a  wird  für  ein  im  Anfange  gesetztes 
Ausrufungswort  gehalten. 

Das  Nippon-ki  gebraucht  ^(-  n  statt  des  entlehnten 
Zeichens   |$p|[  a. 

A-a  (y   ^  ^  bezeichnet  auch  den  Ton  des  Lachens. 

In  dem  Gen-zi-mono-gatari  halten  schwerhörige  alte  Leute 
das  Ohr  seitwärts  und  sagen  a-a.  Ausserdem  bezeichnet  a-a 
noch  das  Weinen  kleiner  Kinder. 

ji^  Ai  ist  ein  Wort  der  Bejahung.  Es  wird  als  solches 
in  den,  in  den  Denkwürdigkeiten  von  Wei  enthaltenen  Ueber- 
lieferungen  von  den  Japanern  verzeichnet.  In  den  Reichen 
innerhalb  der  Königsgränze  sagt  man  dafür  )\  -^  (fai?  hai).  Die 
Laute  a  und  fa,  gehen  in  einander  über. 

Aioo  (  y  ^  )  wird  als  Lesung  von  ?fe  fngao)  ,ManteP  ge- 
funden. Man  glaubt,  es  könne  die  Umweudung  des  chinesischen 
Lautes  sein.  Das  Wa-mei-seo  hat  aico-si,  welches  den  Sinn 
von  ^^  ^  fngao-tse)  hat.  Auf  ähnliche  Weise  habe  ^  ^M 
awo-me  , grüne  Pflaume'  den  chinesischen  Laut  a-ii-me.  In  dem 
Zi-no  kagarai  hat  ^M  (ngao)  die  Lesung  furu-goromo  , altes 
Kleid'. 

In  dem  Makura-s6-zi  wird  eine  Art  Regenmantel  (^  mino) 
mit  dem  Namen  aioo  benannt.  Man  glaubt,  das  Wort  könne 
von  dem  in  dem  Kami-jo-bumi  enthaltenen  ^  ^  ^  awo- 
kusa-dzvha  , Büschel  der  grünen  Pflanze'  abgeleitet  sein.  In 
dem  Auflesen  des  Hinterlassenen  von  U-dzi  flndet  sich  ein 
Gegenstand  Namens  mco-kinn-no  aioo  ,der  ]\Iantel  des  Salz- 
kleides', über  welchen  keine  Erklärung  gegeben  wird. 

In  dem  Wa-mei-seo  ist  ßfj  ^  (a-wo)  ein  Bezirk  des 
Reiches   Waka-sa. 

Aico-ni.  Man  sagt,  dass  dieses  Wort  die  saftgrüne  Farbe 
des  Schachtelhalms  (to-kusa  moje-gi-iro)  und  Aehnliches  be- 
zeichnen könne.  Die  Grundbedeutung  ist  ,grünner  Mennig'. 
In  dem  Gen-zi-mono-gatari  findet  sich  awo-ni-ni  janagi-no  kazami 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschang.  11 

,ein  Weldenbemd  in  grünem  Mennig'.  In  dem  Utsu-bo-mono- 
gatari  heisst  es:  kasu-ga-matsuri-no  simo-dzukaje-wa  awo-ni-ni 
janagi-kasane  ki-tari  ,die  Diener  des  Opfers  von  Kasu-ga  waren 
in  gefütterte  Kleider  der  Weiden  in  grünem  Mennig  gekleidet'. 
Man  gibt  die  Lesung  awo-ni  auch  den  Zeichen  ^^  ^  (zb-tan) 
, vermischter  Mennig'. 

Aivo-ma  , grünes  Pferd'  wird  ^  ]^  (faku-ha)  , weisses 
Pferd'  geschrieben  und  für  weisses  Pferd  auch  verstanden.  Es 
wird  gesagt:  Wenn  eine  Sache  überaus  weiss  ist,  muss  man 
einen  Zusatz  von  Grün  hinzugeben  (ojoso  mono  itatte  siroki-wa 
kanarazu  aivoki  iro-ai-ivo  kanuru  mono  nari). 

Aioo-nihi  ,grün  stumpf  wird  von  der  Farbe  der  Kleider 
gesagt.  Es  ist  eine  Mischung  von  Blau  und  Grün,  eine  Farbe, 
welche  von  den  Nonnen  verwendet  wird. 

Awo-ni-josi,  in  dem  Man-jeo-siü  durch  ^  ^  ^  ,glück- 
hch  das  Grün'  ausgedrückt,  ist  ein  Polsterwort  für  die  Haupt- 
stadt Nara.  In  dem  i^  pb  ^^^  Sode-naka-seo  heisst  es: 
Man  sagt,  dass  es  ehemals  auf  der  Bergtreppe  von  Nara  grüne 
Erde  gab  und  dass  die  Maler  sie  als  Mennig-grün  {^^  W  tan-sei) 
gebrauchten.  Indessen  sagt  man,  dass  dasjenige,  was  man  im 
gemeinen  Leben  iioa-roku-seo  , Felsengrünspann'  nennt,  das  in 
den  Pflanzenbüchern  vorkommende  ^  ^  seki-roku  , Stein- 
grün' sein  könne.  Da  man  auch  ^  ^  ^  awo-ni-josi  , glück- 
lich der  grüne  Mennig'  und  ^  ^  ^  awo-ni-josi  ,glücklich 
der  lasurblaue  Mennig'  schreibt,  so  habe  ni  den  Sinn  von 
^  ni  ,]\Iennig'.  -j-;.  (tsutsi)  ,Erde'  habe  auch  die  Lesung 
fani  (abgekürzt  ni).  Wenn  man  sich  an  diese  Bedeutung  hält, 
so  könne  es  ein  Wort  sein,  in  welchem  der  Sinn  von  -^  J^ 
(aiüo-nij-ivo  ^  (nara)  su  ,die  grüne  Erde  ebnen'  fortgesetzt 
wird.  Das  si  in  josi  ist  ein  Hilfswort,  welches  dem  Ausrufungs- 
worte jo  angehängt  wui'de. 

Aico-zuri-no  kinu  ,ein  Kleid  von  grüner  Reibung'  ist  ein 
mit  dem  Bergindigo  (jama-aij  geriebenes  Kleid,  dessen  man 
sich  an  dem  Tage  der  kleinen  Vermeidung  (^yj>  ^  wo-mi) 
bedient.  Man  findet  auch  awo-zuri-no  kara-koromo  ,ein  chine- 
sisches Kleid  von  grüner  Reibung',  aico-zuri-no  kami  , Papier 
von  grüner  Reibung'  und  }^M  (rbj-zuri-no  kara-kami  ,mit  Wachs 
geriebenes  chinesisches  Papier'. 


o* 


12  Pfizmaier. 

Aka  bedeutet  nebst  .Schmutz'  das  in  das  Schiff  dringende 
Wasser.  Es  wird  bemerkt,  dass  aka  in  der  Sprache  von  Jezo 
die  Bedeutung  , Wasser'  hat.  Das  Ainowort  für  , Wasser'  ist 
jedoch  wakka  ( y     ^     yf;  ). 

ßM  ^^  A-ka,  ein  Sanscritwort,  bedeutet  den  aus  ver- 
schiedenen wohh'iechenden  Stoffen  gesottenen  Saft,  welcher 
Buddha  dargereicht  wird.  Es  ist  auch  eine  allgemeine  Be- 
nennung   der  mit   wohlriechendem  Wasser   gefüllten  Schüsseln. 

Aka-no  fana  ,rothe  Blume'  ist  ein  Geschenk  von  Blumen 
der  Jahreszeit. 

In  aka-no  Yj^  A  (ta-nin)  , bloss  ein  anderer  Mensch'  und 
ähnlichen  Ausdrücken  des  gemeinen  Lebens  hat  aka  die  Be- 
deutung ^k  (aka)  , nackt'  und  bezeichnet  das  Leere  und 
Erschöpfte. 

In  dem  Ausdrucke  des  Man-jeö-siü:  akaru  tatsi-hana  ,die 
sich  röthende  Pomeranze'  hat  akam  die  Bedeutung  akakn  naru 
,roth  werden'.  Die  Rückkehr  von  ku  na  ist  ka.  Von  den  zwei 
ka  in  akakaru,  welches  hieraus  entstehen  sollte,  ist  eines  weg- 
gelassen worden. 

Agare.  In  dem  Nippon-ki  hat  »^  "(^  ,sich  zerstreuen 
und  entfliehen'  die  Lesung-  agare-nigu.  Es  ist  so  viel  als 
arakerm^  die  Lesung  von  "^r  ^  ,sich  zerstreuen  und  ver- 
schwinden'. Man  findet  auch  fito-hito  agariiru  keivai  ,die  Art, 
wie  die  Menschen  sich  zerstreuen'. 

In  dem  Gen-zi-mono-gatari  findet  sicli  akasi-no  mi-agare- 
no  mi-fsu  ,drei  hohe  Zerstreuungen  des  Gebietes  Akasi'.  Agare 
ist  an  dieser  Stelle  ein  Wort  für  Zählungen  von  Wagen,  und 
man  sagt,  dass  es  die  Bedeutung  von  nkare  ,fliessen'  habe. 
Bei  den  Landleuten  bedeutet  agari:  die  Sprossen  (sa-naje) 
gänzlich  gepflanzt  haben.  Den  Kindern,  welche  sclireiben 
lernen,  das  Musterbuch  (^  ^  zi-kiaku-7io  moto)  wegnehmen, 
nennt  man  aqaru.  Beides  hat  die  Bedeutung-  agare  ,sich  zer- 
streuen'. Auf  ähnliche  Weise  sagen  die  Menschen  von  Tötömi 
in  Bezug  auf  einen  Todten :  mi-ka-no  agari-su  ,er  ist  durch 
drei  Tage  aufgebalirt'. 

Agakii,  mit  den  Füssen  scharren.  Von  Kindern,  welche 
eigensinnig  sind,  sagt  man   im  gemeinen  Leben  ebenfalls  agakii. 

Agaru  .sich  ei-heben'  liat  bei  den  Bewohnern  von  1-se  die 
Bedeutung    , heiteres    Wetter'    (ten-ki-no    akeru).     Es    hat    den 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  lö 

Sinn :  kuino-no  agnru  ^die  Wolken  erheben  siöh'.  Auf  ähnliche 
Weise  steht  ^  ^^  un-tei  ,die  Wolken  neig-en  sich  zu  Boden' 
für  Regen. 

Agata  ,District'  steht  mit  icakatm  ,vertheilen'  in  Ver- 
bindung. In  dem  Wa-mei-seo  findet  sich  gata-gata  ^mehrere 
Districte',    mura-gafa    ,alle  Districte',  jama-gata   ^Bergdistrict^ 

Das  in  Erzählungen  vorkommende  agata-mi-ni  juku  , fort- 
wandeln, um  den  District  zu  sehen'  bedeutet:  auf  das  Land 
gehen.  Auch  in  dem  Man-jeo-siü  heisst  es:  awami-agata-no  \ 
mono-gatari-sen  ,von  dem  Districte  Awami     werde  ich  erzählen. 

Agatsi-ta  ,vertheilte  Felder'  ist  in  den  Verordnungen  aus- 
führlich zu  sehen.  Man  sag-t,  die  Lesung  i^  agata  , District' 
sei  die  Abkürzung-  dieses  Wortes. 

Agamu,  hochschätzen,  verehren.  Im  gemeinen  Leben  sagt 
man  agameru.  Man  findet  auch  agamajern.  Das  Wort  steht 
mit   Jr    (agaru)  ,sich  erheben'  in  Verbindung. 

Akafu  ist  so  viel  als  das  gegenwärtig-  übliche  agavh 
, vergüten'.     Man  findet  es  auch  in  der  Form  akamete. 

Durch  aka-fu  wird  der  in  dem  Reiche  Satsu-ma  angebaute 
Baum  j^  ywtg  '  bezeichnet.  Man  sagt,  es  sei  ein  Baum,  der 
mit  dem  Baume  der  nachgiebigen  Blätter  (judzuri-fa)  Aehn- 
lichkeit  hat.  Den  Schwamm  dieses  Baumes,  der  von  g-uter 
Eigenschaft  sein  soll,  nennt  man  aka-fu-naha. 

Aka-mono  hat  den  Sinn  von  akafu  mono  , vergütende  Sache', 
durch  welche  das  Unrecht  gut  gemacht  wird.  In  der  Sammlung 
Ko-sivi-i  findet  sich  der  Ausdruck  mi-aka-mono-no  nahe  ,der 
Topf  der  hohen  Vergütung'.  Zur  Zeit  der  Bannung  verdeckt 
der  Verbannende  (nagasn  mono)  ein  irdenes  Gefäss,  legt  eine 
Thonpuppe  (fina)  hinein,  spannt  ein  Papier  darüber  und  reicht 
dieses  Gefäss  von  Seite  der  ausübenden  Obrigkeit  dar. 

An  akiraka  ,off'enbar'  sich  anschliessende  Formen  sind 
akirake-si  und  akarahe,  letzteres  statt  akirameru. 

Agitofu  soll  den  Sinn  von  agito-ico  furu  ,die  Kiemen 
bewegen'  haben.  Es  ist  die  Lesung  von  ( jH  +  mi^)  P^  >der 
Mund  der  Fische  wird  auf  der  Oberfläche  des  Wassers  sichtbar', 

'^^    , seitwärts  geneigt  schwimmen'  und  auch  von    ^    "^ 


'  Dieser  Baum  ist  in  den  Ergänzungen  zu  der  Abhandlung  von  den  Bäumen 
China's  S.   17  (157)  ausführlich  beschrieben. 


14  Pfizmaier. 

,zu  Worte  kommend  Es  bezeichnet  auch,  dass  die  Fische  auf 
der  Oberfläche  des  Wassers  schwimmen  und  den  Mund  öffnen, 
als  ob  sie  sprächen.  Es  ist  dasselbe,  wovon  es  in  dem  Tage- 
buche der  Libelle  heisst:  te-wo  kaM  omote-ico  furi  so-ko-ra-no 
ßto-no  agitofu  jo-ni  snre-ba  ,sie  kratzen  die  Hände,  bewegen 
das  Angesicht,  als  ob  die  Menschen  dort  sprächen'. 

Aku  bedeutet  ,satt'  und  , Lauget  Man  glaubt,  dass  das 
im  gemeinen  Leben  übliche  Wort  akudoki  , ekelhaft'  von  diesem 
Worte  abgeleitet  ist. 

Äkuta-fn  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von  ^^  i^ 
,Misthaufen'.  Fu  hat  die  Bedeutung  ^  fu  , wachsen  entstehend 
Hiermit  wird  das  im  gemeinen  Leben  übliche  akutai  I  y  // 
^  ll }  jgemein,  hässlich'  in  Verbindung  gebracht.  Es  wird 
als  zweifelhaft  hingestellt,  ob  dieses  Wort  von  dem  obigen 
akuta-fu  abgeleitet  oder  ob  es  das  Koje  von  ^  ^  (aku-tai) 
, schlechtes  Benehmen'  ist.    Man  findet  es  in  dem  Ko-zi-ki. 

Akugaruru  lautet  auch  akogarnru.  Es  hat  denselben  Sinn 
von  ukaruni,  umherschweifen.  Die  Rückkehr  von  a  ku  ist  u. 
Man  erklärt  es  durch  atsi-kotsi  jaku  ,hier  und  dort  wandeln'. 
Der  Sinn  ist  iikare-samajo  ,unstät  umherirren'.  Man  sagt  ferner, 
es  habe  die  Bedeutung  aki-kogaruru  ,im  Herbst  versengt  sein'. 

Statt  ake-gure  , Morgendämmerung'  sagt  man  auch  ake- 
jami  ,Finsterniss  des  Tagesanbruchs'. 

A-ko  und  a-go  ist  die  Lesung  von  ^  -^  und  jjpj"  63 
,Kind'.  Bei  der  letzteren  Schreibart  wird  jjpj"  a  für  eine  schöne 
Benennung  gehalten.  Es  kommt  auch  als  Jugendname  vor. 
Man  findet  auch  a-go-ze. 

Ako-me  bedeutet  ein  gemeines  Weib  (ijasi-ki  wonna).  Man 
glaubt,  das  Wort  könne  das  obige  a-ko  mit  angehängtem  nie 
,Weib'  sein. 

Als  Lesung  von  ^  ist  ako-me  in  Japan  das  Unterhemd 
der  Knaben  und  Mädchen.  Man  sagt  auch  ako-me-ginu  und 
glaubt,  diesem  die  Bedeutung  , Kleid  der  gemeinen  Weiber' 
(ako-me)  geben  zu  können.  Ferner  wird  ako-me  von  dem  Fächer 
(hgi)  und  von  Eingemachtem  i^M  kan)  gesagt. 

Akoje  bedeutet  die  Sporen  des  Hahnes.  Man  erklärt  es 
durch  y^  yj>  ^  a-ko-je  ,kleiner  Ast  des  Fusses'.  Gegen- 
wärtig sagt  man  kedzume. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  lO 

Asura  sagt  man  in  der  Mundart  von  Bun-go  für  asa  ,der 
Morgend 

Für  asaru  , Speise  suchen'  sagt  man  im  gemeinen  Leben 
aseri-sagasti. 

Azafe  ist  in  dem  Kami-jo-bumi  die  Lesung  von  |^  , auf- 
häufend Es  hat  den  Sinn  von  mazije-takuiooru  ^vermengt  auf- 
häufen'. Im  gemeinen  Leben  wird  für  mazeru  , vermengen'  auch 
azeru  gesagt. 

Für  azajaka  ,hell,  deutlich'  findet  sich  auch  azajagu, 
azajaka-saru  und  azarakesi. 

Asa-hiraki,  welches  in  dem  Man-jeo-siü  als  Lesung  von 
$H  §^  ,Tagesanbruch'  vorkommt,  wird  als  eine  Wortum- 
wendung  von  asa-horake  gehalten.  Dagegen  wird  eingewendet, 
dass  in  dem  Man-jeo-siü  dieses  Wort  immer  nur  von  Schiffen 
gesagt  wird,  wesshalb  es  eine  andere  Bedeutung  habe.  Die 
wörtliche  Bedeutung  ist:  Eröffnung  des  Morgens. 

Asi-hiki  ,fussziehend',  durch  verschiedene  Zeichen  aus- 
gedrückt, ist  ein  Polsterwort  für  Berg.  Es  heisst,  man  sage 
so,  weil  man  bei  dem  Einherwandeln  in  dem  Gebirge  die  Füsse 
zieht.  Andere  sagen,  es  bezeichne,  dass  der  Fuss  des  Berges 
abschüssig  ist  und  weit  sich  hinzieht.  In  späterer  Zeit  be- 
deutet asi-hiki  ,fussziehend'  geradezu  den  Berg. 

Asi-tsuno,  ^  geschrieben,  bedeutet  ,Schilfhorn'  und  ist 
so  viel  als  asi-kai  ,Schilf knospe'.  Man  sagt  gegenwärtig 
von  dem  Schilfrohr:  tsuno-gumu  ,Hörner  schöpfen',  d.  i.  an- 
setzen. 

Asi-kabi  ,  Schilf  knospe'  steht  für  asi-kaß  (asi-kai).  ^ 
Kaß^  in  diesem  Worte  durch  ^  ausgedrückt,  bedeutet  ,Knospe'. 
Weil  in  dem  Ko-zi-ki  für  die  letzte  Sylbe  das  Zeichen  ^^-  hi 
gebraucht  wird  muss  ß  trüb  (bi)  gelesen  werden. 

Asi-tsutsu  , Schilfröhre'  ist  die  in  den  Gelenken  des  Schilf- 
rohrs befindliche,  dem  dünnen  Papiere  ähnliche  Haut  (asi-no 
jo-no  utsi-ni  usu-jo-no  gotoki  kaiva). 

Asi-tadzu  , Schilfkranich'  ist  in  dem  Wa-mei-seö  so  viel 
als  das  einfache  tadzu  ,Kranich',  auf  ähnliche  Weise,  wie  in 
dem  Nippon-ki  das  Wort  kawa-kari  , Flussgans'  vorkommt. 

Ad-no  ke  ,Fusskrankheit'  wird  durch  J^  ^  ,Luft  der 
Füsse'  ausgedrückt.    Als  Koje  dieser  Zeichen  wird  auch  kakke 


16  Pfizmaier. 

gebraucht,  ebenso  kaku-hih  als  Koje  von  ^  ^  , Krankheit 
der  Füsse'. 

Dem  Worte  asi-naje  ,lahm  in  den  Füssen'  wird  auch  die 
Silbe  gxi  ang-ehängt.  In  den  Zi-no  kagami  findet  sich  asi-naje- 
gu  uvia  , Iah  nies  Pferd'  und    asi-naje-game    , lahme    Schildkröte'. 

Asi-ura,  in  dem  Man-jeo-siü  durch  J^  ^  ausgedrückt, 
hat  die  Bedeutung:  aus  den  Füssen  wahrsagen  (asi-mote  uranb). 
Man  liest  auch  asi-ra.     Asi-no  ura  ist  die  Fusssohle. 

Asi-no  fo  icata  , Baumwolle  der  Schilfähren'  bezeichnet, 
dass  man  Kleider  mit  Aehren  des  Schilfrohrs  füttert. 

Asohasu  ,belieben',  ein  Wort,  durch  welches  bezeichnet 
wird,  dass  ein  vornehmer  Mensch  etwas  thut,  ist  die  Zusammen- 
ziehung vou  asobi-masu.  In  dem  Ima-mukasi-mono-gatari  findet 
sich  /J>>  ^  (seo-ni)-wo  asohasn,  welches  nicht  erklärt  wird. 
Wenn  es  , einem  kleinen  Kinde  Freude  machen'  bedeuten  soll, 
so  ist  asohasu  das  Transitivum  von  asohtt  ,sich  vergnügen'. 

Adameku  ist  in  dem  Nippun-ki  die  Lesung  von  ^  jj^ 
fo-itsu  , ausgelassen'. 

Adafete  findet  sich  in  dem  Gen-zi  und  in  dem  Sa-goromo. 
Man  sagt,  es  habe  den  Sinn  von  ßsomami  , nicht  verborgen  sein'. 
Es  wird  für  gleichbedeutend  mit  dem  (übrigens  nicht  vor- 
gekommenen) adake  ( f    ^  ^  )  gehalten. 

^äh  (Adzusa)  , Hitze'  wird  in  dem  Man-je6-siü  durch  atsu- 

ke-sa  (  y  ^  ^  ij~ )  ausgedrückt.  In  einem  anderen  Werke 
findet  sich  das  Wort  atsu-kureru,  wovon  keine  Bedeutung  an- 
gegeben wird.  Es  ist  wohl  das  verstärkte  kurerii  , dunkel 
werden'.  Als  ein  Wort  des  gemeinen  Lebens  nennt  man  das 
sonst  unbekannte  atsu-kurosi,  welches  ,dunkelsclivvarz'  zu  be- 
deuten scheint. 

Auf  Je-zo  soll  man  das  Kleid  (koromo)  mit  atsusi  (  y  ^  l^  ) 
benennen.  Man  sagt,  dasselbe  werde  aus  dem  Baste  des  Baumes 
sina  {i^~)r)  verfertigt  und  bemerkt,  eine  solche  Kleidung  sei 
in  dem  Götterzeitalter  Sitte  gewesen.  Einige  sagen,  ein  solches 
Kleid  werde  aus  dem  Baste  des  Baumes  o-fih  , Birke'  gewebt'.  ' 

Adzuku    steht    für    adzukeru    und    adzukurii,  , anvertrauen'. 


'  Weder  .«in«  noch  o-^ö  (  yj~     p     -V     ^)  kommen  in  japanischen  Wörter- 
l)iichern    als    Namen    von    Bäumen    vor.      Als   japanische    Namen    (nicht 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  17 

Amu-dzutsi  steht  in  dem  Wa-mei-seo  für  adzutsi  ,ein  Erd- 
wall für  die  Uebung-en  im  Pfeilschiessen'. 

Atsii-je  (  y  ^  X )  ist  die  Lesung  von  "^  ^  , schwer 
erkranken'.  Man  liest  dieses  Wort  auch  atsn-je-bito  ,ein  schwer 
erkrankter  Menscht  Ebenso  findet  man  javiai-si-atsu-sire  und 
jamai-si-atsu-je.  In  dem  Gen-zi  findet  sich  atsu-i-tamajeru  , schwer 
erkrankt  sein^     I  wird  hier  mit  je  verwechselt. 

Für  atsurafu  , bestellen'  hat   das  Nippon-ki   auch  atorafu. 

Äfsusire,  ursprüng^lich  atsu-sire  , stark  geistesschwach'  be- 
deutend, bezeichnet  die  schwere  Erkrankung-.  In  dem  Gen-zi 
findet  sich  auch  atsu-siku. 

4 

Adzuma-dzu  steht  für  adzuma-udo  ,ein  Mensch  der  öst- 
lichen Gegenden'. 

Adzuma-goto  , östliche  Harfe'  bezeichnet  die  japanische 
Harfe  (jamato-koto).  In  dem  Gen-zi-mono-gatari  wird  adzuma 
allein  gesetzt.  Adzuma  , östliche  Gegend'  steht  hier  im  Gegen- 
satze von  moro-kosi  , China'  oder  , westliche  Gegend'.  Das  Wort 
wird  daher  nicht  im  Gegensatze  von  tsuku-si-koto  , Harfe  von 
Tsuku-si'  gebraucht. 

Ate  wird  durch  "^  ^  ,hoch  und  vornehm'  ausgedrückt 
und  hat  die  Bedeutung  von  ate-jaka  ,vornehm'.  Man  findet 
ate-narn  ßto  ,  vornehm  er  Mensch',  ate-naru  wotoko  ,  vornehmer 
Mann',  ate-narn  kata  , vornehme  Seite',  ate-  J\^  (bito)  , vor- 
nehmer Mensch',  ate-ki  , vornehmer  Gebieter',  ate-no  mi-moto 
, vornehmer  Wohnsitz".  Man  glaubt,  es  sei  der  Ausruf  ana-taje 
,0  Avundervoll!"  Die  Rückkehr  von  ta  fe  (je)  ist  fe.  Nach 
einer  anderen  Erklärung  ist  es  H  ^-  uica-te  , obere  Hand'. 
Die  Rückkehr  von  iifa  (uwa)  ist  a. 

Für  ^  (ate)  , Block'  sagt  man  gegenwärtig  auch  ate- 
^  (mono)  und  ate-  ^  (han).  Hiermit  wird  das  in  der  ge- 
meinen Sprache  übliche  Wort  ate-fameru  ,eine  Sache  zu  etwas 
bestimmen'  in  Verbindung  gebracht. 

Der  auf  das  Bauholz  (zai-moku)  jezügliche  Ausdruck  ate- 
no ~ij  (kata)  , Seite  des  Blockes'  bezeichnet,  dass  es  die  von 
der  Sonne  beschienene  Seite  ist.    Weil  an  ihr  das  Regenwasser 


Ahio-Nainen)  von  Bäumen  finden  sich  beide  Wörter  nur  in  dem  Aino- 
Vocabularium  Mo-si\vo-gusa,  woselbst  auch  atsu  y  'y'  V/  )  durch  o-fio- 
(juwa  , Birkenbast'  erklärt  wird. 


18 


Pfizmaier. 


herabläuft,  steht  das  Wort  im  Gegensatze  zu  mi-kata  , Seite  des 
Leibes',  welche  die  innere  Fläche  des  Holzes  ist.  ' 

In  dem  Ausdrucke  iku-tsu  ate  ,wie  viele  Treffer?'  hat  ate 
die  Bedeutung  "^f  ate  , zutreffen'.  In  dem  Ausdrucke  nani- 
nani-no    ate   , welche  Beträge'  hat    es    die  Bedeutung  4^   (dai) 

, Preis'.      Es    ist    die    Zusammenziehung    des    Wortes    T^    atasi 
jPreis'. 

In  dem  Man-jeo-siü  findet  sich  das  Wort  ate-sawazu 
(^y  ^  i)"  )^  y^')-  ^^ß  vermuthet,  dass  hier  ate-  J^ 
(saje)  ,anstossen  und  ein  Hinderniss  bereiten'  zu  Grunde  gelegt 
,ist.  Hinsichtlich  des  in  dem  Gen-zi  vorkommenden  ate-hi 
(y  y^  \^\  wird  vermuthet,  dass  es  die  Bedeutung  ^  (ate)- 
huru  , vornehm  erscheinen'  habe. 

A-cIo,  durch   jjpj"   :^  ausgedrückt,  bedeutet  das  Mitspielen 

eines  Schauspielers  (^  J[^  gi-zin-no  ai-te).     Man  sagt  gegen- 
wärtig auch  a-do-utfiu. 

Wenn  kleine  Kinder  etwas  ohne  Ueberlegung  thun,  so 
nennt  man  dieses  a-do-nai.  Man  glaubt,  dass  das  im  gemeinen 
Leben    übliche    a-do-me-no  o  awami   dieselbe    Bedeutung   habe. 

Ätofe  (y  y»  ^\^  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung 
von  ^^.  einem  Worte,  von  welchem  man  glaubt,  dass  es  hier 
die  Bedeutung  ai-to  ,sich  erkundigen'  habe.  Dasselbe  ist  ato- 
furu  {T  y^  ^  )L/)  als  Lesung  von  ^^  ^.  Ätofe  ist  ferner 
die    Lesung   von    ^^  , verleiten'    und  0^    , bestellen'.     In    dem 

Zi-no  kagami  hat  ("^  -\-  _^)  , betrügen'  die  Lesung  kurufu 
und  atofe.  Das  Wort  ist,  obgleich  dieses  nicht  angegeben  wird, 
offenbar  die  Zusammenziehung  von  ^^  (atsurafe)  ,bestellen^ 
Atomqfi  ( y  V*  -£  tl  )  hat  den  Sinn  von  fiki-iru  , an- 
führen, sich  an  die  Spitze  von  etwas  stellen'  und  wird  von 
ato-mojofosi  ,auf  den  Fussspuren  herstellen'  abgeleitet.  In  dem 
Man-jeo-siü  findet  sich  ikusa-ico  atomofi-tamai  ,das  Kriegsheer 
anführen',  ftma-ko-wo  atomoß-tatsi-te  ,die  Schiffsleute  anführend 
und  aufbrechend^  Da  to  die  Rückkehr  von  tomo  ist,  wurde 
die  Vermuthung  ausgesprochen,  dass  das  oben  als  Lesung  von 
^^  , verleiten'  vorgekommene  atofe  dasselbe  Wort  sein  könne. 


^  Die  Richtigkeit  dieser   Erklärung  wird   durch  die  Bemerkungen  zu  dem 
später  noch  folgenden  mi-kala  dargethan. 


Nachträge  zu  japanischer  DialectforEchnng,  19 

In  dem  Man-jeo-siü  findet  sich  atomofe-zo,  atomofe-ka, 
atokamofu,  atomofade.  Man  sagt,  dass  diesen  Ausdrücken  die 
Bedeutung  a-to  omofu  ,m  Uebereinstimmung  denken*^  zu  Grunde 
liegt.  Ä  ist  ein  Wort,  mit  welchem  man  seine  Zustimmung 
zu  erkennen  gibt. 

Ato-makura  ^Fussspur  und  Polster',  in  dem  Nippon-ki  durch 
^  ^  ausgedrückt,  hat  die  Bedeutung  ,Füsse  und  Kopf^ 

Ato-u-gaiari.  Man  sagt,  dass  für  dieses  Wort  auch  nazo- 
nazo-gatari  ,räthselhafte  Rede'  geschrieben  worden.  Man  glaubt, 
dass  es  mit  ato-nasi-gofo  ,beispielloses  Wort'  gleichbedeutend 
sein  könne.  Welche  Bedeutung  die  Sylbe  u  habe,  wird  nirgends 
angegeben.  Sie  scheint  jedoch,  wie  in  siri-u-goto,  ein  Füllwort 
zu  sein. 

Ato-nasi-goto  , spurloses  Wort'  soll  den  Sinn  von  tamesi- 
nast-^o^o  ^.beispielloses  Wort'  haben.  Eine  Erklärung  sagt:  Ima- 
no  jo  nazo-nazo-ka  ,es  sind  vielleicht  die  Räthsel  des  gegen- 
wärtigen Zeitalters'. 

Anaguru  , aufsuchen'.  In  dem  Jei-kua-mono-gatari  heisst 
es:  jo-ni-wa  o-o-anaguri-to  i-i-tsuguru-mo  ito  juju-si  , man  meldet 
von  einer  grossen  Aufsuchung  in  der  Welt;  es  ist  sehr  wider- 
lich'. Das  in  chinesischen  Büchern  vorkommende  -^  :^ 
, allgemeine  Suche  nach  Verbrechern'  hat  die  Lesung  o-o-anaguri. 
Man  sagt  auch  ßto-wo  anaguru  ,nach  Menschen  suchen'.  Ana 
hat  den  Sinn  von  , schmerzlich  und  entschieden'.  Kuru  hat  die 
Bedeutung  sen-saku  , durchsuchen'. 

Ana-naß  {f  'j'  ^  tl  )  oder  ana-nai  (  y  ~}*  ^  ^  )?  durch 
Üji  l4  , Hanfpfeiler'  ausgedrückt,  ist  ein  nicht  näher  erklärtes 
Baugeräthe  (zo-saku-no  guj,  von  welchem  man  glaubt,  dass  es 
so  viel  als  das  gegenwärtig  übliche  ^ffi  4\^  (asi-siro),  muthmass- 
lich  die  Grundlage  eines  Gebäudes.  Ana  steht  für  asi  ,Fuss', 
gleichwie  ana-ura  für  asi-no  ura  ,Fusssohle'  gesetzt  wird.  Nafi 
steht  für  ^^  (narahi)  ,in  Reihen  gestellt  sein',  wovon  ein  Bei- 
spiel in  dem  Worte   j[j(|j  ^  (kami-nafi)  ^  angeführt  wird. 

In  dem  Kami-jo-bumi  hat  ^  , ältere  Schwester'  die  Lesung 
nane  (^-j-    ^j.     Das  gewöhnliche  Wort  ist  ane. 


'  Kami-nafi   in    dieser   Schreibart   wurde    übrigens    nicht   wieder    gefunden, 
wohl  aber  kami-nabi  in  einer  anderen  Schreibart. 


20  P  f  i  z  m  a  i  e  r. 

A-no  nennt  man  in  dem  Reiche  Omi  die  Menschen,  welche 
für  die  Abg-aben  von  den  Feldern  ( ^j^  -^  dzi-si)  Steinmauern 
aufführen.  Man  sagt,  der  Name  stamme  daher,  weil  die  Be- 
wohner des  Dorfes  |$p|"  ^  a-)w  in  Omi  die  Ersten  waren, 
welche  solche  JMauern  auiführten. 

A-ua  ist  die  Abkürzung  von  are-wa  ,jenes^ 
Der  Ausdruck  awa-to  miru  hat,   wie  man  sagt,   den  Sinn 
farukn-ni  towoku  mijuru   ,weit   in    der  Ferne  gesehen  werdend 

Aioare-hi  und  aware-fii  steht  für  aware-mi  und  aware-mu 
, bemitleidend 

A'fanatsu,  durch  ß5^  ^  ausgedrückt,  bedeutet:  die  Feld- 
raine zerstören  und  das  Wasser  der  Felder  ablassen  (aze-wo 
fanatsi-te  ta-no  midzu-wo  siifsuru). 

Für  ahai'a-ja  , wüstes  Haus'  sagt  man  gegenwärtig  auch 
ahare-ja. 

A-fata-go  (f  )^  ^  Zf )  ist  in  dem  Nippon-ki  und  in 
dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von  f^  , Kniescheibe',  Man  findet 
auch  das  gewöhnliche  Wort  a-fata  (f  )\  ^  ).  In  dem  Zi- 
no  kagami  findet  man  dafür  ßza-gami-no  a-fata.  Ueber  die  Ab- 
leitung des  Wortes  Avird  nichts  angegeben.  Es  steht  wahrschein- 
lich für  asi-fata-go.  Fata  hat  die  Bedeutungen :  äusserstes  Ende, 
Fahne,  Flosse. 

A-fnta  wird  auch  das  Zeichen  ^^  gelesen.  Die  Erklärung 
sagt,  es  bedeute  ^&  , Kelle'. 

Ahatasi.  In  den  Worten  des  Gebetes  um  Niederhaltung 
des  Feuers  heisst  es:  a-ico  mi-abatasi-tamai-tsu  ,er  sah  und 
verdarb  mich'.  Man  glaubt,  ahata.su  habe  die  Bedeutung  abaki- 
itasu  ,ans  Licht  bringen'.  Es  hat  den  Sinn  von  "^  (arasit) 
, verwüsten'. 

In  dem  Wa-mei-seo  hat  j^  ^  ,mit  der  Mörserkeule 
stossen'  die  Lesung  afi  (ai)  , übereinstimmen'.  Im  gemeinen 
Leben  bedient  man  sich  der  Ausdrücke  kake-ai  ,au  einander 
gerathen'  und  ai-dzutsi , Schmiedehammer'.  Wenn  zwei  Menschen 
von  beiden  Seiten  die  Stimmen  erheben,  so  nennt  man  dieses 
ai-dzutsi , Schmiedehammer'.    In  dem    ^    jcM   Kioku-rei,  einem 

Buche  des  Li-ki,  gibt  man  dem  Worte  j^^  ,übereinstimmen' 
die  Lesung  ki-nta  , Gesang  der  Mörserkeule*.  Man  erklärt  es, 
dass  man  den  Ton  der  Mörserkeule  begleitet. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  21 

In  dem  Rei-siki  und  andern  Büchern  wird  ;j»^  _g.  (ai-name) 
, gegenseitiges  Kosten'^  d.  i.  Opfer  geschrieben,  es  soll  jedoch 
ai-muhe  ausgesprochen  werden.  Mube  ist  nibe  , Opfer'.  '  Ni  in 
der  Mitte  wird  häufig  durch  mu  ausgedrückt.  ^ 

In  Bezug  auf  Messer  (ko-gatana)  kommt  das  Wort  afu 
jsich  vereinigen'  vor.  Noch  gegenwärtig  bedient  man  sich  bei 
dem  Schleifen  der  Scheermesser  (kami-sori)  des  Wortes  afu 
,sich  vereinigen'  oder  awasu  ,vereinigen'.  Hiervon  abgeleitet 
awase-do  , Schleifstein'. 

In  dem  Wa-mei-seo  hat  ^  , Eingemachtes'  die  Lesung 
afu.     Das  Wort  ist  von  ^^  afe  ,bewirthen'  abgeleitet. 

Mtisasi-abumi  ^Steigbügel  von  Musasi'  sind  hölzerne  Steig- 
bügel (ki-abumi),  welche  gegenwärtig  -^  ^  (roku-go)  genannt 
werden.  Man  glaubt,  der  Name  stamme  daher,  weil  ehemals 
in  dem  Reiche  Musasi  viele  Coreaner  angesiedelt  wurden. 

Afuri  (  y  ^  ij  j  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von 
{^B  yfö  ,die  Lappen  des  Sattels'.  Die  Menschen  von  der 
fünften  Rangstufe  aufwärts  verwendeten  dazu  Bärenhäute  (kuma- 
no  kaioa).  Afutsu  (^  y  ^  ^j  wird  von  dem  Aussehen 
r^zk  teA  gesagt.  Desswegen  sagt  man  für  ^^  (fasern)  ,ein- 
herjagen'  auch  afiru  (^  y  ^  )]^ )•  Man  sagt,  dass  das  im 
gemeinen  Leben  übliche  (jedoch  unerklärte)  Wort  afutsi-kaze 
dasselbe  sein  könne.  Wenn  der  Falke  zugleich  an  der  inneren 
Flüche  des  Berges  jagt  (jama-no  ura-omote-ico  karu-ioo),  so 
nenut  man  dieses  f^  y/3  (afuri)-kage.  In  dem  Zi-no  kagami 
hat  [^  -\-  -^j  die  Lesung  afuH  (y  ^  )j  )•  Das  Wort 
wird  durch  jumi-bukuro  ,Sack  zur  Aufbewahrung  des  Bogens' 
erklärt. 

Für  afuri  findet  sich  auch  die  Schreibart  aworii'y'    ^    \)  \ 

("^  -]-  "/j  )  Afuko  (bko)  ,Tragstange'  hat  in  dem  Zi-no 
kagami  die  Lesung  afoko  (y  ]?jl  I?  ).  Im  gemeinen  Leben 
sagt  man  ogo  (  tJ"  Zf\  Man  findet  Jamn-ogo  , Tragstange  für 
das  Gebirge'  und  tabi-ogo  , Tragstange  für  die  Reise',  ferner 
fake-ogo  , Tragstange  von  Bambus'.  Die  Bauersleute  sagen  auch 
ten-bin-hd  , Stock  der  Wagschalen'. 

'    ^a     , Opfer'  bat   sonst   nur   den    klaren    Laut    nife  (  Jü.    -^  )  und   wird 

gewöhnlich    JZZ.     ^21    O'WJ  gesehrieben. 
2  Ein   Beispiel  ist  der  Ortsname   ~T\^    l^£   (o-o-vmwuj  statt  o-o-niwa. 


22  Pfiziuaier. 

^  Afui  ,Malve'  hat  in  dem  Zi-no  kagami  die  Lesung 
^f^fi  (  y  y^  \L)-  Ebendaselbst  hat  {A^  -\-  ^)  kara-afui 
, chinesische  Malve'  die  Lesung  Jcarafoß  ( "fj    -y    >jl    \-\ 

.  Von  afuru  , überströmen'  finden  sich  die  Formen  afure, 
afurasi,  fafurasi,  ebenso  afusazu  (^y  ^  ■))■  y\),  welches 
so  viel  als  afurazu  ,nicht  überströmen'  sein  soll. 

Ahura-ioata  , fettige  Baumwolle'  wird  als  ein  Gegenstand 
bezeichnet,  mit  welchem  man  das  trockene  Haupthaar  der 
Menschen  befeuchtet. 

Was  das  in  Erzählungen  vorkommende  y^  j^  (abura- 
wala)  ,ölige  Baumwolle'  betrifft,  so  weicht  man  an  dem  Feste 
der  kalten  Nacht  (kan-ja)  Baumwolle  in  Nelkenöl  (tsih-zi-no 
abura)  und  bestreicht  damit  Gesicht  und  Hände. 

Afu-naku,  in  dem  I-se-mono-gatari  vorkommend,  wird 
durch  1^  ^  (zui-lmn)  , ziemlich,  ziemlich  gut'  ausgedrückt. 
In  Rücksicht  auf  die  Stellen  des  Gen-zi :  afu-nake-ni  no-taniaje- 
ha  und  afu-naki  koto-ja  no-tamai-iden  sagt  man  jedoch,  dass 
es  den  Sinn  von  Unüberlegtheit  und  Raschheit  habe  [jen-rio- 
mo  naku  fu-io-mono-ico  tjeru),  wesshalb  diese  zwei  Stellen  durch: 
,Als  er  unüberlegt  sprach'  und  ,er  wird  etwas  Unüberlegtes 
aussprechen'  zu  erklären  seien.  Ein  anderes  Werk  (^^  |p^ 
roku-deo)  setzt  an  jener  Stelle  des  I-se-mono-gatari  die  Worte 
ni-naki  omoi-ni  ,in  unpassenden  Gedanken'.  Da  ni-naki  so  viel 
als  ni-aiüanu  , unpassend'  ist,  so  soll  es  dem  Worte  zui-hun 
,ziemlich,  ziemlich  gut'  entsprechen.  In  einem  Gedichte  findet 
sich  ni-naki  fito-wo  omoi-te  ,an  einen  unpassenden  (ziemlich 
guten)  Menschen  denken'.  Indessen  glaubt  man,  dass  afu-naku 
durch  ofu-naku  ausgedrückt  werden  solle. 

Afe  ist  die  Lesung  von  ^  ,bewirthen'.  Es  wird 
auch  afu  gesagt,  woraus  man  schliesst,  dass  es  die  Bedeutung 
afu  , begegnen'  habe. 

Afe-sirafu  hat  die  Bedeutung  afe  ,bewirthen'.  Sirafu  ist  so 
viel  als  siru  , erkennen'.     Gegenwärtig  sagt  man  auch    asirafu. 

In  dem  Reiche  I-ga  befindet  sich  ein  Tempel ,  dessen 
Name  amata-siro.  Das  Wort  ist  die  Abkürzung  von  ^  »^  jjfJ: 
ama-tsii  jasiro  , Altar  des  Himmels'. 

Amasi.  ,süss'  hat  auch  die  Bedeutung  ,locker'.  Man  sagt 
im  gemeinen  Leben  kami-no  amai-tsigo  ,ein  Kind  mit  lockerem 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  23 

Haupthaar'.  Wenn  der  Deckel  eines  Geräthes  nicht  fest  schiiesst 
(ki-hutsu-no  futa  nado  ken-mitsu-narazaru-ioo) ,  so  nennt  man 
dieses  amasi. 

Ama-si  ist   ^    0f^   (amasi)  , Vorsteher  des  Reg-ens^ 

Ama-giru  bezeichnet  das  Ziehen  des  Nebels  und  die  üm- 
wölkung  des  Himmels  (sora-no  kiri  loatari-te  kumoru-wo  iu). 
In  einem  Gedichte  Sai-gio's  findet  sich  ama-giru  Juki  ,der  den 
Himmel  umdunkelnde  Schnee^  In  dem  Man-jeo-siü  heisst  es 
ama-girasi-furi-kuru  Juki  ,der  den  Himmel  verdunkelnde,  fallende 
Schnee^  Die  ebendaselbst  vorkommende  Form  ama-girafi  ist 
so  viel  als  ^  ^  j^  ame-kiri-ai  ,vereinte  Umnebelung  des 
Himmelst 

Ama-hiko  soll  so  viel  als  ama-fihiki  , Wiederhall  des 
Himmels'  und  mit  jama-biko  ,Echo'  gleichbedeutend  sein.  In 
dem  Wa-mei-seo  ist  es  die  Lesung  von  M  [^  und  so  viel 
als  das  gegenwärtig  übliche  wosa-musi  ,Vielfuss^ 

Statt  ama-goi  ,das  Gebet  um  Regen'  sagt  man  auch 
ama-johai. 

Ama-gatsu  ist  die  Lesung  von  ^  C3  , Himmelskind'. 
Das  Wort  soll  jedoch  in  Wirklichkeit  den  Sinn  von  H  |^ 
(ma-katsn)  ,mit  den  Augen  übertreffen'  haben  und  auf  die 
Erzählung  von  der  Göttin  Suzu-me-no  mikoto  zurückzuführen 
sein.  Demgemäss  auch  die  Bezeichnung  des  Bildnisses  des  in 
den  üeberlieferungen  von  Unsterblichen  vorkommenden  Königs 
und  Fürsten  des  Ostens  durch  ama-gatsu  für  irrthümlich  gilt. 
Bei  einer  Art  dieser  Bildnisse  verfertigt  man  die  Maske  eines 
alten  Weibes,  bringt  in  Schultern  und  Brust  eine  Bambus- 
röhre und  fügt  in  diese  ein  den  Leib  schützendes  Abschnitts- 
rohr. Wenn  man  sich  dieses  Bildnisses  durch  drei  Jahre  be- 
dient, so  ladet  man  dadurch  alle  Unglücksfälle  auf  sich,  was  in 
den  Aufzeichnungen  des  Gen-zi  zu  sehen.  Man  schreibt  auch 
Ä  j^  ama-gatsu  ,Nonnenkind'.  Man  sagt,  dass  das  in  der 
gegenwärtigen  Zeit  gebräuchliche  ^^  ^  (fb-ko)  ,kriechendes 
Kind'  ein  Ueberbleibsel  dieser  Sitte  sei. 

In  einem  Werke  wird  gesagt,  dass  man  unter  den  Speisen 
des  kaiserlichen  Palastes  das  ama-gatsu  hinstellt  (kin-ri-no 
go-zen-ni  ama-gatsii-ioo  su-itru).  Man  glaubt,  es  sei  dasselbe, 
was  in  einem  anderen  Werke  ama-gatsu-no  kawara-ke  ,das 
irdene  Gefäss  des  Himmelskindes'  genannt  wird. 


24  pfi 


zmaier. 


Man  glaubt,  dass  das  in  dem  Ki-sen-siki  vorkommende 
ama-sogi  vielleicht  den  Sinn  von  ^  j^  (ama-soki)  ,der 
Himmel  weicht  zurück^  habe.  Ebenso  vermuthet  man  für  die 
in  dem  langen  Gedichte  dieses  Werkes  enthaltenen  Worte 
ama-no  sosogi-no  kisi-kage-to  den  Sinn  ,der  Schatten  der  Ufer- 
höhe, an  Avelcher  der  Himmel  zurückweicht^ 

In  dem  Gen-zi  hat  ama-sogi  die  Bedeutung  J^  (ama)-sogi 
,als  Nonne  geschoren^  Bei  Sei  Seo-na-gon  heisst  es:  ama-ni 
sogi-iarxi  tsi-go  ,ein  als  Nonne  geschorenes  kleines  Kind'.  Die 
ehemaligen  Nonnen  heissen  tare-ama  , Nonnen  mit  herabge- 
lassenem Haupthaar',  und  das  Wort  ama-sogi  bezeichnet,  dass 
sie  das  Stirnhaar  geschoren  hatten  (nuka-gami-too  sogi-taru-ico 
iü  nari).  Es  gibt  ferner  Nonnen  Namens  sage-ama  (hernieder- 
lassende Nonnen),  Die  Bedeutung  ist  dieselbe.  Gegenwärtig 
nennt  man  noch  im  gemeinen  Leben  ein  weibliches  kleines 
Kind  auch  arna  ,Nonne'. 

Ä  ig  (Äma-maju)  , Nonnenbrauen'  ist  der  Name  eines 
Wagens.  Das  Wort  ist  mit  a-ziro  und  fa-zitomi  , Flechtwerk' 
gleichbedeutend.  In  einem  solchen  Wagen  ist  Flechtwerk 
(a-ziro)  ausgespannt.  Man  sagt  jedoch,  ama-majii  ,Nonnen- 
brauen*^  heisse  derjenige  Wagen,  der  eine  untere  Blende  mit 
grünem  Saume  (awo-suso-go-no  sita-sudare)  besitzt. 

Amajeru  (  y  T  31  )ly)  ist  die  Lesung  von  ^^  , stolz 
sein'.  Gegenwärtig  sagt  man  es  auch  von  Kindern  und  kleinen 
Mädchen,  welche  durch  Freundlichkeit  sich  einschmeicheln 
(wa-jetsu-wo  mote  kohiru).  Es  findet  sich  auch  der  Ausdruck 
sitasimi-no    amajakasu  ,die  Freundschaft    schmeichelt  sich   ein'. 

Für  amasaje  und  amassaje  ,überdiess'  findet  sich  auch 
amari-saje. 

Ama-dziitsu-no  kamt.  Auf  den  Lieu-khieu-Inseln  opfert 
man  auf  den  zwei  Bergen  ^  ^  ^  (hu-ken-gusuku)  und 
35.  ^  (tama-gusukn)  dem  Gotte  des  JNIeeres.  Ama-dz%itsti-no 
kami  ist  der  Name  dieses  Gottes.  Ama  bedeutet  ,Meer'.  Dzutsu 
bedeutet  jM;   (kunirtsu  kami)  ,Gott  des  Reiches'. 

Ama  hat  übrigens  auch  in  dem  Nippon-ki  und  in  dem 
Man-jeo-siü  die  Bedeutung  ,Meer'.  Man  glaubt,  das  ^Vort 
könne  die  Umwendung  von  awovn  sein  und  so  viel  als  aivo- 
umi  , grünes  Meer'  bedeuten. 


Nachträge  zu  japanischer  DialectforschuDg.  2ö 

Aini,  sonst  ,Netz'  und  , Garnele',  ist  auch  der  Name  eines 
Vogels.  Ein  Sprichwort  sagt:  ami-naku-te  futsi  na-nagame-fto 
,olme  Netz  blicke  nicht  auf  den  WirbeP.  Ein  anderes  Sprich- 
wort lautet:  ami-no  7ne-ni  kaze  famarazu  ,m  den  Augen  des 
Netzes  sammelt  sich  nicht  der  Wind^ 

Es  gibt  auch  eine  Pflanze  Namens  ami-no  mc.  ,Netzauge^ 
Man  sagt,  es  sei  die  (sonst  nirgends  angeführte)  Pflanze 
ptj    -j-'   ^^  (si-ziii-ua). 

Amuseru    (  y      ^      -^    )1_^  )    ist   in    dem    Nippon-ki    die 

Lesung    von    ^    ^waschen'.      Es    ist    ein    Wort    wie    ju-ami 
, baden'. 

Ein  Baumwollrohr  (J^  '^  men-do^  heisst  in  I-se  ge- 
meiniglich Cime.  Es  heisst  auch  sino-no  mahi  , Rolle  von  kleinem 
Bambus'  und  jori  (^^      )j  j.     In  den  westlichen  Reichen  sagt 

man  zin-h'  (  i!^    2/    4~  )• 

Arne  nennt  man  auch  einen  Gegenstand,  der  sich  an  die 
Steine  des  Meerufers  geheftet  hat  (kai-fen-no  isi-ni  tsuki-taru 
mono).    Derselbe  ist  essbar. 

In  dem  Buche  der  Sui  wird  gesagt,  dass  die  Könige  von 
Nippon  den  Geschlechtsnamen  [JpJ  ^  (o-mei)  führen.  Das 
Wort  hat  die  Bedeutung  ^  {ame)  ,Himmel'.  Dass  die 
Menschen  von  China  in  dem  nahen  Zeitalter  ,Bezirk  von  O-mei' 
sagen,  ist  hierin  begründet. 

Amorl  hat  die  Bedeutung  ame-ori  ,von  dem  Himmel  herab- 
steigen'. 

Auf  den  Lieu-khieu-Inseln  gibt  es  ein  Lied,  welches 
amori-no  uta  genannt  wird.  Man  singt  es,  wenn  man  das  Tuch 
1er  Bauchbinde  •  des  Schiffes  (fune-no  fara-makinuno)  zurecht 
bringt.  Da  es  ein  Lied  auf  die  Götter  ist,  so  glaubt  man,  amori 
könne    ebenfalls  das  Herabsteigen  von  dem  Himmel  bedeuten. 

Ajasu,  heutzutage  durch  ^  ^  ausgedrückt,  bedeutet 
, streicheln,  schön  thun'  und  wird,  der  obigen  Schreibart  gemäss, 
wohl  als  ^  (ai)-suru  , lieben'  betrachtet.  In  dem  U-tsu-fo- 
mono-gatari,  wo  es  zuerst  vorkommt,  fehlt  die  Wörterschrift. 
Es  heisst  daselbst  ono-ga  ta-hxisa-notsi-ico  sasi-ajasi-fe  ,die 
Rückseite  der  eigenen  Handw^urzel  streichelnd'.    Man  sagt,  das 


c 


•  Fa7-a-mald  ,Bauchbinde'    heissen   sonst   die  Stricke,    mit   denen    man  das 

Schiff  umwindet. 
Sitzuugsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  X(J.  Bd.  I.  Htt.  3 


26  Pfizmaier. 

unten  erklärte  ajuru  sei  dasselbe,  was  indessen  nicht  einleuch- 
tend ist.  Die  Rückkehr  von  ja  su  sei  ju.  Letzteres  passt  nur 
auf  die  Form  aji(. 

Ajakarn  , ähnlich,  gleichartig  sein'  hat  die  Bedeutung-  von 
^  ^k  Oy^-^'^f'^O  ?die  Aehnlichkeit  von  Fleisch  und  Knochen 
entlehnen'.  Man  sagt  im  gemeinen  Leben  ajakari-mono  ,ein 
gleichartiges  Wesen^ 

Von  einer  Sache,  deren  Grund  nicht  klar  ist  (zi-zitsu 
mei-fatsu-narazarn),  sagt  man  im  gemeinen  Leben  ajakasi-na 
r  y  ^  yj  ly  -}-  ).  Der  Ursprung  des  Wortes  ist  unbekannt 
und  wird  gefragt,  ob  es  vielleicht  die  Bedeutung  von  aja- 
karn habe. 

Ajaknsi  ist  auch  der  Name  eines  Meergeistes,  nach  anderen 
Angaben  der  Name  eines  grossen  Fisches.  In  einem  Schiffer- 
liede  heisst  es  fune-ni-wa  ajakasi-ga  tsni-te-tca  ,wenn  an  das 
Schiff  der  Ajakasi  stösst'.  Dieses  bedeutet:  Wenn  an  das 
SchijQT  der  Fisch  Ajakasi  stösst,  so  stürzt  es  gewiss  um.  Man 
sagt^  es  sei  der  Kobang-Roche  (ko-han-zome).  Dieser  Fisch 
hat  auf  dem  Kopfe  das  Bild  der  Goldmünze  Kobang.  Man 
sagt  auch,  es  sei  der  Fisch  fjQ  i'^  ^[^  (In-ki-na).  Der  letztere 
Name  wird  für  ein  Wort  der  südlichen  Barbaren  gehalten. 

Das  im  gemeinen  Leben  übliche  ßfo-ioo  ajameru  bedeutet: 
Menschen  tödten.  Man  sagt  auch  ajasimern.  Die  Lesung  ajamen 
ist  dasselbe.    Die  Ableitung  ist  ungewiss. 

Ajwii  Cy  ZL  ^ly }  soll  den  Sinn  von  ^  (maziwaru) 
, vermengt  sein'  haben.  In  dem  Man-jeö-siü  heisst  es:  ojxiru 
mi-wa  I  tama-ni  nuki-tsutsu  ^die  gemengten  Früchte  |  als  Edel- 
steine durchgezogen'.  In  dem  Makura-sö-zi  hat  das  W^ort  die 
Bedeutung  nagarnru  ,fliessen'.  Es  heisst  daselbst  ase  ajuru 
,der  Schweiss  fliessf^.  In  den  alten  Erzählungen  findet  sich 
mr  (tsi.)  ajti  ,das  Blut  fliesst',  |^  (tsi)-ico  ajakasn  ,Blut  ver- 
giessen'.  Es  ist  in  diesem  Sinne  die  Lesung  des  Zeichens 
Hj    , hervorkommen'. 

Man  gibt  ferner  diesem  Worte  den  Sinn  von  ajer^i  und 
aju,  beides  , gleichartig  sein'.  In  der  Sammlung  der  goldenen 
Blätter  heisst  es :  navi-ni  ajvru-wo  njti-fo  ifu-ran  ,mit  etwas 
gleichartig  sein,  wird  man  aju  nennend 

Ajngv  (  y  ^  //^^  ist  so  viel  als  jitrngn  , seh  wanken'. 
Man  findet:  fosi-no  ajvgu    ,die  Sterne   flackern'.     Eine  andere 


Nachträge  zu  japaniEcher  Dialectforschunc^.  ^  27 

Lesung  ist  ajvgasu.  Die  Lesung  ajo  kommt  bei  dem  folgenden 
ajo  vor. 

In  der  Geschichte  von  Wind  und  Boden  des  Reiches 
Idzumo  heisst  es :  Der  einäugige  Dämon  (me-ßto-tsu-no  oni) 
kam  und  verzehrte  den  das  Feld  bebauenden  Mann  (fa-tmkuru- 
no  otoko).  Der  Mann,  den  er  verzehrte,  hiess  ^t  \7  (ajo- 
ajo).  Daher  stammt  der  Name  jjpj"  :^  i'i-jo).  In  den  west- 
lichen Reichen  soll  man  gegenwärtig  a-jo  ff  ^  ^^ 
sagen. 

In  dem  Hinterlassenen  von  U-dzi  heisst  es:  oni-iva  ajoi- 
(y  ^  \^  )  kajeri-nu.  Ajoi  soll  hier  der  Uebergang  von 
ajurai  ,einherschreiten'  sein.  In  diesem  Falle  zu  erklären :  Der 
Dämon  schritt  einher  und  kehrte  zurück. 

B^  ,sich  zerstreuen'  hat  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung 
arare  (^  y  y  ^\  ebenso  Wt  ^  ,sich  zerstreuen  und  ver- 
schwinden' die  Lesung  arakenu.  Das  erstere  ist  so  viel  als 
das  letztere,  und  dieses  hat  den  Sinn  von  ^£  (ara)-ke-nuru 
,es  ist  wüst  geworden^ 

Ä-ra-ki  ,Arak'  wird  als  ein  Wort  der  südlichen  Barbaren 
erklärt.  Es  wird  gesagt :  ^  ^  ^  (sib-bi-ro)  ,Rosenthau'  hat 
auch  den  fremdländischen  Namen  a-ra-ki.  Man  glaubt,  Rosen- 
thau  könne  den  Sinn  haben,  dass  man  die  Rose  das  Geisblatt 
des  Weinhauses  (saka-ja-nin-dö)  nennt.  Es  heisst,  dass  man 
für  den  Geisblattwein  (nin-do-siü)  häufig  diese  Blume  verwendet. 

In  einem  Werke  wird  a-ra-ki  ,Arak'  auch  »j^  ^  (sih- 
ro)  ,Weinthau'  genannt. 

Wenn  man  im  gemeinen  Leben  die  wunderbare  Bestätigung 
des  göttlichen  Buddha  preist,  so  sagt  man  arafa-na  koto.  Arata- 
na  hat  sonst  die  Bedeutung  ,neu',  doch  hier  ist  es,  wie  man 
glaubt,    die    Zusammenziehung  von  ara-tafuto   ,sehr  ehrenvoll'. 

Statt  arafu  , waschen'  findet  sich  in  dem  Jamato-mono- 
gatari  auch  arawai  T  y  y  )\  |^  j.  Es  ist  die  Dehnung 
von  arai  (awai-ico  nobe-taru  kotoba  nari). 

Ara-mi-gami,  der  sichtbare  erhabene  Gott,  Ära  steht  für 
arawa  , sichtbar'. 

Man  sagt,  das  in  dem  Ko-zi-ki  vorkommende  ari-fatasi 
und  ari-kajowase  habe  den  Sinn  von  arikx.  , gehen'. 

Ari-ginu  steht  für  ori-ginu  , gewebtes  Kleid'. 

3* 


28  Pfizmaier. 

Ari-nare-gaiva  ist  der  Name  eines  Flusses  in  Corea.  Man 
sagt,  a  ri  seien  die  Laute  der  Zeichen  ^!|  ^  (kiä-lö),  are 
habe  im  Coreanisehen  die  Bedeutung  '/X  ,!^trom'  und  sei 
das  coreanische  Wort  für  kawa  ,Fluss^  Das  japanische  Wort 
Jcaioa  jFluss^  sei  in  dem  Namen  nochmals  gesetzt  worden. 

Are  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  :;j^  ,Dorf'. 
Man  glaubt,  es  habe  den  8inn  von  ari-ka  ,Aufenthaltsort^ 

Motsi-no  ko-no  are  hatte  ehemals  im  gemeinen  Leben  die 
Bedeutung  , Weizenmehl'. 

Are  hat  ferner  in  der  alten  Sprache  die  Bedeutung  ara- 
warurn  koto  , offenbare  Sache'. 

Arasi-masu  ist  in  der  alten  Sprache  die  Lesung  von  ^ 
^hervorbringen'. 

Awatsu  (y  y  ^)  steht  für  aicateru  ,m  Schrecken 
gerathen'.    Man  sagt  auch  awatsuru. 

Aioa-juki  , Schaumschnee'  bedeutet  einfach  ,Schnee',  weil 
Schnee  mit  Schaum  Aehnlichkeit  hat. 

Awa-ßiki-gusa  , Schaumschneepflanze'  ist  der  Name  einer 
Pflanze,  welche  die  Pflanze   ^   0.  (si-san)  sein  soll. 

A-oto  (f  :fj-  1^),  durch  Jg.  ^  ausgedrückt,  bedeutet 
den  Ton  der  Schritte.  Man  gibt  diesen  Zeichen  auch  die 
Lesung  n-no  o/o  ( "f  y  7J-  > ).  In  dem  Zi-no  kagami 
bat  ^  ,barfuss'  die  Lesung  a-na  oto,  was  mit  a-no  oto  gleich- 
bedeutend.   Gegenwärtig  sagt  man  asi-oto. 


^  (i),  den  Namen  der  Menschen  angehängt,  ist  gleich 
jo  in  tare-jo  ein  Wort,  mit  welchem  man  die  Menschen 
anruft.  So  in  dem  Nippon-ki:  ke-no-no  waku-go-i  ,junger 
Sohn  aus  Ken-no!'  In  dem  Man-jeö-siü:  ije-naru  imo-i  ,jüugere 
Schwester  in  dem  Hause!'  Andere  Beispiele  kommen  zahl- 
reich vor. 

In  dem  Kami-jo-))umi  ist  i  die  Lesung  von  ^  ,Luft'. 
Es  ist  die  Abkürzung  von  iki. 

I  (-^  \  ist  in  dem  Man-jeo-siü  die  Lesung  von  ,|^  ^ 
, Stimme  des  Pferdes'.  Man  sagt  gegenwärtig  ihafu  und  ina- 
iiuku  , wiehern'. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  Zv 

Dass  3[  -f^  ,fünfzig-^  gleich  351  f  (0  »fünf'  gelesen 
wird,  soll  den  8inn  der  Vermeidung  haben.  Man  gibt  im  Falle 
der  Vermeidung  dem  Worte  ^t  ~|^  , fünfzig'  nicht  die  gewöhn- 
liche Lesung-  i-so. 

I-ü-zi  ist  die  Lesung-  von  ^^  ^  ^NefFe^  Die  gewöhn- 
liche Lesung  ist  jw-si  (3.    ^     L/)- 

hco  ist  das  gemeine  Wort  für  uico  ,Fisch'.  Es  findet 
sich  auch  in  dem  I-se-mono-gatari.  Iwo-no  fuje  ist  die  Lesung 
von    B^    , Fischblase'.     Iwo-no   kasira-no  föne    ist    die    Lesung 

von   'S    ~y   jKopfbein  des  Fisches'. 

l-iüo-sa  (  ^  7^  "^  )  kommt  in  dem,  in  dem  Man-jeo-siü 
enthaltenen  Liede  der  Wächter  der  Vorgebirge  (sahi-mori)  vor 
und  wird  durch  ,kleiner  Pfeil'  erklärt.  I  ist  ein  Anfangswort, 
Wo-sd  ist  /\\  «u-  (ivo-sa)  , kleiner  Pfeil'.  Sa  in  der  Bedeutung 
.Pfeil'  ist  in  dem  Nippon-ki  zu  sehen.  Nach  einer  anderen 
Erklärung  hätte  das  Wort  die  Bedeutung:  ]§^  Ü  ^  i-fo-sa 
jfünfhuudert  Pfeile'.  Die  Schreibung  mit  y  (wo)  sei  ein 
L'rthum. 

Für  iga  ,die  stachelige  Schale  der  Kastanien'  sagt  man 
in  Tsuku-si  auch  ige  (^  ^     ^  }. 

^v  j^  (in-mo)  statt  ika-ga  ,wie?'  ist  ein  Wort  des  ge- 
meinen Lebens. 

Ikasi  (  -f     'fj     ^^  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von 

J^  , streng'  und  ^  , wichtig'.  Man  vergleicht  damit  das  in 
Kuan-to  im  gemeinen  Leben  übliche  ikntsni  ,zornmüthig'. 

Igami-dzura  bedeutet  , bissiges  Gesicht'. 

Ikaki  sama  und  takekit  ikaki  ist  in  dem  Gen-zi  die 
Lesung  von  ^^  ,kühn,  muthig'.  Es  ist  das  oben  verzeichnete 
Woi-t  ihisi. 

Im  gemeinen  Leben  bedient  man  sich  statt  o-oki-nnru 
, gross'  und  0-0-ki  ,viel'  auch  des  Wortes  ikai  (  'f  '}]  ^  ). 
Es  ist  mit  ikaki  gleichbedeutend. 

Für  ikada  ,Floss'  sagt  man  auch  iatamii  ikada  , zusammen- 
gelegtes Floss'  und  ikada-no  juka  ^Bett  des  Flosses'. 

Iki-ioo  kakeru  ,den  Athem  anhängen'  ist  so  viel  als  fuku 
, blasen'.    Iki-si-kake  hat  dieselbe  Bedeutung. 

Im  gemeinen  Leben  sagt  man  iki-no  joi  asi-i  ,von  Gemüth 
gut,  schlecht'.     Iki  ist   ^    ^   i-ki  , Gemüth'. 


30  Pfizmaier. 

Iki-no  WO  ,die  Schnur  des  Athems'  bedeutet  inotsi  ,Leben'. 
Wo  , Schnur'  steht  wie  in  tama-no  ico  , Edelsteinschnur',  welches 
dieselbe  Bedeutung  hat. 

Statt  Iki-dowori  , entrüstet  sein'  findet  sich  auch  iki-dorosi 
(  -f  4z  ]^  n  2>)  und  ikl  doferosi  (  ^  ^  }^  -^  U  2>). 
Die  Rückkehr  von  fe  ro  ist  fo. 

Ikufa  (^  ^  )^^  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung 
von  66  , Zielscheibe'.  In  Uebereinstimmung  hiermit  ist  ikufii, 
i-^     ^    ^^  die  Lesung  von    j|;J'  ,mit  Pfeilen  schiessen'. 

I-gusi,  durch  3l  ~f^  |fß  (^-9'^'^V  , fünfzig  Kämme'  aus- 
gedrückt, sind  die  in  den  Tempeln  zum  Opfer  gebrachten 
kleinen  Papierstücke.  In  dem  Man-jeo-siü  heisst  es:  i-gusi 
täte  I  mi-ioa  su-e-matsurii  , fünfzig  Kämme  aufstellen,  |  die  drei 
Räder  hinstellen'. 

Statt  iku-tari  ,wie  viele  Menschen'  sagt  man  in  De-wa 
gemeiniglich  ikuri  (^     //     ^)  )• 

Für  i-gurumi  ,die  Schnur,  an  welche  ein  Pfeil  gebunden 
ist',  findet  sich  bisweilen  auch  i-guruma  (  -^     -^  )\^    T  J. 

IJcu-ß  tara-ß  ,die  Tage,  an  welchen  man  lebt,  die  ge- 
nügenden Tage'  sind  Worte  eines  Gebetes. 

Ikojoka  ( -^  Z2  3  tJ^  ^^^^^  '^  ^^"^  Nippon-ki  für 
ijojnka    ,hochragend'.      Ikojaka    (^     ZI    ~Y    >(/  )   ^^^  dasselbe. 

Isa  ist  in  dem  Nippon-ki  und  in  dem  Man-jeo-siü  die 
Lesung  von  37»  ^  , nicht  wissen'.  Das  Wort  ist  der  Uebergaug 
von  Ina  , nicht'  und  soll  mit  diesem  gleichbedeutend  sein.  Man 
findet^fo-iü«  isa  kokoro-mo  sirazu  ,die  Menschen  wissen  es  keines- 
wegs im  Herzen',  isa  sira-gaiva  , nicht  der  weisse  Fluss',  isa 
sira-tsnju  , nicht  der  weisse  Thau',  isa  sira-juki  ,nicht  der 
weisse  Schnee'  und  anderes.  In  der  gesprochenen  Sprache  von 
Kadzusa  sagt  man  gegenwärtig  noch  itsi-ja  (  -f    =f-    ~^ ). 

In  der  Beschreibung  des  Reiches  I-ki  ist  zu  sehen,  dass  für 
isana  ,Wallfisch'  im  gemeinen  Leben  isa  (^  ^  t|~  )  gesagt  wird. 
Isana  wird  für    ^    ^    (isa-na)  ,der    muthige  Fisch'  gehalten. 

Isan  ,der  Fischfang  zur  See'  wird  in  dem  Man-jeo-siü 
durch  ^^  ^  (iso-mawari)  ,das  Meerufer  umkreisen'  ausge- 
drückt. Das  \Vort  wird  für  iso-karu  ,an  dem  Meerufer  jagen' 
gehalten.  Die  Rückkehr  von  so  ka  ist  sa.  In  dem  Man-jeo- 
siü  findet  sich  auch  das  Verbum  isaru  ,zur  See  fischen'. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  dl 

Izanami  (  ^  If*  +  E. )  findet  sich  in  der  Bedeutung 
von  izanafu  , herbeiführen,  verleiten*.  Es  heisst  izananü-ni  \ 
ima-mo  mi-mafosi  \  aki-fcuji-no  ,im  Herbeiführen  |  jetzt  noch 
sehen  möchte  |  der  Weiderich  des  Herbstest  Ferner  izanami- 
ni  I  ima-mo  mala  mimu  ,im  Herbeiführen  |  jetzt  noch  werde 
ich  sehen'.     Na  mi  ist  die  Umwendung  von  na  fi. 

Imtsuru  und  isatsirii  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung 
von  '^   , weinen'. 

^  -^  (i-si)  hat  in  den  Erzählungen  die  Bedeutung 
, Stuhl'.     Man  sagt  sonst  ;|^   -^   (i-su). 

In  dem  Kami-jo-bumi  hat  ^^j^  Jugendlich'  die  Lesung  isi 

(-f  2>)-     Man  hält  es  für  «^'-si  (p  \^   Z^)  '«s?'  (p   ^   ly) 
,zum  Anfange  gehörend'.    Die  Rückkehr  von  u  ß  ist  i. 

Isi-ki  {^  ^  :^^  hi  \n  dem  Nippon-ki-  die  Lesung 
von  ^  ^\  , Steinsarg'.  In  dem  Man-jeö-siü  findet  sich  dafür 
5  ^  jSteinfeste'.  Es  bezeichnet,  dass  man  Steine  über 
einander  häuft  und  den  Sarg  in  sie  einstellt.  Es  ist  dasselbe, 
wovon  der  Dichter  Fito-maro  in  dem  vor  seinem  Tode  ver- 
fassten  Gedichte  sagt  iwa-ne-sima  Täte  ,zur  Insel  der  Felseu- 
wurzeln  kommend'. 

Isi-na  (  ^  2>  ")*)  l^^t  ^n  der  Sprache  der  kleinen 
Kinder  die  Bedeutung  , Kieselstein'  (ko-isi).  In  I-se  findet  sich 
eine  Oertlichkeit  Namens  id-na-hara,  in  Mutsu  eine  Oertlich- 
keit  Namens  isi-na-zaka. 

Ueber  eine  Stromschnelle  in  Reihen  gelegte  Steine,  welche 
zum  Uebersetzen  dienen,  nennt  man  isi-hasi  , Steinbrücke'.  Mau 
hängt  an  das  Wort  die  i\usdrücke  ma-dotvoki  ,weit  vom  Zwischen- 
raum' und  ma-ku  ,in  den  Zwischenraum  kommen'.  Man  sagt 
auch  isi-immi,  was  zwar  ^  *]^  (isi-nami)  , Steinwellen'  ge- 
schrieben wird,  aber  als  ^g"  ^  isi-nami  , Steinreihen'  zu  ver- 
stehen ist.  In  demselben  Sinne  sagt  man  nebst  iwa-hasi  auch 
iwa-navii. 

I-se-wo-no  ama  bedeutet  , Fischer  von  I-se'.  Wo  wird  für 
ein  Hilfswort  gehalten. 

In  Gedichten  findet  sich  iso-ma  , Zwischenraum  des  Meer- 
ufers', iso-wa  ,Krümmung  des  Meerufers',  iso-na  , Gemüse  des 
Meerufers',  iso-maknra  , Polster  des  ^leerufers',  iso-kai  .Muschel 
des  Meerufers'.     Alles    dieses    wird  von  Späteren    für   ein  und 


32  Pf  i  ziii  aier. 

dasselbe    Wort    gehalten.     Iso-innhmi    ,Polster    des    Meerufers^ 
ist  eine  Art  Seeg-ras  (ara-me). 

Eiue  gewisse  Stelle  der  Laute  (biwa)  heisst  iso  ,Meeruter'. 
Man  sagt  es  auch  von  der  Mütze, 

In  dem  Man-jeo-siü  findet  sich  isofaku  (  ^  ^  )  "i  ^ ). 
Man  glaubt,  es  sei  so  viel  als  isofu  , streiten*.  Die  Rückkehr 
von./a  ku  ist  fu. 

Itaku  ^schmerzlich*  hat  in  Gedichten  den  Sinn  von  ana- 
gatsi  ,mit  Gewalt,  durchaus*. 

Ein  Sprichwort  lautet :  /tat  uje-no  fari  ,die  Nadel  auf  die 
schmerzhafte  Stelle*.  Es  hat  denselben  Sinn,  wie  die  in  dem 
Man-jeo-siü  vorkommenden  Worte:  itaki  kizu-ni-wa  \  kara-siwo- 
100  I  sosogn-gn  gotoku  ,auf  die  schmerzliche  Wunde  |  chinesisches 
Salz  I  als  ob  man  sprengte*. 

Itaka  ( ^  ^  ;^ )  ist  ein  Wort  aus  den  Liedern  der 
Angestellten,  Es  bezeichnet  Leute  , welche  in  der  Strömung 
den  Scheitel  waschen*  (nagare-kiian-deo-wo  site)  und  dabei 
betteln.  Gegenwärtig  gibt  es  noch  in  Mijako  solche  Leute. 
Nagare-  ^^  J^  (knan-deo)  ,in  der  Strömung  den  Scheitel 
waschen*  wird  für  die  Wöchnerinnen  ausgeübt.  Man  glaubt, 
der  Gebrauch  stamme  aus  Indien,  wo  man  die  unreinen  Sachen 
der  Geburt  in  den  Flüssen  fortschwimmen  lässt  und  dadurch 
den  Flussgott  verunreinigt,  wesshalb  man  diesem  ein  Opfer 
bringt.  Man  habe  sich  darin  geirrt.  Dass  man  es  in  dem  Sinne 
von  ^  ^  Uui-zen  , nachträgliche  Opfergabe,  Todtenopfer*  auf- 
gefasst  hat,   wurde  ebenfalls  für  falsch  gehalten. 

Itadzm'a-mono  , müssiger  Mensch'  bezeichnet  einen  Räuber, 

Ita-gai  wird  für  siki-ifa  , Krippe*  gesagt, 

Ita-ja-gusi  steht  in  dem  Nippon-ki  für  nagare-ja  ,ein  ver- 
irrter  Pfeil*,  Dem  Worte  liegt  itamu-ja-gusi  ,Speiler  des 
schmerzenden  Pfeiles*  zu  Grunde, 

Itsi-faja-bi,  welches  in  einem  Gebete  vorkommt,  ist  mit 
tsi-faja-hnrn  ,das  Priesterkleid  schütteln*^  gleichbedeutend.  Itsi 
hat  den  Sinn  von   J^  itsu  , streng,  ernst*  und  wird    durch   das 

geborgte  Zeichen   — •   itsi  ,eins*  ausgedrückt.    Man  findet  auch 
idzu-faja-  huru. 

Das  in  dem  Man-jeo-siü  vorkommende  idzu-he  ,um  welche 
Zeit*  ist  mit  idzwe-ni  gleichbedeutend. 


Nachträge  zu  .japanischer  Dialectforschung.  33 

IfsK-tsu-gasane  ,fünf  Schichten'  ist  ein  sieben-,  acht-  bis 
zehnmal  gefüttertes  Kleid,  welches  im  g-emeinen  Leben  -j-'  ^  ^i 
zin-ni-tan  , zwölf  einfache  Kleider'  genannt  wird.  Gegenwärtig'  ge- 
braucht man  ausschliesslich  ein  fünffaches  Futter.  Man  sagt  auch 
5£  Z^  itsii-tsu  jfünf  Kleider'.  Es  gibt  deren,  bei  welchen 
alle  fünf  Schichten  von  einerlei  Farbe  sind,  ferner  solche,  bei 
welchen  die  Farbe  bei  jeder  einzelnen  Schichte  wechselt.  Man 
findet  für  dieses  Kleid  auch  das  Wort  J^  (nana)-tsu-ginu 
, sieben  Kleider'. 

Itsv-fomo-no  fumi  ist  die  Lesung  von  5S.  /^  go-kib  ,die 
fünf  mustergiltigen  Bücher'  China's. 

Für    ina    ,nein'    sagt    man    im    gemeinen     Leben    innija 

(^  2y  ^  ^). 

Inadaki  hat  in  dem  Kami-jo-burai  die  Bedeutung  ,Haar- 
schopf.  Man  sagt,  es  sei  so  viel  als  ifadaki  , Scheitel'.  In  dem 
Zi-no  kagami  hat  ^^  , Haarschopf'  die  Lesung  itadaki. 

Für  ^  inu  , weggehen'  sagt  man  gegenwärtig  -^  in-nuru 
oder  inurn.  Inwu  towo-ka  ,die  vergangenen  zehn  Tage'.  Ob- 
gleich in  der  gemeinen  Sprache  inuru  bloss  die  Heimkehr  der 
Menschen,  welche  gekommen  sind,  bezeichnet,  drückt  es  ein- 
fach das  Fortgehen  (juku  koto)  aus. 

In  dem  Zi-no  kagami  hat  ^^  , Treppenstufe'  die  Lesung 
i-nuki  ( -^  y^  ^)-  Auch  auf  Schiffen  findet  sich  ein  Ort, 
welcher  i-nuki  heisst. 

'i^  ^i  I-i-^o  (-^  \^  TJl*)  ,ein  gekochtes  Reiskorn'. 
Bo  ist  so  viel  als  tsubo  ,Korn'.  Ist  auch  die  Lesung  von  ^]^ 
, Reiskorn'  allein. 

In  dem  Wa-mei-seo  ist  i-t-ho  (  ^  \^  i^^  die  Lesung 
von  (^  ^  '^  Jtj)  S  , Warze'.  Davon  das  jetzt  übliche  Wort 
ibo  ,Warze'. 

Me-iho  hat  die  Bedeutung  me-no  ibo  , Warze  des  Äugest 
In  Si-koku  wird  die  Bewirthung  bei  dem  Opfer  (matsiiri-ni 
furnmawariiru  koto)  durch  me-ibo-m  juku  ,zu  dem  Warzenauge 
gehen'  ausgedrückt. 

I-i-(jai  ,ein  Reislöffel'.  Für  dieses  Wort  sagt  man  gegen- 
wärtig siaku-si.  An  der  Gränze  des  Reiches  Idzumi  findet 
sich  ein  Teich  Namens  i-i-gai-no  ike  ,der  Teich  des  Reislöffels'. 
Derselbe  heisst  so  von  seiner  Gestalt. 


o4  Pfizmaier. 

IhnJca.ii  ist  in  dem  Man-jeo-siü   die   Lesung   von    ^p 
,düster'.   Gegenwärtig  ist  ihnkasi  die  Lesung  von  '^  ^    ,unbe 
kannt'.    Für  ka-jari-hi  ,ein  Feuer  zum  Vertreiben  der  Mücken' 
sagt   man  ka-ibukasi.     Wenn    das  Brennholz    raucht    und  nicht 
brennt  (siba-no  fxisxibori-te  mojemi),  so  nennt  man  dieses  iburu. 

Ife-de  (ije-de)  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  |jj  ^ 
,aus  dem  Hause  treten'  und  bedeutet  einen  Bonzen. 

Imaivari  (  ^  ^  )^  )j  ^  ist  so  viel  als  imai  (^  T  \L)- 
welches  seinerseits  für  ^^  imi  , fasten'  gesetzt  ist. 

Ima-si-ha-to,  welches  in  dem  Ko-kon-siü  vorkommt,  wird 
für  gleichbedeutend  mit  ima-ica  Jetzt  um  die  Zeit'  gehalten. 
In  dem  Man-jeo-siu  hat  ^  H^  ^  ^  ^ie  Lesung  ima-si-wa-jo 
und  die  nämliche  Bedeutung.  Si  ist  ein  Ruhezeichen  (jasume- 
^1  zi),  eine  die  Ruhe  ausdrückende  Sylbe.  Wa-kun-siwori 
gibt  an,  es  scheine,  dass  man  in  der  Gegend  des  Tempels  von 
I-se  für  ima  Jetzt'  das  Wort  hria-si  gebraucht. 

Für  imasu  , weilen'  findet  sich  in  dem  Jen-gi-siki  auch 
imasafu.  \n  dem  Man-jeo-siü  hat  imasu  den  Sinn  von  ini- 
masu  ,weggehen'  und  wird  desswegen  auch  ^  ^  (ini-masu) 
geschrieben. 

Imasu-gari  hat  den  Sinn  von  imasi-ge-aru  ,das  Weilen 
haben'.  Man  sagt  auch  ima-zo  kari-keru.  Nach  einer  Angabe 
könnte  dieses  den  Sinn  von  ima-zo-to  toki-meku  .gegenwärtig 
gedeihen'  haben.  In  dem  Geschlechte  Gen  findet  sich  der  Aus- 
druck imaiiu-garafu-ja.  Demselben  wurde  der  Sinn  von  masi- 
masu-ja  ,hat  man  seinen  Wohnsitz?'  beigelegt. 

Imi-ja  soll  dasselbe  sein,  was  heutzutage  jo-mija  , Nacht- 
palast', d.  i.  Nachfeier  genannt  wird. 

In-hl  ist  gewöhnlich  die  Lesung  von  ^  *j^.  Eine  andere 
Lesung  ist  in-ko.  Es  ist  ein  erneuertes  Feuer  (aratame-si  ß) 
und  der  Name  des  Gottes  des  kaiserlichen  Herdes. 

In-no  ko.  Wenn  kleine  Kinder  erschrecken,  sagt  man 
in-no  ko-in-no  ko.  Es  hat  die  Bedeutung  ^p  -^  in-no  ko 
, Siegel'.  Man  drückt  nämlich  den  kleinen  Kindern,  welche  in 
den  Garten  des  Heiligthumes  gebracht  werden,  das  Siegel  der 
kostbaren  Perlen  auf  die  Stirn.  Nach  einer  Erklärung  bedeutet 
es  -^  (inu)-no  ^  (ko)  ,der  Hund  kommt'.  Es  sei  eine  Be- 
schwörung,   indem  man  durch  den  Hund,  welcher  kommt,  das 


Nachträge  zu  japaDischer  DialectforBchung.  OO 

Unrecht  abwehren,  das  Richtige  bewachen  lässt.  Desswegen 
schreibe  man  auf  die  Stirn  des  kleinen  Kindes  mit  Schminke 
(jen-zi)  das  Zeichen  -^  inu  ,Hund^  Einige  sagen,  dieses  habe 
seine  Begründung  in  dem,  was  in  dem  chinesischen  AVerke 
,das  Durchdringen  der  Sitten  und  Gewohnheiten*  von  den 
Gewohnheiten  des  Reiches  Thsu  gesagt  wird.  In  dem  ge- 
nannten Werke  heisst  es:  Am  achten  Tage  des  achten  Monats 
betupft  man  die  Stirne  der  kleinen  Kinder  mit  rother  Tinte, 
wendet  ein  Brennmittel  des  Himmels  (  ^  ^ö  thien-kieii)  an 
und  unterdrückt  dadurch  die  Krankheiten. 

Imu-tefu  tsuki  bedeutet:  ,der  Mond,  von  dem  es  heisst, 
dass  man  ihn  vermeidet'.  Es  wird  gesagt:  Man  vermeidet  es, 
in  einsamem  Nachdenken  den  Mond  anzublicken.  Auch  in 
den  Gedichten  des  chinesischen  Dichters  Pe-lö-thien  heisst  es: 
Vor  dem  Mondlicht  an  die  Vergangenheit  denke  nicht.  Es 
verdirbt  deine  Züge,  es  verringert  deine  Jahre. 

In  einem  Buche  hat  imu-tefu  tsuki  auch  den  Sinn:  Der 
Monat,  von  dem  es  heisst,  dass  man  ihn  vermeidet.  Es  ist 
daselbst  von  dem  fünften  Monate  des  Jahres  die  Rede  und 
wird  auf  den  in  diesem  Monate  fallenden  Regen  (sa-mi-dare) 
gedeutet. 

I-me-bito,  durch  M^  ^  ^  (i-me-hito)  ausgedrückt,  be- 
zeichnet in  dem  Man-jeo-siu  den  Schützen  des  Jagdgrundes 
(kari-ba-no  i-te).  Die  Verbindung  i-me-bito-no  fusi-mi  ,der 
Schütze  lauert'  bezieht  sich  auf  den  Schirm  (ma-busi),  weil 
der  Schütze  sich  daselbst  versteckt  und  zielt. 

Imofi  (imo-i)  ,das  Fasten'.  Man  tindet  auch  imifi.  Imi 
bedeutet  , vermeiden'.    Fi  steht  für  ifi  (i-t)  , Reisspeise'. 

Imofori  ist  die  Lesung  von  ^^  , fasten'.  Es  steht  für 
imatoari,  welches  seinerseits  die  Verlängerung  von  imi. 

Imofori-  j^  qb  (bo-zu)  ,ein  Bonze  des  Fastens'  soll  einen 
Bonzen  bezeichnen,  welcher  bloss  fastet,  sonst  aber  den  Weg 
und  die  Tugend  nicht  besitzt. 

Von  ija  ,nein'  abgeleitet  sind  die  Ausdrücke  ija-ico  ,Nein 
oder  Ja'  und  ija-rasi  , widerlich'. 

Ijaru  steht  in  der  gemeinen  Sprache  für  iß-jaru  (i-i-jaru) 
,das  Wort  senden'. 

Iju  steht  für  ijeru  ,genesen'.  Davon  das  Transitivum 
ijasu  , heilen'. 


36  Pfizmaier. 

^  ^^  ^^  T-jo-man  ,das  Wuchern  des  Reiches  I-jo'  be- 
zeichnet wuchernde  Pflanzen. 

Ira-nalcu  wird  für  ^  (ira)-nakn  ,rauh'  auch  , ärgerlich' 
gehalten,  wobei  naku  ein  Ililfswort  sein  soll.  Man  glaubt,  ira- 
nageku  sei  dasselbe.  Es  werden  folgende  Stellen  angeführt. 
Aus  dem  Jamato-mono-gatari :  ije-sama-no  ito  ira-nakn  vari-ni- 
taru  ,der  Herr  des  Hauses  ist  sehr  ärgerlich  geworden^  Aus 
dem  U-dzi-siü-i:  ira-naki  tatsi-wo  migaki  ,ein  rauhes  Schwert 
schleifen'.  Ira-naku  siroki  o-o-kagami-ni  kono  mono-kaki  fun- 
hasami-ni  fasami-te  ,er  steckte  ärgerlich  diesen  Geschicht- 
schreiber hinter  einen  grossen  weissen  Spiegel  wie  zwischen 
einen  Bücherhalter'.  Ira-naku  furumai-te  ,sich  ärgerlich  be- 
nehmend'. Aus  dem  Tsure-dzure-gusa:  osi-te  koto-goto-siku  mu- 
suhi-ide  nado-site  ira-naku  furumai-te  ,das  Siegel  auf  übertriebene 
Weise  knüpfend  (d,  i.  Beschwörungen  machend),  benahm  er 
sich  ärgerlich'. 

Ira-nageku  kommt  in  dem  Nippon-ki  und  dem  Man-jeo- 
siü  vor.  Man  gibt  dem  Worte  den  Sinn  von  ^  t^  ira- 
vageku  , heftig  oder  schmerzlich  klagen'.  Nach  einer  Erklärung 
ist  nageku  ein  Hilfswort  gleich  iiaku   in    dem   obigen  ira-naku. 

Auf  den  Lieu-kieu-Inseln  heisst  ein  tiefer  abgelegener  Ort 
allgemein  iri.     Man  leitet  es  von  iru  , eintreten'  ab. 

Iri-foga,  gewöhnlich  durch  [^  |J^  , herumgedreht  und 
gekrümmt'  ausgedrückt,  wird  in  einem  Buche  ^  ^j»  , ausser- 
halb des  Eintritts'  geschrieben.  Das  Werk  Ja-kumo-on-seo 
, kaiserliche  Aufzeichnungen  der  acht  Wolken*  sagt:  Koto-no 
fa-no  iri-foga  ,die  eintretende  Krümmung  der  Worte'  sind 
Darlegungen  wie  kiri-no  ari-ake  ,der  Tagesanbruch  des  Nebels', 
kaze-)io  jü-gure  ,der  Abend  des  Windes',  tsujn-fukete  ,der  Thau 
ist  tief,  kumo-takete  ,die  Wolken  sind  hoch'.  Hierzu  bemerkt 
das  Wa-kun-siwori,  das  Wort  habe  die  Bedeutung  ^^  ^  ^ 
iri-fo-ka  , Geruch  des  röstenden  Feuers'  und  möge  iu  der  That 
das  Ferngehaltene  (toioo-zakari-taru)  ausdrücken. 

Statt  ire-zumi  ^Brandmarken  mit  Tinte'  sagt  man  auch 
ii^e-bokuro. 

Iicake  (^  y  ^)  hat  in  dem  Nippon-ki  die  Bedeutung 
,in  Schrecken  gerathen'  und  ,athemlos  sein'. 


Nachträge  zn  japanischer  Dialectforschung.  37 

Für  ureioasi-ki  koto  ,Betrübniss'  wird  auch  bloss  u  gesag-t. 
So  in  dem  Ausdrucke  ann  u  jo-no  naka  ,o  die  betrübnissvolle 
Welt!' 

ü  als  Lesung  von  ^  , erlangen'  ist  die  Lautumwendung 
von  je.  Man  meint  damit  uru  , erlangen',  welches  für  jeru  ge- 
braucht wird. 

U-uru  (^^7     "*    )]_^j  steht  für  ujuru  odar  %i-erii  , pflanzen'. 

In  dem  Zi-no  kagami  steht  ifi-ni  u~u  (  ^  tl  -^  ^  "*  ) 
für  vjuru  , hungern',  in  dem  Nippon-ki  für  dasselbe  Wort  die 
Form  ifi-ni  ete  (^  ^  tl  -^  I  7^)-  ^^  das  nirgends  erklärt 
wird,  kann  hier  nur  , Reisspeise'  bedeuten. 

Uje-fuseri  bedeutet:  erschöpft  darniederliegen.  In  dem 
Nippon-ki  ist  woje  (^  X)  die  Lesung  von  /^  ,abgemagert' 
und    ^    , ermattet'.     Uje  und  woje  gehen  in  einander  über. 

Ukan  ist  in  dem  Zi-no  kagami  die  Lesung  von  vicj| 
, Wildgans'.  Kari  allein  bedeutet  sonst  ,Gans'.  Man  glaubt, 
dass  u  die  Bedeutung  -^  ,gross'  haben  könne. ' 

Ukari-keru  steht  für  uku  ari-keru  ,man  ist  traurig  ge- 
wesen'. 

Uki  bedeutet  in  gewissen  Verbindungen  eine  aus  Schlamm 
gebildete  schwimmende  Insel  (doro-no  uki-su).  Beispiele  sind 
nki-ni  fafu  asi  ,das  auf  der  schwimmenden  Insel  kriechende 
Schilfrohr',  vki-ni  ofuru  aja-me  ,die  auf  der  schwimmenden 
Insel  wachsende  Schwertlilie',  sawa-da-no  uki , die  schwimmenden 
Inseln  von  Sawa-da'.  Das  Wort  uki-nu  , schwimmender  Teich' 
ist  dasselbe. 

Uki  bedeutet  auch  einen  Weinbecher  (sakadzuki).  In 
dem  Ko-zi-ki  ist  iiki  die  Lesung  von  ^  ^  (midzu-dama) 
,Krystall'. 

Uki-su  ist  jl^  ^|i|  uki-su  , schwimmende  Insel'.  Man  sagt 
nami-no  uki-su  ,die  schwimmenden  Inseln  der  Wellen'. 

Uki-su,  in  der  Bedeutung  jj^  M.  uki-su  , schwimmendes 
Nest',  wird  von  dem  Neste  der  Tauchente  gesagt. 

Für  ugomeku  ,nach  Art  des  Gewürmes  kriechen'  findet 
sich  in  dem  Geschlechte  Gen  auch  loogomeku.  Denselben  Sinn 
hat  ugo-ugo. 


Wolil  nur  in  Folge  von   Lautumweudniig,  da   ~Tr  .gross'    in   Zusammen- 
setzungen   ;7J~    o  gelesen  wird. 


38  Pfizmaier. 

ügo-nafaru  (■ugo-vawarn)  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung- 
von  ^  ,sich  versammelnd  Man  findet  auch  ^  -j^  (vgo- 
nmoari-fanheru)  und  ^  ^  (via-tigo-mawani).  In  dem  j^  j)^ 
(gi-siki)  heisst  es:  0.  ^  liest  man  ma  tut  «■  A;o  na  /a  re  ru 
(mai-ugo-naioarern).  j\Ian  saj^t  auch  ugo-matcari  (^  Zf  ^ 
)^  Ij  )  und  xigo-mari  [p  Zt  ^  ))  ).  Dem  Worte  liegt 
ugo  ,das  Kriechen  des  Gewürmes'  zu  Grunde.  Nafari  ist  die 
Dehnung  von  nafu  ,drehen'. 

UsK-judzuru,  in  dem  Ko-zi-ki  vorkommend,  wird  durch 
j5§  3^  , vorgerichtete  Bogensehne'  erklärt.  g|]  ^  Soje-dzuru 
jzugetheilte  Bogensehne'  ist  dasselbe,  vielleicht  auch,  wie 
geglaubt  wird,  kaknsi-dzuru  ,verborgene  Bogensehne'.  Die 
eigentliche  Bedeutung  von  usa  wird  nicht  angegeben.  ^  ^ 
U-sa  ist  ein  Kreis  des  Reiches  Bu-zen. 

Usiro-jasuki  und  usiro-garoki,  welche  in  Erzählungen  (mono- 
gatari)  vorkommen,  sind  das  Gegentheil  von  usiro-me-tasi  ,be- 
sorgt',  haben  also  die  Bedeutung  ,un besorgt'.  In  dem  mit 
wahren  Schriftzeichen  geschriebenen  I-se-mono-gatari  wird  usiro- 
me-tasi  durch  ^  §  •^  ausgedrückt,  w^obei  tasi  als  itasi 
, schmerzen'  betrachtet  wird.  Man  sagt,  das  Wort  habe  den 
Sinn  von  kokoro-moto-nasi  ,furchtsam'.  Das  im  gemeinen  Leben 
übliche  usiro-he-ta-nai  soll  die  verderbte  Aussprache  von  usiro- 
me-tasi  sein.  Nai  ist  dabei  ein  Hilfswort.  In  dem  Sen-siü-seo 
findet  sich  usiro-me-ia-naki  koto  ^Furchtsamkeit'. 

Für  -4c  usern  , verlieren'  findet  sich  die  Lesung  tisu. 

Usu-fata  ist  so  viel  als  usu-mono  ,Flor'.  Man  gibt  dem 
Worte  die  Bedeutung  usu-fata  , dünner  Webstuhl'. 

Uso  ,Lüge'  wird  von  Einigen  für  die  Lautumwendung 
von  woso  gehalten.  Woso  ist  ein  altes  Wort,  welches  ebenfalls 
,Lüge'  bedeutet. 

^1  Uso  , Fischotter'  ist  die  Lautumwendung  des  gewöhn- 
lichen woso. 

Es  gibt  einen- Vogel,  welcher  nso  (V7  yj  genannt  wird. 
Der  Name  hat  die  Bedeutung  mit  uso-fnku  , pfeifen'  gemein. 
Wenn  dieser  Vogel  singt,  hebt  er  abwechselnd  beide  Füsse 
und  thut  als  ob  er  die  Harfe  spielte  und  die  Hände  bewegte. 
Im  gemeinen  Leben  sagt  man  uso  koto-ioo  fiku  ,der  Vogel  Uso 
spielt    die  Harfe'.     Das  Männchen    heisst    teri-nso    und    kommt 


Nachträge  zn  japanischer  Dialectforschung.  39 

auch  in  Gedichten  vor.  Es  ist  derselbe  Vogel,  den  man  masiko- 
dori  , Hänfling*  nennt.    Das  Weibchen  heisst  ama-uso. 

Uso-fuku  , pfeifen'  bedeutet:  den  Gesang  des  Vogels  Uso 
nachahmen.  In  dem  Zi-no  kagami  steht  dafür  ?/som«  T^  "^  2^\ 
In  den  Erzählungen  finden  sich  die  Formen  iiso-ittsi-faki-te 
und  7iso-tco  fuku.  Der  8iun  ist  derselbe  wie  in  dem  Worte 
fato-fvkii  jgleich  einer  Taube  pfeifen'. 

Es  gibt  eine  Maske,  welche  vso-fnki  ,das  Pfeifen'  heisst. 
Dieselbe  hat  den  Gesichtsausdruck  eines  Pfeifenden. 

üdaku  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  t"^  ,in  die 
Arme  nehmen'.     Gewöhnlich  sagt  man  idakn. 

Utage  ist  in  dem  Nippou-ki  die  Lesung  von  -B.  ,ein  Fest'. 
Man  hält  es  für  die  Zusammenziehung  von  titsi-age  ,das  Erheben', 
nämlich  das  Erheben  des  Bechers.  Die  Erklärung  uta-age 
in  dem  Sinne  von  , Lieder  singen  und  den  Becher  erheben'  wird 
für  minder  wahrscheinlich  gehalten. 

Utagaioaraku-ioa  ,es  ist  zu  zweifeln'  ist  so  viel  als  titaga- 
waru-wa.    Die  Rückkehr  von  raku  ist  ru. 

Für  ntata-ne  ,sich  niederwerfen'  sagt  man  im  gemeinen 
Leben  korobl-ne. 

Für  nta-jomi  ,Diciiter'  sagt  man  auch  jomi-hito. 

üta-ura  ist  das  Wahrsagen  aus  Gedichten  und  Liedern. 
Eine  ähnliche  Wahrsagung  heisst  tan-zaku  no  ura  ,das  Wahr- 
sagen aus  kurzen  Schrifttafeln'. 

Uta-atvase  ,em  Wettstreit  der  Dichter'.  Ein  solcher  war 
seit  den  Zeiten  des  Kaisers  Mura-kami  (947  n.  Chr.)  an  dem 
Hofe  von  Mijako  Sitte  gewesen. 

Uta-giisari  ,eine  Kette  von  Gedichten'  ist  etwas  wie  mon- 
zi-gnsari  ,eine  Kette  von  Schriftzeichen'.  Man  hat  auch  ,drei 
Ketten'  (mi-tsu-gusari)  und  Insectenketten   (musi-giisari). 

Utsi-hi-sasn,  durch  ^  Q  ^j  ausgedrückt,  hat  die  Be- 
deutung, dass  durch  die  Zwischenräume  eines  Gegenstandes 
die  Sonne  hereinscheint.  Die  in  dem  Man-jeo-sivi  vorkommende 
Verbindung  iitsi-hi-sasu  o-o-mija  ,der  grosse  Palast,  durch  welchen 
die  Sonne  herein  scheint',  bezeichnet  den  hohen  Bau  des 
Palastes. 

Udzvi  -mono  ,ein  mit  verschränkten  Beinen  sitzender 
Mensch'  bezeichnet  im  gemeinen  Leben  einen  stolzen  Menschen 
(ogoru-monp). 


40  Pfizmaier. 

Utsuwo  (^  ^  ^ )  ;^io^i^'  wird  in  der  verschlossenen 
Abtheilung  des  kaiserlichen  Palastes  für  ßtomozi  , Zwiebel'  ge- 
sagt. Auch  in  der  Liedersammlung  der  Bediensteten  (siohi-iim) 
findet  man  utsuwo-gnsa  ,die  hohle  Pflanze*. 

ütsuwo-ki  bedeutet:  hohler  Baum. 

Utsuioo-hune  ,hohles  Schiff'  ist  ein  aus  einem  einzigen 
Baum  stamme  verfertigter  Kahn. 

Für  ndzukumant  ,hocken'  findet  man  in  dem  Ko-zi-ki 
auch  udzusumori  (^  ^*  X  ^  U  )^  ^"  ^^^"^  Man-jeo-siü 
ususumari  (^    X     ^     ^     U  )•     Gegenwärtig   sagt    man    tsu- 

kuhh  (y  //  )t  7> 

Utsusi-gokoro  ,das  abspiegelnde  Herz'  bedeutet  das  sicht- 
bare Herz,  die  ofienkundigen  Gedanken.  Dasselbe  ist  utsuri- 
gokoro.  Man  findet  in  Gedichten  auch  utsu-semi-no  vtstisi-gokoro 
,das  abspiegelnde  Herz  der  hohlen  Grillen'. 

Utsn-bu-si-zome  ,die  Färbung  der  hohlen  Galläpfel'  be- 
zeichnet die  schwarze  Farbe  (kvri).  Man  sagt,  der  Ausdruck 
laute  so,  weil  der  Gallapfel  (j^  ^  ß(-si)  inwendig  hohl  ist. 
In  einem  in  dem  Jamato-mono-gatari  enthaltenen  Gedichte  wird 
ntsu-bv-si  , bohler  Gallapfel'  im  Sinne  von  uisuhuai  ,auf  dem 
Angesicht  liegen'  genommen. 

Utsnroi-sakari-naru  ,verblasst  in  seiner  Fülle  sein'  wird 
in  dem  I-se-mono-gatari  von  der  Goldblume  (^^  kiku)  gesagt. 
Dieselbe  steht  in  ihrer  Fülle,  nachdem  ihre  Farbe  verblichen 
ist.    Utsuroi-kikti  ,die  verblasste  Goldblume'  ist  eine  Kleiderfarbe. 

Ufoburv  und  ufobi  sind  alte  Ausdrücke  für  utomu  ,fern 
stehen,  entfremdet  sein'. 

U-na-ja  ( ^  -)-  -^  ^  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung 
von  Jj^  , Gitter'.  Es  soll  dem  in  der  gemeinen  Sprache  üblichen 
n-Ja  na-jn  (^  ^  -j-  "^j  '  nahe  stehen.  Es  wird  gefragt, 
ob  es  vielleicht  den  Sinn  von  nku  najamasi-kl  , betrübt  und 
leidend'  habe.  In  den  kaiserlichen  Aufzeichnungen  der  acht 
Wolken  heisst  es:  U-na-ja  ist  ein  Ort,  in  welchem  man  die 
Menschen  einschliesst  (fito-ivo  komuru  tokoro). 


1  Dieses    Wort    wird    sonst    nirgends    verzeichnet,    ist    auch    unerklärbar, 
wenn  nicht  das  sogleich  angeschlossene  uka  najawasi-ki  die  Erklärung  ist. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschnng,  41 

Unn  (^  J^  )  ist  die  Lesung  von  -^  ,Hund'.  Es  wird 
für  eine  Lautumwendung-  des  ebenfalls  für  inu  vorkommenden 
enu  gehalten. 

Das  beim  Schmähen  gebrauchte  unu  (^  ^^  ^  wird  für 
eine  Lautumwendung  des  Pronomens  onore  gehalten. 

In  Ki-so-dzi  in  dem  Reiche  8ina-no  bedeutet  uneri 
(  ^    -J-     )j  )  eine  kleine  Bergtreppe  (/J^  f^  ko-saJca). 

Une-me  ,eine  Aufwärteriu  des  Himmelssohnes',  ein  Wort 
von  ungewisser  Abstammung,^  wird  auch  vne-fe  (^  ^  *-^) 
geschrieben.  Diese  Aufwärteriunen  wurden  ehemals  aus  sämmt- 
lichen  Reichen  gewählt.  Man  unterschied  ^  ^  (fai-zen)-no 
une-me  ,Aufwärterinnen  für  das  Auftragen  der  Speisen^  und 
^  J[^  (kami-age)-no  une-me  , Aufwärterinnen  für  das  Erheben 
des  Haupthaares'.  Einige  sagen,  die  letzteren  hiessen  so,  weil 
sie  durch  ihr  ganzes  Leben  den  Dienst  des  Auftragens  der 
Speisen  verrichteten,  sich  eines  Kopfputzes  von  grünen  Muscheln 
bedienten  -  und  das  Haupthaar  erhoben.  Es  seien  in  Wirklich- 
keit nicht  zweierlei  Dienste  gewesen.  Gegenwärtig  ist  eine 
Classe  dieser  Aufwärterinnen  die  ^J  Q  To-zi.  Die  zweite 
Classe,  als  ^^p  ^  ß^  (mi-suje-kasiraj  bezeichnet,  heisst  o-a- 
tsija    (yj-    Y    =f-    ~V)-     I^ie    dritte    Classe    heisst    o-wa-kaka 

In  einem  Werke  findet  sich  itsiiki-mija-no  une-me  , Auf- 
wärterin des  Bethauses'.  In  dem  Ko-zi-ki  ist  von  dreierlei 
Aufwärterinnen  (une-me)  die  Rede. 

In  dem  Kreise  Mi-je  in  dem  Reiche  I-se  gibt  es  ein  Dorf 
Namens  5^  -^  Une-me.  Es  ist  ein  Ort,  aus  welchem  solche 
Aufwärterinnen  stammten. 

Uha  bedeutet  , Grossmutter'  und  , altes  Weib'.  Man  sagt 
auch  oha.    Gegenwärtig  gebraucht  man  es  für  menoto  ,Amme 


l 


'  Die  Angabe,  dass  es  den  Sinn  von  nnoi-mf  .Mädchen  des  herabhängenden 
Haupthaares'  haben  könne,  ermangelt  der  Begründung.  Das  Wort  wird 
in  China  wie  in  Japan  durch  ^^  --fr  ausgedrückt.  In  China  bedeuten 
diese  Zeichen :  ausgewähltes  Mädchen. 

"  ^ffl  '^i'en>wo  .life,  ein  Wort,  wobei  ^[J|  wohl  unzweifelhaft  die  Ab- 
kürzung von    ^g    ^{Q    fra-den)  ist. 

3  Die  Wörter  n-a-lnijd  und  o-ira-kaka  kommen  sonst  nirgends  vor  und  läast 
sich  ihre  eigentliche  Bedeutung  nicht  mit  Gewissheit  bestimmen. 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  I.  Hft.  4 


42  Pfizmaier. 


üba-me,  uha-  ^^  (siba),  uba-tarasi,  uba-korosi  sind  Namen 
von  Bäumen.      Uha    hat   in  ihnen   die  Bedeutung  , altes  Weib'. 

Uba-ga  ito  ,Fäden  des  alten  Weibes'  bezeichnet  das  Tuch 
von  I-ga  (i-ga-nuno). 

Uha  ist  auch  der  Name  einer  Muschel. 

üha-ga  ike  ,der  Teich  des  alten  Weibes'  ist  ein  Teich 
auf  dem  Wege  des  östlichen  Meeres.  ^  Wenn  man  ?/6a  ,altes 
Weib'  ruft,  so  sprudelt  aus  diesem  Teiche  Schaum  hervor.  Bei 
der  Quelle  pfjj  ^  Tö-thsiuen  in  China  ist  etwas  Aehnliches 
der  Fall.  Diese  Quelle  befindet  sich  im  Norden  des  Klosters 
*^  ^4^  Tsing-kiai.  Wenn  Menschen  zu  dieser  Quelle  kommen 
und  stark  schreien,  so  sprudelt  das  Wasser  stark  hervor.  Wenn 
sie  ein  wenig  schreien,  so  sprudelt  es  ein  wenig  hervor.  Wenn 
sie  die  Quelle  anschreien,  so  sprudelt  das  Wasser  immer 
stärker  hervor. 

Uba-gami  ,der  Gott  des  alten  Weibes'  ist  ein  Gott  in 
dem  Tempel  von  Asa-gusa  zu  Je-do. 

Uica-nari  ist  die  Lesung  von  ^j^  ^  ,die  spätere  Gattin'. 
In  dem  Zi-no  kagami  ist  das  Wort  die  Lesung  von  ^^  , hassen'. 
«Denselben  Sinn  hat  das  in  dem  Nippon-ki  vorkommende  xuoa- 
nari-netami.  Uwa  , auswendig'  bedeutet  , doppelt  sein'  (kasanaru). 
Nari  ist  so  viel  als  narahi  , gleichgestellt  sein'.  Die  Rückkehr 
von  ra  hi  ist  ri. 

Uiva-nari-no  ju  ,das  heisse  Wasser  der  zweiten  Gattin' 
ist  eine  heisse  Quelle  des  Kreises  Ari-ma  in  dem  Reiche  Setsu. 
Man  sagt,  wenn  sie  den  Ton  von  Schritten  hört,  so  sprudle 
sie  zornig  hervor.  Die  spuckende  Quelle  (\^  ^  tho-thsiuen) 
in  China  soll  dieselbe  Eigenschaft  besitzen. 

Uwa-nari  ist  auch  der  Name  eines  Berges  in  Jamato. 

U-ha-tama  , Edelstein  der  Rabenflügel'  steht  in  dem  Ko- 
kon-siü  für  nu-ha-tama,  durch  welches  Wort  in  Gedichten 
gewöhnlich  die  Nacht  bezeichnet  wird. 

Ufe  (vje)  ,oben'  wird  einigen  Benennungen  als  Ehren- 
ausdruck angehängt.  So  tsitsi-uje  ,der  Vater',  fawn-nje  ,die 
Mutter',  ane-iije  ,die  ältere  Schwester',  ani-uje  ,der  ältere  Bruder', 
^    (ni)-vje  ,die  Nonne'. 


'  Der  Weg  des  östliclieu  Meeres  ffo-kai-doj  umfasst  fünfzehn  Reiche.     Das 
Reich  wird  hier  nicht  genannt. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectfoischung.  43 

Uvia-zi-mono,  ein  in  dem  Man-jeo-siü  vorkommendes  Wort, 
ist  so  viel  als  vma-fo  iü  mono  ,ein  Wesen,  welches  man  Pferd 
nennte  Es  ist  ein  Ausdruck  M'ie  inu-zi-mono  ,ein  Wesen,  welches 
man  Hund  nennt'. 

Uma-i-mo  nezv,  das  in  dem  Man-jeo-siü  vorkommt,  hat  die 
Bedeutung-:  nicht  fest  schlafen.  In  dem  Nippon-ki  findet  sich 
\ima-me-si  ,fest  geschlafen  haben',  ein  Wort,  von  welchem  ge- 
sagt wird,  dass  es  heutzutage  noch  im  gemeinen  Leben  üblich 
ist.    Uma  hat  in  beiden  Ausdrücken  die  Bedeutung-  ,süss'. 

Uma-no  fana-mtike  ist  in  dem  Zi-no  kagami  die  Lesung 
von  ^*  ,ein  Geschenk  von  Speise'.  ^fe  mit  derselben 
Lesung  ist  ein  Geschenk  von  Waaren.  Das  Wort  hat  die 
Bedeutung-,  dass  man  einen  abreisenden  Menschen  begleitet  und 
ein  Geschenk  vor  der  Nase  des  Pferdes  darreicht  TM  ^  [hJ 
uma-no  fana-muke).  Man  sagt  jetzt  abgekürzt  fana-mtike.  In 
dem  Siü-Lsiü  ist  sen,  das  Koje  von  -^  zu  sehen.  Es  wird 
dadurch  ausgedrückt,  dass  man  bei  dem  Antritte  der  Reise 
betet  und  um  auf  dem  Wege  keinen  Unfall  zu  haben,  dem 
Gotte  des  Weges  ein  Handopfer  reicht  (kado-ide-ioo  iwai-te 
db-tsiü  tsutsuga-nakaran   tame-ni   sai-no    kami-ni  ta-viuke-suru). 

Umuki  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^  ^^ 
, weisse  Muschel'.  Das  Wort  wird  durch  J^  ^  JS  iimi-tsu 
kuri  , Meerkastanie'  erklärt.  Die  Rückkehr  von  mi  tsu  sei  mw, 
die  Rückkehr  von  kui'i  sei  ki.  Man  hält  es  auch  für  so  viel 
als  -0:  ^  omo-kafi  , Muttermuschel'.  Omo  und  vmu  seien 
derselbe  Laut,  ki  sei  die  Rückkehr  von  kaß.  In  dem  Wa-mei- 
seo  hat  J^  ^^  , Meermuschel'  die  Lesung  nmuki-no  kaß.  Hier- 
mit vergleicht  man  das  im  gemeinen  Leben  übliche  Wort  onnki- 
mij  welches  durch  ^\  ^S  miiki-mi  , abgeschälter  Ijcib'  aus- 
gedrückt wird.  Man  nennt  so  die  aus  ihrer  Schale  genommenen 
Muscheln  ffamaguri  karn-ivo  ide-tarn)  und  glaubt,  das  Wort 
könne  umuki-no  mi  ,Leib  der  Muscheln'  bedeuten.  Statt  nmtiki 
sagt  man  im  gemeinen  Leben  umi-famagnri  , Meermuscheln'. 
Zu  bemerken  ist,  dass  man  in  Büchern  für  umuki  allgemein 
timngi  findet. 

Umugasi-mi  (  ^  J^  'jf  l^  ^  )  ist  ein  in  dem  fort- 
gesetzten Nippon-ki  vorkommendes  Wort.  In  dem  Nippon-ki 
hat  ^a  , Tugend'  die  \je^\\n^  omugasi-mi  f'^J^'Jfiy    ^  ). 

4* 


44  Pfizmiiier. 

In  dem  Zi-no  kagami  ist  omngnsi  f  TJ"  ^  "Jf  ^)  die  Lesung 
von  1^  J^  , grosse  Beglückwüuschung,  grosse  Freude^  Die 
letzteren  zwei  Wörter  sind  mit  nmugasi-mi  gleichbedeutend. 
Man  liält  sie  für  so  viel  als  ^^  (omo)-no  [^|  (k(iwasi)-ki  ,von 
Angesicht    zugewendet^     Es    findet    sicli    aucli     vii-miikasi-mi 

(^  Ä  U  l^  z.} 

Umusuhi-matsiiri  ist  in  dem  Zi-no  kagami  die  Lesung  von 
(^  -\-  J;P^  ,das  Opfer  für  den  Vorsteher  des  Lebenloses^ 
Man  glaubt,  umiisuhi  könne  für  mnsuhi-no  kami,  den  Namen 
einer  Sintoogottheit,  gesetzt  sein. 

Umoreru,  durch   V^  , versunken    sein'  und   j^  , vergraben 

sein'  ausgedrückt,  steht  für  udzumoreru. 

Uja  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  äj^  , Gebräuche, 
Höflichkeit'.  Es  ist  die  Lautumwendung  von  icija.  Davon 
uja-nasi  , unhöflich'. 

In  der  Mundart  des  Reiches  Omi  sagt  man  ura  i"^  ^  ) 
für  ^v  (ica)  ,ich'.  Die  Rückkehr  von  ?f  ra  ist  tco.  Auch  in 
den  östlichen  Reichen  sagt  man  nrara  ( ^    ^     ^   ). 

Ura  steht  in  dem  Man-jeo-siü  häutig  für  ko-zuje  , Baum- 
wipfel'. Man  sagt  es  heutzutage  ebenfalls.  Es  bezieht  sich  auch 
auf  die  Blätter  der  Pflanzen.  So  in  den  Ausdrücken  vra-garete 
,an  den  Spitzen  vertrocknend',  ura-wakami  ,an  den  Spitzen  zart'. 

Durch  ura  , innere  Seite'  wird  oft  auf  das  Herz  gedeutet. 
So  in  den  Ausdrücken  ura-sahi-si  ,im  Herzen  still',  nra-ganasi 
,im  Herzen  traurig',  ura-medzii-rasi-ki  ,von  Herzen  auffallend', 
ura-tokete  ,im  Herzen  sich  lösend'.  Das  in  dem  Ko-zi-ki  vor- 
kommende iira-kofosi  ist  so  viel  als  kokoro-koi-si  ,das,  wonach 
man  im  Herzen  sich  sehnt'. 

Das  in  dem  Man-jeo-siu  vorkommende  ^llf  ^  vra-mi 
,die  Staubschüssel  der  Bucht'  ist  so  viel  als  nra-ica  ,die 
Krümmung  der  Bucht'. 

Ura  -  moto  -  nasi  hat  den  Sinn  von  kokoro  -  moto  -  nasi 
,  furchtsam'. 

Uri  ist  die  Lesung  von  JfJ^  , Melone'.  Die  Schreibart 
furi  wird  für  unriclitig  gehalten.  Ama-uri  ,die  süsse  Melone' 
wird  bei  dem  Worte  vorzüglich  gemeint.  IVIan  sagt  sowohl 
kara-uri  ,die  chinesische  j\Ielone'  als  ama-nri  ,die  süsse  Melone'. 
In    dem    Wa-mei-seö    findet    man    auo-uri   ,die   grüne   Melone', 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  45 

madara-uri  ,die  gefleckte  Melone',  siro-uri  ,die  weisse  Melone', 
ki-uri  ,die  gelbe  Melone'. 

Ure  (^7  ]y^  ist  .in  dem  Man-jeo-siü  die  Lesung  von 
^  ,Ende'.  Das  Wort  hat  den  Sinn  von  J^  (ufe,  vje)  ,oben'. 
Re  und  fe  gehen  in  einander  über.  Man  liest  fana-no  ure  ,die 
Spitze  der  Blume',  siisuki-710  ure-fa  ,die  obersten  Blätter  des 
langen  Grases',  fagi-no  ure-fa  ,die  obersten  Blätter  des 
Weiderichs'. 

In  dem  Fei-ke-mono-gatari  wird  iza-ure  i  -^  i)^^  ^  |y^ 
durch  ^^  ^  , wohlan  ich!'  ausgedrückt.  Ure  hat  daher  so 
wie  ara  die  Bedeutung  ,ich'.  In  dem  Man-jeo-siü  findet  sich 
ure-mu-zo  (  $?  1/  2^  V  )•  Es  ist  so  viel  als  loare-mo-zo 
,auch  ich'. 

Das  in  dem  Ko-kon-siü  vorkommende  urewasi-ki  koto  ist 
von  urefu  ,sich  betrüben'  abgeleitet. 

U-ro  ist  >B  *|^  (u-ro)  ,ein  Durchsickern  haben'  und 
kommt  in  Sanscritwerken  vor.     Ein  Gedicht  sas^t: 

U-ro-jori-mo  \  muro-ni  7^  (iri)-nuru  \  ^^  (mitsi)  nare-ha  ' 
koko-zo  ^^    (fotoke)-no  \  mi-moto  nari-keru. 

Durch  ein  Sickern  |  auf  dem  man  in  das  Haus  getreten,  | 
ein  Weg  da  es  ist,  |  so  ist  hier  des  Buddha  |  hoher  W^ohnsitz 
gewesen. 

Im  gemeinen  Leben  nennt  man  die  Höhlungen  alter  Bäume, 
die  Höhlungen  in  der  Mitte  der  Flüsse  und  andere  Höhlungen 
ebenfalls  u  -  ro.  Das  Wort  wird  von  Einigen  ( [J  -}~  77 )  g^" 
schrieben.  Dieses  Zeichen  wird  in  dem  Yö-pien  durch  jjj  j>^ 
schan-hitte  , Berghöhle'  erklärt. 

U-e-zi  (  ^  j^  2^  \  bezeichnet  bewegliche  Druckbuch- 
staben (  v^  ;^ ).  Man  gibt  dem  Worte  den  Sinn  von  ^ji!"  ^p 
(u-e-zl)  , gepflanzte  Schriftzeichen'.  Es  wird  gesagt,  dass  man 
zu  den  Zeiten  des  Kaisers  Tsutsi-mi-kado ,  in  dem  Zeiträume 
Gen-kiü  (1204  n.  Chr.)  anfing,  sich  beweglicher  Druckbuch- 
staben zu  bedienen. 


Je  iZL.)  "'ird  auch  für     ff    (ko-no  kami)  , älterer  Bruder' 
gesagt. 


46  P  f  i  z  m  ;i  i  e  r. 

Je  (X)  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^  ,Mutter- 
kuclien^    Man  sagt  sonst  je-na. 

Je  ( X )  ^Is  Lesung  von  |^  , erlangen'  wird  für  die 
Rückkehr  von  u  ke  gehalten.  Je  hat  in  diesem  Worte  auch 
den  Uebergang  in  ?t  (  ^  ^. 

§^  jWagen,  dürfen'  hat  nebst  afe^  oje  (  ^  -^)  die  Lesung 
je.  Die  Rückkehr  von  a  fe  ist  je.  So  in  den  Ausdrücken 
je-ko-zi  , nicht  kommen  dürfen',  köre  je-sa-mo  arazit  , dieses  darf 
nicht  so  sein',  je-fosi-ajezu  ,es  nicht  dahin  bringen,  dass  man 
wünschen  darf,  je-seki-ajezu  ,es  nicht  dahin  bringen,  dass  man 
verschliessen  darf.  Äfeza,  ajezu  ( y  *^\  ^  ^  ist  in  dem 
Man-jeo-siü  die  Lesung  von   ^  ^  , nicht  überwinden'. 

Je  als  Lesung  von  ^  , glücklich'  beruht  in  einem  Ueber- 
gange  von  jo  in  je.  So  in  den  Ortsnamen  sumi-no  je,  fi-je. 
Sonst  hat  ^  die  Lesung  josi  oder  jo.  In  dem  Ko-zi-ki  steht 
mi-jesi-no  für  mi-josi-no.  In  dem  Nippon-ki  steht  je-ken  für  jo- 
ken  ,es  wird  gut  gewesen  sein'.  Auch  gegenwärtig  sagt  man 
jei  für  joi  ,gut'. 

Je  ,Zweig'  ist  die  Abkürzung  von  jeda. 

Man  vermuthet,  dass  yX  (j^)  -Strom'  ursprünglich  so  viel 
als  je  , Zweig',  nämlich  Zweig  des  Meeres  (wohl  nur  in  Bezug 
auf  die  Mündung)  sein  könne.  Man  findet  in  Gedichten  foso-je 
, dünner  Strom',  nigori-je  , trüber  Strom',  fori-je  , Grabenstrom', 
nagare-je  ,fliessender  Strom'. 

Je  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von  ^  , Königs- 
kraut'.    Gegenwärtig  sagt  man  je-  ^^   j^  (go-ma). 

J^i  ( X  ^  )  ist  eine  Anfangspartikel  der  gesprochenen 
Sprache. 

Je-u-mazi  hat  den  Sinn  von  ^  ^  ^  je-u-zu  , nicht 
erlangen  dürfen'.  In  dem  I-se-mono-gatari  findet  sich  je-umazi- 
kari-keru  ,man  durfte  nicht  erlangen'. 

Je-n-fa-wi  (X$^)^^)  ist^^  (jo-ffti)  ,fern  sich 
verbeugen'.  Bedeutet:  Während  man  hier  weilt,  in  der  Ferne 
das  Jenseitige  verehren. 

Je-wo-dzi,  durch  jjfjj"  '^Ö  ausgedrückt,  bedeutet  den  älteren 
Bruder  des  Vaters.    Je  hat  die  Bedeutung:  älterer  Bruder. 

Je-ko  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  -^  -^  ,der 
älteste  Sohn^  Es  ist  so  viel  als  yf  -^p  (je-ko)  ,der  Sohn, 
der  ältere  Bruder'. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  47 

Je-simo  hat  die  Bedeutung  ^  (je)-simo  , dürfend  Simo 
ist  ein  Hilfswort.  In  dem  I-se-mono-gatari  findet  sich  fito-ico- 
ba  je-simo  wasurene-ba  ,wenn  man  die  Menschen  nicht  ver- 
gessen darf. 

Je-zo-siranu  , nicht  wissen  können'  wird  in  einem  Gedichte 
Jori-tomo's  auf  die  Menschen  von  Je-zo  bezogen.  Ein  ähnliches 
Wort  ist  je-zo  sugi-nu  ,man  konnte  nicht  vorüber  gehen'. 
Dasselbe  hat  zu  der  Benennung  einer  Kirsche,  ji'e-zo-  i^  (zakura) 
Anlass  gegeben.    Ein  Gedicht  Tei-ka's  sagt  nämlich: 

Je-zo  ^  (sugi)-nu  \  ^  (kore)-ja  ^^  J^  (suzu-ka)-no  \  ^ 
(seki)  naran   \  fnri-sute-gataki  \  ZfJ^    (fana)-no  j^   (kage)  kana. 

Wo  man  nicht  vorbei  konnte  '  |  dieses  vielleicht  des  Suzu- 
ka 1  Engpass  wird  sein.  |  Der  nicht  zu  verwerfenden  |  Blumen 
Versteck  ist  es! 

In  Erzählungen  sagt  man  sasage-mono  ßto-jeda  ,ein  einzelnes 
dargereichtes  Geschenk',  futa-jeda  ,zwei  dargereichte  Geschenke, 
u.  s.  f.  Jeda  hat  die  Bedeutung  , Zweig'.  In  dem  I-se-mono- 
gatari  heisst  es:  soko-baku-no  sasage-mono-wo  ki-no  jeda-ni  tsukete 
,man  befestigte  viele  dargereichte  Geschenke  an  die  Zweige  der 
Bäume'.  Dass  man  gegenwärtig  naga-jeda  , langer  Zweig'  für 
naga-bifsu  , lange  Kiste'  und  Aehnliches  sagt,  stammt  von  diesem 
Gebrauche.  Man  findet  in  Bezug  auf  Bogen  das  Wort  iku-jeda 
,wie  viele  Zweige'.  Ebenso  sagt  man  ßto-jeda  ,ein  Zweig'  in 
Bezug  auf  lange  Schwerter  (nagi-nata). 

Jeni-si  ist  das  Koje  von  -^  (Jen)  ,Beziehung'.  Si  ist  ein 
Hilfswort.  Jeni  steht  für  jen  gleichwie  ^  (zeni)  ,Geld'  für 
zen.  Man  gebraucht  es  in  Gedichten  häufig  von  den  Beziehungen 
der  Freundschaft.  Nach  einer  Erklärung  ist  das  Wort  so  viel 
als  ju-e-ni-si.  Die  Rückkehr  von  ju-e  sei  je  und  j^^  O^-ej 
bedeute  ebenfalls  die  Beziehung.  In  dem  I-se-mono-gatari  findet 
sich  auch  jeni  (  X    -^  )• 

In  dem  Utsu-wo-mono-gatari  heisst  es:  tsi-isaki  ko-no 
fnkaki  jnki-wo  icakatsi-te  asi-te  jebi-no  jo-nite  fasiri-kuru  ,das 
kleine  Kind,  den  tiefen  Schnee  zertheilend,  kommt  mit  Händen 
und  Füssen  nach  Art  eines  Hummers  gelaufen'.  Man  sagt  dieses 
noch  gegenwärtig. 


'  Suzu-ka  ist  ein  Berg  in  dem  gleichnamigen  Kreise  des  Reiches  I-se. 


48  Pfizmaier. 

In  dem  Wa-mei-seo  findet  sich  ^^  ||lg  -^  (u-ho-si) 
jschwtirze  Mütze'.  Im  geminnen  Leben  machte  man  auf  fehler- 
hafte Weise  J^  (u)  zu  ^  (je)  und  sagte  desshalb  je-bo-si. 
Indessen  ghuibt  man,  dass,  da  die  Laute  n-bo-si  und  ico-bo-si 
sich  nicht  gut  anhören,  man  in  Folge  einer  Lautumwendung 
je-bo-si  gesagt  haben  könne.  Es  wird  auch  e-bo-si  ( j^  7^*  z^ ) 
geschrieben. 

Tate-je-bo-si  , aufgestellte  schwarze  Mütze'  ist  eine  schwarze 
Mütze  von  der  ursprünglichen  Gestalt.  Kaza-wori-j e-bo-si  , wind- 
gebrochene schwarze  Mütze*  ist  eine  solche  Mütze  von  kürzerer 
Gestalt.  Statt  tate-je-hosi  sagt  man  auch  ßki-tate-je-bo-si.  In 
dem  Po-je-mono-gatari  heisst  es:  wori-je-bo-si  ßki-tatete  ,die 
gebrochene  schwarze  Mütze  ziehend  und  aufstellend'.  Andere 
Namen  sind  fiki-ire-j e-bo-si  ^hereingezogene  schwarze  Mütze', 
sabi-je-bo-si  ,schwarze  Mütze  von  der  Gestalt  einer  Haue', 
momi- je-bo-si  .geriebene  schwarze  Mütze',  kirameki- je-bo-si 
jschimmernde  schwarze  Mütze',  'i^  (safurai)-e-bo-si  ,schwarze 
Mütze  der  Aufwartenden',  ^  -^  :J7'  (nasi-ko-ittsi)-je-bo-si  ,die 
birnenwerfende  schwarze  Mütze^,  foso-je-bo-si  , dünne  schwarze 
Mütze',  IIP  j^  j;[j  (janagi-sa-bi)  , Weidenhaue',  vja-je-bo-si 
, schwarze  Mütze  der  Gebräuche',  juß -je-bo-si  , gebundene 
schwarze  Mütze',  j^  J[^  (to-zin)-j e-bo-si  , schwarze  Mütze  der 
chinesischen  Menschen'. 

In  dem  Fei-ke-mono-gatari  findet  sich  je-bo-si-no  ^^  ^ 
(tame-sama)  ,die  geraderichtende  Gestalt  der  schwarzen  Mütze'. 
Es  ist  dasselbe,  was  heutzutage  ifj*  (wori)  ,das  Brechen' 
genannt  wird. 

Dass  man  gegenwärtig  dreieckiges  Papier  auf  einen 
Todten  legt,  ist  eine  Hindeutung  auf  die  schwarze  Mütze  der 
Aufwartenden.  Man  sagt,  dass  die  Begleiter  des  Leichenzuges 
dieses  dreieckige  Papier  auflegen  und  bei  dem  Todten,  in  die 
drei  Ecken  vertheilt,  das  Zeichen  ^^  .zehntausend'  schreiben. 
In  der  Gegend  des  Kreises  Taka-sima  in  dem  Reiche  Omi 
hält  man  dafür,  dass  dieses  die  schwarze  Mütze  des  Auf- 
wartenden sei.  Bei  den  Anhängern  Buddha's  nennt  man  es 
W  ^  (fö-kuan)  ,die  kostbare  Mütze'. 

Je-bo-si-oja  ,der  Vater  der  schwarzen  Mütze'  ist  der  Gast 
bei  der  Feierlichkeit  des  Aufsetzens  der  Mütze. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschnng.  49 

Je-ho-si-gusa  heisst  in  der  Mundart  von  Je-do  die  Pflanze 
^  ^   ^%   (fi'^i^u-miakkon)  , Wurzel  der  hundert  Ädernd 

^^  Jen,  von  einem  Hause  in  der  Bedeutung-  ,Vorhaus^ 
gesagt,  ist  die  Abkürzung  von  ^  >^  (jen-db)  ,Weg  der 
Beziehung^ 

Jen-yari  bedeutet  ^  (jen)-garl-nite  Öj^  (jen)-naru  ficn- 
100  suru  , zierlich  sein  und  ein  zierliches  Benehmen  haben'. 
Man  findet  auch  jen-gari-jod-meku. 


Wo-awase  bedeutet  ^^  ^  ,die  Saiten  vereinigend  Es 
ist  so  viel  als  koto-wo  ßki-awasura  ,die  Harfe  stimmen'. 

Wo-nto  (  7^  ^  V*  )  bedeutet  ^  ,Mann'.  Das  gewöhn- 
liche icotto  (  7^   ^    }^  )  ist  eine   Lautumwendung.     Abgekürzt 

sagt  man  auch  woto  (  7^  }^  )•  So  das  in  dem  Kami-jo-bumi 
vorkommende  ivoto-me  statt  icotto -me.  In  dem  Zi-no  kagami 
findet   sich   loofnto  {  ^  y^   Y*  )■ 

Woje  (t'  31)  i^t  die  Lesung  von  ^^  , abgemagert'',  Wi 
,matt'  und  anderen  Zeichen.  In  dem  Wa-mei-seo  hat  ^  ,krank' 
die  Lesung  uje   (^  X}- 

Wo-'ioo-si  ( ^  ^  ly')  , männlich'  wird  im  Gegensatze 
von  me-me-siki  , weibisch'  gebraucht.  Wo  hat  die  Bedeutung 
,Mann'.     In  Erzählungen  findet  sich  die  Form   loo-wo-siü. 

Wowori  (  7^  "*  ij  )  soll  die  Bedeutung  haben  ,  dass  die 
jungen  Zweige  sich  seitwärts  biegen  (waka-jeda-no  towo-wo-ni 
7iahiku). 

Das  Fischbein  (kuzira-no  fige)  heisst  bei  den  Fischern 
lüosa  ,die  Spule'.  Man  sagt,  ein  Walfisch  habe  dreihundert 
sechzig  Stengel  (kugi)  Fischbein. 

Wosu  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^  , essen'. 
^  ^  0^^"^i-  "^'onii)  wörtlich:  ,ein  Reich  essen'  bedeutet:  ein 
Reicli  verwalten,  dessen  Einkünfte  beziehen.  Man  findet  auch 
knni-wosimu.  Die  Rückkehr  von  sl  mu  ist  mu.  Das  Wort 
wird  in  dem  Ko-zi-ki  auch  vom  Trinken  gebraucht.  Wosu- 
kuni  bedeutet:  ein  Reich,  welches  man  verwaltet. 

Wose  ist  in  dem  Nippon  -  ki  die  Lesung  von  ^  ^ 
_,essen  heissen'. 


50  Pfizmaier. 

Woserii  (  7  "t^  )\y )  ist  mit  foseru  , Hinblicken'  gleich- 
bedeutend. Man  tindet  woseri  -  wodzi  -  te  ,hinblickend  und  sich 
fürchtend'. 

Wotsi-nasi  (7^  ^  -}-  2>)  ist  die  Lesung-  von  »|||  J^ 
, schwach'  und  'h^  jfeig'- 

Wo-nari  (^~jr^))  ist  in  dem  Buche  der  Han  '  die 
Lesung  von  ^^  , ernähren'.  Es  hat  die  Bedeutung  JBjJ  ^^  , ver- 
mischtes Ernähren'.  Es  ist  dasselbe,  was  man  im  gemeinen 
Leben  ^vo-nari,  u-nari  und  tana-moto'^  nennt.  Nach  den 
Erklärungen  Kung-yang's  •''  bedeutet  ^^  , ernähren'  einen  Koch. 

Wofdru,  icovmru  (^  )^)L^)  , enden'  ist  die  Lesung  von 
7A  (sotsu).  Wenn  dieses  Zeichen  den  Tod  eines  Grossen 
bedeutet,  soll  ihm  das  Koje  sijiitsu  fiy^ZLy^)  zukommen. 
Das  gegenwärtig  übliche  Koje  sotsu,  wie  in  ^1  (sotsu- suru, 
sossuru)  , sterben,  von  einem  Grossen  gesagt',  wird  als  unrichtig 
bezeichnet. 

Wo-mo  kururu  ,herumdrehen'.      Wo  ist  ^^  wo  , Schnur'. 

Wo- ja  hat  in  dem  Kami-jo-bumi  die  Bedeutung  /J>  ^ 
(wo-ja)  , kleines  Haus', 

In  dem  Nippon-ki  hat  ^  ^  ^vergiften'  die  Lesung 
wojasi -jahuru.  Wojasi  hat  den  Sinn  von  woje  , krank'.  Die 
Rückkehr  von  ja  se  ist  je. 

In  dem  Nippon  -  ki  findet  sich  das  Wort  wo  -jarafuru 
{  7^  ~^  y  ^  )|y  j.  Man  erklärt  es  durch  ^  jg^  (icosi  -jaru) 
, wegessen'.  Wo  ist  die  Abkürzung  von  loosi  , essen',  jarafuru 
ist  die  Dehnung  von  jaru  , schicken'. 

Wori-fajasi  hat  die  Bedeutung:  frisch  gebrochen.  In 
dem  Man-jeo-siü  tindef  sich  kuku- tatst  wori-fajasi  , Rüben- 
sprossen frisch  gebrochen'.  In  dem  Reiche  Waka-sa  rufen 
die  Verkäufer  ihre  Waare  mit  den  Worten  aus :  kuku-tafsi-ja- 
kuku  -  tatst  -ja  ivori  -fajasi  -ja  -  wori  -fajasi  -ja  , Rübensprossen, 
Rübensprossen!  frisch  gebrochen ,  frisch  gebrochen!'  K^iku- 
tatsi  bedeutet,  dass  die  Sprossen  von  der  Wurzel  gepflückt 
sind  (kon - pon -jori  tori-taru).     Wori-fajasi  bedeutet,  dass  sie 


'  Die  Uebeisetzung  des  Buches  der  Hau.  Die  Stelle  wird  nicht  angegeben. 

2  Diese  drei   Wörter  sind  unbekannt. 

3  Die  Ueberlieferungen  Kung-yang's  zu  dem  Frühling  und  Herbst. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  öl 

aus  der  Mitte  gebrochen  und  auch  frisch  sind  (naka-fodo-jori 
wori-te  mata  woi-taru).  J^  (icoi)-tarii  bedeutet  in  dieser 
Erklärung  eigentlich  ,gewachsen',  d.  i.  frisch  gewachsen. 


Ka  in  trüber  Lesung  (ga)  hat  den  Sinn  des  Zeichens 
^  und  ist  ein  Hilfswort.  So  in  kimi-ga  jo  ,das  Zeitalter  des 
Gebieters^,  fu-zi-ga  ne  ,die  Wurzel  des  Fu-zi'.  Wenn  in  der 
gesprochenen  Sprache  ga  in  den  Fällen  gesagt  wird,  wo  man 
no  sagen  sollte,  so  klingt  es  wie  eine  Vernachlässigung  (oko- 
tari-kiko-urn).  In  Gedichten  drückt  es  keinen  Widerwillen 
aus  (kiraicade  jomeri).  In  dem  Auflesen  des  Hinterlassenen 
von  U-dzi  werden  in  die  Gedichte,  in  welchen  ga  vorkommt, 
Sachen  eingetragen ,  über  welche  man  zürnt  oder  lacht  (tita- 
nite  ga-to  jomi •  tani - loo  fara - tatsi - te  waraware - taru  koto-wo 
nose-tari). 

Man  glaubt,  dass  ^  (ka)  , Geruch'  das  Koje  ka-u 
(  7J  t^^  sein  könne  und  dass  man  sich  gewöhnt  habe,  es  für 
die  Lesung  zu  halten.  In  dem  Man-jeo-siü  ist  ka  häufig  die 
Lesung  von  ^  ,Luft'. 

^^  (ka)  , Mücke'  soll  nach  Einigen  von  kamu  ,beissen' 
abgeleitet  sein. 

Jahu-ka  bedeutet  ,Mücke  der  Dickichte'. 

In  dem  Zeiträume  Gen-roku,  in  dem  21.  Jahre  des  Cyclus 
(1704  n.  Chr.)  kam  aus  der  Halle  von  _|^  ^  Uje-no  in  Je-do 
Rauch  hervor.  Als  man  heimlich  hinsah,  brannte  kein  Feuer, 
sondern  es  waren  Mücken  (kakusi -  te  mire  -ha  ß- ni  arazu  ^^ 
ka  nari-keri).  Zunächst  ereignete  sich  dasselbe  in  der  Pagode 
von  Asa-kusa  in  Je-do. 

^  (ka)  -  no  tabako  , Mückentabak'  nennt  man  den  Stoff, 
in  welchen  die  Reiswürmer  (kome-musi)  sich  verwandeln. 

Kai  f'Jj  -^  j  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von 
;j»^  , Rudert  Ein  Ruder,  mit  welchem  man  vorwärts  rudert, 
heisst  ^  (iitsi)-kai  , schlagendes  Ruder'.  Ein  Ruder,  mit 
welchem  man  schräg  rudert,  heisst  ebenfalls  utsi-kai. 

Im  gemeinen  Leben  sagt  man  kai-ga  mawaru  mawaranu 
jdas  Ruder  dreht  sich,  es  dreht  sich  nicht'. 


Ö2  Pt'i  zra  ai  er. 

In  Fi  -  zen  gebraucht  man  kai  f  y(7  ^  }  für  icä  (oke) 
, Kübel'.  Mau  sagt  dalier  te-kai  statt  te-oke  , Handkübel'.  Man 
sagt,  dass  in  alten  Büchern  auch  midzu-kal  ,WasserkübeP 
vorkomme. 

Es  wird  vermuthet ,  dass  das  im  gemeinen  Leben  eine 
augenblickliche  Handlung  (tsio-to  si-taru  kotoj  bezeichnende 
kai  (  >(/  "f  )  ein  aus  ;|^  (kaki)  ,kratzen^  umgewendetes  Wort 
sei.  Kaku  , kratzen'  wei-de  so  wie  utsu  , schlagen'  mit  anderen 
Wörtern  verbunden.  So  in  kaki-komoru  ,sich  verstecken',  kaki- 
sutsuru  , wegwerfen',  kaki-kesit  , etwas  auslöschen'. 

.fiTai-tort  , Schlüsselhalter',  gewöhnlich  durch  (  ^ -|- ^^ )  ^ 
ausgedrückt ,  ist  der  Name  eines  Dienstes  für  die  Zeit  eines 
Festes.  Der  Inhaber  desselben  ist  ein  den  Vorstehern  unter- 
geordneter gemeiner  Mensch.  Es  gibt  einen  solchen  auch  in 
dem  göttlichen  Palaste  von  I-se. 

Kcd  -  kane  ist  in  dem  Wa  -  mei  -  seo  die  Lesung  von  ^ffl 
,Schulterbein^     Im  gemeinen  Leben  sagt  man  kaii- gerne- hone. 

Kai-motsi-i  ist  ein  geläuterter  Reiskuchen.  Dieser  Name 
hat  sich  gegenwärtig  in  den  östlichen  Reichen  noch  erhalten. 
Man  sagt  auch'  ho-ta-motsi  und  ho  -  so  -  motsi.  Die  kleinen 
Mädchen  nennen  ihn  fcuji-hana  , Weiderichblume'. 

In  einem  Werke  Avird  gesagt:  Bo- tan -motsi  , Päonien- 
kuchen' ist  der  Frühlingsname.  Jo-hune  ,Nachtschiff '  ist  der 
Sommername.  Fagi-no  fana  , Weiderichblume'  ist  der  Herbst- 
name. Kita-no  mado  , nördliches  Fenster'  ist  der  Wintername. 
Das  Nachtschiff  kennt  nicht  die  Ankunft.  In  das  nördliche 
Fenster  scheint  nicht  der  Mond.  —  Dieses  bedeutet:  Der 
Niedrige  kennt  nicht  die  Nachbarschaft. 

Bei  dem  Ziehen  des  Netzes  (ami-hiki)  bedient  man  sich 
der  Ausdrücke  ka-u-de  ('f]^  7^*)  , obere  Hand'  und  simo-de 
, untere  Hand'.  Man  sagt,  das  Handnetz  zur  Linken  heisse 
ka-it-de,  das  Handnetz  zur  Rechten   heisse  simo-de. 

Ka-ic-de  ( -)]  ^  y*),  dmch  j^^ -^  ,Papierhand'  aus- 
gedrückt, ist  von  der  Art  dessen,  was  man  im  gemeinen  Leben 
iHr  (zib)-sa-si  , Briefschnur'  '  nennt.     Einige  sagen  auch  ka-u-deu. 


'  Dieses  Wort  ist  sonst  uirgends  vorgekoniinen. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschnng.  53- 

(  tj  t^  y^  ^\     Letzteres  Wort  bezeichnet  einen  Gegenstand, 
der  bei  der  Trauer  darg;ereicht  wird. 

^  ^  (ga-u-si)  ist  der  Vorsteher  eines  Bezirkes.  Auf 
ähnliche  Weise  sagt  man  j|j£  "^  (djd  -u-si)  ,der  Vorsteher 
einer  Lehensfeste'.  Gegenwärtig  ist  das  Wort  |pj5  -^  (cja-ii-si) 
,Kriegsniann  des  Bezirkes'  üblich.  Man  hat  aucli  diu  Aus- 
sprache gb-zamurai. 

Ka-vfuri  ist  die  Lesung  von  ^  ,Mütze^  Man  schreibt 
auch  ka  -  umi(ri  (^'fj  ^  J>^  )j  j-  Gegenwärtig  wird  das  Wort 
in  Lesebüchern  durch  kan-furi  {  '}]  2/  ^  )j  )  ausgedrückt. 
In  der  gewöhnlichen  gesprochenen  Sprache  sagt  man  kafuri 
i'J]^  )j  )•  Sonst  hndet  sich  noch  kagafuri  (  'Jj  ^  ^  )j  ), 
kanmnri    (^'Jj    2/    J^     ))  ),    kam.uri    {^"Jj     J^     )j  ^    und    kabnri 

Mau  unterscheidet  an  den  Mützen  atsu-fitai  ,die  dicke 
Stirn',  foso-fitai  ,die  dünne  Stirn^  naka-hitai  ,die  halbe  Stirn', 
sJiki-hitai  ,die  durchdringende  Stirn'.  Die  äusserste  Grenze 
der  Stirn  (ßtai-giica)  heisst  ^^  (iso)  ,Meerufer'.  Ein  dünnes 
Stück  Metall ,  welches  schräg  nach  beiden  Seiten  hinausläuft 
(joko-ni  rib-fo-je  ide-faru  foso-gane),  heisst   ^   (tsuno)  ,Horn'. 

Katsi  -  ka  -  ufuri  ist  eine  aus  grobem  Tuche  verfertigte 
Mütze,  welche  von  den  Knechten  der  Obrigkeiten  getragen 
wird.     Katsi  ist  das  Koje  von   |M  , grobes  Tuch'. 

Ka-u-gai  , Haarnadel'  ist  geschwinde  Aussprache  von 
kami-kaki  ,das  Haupthaar  kratzen'.  Man  glaubt,  dass  der  an 
das  Schwert  gefügte  Gegenstand ,  den  man  ebenfalls  ka-n-gai 
, Haarnadel'  nannte,  dasselbe  sei.  In  einem  Buche  heisst  es: 
mamovi  -  gatana-jori  kh-gai  nuki-te  hin  tsukuvoi-si  ,aus  dem 
kleinen  Schwerte  die  Haarnadel  ziehend ,  ordnete  er  das 
Schläfenhaar'.  Ehemals  band  man  das  Haupthaar  nach  auf- 
wärts und  hielt  es  mit  der  Haarnadel  fest.  Wenn  man  den 
Helm  aufsetzte,  verwirrte  man  das  Haupthaar,  wesshalb  man 
eine  solche  Haarnadel  an  das  Schwert  befestigte. 

Ka-xi-nnsi  (  >(/  ^  ^  Z> )  ist  soviel  als  jjjf^  ^  kami-inisi 
,Vorgesetzter  der  Göttci'.  Gegenwärtig  heissen  so  die  Obrig- 
keiten der  Altäre. 

Ka-u-rni  {'jj  p  }V  i  )  ist  HJ-  ||i  (kan-rm)  ,  Arten 
süsser  Citronen'.     Es   hat    dieselbe  Bedeutung  wie  das  in  dem 


04  Pfizmaier. 

Gen-zi-mono-gatari  vorkommende  kh-zi-jh-no  mono    , Dinge  von 
der  Art  der  süssen  Citronen'. 

Ka-u-sp.n  (^  ^  i^  2/)  ist  ^^  ^^  (ka-v-sen)  ,wandelndes 
Geld',  das  Ausleihen  von  Geld  auf  Zinsen. 

Ka  -u- sen  ( "^  ^  iZ  ^ )  ist  ^  ^  (ka - u  -  sen)  ,wohl- 
riechender  Absud',  eine  iSache,  die  statt  des  Thees  gebraucht 
wird. 

Ka-u-hiitsu  {tj  t^  y  ^)  is^  soviel  als  ^  ^  (kan- 
butsu)  ,eine  Sache  sehen'. 

1"*    ^    ka-u-dzuke,    der    Name    eines    Reiches,    ist    die 
Abkürzung  von  kami-tsuke-no. 

Ka-u-no  tono  (  ^  ^  y'  ]^  y'  )■  -Die  ältesten  Obrigkeiten 
von  den  vier  Rangstufen  heissen  im  Allgemeinen  s5  (kanii) 
, Haupt'.  In  bequemer  Aussprache  lautet  dieses  ka-u.  Tono 
ist  ,Palast ,  Gebieter'.  Das  in  dem  Gen-zi  enthaltene  ka-u-no 
kimi  hat  denselben  Sinn. 

Ka-ü-katsu-mono  i'fj^  ^^"&y^)  bedeutet  die  im 
Besitze  der  Bonzen  eines  Klosters  befindlichen  Geräthschaften 
(zm-mofsu).  ^  ^ij  (ka-n-katsu)  soll  den  Sinn  von  ßki-watasu 
,herüberziehen'  haben. 

Kaga  (^  ^  "*  )  hat  den  Sinn  von  |fej^  ,hellglänzend'.  Davon 
das  Wort  kagami  , Spiegelt  Es  ist  auch  die  Lesung  von  ^|j 
, Gewinn'. 

JfjP  ^§  Ka-ga,  der  Name  eines  Reiches,  hat  in  einem 
Buche  die  Lesung  joro-kobi-wo  kuicafu  ,die  Freude  zutheilen^ 
Man  bringt  dieses  mit  dem  Umstände  in  Verbindung,  dass 
dieses  Reich  auf  dem  Rücken  Berge  trägt,  sich  dem  Meere 
zuwendet  und  an  der  Vorderseite  ausgebreitet  ist. 

Ehemals  hatten  die  Spiegel  keinen  Stiel  (tsnka).  Es 
befand  sich  an  der  inneren  Fläche  derselben  ein  Henkel  (totte). 
Bei  Masa-  suke  sieht  man,  dass  auf  dem  Grunde  des  Spiegels 
ein  breites  Band  als  Schnur  befestigt  war  (kagami  -  moto  fira- 
gunii-no  tco-iüo  tsuke-iari).  Es  gab  auch  einen  Gegenstand, 
welcher  kagami-makura  , Spiegelpolster'  genannt  wurde. 

Bi-idoro- kagami  , Glasspiegel'  sind  holländische  Spiegel. 
Es  wird  angegeben,  dass  sie  nicht  rosten. 

Von  dem  fünften  Tage  des  fünften  Monats  sagt  man  das 
Wort  ^^  (kagami)  , Spiegel'.      Es  ist  die  alte  Sache  der  hundert 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  00 

geläuterten    Spiegel    (momo-neri-kagami-no    ko-zi).      Desswegen 
wird  der  Spiegel  auch  neri  (^   ])   \  , Läuterung'  genannt. 

Kagami  , Spiegel*  ist  der  Name  von  drei  verschiedenen 
Schlingpflanzen.  Eine  derselben  (^  ^^[)  ^^*  ^^  ^^^^  Wa-mei- 
seo  den  Namen  jamn  -  kagami  , Bergspiegel'.  Man  sagt ,  dass 
man  in  dem  Zeiträume  Kio  -  fo  (1716 — 1736  n.  Chr.)  den 
chinesischen  Samen  der  ächten  Pflanze  erhalten  habe.  In  dem 
Ko-zi-ki  wird  kagami  für  kahane  -  gusa  , Pflanze  des  Gerippes' 
gelesen.  In  dem  Wa-mei-seo  findet  sich  ^  "^jy  (sira-majej-no 
kagami.     Sonst  sagt  man  allgemein  kagami-gusa  , Spiegelpflanze'. 

Die  Pflanze  W^  ^  (kahane  -  gusa ,  kagami)  wird  im 
gemeinen  Leben  auch  kagarai  y'Jj  ^  ^  tl )  und  kaga  -  imo 
\ll    ^  ^  ^)  genannt. 

In  der  Sammlung  des  späteren  Auflesens  des  Hinter- 
lassenen  veranstalten  die  Menschen  einen  Wettstreit  der 
Pflanzen.  Als  man  die  Trichterwinde  (asa-gawo)  und  die 
Spiegelpflanze  zusammenstellte ,  trug  die  Spiegelpflanze  den 
Sieg  davon.     Das  bezügliche  Gedicht  sagt: 

Bfl  (ake)-gata-ica  \  Jj]^  (fadzu)-kasi-ge-narn.  \  SH  (asa)- 
gatvo-ivo   |    ^a    (kagami)-gusa-ni-mo    \   misete-keru  kana. 

,Vor  der  die  Morgendämmerung  |  voll  Beschämung  ist,  | 
die  Trichterwinde ,  |  als  Spiegelpflanze  auch  |  hat  man  sie 
gezeigt'. 

Das  Gedicht  deutet  an,  dass  beide  Pflanzen  als  Schling- 
pflanzen einander  ähnlich  sind. 

^  V  '^ji'  ^  "Pl  (ha-ha-sin-sen-fo)  ist  in  Koje  der  Name 
der  Frucht  der  Spiegelpflanze.  In  Jomi  sagt  man  tsimo-giri 
(3y  y  4*  )J  ).     Man  sagt  auch  ^  (kusa)-fan-ja  ()\Zy  ^). 

Wenn  man  die  im  Schatten  getrockneten  Blätter  der 
Spiegelpflanze  verbrennt,  so  vertreibt  man  dadurch  den  Geruch 
des  Mistes.  Man  benennt  dieses  mit  ka-to-ri  (~J]  V  •]  )•  Man 
sagt,  es  sei  ein  in  dem  nahen  Zeitalter  gebrauchtes  Wort  der 
Landwirthschaft. 

Im  gemeinen  Leben  nennt  man  die  Spiegelpflanze  auch 
tsitsi-gusa  , Milchpflanze'.  Die  Stengel  und  Blätter  derselben 
enthalten  einen  milchähnlichen  weissen  Saft.  Der  Genuss  des- 
selben stellt  die  Milch  wieder  her  (küte  tsi-siru-wo  okonajeri). 
Man  sagt  auch  tonbo-no  tsitsi  , Milch  der  Libelle'. 


56  Pfizmaier. 

Es  gibt  eine  Art  Spie^elpflanze ,  welche  über  ein  Jahr 
nicht  verdorrt.     Sie  hat  dicke  Blätter  von  dunkler  Farbe. 

Fito-wo  kagami-to  suru  ,den  Menschen  zu  einem  Spiegel 
machen'  ist  ein  Ausdruck,  der  in  der  Uebersetzung-  des 
chinesischen  Werkes  Me  -  tse  vorkommt.  Es  heisst  daselbst : 
Knn-si  midzu-ico  kagami-to  sezu-süe  fifo-wo  kagami-to  siini  ,der 
Weisheitsfreund  macht  nicht  das  Wasser  zu  einem  Spieg-el,  er 
macht  den  Menschen  zu  einem  Spiegel'. 

Kaka-fa  i'fj  ^  )\\  bedeutet  einen  zerrissenen  Seiden- 
stoff, den  man  zu  nichts  brauchen  kann  (kinu-no  jaburete 
nani-ni  su-hekxi-mo  naki-wo  iü).  In  dem  Zi-no  kagami  hat 
(  rjl  ~f"  ^)    ,zerrissener  Seidenstoff'  die  Lesung  jahure-kaka-fu 

{'^  y^\y  Jj  ^  ^)-  Wenn  man  dergleichen  bei  dem  Ver- 
fertigen von  Strohschuhen  hinzugibt,  so  werden  diese  dadurch 
fest  (sore-ra-wa  wara-ntsu-ni  kuicajete  tsukuri-tare-ha  fsujoki 
nari).  Man  sagt  kaka-fa-wara-utsu  ,  Strohschuhe  mit  zerrisse- 
nem Seidenstoff'-.  In  dem  Man-jeo-siü  findet  sich  kaka-fu 
{  'Jj  "*  ^j-  ^^^  sagt,  die  Grille  singt:  ich  werde  den  zer- 
rissenen Seidenstoff,  den  man  ausbessern  lässt,  auflesen  (kiri- 
giri-sn-ioa  fsudzuri-sase-kaka-fa  ßroivan-fo  naku).  Wenn  man 
sich  die  Füsse  an  etwas  beim  Auftreten  eingeschnitten  hat 
(asi-nado-vjo  mono-ni  fumi-kiri-taru-ni-ioa),  so  dreht  man  die 
Enden  solcher  übriggebliebenen  Stücke  (sa-i-de-no  fasi)  wie 
einen  Strick  zusammen,  hält  sie  an  das  Feuer  und  erwärmt  mit 
ihnen  die  Wunde.  Man  nennt  dieses  kaka  -fa  -  hl  ,Feuer  des 
zerrissenen  Seidenstoffes'. 

Den  Erwerb  mit  der  Nadel  (^-j-  ^  sin-mib)  bezeichnet 
man  im  gemeinen  Leben  durch  das  Wort  kaka-a  (~lj  "*  y ). 
Es  ist  dasselbe  wie  kaka-fa. 

Kakari  in  ije-no  kakari  ,Ringmauer  des  Hauses'  hat  den 
Sinn  von  kaki.  Die  Rückkehr  von  ka  ri  ist  ki.  Denselben 
Sinn  hat  es  in  kakari  oder  mam-no  kakari  , Ballhaus'. 

Kakajn  y~}]  "*  ZL)  ist  die  Lesung  von  l'^  ,mit  den 
Armen  umfassen'.  Es  hat  auch  den  Sinn  von  ,sich  anhängen, 
sich  anlegen'.  In  dem  Makura-sö-zi  heisst  es:  tnki-mono-no 
ka  imi-zikn  kakaje-tarn  ,der  Geruch  des  Weihrauchs  hat  sich 
sehr  stark  angelegt',  aac-no  ka  kakaje-taru  der  Geruch  des 
Schweisses  hat  sich  angelegt'. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforscliung.  57 

Kagafi  (  'Ij  \^  )  hat  den  Sinn  von  kake-afu  ,sich 
aneinander  hängen-.  Man  findet  auch  kagafii- kagafi.  Es 
bedeutet  ein  Fest,  welches  in  den  östlichen  Reichen  im  Früh- 
linge, wenn  die  Blumen  erblühten  und  im  Herbste,  wenn  die 
Blätter  gelb  wurden,  stattfand.  Die  Männer  und  Weiber  trugen 
Speisen  und  Getränke  herbei  und  vergnügten  sich.  Nach  der 
Geschichte  der  Sitten  des  Reiches  Fi-tatsi  versammelten  sich 
an  dem  Tage  des  Opfers  des  Berges  Tsuku-ba  Männer  und 
Weiber,  beschenkten  sich  mit  japanischen  Liedern  und  brachten 
Heiraten  zu  Stande.  Man  nannte  dieses  kagafi.  Uta-kaki 
,Mauer  der  Lieder'  ist  dieselbe  Sache.  Es  kommt  in  der 
Geschichte  der  Sitten  des  Reiches  Setsu  vor. 

Für  kagasi  , Vogelscheuche'  sagt  man  auch  |J[j  ^  (jama- 
da)-no  sofodzn  (  V  TJt  3^*)-  In  dem  Reiche  Sina-no  reicht 
man  in  der  Nacht  der  Abschnittstheilung  (setsu -hun)  die 
Schelfe  der  Sardellenbohne  (iwasi-mame-qara).  Man  nennt 
dieses  jats  11 -kagasi  {~\  ^  'Jj  i^J-  Es  hat  die  Bedeutung 
'Jt^  (jaki)-kagasi  , verbrannte  Vogelscheuche'.  Man  findet  auch 
den  Namen  ^  ^  (jaki-gnsi)  ^Bratspiess'.  Eine  Ueberlieferung 
sagt,  dass  die  alten  Dämonen  sich  fürchten,  wenn  man  die 
Sardellenschote  (iioasi)  brennt. 

In  dem  Wa-mei-seo  ist  kakajakasu  i'fj  ^  ~V  ^  X  ) 
die  Lesung  von  j^^  , schimmern'.  Es  ist  soviel  als  kagnjaku. 
Die  Rückkehr  von  ka  su  ist  kit. 

Kaga-nakii.  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von 
( fl  H-  I^J  , anschreien'.  Das  Man-jeo-siü  sagt:  tsuka-ha-ne-m  \ 
kaga-naku  loasi  ,auf  dem  Gipfel  des  Tsuku-ba  |  der  anschreiende 
Adler'.  Einen  Menschen,  der  sich  in  der  Welt  gerne  für  arm 
ausgibt  (jo-ni  kononde  fin-ioo  tsih-suru  mono),  nennt  man  kaga- 
naku  , anschreiend'.  Es  hat  denselben  Sinn  und  bezieht  sich 
auf  eine  Stelle  in  dem  Buche  Tschuang-tse's,  wo  es  heisst: 
,Ein  Geier  fand  eine  verfaulte  Ratte.  Er  blickte  zu  dem 
Göttervogel  empor  und  schrie  ihn  an'.  Die  Erklärung  sagt: 
Er  fürchtete,  dass  der  Göttervogel  ihm  die  Ratte  entreisse. 
—  In  der  Schrift  Taka-fasi's  heisst  es :  Die  Stimme  des  Meer- 
adlers (misago)  klingt  kaga  kugu  [ 'Jj  ^  ^  ^  }.  Kaga-naku 
bedeutete  somit:  Kaga  , schreien'. 

Kaka-nomii  {^'fj  "*  y  J^  )  , schlucken,  mit  Geräusch  hin- 
abschluckeu'.     Kaka  bezeichnet  das  Geräusch  beim  Trinken  des 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Gl.  XC.  Bd.  I.  Hft.  g 


58  r  f  i  z  111  n  i  e  r. 

Wassers.  Im  gemeinen  Leben  sagt  man  gaku  -  gaku  -  vomu 
i^f  ^  \  y  ^)-  •'^^^  findet  auch  ka-nomu  {^'J]  y  2^). 
In  einer  ^Erklärung  wird  der  Sinn  von  ^|J  (kaga)  ^Gewinn' 
hineingelegt. 

Kagamefe  hat  die  Bedeutung  ^  ^  (kagami  narahe)-te 
biegend  in  Reihen  stellen'.  Es  ist  soviel  als:  die  Finger 
biegen  und  zählen  (jnbi-too  kagamefe  kazoru).  ,^  Hjc  tfll 
,die  Vögel  zählen^  hat  in  dem  Man-jeo-siü  die  Lesung  tori 
nabele.  Es  hat  denselben  Sinn.  Es  gibt  auch  eine  Erklärung, 
welche  sagt,  es  sei  ein  für  ka-ugajeru,  eine  Form  von  ^ 
(kangajeru)  ^untersuchen^,  gebrauchtes  altes  Wort. 

Kaki-tatsuru  hat  die  Bedeutung:  kratzend  aufstellen. 
Kaki-tafe-gi.  ist  ein  Holz  zum  Aufstören  der  Flamme  einer 
Lampe.  Bei  Masa-suki  findet  sich  kaki-nge-gl.  Man  sagt  kaki- 
tatsuru  , aufrühren'  auch  in  Bezug  auf  schlammhältiges  Wasser 
(doro-midzu) . 

Kaki  -  nagasv  , schreibend  in  Fluss  bringend  In  dem 
Geschlechte  Gen  findet  sich  todokoioori-naku  kaki-nagasi  ,ohne 
in's  Stocken  zu  gerathen,  fliessend  fortschreiben^ 

Kaki  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^  ,Volk'. 
Man  gibt  dem  Worte  die  Bedeutung  kaki  ,Zaun,  Mauer'. 

Kaki-no  tarn!  ,Volk  der  Mauer'  ist  in  dem  Nippon-ki  die 
Lesung  von  ^  [Jf] .  Man  sagt,  kaki  bedeute  , Mauer'  und 
das  Wort  habe  den  Sinn  der  Lesung  kaki-he  , Abtheilung  der 
Mauer'  für  ^   ^   (min-hu)  ,Abtheilung  des  Volkes'. 

In  dem  Man-jeo-siü  findet  sich  kaknsafn  für  kakusu 
, verbergen'. 

In  dem  Kami-jo-bumi  hat  ^  , begraben'  die  Lesung 
kakusi-matsitni. 

Kagura-ztizu  ,Glöckchen  der  gottesdienstlichen  Musik' 
ist  der  Name  einer,  Pflianze.  Es  gibt  auch  einen  Fisch  Namens 
kagura-uwo. 

Kagwcasi  (77^')^2>)  hat  in  dem  Man-jeo-siü  die 
Bedeutung  »wohlriechend'.  Gegenwärtig  sagt  man  im  gemeinen 
Leben  khhasi  [^1  ^^  )t  2>  )■ 

Kagu-no  mi ,  in  dem  Nippon-ki  durch  ^  ||.  , wohl- 
riechende Frucht'  ausgedrückt,   ist  das  heutige  Wort  tatsi-bana 


Nachträge  zn  japanischer  Dialectforschung.  59 

jPomoranze^     In    dem    Ko-zi-ki    findet    sich    kagu-no    ki-no    mi 
,di\e  Frucht  des  wohhnechenden  Baumes^ 

In  dem  Wa-mei-seo  hat  ^  ||.  .gebundene  Früchte*  die 
Lesung-  kaku-no  aica  (f  ^  ).  Man  sagt ,  das  Wort  bedeute 
den  eingekochten  Saft  der  chinesischen  Früchte  (kara-kuda- 
mono-no  ahnra-mono) ,  wobei  aioa  für  -J^j^  (awa)  , Schaum' 
gehalten  wird.  Es  wird  auch  kakn-  ,^  {nafa)  geschrieben. 
Die  Laute  fa  und  ica  gehen  in  einander  über.  Nafa  (naioa) 
, Strick'  wird  dadurch  erklärt,  dass  der  Gegenstand  von  Gestalt 
gleich  einem  Stricke  gedreht  sein  soll  (katatsi-no  nedzireru 
sama-wa  naiva-to-mo  iu-besi). 

Kagu-jama,  gewöhnlich  durch  ^  |X|  ,der  wohlriechende 
Berg'  ausgedrückt,  heisst  auch  ame-no  kaqu-jama  ,der  wohl- 
riechende Berg  des  Himmels'.  Zu  diesem  Berge  stieg  Fiko-fo-no 
nini  -  gi  -  no  mikoto  von  dem  Himmel  herab.  Er  liegt  in  dem 
Reiche  Jamato,  Kreis  Towo-tsi.  Dieser  Kagu-jama,  der  Une- 
bi-jama  und  der  Mimi-nari-jama  erheben  sich  in  der  Mitte  des 
Reiches  getrennt  und  stehen  einander  gegenüber.  Sie  sind 
Berge  für  sich  und  haben  keine  Ausläufer.  Der  Kagu-jama 
ist  der  niedrigste.  In  dem  Man-jeö-siü  ist  zu  sehen,  dass 
diese  drei  Berge  ehemals  einen  Streit  um  die  Gattin  (tsuma- 
arasoi)  vorgaben.  Der  Une-bi  und  der  Mimi-nari  waren  die 
männlichen  Berge,  der  Kagu-jama  war  der  weibliche  Berg, 
und  es  fand  eine  wetteifernde  Brautwerbung  Statt.  Wie  man 
jetzt  sieht,  erhielten  zwei  Berge  eine  mannhafte,  der  Berg 
Kagu-jama  eine  weiberhafte  Gestalt. 

In  dem  Nippon-ki  findet  sich  ^  ^W  J^  (kaku-ka-no 
fori)  ,der  Vogel  des  Kaku-ka'.  In  der  Schrift  Taka-fasi's  heisst 
es,  die  Stimme  dieses  Vogels  klinge  kn-cja  kn-cfu  ('fj  ^  ^  "*  ). 
Es  ist  der  Meeradler  (misago). 

Kage-no  nasi  ,er  hat  keinen  Schatten'  sagt  man  im  gemeinen 
Leben  von  einem  mageren  und  schwachen  Menschen.  In  der 
Sammlung  Fu-boku  heisst  es: 

y    (fi)-ni  sojete  |  ^   (kakatsi)-zo  kage-ni  \  nari-ni  kern  \ 
jase  -  no    J^    (sato)  -  naru    \   imo  -  ico    kofu    tote. 

,Zu  der  Sonne  gesellt,  |  die  Gestalt  zum  Schatten  |  gewor- 
den ist,  I  die  in  der  Magerkeit  Dorfe  |  wohnende  Schwester 
weil  er  liebt.' 


( !^  4-  ^  )  l'^t  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  ha-ge. 
Das  Wort  ist  soviel  als  J^  ^  (ha-ge)  ,Hirsclihaar^  und 
bezeiclinet  die  Farbe  des  Pferdes  ff.®  hat  die  Lesun»'  sira- 
ka-ge   , weisses    Hirschliaar',    ^k   ^®    die    Lesung    aka-ka-ge 

,rothes  Hirsclihaar',  ^|^  (  ^|!|  -.-  ■^  )  die  Lesung  kuro- ka-ge 
, schwarzes  Hirschhaar'.  Ausserdem  hat  man  die  Unterschiede 
ki-ka-qe  , gelbes  Hirsclihaar',  fana-ka-ge  , blumiges  Hirschhaar', 
ka-ge-fasi-ziro  , Hirschhaar  am  Rande  weiss',  kona-gura-ka-ge 
, mehldunkles  Hirschhaar'^  madara-ka-ge  , buntes  Hirschhaar'. 

Kage-tomo  {')]  ^  \^^)  bedeutet  die  Südseite  eines 
Berges.  Es  ist  soviel  als  kage-tsu  ovio  ,die  Fläche  des  Schat- 
tens'. Die  Rückkehr  von  ts7i  o  ist  to.  In  dem  Foku-san-seö 
, Aufzeichnungen  der  nördlichen  Berge'  hat  aan-jb-db  ,Weg 
des  Südens  der  Beige'  (eine  Zusammenstellung  von  acht 
Reichen)  die  Lesung  kage-tomo-no  mitsi. 

Für  kagei'oß  (  ~/j  )^  C?  tl  )  j^i^e  Lufterscheinung  im 
Frühlinge',  sonst  gewöhnlich  ito-jufn  ,die  Fäden  schweifen 
herum'  genannt,  findet  man  auch  kagirofi  (  'J]  :^  ü  tl  )•  ^^ 
hat  die  Bedeutung  kageru  ß  , umschattete  Sonne'.  In  der 
Abwandlung  sagt  man  kagerofi-fe. 

Das  in  dem  Ko-zi-ki  vorkommende  kagiroi-no  {  ')]  4^^ 
t7  1^  y' )  mofuru  ije-rnura  ,die  brennende  Häuserschaar  der 
umschatteten  Sonne'  bezeichnet  den  Feuerglanz  der  Häuser 
der  Menschen.  Das  in  dem  Man-jeo-siu  vorkommende  kagemfi- 
wo  i'tj^tl\!^y)  mojiirn  ara-no  .das  brennende  wüste 
Feld  der  umschatteten  Sonne'  bezeichnet  das  Feuer  der 
Leichenverbrennung  (fbmiiri-no  ß). 

Kagerofu  (')]  ^  tl  y^  )  ist  ein  seit  dem  mittleren  Alter- 
thura  aus  kagemji  {  ~fj  ^  tH  ^1  }  , umschattete  Sonne'  um- 
gewendetes Wort.  Kagerofu  -  no  mojnvu  faru  -  »o  ß  ,der 
brennende  Frühlingstag  der  umscliatteten  Sonne'  ist  der  Feuer- 
glanz der  Frühlingszeit. 

In  dem  Ausdrucke  kvmo-ni  kagerofti  ,vun  Wolken  ver- 
dunkelt sein"  hat  kagerofu  den  Sinn  von  kage-xurti  , umschattet 
sein'.  Es  ist  mit  kageru  gleichbedeutend.  Die  Rückkehr  von 
ro  fu  ist  ru. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  61 

Man  sagt,  ka-goto  habe  den  Sinn  von  lari-goio  , entlehntes 
Wort^  Es  wird  in  dem  Sinne  von  kakotsu  , vorschützen'  und 
in  dem  Sinne  von  sukosi  ,g-e ring- fügig-'  gebraucht. 

Kakotsu^  durch  g^  ausgedrückt,  hat  die  Bedeutung  Y#  ^ 
( kari -  koto)  -  SU  ,ein  entlehntes  Wort  vorbringen',  d.  i.  etwas 
vorschützen.  Die  Rückkehr  von  to  sii  ist  tsn.  Auf  ähnliche 
Weise  wird  nori-got.su  für  nori-gofo-sn  , verkünden'  gesagt.  Das 
Wort  ist  das  gewöhnliche  kakotsukeru,  etwas  zum  Vorwand 
nehmen. 

Kakotsi  -  gmco  ,ein  vorschützendes  Gesicht'  findet  sich  in 
einem  Gedichte  Sai-giö's.  Es  ist  dasselbe,  was  durch  kakotsuke- 
gamasi-si  ausgedrückt  wird. 

Kakotsi-jama  ist  der  Name  eines  Berges  des  Reiches  I-se. 
Derselbe  gehört  zu  Fara-mura  in  dem  Kreise  Suzu-ka  und 
war  der  Wohnsitz  der  Tochter  des  Kaisers    Go-fana-zono. 

Bei  ^  (kasa)  ,Hut'  unterscheidet  man  kinu-gasa  , Seiden- 
hut', ä^  (i)-gasa  oder  ^  (augej-gasa  ,Binsenhut',  itsi-me-gasa 
,Hut  der  Beschwörerinnen',  si- ga-raki-gasa  ,Hut  von  Si-ga-raki',  ' 
tsuhone-gasa  ,Hut  des  Frauengemachs',  tsubomi-gasa  ,Hut  der 
Blumenknospen',  tsuhure-gasa  , eingebrochener  Hut',  fiia-gasa 
jflacher  Hut',  ta-gasa  , Feldhut',  sumi-gasa  , Tintenhut'.  In 
späteren  Zeiten  kommen  vor :  nguisu  -  gasa  , Nachtigallhut', 
u-dzu-no  mija-gasa  ,Hut  des  Palastes  von  U-dzu",  ko-da-gasa 
,Hut  des  kleinen  Feldes'.  Ueblich  waren  ferner  in  dem  Zeit- 
räume Ten-wa  (1681 — 1683  n.  Chr.)  ein  Hut  Namens  tsudzura- 
(jam  ,Schlingpflanzeiihut',  in  dem  Zeiträume  Gen-roku  (1688 
bis  1703  n.  Chr.;  ein  Hut  Namens  nuri-gasa  .gefirnisster  Hut'. 
In  dem  Zeiträume  Kuan-mon  (1661  bis  1672  n.  Chr.)  gebrauchte 
mau  in  Je-do  einen  Hut  Namens  j^  (wonna)-no  "^^  ^  amane- 
gasa  , allgemeiner  Hut  der  Frauen'. 

In  dem  Wa-mei-seö  findet  sich  bei  dem  Worte  (  ^  +  ^  ) 
, Sonnenschirm'  die  Erklärung  ^  ^  (o-o-kasa)  -  to  in  ,es 
bedeutet  einen  grossen  Hut'.  Gegenwärtig  hat  man  die  Namen 
tai-kasa  und  tdte-gasa.  In  tat -kasa  steht  das  Koje  tai  statt 
des  Jomi  o-wo.  Hinsichtlich  tate-gasa  , aufgestellter  Hut,  d.  i. 
Sonnenschirm'  glaubt  man,  dass  es  so  heisse,  weil  man  den 
Sonnenschirm  auf  den  Boden  stellen  musste. 


'  Si-ga-raki  liegt  in  dem  Reiche  Ömi,  Kreis  Kö-ka. 


b2  Pfizmaier. 

Mino-kasa  , Regenmantel  und  Hut'  wird  auf  mi-no  kasa 
jAussclilag-  des  Leibes'  bezogen.  In  dem  Wa-mei-seo  findet 
sich  kasa -f Uta  ^Deckel  des  Ausschlages,  Schorf,  kasa-dokoro 
, Stelle  des  Ausschlag-cs'.  In  dem  Zi-no  kagami  findet  sich 
kasa-fada  ,mit  Ausschlag-  bedeckte  Haut'.  In  der  Schrift  des 
Rindeiopfers  findet  sich  afumi-gasa  , Ausschlag  des  Reiches 
Afumi'. 

Kazasi  sind  die  auf  das  Haupt  gesteckten  Blumen.  Zur 
Zeit  des  grossen  Kostens  (ofon-matsuri-no  toki)  steckt  der 
Himmelssohn  silberne  Kirschblüthen  {siro-kane-no  sakura-hana) 
auf  das  Haupt.  Man  liest  in  Gedichten :  ivata-fsnmi-no  kazasi-ni 
saseru  sira-taje-no  nanii  ,die  der  Meei'gott  als  aufgesteckte 
Blumen  aufsteckt,  die  wunderbar  weissen  Wellen'.  Es  bedeutet: 
der  Meergott  steckt  die  Blumen  der  Wellen  auf  das  Haupt 
(icata-tsumi-no  nami-no  fana-ioo  kazasu).  In  dem  Man-jeo-siü 
finden  sich  die  Verse: 

(|{  fjama)  -  tsumi  -  no  \  matsurn  mäsngi  -  to  \  ^^  (farii)- 
he-ni-wa  \  ^  (fana)  kazasi  motsi  \  ^^  (aki)  kure-hn  \  momidzi 
kazaseri. 

,Für  den  Berggott  |  als  Zoll  zum  Opfer  bringend,  |  in 
der  Frühlingszeit  |  Blumen  aufgesteckt  man  trägt.  |  Wenn  der 
Herbst  kommt,  |  rothe  Blätter  hat  man  aufgesteckt'. 

Kazasu  ,Blumen  aufstecken'  ist  von  kazasi  abgeleitet. 
Gegenwärtig  sagt  man  auch  bgi-tco  kazasu  ,den  Fächer  auf- 
stecken'. Das  Wort  bezeichnet  im  Allgemeinen,  dass  man  den 
Schatten  eines  Gegenstandes  sucht  (mono-no  kage-wo  motomuru). 

Mi-kazari  ,die  hohe  Zierde',  auf  den  Himmelssohn  bezogen, 
bedeutet  das  Haupthaar. 

Kazari-wo  orosu  ,die  Zierde  fallen  machen'  bedeutet  das 
Scheeren  des  Haupthaares.  Man  sagt  auch  mi-kazari-wo  orosu 
und  in  Koje  raku-sioku. 

Kazame  { ~)j  ij"*^  )  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung 
von  j^l^  ^Ij  ,das  Schwert  umfassen'.  Es  ist  der  Name  einer 
grossen  Krabbe  mit  Scheeren.      Das  Wort    wird    auch   kazami 

(t  -t*  ^  j;  9'^savii  itt  "t  t)  "ii'I  i/"-^«'"i"  itt  ^^  i.) 
geschrieben.  Aus  den  dunklen  Bemerkungen  des  Wa-kun- 
siwori  scheint  hervorzugehen ,  dass  kazami  für  kani  -fasami 
,Schcere  der  Krabbe'    zu    Iialten    ist.     Das  Wa-mei-seo  enthält 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  63 

für  das  Zeichen  f^  -f    ^)  die  Lesung  kani-no  o-o-dzume 
,die  grosse  Klaue  der  Krabbe^ 

Kazami  (  ^  '^  ^  )  ist  das  verderbte  Koje  von  »^  ^ 
,Hemd^  Man  sagt  sonst  fada-gi  und  ctse-tori.  Später  hiess 
kazami  ein  Kleidungsstück,  welches  die  jungen  Mädchen 
noch  über  dem  Ueberkleide  trugen  (inoa-gi-no  iije-ni  kiru  mono). 
Bei  Sei  Seo-na-gon  heisst  es:  kazami  nagaku  siri-hiki-te  ,das 
Oberhemd  lang  nachschleppend'. 

Kaza-vii  ,den  Wind  beobachtend'  ist  eine  Wetterfahne. 

Kaza  -  mi  -  gasa  , Pflanze  der  Wettei-fahne'  heisst  der 
Pflaumenbaum  der  mittleren  Dekade  des  zweiten  Monates  des 
Jahres.  Man  sagt  auch,  kaza - mi - giisa  sei  der  Weidenbaum. 
Kaza-7ia-gtisa  ist  dasselbe. 

Kaza-icori  , windgebrochen'  ist  der  Name  einer  schwarzen 
Mütze  (Je-ho-si).  An  der  schwarzen  Mütze  unterscheidet  man 
7^  ^jfif  (fidari-wori)  , links  gebrochen'  und  'jb^f\  (migiri-wori) 
, rechts  gebrochen',  ferner  kata-maja  , einseitige  Augenbrauen' 
und  ato-maju  , rückwärtige  Augenbrauen'.  Dass  man  heut- 
zutage im  gemeinen  Leben  die  windgebrochene  schwai'ze  Mütze 
(kaza -wori- je-ho-si)  irrthümlich  für  die  links  und  rechts 
gebrochene  (fidari-icori  migiri -  icori)  ausgibt,  wird  als  sehr 
unrecht  bezeichnet. 

Kaza-woki  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^  j^^ 
,das  Herbeirufen  des  Windes'.  Da  man  die  Erklärung  \^ 
(iiso-fuku)  , pfeifen'  findet ,  so  hat  es  den  Sinn:  durch  Pfeifen 
den  Wind  herbeirufen  (uso-fi(ki-te  kaze-ioo  maneki-josuru).  Für 
lüoki  wird  auch  icogi  geschrieben. 

Kaza-datsi,  durch  ^  ')^  yj  ausgedrückt,  ist  ein  nach 
der  Vorschrift  mit  Edelsteinen  verziertes  Schwert,  dessen  man 
sich  bei  der  Festlichkeit  des  grossen  Kostens  (ofon-je)  bediente. 
Es  steht  statt  kazari-datsi. 

Kazari-uma  bedeutet  ein  geschmücktes  Pferd.  Die  Geräth- 
schaften  zum  Schmücken  der  Pferde  waren  sehr  zahlreich. 
Unter  ihnen  befanden  sich  Bauchglöckchen  (fara-zuzu) ,  von 
welchen  man  glaubt,  dass  sie  von  den  Glöckchen  der  Post- 
pferde verschieden  waren.  Ein  anderer  Gegenstand  ist  kiisuri- 
bukwo  , Arzneisack',  welcher  Pferdearznei  enthalten  haben  soll. 


64  Pfizmaier. 

Kazari-tjusi  hat  in  dem  Nippon-ki   die  Lesung  ^ep.  , Grille'. 


Es  ist  ein  an  die  Mütze  befestigter  Gegenstand  und  hat  die 
Bedeutung-  ^  ^  (kazari-ciusi)  , geschmückter  Speiler^  In 
den  zusammenhängenden  Gedichten  des  Sö-an-siü  , Sammlung 
der  Strohhütten'  heisst  es : 

Soiw  Icura-i  |  takaki-ica  tama-no  ]  kafuri-nite  ,die  Rang- 
stufe  I   hoch,  aus  Edelsteinen   |   die  Mütze  es  ist.' 

Die  Fortsetzung  dieser  Verse  lautet:  Ko-za-e-no  semi-ja  \ 
tsuju-ni  naku-ran  ,die  Grille  des  Baumwipfels  vielleicht  |  in 
dem  Thau  wird  sie  singen'. 

In  Bezug  hierauf  hat , Grille'  diese  Bedeutung  angenommen. 
In  dem  Rei-i-ki  findet  sich  nawa-semi-no  kafuri  , Mütze  der 
Seilgrillen'. 

Kasasafji-no  fasi  ,Aelsterbrücke'  wird  in  Gedichten  häufig 
in  Verbindung  mit  truia-b'tta  ^Webermädchen'  gelesen.  Am 
siebenten  Tage  des  siebenten  Monats  des  Jahres  bildet  die 
Aelster  mit  ihren  Flügeln  eine  Brücke  über  den  Himmelsfluss 
und  lässt  das  Webermädchen  übersetzen.  Man  sagt,  kasasagi-no 
jori-fa-no  fasi  ,die  Brücke  der  angelegten  Flügel  der  Aelster', 
kasasagi-no  wataseru  fasi  ,die  Brücke,  auf  welcher  man  die  Aelster 
übersetzen  lässt',  kasasagi-no  tsikafuru  fasi  ,die  Brücke,  auf 
welcher  die  Aelster  schwört',  kasasagi-no  juki-ai-no  fasi  ,die 
Brücke,  auf  welcher  die  Aelster  begegnet'.  Die  Sache  bezieht 
sich  auf  eine  Stelle  des  Buches  Hoai-nan-tse.  Tsuhasa-no  fasi 
,die  Brücke  der  Flügel'  bedeutet  dasselbe. 

Kasasagi-no  fasi  ,Aelsterbrücke'  wird  vergleichungsweise 
von  der  kaiserlichen  Brücke  in  dem  Palaste  gesagt. 

Ferner  ist  kasasagi  -  no  fasi  ,Aelsterbrücke'  ein  verschie- 
dener Name  für  aka-tsuki  ,Tagesanbruch'.  Die  Aelster,  welche 
sowohl  schwarz  als  weiss  ist,  bezeichnet  Tag  und  Nacht.  Die 
Brücke ,  welche  hinüberbringt ,  was  nicht  verkehrt ,  hat  den 
Sinn  der  Anregung  des   Yin  und  Yang. 

Arten  des  Baumes  kasi  , Eiche'  sind  aka-gasi  ,rothe  Eiche', 
sira-kasi  , weisse  Eiche',  ubu-me-kasi  , Eiche  der  Wöchnerinnen', 
fato-gasi  , Taubeneiche',  ko-kasi  , kleine  Eiche',  inu-gasi  , Hunde- 
eiche'. In  dem  Zi-no  kagami  hat  j^  die  Lesung  midzu-kasi-no 
ki  ,der  Baum  der  Wassereiche'.  Ferner  finden  sich  in  dem 
Ko-zi-ki  die  Namen  ama  -  kasi  , süsse  Eiche',  kuma-kasi 
, Bäreneiche'. 


Nacliträge  zu  japanischer  Dialectfoischung.  DO 

Kaziki,  ein  Wort  von  unbekannter  Ableitung,  wird  durch 
(  ^  H-  ^  )  ausgedrückt  und  bezeichnet  Sehneeschuhe.  Man 
sagt  auch  kan-ziki  und  gan-ziki.  Gegenwärtig  belegt  man  im 
gemeinen  Leben  Schneeschuhe,  welche  aus  Leder  oder  Häuten 
(kaica)  verfertigt  sind,  mit  dem  Namen  gan-zeki  (')f  2^  ^  ^). 
Man  sagt,  es  sei  verderbte  Aussprache  statt  kaziki.  Li  den 
vier  Reichen  bedeutet  gan-zeki  einen   Rechen   (kuma-de). 

In  den  Gebirgen  von  I-jo  bedeutet  kaziki,  dass  man 
Bäume  herabwirt't,  sie  zu  Asche  verbrennt  und  an  der  Stelle 
Getreide  sät  (ki-wo  ufsi-orosi-te  Jaki-fe  fai-to  tii  tana-tsu-mono- 
ico  magu).  Es  ist  das,  was  man  A^  p^  (fi-da)  ,Feuerteld' 
nennt. 

Arten  des  Baumes  kasiwa  , Steineiche'  sind  mi-tsuna-gasiwa 
, Steineiche  der  drei  Seile',  naga-me- gasiwa  ^Steineiche  des 
langen  Auges',  naga-gasiwa  , lange  Steineiche',  nara-no  fa-gasiwa 
, Steineiche  mit  Blättern  der  Ulme",  f o  -  fo  -  gasiwa  ,die  grobe 
Steineiche'.  Aus  judzuri-fa  ,Baum  der  nachgiebigen  Blätter' 
hat  man  auch  sake-no  kasiioa  , Steineiche  des  Weines'  gemacht. 
Zu  derselben  Gattung  gehören,  aber  von  Aussehen  verschieden 
sind:  tama  -  gasiwa  , Steineiche  der  Edelsteine',  moto  -  gasiwa 
jSteineiche  des  Stammes',  ko  -  no  te  -  gasiwa  , Steineiche  der 
Kinderhand',  tate-gasiwa  , Steineiche  der  Schilder',  awo-gasiwa 
, grüne  Steineiche',  akara-gasiwa  ,rothe  Steineiche'. 

In  dem  Nippon-ki  hat  ^  .Blatt'  die  Lesung  kasiwa 
, Steineiche'.  Deshalb  wird  in  dem  Utsu-bo-mono-gatari,  indem 
man  die  Blätter  der  Fichte  (matsu-no  fa)  meint,  matsu-no 
kasiioa  , Steineichen  der  Fichte'  gesagt. 

Eine  gewisse  Farbe  der  Hühner,  auch  der  Muscheln,  wird 
kasiwa  , Steineiche'  genannt,  weil  diese  Farbe  mit  derjenigen 
der  gelben  Blätter  der  Steineiche  Aehnlichkeit  hat. 

Es  gibt  einen  Pinsel  Namens  kasiwa -katatsi  , Gestalt  der 
Steineiche'. 

Kasiwa-gusa  , Steineichenpflanze'  heisst  eine  Pflanze,  deren 
Blätter  von  Gestalt  denjenigen  der  Steineiche  ähnlich  sind. 

Ahumi  - gasira  , Steigbügelkopf"',  von  der  ungewöhnlichen 
Gestalt  eines  Menschen  gesagt,  ist  in  dem  Auflesen  des  Hinter- 
lassenen  von  U-dzi  zu  sehen. 

Kasira  -  datsu  -  hifo  ,als  Haupt  auftretender  Mensch'  be- 
zeichnet einen  Häuptling  der  Barbaren. 


66 


Pt'i  zm  a  i  er. 


Knshva-nagasi  ,die  Steineiche  fortschwimmen  lassen'.  Bei 
dem  Opfer  in  dem  Palaste  des  Windes  in  dem  Reiche  I-se  lässt 
man  Steineichen  der  drei  Seile  (7ni-tiiuna-fjasiiva)  fortschwimmen 
und  walirsa<Jt  daraus  Glück  und  Ung'lück. 

Kasii  sind  die  Weinhefen.  In  dem  Zi-no  kagami  hat 
^tt  die  Lesung-  ama-kasio  , süsse  Weinhefen',  fflÖ  '  die  Lesung 
kafa-kasu  , feste  Weinhefen'.  Es  wird  angegeben,  es  scheine, 
dass  man  in  I-se  im  gemeinen  I^^eben  tome  (  }>  j^  )  sagt. 

Kazu-tori  ,die  Zahl  nehmen'  ist  das  Ende  der  Rechnung, 
das  Facit.     Für  ^ß  , Rechnung'    ündet    sich    die    Lesung  kazu. 

Kaze-to  tsuki  ,Wind  und  Mond'.  Ein  Dichter  wird  kaze- 
to  tmkl-no  ^  (s<ii)  , Begabung  des  Windes  und  Mondes' 
genannt.  Man  lindet  auch  kaze-to  tsuki-to-no  ariizi  ,Wirth  des 
W^indes  und  Mondes'. 

Katasi  (  y(/  ^  ^1  ist  in  dem  Ko-zi-ki  die  Lesung  von 
i^  y\  , Schmied'.  Gegenwärtig  sagt  man  kadzi.  Die  Rück- 
kehr von  ta  si  ist  tsi. 

Kata-hira  ist  die  Lesung  von  ijj^  ,Vorhang'.  Es  hat  den 
Sinn  von  kata  -fira  ,zur  Seite  breit'.  Ein  Wort  von  ähnlicher 
Bedeutung  ist  ßra-bari  , breit  ausgespannt'.  In  dem  Ko-kon- 
siü  findet  sich  to-hari-no  kata-hira  ,der  an  der  Thüre  aus- 
gespannte Vorhang^  Nach  den  Aufzeichnungen  zu  dem 
Geschlechte  Gen  ist  der  Vorhang  im  Sommer  von  ungeläuterter 
Seide  (vsusi),  im  Winter  von  geläuterter  Seide  (neri).  An  den 
Kisten  der  Kistenarzneien  der  wohlriechenden  Säcke  (kb-no-no 
fako-gusuri-no  fako)  ist  auch  ein  Gegenstand,  welcher  kata-hira 
, Vorhang'  heisst.     Es  ist  in  der  Schrift  Masa-suke's  zu  sehen. 

Dass  man  ein  Sommerkleid  auch  kata-hira  nennt,  ist 
desswegen,  weil  man  aus  dem  zu  dem  Vorhange  (kata-hira) 
verwendeten  Stoffe  ein  Kleid  verfertigte,  was  in  den  Erzählun- 
gen vorkommt.  Man  trägt  dieses  Sommerkleid  vom  fünften 
Tage  des  fünften  Monates  bis  zum  ersten  Tage  des  achten 
Monates  des  Jahi*es.  Man  findet  auch  das  Wort  kata-hira-nuno 
,Tuch  des  Sommerkleides'.  O-o- kata-hira  ,grosses  Sommer- 
kleid' ist  ein  aus  Flor  oder  Tuch  verfertigtes  Staatskleid'. 

^^  (täte)  -kata-hira  , Vorhang  des  Eintrages  der  Webe' 
bedeutet    eine    sehr    unbegründete  Sache  (ito  iware-naki  kotoj. 


'  In  diesem  Zeichen  ist  statt   ^^Ä   das  Classenzeichen   yj^  zu  setzen. 


I 


Nachtrüge  zu  japanischer  Dialectforschung.  67 

Kafa-nnku  sika  ,der  Hirsch  mit  ausgerissener  Schultert 
In  dem  Ko-zi-ki  ist  zu  sehen,  dass  man  in  dem  Götter-Zeit- 
alter das  Schulterbein  des  Hirsches  ausriss  und  auf  diese 
Weise   wahrsag-te. 

Kata-kasiki-no  iß  ist  zur  Hälfte  gekochter  Reis. 

Katsi-jori-juku  ist  die  Lesung  von  ^  ^^  ,z\\  Fusse 
gehend  Gegenwärtig  sagt  man  katsi-fadasi.  Ein  Fussgänger 
heisst  katsi-datsi. 

Katui,  auf  Kleider  bezogen,  ist  das  Koje  von  ^Mi  , grobes 
Tuch^ 

Das  Viele  einer  Sache  (mono-no  o-oki  kata)  wird  durch 
katsi  (Wurzel  von  ^&  kafsn)  , übertreffen^  ausgedrückt.  In 
dem  Wa-mei-seo  hat  ^  i^  , viele  Herzen,  viele  Gedanken^ 
die  Lesung  naka-ko-gatsi. 

Katsi,  auf  die  Farbe  gefärbter  Stoffe  (some-iro)  bezogen, 
wird  in  dem  Setsu-j6-siü  durch  ^  j^  , veilchenblauer  Grund*^ 
ausgedrückt.  Es  bezeichnet  ein  indigoblau  gefärbtes  Tuch 
(ai-some-no,  nuno).  Es  Hess  sich  ersehen,  dass  die  Lesung  eine 
gezwungene  ist.  Da  man  bei  Beglückwünschungen  von  dieser 
Farbe  Gebrauch  macht,  hat  das  Wort  den  Sinn  von  katsu 
,übertreffen'.  Gegenwärtig  sagt  man  katsin  {  'Jj  ^  Z^  )■  In 
einem  Werke  heisst  es:  Wenn  ein  grosser  Anführer  aus  dem 
Lager  tritt,  bedient  er  sich  eines  Zügels  von  übertreffender 
Farbe.  Die  übertreffende  Farbe  (katsu  iro)  ist  die  schwarze 
Farbe. 

In  der  Sprache  der  Frauen  des  kaiserlichen  Palastes  wird 
der  Kuchen  (motsi)  mit  dem  Namen  katsin  {')]  ^  Z^  )  benannt. 
In  einem  Werke  wird  gesagt,  es  sei  desshalb,  weil  Frauen, 
welche  mit  Mützen  von  der  Farbe  katsin  bedeckt  sind ,  ihn 
bringen.  Einige  sagen,  das  Wort  stamme  von  dem  Kuchen 
des  Sieges  des  Himmelsgottes  des  fünften  Viertels  ((jo-deo  ten- 
zin-no  katsi-no  motsi)  und  habe  den  Sinn  von  ^  ^a  (ka-tsin) 
,Nied erhalten  des  Hausest 

In  dem  Rei-I-ki  hat  |fö  die  Lesung  kadzi-suru  , schmieden'. 

Kadzi  , Schmied',  aus  katasi  zusammengezogen,  ist  rich- 
tiger Weise  die  Lesung  von  |^  J'p'  , hämmern  und  Metall 
giessen'.  In  Japan  wird  es  jetzt  wegen  Aehnlichkeit  der 
Zeichen    als'  das    Koje    von     ^P^  yj^    (ka-dzi)  betrachtet  imd 


68  Pfizmuier. 

allgemein    mit    diesen    Zeichen  geschrieben.     Der    Irrthum    ist 
bereits  verjährt.     Das  Koje  von    |g   '^^   ist  tan-ja. 

Kadzi-kara    ist    der    Griff  des  Steuerruders.     Man  findet 
auch  kadzi-basira. 

Kadzi-no  fa  , Flügel  des  Steuerruders'  heisst  gegenwärtig 
M  tt  (ß^-^f<^0  ,Flügelbrett'.  In  dem  Mei-rikko  hat  :f'g  ^ 
jSchlagbuura  des  Steuerruders'  die  Lesung  kadzi-icaki-äa  , tren- 
nendes Brett  des  Steuerruders'.  Es  ist  derselbe  Gegenstand. 
Ije-taka  '  bringt  in  den  Versen  to-ioataru  fune-no  kadzi-no  fa 
,die  Flügel  des  Steuerruders  des  Schiffes,  auf  dem  man  über- 
schifft' das  Wort  kadzi-no  fa  ,die  Flügel  des  Steuerruders'  in 
Beziehung  zu  J^  ^  (kadzi-no  fa)  ,Blätter  des  Papierbaumes'. 
Desswegen  bezeichnet  man  gegenwärtig  Bretter,  welche  man 
ein  wenig  zusammenlegt  (sukosi-fagi-tsidceru  ita)  mit  dem 
Namen  ^   ^   (icaka-faj  Junge  Blätter'. 

Kado  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  yj"  , Begabung'. 
Man  ^agt,  fito-ni  kndo  aru  ,ein  Mensch  hat  Begabung-,  kado- 
no  naki  , keine  Begabung'. 

Kadofu  {-}]  Yy)  h'^t  den  Sinn  von  ^  ^1  ;^'erleiten'. 
Gegenwärtig  sagt  man  fito-ico  kadowakasu ,  einen  Menschen 
verleiten.  Ein  Sprichwort  des  Ostens  sagt:  Kami-tmke-no- 
uma  kadofi  ,die  Verleitung  des  Pferdes  von  Ködzuke'. 

Kado-matsu  ,die  Fichte  des  Thores'.  Im  ersten  Monate 
des  Jahres  stellt  man  vor  jedem  Thore  Fichten  und  Bambus 
auf  und  betet.  Man  nennt  dieses  kado-matsu  , Fichte  des 
Thores'.  In  dem  Tsure-dzure-gusa  heisst  es:  o  -  o  -  mitsi  -  ni 
raatsu  fate-watasi  ,auf  dem  grossen  Wege  brachte  man  Fichten 
zum  Aufstellen  herüber'. 

Kana  {  'Jj  ^  )  ^^^  ^^^  Lesung  von  (^  -f  ^)  , Hobel'. 
Das  Man-jeo-siu  sagt  auch  ma-gana.  Gegenwärtig  sagt  man 
kanna  (^2/^)-  ( ^  +  "fe  )  ist  ein  irriges  Zeichen  für 
Ig  , Hobel'.  Man  sagt,  das  jetzt  übliche  tsuki-gana  sei  das- 
selbe Wort.  Indessen  wurde  tsukl-ganna  auch  für  den  Namen 
einer  Waffe  im  Sinne  von  , Bohrer'  oder  .kurze  Lanze'  gebraucht. 
Man    unterscheidet  jari-gana    , Lanzenhobel'    und    saivo-ganna 


^    IJ^   Ije-taka    ist    der  Herausgeber  des  Werkes  sin-ko-kon-siü  ,neue 
.Sammlung  von  Gedichten  des  Alterthums  und  der  Gegenwart'. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschiins.  o\) 

,Stang'enhobeH.  In  dem  Reiche  Satsu-ma  hat  der  Hobel  zwei 
Flügel,  ebenso  in  China.  Mizo-ganna  , Hobel  des  Wasser- 
grabens' ist  der  den  Draht  erhebende  Hobel.  Man  verzeichnet 
ferner  'h  (maru)  - ganna  , runder  Hobel'  und  kuri-ganna  , aus- 
höhlender Hobel*. 

Kana-fe  (  ~/j  -j--^]  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung- 
von  ^^  , Kessel  ohne  Füsse'.  Das  Wort  hat  den  Sinn  von 
kana-fe  , eisernes  Gefäss*.  Man  sagt  auch  'i^  (maru) -kana-fe 
, runder  Kessel'.  Die  Lesung  von  ^k  ist  Ju- gana-fe  (  ji  'ff 
-j->^\)  , Kessel  für  siedendes  Wasser.  \^J  hat  die  Lesung 
asi-gana-fe  , Kessel  mit  Füssen'.  In  dem  Nippon-ki  liest  man 
es  kana-fe. 

Kanuisi  f  ^  7^  =^  )  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung 
von  |fö  , Schmied'.  Es  ist  die  Zusammenziehung  von  kane- 
utsi  , Eisen  schlagend'.  Die  Menschen  geben  jetzt  einem  ein- 
äugigen Menschen  den  Namen  kanutsi.  Man  sagt,  es  sei  dess- 
wegen,  weil  der  göttliche  Ahnherr  der  vSchmiede  den  Namen 
ame-no  vie-fito-isu-no  mikoto  ,der  einäugige  Geehrte  des  Himmels' 
führte.  Indessen  sagen  Andere,  da  für  einäugig  auch  das 
Wort  gan-tsi  {'Jf  ^  ^  )  gebraucht  wird,  so  sei  kanutsi  das 
(verderbte )    Koje   |^   — >   (gan  -  itsi)    , einäugig'.      In  Omi    sagt 

man  kan  -da  {  'fj  Z/  ^  )•  Man  gibt  an ,  das  Wort  stamme 
von   dem  glänzenden  Gotte  von   jjjdj    ^    Kan-da. 

Das  Wa- kun  -  siwori  sagt:  In  Europa  gibt  es  ein  Reich 
der  Einäugigen.  Man  sagt,  dasselbe  habe  vor  Kurzem  einen 
Angriff  auf  Je-zo  gemacht.  Man  erzählt,  iu  früheren  Jahren 
sei  ein  Mensch  aus  Ki-itapp'  auf  Je-zo  mehrere  hundert  Ri 
weit  auf  dem  Wasser  fortgetrieben  worden  und  sei  zu  einer 
Insel  gelangt.  Alle  Bewuhner  dieser  Insel,  Männer  und  Weiber, 
seien  einäugig  gewesen.     Dieselbe  liegt  nördlich  von  Ki-itapp.  ^ 

Kane  ,Winkelmass'  ist  die  Abkürzung  von  sasi  -  gane. 
Das  Wort  hat  den  Sinn  von  kane  , Eisen',  weil  es  aus  Eisen 
verfertigt  wird. 


'  Auf  der  japanischen  Karte  von  Je-zo  fand  sich  zwei  sehr  kleinen  Inseln 
gegenüber  in  Katakanaschrift  der  Name    zip.    ^   -^  ^7    (^^  *  ^^  f'O-    1° 

dem  Wa-kun-siwori  steht    :il    ^   ^  ^   ~7    (ki  i  ta  tmi  fu).     Ersteres 
ist  wohl  ohne  Zweifel  ki-itap,  letzteres  ki-itapp  auszusprechen. 
■^  Also  auf  russischem  Gebiete,  welches  hier  zu  Europa  gezählt  wird. 


70  Pfizmaier. 

Kane  hat  ebenfalls  den  Sinn  von  Teuro -gane  ,Eisen'  in 
dem  Ausdrucke  ^  (kane)-ni.  Es  heisst:  asi-kaga  viata-ta-ro 
u-dzi-gaica-no  sen-dzin-no  toki-ni  kane-ni  tvatasi-te  ajamatsi-su 
,zur  Zeit,  als  Asi-kag-a  Mata-ta-ro  an  dem  Flusse  von  U-dzi 
das  Vordertreffen  bildete,  irrte  er  sich  beim  geraden  Ueber- 
setzen'.  Das  Wort  ist  soviel  als  ma-  ifsi-mo-zi  ,das  wahre 
Schriftzeichen  Eins^  d.  i.  die  gerade  Richtung.  Man  sagt 
heutzutage  noch  ma-gane. 

Uma-no  kane  ,Eisen  des  Pferdes'    hat  die  Bedeutung  fp 

(in)  , Siegelt 

Fa-guro-no  kane  ist  das  Eisenwasser  zum  Schwärzen  der 
Zähne.  Es  ist  das  in  dem  Fei -ke- mono -gatari  vorkommende 
kane-guro  , Eisenschwarz'.     Man  sagt  auch  kane-tsuke. 

Kane-ufsti  ,d\e  Glocke  schlagen'  bedeutet  im  gemeinen 
Leben :  in  Folge  eines  Schwures  etwas  nicht  wieder  thun 
(tsikai-te  futa-tahi  sezaru  koto).  Es  wird  geglaubt,  dass  das 
Koje  ^  ifj  (kin  -  tsija  -  u)  dasselbe  bedeuten  könne.  Man 
findet:  Wenn  die  Menschen  der  Geschlechter  der  Altäre  sich 
in  ihr  Land  zurückziehen  und  entschlossen  sind,  nicht  wieder 
zu  kommen,  schlagen  sie  eine  Glocke  und  schwören. 

Arten  von  Dachziegeln  (^/i;aiüa?'a^  sind:  wo-gawara  ,männ- 
licher  Dachziegel',  me-gmoara  , weiblicher  Dachziegel'.  Die- 
selben heissen  so,  je  nachdem  sie  mit  dem  Körper  nach  unten 
oder  nach  oben  gekehrt  sind.  Ferner  unterscheidet  man  ahumi- 
gaioara  , Dachziegel'  des  Steigbügels',  tsutsumi  -  gawara  , Dach- 
ziegel des  Dammes',  siki  -  gawara  ,gebreiter  Dachziegel',  oni- 
gawara  , Dachziegel  der  Dämonen'.  Letztere  heissen  auch 
slja-tsi-foko. 

Dass  vierfüssige  Thiere  (kedn-mono)  mit  kawara  (  'Jj  )^  y  ) 
bezeichnet  werden,  ist  in  dem  Sen-siü-seo  zu  sehen.  Man 
glaubt,  es  könne  die  Bedeutung  kawa-ra  , Häute'  haben. 

Für  kaim-jn  , Abtritt'  sagt  man  im  gemeinen  Leben  auch 
kafu-ja,  kh-ja  {tl  ^  "^  )•  ^^  i^*  ^^^  Lautumwendung  von 
kawa-ja  ,Flusshaus'.  Die  Erklärung,  dass  das  Flusshaus  des 
Berges  Kö-ja  in  dem  Reiche  Ki-i  nach  der  alten  Einrichtung 
gewesen  und  daher  kh-ja  das  Koje  von  ^  ^  sei,  wird  als 
irrig  bezeichnet. 

Kawa-dafsi  ( ;//  )\  -^ ^  )  nennt  man  im  gemeinen  Leben 
einen   guten    Taucher   oder   Schwimmer    (joku  .mi -ren-si-  taru 


Nachträgre  zu  japanischer  Dialectforschung.  71 

mono).  Es  hat  die  Bedeutung  kaicn-datsi  ,in  dem  Flusse  sich 
erhebend^  Auf  ähnliche  Weise  sagt  man  jama-dafsi  ,auf  dem 
Berge  sich  erhebend',  d.  i.  ein  Räuber.  Ein  Sprichwort  lautet: 
kaica-datsi-ica  kawa-de  fateni  ,der  Taucher  nimmt  durch  den 
Fluss  ein  Ende^  Man  vergleicht  es  mit  den  Worten  Hoai- 
man-tse's:  Der  gute  Schwimmer  ertrinkt,  der  gute  Reiter  fällt 
zu  Boden. 

Für  kafi-ko ,  kai-ko  , Seidenraupe'  liest  man  in  Gedichten 
auch  kafu-ko  {~}]  ^  Z]  )• 

ö"    ^Ij  (sia-ri)    ist    eine    todte    oder  weisse  Seidenraupe 

Bei  der  Seidenraupenzucht  kommen  Mäuse  hinzu  und 
richten  Schaden  an.  In  dem  Reiche  Tadzi-ma,  Kreis  Ja-fu, 
befindet  sich  ein  göttlicher  Altar.  Man  sagt,  wenn  man  zu 
diesem  Altare  geht,  kleine  Steine  erbittet,  sie  heimbringt  und 
auf  einem  Gestell  aufschichtet  (tana-ni  age-oke-ha),  so  kommen 
die  Mäuse  nicht  hinzu. 

K<i-hi-ja  wird  durch  j^  »f^  ^  ,Haus  des  Hirschfeuers' 
ausgedrückt.  In  dem  Man-jeo-siü  heisst  es:  ka-hi-ja-ga  sita- 
ni  I  naku  kawadzn  , unter  dem  Hause  des  Hirschfeuers  |  die 
Frösche  schreien'.  Um  die  Hirsche  der  Gebirgsdörfer  zu  ver- 
treiben, baut  man  ein  nothdürftiges  Haus,  schützt  es  vor  dem 
Regen  und  macht  daselbst  einen  Rauch  von  übelriechenden 
Dingen.  Man  sagt,  dass  man  gegenwärtig  noch  ein  kleines 
Haus  baut  und  in  dasselbe  eine  augezündete  Lampe  stellt. 
In  der  Gegend  von  Kuma-no  in  dem  Reiche  Ki-i  bezeichnet 
man  heutzutage  ein  solches  Haus  mit  dem  Namen  ka-fi  i'^jV). 

In  einer  Erklärung  heisst  es :  In  dem  Reiche  Sina  -  no 
hat  man  bei  den  Ackersleuten  überall  eine  Sache,  welche 
ka-he-  j^  (ja)  genannt  wird.  Es  ist  ein  mit  Stroh  gedecktes 
halbes  Dach  (kata -jane  -  nlte  toara-huki).  Man  häuft  daselbst 
Rettige  und  Rüben  auf.  Man  sagt,  dieses  Wort  (ka-he-ja)  sei 
Lautumwendung  und  verderbte  Aussprache  von  ka-hi-ja. 

Kahu  {~}j  ^^  )  ist  in  dem  Nippon  -  ki  die  Lesung  von 
^  , Haupt'.  In  dem  Ko-zi-ki  liest  man  kabu-tsuku  ma-fi  ,mit 
dem  Haupte  anstossend,  der  wahre  Tag'. 

Für  kabu  , Baumstumpf  sagt  man  auch  kiii-kahu  , abge- 
schnittener Baumstumpf.    Im  gemeinen  Leben  sagt  man  kabu-ta 


is  Pfiz  maipr. 

(  ~Jj  ^^ ^\  Es  hat  die  Bedeutung  kohti-fatsr  , Aufstehen  des 
Bauinstunn)fes^  In  dem  Reiche  (in  Musasi)  sag^t  man  auch 
jori-kahiitsi  {  3  ^)  ')]  y^W"  )•  ^'^  ^^"^  Kami-jo-bumi  hat 
^  ^^  , Baumstumpf •  die  Lesung  ko-no  moto  , Stamm  des 
Baumes'.  Es  ist  dasselbe,  was  bei  Naka-tomi  durch  ko-no 
tatsi  ausgedrückt  wird. 

Kahn,  im  Sinne  von  , Gilde''  auf  Häuser  und  Menschen 
bezogen ,  wird  von  kabu  , Baumstumpf '  abgeleitet.  Dass  es 
das  Koje  ^'  -^  (ka-hu)  ,auf  dem  Rücken  tragen'  sein  solle, 
wird  für  unbegreiflich  gehalten. 

Kafidsi  {  ')]  ^  ^  )  ist  die  Lesung  von  j^pj  ^  (kafa- 
utsi),  dem  Namen  eines  Reiches.  Die  Rückkehr  von  fa  u  ist 
fu.  Das  Reich  hiess  ursprünglich  /t>  J^rJ  ^  (ofosi-knfn- 
utsi)  , innerhalb  des  grossen  Flusses'  und  erhielt  diesen  Namen, 
weil  der  grosse  Fluss  (Jodo-gawa)  sich  in  dessen  Nordwesten 
befindet.  Es  heisst,  der  Name  stamme  aus  der  Zeit,  in  welcher 
die  kaiserliche  Hauptstadt,  Nara  genannt,  sich  in  .Tamato 
befand.     Gegenwärtig  sagt  man  kawatsi  C  'Jj  )^  =^  )• 

In  dem  Man-jeo-siü  heisst  kafidsi  ein  von  einem  Flusse 
umflossener  Ort  (kawa-no  juki-megureru  tokoro).  Es  wird 
gegenwärtig  noch  bei  Namen  von  Dörfern  gebraucht.  Taki-tsn 
kafufsi  ist  Jo-si-no  in  Jamato. 

Kahuro  (~)j  ^^  tl  )  bezeichnet  Kinder,  deren  Haupthaar 
in  der  Schläfeugegend  abgeschnitten  ist.  In  dem  Wa-mei-seö 
ist  es  die  Lesung  von  ^^  ,kahl'. 

Statt  flp  (kasira)  ,  Haupt'  wird  bei  Namen  von  Bergen 
bisweilen  ^  .Knabe  oder  kleines  Mädchen'  mit  der  Lesung 
kahuro  gesetzt.  Es  deutet  auf  Knaben ,  welche  noch  keine 
Mütze  tragen. 

Zu  den  Zeiten  des  Reichsgehilfen  Taira-no  kijo-nori  gab 
es  dreihundert  Kahle  ( ^  kalmro).  Dieselben  waien  gleich 
Kriegern  zu  Fusse  (asi- gariij.  Man  findet,  dass  auch  Mina- 
moto-no  Josi-tsune  nach  dem  Untergänge  des  Hauses  Taira  deren 
in  seine  Dienste  nahm. 

Kahuro,  durch  "T  Ä  , Haarbüschel'  ausgedrückt,  hat  heut- 
zutage die  Bedeutung  vkare-me  , herumschweifendes  Mädchen'. 
Die  Ableitung  ist  dieselbe. 


Nachträge  zn  japanischei   Dialectforscliung.  73 

Kahu-dzufsi,  in  dem  Nippon-ki  durch  fl^  Jl^^  ausgedrückt, 
ist  der  Name  eines  Schwertes.  Man  h'est  in  Gedichten  auch  kabu- 
dzutsu-i  (  -)]  yy"  ^  ^  )  und  isi-dzutsv-i  (  -^  Z/ y^  ^  -f  ). 
Das  Wort  hat  die  Bedeutung-  , Kopfhammer'.  Auch  tsutsu-i  ist 
so  viel  als  tsutsi  , Hammer',  hi-dzutsu-i  hat  die  Bedeutung 
^steinerner  Hammer^  Gegenwärtig  hatte  man  in  dem  Reiche 
Jamato,  in  der  Gegend  des  Berges  der  drei  Räder  (mi-toa-no 
jama)  steinerne  Schwerter  gleich  den  Kopfhämmern  von  Zeit 
zu  Zeit  aus  der  Erde  gegraben.  Als  man  sie  betrachtete,  hatten 
sie  selbst  Höhlungen,  welche  den  Thau  verbargen  (tsuju-ioo 
kakuru  ana).  Es  waren  Geräthe  von  sehr  alter  Zierlichkeit. 

Man  sagt  kaferu,  kajeru  {^'J] '-'^Jly)  , Frosch' sei  von  ^ 
(kajeru)  ,zurückkehren'  abzuleiten.  Derselbe  sei  ein  Thier, 
welches,  obgleich  in  der  Ferne  ausgesetzt,  voll  Liebe  immer 
wieder  zu  seinem  früheren  Orte  zurückkehrt  (faruka-ni  siitaru- 
to  ije-domo  mata  fon-sio-ni  sitote  kajeru).  Man  gebraucht  zu 
dieser  Erklärung  die  Zeichen  ^  (faruka)  ,fern'  und  ^  (sitafu) 
, lieben'.  Die  Zeichen  t^g  ^  , Frosch'  hätten  daher  die  Bedeutung 
^  ,fern'  und  ^  , lieben'.  In  dem  Zi-no  kagami  findet  sicii 
kaßru,  kairii  (  >(/  j^  )\y)^  von  Neueren  auch  ka-iru  ('Jj  -^  )\y^ 
geschrieben.  In  der  Sprache  der  Holländer  sagt  man  kiki-foru- 
su  (kikvorsch).  Kuso-gajeru  ,Kothfrosch'  ist  ein  gewisser  kleiner 
Frosch  (^  -^). 

Die  Farbe  des  Frosches  ist  je  nach  seinem  Wohnorte 
verschieden.  Derjenige,  der  sich  in  Gräsern  aufhält,  ist  von 
Farbe  grün.  Er  heisst  ama-gajeru  , Regenfrosch'.  Derjenige,  der 
sich  in  gelber  Erde  aufhält,  sieht  von  Farbe  gelb  aus.  Er 
heisst  nka-gajeni  ,rother  Frosch'.  Derjenige,  der  sich  in  ver- 
faulten hohlen  Bäumen  und  neben  Häusern  aufhält,  bekommt 
schwarze  Punkte  und  hat  Aehnlichkeit  mit  verfaulten  Baum- 
stümpfen. Er  heisst  tsutsi-gajeru  ,Erdfrosch'.  Kaj>iru-ko  sind 
die  Froschwürmer. 

In  der  Musik  Saibara  findet  sich  tsiknranaki  kajeru  ,der 
kraftlose  Frosch'.  Er  wird  gewöhnlich  von  der  Schlange  ver- 
zehrt. Es  gibt  ferner  einen  anderen  Frosch,  welcher  Schlangen 
verzehrt.  Es  wurde  von  Ackersleuten  gesehen.  Ferner  gibt  es 
einen  dreifüssigen  Frosch,  welcher  zu  Zeiten  in  Älusasi  vor- 
kommt. Als  man  in  dem  Reiche  Ka-ga  einen  grossen  Stein  des 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  I.  Hft.  6 


74  Pf  i  7.111  aior. 

Feldes  zerspaltete,  fand  man  in  ihm  Anhäufung  von  Wasser  und 
einen  Frosch.  Dieser  war  gleich  einem  gewöhnlichen  Frosche.  Es 
gibt  einen  Frosch,  welcher  inni-lcajeru  ,Meerfrosch^  heisst. 

In  dem  Nippon-ki  hat  ^  ^  ,nicht  mögen'  die  Lesung 
gafezu  (  'tf^^  y^  )•  ^^  hat  die  Bedeutung  von  kokoro-ni  nke- 
gmcanu  ,im  Herzen  nicht  einverstanden  sein'.  Von  -^  , mögen' 
findet  sich  die  Lesung  kafenzu  (  ^J  »-^  3/  ^  ).  Man  erklärt 
es  durch  ka-nari  ,es  darf  sein'.  Die  Angabe,  dass  das  T6-on 
(Aussprache  der  Thang)  von  -^  , mögen'  einst  kajen  (  >(/  X  >' ) 
gewesen  und  man  wohl  mit  verderbter  Aussprache  daraus  eine 
japanische  Lesung  gemacht  habe,  wird  als  durchaus  irrig  be- 
zeichnet. 

^  (kama)  , Binse'  wird  im  gemeinen  Leben  mit  trübem 
Laute  gama   ausgesprochen. 

Kamatsi  {'}]  ^  ^  )  ^^^^  ^^^  ^^^  Wagen  umschliessenden 
Hölzer,  auch  das  schräge  Holz  an  dem  Haupte  des  Bettes.  Man 
sagt  toko-gamatsi  , Betteinfassung',  agari-gamatsi  , aufsteigende 
Einfassung'.  In  der  Uebersetzung  der  Ueberlieferungen  des 
Geschlechtes  Tso  ist  kamatsi  die  Lesung  von  4^  , Wange'. 
Beständig  den  Kopf  schlagen  (tsnne-ni  kasira-ioo  ntsuj  nennt 
man  kamatsi-faru  ,die  Einfassung  spannen'.  Gegenwärtig  sagt 
man  foico-gamatsi  , Einfassung  der  Wange'. 

Kama-ke  ist  ein  Kästchen  aus  Binsen.  Gegenwärtig  ver- 
fertigt man  es  aus  Stroh.  In  den  westlichen  Reichen  sagt  man 
kama-ki  ("Jj  '^  :^  \ 

Kama-ke  {  ^J  ^  ^)  findet  sich  als  Lesung  von  ^  , an- 
geregt sein'.  Dass  man  heutzutage  im  gemeinen  Leben  ,an  eine 
Sache  gehängt  sein'  koto-ni  utsi-kakari-ioiru  durch  kamakete 
iru  ('J]  ^  }^  -^  ^  ]\y  )  ausdrückt,  soll  nahezu  denselben  Sinn 
haben. 

In  De-wa  wird  für  kimo-wo  tsuhasu  , heftig  erschrocken 
sein'  das  Wort  kamakeru  {')]  ^  ^  )ly )  gesagt.  In  dem  in 
dem  Man-jeo-siü  vorkommenden  kamakeri  {  'fj  ^  ^  ))  )  wird 
der  Sinn  von  kama-hisnsi  , lärmend'  vermuthet.  Der  Vers  atori 
kamakeri  würde  dann  bedeuten :  die  Jägervögel '  lärmen. 


'  Dieser  Vogel  fliegt  in  Seliareu  und  erfüllt  die  Berge  und  Wälder  gleich 
Reihen  vou  Kriegsleuten.  Daher  sein  Name.  Er  heisst  auch  der  Sperling 
von  Hu. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  75 

Kama-sn  ist  ein  Kästchen  aus  Binsen.  Es  hat  den  Sinn 
von  kama-su  .Binsenmatte'^  und  so  viel  als  kama-ke.  Man  sagt 
auch  ktigutsu  ( ^   ^  ^  ). 

Kama-su  als  Name  eines  Fisches  ist  der  Fisch  des  Weber- 
schiffes (^  ;||).  der  Hecht.  Derselbe  heisst  so,  weil  er  mit 
einem    Weberschiöe  ( 1^  fi)  Aehnlichkeit  hat. 

Kama-sn-go  (  77  ^  X  ^)  bedeutet  die  Sprossen  der 
Pflanzen  (  ^   naje).     In  Fari-ma   und  I-se  sagt  man  i-kana-go 

{ ^  tl  ~}~  ^  )•  Indem  man  an  dem  Meerufer  Hütten  baut  und 
Kessel  in  Reihen  stellt,  siedet  man  diese  Sprossen  und  gewinnt 
daraus  ein  Oel.  Man  verzehrt  auch  den  Bodensatz  (kasu). 
Man  vermuthet  daher,  dass  kama-su  die  Abkürzung  von  kama- 
kasu  , Bodensatz  des  Kessels'  sei. 

In  dem  Zi-no  kagami  ist  kamafu  i'J]  ~?  y^  }  die  Lesung 
von  (  ^  -|-  ^ )  ?clie  Stimme  des  Hundes'.  Ferner  ist  es 
die  Lesung  von  ^^  ,den  Mund  öffnen  und  die  Zähne  zeigen'. 
Es  heisst  saru-no  kamafu  ,der  Affe  zeigt  die  Zähne'.  Man 
vergleicht  es  mit  kamti  ,beissen'.  Die  Rückkehr  von  ma-fu  ist  m.u. 

Kama-hoko  bedeutet  die  Binsenblüthe.  Es  hat  den  Sinn 
von  kama-hoko  , Binsenlanze'. 

Kama-hoko  , Fischkuchen'  erhielt  diesen  Namen,  weil  er 
von  Gestalt  den  Binsenblüthen  (kama-hoko)  ähnlich  ist. 

Kama-kaze  heisst  ein  Wind,  der  die  Gegenden  von  Mutsu, 
Sina-no  und  Jetsi-go  gleich  einem  Wirbelwinde  durchstreicht 
und  die  Menschen  verletzt.  Man  nennt  ihn  daher  ^  Jä^  (kama- 
kaze)  , Sichelwind'.  Derselbe  weht  zur  Zeit  der  strengen  Kälte 
und  ist  ein  Wind  des  verborgenen  Giftes. 

Kamu  -  tsumari  {^'Jj  J^  ^  ^  ])  )  bedeutet :  die  Götter 
häufen  sich  an  oder  bleiben  zurück.  Tsumari  ist  so  viel  als 
tsumoru  ,sich  anhäufen'.  Man  findet  auch  kan-tsumari  (  ^J  2/ 
^  ^  \)  ).  Noch  wird  erklärt,  dass  das  Wort  mit  atsumari 
,sich  versammeln'  zusammengesetzt  sein  könne,  wobei  a  aus- 
gelassen worden.  In  einem  Gebete  hat  )j|j||j  ^  ,die  Götter 
versammeln  sich'  die  Lesung  kan-tsudoje  {'J]  2/  ^  l^-^  ).  In 
dem  Man-jeö-siü  liest  man  dafür  kan-atsume  (')]  Z^  T  ^  y(  ). 
In  einem  Gebete  ist  kamu-tsumari  die  Lesung  von  jp||j  ■^  ,die 
Götter  bleiben  zurück'.  Es  wird  bemerkt,  dass  nicht  kamu- 
todomari  gelesen  werden  dürfe. 

6* 


{()  Pfizmaicr. 

Von  Gattungen  des  Papieres  (Icami)  werden  in  dem  Zi-no 
kao-ami  erwähnt:  iro-gnmi  ,farbig-es  Papier',  majumi-gami  , Papier 
vom  Spindelbaum',  kndzi-gami  , Papier  vom  Papierbaum',  ije-gami 
,I-Iauspapier',  kmoa-goke-kami  ,Papier  von  Fhissmoos',  fi-fakv- 
gami  /lünnes  Papier'.  Asa-gami , Hanfpapier'  kommt  unter  den 
Gegenständen  des  Kreises  Asa-no  vor. 

Man  findet  hin  und  wieder,  dass  das  japanische  Papiei- 
in  fremden  Ländern  gerühmt  wird.  Zu  den  Zeiten  des  Kaisers 
Hiuen-tsung  von  Thang  sammelte  man  viele  Bücher  und  schrieb 
auf  japanisches  Papier,  was  in  den  vermischten  Verzeichnissen 
des  Fichtenfensters  zu  sehen  ist. 

Kami  ,Gott'  wird  im  Anfange  der  Lautverbindungen  häufig 
kan  (']]  2/  )  gelesen. 

Kami  ist  in  alten  Werken  häufig  die  Lesung  von  ^1* 
,Donner'.    Gegenwärtig  sagt  man  kami-nari. 

Sake-iüO  kan-siirn  ist  so  viel  als  sake-wo  ntafamu  ,den  Wein 
wärmen'.  Es  ist  mit  kamo-siirn.  (  >(/  -^  y^  )\^  )  ,Wein  kochen' 
gleichbedeutend.  Einige  bedienen  sich  des  Zeichens    M   (kan). 

Kan  (')]  2/ ),  bei  Rechnungen  gebraucht,  ist  das  Zeichen 
^  (ka.n)  , Abgang'.  Man  findet  die  Ausdrücke  ^'  -^  (ian- 
kan)  jkurzer  Abgang'  und  :j^J  ^  (sekkan)  , gebrochener  Abgang'. 

Kan-no  fstijoki  _,stark  im  Anlauf  wird  von  Pferden  gesagt. 
Kan  ( 'Jj  2y  )  ist  das  Koje  von  TM  -\-  ^J  ,der  Anlauf  des 
Pferdes'. 

Kan  \^J  ^)i  von  der  Stimme  gesagt,  ist  das  umge- 
wendete Koje  von  ffl  (kafn),  dem  ersten  der  zehn  cyclischen 
Zeichen. 

Kanna  (  ~lj  2^  'j~ )  ist  ka  -  na.  ,geborgte  Schriftzeichen'. 
Es  findet  sich  in  dem  Geschlechte  Gen. 

Für  kannagi  , Beschwörer'  sagt  man  auch  kafnnagi  (  >(/  y^ 
~y-  r^* )  und  mi-ko,  ferner  agata-mi-ko  , Bezirksbeschwörer',  sato- 
mi-ko  , Dorfbeschwörer'  und  aruki-nü-ko  , wandernder  Beschwörer'. 
Me-kannagi  ist  eine  Beschwörerin.  In  dem  Jen-gi-siki  werden 
Beschwörer  erwähnt,  welche  7vi-gn,  snri-no  mi-ko  , Beschwörer 
der  Reibung  des  Sitzes'  heissen. 

In  den  Worten  der  Gebete  hat  /^  ,Beschwörer'^  die  Lesung 
kan-ko  [')]  2/  ZI  )■  Das  Wort  hat  den  Sinn  von  kami-ko 
, Göttersohn', 


^ 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  l  t 

Kandaisi  (  '}]  .V  ^^  )  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung 
von  g  ,Sauerteig'.  Gegenwärtig-  sagt  mem  kafiidzi  i^-J]  y  ^) 
und  kozi  (  '/j  t^  ij/  )■  Es  ist  die  Abkürzung-  von  kandatsi. 
Arten  des  Sauerteiges  sind  fimc-kodzi  ,der  weibliche  Sauerteig-', 
fdua-kbdzi  ,der  blumige  Sauerteig^  Ferner  unterscheidet  man 
sira-kodzl  , weisser  Sauerteig'.  Den  Schimmel  (kahi)  nennt  man 
im  gemeinen  Leben:  fana-uo  tsitku  , Blumen  setzen  sich  an*^, 
was  dasselbe  ist.  Im  gemeinen  Leben  sagt  man  auch  ^  j^ 
(tsikti-ico)  jBambusgelb'.  Dass  man  auf  der  Insel  Je-zo  heut- 
zutage noch  kandatsi  zu  sagen  pflegt,  ist  in  dem  Werke  Fokkai- 
zui-fitsu  , Autschreibungen  von  dem  nördlichen  Meere'  zu  sehen. 

Kandoki  {~}j  2/  "H  4"  )  ^^^  ^^  ^^^  Nippon-ki  die  Lesung 
von  j^  ^  , Donnerschlag'.  Man  liest  auch  kami-dokt  und 
kami-doke.  Es  hat  den  Sinn:  Lösung  des  Donners.  Kami  ist 
das  gegenwärtig  gebräuchliche  kami-nari  ^Donner'.  Tolci  hat 
die  Bedeutung  ioku  , lösen'.  Das  in  dem  Kami-jo-bumi  vor- 
kommende saku-ikadztdsi  ^der  zerreissende  Donner'  ist  dasselbe. 
In  dem  Jen-gi-siki  ist  von  dem  Opfer  des  Gottes  des  Donner- 
schlages (  j5    j8   Ä  feki-reki-zin)  die  Rede. 

In  dem  Zi-no  kagami  wird  der  Donnerschlag  das  von 
dem   Donner  getretene   Holz  (kami-no  fiimeru  ki)  genannt. 

Man  liest  für  , Donnerschlag'  auch  kami-ot.su  {^~J]  ^  ^  ^  ). 
Es  hat  die  Bedeutung  kami-otsuru  ,der  Donner  fällt  herab'. 

Kan-datsi-be,  häuhg  Jl  jj  ^  geschrieben,  hat  die  Be- 
deutung JI2  ^  ^  (kami-tat.'ii-hc)  , Abtheilung  der  Höheren'. 
Es  bezeichnet  die  Würdenträger  von  der  dritten  Rangstufe  auf- 
wärts.    Man  sagt  auch  kan-datsi-me. 

Kan-datsi-ma  bedeutet  ferner  jjjl|j  ^  (kami-tatsi)  ,Palast 
der  Götter'. 

In  den  Erzählungen  findet  sich  -^  (kan)-no  ^\^  ^  {on- 
zo).  Es  ist  das  von  dem  vorhergegangenen  Kaiser  getragene 
kleine  Kleid  (dai-zib-ten-icb-no  mesuaerarttru  ko-nawosi). 

Arten  der  Schildkröte  (käme)  sind  kawa-game  , Flussschild- 
kröte', je-game  ,Buehtcnschildkrötc',  isi-game  , Steinschildkröte', 
umi-game  , Meerschildkröte',  0-0-game  , Riesenschildkröte',  ko-gam<'. 
, kleine  Schildkröte',  jama-gamn  , Bergschildkröte'. 

Mino-game  , Schildkröte  des  Regenmantels'  oder  midori- 
game  ,grüne  Schildkröte'  ist  die  grünhaarige  Schildkröte. 
Eine   solche   wurde   zu   den   Zeiten   des   Heerführers   Josi-motsi 


78  Pfizmaier. 

(1393  bis  1428  n.  Chr.")  zum  Geschenke  gemacht.  Ferner  wurde 
in  dem  Meere  von  A-wa  eine  im  Umfang-e  zwei  Klafter  messende 
grosse  Schildkröte  gefunden.  Es  soll  eine  grünhaarige  Schild- 
kröte gewesen  sein. 

Mi-tsu  asi-gama  ist  eine  dreifüssige  Schildkröte. 

Kame-jama  ,der  Schildkrötenberg'  ist  der  Berg  F6-rai. 
Man  liest  den  Namen  dieses  Berges  auch  kaine-no  uje-naru 
jama  ,der  auf  der  Schildkröte  befindliche  Berg'.  Diese  Schild- 
kröte ist  eine  Meerschildkröte  (umi-game).  Die  alte  Sage,  dass 
dieselbe  den  Berg  F6-rai  auf  dem  Haupte  trägt,  ist  bei  Lie-tse 
zu  sehen.     Das  Sin-roku-deo  sagt: 

Ika-ni-site  \  jiiki-te  tadzunen  \  kame-jama-ni  \  sinami  kusuri- 
wa  I  ari-to  ifu. 

, Irgendwie  |  den  wandelnd  man  suchen  wird,  |  auf  dem 
Schildkrötenberge  |  die  Arznei  des  nicht  Sterbens  |  gibt  es, 
man  sagt'. 

In  der  Sammlung  des  Auflesens  des  Hinterlassenen  kommt 
das  Wort  ebenfalls  vor.  Da  die  betreffende  Stelle  ein  Gedicht 
ist,  welches  einem  nach  Osten  ziehenden  Menschen  übersendet 
wird ,  so  glaubt  man ,  dass  es  sich  vielleicht  auf  den  in  dem 
Reiche  I-se,  Kreis  Suzu-ka,  liegenden  Berg  ^k  Hj  (kame-jama) 
, Schildkrötenberg'  bezieht. 

Kame-no  ma-sura  {  ')]  yi  y  ~Z  ^  "y  )  bedeutet  kame-no 
uranai  ,das  Wahrsagen  durch  die  Schildkrötenschale'. 

Kame-no  ura-gusi  bedeutet:  Speiler  der  Wahrsagung  durch 
die  Schildkrötenschale.  Man  schliesst  drei  Speiler  (kusi)  in 
einen  Bücherkasten  (oi),  drängt  sie,  wenn  man  die  Sache  unter- 
nehmen will,  heraus  (koto-ni  nozonde  osi-idasi)  und  wahrsagt 
dadurch  Glück  und  Unglück. 

Jama-kage-no  kamo  bedeutet  die  Aente  des  Bergschattens. 
Diese  Aente  zieht  nicht  gleich  der  Gans  zu  fernen  Reichen 
hinüber.  Im  Sommer  sucht  sie  den  Schatten  der  Berge  und 
lebt  verborgen  an  dem  kühlen  Wasser.     Daher  ihr  Name. 

In  dem  Man-jeo-siü  wird  loo-kamo  {  y^  7]  -^)  für  ko-gamo 
, kleine  Aente'  gesagt. 

Kamo  ist  die  Lesung  von  ^J^  ,Nabe'.  Das  Wa-mei-seo 
liest  karimo  (~Jj    ])   -£^  ). 

Kamo  ist  auch  die  Lesung  von  ^^  ,Filz'.  In  dem  Nippon-ki 
findet  sich  auch  ori-kamo  , gewebter  Filz'. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschung.  7«/ 

Gara,  durcli  '^  (hara)  ^.Stengel'  ausg^edrückt,  ist  ein  aus 
nagara  ,Wcährend'  umgewendetes  Wort  und  bezeichnet,  anderen 
Wörtern  angehängt,  die  Beschaffenheit  einer  Sache.  Man  sagt 
fito-gara  , Menschenart',  mi-gara  ,die  Beschaffenheit  des  Ein- 
zelnen', [y^  (jo)-gara  ,die  Art  der  Welt',  loto-gara  ,die  Art 
der  Sache',  ^  (koto)-gara  ,die  Art  des  Wortes',  ije-gara  ,die 
Beschaffenheit  des  Hauses',  tomo-gara  ^Genossen,  Leute  von 
derselben  Classe',  te-gara  ,die  Weise  der  Hand,  die  Verrichtung', 
tolxoro-gara  ,die  Beschaffenheit  eines  Ortes',  jado-gara  ,die  Be- 
schaffenheit der  Einkehr'  und  Anderes. 

Siro-karasi  ,  weisser  Senf  wird  auch  je-do  garasi  ,Senf  von 
Je-do'  genannt. 

^  (To)-garasi  ,chinesischer  Senf  ist  der  lange  Pfeffer. 
Namen  von  Pflanzen  sind  inu-garasi  ,Hundesenf'  und  ta-garasi 
, Feldsenf'. 

Kara-wa,  durch  j^  f^  (knra-wa)  , chinesisches  Rad'  aus- 
gedrückt, ist  der  Haarschopf  der  Kinder.  In  dem  Nippon-ki 
hat  'fö  -^p-  , Hörnchen'  die  Lesung  age-maki-kara-wa.  Es  ist 
das,  was  man  gegenwärtig  kara-ko-ioage  nennt.  Es  bedeutet: 
den  Grund  des  Haupthaares  gleichförmig  erfassen ,  das  Ende 
in  zwei  Theile  theilen  und  über  der  Stirne  rund  zu  einem  Rade 
zusammenbinden  (kami-no  moto-ioo  tori-soroje  su-e-wo  ni-fun-si 
fitai-no  uje-fodo-ni  maruku  loa-ni  jü). 

Karasu  ,Rabe'  wird  deutlicher  durch  sato-garasu  ,Dorfrabe< 
ausgedrückt.  In  Gedichten  findet  sich  jama-garasu  , Bergrabe', 
mura-garasu  , Rabenschar',  nkare  - garasu  ,lierumschweifender 
Rabe',  ko-motsi-garasu  ,Rabe,  welcher  Junge  besitzt',  jamome- 
garasu  , Witwenrabe'. 

Fasi-huto -karasu  ,der  dickschnabelige  Rabe',  abgekürzt 
fasi-huto,  ist  die  Krähe.  Man  findet  auch  j^  (to)- garasu 
,chinesischer  Rabe'.  Man  sagt,  es  sei  die  Elster,  welche  nebst 
kasasagi  auch  jorokohi- garasu  ,der  freudige  Rabe'  und  maröto- 
garasu  ,der  gastende  Rabe'  genannt  wird.  Sonst  findet  sich 
ake-garasu  ,Rabe  der  Morgendämmerung',  tomari-garasu  ,der  am 
Abend  sich  aufsetzende  Rabe',  tsuki-jo-garasu  ,der  Rabe  der 
Mondnacht'.  Asa-garasu  ,Morgenrabe'  kommt  in  dem  Mau-jeö- 
siü  vor  und  wird  gegenwärtig  noch  gesagt. 

Im  gemeinen  Leben  sagt  man  nana-tsuki-no  ivakare- garasu 
,der    sich    trennende  Rabe  des    siebenten    Monats'.     Der   Rabe 


bü  Pfizinaier. 

bringt  Im  Früliling'e  das  Junge  zur  Welt.  Wenn  dieses  gross 
geworden  ist,  füttert  es  wieder  die  Aeltern.  Im  siebenten 
Monate  des  Jahres  trennen  sie  sich  und  begeben  sich  an  einen 
anderen  Ort.     Dieses  ist  der  kindliche   Rabe. 

Bei  den  Raben  kann  man  nicht ,  wie  bei  den  übriaen 
Vögeln,  an  der  Farbe  der  Federn  das  Geschlecht  unterscheiden. 
Desswegeu  sagt  mau  tare-ga  karasu-no  ^\^  ^  (si-ji()-ivo  siran 
,wer  wird  wissen,  ob  der  Rabe  ein  Männchen  oder  Weib- 
chen ist?' 

Kara-kusa  ist  der  Name  einer  Pflanze.  In  Suruga  nennt 
man  sie  kata-ikari  ,das  einseitige  Epimedium'.  Dieselbe  hat 
Aehnlichkeit  mit  deui  Epimedium  (ikari)  und  heisst  (in  Suruga) 
so,  weil  ihre  Blüthen  sich  auf  einer  Seite  befinden.  In  Ka-ga 
nennt  man  sie  auch  ;j;g  (ne)-seri  ,Wurzelpet6rsilie'.  Sie  erhielt 
diesen  Namen,  weil  sie  in  der  Erde  sogleich  wächst  und  den 
Geruch  und  den  Geschmack  der  Petersilie  hat. 

In  dem  Wa-mei-seo  ist  kara-kusa  die  Lesung  von  ^ 
, Futtergras'.  Man  erklärt  es  durch  ^^  ^  (kara-kusa)  ,Stängel- 
pflanzen*.  Es  ist  das,  was  man  gegenwärtig  ma-kusa  , Pferde- 
futter' nennt. 

Kara-kusa  heissen  ferner  die  Zeichnungen  der  Gewebe 
und  Anstriche.  Die  Zeichnungen  der  Mäntel  nennt  man  auch 
~J"  -^  (teo-zij-gara-kusa  , Zeichnung  der  Gewürznelken'  und 
wa-nasi-gara-kusa  , räderlose  Zeichnung'. 

Kara-kasa-gami  , Regenschirmpapier'  ist  geöltes  Papier. 

Kara-fana  hat  in  den  grossen  Gebräuchen  die  Bedeutung : 
aus  Brettern  verfertigte  Blumen  (ita-nite  tsukiireru  faua-no 
koto).  Es  wird  gesagt,  dass  auch  unter  den  künstlichen  Blumen 
keine  japanischen  Blumen  sind  (mata  musahi-hana-no  naka-ni- 
mo  ni2)pon-no  fana-nite  naki-wö  iü).  Das  Wort  hätte  daher 
den  Sinn:  chinesische  Blumen. 

Das  in  dem  Nippon-ki  vorkommende  kara-jama  , dürrer 
Berg'  hat  die  Bedeutung,  dass  die  Blätter  der  Pflanzen  und 
Bäume  gelb  werden  und  abfallen. 

Kara-hune  ist  ein  leeres  Schiff.  Gegenwärtig  sagt  man 
su-hune. 

Kara-hnne  bedeutet  auch:  chinesisches  Schifl\  Es  ist 
soviel   als   morokosi-hunp,. 


Nachträge  zu  japanischer  Dialectforschuog.  bl 


Karasu-najeri  (  >(/  37  y^  -J""^  \)  )  ist  in  dem  Wa-mei- 
seo  die  Lesung  von  tt  f\h  , umgewendete  Sehne',  d.  i.  Waden- 
krampf. Man  glaubt,  es  könne  karasu-naje  , Lahmheit  des 
Raben'^  bedeuten.  Es  ist  eine  Vergleichung  mit  dem  Gange 
des  Raben  (karasu-no  ariku  katatsi-ni  tatbru).  Man  findet 
auch  karasu-naje  und  komura-gajeri. 

Kara-kumi  ist  in  dem  Wa-mei-seo  die  Lesung  von 
(  J^   +   J^ )  .ein  aus  Seidenfäden  gewebter  Gürtel'. 

Kara  -  kun  -  teo  ,Truthahn'  wird  durch  (  J^  -|-  J^^  )  ^j^ 
(kara-kumi -teo)  ,der  Vogel  des  aus  Seidenfiiden  gewebten 
Gürtels'  erklärt.  Das  Wort  wird  fi£  ^  ^||  ,das  ein  breites 
Band  speiende  Huhn'  geschrieben.  Wenn  man  die  Flöte  spielt, 
stimmt  dieser  Vogel  mit  entsprechenden  Lauten  ein.  Sein 
Schweif  öffnet  sich  gleich  einem  Pfauenschweife,  die  Farbe 
seines  Kammes  wechselt.  Das  breite  Band  befindet  sich  unter 
seinem  Kinn ,  wo  es  sich  von  selbst  ausdehnt  und  zusammen- 
zieht. Indessen  heisst  der  Truthahn  holländisch  ka^koen  (Aus- 
sprache kalkun).  Von  diesem  AVorte  stammt  wohl  unzweifel- 
haft das  japanische  kara-kun,  was  in  dem  Wa-kun-siwori  nicht 
angegeben  wird. 

Kari-fo  {  'f]  )j  tJ;)  ist  in  dem  Man-jeo-siü  die  Lesung 
von  ^  ^  , entlehnte,  vorläufige  Hütte'.  Es  heisst:  ui-ico- 
hana  |  kari-fo-ni  fuki-te  ,mit  dem  ersten  Riedgras  |  die  Noth- 
hütte  deckend'.  Das  Wort  ist  die  Zusammenziehung  von  kari- 
ifo.  Der  Ausdruck  kari-fo -no  ifo  ,die  Hütte,  die  entlehnte 
Hütte  enthält  eine  Wiederholung.  Er  hat  nicht  den  Sinn 
;Xl|  ^  (kari-fo)-no  ifo  , Hütte  der  gemähten  Aehren'.  Siba- 
no  kari-fo  ist  eine  Nothhütte  von  Reisig.  Man  findet  auch 
unabgekürzt  kari-ifo  (  "^    fj    "f    7J^  )• 

Kari-ginu-nawosi  ist  ein  Amtskleid,  welches  ein  Jagdkleid 
ist.     Man  sagt  gewöhnlich  ko-nawosi  , kleines  Amtskleid'. 

Karu-mo  kaku  wird  von  dem  liegenden  Schweine  gesagt. 
Man  glaubt ,  dass  karu-mo  die  Bedeutung  karu-mono  , trockene 
vSache*  haben  könne.  Dass  es  den  Sinn  von  karu-mo  , Horn- 
blatt, welches  man  abmäht'  habe,  wird  für  unmöglich  gehalten. 
Man  sagt,  das  Schwein  stemmt  sich  an  seiner  Lagerstätte  an 
die   trockene  Sache  und  breitet    sie    (inoko -wa  fusi-dokoro-ni 


ö^  Pfizmaier. 

karu-mo  kaki-jorite  siku).  Da  es  nicht  ruhig  schläft,  wird  in 
Gedichten    der   Ausdruck    häufig-   in  diesem  Sinne  gebraucht.  ' 

Kare  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^  ,dess- 
wegen'.  Man  findet  darin  eine  doppelte  Rückkehr  von  karu-ga 
ju-e.  Die  Rückkehr  von  m  ga  ist  ra.  Die  Rückkehr  von  ju  e 
ist  je.     Die  Rückkehr  von  ra  je  ist  re. 

Kaiaaku  {  'tj  ^  ^  )  bedeutet:  vertrocknet  sein.  Die 
gewöhnliche  Schreibart  kafaku  {  'J]  )^  ^  )  wird  für  unrichtig 
gehalten.     Das  Go-sen-siü  sagt: 

Omoi-ni  ajezn    \   tma  kaicaki-nan. 

,Ehe  man  noch  denken  kann ,  |  wird  man  jetzt  ver- 
trocknet sein^ 

Ki,  zu  gl  getrübt,  wird  häutig  in  den  Namen  männlicher 
Gottheiten  gesagt.  So  in  izana-gl,  awa-na-gi^  fowo-na-gl,  kami- 
ro-gi.  Es  wird  hier  überall  dem  mi  in  den  Namen  weiblicher 
Gottheiten  entgegen  gestellt. 

Ki  als  Lesung  von  Ül  ^lebendig  oder  roh^  ist  die  Ab- 
kürzung von  iki.  So  in  ki-zake  ,roher  Wein,  d.  i.  Wein,  der 
nicht  mit  Wasser  vermischt  ist',  ki-ginu  , roher  Seidenstoff, 
d.  i.  Seidenstoff,  der  noch  nicht  geglänzt  ist^ 

Das  in  der  Abwandlung  der  Zeitwörter  gebrauchte  ki 
wird  für  gleichbedeutend  mit  keri  ,gekommen'  gehalten.  Die 
Rückkehr  von  ke  ri  ist  ki. 

In  einigen  Ausdrücken  der  gemeinen  Sprache,  wie  in 
ivodzi-ki  , Oheim',  ani-ki  , älterer  Bruder'  ist  ki  die  Abkürzung 
von  kimi  , Gebieter'.  Da  in  den  Erzählungen  Ausdrücke  wie 
komo-ki  , Matte',  ate  -  ki  ,ZieV,  nare-ki  , Gewohnheit',  inu-ki 
,Hund'  vorkommen ,  so  ist  es  ein  von  Alters  her  gebräuch- 
liches Wort.  '^ 

JK^  , Nutzholz'  hat  so  wie  -^  ,Holz'  die  Lesung  kL  Vier- 
eckiges (keta  -  nnru)  Nutzholz  nennt  man  gegenwärtig  ^ 
(kaku).  Rundes  (madoka-nani )  nennt  man  viaru-ki  , rundes  Holz*^. 

'  Beispiele  werden  in  dem  Wa-kun-siwori  weder  bei  diesem  Worte ,  noch 
bei  wi-ta-utsn,  welches  denselben  Sinn  hat,  angeführt. 

2  Das  Wa-knn-siwori  sagt  nicht,  welche  Bedeutung  ki  in  den  liier  zuletzt 
angefühlten  vier  Wörtern  hat.  Die  diesen  Wörtern  beigefügte  Erklärung 
ist  daher  nur  eine  muthraassliche. 


I 


Nachträge  zu  japanisch'T  Dialectforschnng.  öö 


Ki  als  Lesung  von  ^g  ;Sarg^  hat  den  Sinn  von  Ici  ,Holz'. 
In  China  sagt  man  das  Wort:  ^    TJ^   ,sich  dem  Holze  nähern'. 

Ki  als  Lesung  von  -^  ,Zahn'  ist  die  Abkürzung  von 
Mba.  Man  sagt  ici-no  Id  , Eberzahn',  kisa-no  ki  ,Elephanten- 
zahn^ 

Ä7  ist  die  Lesung  von  ^  ;gelb'.  Es  wurde  die  Ver- 
muthung  ausgesprochen,  dass  es  so  viel  als  kutsi  , verfault'  sei 
und  sich  auf  die  abfallenden  gelben  Blätter  beziehe.  Die  Rück- 
kehr von  ku  tsi  ist  ki.  Wo  es  keine  Zusammensetzungen 
bildet,  gebraucht  man  ki-nnni  und  ki-na.  In  Mi  -  kawa  und 
Totömi  sagt  man  ki  -  na  -  i  (  ^^  -j-  ^  ).  Daselbst  wird  in  der 
gesprochenen  Sprache  den  Namen  sämmtlicher  Farben  die 
Sylbe  i  {  ^  )  angehängt.  Man  glaubt,  es  könne  die  Abkürzung 
von  iro  , Farbe'  sein. 

Ki  als  Lesung  von  »^  ,Wein'  wird  für  die  Abkürzung 
von  iki  ,Athem,  Geist'  gehalten.  So  in  mi-ki  , göttlicher  Wein', 
siro-ki  , weisser  Wein',  kuro-ki  , schwarzer  Wein'. 

In  einigen  Ausdrücken  der  gemeinen  Sprache  hat  ki  die 
Bedeutung  von  :^  (kij  , Triebwerk,  Umstände,  Gelegenheit'. 
So  in  ki'-no  iaaje-ni  kusuri  nasi  ,vor  der  Gelegenheit  gibt  es 
keine  Arznei',  ki  -  ni  Jotte  fo  -  wo  toke  ,je  nach  den  Umständen 
erkläre  man  die  Vorschrift'. 

Ki-i  (  ::^  ^  )  ist  in  dem  Nippon-ki  die  Lesung  von  ^ 
, kommen'.  /  wird  für  den  Wiederhall  des  Lautes  (ko-e-no 
fihiki)  gehalten. 

Das  Reich  Ki-i  hiess  ursprünglich  ki-no  kuni  , Reich  der 
Bäume'.  In  den  Jahren  des  Zeitraumes  Wa-dö  (708  bis  714 
n.  Chr.),  als  man  gute  Schriftzeichen  wählte,  gebrauchte  man 
für  diesen  Namen  zwei  Zeichen ,  und  man  schreibt  seitdem 
^  ^  (ki-i).  I  wird  ebenfalls  für  einen  Wiederhall  des 
Lautes  gehalten. 

Kiki-joku  ,gut  oder  erfreulich  zu  hören'  bedeutet  in  dem 
Kami-jo-bumi  das  Gegentheil,  nämlich  kiki-nikuki  koto  , etwas, 
das  abscheulich  zu  hören  ist'.  Der  Ausdruck  ist  noch  gegen- 
wärtig in  Brauch. 

Kiki-ohomeku  (  ^z  ^  7j~  ^^^;>^  ^  )  ist  die  Uebersetzung 
des  bei  Tschuang-tse  vorkonunendeu  Ausdrucks  ^  ^|  , hören 
und  verwirrt  sein'.  Obonnfku  wird  mit  oboro  , trübes  Licht' 
verglichen. 


ö4:  P  tizmai  er. 

Ki-goto  Jeder  Baum^  Die  Worte  ki-yofo-ni  uvie-wo  omoi- 
jose-taru  ,auf  jedem  Baume  die  Pflaumenblüthen  in  Gedanken 
nahe  gebracht  haben'  sind  von  der  Art,  wie  mtihe  jama-kaze- 
wo  I  arasi-to  ifu-ran  ,mit  Fu«-  den  Bergwind  |  wird  man 
Sturmwind  nennend  Die  Zeichen  jjj  j^  (jama-hize)  ,Beri>- 
wind'  bilden  in  Zusammensetzung-  das  Zeichen  ^^  (arastj 
, Sturmwinde  Auch  ein  chinesischer  Dichter  sagt:  Mit  Fug- 
nehme ich  das  Zeichen  ^^  , Kummer'  und  mache  es  zu  ^  ji(^ 
, herbstliches  Herz^     In  dem  Ko-kon-siü  heisst  es : 

Juki  fure-ba  |  ki-gofo-ni  fana-ni  \  saki-ni-kerih  \  idzure-wo 
ume-to  I  waki-te  tcori-masi. 

,Wenn  der  Schnee  fällt,  |  auf  jedem  Baume  mit  Blumen  | 
ist  er  erblüht.  |  Welche  wohl  als  Pflaumenblüthen  |  erkennend, 
werd'  ich  brechen?' 

Die  Zeichen  yj^  ^fö  (ki-goto)  Jeder  Baum'  bilden  in 
Zusammensetzung-  das  Zeichen   i^  (ume)  , Pflaumenbaum'. 

Kiku  , hören'  hat  auch  die  Bedeutung-  juru-sit  ^erlauben'. 
Jiirusanu  , nicht  erlauben'  wird  durch  kikanic  , nicht  hören' 
ausgedrückt.  Desswegen  hat  1^  , hören'  auch  die  L,esung  jw'Ksii. 
J^  ^  ,es  darf  nicht  sein'  hat  die  Lesung  kikazu  , nicht  hören'. 
Es    hat    den  Sinn    von    ^^   W    (kio-ka)-senu   , nicht    erlauben'. 

Kikasi-te  hat  die  Bedeutung  kiki-te  , hörend'.  Die  Rück- 
kehr von  ka  si  ist  ki.  Man  findet  auch  kikosi-te  [  d^  ZI  ly  y^  ). 
Von  einer  Arznei,  welche  Wirkung  hat  (kusuri-no  kt;d-ken-aruj, 
ebenso  von  einem  Nagel,  welcher  den  Boden  durchdringt  (kugi- 
no  tettei-surii)  sagt  man  kiku.  In  Ausdrücken  dieser  Art  hat 
es  den  Sinn  von  ^  , hören'.  Bei  der  Erhörung  muss  ein  Ent- 
sprechen sein  (kiki-ire-taru  koto  kotb-hesi).  Desswegen  sagt  man 
statt  kiku  , hören,  erhören'  auch  kotajeru  , antworten,  entsprechen'. 

Kikosi-mesu  ist  ein  Ehrenzeitwort  für  kiku  , hören'.  Es 
findet  sich  auch  kikosi-juku,  kikosi-mi ,  kikosi-mi-sn  und  das 
Negativum  kikosi-mesarezu.  Das  in  der  ganz  gemeinen  Sprache 
vorkommende  kosi-mesu  ist  die  Abkürzung  von  kikosi-mesu. 

Kikosi-u-osu  ist  die  Lesung  von  ^  ^  und  mit  kuni 
, Reich'  verbunden.  Es  hat  denselben  Sinn  wie  sirusi-viesu 
, verwalten'. 

Kisiru,  durch  ^^  ausgedrückt,  hat  die  Bedeutung  ,knarren, 
knistern'.  Man  sagt  nezumi-nado-no  mo)io-wo  kisiru  ,die  Mäuse 
knistern'.     Eine  Maus    (ko-nezumi)  nennt    man    daher   ko-gisiro 


Maclilräsic  zu  japanischer  Dialertforscliunj;.  85 

(  ^  :^''  2l^  P  )  ,das  kleine  Knisternd  In  dem  Sei-sni-mono- 
g;atari  findet  man  das  Wort  iso-utsn  nami-ni  Idsivete  ^knisternd 
wie  Wellen,  welche  das  Meerufer  schlagend  In  hmrete  liegt 
kisirtmi  zu  Grunde. 

Kisirafn  [  d^  i^^  ^  ^  )  ist  mit  kisiru  , knarren'  gleich- 
bedeutend. In  dem  Jei-kua-mono-gatari  heisst  es  nio-hb-no 
kiiruma  kisirai  ,die  Wagen  der  Frauen  knarren'.  Es  findet  sich 
auch  in  dem   Geschlechte  Gen. 

Gi-sei  (  4-^^  't^  ^  )  ist  ^  ^  (g>'-s<ii)  »die  gerechte  Stäi'ke'. 
Gegenwärtig  sagt  man  auch  gissei  ( :^  ^  iZ   ^  j 

Küo  (4^  y*j  ist  ein  altes  Wort  für  kinö  (^  y  y ) 
jgestern'.  Es  findet  sich  häufig  in  dem  Man-jeo-siü,  ebenso  das 
Wort  kizo-no  jo  ,die  gestrige  Nacht'.  Auf  ähnliche  Weise  sagt 
man  ko-zo  ,das  vergangene  Jahr'.  Man  glaubt,  beides  habe  den 
Sinn  von  ki-zu,  ko-zu  , nicht  kommen'.  In  dem  Nippon-ki  sagt 
man  auch  kizu  (  ::^  ^^^ 

Für   kisofu   (:^yy^    , streiten'  sagt  man   auch    kifofu 

Kisofi-gari , Streitjagd'  findet  sich  in  dem  Man-jeö-siü.  Man 
sagt,  es  sei  so  viel  als  kusuri-gari  , Arzneijagd'.  Letzteres  Wort 
bedeutet,  dass  man  am  fünften  Tage  des  fünften  Monats  Arznei- 
pflanzen pflückt. 

Kida  (^4-  :^)7  durch  J^  ausgedrückt,  bedeutet  ein  Stück. 
Man  findet  nuno  fito-kida  ,ein  Stück  Tuch'.  In  einem  Gebete 
hat    pb    ^   , Zwischenraum'  die  Lesung  naka-kida'. 

Kitasi  (  4^  ^  ^  )  ist  die  Lautum Wendung  von  kata-sitco 
, festes  Salz',  Im  gemeinen  Leben  bezeichnet  man  das  schwarze 
Salz  (kuro-siwo)  mit  kata-siwo  , festes  Salz'.  In  dem  Man-jeo-siü 
kommt  kata-shvo  vor. 

Kitasi,  als  Lesung  von  |^  , Schmied',  wird  für  die  I>aut- 
umwendung  von  katasi  {'fj  ^i^)  gehalten. 

Das   im  gemeinen  Leben    übliche  Wort  ta-gitisib  i^:^ 

y  i-  ^  P  )  ,Ballschlägel'  ist  von  gi-tsio  (  ^"  i-  ^  P  )  ,Ball' 
abgeleitet. 

In  Sina-no  sagt  man  im  gemeinen  Leben,  wenn  man  sich 
über  den  Geschlechtsnamen  eines  Menschen  verwundert,  das 
Wort  ,^  ^  ~p  (me-hii-teo)  , Knecht  der  Abtheilung  der  Pferde'. 
In  dem  Ko-kon-mouo-gatari  wird  erzählt,  dass  ein  Mensch  der 


86  Pfizmaier. 

Kammer  (laira-udo)  ein  Pferd  des  Vorstehers  der  Pferde  zum 
Geschenke  erhielt.  Als  er  es  ritt,  liess  er  zu  einem  glücklichen 
Vorzeichen  (  ^  jjj^  kitsi-zija-ii)  ein  Licht  anzünden  und  stellte 
dieses  voran.  Jn  dem  Sei-sui-ki  findet  sich  me-hu-k'itsi-zija-n-ni 
ogi-te  ,zu  dem  glücklichen  Vorzeichen  der  Abtheilung  der 
Pferde  emporblickend^ 

Im  gemeinen  Leben  hält  man  den  Fuchs  (hitsune)  für 
das  Thier  ^  -p*  (ja -kau).  Das  Thier  ja-kan,  in  buddhi- 
stischen Büchern  a>J*  -^  .  (ja-kan)  geschrieben,  ist  von  dem 
Fuchs  verschieden  und  so  viel  als  der  wilde  Hund  (jama-imi). 
Ks  hat  Aehnlichkeit  mit  dem  Fuchs ,  ist  aber  kleiner.  Es 
stammt  aus  dem  Lande  Hu. 

Das  in  dem  Geschlechte  Gen  vorkommende  kitsune-no 
sumi-ka  , Wohnort  des  Fuchses^  hat  denselben  Sinn  wie  die 
Worte  eines  chinesischen  Gedichtes :  Der  Fuchs  verbirgt  sich 
in  den  Büschen  der  Luftblume  und  der  Goldblume. 

Um  zu  bezeichnen,  dass  man  über  etwas  entsetzt  ist 
und  in  Gefahr  schwebt,  sagt  man  im  gemeinen  Leben  kitsune- 
ga  tsuki-ta  ,der  Fuchs  hat  sich  angelegt'. 

Ki-do  hat  die  Bedeutung  \J^  f^  (ki-do)  ,Thor  des  Pfahl- 
w^erkes'  und  bezeichnet  ein  jedes  Thor  oder  eine  Thüre,  In 
dem  Nippon-ki  findet  sich  o-o -ki-do  ,grosses  Thor^  Es  wird 
auch    von    dem    Bau    der    Häuser    gebraucht.      So    sagt    man 


yji^   ^   (nezumi-ki-do)  ,Mäusethor^ 

Kinu-gasa,  in  dem  Nippon-ki  und  Wa-mei-seö  durch 
z^  ausgedrückt,  hat  die  ursprüngliche  Bedeutung  ,Hut  von 
Seidenstoff'  und  bezeichnet  einen  Traghimmel.  Man  bedient 
sich  eines  solchen  auch  bei  Leichenbegängnissen. 

Kinu-gasa-jama  ,der  Berg  des  Traghimmels'  liegt  in  dem 
Reiche  Jama-siro,  Kreis  Kado-no. 

Kimi-gasa-no  sivo  ,die  Feste  des  Traghimmels'  liegt  in  dem 
Reiche  Sagami,  Kreis  Mi-ura. 

Kinu-  ginn  , Kleider'.  Man  sagt  ono-ga  kinu-ginu  ,die 
eigenen  Kleider',  kimi-ginu-no  uakare  ,die  Trennung  der  Klei- 
der'. Es  bedeutet,  dass  bei  dem  Ablegen  des  Mantels  der 
gemeinschaftlichen  Freude  ein  Jeder  das  eigene  Kleid  anzieht 
und  sich  trennt  (ai-jorokohi-no  fusuma-wo  fanare  ono-ono  ono- 
dzukara-no  koromo-wo  kiie  wakararu). 


{ 


n 


Nachträge  zu  japanischer  DialectforscLung.  87 

Der  Ausdruck  l<inn-ginu-jama-no  |  ohi-ioo  S7(rn  kana  ,den 
Gürtel  des  Berges  der  Kleider  anlegen'  bedeutet,  dass  man  die 
Kleider  nicht  anzieht  (koromo  ki-zu-no  kokoro). 

Für  kihi  , Mohrhirse'  gebraucht  das  Wa-mei-seo  in  Zu- 
sammensetzungen kikimi  (  ::|i  "*  ^  )  und  kimi  (  4^  ^  )•  Man 
findet  aka-kikimi  ,rothe  Mohrhirse',  knro-kikimi  , schwarze  Mohr- 
hirse', kimi-no  motsi  , Kleber  der  Mohrhirse'.  Im  dritten  Jahre 
des  Zeitraumes  Fo-jen  (1137  n.  Chr.)  regnete  es  vom  Himmel 
Mohrhirse.     Sie  war  von  Farbe  schwarz. 

Kihi-no  kuni  , Reich  Kibi'  erhielt  seinen  Namen  von  kihi 
jMolirhirse'.  Es  heisst  von  Alters  her,  dass  dieses  Reich  sich 
zu  dem  Bau  der  Mohrhirse  eignet.  Gegenwärtig  ist  das  Reich 
in  drei  Reiche:  Bi-zen,  Bi-tsiü  und  Bi-go  getheilt.  Das  Wa- 
mei-seo  liest  kihi-no  viitsi-no  kutsi  für  das  Reich  Bi-zen,  kihi-no 
mitsi-no  naka  für  das  Reich  Bi-tsiü,  kihi-no  mitsi-no  siri  für  das 
Reich  Bi-go. 

Ki-he,  in  dem  Nippon-ki  durch  :^  Ö  ki-he  ,Thüre  des 
Pfahlwerks'  ausgedrückt,  ist  eine  an  das  Pfahlwerk  geschlossene 
Thüre  oder  Behausung  des  Volkes. 

Ki-fe-jvki(  (  ^"^  jL  ^  )  ^^'^^  f^ie  Bedeutung:  kommen, 
vorübergehen  und  fortgehen.  Es  wird  von  den  kommenden 
und  vergehenden  Jahren  und  Monden  gesagt.  Dasselbe  ist  ki- 
fnrn  ,kommen  und  vorübergehen'.  So  in  tosi-ga  ki-fnre-ha  ,als 
die  Jahre  kamen  und  vergingen',  iosi-wo-zo  ki-furu  ,die  Jahre 
im  Kommen  verbringen'. 

Auf  den  Lieu-kieu-Inseln  benennt  man  die  Mädchen  der 
göttlichen  Anrufung  (kan-gakari)  mit  dem  Namen  ^S:  (kimi) 
, Gebieterin'.  Es  sind  deren  drei  und  dreissig.  Sie  haben  eine 
Vorsteherin,   welche    ^    y||[  ^^   (kiu-fu-kimi)  heisst. 

Kin-tsija-u  (  4^  3^  ==^  "^  ^  )  soll  das  Koje  von  ^  '^ 
(kane-ntsn)  ,das  Metall  schlagen'  sein.  Knne-ntsn,  welches  sonst 
,die  Glocken  schlagen'  bedeutet,  wird  von  dem  Schwüre  ge- 
braucht. Man  sagt,  beim  Schwören  schlagen  die  Männer  gemein- 
schaftlich auf  das  Schwert,  die  Flauen  schlagen  gemeinschaftlich 
auf  den  Spiegel. 

Kirai-mono  ( d^  -y  |^  "t  y'  )  j^^^che  der  Verabscheuung' 
wird  in  dem  Kami-jo-bumi  durch  ^fe  Ai^  , Sache  der  Ver- 
werfung' ausgedrückt.     Man   findet  josi-kirai-mono   ,gute  Sache 


ob  Pf  i  7. raai  er.     Nachträge  7u  japanischer  Dialectforschung. 

der  Verwerfung'  und  asi-kirai-mono  ,böse  Sache  der  Verwerfung-'. 
JEs  sind  die  P^ingernägel,  welche  man,  wenn  sie  lang  sind,  ab- 
schneidet und  wegwirft.  Es  ist  der  Ursprung  dessen,  was  man 
josi-farai  ,gute  Bannung'  und  asi-farai  ,böse  Bannung'  nennt. 
Zur  Bezeichnung  des  Nebels  (kiri)  finden  sich  in  dem 
Man-jeo-siü  die  Ausdrücke  asa-giri  ,Morgeunebel',  jufu-giri 
, Abendnebel',  ja-je-f/iVi , achtfacher  Nebel',  ama-tsu  kiri , Himmels- 
nebel', natsu-giri  , Sommernebel',  jo-giri  ,Nachtnebel',  ame-no 
sn-giri  ,des  Himmels  wahrer  Nebel',  jamn-giri  , Bergnebel',  t(ki- 
giri  ^schwimmender  Nebel',  fatsu-giri  , beginnender  Nebel',  usu- 
giri  , dünner  Nebel',  kmva-giri  ,Flussnebel'. 


Reini  seh.   Die  Sprache  der  liob-Suho  in  Abessinicn.  89 


I 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien. 


Von 

Leo  Reinisch. 


Uie  Irob  (h^C^-ü')  ^n  der  südwestlichen  Abdachung  von 
Hamasieu  sesshaft,  zerfallen  in  zwei  grosse  Familien  oder 
Unterstämme ,  in  die  eudä  Boknayto  (J»*}--^  :  fl*h J^*^  0  und 
endä  Agladä  (?t'}i^ :  K^A-^  *)>  jß^^  zu  etwa  1500  Personen 
anzuschlagen.  '  Sie  sind  Nomaden  in  dem  Sinne ,  dass  sie 
nicht  in  Dörfern  zusammenwohnen,  sondern  sich  einzeln  (d.  i. 
die  Familie  im  engern  Sinne)  Wohnhäuser  in  den  Gebirgen 
errichten ,  aber  nicht  volle  Nomaden ,  weil  die  so  gewählte 
Wohnstätte  oft  durch  mehrere  Jahrzehnte  beibehalten  wird, 
während  die  übrigen  Saho- Stämme  als  eigentliche  Nomaden 
keine  Häuser,  sondern  nur  tragbare  Hütten  aus  Palmen-Matten 
besitzen ,  welche  sie  auf  ihren  steten  Wanderungen ,  nach 
Weide  für  ihre  Heerden  suchend,  mit  sich  führen  -. 

Die  Irob  halten  sich  mit  den  übrigen  Saho -Stämmen  in 
nichts  verwandt,  ausser  durch  ihre  Sprache  und  die  gleiche 
Behauptung  stellen  auch  die  übrigen  wSaho  auf,  indem  sie 
sagen ,  die  Irob  seien  Einwanderer  und  hätten  erst  in  ihrem 
gegenwärtigen  Lande  die  Saho-Sprache  angenommen.  Dem- 
gemäss  werden  auch  die  Irob  in  der  Stammliste  der  Saho, 
welche  jedem  jungen  Knaben  bei  den  Saho  geläutig  ist,  niemals 
namhaft  gemacht,  sondern  es  werden  stets  nur  nachstehende 
Namen  der  Saho-Stämme  aufgeführt:  1.  A säurt ö.  (J[\iiOihCi^  •)) 
in    drei    Familien    oder  Unterstämme  zerfallend ,  a)  endä  Leles 

(?i'>'Ss  AAff');     ^0   «"^«   Asäkara   {'h'ifishfltld')'^     ^)    ^^^^" 


'   n'JJ?:    gehört  dem  Tigre-Dialecte  von  Hamasien   an  und  bedeutet  Dorf, 
Complex  von  Wolinhäusern. 

2  Ueber  die  Sitten,  Gebräuche  und  Traditionen  der  Sahn  vgh  meinen  Auf- 
satz:   ,Das  Volk    der   Saho'    in:    Oesterreichische    Monatsschrift   für    den 
Orient,   1877,  Nr.  5. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.   Bd.  I.  Hft.  7 


90  Reinisch. 

Asälason  (?t'>^ :  MAff^  0-    2.    Toryä  (•f-C'i'),  in  zwei  Fami- 
lien   zerfallend:    a)    endä    Muse    (K'J-^ '  <'***rt»  0     ""^^    ^)    ^ndä 
Sarah  {'h'}Pi :  fy^.V ')•  3.  Dasamo  (^flH^  :).   4.  Gayaso  (tOÖ-) 
5.  Hnzo  (ghU-')-   ö.  Dahri-mPJä  (f!,'üd'''%^'-)    7.  i7er<o  {fl^C-f-') 
ohne  weitere  Unterabteilung. 

Was  nun  die  Herkunft  der  Irob  anlangt,  so  behaupten 
sowohl  sie  selbst,  als  auch  die  übrigen  Saho,  die  Irob  stammten 
von  eingewanderten  Griechen  her  und  hätten  ehemals  das 
Geschäft  reisender  Krämer  und  Karawanenführer  auf  dem 
Handelswege  von  Ziila  (dem  alten  Adulis)  nach  Abessinien 
betrieben,  deshalb  würden  sie  auch  Irob,  d.  i.  Europäer, 
genannt.  Ob  diese  Sage  auf  geschichtlicher  Wahrheit  beruht 
oder  vielleicht  nur  aus  einer  Volksetymologie  entstanden  ist, 
lässt  sich  nicht  weiter  entscheiden,  da  keinerlei  Beweisgründe 
für  oder  gegen  diese  Sage  vorliegen. 

Geographisch  und  politisch  gehört  das  Gebiet  der  Irob 
zu  Abessinien,  doch  erfreuen  sich  dieselben  einer  völligen 
Unabhängigkeit,  indem  sie  dem  Negus  von  Abessinien  weder 
Kriegsdienste  zu  leisten  noch  Steuern  zu  zahlen  verpflichtet 
sind;  die  einzige  Verpflichtung,  welche  der  rädänto  (Häupt- 
ling) der  Irob  an  den  Negus  zu  erfüllen  hat,  besteht  darin, 
dass  er  ihm  alljährlich  eine  fette  Kuh  und  einen  Topf  Honig 
als  Ehrentribut  abzuliefern  hat. 

Während  die  sieben  Stämme  der  Saho  seit  etwa  zwei 
Jahrhunderten  vom  (abessinischen)  Christentum  zum  Islam 
übergetreten  sind,  haben  die  Irob  dasselbe  bis  auf  den  heutigen 
Tag  bewahrt.  Seit  1846  haben  sich  katholische  Missionäre, 
französische  Lazaristen,  bei  den  Irob  niedergelassen  und  im 
Tale  von  Alitiena  ein  Missionshaus  und  eine  kleine  Kirche 
errichtet;  über  die  Erfolge  dieser  Mission  vgl.  ,L'Ahyssmie  et 
son  apotre^  ou  vre  de  Mgr.  Justin  de  Jacohis ,  eveque  de  Nilo- 
polis  et  vicaire  aposfolique  de  l'Ahyssinie.  Paris  1866.'  Das 
folgende  Textstück,  Uebersetzung  von  Cap.  XI  evangeUi 
Johannis,  ist  von  Abba  Tesfa  Marj'am,  einem  geborenen  Irob 
aus  Alitiena  (gestorben  1877  zu  Keren  in  Bogos),  der  im 
Missionshaus  von  Alitiena  zum  Priester  herangebildet  worden  ist. 

In  der  nun  folgenden  grammatischen  Skizze,  welche  das 
Verständniss  des  beigegebenen  Textes  vermitteln  soll,  werden 
vornehmlich  die  Formen  des  Irob-Saho  berücksichtigt;  wo  das 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  91 

eigentliche  Saho  vom  Irob  abweicht,  wird  dies  an  betreffenden 
Stellen  durch  die  Bezeichnung  S.  (Saho)  angezeigt. 

Laute. 

Ausser  dem  fehlenden  ^  und  7*  hat  diese  Sprache  sämmt- 
liche  Laute  mit  dem  Geez  und  Tigre  gemeinsam ;  ausserdem 
besitzt  das  Irob  noch  einen  Laut  r  (S.  d,  im  In-  und  Auslaut 
l  gesprochen),  welcher  entsprechend  dem  fl|  am  hinteren 
Gaumen  gebildet  wird. 

In  der  Umschrift  der  äthiopischen  Buchstaben  bediene  ich 
mich  der  allgemein  üblichen  Bezeichnungen,  nur  Q  umschreibe 
ich  mit  y.  Das  K;  K<  ^^-  s.  w.  umschreibe  ich  nur  im  In- 
und  Auslaut  mit  'a,  \i  u.  s.  w.,  um  sie  so  vom  inhärenten  a,  u 
u.  s.  w.  in  ha ,  hu  u.  dgl.  zu  unterscheiden ,  lasse  aber  im 
Anlaute  das  Zeichen  '  weg,  weil  an  dieser  Stelle  eine  Ver- 
wechslung nicht  möglich  ist.  Das  Schwa  mobile  zeige  ich 
mit  e  an. 

o 

Das  Terbiim. 

Die  Verba  sind  ein-,  zwei-  und  dreiradicalige  und  teilen 
sich  in  zwei  Classen  ein,  nämlich  solche  a)  deren  Stamm  aui"  -a 
auslautet,  und  h)  deren  Stamm  auf  einen  Consonanten  (mit 
Schwa  quiescens)  endigt. 

Die  Verba  der  ersten  Classe  drücken  die  Unterschiede 
der  Personen,  Tempora  und  Modi  durch  Präfixe,  die  der 
zweiten  durch  Suffixe  aus ;  ausserdem  treten  bei  den  Verben  I 
Veränderungen  der  Stamm vocale  in  den  Zeiten  und  Arten  ein, 
während   die    Stammvocale    der  Verba  II    unverändert   bleiben. 

Der  Verbalstamm  bei  den  Verben  I  zeigt  sich  am  deut- 
lichsten im  Infinitiv ,  indem  man  nur  das  Präfix  a-  wegzu- 
nehmen braucht,  um  so  den  reinen  Verbalstamm  zu  erlangen, 
z.  B.  von  a-ha  das  Hören :  ba  hören ,  daher  dann  z.  B.  ä-ba 
ich  höre,  ö-ba  ich  hörte,  o-bd  höre!  d-bo  dass  ich  höre,  mä-bö 
das  Gehör,  u.  s.  w. 

Bei  den  zwei-  und  dreiradicaliffcn  Verben  I  hat  im  Infinitiv 
der  letzte  Radical  das  Schwa  quiescens,  z.  B.  a-läk  ih^Yl ')  ^^^ 
Senden;  der  Verbalstamu)  wird  hieraus  gewonnen,  indem  mau  an 
diesen  letzten  Consonanten  -a  ansetzt,  daher  iäka  (^h  •)  senden, 

7* 


92  Reiiiisch. 

woher:  ä-Uka  ich  sende,  i-Uka  ich  sendete,  ä-läko  dass  ich  sende, 
i-lik  sende !  u.  s.  w. 

Die  zwei-  und  dreiradicaligen  Verba  I  mit  kurzem  Stamm- 
vocal  in  der  ersten  Silbe  verändern  denselben  im  Infinitiv  und 
in  den  aus  demselben  g-ebildeten  Zeiten  und  Modi  der  Grund- 
form in  Schwa  mobile  (bei  den  zweiradicaligen),  in  Schwa 
quiescens  (bei  den  dreiradicalig-en),  in  den  abgeleiteten  Formen 
aber  (Causativ,  Passiv,  Keflexiv)  tritt  der  ursprüngliche  Stamm- 
vocal  wieder  ein,  z.  B.  von  raha  sagen,  Infinitiv:  a-vfik  (^iC!<1K0> 
Impf,  d-reha,  Pf.  arelia;  von  gadala  brechen,  Inf.  a-gddl, 
Impf,  d-gdt'.la,  Pf.  i-gdila,  Subj.  ä-gddlo  u.  s.  w.,  aber  Causativ: 
Inf.  n-s-gaddl,  Impf,  ä-s-gidila,  Pf.  i-s-gidila,  Subj.  ä-s-gadülo 
u.  s.  w. 

Bei  den  Verben  II  werden  die  Suffixe  an  den  Infinitiv 
einfach  angesetzt,  z.  B.  riv  schlafen,  das  Schlafen,  der  Schlaf, 
davon  Impf,  rin-ä,  Perf.  rin-a,  Subj.  rin-o  u.  s.  w. 

Abgeleitete  Verbalformen. 

Aus  der  eben  behandelten  ersten  oder  Grundform  des 
Verburas  werden  einige  abgeleitete  Formen  gebildet,  welche 
Modificationen  des  Grundbegriffes  ausdrücken.  Die  wichtigsten 
sind  folgende  : 

1.  Das  Causativum;  es  wird  gebildet,  indem  man  bei 
den  Verben  I  ein  s  dem  Verbalstamm  präfigirt,  bei  den  Verben  II 
aber  ein  -is  demselben  snffigirt,  z.  B.  s-haln  sehen  lassen,  zeigen, 
von  hnla  v.  I  sehen;  s-kataha  schreiben  lassen,  von  kntaha 
V.  I  schreiben;  äb-is  (^ifl.ft:)  machen  lassen,  von  äh  v.  II 
machen;  kor-is  reiten  lassen,  von  kor  v.  II.  reiten;  rin-is  schlafen 
lassen,  von  rin  v.  II  schlafen. 

Aus  diesem  ersten  Causativ  kann  ein  zweites  und  drittes 
Causativum  gebildet  werden,  indem  bei  den  Verben  I  wie  II 
an  die  Causativform  die  Endung  -is,  -s-l.s  angefügt  wird,  als: 
s-bfd-is  zeigen  lassen  (2.  Causativ) ,  s-bnl-s-is  bewirken ,  dass 
Jemand  zeigen  lasse  (3.  Causat.  von  hala  sehen)  ;  ebenso  bei 
den  Verben  II;  äh-s-i,<i  den  Anlass  geben,  etwas  machen  zu 
lassen  (2.  Causat.),  äh-fi-is-is  (3.  Causat.).  Die  Flexion  des  zweiten 
und  dritten  Causativs  ist  bei  den  Verben  der  ersten  Classe 
eine  zweifache,  als  ä-a-hal-is-o  dass  ich  zeigen  lasse,  tä-s-hal-is-so 
dass  du  zeigen   lassest  u.  s.  w.,   Perf.  n-s-hiU-is-a  ich  liess  zeigen, 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  93 

tn-s-hul-is-sa  du  liessest  zeigen  u.  s.  w.,  bei  den  Verben  II 
aber  geschieht  die  Flexion  nur  durch  Suffixe,  als  äh-is-ä  ich 
lasse  machen,  äb-is-sä  du  lässt  machen,  dh-is-a  ich  Hess  macheu, 
äh-is-o  dass  ich  machen  lasse  u.  s.  w. 

2.  Das  Reflexivum  oder  Medium.  Es  wird  gebildet, 
indem  man  dem  Grundstamm  der  Verba  I  die  Silbe  ia- 
vorsetzt,  bei  den  Verba  II  aber  wird  dem  Grundstamm  die 
Silbe  -it  sufligirt,  z.  B.  ta-hala  sich  sehen  (von  hala  v.  I),  ta- 
gadafa  sich  tödten,  ta-kataba  für  sich  schreiben;  —  äb-it  für 
sich  machen  (von  üb  v.  II),  lior-it  fallen  (von  hnr  v.  II  werfen). 

3.  Das  Causativ-Reflexivum.  Es  wird  gebildet,  indem 
man  bei  den  Verben  I  den  Reflexivstamm  s-  vorsetzt,  als: 
s-ta-bala  sich  sehen  lassen,  s-kataba  für  sich  schreiben  lassen, 
s-ta-ladaya  sich  rasiren  lassen,  s-ta-taliana  für  sich  Getreide 
mahlen  lassen. 

Bei  den  Verben  II  aber  wird  die  Endung  -it  an  den 
Causativstamm  angefügt,  z.  B.  äb-s-it  für  sich  machen  lassen, 
räg-slt  sich  berühren  lassen,  säy-s-it  sich  einführen  lassen  (in 
ein  Haus)  u.  s.  w.  Wenn  aber  die  Reflexivform  eine  von  der 
Grundform  verschiedene  Bedeutung  annimmt  und  in  dieser  als 
Grundform  angesehen  wird,  so  wird  auch  bei  den  Verben  II 
das  Causativzeichen  an  den  Reflexivstamm  angesetzt,  z.  B.  be-t 
(Reflexiv  von  baij  nehmen)  ursprünglich:  zu  sich  nehmen,  dann 
1.  essen,  2.  mtmd  bet  eine  Frau  heiraten,  hat  im  Causativ- 
Reflexiv  be-t-ts  zu  essen  geben,  uumd  be-t-ü  verheiraten  (einen 
Mann  =  ihn  eine  Frau  zu  sich  nehmen  lassen).  Verba,  welche 
nur  in  der  Reflexivform  gebräuchlich  sind,  wie  liamm-it  arg- 
wöhnisch sein ,  häü-it  grau  werden  u.  s.  w.,  bilden  ebenfalls 
hammit-is  argwöhnisch  machen  u.  s.  w. 

4.  Das  Passiv.  Die  Bildung  desselben  erfolgt  bei  den 
Verben  I,  indem  m-  (selten  mä-),  vor  folgendem  t,  d,  a,  l,  n, 
k,  g,  meist  n-  lautend,  der  Grundform  präfigirt  wird,  bei  den 
Verben  II  aber  wird  -im  an  die  Grundform  sufhgirt,  z.  B.: 

Verlm  I.  Verba  II. 

m-adaga  verhandelt  werden.  äb-im  gemacht  werden. 

m-bala  gesehen  werden.  akal-im  gewaschen  werden. 

ma-gara  geschlagen  werden.  kor-im  geritten  werden. 

n-gadala  gebrochen  wei'den.  rag-im  berührt  werden. 

a-kataba  geschrieben  werden.  t(dca)-im  gebunden  werden. 


94  Reinisch. 

5.  Das  Causativ  -  Passiv,  Dasselbe  wird  bei  den 
Verben  I  gebildet,  indem  man  dem  Passivstamm  das  causative 
s-  vorsetzt,  das  passive  Präfix  lautet  dann  stets  ma,  z.  B. 
s-ma-bala  veranlassen,  dass  gesehen  werde  u.  s.  w.  Es  kann 
aber  auch  an  den  Passivstamm  das  causative  -is  angefügt 
werden ,  als :  u-katah-is  veranlassen ,  dass  geschrieben  werde. 
Bei  den  Verben  II  tritt  -.9-  zwischen  die  Grundform  und  die 
Passivendung,  z.  B.  äbs-im  bewirken,  dass  gemacht  werde. 

6.  Das  Reflexiv- Passiv.  Die  Bildung  desselben  ist 
bei  den  Verben  I  eine  zweifache ,  indem  man  dem  Reflexiv- 
stamm entweder  n-  vorsetzt,  wie  n-ta-hara  selbst  gefangen 
werden,  n-ta-gara  selbst  geschlagen  werden  u.  s.  w. ,  oder 
indem  man  dem  Reflexivstamm  -im  nachsetzt ,  z.  B.  ta-hor-im 
selbst  gefangen  werden,  ta-gar-im  u.  s.  w.  Bei  den  Verben  II 
wird  das  passive  -im  dem  Reflexivstamm  angefügt,  z.  B.  had-it-im 
selbst  getödtet  werden,  gil-it-im  selbst  in  die  Flucht  geschlagen 
werden. 

7.  Das  Causativ  des  Reflexiv-Passivs  wird  bei  den 
Verben  I  und  II  gebildet,  indem  an  den  Causativ-Reflexivstamm 
das  passive  -im  angefügt  wird,  z.  B.  s-ta-bal-im  machen,  dass 
man  selbst  gesehen  werde  (von  bala  v.  I  sehen),  s-ta-bar-im 
machen  dass  man  selbst  gefangen  werde  (von  bara  v.  I  fangen) 
u.  s.  w. ;  kalah  -  s  -  it  -  im  machen,  dass  man  selbst  auf  Reisen 
geschickt  werde  (von  kalah  v.  11  reisen)  u.  s.  w. 

Tempora  und  Modi  des  Verbums. 

Das  Irob  unterscheidet  zwei  Tempora,  Imperfect  und 
Perfect,  von  welchen  jenes  eine  Handlung  oder  einen  Zustand 
als  unvollendet,  dieses  aber  als  fertig,  abgeschlossen  darstellt. 
Das  Imperfect  entspricht  unserem  Präsens,  Futurum  und  erzäh- 
lenden Imperfect,  das  Perfect  aber  unserem  Präteritum.  So 
bedeutet  z.  B.  ä-ktira  (Imperfect  von  katara  v,  I  rauben) 
ich  raube,  werde  rauben,  raubte  (erzählend),  dagegen  i-ktira 
ich  habe  geraubt. 

Diese  beiden  Tempora  stellen  eine  Handlung  oder  einen 
Zustand  jedoch  nur  als  momentan  dar.  80II  demnach  die  Dauer 
eines  Zustandes  oder  einer  Handlung  ausgedrückt  werden,  so 
werden  obige  Formen  mit  einem  Hilfsverbum  verbunden.  So 
bedeutet    dktira    ich    raube    (einmal  oder  momentan),    dagegen 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  9o 

ciktira  üna  ich  bin  ein  Räuber,  treibe  ein  Räuberleben ;  ebenso 
iktira  ich  raubte ,  dagegen  iktira  ina  ich  bin  ein  Räuber 
gewesen.  Wir  unterscheiden  demnach  a)  ein  aoristisches  oder 
momentanes  Imperfecta  h)  ein  duratives  Imperfect,  c)  ein 
aoristisches  Perfect,  d)  ein  duratives  Perfect. 

Von  den  Modi  des  Verbums  sind  zu  nennen :  a)  Indicativ, 
h)  Subjunctif,  c)  Jussiv  oder  Coliortativ,  d)  Conditional,  e)  Im- 
perativ, f)  Gerundiv,   g)  Particip,  h)  Relativ,    i)  Verbalnomen. 

Flexion  des    Verbums. 

Vorerst  ist  zu  erwähnen,  dass  das  Irob  ein  zweifaches 
Geschlecht  in  der  dritten  Person  der  Einzahl  unterscheidet, 
nämlich  Masculinum  und  Femininum ,  ferner  drei  Personen, 
endlich ,  was  die  Zahl  anbelangt ,  einen  Singular  und  Plural. 
Ausserdem  unterscheidet  die  Sprache  an  dem  Verbum  eine 
positive,  eine  negative  und  eine  fragende  (positiv  wie  negativ 
fragende)  Form.  Die  Negation  wird  mittels  des  Präfixes  mä-, 
vor  folgendem  y,  i  aber  mi-  lautend,  ausgedrückt ;  z.  B.  het-ä 
ich  esse,  viä-bet-ä  ich  esse  nicht,  ina  ich  war,  mi-ina  ich  war 
nicht.  Vor  folgendem  ä,  a  lautet  die  Negation  m-,  als :  ä-gdifa 
ich  tödte,  m-ägdifa  ich  tödte  nicht,  ä-gdifa  ich  habe  getödtet, 
mä-gdaf-ini-yo  (^=  mä-a-gd")  ich  habe  nicht  getödtet. 

Die  Fragepartikel  lautet  -liö ,  als:  ägdifa-hö  tödte  ich? 
mägdifa-hö  tödte  ich  nicht?  u.  s.  w.  Häufig  wird  dieses  hö 
ausgelassen,  doch  bleibt  dann  der  Accent  auf  der  vorletzten 
Silbe  des  Verbs,  z.  B.   ägdifa  tödte  ich?  (vgl.  ägdifa  ich  tödte). 

Bevor  wir  zum  regulären  Verb  übergehen ,  wollen  wir 
zunächst  die  Flexion  der  gebräuchlichsten  llilfsverba  folgen 
lassen. 

A.  Hilfsverha. 
1.    a   sein,    sagen,    nennen. 
Im  Gebrauche  sind  folgende  Formen : 

Imperfect     Perfect     Subjunctiv     Cohortativ  Imperativ 

Positiv  Negativ 

Sing.  \.         a  a  o  öioä 

2.  tä  ta  to  tötoä  e  m-i-n! 

3.  m.  yä  ya  yo  yöicä 
3.  f.     tä             ta              to  töiüä 


Plur.  1. 

iia 

na 

no 

nöivä 

2. 

tän 

tan 

ton 

tönä 

3. 

yän 

yan 

yon 

yönä 

yb  Rein  i  s  eh. 

Imperfect     Perfect     Subjnnctiv     Cohortativ  Imperativ 

Positiv        Negativ 

&yä      minä! 

Der  Conditional  lautet:  ä-do,  tä-do,  yä-do,  u.  s.  w. 

Beispiele,  tä  folö  häsäk  tä  häskä  hälU  dieses  Brod  ist 
süss  wie  Honig,  tä  föläl  häsäk  yän  diese  Brode  sind  süss. 
anu  käfi  afär  yo-h  y  ä  kädo  kon  y  ä  laldy  sugä-do  anü  rähd  ak 
yarehd  yan  ich  heute  ist  mir  schon  der  Tag  vier,  jetzt  wenn 
ich  bleibe  den  Tag,  welcher  fünf  ist,  so  werde  ich  sterben, 
soll  er  gesagt  haben  (=  sagte  man,  dass  er  gesagt  habe). 
atü  ay  ta'?  was  hast  du  gesagt?  y'  dhbä  mal  yo  oho  ak  öwä 
wohlan,  ich  will  zu  meinem  Vater  sagen:  gieb  mir  Geld! 
Ndyimin  yo-k  minä,  Märrä  yo-k  Bya  nennt  mich  nicht  Naomi, 
sondern  nennt  mich  Marra.  täy  tä-do  wenn  du  das  sagst. 
täy  tän-do  wenn  ihr  das  sagt. 


2)  na,  sein,  existiren. 

Im  Gebrauche  sind  folgende  Formen: 

Imperfect    Perfect       Subjunctiv        Couditional 
Sing.   1.  ä-na        i-na         ä-nä-uo       ä-nä-do      und  äniya-do 

2.  tä-na       ti-na        tä-nä-wo      tä-nd-do       „     täniya-do 

3.  m.  yd-na      yi-na       yä-nä-ioo      yä-nd-do      „    yäniya-do 
3.  f.     ta-na       ti-na        tä-nä-wo       ta-nd-do  u.  s.  w. 

Plur.   1.         nä-na      ni-na       nä-nä-wo      nä-nd-do 

2.  tä-ni-n    ti-ni-n     tä-n-ö-nä      ta-ni-n-do 

3.  yä-ni-n  yi-ni-n    yä-n-ö-nä    ya-ni-n-do 

Anmerkung.  Im  Imperfect  und  Perfect  kommen  auch 
für  den  Singular  und  die  erste  Person  des  Plurals  die  ver- 
kürzten Formen  (mit  Abfall  von  auslautendem  a)  vor,  als  an, 
tän,  yän,  nän,  ebenso  in,  tin  u.  s.  w.,  jedoch  beschränkt  sich 
dieser  Gebrauch  fast  nur  auf  Nebensätze ,  z.  B. :  el  nän  härö 
das  Land,  in  welchem  wir  uns  beiluden,  dagegen:  täy  bäröl 
näna  wir  befinden  (leben)  uns  in  diesem  Lande.  Die  zweite 
und  dritte  Person  Pluralis  lautet  im  Imperfect  und  Perfect  auch 


Die  Spraclie  der  Irob-Saho  ia  Abessioien.  97 

tänini,  yänini  und  tinini,  yinini,  und  im  Subjunctiv  tdnon,  ydnon 
für  tänönä^  yänönä. 

Beispiele,  sin  ilö  dula  tdna  wo  ist  euer  Korn?  umhi 
häröl  mayB  ka  umä  hiyäicä  yänin  in  jedem  Lande  gibt  es  gute 
und  böse  Menschen,  ku  räylö  inkö  ku  yänini  leben  dir  deine 
Kinder  alle?  niimd  tina  es  war  (einst)  eine  Frau,  äy-li  tdna 
bei  wem  bist  (lebst)  du  ?  ind  ak  rdbta  härd  tina  ytn,  dhhä 
yina  yan  es  war,  so  erzählt  man  (yan  sie  haben  gesagt) ,  einst 
ein  Mädchen,  deren  Mutter  gestoi-ben  war,  der  Vater  aber  war 
noch  am  Leben,  so  erzählt  man.  täl  täniyddo  wenn  du  hier 
gewesen  wärest. 

Für  das  Imperfect  und  Perfect  bestehen  noch  folgende 
Nebenformen  : 

Sing. 


Plui 


Imperfect 

Perfect 

L 

äni-yö 

ini-yö 

2. 

täni-tö 

tini-tö 

3. 

1. 

näni-nö 

nini-nö 

2. 

täni-tön 

tini-tön 

3. 

yänin-ön 

yinin-ön 

Diese  Formen  werden  im  Positiv  neben  den  gewöhnlichen 
gebraucht,  z.  B. :  anü  nfe-li  dna  und  äniyö  ich  befinde  mich 
am  Leben ;  in  der  Regel  beschränkt  sich  aber  der  Gebrauch 
dieser  Formen  auf  das  Negativ  und  Interrogativ,  als:  atä  yaqal-li 
mä-tänito  du  bist  nicht  klug  (mit  Verstand),  mäl-li  tänito-hö 
hast  du  Geld  (bist  du  mit  Geld)?  mäl-li  mä  tänito-hö  hast  du 
kein  Geld? 


Sing. 


PI 


ur. 


3. 

ka   werden. 

Bntstehen. 

Im 

Gebrauche 

sind  folgende 

Formen : 

Imperfect 

Perfect 

Subjunctiv  Cohortativ 

Imperativ 

L 

d-ka 

d-ka 

d-ko 

ä-kö-wä 

tik.'  negat.  mä- 

2. 

td-ka 

td-ka 

td-ko 

tä-kö-iüä 

[tikin  .' 

3. 

m.  yd-ka 

yd-ka 

yd-ko 

nä-kö-wä 

3. 

f.     td-ka 

td-ka 

td-ko 

tä-kö-icä 

L 

nd-ka 

nd-ka 

nd-ko 

nä-kö-iüä 

2. 

tä-kin 

td-kin 

td-kon 

tä-kön-ä 

likä.'  negat.  ina- 

3. 

yd-kin 

yd-kin 

yd-kon 

yä-kön-ä 

[tikina  ! 

98 


Keinisch. 


Die  Negation  wird  mit  mä-,  vor  y  aber  mit  mi-  aus- 
gedrückt, als:  m-ä-ka,  mä-tä-ka,  mi-yä-ka  ich  werde  nicht, 
u.  s.  w.  Um  das  negative  Perfect  vom  Imperfect  zu  unter- 
scheiden, wird  die  obige  Form  iniyö ,  initö  u.  s.  w.  mit  dem 
Perfect  d-Jcct  verbunden,  wobei  nach  a  das  k  abfällt.  In  der 
dritten  Person  Singularis  lautet  die  Form  dann  aber  inä  für 
yinä  und  im  Plural  der  dritten  Person  inin  für  yinin,  als : 

Sing.  1.         m-ä-k-iniyö  ich  bin  nicht  geworden. 

2,  mä-ta-k-mitö  du  bist  nicht  geworden. 

3.  m.  mi-yu-k-inä  er  ist  nicht  geworden. 
3.  f.     mä-ta-k-ind ,  sie  ist  nicht  geworden. 

Plur.   1.         mä-na-k-ininö  wir  sind  nicht  geworden. 

2.  mä-ta-k-initon  ihr  seid  nicht  geworden. 

3.  mi-ya-k-inön  sie  sind  nicht  geworden. 

Beispiele,  atu  y'  ayda  md-täka  du  bist  mir  nicht  gleich 
geworden  (bist  mir  nicht  ebenbürtig),  äy  härä  kimbirö  täka 
dieses  Mädchen  wurde  ein  Vogel,  ohil  tdka  häröl  es  entstand 
eine  .  Hungersnoth  im  Lande,  ifö  ydko  ya ,  ifö  ynka  yan  es 
werde  Licht,  sagte  er  (Gott)  und  es  ward  Licht,  so  hat  man 
erzählt,  nanu  inki  mela  näkoivä  wir  wollen  ein  einziges  Volk 
werden  (wollen  uns  vereinigen  zu  einem  Volke)! 


4.   ki  sein. 
Im  Gebrauche  sind  folgende  Formen 


Imperfect 


Perfect 


1 

II 

I 

II 

Sing. 

1. 

kiyö 

kiniyö 

ki 

oder  kik 

ina 

ki 

oder  kik 

iniyö 

2. 

kitö 

kinitö 

» 

» 

j? 

tina 

11 

11 

11 

tinitö 

3. 

m. 

ki 

kini 

)) 

Tl 

H 

yina 

11 

n 

» 

yina 

3. 

f. 

n 

» 

n 

)5 

n 

n 

11 

» 

n 

n 

Plur. 

L 

kinö 

kininö 

n 

» 

n 

nina 

11 

n 

11 

nininö 

2. 

kitin 

kinitin 

n 

?) 

n 

tinin 

n 

n 

11 

tinitön 

3. 

kinön 

n 

n 

n 

yinin 

n 

n 

11 

yinön 

Anmerkung.  Statt  der  doppelten  Flexion  in  ki  iniyö, 
ki  tinitö  u.  s.  w.  linden  sich  auch  die  Foi'men  ki  iniyö,  -initö, 
'inä,  -ininö,  -initön,  -inön. 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  ijy 

Die  Negation  wird  mit  mä-  ausgedrückt,  als:  viä-kiyo 
u.  s.  \v.  Das  Fragewort  ist  -ho,  welches  aber  auch  weggelassen 
werden  kann,  als:  ayi  räylo  kidni-hö  oder  Idtini  wessen  Söhne 
seid  ihr? 

Beispiele.  anü  ku  sähib  kiyö  ich  bin  dein  Freund. 
atü  y  mädärä  kitö  du  bist  mein  Herr.  äy  yiifä  süncja  kini,  y 
dhhä  (järüd  ki  yina  dieser  Bursche  ist  ein  Eunuch  und  war 
meines  Vaters  Sklave,  atü  y  dhhä  mä-kito-hö  bist  du  nicht 
mein  Vater?  anxt  hlra  lähotena  kik  ina,  hera  mayefiyä  dka 
ich  war  gestern  krank,  aber  morgen  werde  ich  schon  gesund 
werden. 

Das  negative  Perfect :  ich  bin  nicht  gewesen,   lautet  also : 


5ing. 

1. 

ki 

oder 

kik 

mä-n-äniyö. 

2. 

» 

!7 

77 

mä-n-änitö. 

3. 

m. 

>7 

J7 

77 

mä-n-änä. 

3. 

f. 

57 

71 

77 

77 

^lur. 

1. 

» 

77 

77 

md-n-äninö. 

2. 

V 

77 

77 

mä-n-änitön. 

3. 

n 

77 

77 

md-n-änöii. 

Anmerkung.       mananiyo    u.    s.    w.    =    md-an-ani-yö, 
Reduplication  von  än-i-yo. 

5.  Za  '  haben,  besitzen. 
Im  Gebrauche  sind  folgende  Formen: 

Sing. 


Plur. 


Die  Negation  lautet,  Impertect:  viä-liyo  u.  s.  w.,  Perfect: 
li  oder  lik  mänäniyo  u.  s.  w.  Die  Frageform  ist:  liyo-hö  oder 
Zm/o?  Für  das  Perfect  im  positiven  F'alle  lautet  die  Frage:  li  oder 
lik  iniyo-hö  (oder  iniyo),  li,  lik  tinito-hö  (oder  tinito)  u.  s.  w., 
ebenso  in  der  Negation:  li,  lik  mänäniyo -hö  (oder  mänäniyo) 
u.  s.  w. 


Imperfect 

Perfect 

1.                  Uyö 

li 

oder 

lik 

ina 

2.                litö 

77 

77 

77 

tina 

3.  m.  u.  f.  la 

77 

77 

77 

yina,  fem. 

tina 

1.                Uno 

77 

77 

77 

nina 

2.                litin 

77 

77 

77 

tinin 

3.                 linön 

77 

77 

77 

yinin. 

'  sprich :  lä;  ä  im  In-  und  Auslaute  wird  meist  als  ü  g^esprochen. 


1  00  R  e  i  n  i  s  c  h.  » 

Beispiele,  anü  mal  liyö  ich  habe  Geld,  mal  md-liyo 
ich  habe  kein  Geld,  mal  Wo  hast  du  Geld?  mal  md-lito-hö 
hast  du  kein  Geld?  kumdl  mal  lik  ina,  käfi  mal  mä-liyo 
gestern  hatte  ich  Geld ,  heute  keines,  ktmiäl  (oder  hlra)  mal 
lik  mänäniyö,  käfi  mal  liyö  gestern  hatte  ich  kein  Geld,  heute 
aber  habe  ich  Geld,  ku  inä  lähö  la  ist  deine  Mutter  krank 
(hat  deine  Mutter  eine  Krankheit)?  lähö  mä-la  nein,  sie  ist 
nicht  krank,  aiü  Imod  Uta  hast  du  Hunger?  luwd  md-lito-hö 
hast  du  keinen  Hunger?  äyda  mal  Uta  wie  viel  Geld  hast 
du  ?  yängxiU  ink'  ife  la  ydri  li  yina  yan,  wakari  tämmand  ife 
la  yari  lik  tina  yan  die  Hyäne  soll  ein  Haus  gehabt  haben, 
welches  eine  einzige  Thür  besitzt ,  der  Schakal  aber  soll  ein 
Haus  mit  zehn  Thüren  gehabt  haben.  Muse  lämmd  bdra  li 
yina  yan,  Häi/lu  räylö  li  mänänd  yan  Moses  soll  zwei  Söhne, 
Haylu  aber  keine  Kinder  gehabt  haben. 

Flexion  der  Verba  1. 

Wir    wählen    als    Muster    folgende  Verba    aus:    ba  hören, 

kata  versammelt  sein,  beisammen  sein,  läka  senden,  hala  sehen, 

gadafa  tödten,  kataha  schreiben.     Da  die  dritte  Person  feminini 

mit    der    zweiten  Person  gleich  lautet,  so  lassen  wir  hier  jene 

fort    und   geben    für  die  dritte  Person  Singularis  nur  die  mas- 

culine  Form  an. 

Aoristisches  Imperfect. 
Sinsrular  Plural 


1.  2.  3.  1.  2.  3. 

d-ha        td-ba  yd-ba  nä-ba  tä-b-in  yä-b-in 


a 


i-kefa     td-keta  yd-keta  nd-kHa  tä-ket-in  yä-kef-in 

d-lika      td-lika  yd-lika  nd-lika  lä-lik-in  yä-lik-in 

d-bda      td-bda  yd-bda  nd-bela  tä-bd-in  yä-bel-in, 

d-gdifa  id-gdifa  yd-gdifa  nd-gdifa  tä-gdif-in  yä-gdif-in 

d-ktuba   td-ktuba  yd-ktnba  nd-ktuba  tä-ktub-in  ya-ktub-in 

Aoristisches  Perfect. 

6-ba         to-hd  yö-ba  nö-ba  tö-b-in  yo-b-in 

d-k.pja      id-kefa  yd-k<iia  nd-kda        ta-ket-in  ya-ket-in 

i-lika       ti-lika  yi-lika  ni-lika  ti-Uk-in  yi-lik-in 

li-bda      tü-bela  yü-bela  nü-hia         ht-bel-in  yu-bel-in 

i-gdifa     ti-gdifa  yi-gdifa  ni-gdifa       ti-gdif-in  yi  gdif-in 

4-ktuba    tu-ktiäxi  yn-ktuba  nn-ktubn      fu-ktuh-ia  yu-ktub-in 


Die  Sprache  der  Irou-Salio  in  Abessinien.  IUI 

Anmerkung.      Für    die    Secunda    und    Tertia  Pluralis 

existiren    auch    die    längeren    Formen:    tähini,  yäbini,  täketini, 

yäketini  u.  s.  w.     Ebenso    im    Perfect :    tohini,  yohini  u.  s.  w. 

Siibjunctiv 
Sing-nlar  Plural 


1.  2.  3.  1.  2.  3. 

ä-ho  fd-bo  yä-ho  nd-bo  tä-bön  yä-hön 

ä-kdto  fä-kdfo  yä-kdto  nä-kdto  tä-kdt-on  yä-kdt-on 

ä-ldko  fä-Idko  yä-ldko  nä-Iäko  tä-ldk-on  yä-Jdk-on 

ä-bdio  fä-bdlo  yä-bdlo  nä-hdlo  tä-bdl-on  yä-hdl-on 

ä-gddfo  tä-gddfo  yä-gddfo  nä-gddfo  tä-gddf-on  yä-gddf-on 

ä-ktdbo  tä-ktdbo  yä-ktdbo  nä-ktdbo  tä-ktdb-on  yä-ktdb-on. 

Anmerkung-.  Für  die  zweite  und  dritte  Pluralis  bestehen 
auch  die  verlängerten  Formen :  täbönd,  yäbond,  tnkätond  u.  s.  w. 
Der  Cohortativ  setzt  an  die  obigen  Formen  ein  ?/  an ,  z.  B. : 
äböy,  älaköy  u.  s.  w.,  im  Plural  der  zweiten  und  dritten  Person 
wird  y  an  die  verlängerten  Formen  angefügt,  z.  B.  täläkondy 
wohlan,  so  schicket!  u.  s.  w. 

Das  Negativ  wird  mit  mä-,  vor  folgendem  ä,  o,  u  nur 
mit  711-,  und  vor  y  aber  mi-  lautend,  gebildet,  als:  m-dba, 
md-fäba,  mi-yäbn  u.  s.  w.  Für  das  Perfect  lautet  die  negative 
Form  entweder  regelrecht:  m-öba,  md-toba  u.  s.  w.  oder  es 
wird  dem  negativen  Subjunctivstamm  das  Hilfszeitwort  iniyö, 
i'nifo,  ind  (3.  sing.  gen.  comm.),  Plur.  inino,  initön,  inön  ange- 
fügt, als:  ni(l-l(lk-iniy6 ,  mä-lak-initö ,  mä-läk-ind  ,  mä-läk-inino 
u.  s.  w.  Die  Fragepartikel  ist  -ho,  als:  ägdifa-hö  oder  ägdifa'? 
u.  s.  w. 

In  den  abgeleiteten  Formeu :  Causativ,  Reflexiv,  Passiv 
u.  s.  w.  tritt  bei  den  Verben,  welche  im  Iinperfect,  Perfect 
und  Subjunctiv  den  ersten  Stamm vocal  abgeworfen  haben,  der- 
selbe wieder  zum  Vorschein,  als:  d-s-bala,  td-s-bala  ich  lasse 
sehen,  du  lässt  sehen  u.  s.  w.,  Perfect:  ü-s-hula,  tü-s-bida  u.  s.  w. 

Imperativ. 

Die  zweite  Person  Singularis  des  Imperativs  stimmt  der 
Form  nach  mit  der  ersten  Person  des  Perfects  überein,  nur 
fällt  das  auslautende  a  ab ,    als :  ilik  sende !  igdif  tödte !  iiktüb 


102  ReiniBch. 

schreibe!  Formen  mit  dem  iSchwa  mobile  nehmen  im  Stamm- 
vocal  den  Vocal  des  Personalpräfixes  an ,  als :  a-kdf  geselle 
dich  bei!  u-hid  siehe!  Einradicalige  stimmen  mit  der  ersten 
Person  überein,  nur  ruht  der  Accent  auf  der  letzten  Silbe,  als : 
ohä  höre ! 

Die  zweite  Person  Pluralis  setzt  an  den  Singularstamm 
ä  an,  als:  ilikä  sendet!  igdifä  tödtet!  uktübä  schreibt!  u.  s.  w. 
obd  lautet  im   Plural:  ohd  höret! 

Eine  zweite  Form  für  den  Plural  wird  gebildet,  indem 
an  den  obigen  Plural  -7ita  augefügt  wird ,  als :  ohä-ntä  höret ! 
akaiä-ntä  gesellet  euch  bei !  ilikä-ntä  sendet  u.  s.  w. 

Die  negative  Form  des  Imperativs  erhält  man,  wenn 
man  dem  Subjunctivstamm  mä-  vorsetzt  und  statt  auslautendem 
o  die  Silbe  -in,  Plur.  -inä  anfügt,  als:  mä-h-in  höre  nicht! 
Plur.  mä-b-inä  hört  nicht!  mä-kät-in!  Plur.  mä-kät-inä!  mn- 
läk-in!  Plur.  mä-läk-ina !  u.  s.  w. 


Duratives  Imperfect  und  Perfect. 

An  die  aoristische  Form  des  Imperfect  und  Perfect  wird 
das  Hilfsverb  na  angefügt  und  dieses  gleichfalls  flectirt,  als: 
äba  äna  ich  höre  zu,  tdba  tdna  du  hörst  zu,  älika  äna  ich 
sende  fortwährend,  regelmässig,  tälika  täna  du  sendest  stets, 
Perf.  ilika  hm  ich  sendete  stets,  tilika  tina  du  u.  s.  w. 

Eine  ebenso  häufige  Art,  das  durative  Imperfect  und 
Perfect  zu  bilden,  besteht  darin,  dass  auslautendes  a  der  ersten 
Person  Imperfecti  zu  i  oder  i-k  verwandelt  wird,  und  mit 
dieser  unverändert  bleibenden  Form  wird  dann  das  Hilfsverb 
na  (wie  oben  flectirt)  verbunden,  z.  B. : 


Imperfect 

Perfect 

Sing.   1. 

aliki 

oder  älikik 

fina 

äliki  oder  älikik  ina 

2. 

T> 

n           n 

täna 

V          yi            51         '«'"« 

3. 

)7 

u. 

yana 
s.  w. 

V           «              V         2/*'«« 

Die  negative  Form  wird  gebildet,  indem  dem  obigen 
unverändert  bleibenden  Verb  das  negative  vi-anäniyd  u.  s.  w. 
angefügt  wird ,  als :  aliki  oder  älikik  m  -  änäniyö  ich  sendete 
nicht  stets,  äliki  m-änänitö  du  u.  s.  w. 


Die  Sprache  der  Trob-Salio  in  Abessinien. 


103 


Gerundiv. 

1.  Um  die  Nothwendigkeit  zur  Ausführung  einer  Handlung 
auszudrücken,  wird  das  bestimmte  Verb  in  der  Subjunctivform 
mit  dem  Hilfsverb  ki  (sein)  verbunden,  z.  B. 

älako  kiyö  ich  muss  senden 
täldko  kitö  du  musst  senden 
yäläko  kini  er  muss  senden 
u.  s.  w. 

2.  Eine  andere  Ausdrucksweise  dieses  Modus  besteht  darin, 
dass  das  bestimmte  Verb  in  der  Subjunctivform  mit  der  dritten 
Person  Sing-ularis  von  ki  verbunden  wird,  z.  B. : 

üläko  kini  ich  muss  senden     =  es  ist,  dass  ich  sende 

iäläko  kini  du  musst  senden  =  „           r      ^'^  sendest 

yäläko  kini  er  muss  senden     =r  „           ,,      er  sende 

u.  s.  w. 


Particip. 

Es  wird  aus  dem  Perfectstamm  gebildet;  bei  den  zwei- 
und  dreiradicaligen  wird  jedoch  der  erste  Stammvocal,  der  im 
Imperfect  und  Perfect  elidirt  wird,  im  Particip  beibehalten,  z.  B. : 

Perfect  Particip 

ama  schlecht  sein    t'ima    (für    n-uma)    ich     ?«n  böse 

war  böse 
agada  gleichen  igida  (für  i-igida)  ich 

glich 
dalasn  fett  sein        u-dlusa  ich  war  fett 
harafa  verlangen     i-hrifa  ich  verlangte 
kahana  lieben  i-khina  ich  liebte 

nahada  erwachen     i-nhida  ich  erwachte 
nafaqa  geizen  n-nfuqa  ich  geizte 

nagasa  herrschen     u-ngusa  ich  herrschte 
saJiata  schaden         o-shota  ich  schadete 
rahasa  reich  sein     o-rlwsn  ich  war  i'eich 


igid  gleichend 

dulüs  fett  seiend 
hirif  verlangend 
kihin  liebend 
nihid  erwachend 
nufüq  geizend 
nugus  herrschend 
sohot  schadend 
rohös  reich. 


Der  Plural  dieser  Particij)ia  wird  gebildet  mit  -ät  oder 
-mära,  als:  um-üf.  oder  um  -  a  -  mära ,  igid-ät  oder  igid-mära, 
dulus-äf  oder  dtdus-mära,  u.  s.  w. 


1 04  H  e  i  n  i  s  c  h. 

Verbal  flectirt  wird  dieses  Particip  also : 

Imperfect  Perfect 

Sing.  1.        uni-yö     oder  umä  kiyo  um-ä  ki  ina 

2.  nm-i-tö      „     um-ä  kitö  „       „    H7ia 

3.  m.  vm-ä         „         „     kini  „       „    yma 
3.  f.    um-ä         „         „     kini  „       „    Hna 

Plur.  1.         um-i-no     „     um-a-mära  kinö         um-a-mära  ki  nina 

2.  um-i-tön   „  „  kitin  „  „    tinin 

3.  um-ön       „  „  kinön  „  „    yinin 

Anmerkung.  Statt  U7n-ä  kiyo,  wörtlich:  ich  bin  einer, 
welcher  schlecht  ist  (s.  Relativ,  3),  sagt  man  auch :  um-ä-H-yä 
kiyö,  Fem.  um-ä-t-yä  kiyö  (s.  Relativ,  1). 

Relativ. 

1.  Statt  diesen  angegebenen  Participialformen  kann  auch 
das  relative  -tiyä,  Fem.  -iyä,  Plur.  -märä  mit  dem   bestimmten 
Verb  verbunden  werden,  z.  B. :  amc  käy  dkhina  fiyä  kiyö  =  käy 
kihin-yo  eum  amans  sum  ego^  Perf.  käy  ikhina  tiyä  ki  ina  ich        | 
war  einer,  der  ihn  geliebt  hat. 

2.  Dasselbe  Relativ  wird  auch  gebildet  durch  Anfügung 
von  -m  an  das  bestimmte  Verb;  z.  B.  äy  yuhhlini-m  sini  mädärä 
wänisan  sie  erzählten  ihrem  Herrn,  was  sie  gesehen  hatten. 

Anmerkung  1.  Dieses  -vi  wird  auch  in  Objectssätzen 
gebraucht,  z.  B.:  kay  yigdifa-m  ühqla  ich  sah,  dass  er  ihn  tödtete. 

3.  Relativsätze  werden  auch  einfach  dadurch  ausgedrückt, 
dass  man  dieselben  dem  regierenden  Satze  voranstellt,  z.  B.:  äy 
yühelin  sini  mädärä  wänisan  sie  erzählten  ihrem  Herrn,  was  sie 
gesehen  hatten. 


Verhalnomen. 

Die  wichtigsten  Formen  sind  folgende: 

1.  Der  Infinitiv  oder  das  Nomen  actionis;  dasselbe  unter- 
scheidet sich  von  der  ersten  Person  Singularis  des  Subjunctivs 
nur  durch  das  fehlende  -o  im  Auslaut.  Der  Plui-al  wird  von 
diesem  Nomen  gebildet,  indem  das  letzte  ä  des  Stammes  zu 
0  verändert  wird,  z.  B.: 


Die  Sprache  dtr  Irob-Saho  in  Abessinien.  lüö 

Subjunctiv  Infinitiv 

ä-gdäfo  dass  ich  tödte  ^5"^4/  Pl^r.  ägdof 

ä-grläl-o  dass  ich  breche  ägdäl      „  ägdol 

äftär-o  dass  ich  schaffe  äftdr       „  ^ftor 

Beispiele,  ägdäf  umä  das  Tödten  ist  sündhaft,  ägdof  ka 
dbor  yälli  vdit-il  nahä.  ahäsos  kinöii  Tödtungen  und  Beraubung-en 
(von  bara^  Infinitiv  ähdr  Pkiral  dbor)  sind  in  Gottes  Augen 
grosse  Sünden. 

2.  Die  gleiche  Bedeutung  kommt  auch  den  Nomina  mit 
dem  Präfix  mä  zu;  die  Bildung  dieser  Nomina  erfolgt,  indem 
der  obigen  Infinitivform  m-  vorgesetzt  wird,  als:  m-ägddf  Plur. 
m-dgdof  das  Tödten,  die  Tödtung  u.  s.  w. 

3.  Wird  an  die  vorangehende  Form  -n,  fem.  -d,  Plur.  -if 
angesetzt,  so  erhält  man  das  Nomen  agentis,  z.  B.: 

viägddf-a  fem.  mägdäf-d  Plur.  mägddf-it  Mörder 

märdg-a        „       märäg-d         „  märdg-it      Gelehrter  (räga) 

—  „       mä-thän-d      „  mäthdn-it    Müllerin  (tahana) 

mätdk-a        „       mätcik-d        „  mätdk-it      Schläger  (täkaj. 

4.  Die  vorangehende  Femininform  mit  verkürztem  ä  in 
der  letzten  Stammsilbe  stellt  Vei'balnomina  des  Ortes  dar,  sie 
sind  feminini  generis  und  bilden  den  Plural  auf  -it,  z.  B.: 

mägdafd  Plur.  mägddßt  Ort  des  Mordes 

märagd         „  märdgit  Sitz  der  Gelehrsamkeit 

mäyagd        „  mäydgi't  Grab  (yiga  begraben) 

mäthand       „  mäthdnit  Mühle. 

5.  Statt  des  auslautenden  -ä  das  Suffix  -ö  (gen.  fem.)  ge- 
setzt, erhält  man  Nomina,  welche  das  Werkzeug  einer  Hand- 
lung ausdrücken;  der  Plural  wird  gebildet,  indem  an  dieses  o 
der  Consonant  des  Auslautes  gesetzt  wird;  z.  B.: 

mäbö     Plur.  mdbob  Gehör,  Werkzeug  des  Hörens  (von  ha) 
mähato     „       mähdtot  Kauwerkzeug  (von  hata  kauen) 
märago     „       märdgog  Lehrbuch  (von  räga  wissen) 
mäfakö     „      mä^ö/coÄ;  Instrument  zum  Schlagen  (v.  taka  schlagen). 

6.  Aus  dem  Perfectstamm  werden  ebenfalls  Nomina  ge- 
bildet und  zwar,  indem  man  auslautendes  ä  der  ersten  Person 
in  ä  verwandelt;  diese  Nomina  drücken  das  Resultat  einer 
Handlung  aus,  sind  feminini  generis  und  bilden  den  Plural 
nach  Art  der  vorangehenden  Nomina;  z.  B. : 

Sitzungsber.  d    phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  I.  Hft.  8 


106  Reinisch. 

uhqä  PI.  ühqaq    Geburt    (ii-bqa    ich    g-ebar^    von    haqa  gebären) 
icgrd    „     ngrar  Hieb  (ii-gra  ich  schlug,  von  gara  schlagen) 
utkä    „     ufkak  Schlag  {u-tlca  ich  schlug,  von  taka  schlagen). 

7.  Indem  man  den  Perfectstamm  mu-  vorsetzt,  dessen  n 
den  Stammvocal  sich  assimilirt,  erhält  man  masculina  Nomina, 
welche  den  Gegenstand,  das  Object  einer  Handlung  ausdrücken; 
ich  kenne  diese  Formation  jedoch  nur  bei  zweiradicaligen 
Verben;  z.  B.: 

mu-hik  PI.  mu-lük-tik  Botschaft  (i-lika  ich  sendete,  läka  senden) 
mn-qüy  „    mu-qüy-riy  Last  [u-qw/a  ich  trug,  qaya  tragen) 
mii-rüg  „    mu-riig-iig  Whsenschaü  (^a-ri'ga  ich  erfahr,  räga  whsen) 
mu-sul    „    mu-sül-id  Gegenstand  des  Gelächters  (u-sula  ich  lachte, 

sala  lachen), 

8.  Aus  dem  Verbalstamm  werden  Nomina  agentis,  den 
Beruf  ausdrückend,  gebildet,  indem  man  an  den  letzten  Con- 
sonanten  -to,  fem.  -tö,  Plur.  -tit  ansetzt;  z.  B.: 

hards-tn  fem.  haras-to  PI.  hards-tit  Bauer,  harasa  pflügen 
kafdh-to    ,,     katab-tö  „    katdh-tit  Schreiber,   kataba  schreiben 
nagds-fo    „     nagas-tö  „    nagds-tit  Herrscher,  nagasa  herrschen 
raddn-to  „  —       „   rat/aw-iiY  Schum,  Schech,rrtc?a»a  regieren. 

9.  An  den  Verbalstamm  wird  -t  angefügt  und  man  erhält 
Nomina  abstracta  masculini  generis;  z.  B.: 

amandt  PI.  amdnot  Depot,  von  amana  anvertrauen 
sayardt    „     saydrot  Beute,  Sieg,   von  sayara  erbeuten,    besiegen 
rahasdt    „     rahdsot  Reichtum,  von   raliasa  reich  sein 
kahandt  „     kohdnot  Liebe,  von   kakana  lieben. 

10.  Dieselbe  Bedeutung  kommt  auch  den  Nomina  auf  -fö 
(fem.  gen.)  zu,  welches  -to  an  den  letzten  Consonanten  des 
Stammes  angefügt  wird,  wie  kahnn-tö  \Äehe,  rahas- f ö  Reichtnin] 
rahas-tö  liyo  ich  besitze  Reichtum,  ich  bin  reich  =  rohös  kiyö; 
rahas-tö  la-tiya  einer,  welcher  Reichtum  besitzt  =  »-o/io.?  kin 
hiyäwto  ein  Mann,  welcher  reich  ist. 

Flexion  der  abgeleiteten  Formen  der  Verba  I. 

Die  Flexion  folgt  genau  der  von  der  Grundform,  z.  B.  von 

gadafa   tödten:    Lnperf.    ä-s-gidifa    ich  Hess  tödten,    tä-s-gidifa 

du  u.   s.  w.,    Perf.    i-s-gidifn,    Subj.  ä-s-gäddfo^    Imp.    i-s-gidif! 

Infinitiv  ä-.9-^äcZö// Plur.  ä-s-gädof  das  Tödtenlassen,  mä-s-gädäfa 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien. 


107 


Anstifter  des  Mordes;  mä-s-gädäfä  Ort  der  Anstiftung'  des 
Mordes  u.  s.  w.  Passiv:  ä-n-gddafa  ich  werde  getödtet  werden, 
tä-n-gddafa  du  wirst  getödtet  werden,  Reflexiv:  ä-ta-gddafa 
ich  werde  mich  tödten,  yi-ti-gidifa  er  hat  sich  getödtet. 

Flexion  der  Verba  11. 

Die  Stammvocale  bleiben  in  allen  Zeiten  und  Arten  un- 
verändert; Infinitiv  und  Imperativ  sind  mit  dem  Wortstamm 
gleich,  die  Flexion  erfolgt  durch  Suffixe,  Als  Muster  wählen 
wir  folgende  Verba  aus:  ab  machen,  dirig  mengen,  dum  unter- 
gehen, had'd  theilen,  nn  schlafen.  Da  die  tertia  feminini  sin- 
gularis  mit  der  zweiten  Person  gleichlautend  ist,  so  geben  wir 
für  die  tertia  singularis  nur  die  masculine  Form  an. 


Singular 


Aoristisches  Imperfect. 


Plural 


1. 

2. 

3. 

1. 

2. 

3. 

db-ä 

äb-fä 

äh-ä 

äb-nä 

äb-tän 

äb-än 

dirig-ä 

dirik-tä 

dirig-ä 

dirik-nä 

dirik-tän 

dirig-än 

di'mi-ä 

dum-tä 

dum-ä 

dum-nä 

dum-tän 

dum-än 

hadil-ä 

hadil-tä 

hadil-ä 

hadil-nä 

hadil-tän 

hadil-än 

rin-ä 

rin-tä 

nn-ä 

rin-nä 

rin-tän 

rin-än 

Singular 


Aoristisches  Perfect. 


Plural 


1. 

2. 

3. 

1. 

2. 

3. 

äb-a 

äb-ta 

äb-a 

äb-na 

äb-tan 

äb-an 

düm-a 

dum-ta 

dum-a 

u. 

dum-na 
s.  w. 

dum-tan 

duvi-an 

Singular 


Subjunctiv. 


Plural 


1. 

2_ 

3. 

^ 

1. 

2. 

3. 

äb-0 

äh-  to 

äb-o 

äb-no 

äb-ton 

äb-on 

diim-o 

dum-to 

dum-o 

u. 

dum-no 

s.  w. 

dum-ton 

dum-on 

Anmerkung  1.  Die  secuuda  und  tertia  pluralis  haben  im 
Imperfect  und  Perfect  nach  dem  Personalsuffix  ein  /,  als:  äh-tä,ni, 
äb-ani;  äb-tani,  äb-ani  und  im  Subjunctiv  ä  als.  äb-tonä,  äb-onä. 

8* 


2Q8  Beinisch. 

Der  Coliortativ  setzt  an  den  Subjunctiv  y  an,  als :  äh-6y,  äb-töy, 
äb-öy,  äb-nöy,  äb-tonäy,  äh-onäy. 

Anmerkung  2.  Verba  mit  auslautendem  t  assimiliren 
dasselbe  in  der  prima  Pluralis  an  n,  als:  hJUi-nä  wir  essen 
(=  het-nä),  ben-na  wir  assen  u.  s.  w. 

Anmerkung-  3.  Verba  mit  auslautendem  y  und  h  verändern 
diese  Consonanten  von  f  und  n  zu  k  und  x,  die  auf  s  aus- 
lautenden aber  assimiliren  das  Suffix  tä,  ta,  1o  und  tan,  ian, 
ton  an  s  zu  sä,  sa,  so,  sän  u.  s.  w.,  z.  B.  Imperfect  von  bah 
bringen,  rag  berühren,  is  machen: 

Sing. 


PI 


ur, 


1. 

rdg-a 

bali-ä 

is-ä 

2. 

rak-tä 

bax-tä 

is-sä 

3. 

rag-ä 

bah-ä 

is-a 

1. 

rak-nä 

bax-nä 

is-nä 

2. 

rak-tän 

bay-tän 

ts-sän 

3. 

rag-än 

bah-än 

is-än 

Das  Negativ  wird  mit  mä-  gebildet,  als  mä-rm-ä,  mä-rin- 
tä  u.  s.  w.  Im  Perfeet  wird  die  Negation  ausgedrückt^,  indem 
an  den  negirten  Stamm  das  Hilfsverb  iniyö,  inifö  u.  s.  w.  au- 
gesetzt wird,  als:  m-äh-iniyö,  m-äb-initö,  m-äh-inä  ich  machte 
nicht,  du  u.  s.  w.,  mä-nn-imyö  ich  schlief  nicht  (auch  dafür 
mä-rin-a). 

Duratives  Imperfect  und  Perfeet. 

1.  An  die  aoristische  Form  wird  das  Hilfsverb  na  an- 
gefügt, als: 

Imperfect  Perfeet 

Sing.  1.        äb-ä  ä-na  äb-a  i-na 

2.  äb-tä  tä-na  äb-ta  ti-na 

3.  äb-ä  yä-na  äb-a  yi-na 

u.  s.  w. 

2.  An  den  Auslaut  des  Suffixes  vom  bestimmten  Verbum 
wird  k  angefügt,  als: 

Imperfect  Perfeet 

Sing.   1.        äb-ä-k  ä-nn  äb-a-k  i-nn 

2.  äh-tä-k  tä-na  äbta-k  ti-na 

3.  äb-ä-k  yä-na  äh-a-k  yi-na 

U.    S.     SV. 


I 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  109 

3.  An  die  Form  der  ersten  Person  Perfeeti  wird  k  an- 
gefügt und  diese  unveränderlich  bleibende  Form  mit  der  Copula 
verbunden,  als: 

Imperfect  Perfect 

Sing'.   1.        äb-a-k  ä-na  äh-a-k  i-na 


'&• 


2.        ah-a-k  ta-na  „        ti-na 


3.        äh-a-k  yä-na  „        yi-na 

u.  s.  w. 
Anmerkung.     Dieses  k  kann  auch  wegbleiben,    als  äha 
äno,  äha  täna  u.  s.  w. 

Die  negative  Form  wird  gebildet,  indem  an  den  obigen 
Stamm  auf  -a  oder  -ak  das  negirende  m-änäniyö^  m-änänitö  w.  s.  w. 
angesetzt  wird,  als:  äba,  ähak  mänäniyö  ich  habe  nicht  gemacht. 

Imperativ. 

Der  Verbalstamm  stimmt  mit  der  secunda  imperativa 
überein,  als  üb  mache!  rag  berühre!  u.  s.  w.  Der  Plural 
lautet  -ä  oder  -äi\tä,  als:  äb-ä  oder  äb-äntä  machet!  Das  Negativ 
setzt  an  den  negativen  Verbalstamm  -in,  Plur.  -inä  an,  als: 
m-äb-in  tue  nicht!  m-äb-inä  tuet  nicht!  mä-rin-in  schlafe  nicht! 
Plur.  mä-rin-inä  schlafet  nicht! 

Gerundiv. 
Die  Formation  desselben  ist  wie  bei  den  Verben  I,  indem 
an  den  Subjunctiv  das   Hilfsverb  ki  angesetzt  wird,  als: 

äbo  kiyö  ich  muss  machen 
äbto  kitö  du  musst       „ 
u.  s.  w. 
Ebenso  gebrtäuchlich  ist  die  Verbindung  von  kini  (es  ist) 
mit  dem  Subjunctiv,  als: 

Sing.   1.  äbo  kini  =  äbo  kiyö 

2.  äbto  kini  =  äbto  kitö 

Plur.   1.  äbno  kini  =  äbiio  kinö 

2.  äbton  kini  =  äbton  kiiin 

3.  äbon  kini  =  äbon  kinön. 

Particip. 

Das  eigentliche  Particip  fehlt  bei  den  Verben  II,  dafür 
werden  die  relativen  Formen  auf  -tiyä,  fem.  -tyäj  Plur.    -mdrä^ 


HO 


Reinisch. 


sowie  die  relativen  Formen  auf  -in  und  zwar  genau  so,  wie  bei 
den  Verben  I  angewendet;  z.  B.  täy  äha-tiyä  mj  ki)n  =  tay 
äba-m  äy  kini  wer  ist  derjenige,  der  das  gemacht  hat?  miittä-m 
lüäyta  hast  du  nichts  anzuziehen  (wörtlich:  hast  du  nicht  er- 
langt, was  du  anziehen  könntest,  von  loäy  finden^  sarit  sich 
bekleiden). 

Verbalnomeu. 

1.  Der  Infinitiv  entspricht  dem  Verbalstamm;  z.  B.  rin 
maye  kini  der  Schlaf  ist  wohltuend,  mangüm  rin  umä  viel  zu 
schlafen  ist  schädlich  (von  rin  schlafen,  rin-ä  ich  schlafe)  u.  s.  w. 

2.  Das  Nomen  abstractum  wird  gebildet  mittelst  des  Suf- 
fixes -ö;  diese  Nomina  sind  feminiui  generis  und  bilden  den 
Plural  durch  Anfügung  des  letzten  Stammconsonanten  an  -ö;  z.  B 

äb-ö      Plur.    äb-ob      Tat  von  äh  machen 

abar-ö      „       abdr-or  Fluch  „  abar  fluchen 

bad-ö       „        bdd-od    Tod  „  bad  verenden 

bak-ö       „        bdk-ok    Ende  „  bak  aufhören 

eser-ö       „       eser-or   Frage  „  eser  fragen 

rim-ö       „        rim-om  Preis  „  rim^  ram  kaufen. 

3.  Nomina  auf  -ä,  ebenfalls  feminini  generis,  haben  die- 
selbe Bedeutung,  z.  B. 

bah-d  Plur.  bdh-äh     Not  von  bah  arm  sein 

bok-ä      „       bök-äk     Kahlheit,  Glatze     „     bok  kahl  sein 
dal-ä       „        ddl-äl      Geburt  „     dal  gebären. 

Anmerkung.  Trilitterae  elidiren  den  letzten  Stammvocal, 
z.  B.  ark-ä  das  Erreichen,  Ziel,  von  'arak  erreichen;  orb-ä 
Heimkehr,  von  orob  heimgehen;  garey-ä  Diebstahl,  von  garay 
stehlen. 

4.  Das  Suffix  -ßna,  fem.  -enä,  Plur.  -init  bildet  nomina 
agentis;  z.  B.: 

dayamit-ena  Bettler,  von  dayam-it  betteln,  dayam.  anrufen 
akolis-ena  Wäscher,      „     akal-is  waschen,  akal  rein  sein 
garay-ena  Dieb  „     garay  stehlen 

kalah-ena  Reisender     „     kalah  reisen 
rauf-ena  Wächter         „     j-aur  bewachen 
sarak-ena  Baumeister   „     sarah  bauen 

Anmerkung.  Auch  Bezeichnungen  für  Gebrauchsgegen- 
stände   werden    so    gebildet,    z.    B.    daf-ena  Bank    zum  Sitzen, 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  111 

dlh-ena  Ruder,  fiy-ena  Besen,  lif-ena  Keläl,  Haarnadel_,   sar-ena 
Kleid  u.  s.  w. 

5.  Das  Suffix  -inta,  fem.  -eutäj  Plur.  -hit-it  bildet  eben- 
falls noniina  agentis  5  z.  B. : 

alif-enta  Türe  als  Verschluss  von  alif  schliessen 
bah-enta  Armer,  Bettler  „     bah  arm  sein 

ganzar-enta  Schlächter  „     ganzar  schlachten 

gar-enta  Wanderer,  Gast  „     gaj-  gehen 

yttsb-enta  Lohndiener  „     ynsab  mieten  um   Lohn 

räb-enta  Sterbender  „     räb  sterben 

räb-s-enta  Tödter  „     räh-is  sterben  machen 

ar-enfa  heranwachsend  „     ar  wachsen 

ar-s-enta  Erzieher,  Pfleger  ,,     ar-is   wachsen    machen. 

6.  Das  Suffix  -iü,  Plur.  -tit  bilden  nomina  concreta  feminini 
generis,  z,  B. : 

dayam-tö  Geschenk  von  dayam  anrufen  um  etwas 

farnm-tö  Testament  „     farrim  testiren 

kohol-tö  Augenschminke    ,,     kohol  die  Augen  salben. 

Das  Substantiv. 

Von  der  Ableitung  der  Nomina  aus  Verbalstämmen  war 
bereits  die  Rede.  Wir  wollen  nun  in  kurzen  Strichen  das  Ge- 
schlecht, die  Zahlbildung  und  die  grammatische  Verbindung 
der  Nennwörter  zu  zeichnen  suchen. 

1.  Das  Geschlecht. 

Das  Genus  ist  ein  zweifaches,  ein  Masculinum  und  ein 
Femininum.  Die  Ermittelung  des  Genus  unterliegt  keinen 
Schwierigkeiten :  die  weiblichen  Nennwörter  endigen  auf  -ä, 
-i,  -i,  -6,  -ü,  die  übrigen  Nennwörter  sind  männlichen  Ge- 
schlechtes. 

2.  Die  Zahl. 

Der  Numerus  ist  ein  zweifacher  und  zwar  Singular  und 
Plural ;  jedoch  wird  bei  den  Gattungsnamen  sowohl  im  Singular 
als  auch  im  Plural  unterschieden,  ob  das  Nennwort  ein  Indivi- 
duum, einen  einzelnen  Gegenstand  aus  einer  Gattung,  oder 
aber  den  Begriff  als  solchen  ausdrücken  soll ;  z.  B.  adam  Mensch, 
Plur.  addmuvi  Menschen,    im  Allgemeinen,    als  Gattung ;    aber 


112  Rein  i seil. 

adäm-to  fem.  adäm-tö  ein  einzelnes  Individuum,  männlich  oder 
weiblich,   Plur.  adäm-tit  (gen.  comm.)  die  einzelnen  Individuen. 

Der  Individualis  lautet  im  Singular  -ta,  -to  für  das  männ- 
liche, -fä,  -to  für  das  weibliche  Geschlecht,  im  Plural  -tit  für 
beide  Genera, 

Der  Plural  der  Gattung  ist  entweder  ein  äusserer,  gebildet 
durch  Suffixe  oder  Präfixe,  oder  ein  innerer,  gebildet  durch 
Veränderung  der  Stammvocale. 

A.  Der  äussere  Plural  wird  am  häufigsten  gebildet: 

a)  bei  vocalisch  auslautenden  Nennw^örtern,  indem  der 
letzte  Stamm-Radical  nach  dem  auslautenden  Vocal  wiederholt 
wird;  der  Vocal  der  vorletzten  Stammsilbe  hat  im  Plural  stets 
den  Wortton,  auslautendes  -ä  des  Stammes  wird  vor  der  Plural- 
endung zu  -a  verkürzt;  z.  B, : 

käkälakä  Plur.  käkäläka-k  Process 

kälä  „  käla-l  Thonerde 

dite  „  dite-t  Finsterniss 

gide  „  gide-d  Anteil 

gili  „  gili-l  Daumen 

hädö  „  hädo-d  Fleisch 

ikö  „  iko-k  Zahn 

ärrm'i  „  ärrmi-m  Zügel 

b)  Einige  wenige  Nomina  bilden    den  Plural  auf  -t,  als: 

abina     Plur.  ubini-t  Zauber 
dho  „       dhi-t  Grossvater 

ahuyä        „       abuyi-t  Grossmutter 
dahina       „       dahini-t  Morgen 

c)  Lautet  das  Wort  auf  einen  Consonanten  aus,  so  wird 
bei  zweiradicaligen  der  Plural  ebcnfsills  durch  Wiederholung 
des  letzten  Stammradicals  gebildet,  jedoch  dann  zwischen  diesem 
und  dem  Pluralcharakter  ein  Vocal  eingeschoben  und  zwar  ä, 
wenn  der  Vocal  der  Stammsilbe  kein  a  ist,  ö  oder  ü  aber,  wenn 
der  Stammvocal  a  ist;   z.  B.: 

o.f    Plur.  <if-6f  Mund,     aber 
har      „       bar-ör  Nacht       „ 
han      „       han-ün  Milch       „ 
kab      „       kab-öb  Nähe        „ 
Anmerkung.     Die    beiden  Nomina   läh    Ziege    und    ruh 
Geist  bilden  im   Plural:  d-läh  und  n-nih,  auch  ä-ruwah',  ferner 


bol 

Plur. 

bol-äl  Höhe 

his 

;? 

bus-ds  Vulva 

dor 

» 

dor-är  Tränke 

dik 

n 

dik-äk  Dorf. 

Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  AbesBinien.  113 

dik  Dorf  und    kis  Sack,    haben    im    Plural    dik-ä,    kis-ä   neben 
dik-äk,  kis-äs ;  s.  unten. 

d)  Vocalisch  wie  consonantisch  auslautende  Nennwörter 
bilden  den  Plural  auch  auf  -ä  und  -wä  und  zwar  auf  -ä  die 
consonantisch  endigenden,  auf  -wä  die  vocalisch  auslautenden 
Nomina;  vor  diesem  -ivä  wird  der  auslautende  Stammvocal  zu 
0,  u  verändert,  wenn  derselbe  ein  anderer  Vocal  als  o,  u  ist, 
lautet  dieser  aber    o    oder  u,    so    wird    er    vor   -wä   zu    ä    ver- 

äbir-ä  Riese  Ua     Plur.  elo-wä  Cisterne 

afur-ä  Eidechse  gada     „  gado-wä  Thal 

faqih-ä  Lehrer  gäli      „  galu-wä  Flüg-el 

igil-ä  Bach  iUo       „  illä-wä  Korn 

B)  Der  innere  Plural  zeigt  folgende  Fälle: 

a)  Vocalisch  auslautende  werfen  im  Plural  den  Endvocal 
des  Stammes  ab ;  ist  der  Vocal  der  vorletzten  Stammsilbe  kurz, 
so  wird  er  im  Plural  gedehnt;  z.  B. : 

arvrä     Plur,  drur  Schlange 

bödin  Schneidezahn 
engi7-  Rinde 
gälod  Messer 
häbub  Pavian 
yängid  Hyäne. 

b)  Ist  der  Vocal  der  vorletzten  Stammsilbe  ein  a  oder  ä, 
so  verändert  sich  dasselbe  im  Plural  zu  o  oder  ?/ ;  z.  B. : 

biyake  Plur.   biyuk  Wunde 


ändert;  z 

.  B. 

äbir 

Plui 

afur 

»7 

faqih 

^^ 

igil 

n 

bodinä 

n 

engirö 

)5 

galöda 

» 

habüba 

)7 

yangüla 

?) 

ebanä 

» 

ebim  junge  Frau 

gäsä 

» 

gos  Hörn 

harä 

ji 

kor  Baum 

kabarö 

n 

käbiir  Trommel 

laqayö 

» 

läqoy  Silber. 

c)  Geht  dem  auslautenden  Singularstamm  ein  Doppelcon- 
sonant  voran,  so  wird  im  Plural  zwischen  diese  zwei  Conso- 
nanten  ein  a  eingefügt,  wenn  der  dem  Doppelconsonanten 
vorangehende  Vocal  ein  o  oder  ic  ist,  wenn  aber  dem  Doppel- 
consonanten ein  anderer  Vocal  als  a  vorangeht,  so  wird  zwischen 
diese  zwei  Consonanten  ein  o  oder  ii  eingeschoben  ;  z.  B. : 


114 


Beinisch. 


horsö  Plur.  börns  Schamgürtel 


dorhö  „ 

Jciirmä  „ 

ßij'dä  „ 

gömhu  „ 


dar  ah  Henne 
kuram  Höcker 
fürad  Hafen 
gomäh  Jüngling 


dakhä  Plur.  dögidj,  Gritze 

dihnä       „  dibun  Kinn 

etrö         „  etor  Topf 

g'arse        „  qurüs  Tal  er 

kirdä       „  kirud  Armband. 


d)  Dem  Stamme  nach  verschieden  ist  der  Plural  folgender 
Nomina: 

bärä  Plur.  räylö  Sohn,  Knabe 
härd       „      säytö  Tochter,  Mädchen 
nimiä     „       säyö  Frau 
sagCi       „      lä  Kuh 

e)  Consonantisch  auslautende  Nennwörter  verändern  ein  ä 
vor  dem  letzten  Radical  zu  o,  u,  dagegen  a  zu  i]  o  und  n  vor 
dem  letzten   Radical  werden  zu  ä:  z.  B. : 


agäb     Plur.  ägob  Sünde  dambdr 

änroh  Zunge  fards 
bülud  Feuerstein  märahdl 

diroh  Lüge  mätahdn 

dükun  Zelt  gomhöd 

liibuk  Löwe  goniöl 

mändol  Nagel  hotük 


anräb 

r> 

buläd 

n 

diräb 

57 

dtikän 

?7 

lubdk 

V 

mandäl 

» 

Plur.  dämbir  Stirn 
färis  Pferd 
märähil  Pfrieme 
matähin   Mühlstein 
göinbad  Asche 
gömal   Baumstamm 
hötak  Stern. 


3.  Die  Casus. 

A.  Das  Subject.  Die  Stellung  des  Subjects  ist  vollkommen 
frei,  es  kann  vor  oder  nach  dem  Verbum  stehen;  z.  B.  icüi 
bära  yina  oder  gina  tvüi  bdra  es  war  (einst)  ein  Knabe. 

B.  Der  Genitiv  steht  entweder 

a)  ohne  äusseres  Merkmal  unmittelbar  vor  dem  regierenden 
Nennwort,  wie  Irob  bnrö  das  Land  der  Irob,  Iroh  iväni  die 
Irobsprache,  lubäk  räyld  die  Löwen-Jungen,  harä  rigid  Fuss 
des  Baumes. 

b)  Das  im  Genetiv  stehende  Wort  wird  mit  dem  regie- 
renden Nomen  mittelst  -ti  verbunden;  z.  B.  bdr-ti  ifö  Licht 
der  Nacht,    laldy-ti   ifö  Tageslicht,    Idk-ti  hadö  Schenkelfleisch. 

Anmerkung  1.  Dieses  ti  erscheint  auch  als  t;  z.  B. 
barä-t  dbbä  der  Vater  des  Mädchens,  dbbä-t  dbbä  Grossvater, 
numä-t  barä  die  Tochter  der  Frau. 

Anmerkung  2.  Vor  folgendem  s  und  n  assimilirt  sich 
dieses  t  bisweilen  an  s  und  n,    z.  B.  qddy-s  säytö  die  Töchter 


Die  Sprache  der  Irot-Saho  in  Abessinien.  115 

des  Kadi,  numä-s  sähih  der  Freund  der  Frau,  abhä-n  nvviä  die 
Gattin  des  Vaters, 

c)  der  Genetiv  wird  auch  mittelst  -hi  ausgedrückt,  z.  B. 
lä-hi  gos  die  Hörner  der  Kühe,  galäi/tö-hi  läk  der  Fuss  des 
Kameeis,  giiffa-hi  qamis  das  Hemd  des  Knaben,  nugils-hi  ydri 
das  Haus  des  Königs. 

Anmerkung.  Statt  -hi  wird  auch  ha  und  h  angewendet, 
ebenso  blosses  i,  z.  B.  nugus-ha  ydri  und  nugus-i  ydri  das  Haus 
des  Königs,  galäyto-y  haclö  Fleisch  des  Kamels. 

d)  Häufig  wird  der  Genetiv  auch  so  ausgedrückt,  dass 
das  dem  Sinne  nach  abhängige  Wort  als  absoluter  Nominativ 
mittelst  des  possessiven  Pronomens  mit  dem  regierenden  Nenn- 
wort verbunden  wird,  z.  B.  ay  hiyäioti  käy  dhbä  yina  dieser 
Mann  sein   Vater  lebte  =  der  Vater  dieses  Mannes  lebte. 

C.  Der  Dativ  wird  meist  mittelst  -ak  nach  consonantisch 
auslautenden  Nennwörtern,  -k  nach  vocalisch  endigenden  Nomina 
ausgedrückt,  z.  B.  fards-ak  illo  ohuya  ich  gab  dem  Pferde 
Korn,  abhä-k  folö  tohöya  sie  gab  dem  Vater  Brot. 

Anmerkung.  Wenn  mit  dem  Dativ  kein  Accusativ  ver- 
bunden ist,  so  erscheint  auch  der  Dativ  ohne  äusseres  Merk- 
mal; z.  B.  dhhn  oho  gib  (es)  dem  Vater! 

D.  Der  Accusativ  zeigt  keine  äussern  Merkmale,  in  der 
Regel  steht  er  unmittelbar  vor  dem  Verbum,  d'ikil  äy  hiyäwä 
moröhisa  er  führte  diese  Männer  ins  Dorf.  Nur  wenn  Dativ 
und  Accusativ  in  einem  Satze  zusammentreffen  und  der  Wort- 
körper des  Dativs  dem  des  Accusativs  an  Umfang  nachsteht, 
geht  der  Accusativ  dem  Dativ  voran;  z.  B.  folö  yo  oho  gib 
mir  Brot!  giräyto  dbbä-k  bah  bringe  Feuer  dem  Vater!  da- 
gegen :  Äbdalla-k  folö  ohöya  ich  gab  dem  Abdallah  Brot. 

E.  Der  Vocativ  hat  in  der  Regel  ebenfalls  kein  äusseres 
Merkmal,  z.  B.  y'  Abhä  o  mein  Vater!  ribbä  amö  komm'  o 
Vater!  doch  findet  sich  bei  vielen  Nominibus  im  Vocativ  ein 
Suffix  -u,  z.  B.  y  sayala-u  amö  komm'  o  meine  Schwester!  eben- 
so: bärä-u  0  Sohn!  bärd-u  o  Tochter!  dbbä-u  o  Vater!  liibäk-u 
o  du  Löwe! 

F.  Die  Richtung  nach  einem  Ort  oder  Gegenstand  wird 
mittelst  der  Postposition  -d  oder  -l  (gleichbedeutend  im  Ge- 
brauche) ausgedrückt;  -d,  -l  werden  gebraucht,  wenn  das  Nenn- 
wort  auf   einen  Vocal    auslautet,    als:    ydri-d,    ydri-l   ins    Haus 


116  Reinisch. 

hinein^  nach  dem  Hause  zu.  Lautet  aber  das  Nennwort  auf 
einen  Consonanten  aus,  so  wird  ein  Bindevocal  eingeschoben, 
der  mit  dem  Vocal  der  vorangehenden  Silbe  übereinstimmt; 
z.  B.  aräf-äl  oder  ärät-äd  zum  Bette  hin,  nugns-xd  zum  König 
hin,  gomhud-od  in  die  Asche  hinein,  dik-id,  dik-il  zum  Dorfe  hin. 

Anmerkung.  Wenn  die  Partikel  -lan  also  nun  auf 
diese  Postposition  unmittelbar  folgt,  so  lautet  dann  diese  letz- 
tere -lä  statt  -d,  -l,  als:  käy-lä-lan  zu  ihm  also,  dik-lä-lan  nun 
hin  zum  Dorfe. 

G.  Die  Gesellschaft  wird  durch  -li  ausgedrückt ;  z.  B.  xjö-li 
rin  schlaf  mit  mir!  am'i,  sin-li  wäniso  ich  möchte  mit  euch 
reden,  faräs-li  ydmata  er  kam  mit  dem  Pferde. 

H.  Die  Richtung  von  einem  Gegenstande  oder  Orte  her 
wird  mittelst  -ko  ausgedrückt;  z.  B.  atn  aula-ko  tamdta  woher 
kommst  du?  anii  Manddr-ko  dmata  ich  kam  von  Arqiqo,  anu 
kumdl-ko  mn-hetiniyö  ich  habe  seit  gestern  nichts  gegessen. 

I.  Das  Verharren  an  einem  Orte  wird  ebenfalls  mittelst 
-d  oder  -l  bezeichnet,  als  anu  Unküllu-l  däfäya-k  ana  ich  wohne 
in  Mukullu,  dagegen  Unki'dki-l  ädäivo  ich  möchte  nach  Mukullu 
gehen.  Der  Sinn  des  Verbums  zeigt  hier  wie  in  andern  Fällen 
an,  ob  -d  oder  -l  in  der  Bedeutung:  nach,  zu  oder  als:  in 
aufzufassen  sei. 

Das  Adjectiv. 

Sämmtliche  Adjectiva  sind  eigentlich  nur  Participia,  deren 
Ableitung  von  der  Verbalwurzel  bereits  oben  behandelt  worden 
ist.  Die  Verbindung  mit  dem  Nennworte  ist  eine  zweifache : 
entweder  werden  sie  dem  Nennworte  vorangestellt,  wie  ilis  rä 
ein  schwerer  Stein  (ilis  von  alasa  schwer  sein)  oder  sie  werden 
dem  Nennworte  nachgesetzt  und  mit  -yä  (gen.  comm.)  oder 
-ti-yä,  fem.  -t-yä,  Plur.  -mcirä  verbunden,  z.  B.  rä  ilis-yä  ein 
schwerer  Stein  =  Stein  schwer  seiend  welcher;  dulüs  hiyäwti 
oder  liiyäioti  didus-yä,  hiyätvti  didus-tiyä  ein  fetter  Mann,  didüs 
mimä  oder  niimä  dtdus-yä,  —  dulus-t-yä  eine  fette  Frau. 

Geht  das  Adjectiv  dem  Nennwort  voran,  so  bleibt  es  im 
Singular  wie  Plural  unverändert;  als:  didiis  hiyöivä  fette  Männer, 
didüs  säytö  fette  Frauen;  wird  das  Adjectiv  dem  Nennworte 
nachgesetzt,  so  erhält  es  das  SufHx  -niärä,  als:  säytu  drdus- 
märä  fette  Frauen  u.  s.  w. 


i' 

I 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.    •  117 

Steigerung  des  Adjfcttvs. 

Der  Comparativ  wird  durch  die  Postposition  -ko  ausge- 
drückt, welche  dem  verg-lichenen  Nennworte,  das  stets  die  erste 
Stelle  im  Satze  einnimmt,  nachgesetzt  wird,  z.  B.  Ährähim 
ydri-ko  ku  ydri  mnye  kini  dein  Haus  ist  schöner  als  das  Abra- 
hams, yo-ko  ah'i  rohös  kitö  du  bist  reicher  als  ich.  Iroh  bärö-ko 
Hamasen  rohös  bärö  kini  Hamasien  ist  ein  reicheres  Land  als 
das  der  Irob.  kü-ko  numd  ärd  mayetyä  hitä  ich  werde  eine 
Frau  heiraten,   welche    dem  Antlitze  nach  schöner  ist,    als  du. 

Der  Superlativ  wird  ausgedrückt,  indem  dem  verglichenen 
Nenn  Worte  umbi  (Saho  umhakd)  jeder  vorangestellt  wird;  das 
verglichene  Nennwort  steht  sowohl  im  Singular  als  auch  im 
Plural;  z.  B.  ^lmbi  diki-ko  y  dik  rohös  kini  mein  Dorf  (Heimat) 
ist  reicher  als  alle  Dörfer  =  mein  Heimatsdorf  ist  das  reichste 
von  allen,  dik-ti  umbi  numä-ko  (oder  säytö-ko)  ku  numd  mayg 
kini  deine  Frau  ist  die  schönste  des  Dorfes,  umbi  Sähö-ko  Irob 
yubus-mdrä  kinön    die  Irob  sind  die  ärmsten  unter  allen  Saho. 

Das  Pronomen. 
I.  Das  Personalpronomen. 

1)  Für  den  Nominativ  lauten  die  Formen  also: 

anü  ich  nänü  wir 

atü  du  dtin  ihr 

üssuk  er  ussun  sie 

issi  sie 

2)  Die  abhängigen  Casus  werden  also  bezeichnet: 

y  (S.  yi)  mein,  yo,  yoyä  mir  oder  mich  (auch  so  vor  Postpos.) 

ku  dein,  ku,  kuyä  dir       ,,       dich  „ 

käy  sein,  käy,  käyä  ihm     „      ihn  „ 

tay  ihr,  tay,  tayä  ihr        „      sie  „ 

na,  ni         unser,  no,  noyä  uns  „ 

sin,  sinni    euer,  sind  euch  „ 

tan,  ihr,  tanä  ihnen,  sie  „ 

Die  Formen  für  den  Genetiv  werden  den  Nennwörtern  vor- 
gesetzt, z.  B.  ku  säydl-kn  y  säydl  häyla-li  kini  mein  Bruder  ist 
stärker  (mit  Kraft)  als  deiner. 

Anstatt  ku,  käy  und  tay  sagt  man  auch  isi  und  für  tan 
auch  sini,  wenn  das  possessive  Pronomen  mit  dem  Subject  der 


1  lö  '  Reinisch. 

Person  nach  übereinstimmt;  z.B.  afti  ist  säydl  m-ägdaf in  tödte 
nicht  deinen  eigenen  Bruder !  nngns  ist  hiijäwä-l  ydmata  der 
König  kam  zu  seinen  eigenen  Leuten,  hiyäioä  sini  dik-ü  öroban 
die  Männer  kehrten  heim  in  ihr  Dorf.  Für:  mein  eigen,  unser 
eigen  sagt  man  auch  liinni  und  nini,  als:  hinni  inä-l  dmata 
ich  kam  zu  meiner  eigenen  Mutter,  nini  säyöl-id  oröhno  wir 
wollen  zu  unsern  eigenen  Brüdern  heimkehren. 

II.  Die  Demonstrativa. 

1)  «,  ay  dieser  (gen.  comm.),  ä-ti-yä  (m.),  ä-t-yä  (fem.),  PI.  ä-märä 

2)  tä,  täy  dieser  (gen.  c),  tä-,  täy-tiyä  (m.),  iä-,  täy-tyä  (f.),  PI.  -märä 

3)  ammä,  ammäy  dieser  (gen.  comm.)_,  ammä-tiyä  u.  s.  w. 

4)  tämmä,  tähammä,  täliammäy  dieser  (gen.  comm.)  u.  s.  w. 

5)  0,  wo  jener  (gen.  comm.),  o-tiyä  u.  s.  w. 

6)  to,  toy  jener  (gen.  comm.),  fo-tiyä  u.  s.  w. 

7)  tommä,  tommäy  jener  (gen.  comm.),  tommäüyä  u.  s.  w. 

Beispiele:  atu  äy  numä  tigdifa  hast  du  diese  Frau  ge- 
tödtet?  iäy  hiydwto  söla-k  täna,  täytiyä  y  säydl  kini  kennst  du 
denn  diesen  Mann  da  nicht?  dieser  ist  ja  mein  Bruder,  täham- 
mätiyä  nähärönä,  totiyä  näsdäicdnä  radänto  no-k  mä-rahinä  sagte 
uns  der  Häuptling  nicht,  dass  wir  diesen  da  binden,  jenen 
aber  laufen  lassen  sollten? 

Anmerkung.  Vor  Postpositionen  -d,  -l,  -li  wird  das 
Demonstrativ  äy  zu  e  verändert ;  z.  B.  täy  e-l  näna  härö  ni  bärö 
mä-ki  dieses  Land,  in  welchem  wir  uns  befinden,  ist  nicht 
unser  Land.  Vor  der  Dativendung  -k  lautet  es  ä  =  ak  und 
dient  in  dieser  Form  auch  für  den  Dativ  des  persönlichen 
Pronomens  im  Singular,  bisweilen  auch  statt  tan-ak  (Plur.); 
als:  ak  ydrcJia  er  sprach  zu  ihm. 

III.  Das  Interrogativ. 

a  wer?  was?  auch  a-iiyä,  fem.  d-tyä,  Plur.  a-viärä. 

Beispiele,  a  lahahäyio  yamntd-ti  wer  ist  der  Mann,  der 
gekommen  ist?  totiyä  a  liiyäwto  wer  ist  jener  Mann?  töfyä  a 
numa  wer  ist  jene  Frau?  täymärä  ä  hiyäicä  wer  sind  diese 
Männer?  atu  a-tiyä  wer  bist  du?  atü  a  ähtä  was  machst  du? 
tarehd-m  qäl  a  qäl  was  ist  das  für  ein  Wort,  das  du  aus- 
gesprochen hast?  täy  härö-l  a  dbto  tamdta  weshalb  kamst  du 
in  dieses  Land  (^  um  was  zu  tun  kamst  u.  s.  w.). 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  119 

IV.  Das  Relativ. 

1)  Die  einfachste  Art,  das  Relativ  auszudrücken,  besteht 
darin,  dass  man  den  Relativsatz  dem  regierenden  voranstellt; 
z.  B.  ist  dik-il  räyeta  fina  bärä  bisifa  er  raubte  das  Mädchen, 
welches  in   seinem  Dorfe  zurückgeblieben  war. 

2)  Wird  der  Relativsatz  dem  regierenden  nachgestellt^  so 
tritt  an  das  Verb  des  Relativsatzes  die  Partikel  -yä  oder  -m ; 
als:   bärä  bisifa  ist  dikil  räyeta  tina-yä  oder  tina-m. 

Das  Numerale. 

I.  Die  Grundzahlen. 
1   enik  (S.  inik)  11   e,nikän  ka  tämmän 


2  lämmä 

12  lamm  an  „          „ 

3  ädöh 

13  ädohän    „          „ 

4  äfär 

20  länimä  tännä 

5  kö)i 

21   lämmä  tännä  ka  enik 

6  Iah 

22       „            „        „    lämmä 

7  maJ.ehdn 

o  • 

30  säzzäm 

8  hähär 

31        „        ka  enik 

9  sägä/ 

32       „          „    lämmä 

10  täm/män 

40  maro-töm 

50  kon  töm 

100  bol 

60  lahä  tom 

200  lämmä  hol 

70  malehdn 

tomman 

1000  .n% 

80  bähär 

71 

10000  alf 

90  sägäl, 

» 

20000  lämmä  alf. 

II.  Die  Ordnungszahlen. 

Für  den  Ausdruck  erster  wird  ardr  gebraucht,  von 
2  bis  einschliessend  5  wird  den  Grundzahlen  mä.-  vorgesetzt, 
von  6  an  aber  werden  die  übrigen  Ordinalia  gebildet,  indem 
man  den  Grundzahlen  -yä  nachstellt;  als: 

1.  afdr  6.  lah-yä 

2.  mä-lämmä  7.  mah^ian-yä 

3.  m-ädähä  8.  hähär-yä 

4.  mäfärä  20.  lämmä  tännä-yä 

5.  mä-käwän  u.  s.   w. 


120  Reinisch 

m.  Die  Vervielfältigungszahlen. 

Die  Multiplicativa  werden  gebildet,  indem  man  den  Grund- 
zahlen das  Wort  gvl  Zeit  (S.  g^d)  nachsetzt ;  statt  enik  er- 
seheint aber  dann  inki,  als:  inki  gnl  ein  Mal,  die  folgenden 
Grundzahlen  zeigen  im  Auslaut  -ä^  als:  adohä  gnl,  konä  gul, 
lahä  gul  u.  s.  w. 

Coiijnnctioiieii. 

1)  Die  Bindepartikel  lautet  ka  und,  als:  Josif  ka  Tomas 
yamatin  Josef  und  Thomas  sind  angekommen. 

2)  Die  Trennungspartikel  lautet  -la,  z.  B. :  anü  garaySna 
mä-h'yö,  atu-la  kifö  ich  bin  kein  Dieb,  aber  du  bist  einer. 
islüm-H  ydri-l  raä-orohin,  kistän-ti  yari-l-la  oröb  kehre  nicht 
ein  in  das  Haus  eines  Mohammedaners,  sondern  in  das  eines 
Christen ! 

Partikeln. 

1)  -gul  drückt  die  Gleichzeitigkeit  aus,  z.  B. :  rinä-gul  niä- 
ivänisinä  während  ich  schlafe,  sollt  ihr  nicht  plaudern,  y  nvmä 
mnryesita-gul  anü  güffä  ki  ina  als  ich  meine  Frau  heiratete, 
war  ich  noch  ein  Jüngling. 

2)  särä  (Ende)  entspricht  in  Temporalsätzen  unserem 
nachdem,  z.  B. :  y  dbhä  räba  särä  (auch  sävä-l)  y  dik  häha 
nachdem  mein  Vater  gestorben  war,  verliess  ich  meine  Heimat. 
yäri  häbta  särä-l  inä  tdmata  nachdem  du  das  Haus  verlassen 
hattest,  kam  die  Mutter. 

Anmerkung.  Das  dem  särä  vorangehende  Verb  kann 
auch  mit  -k  verbunden  werden,  als:  räha-k  särä  nachdem  er 
gestorben  war,  hähta-k  särä  nachdem  du  verlassen  hattest  u.  s.  w. 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  121 


Eleazar       von 
Al^azär  yilöh. 

Mariens      Dorf    seiend     Betania    zu      Namen   den      Eleazar      ihm 

1.  Mävyä     härö     hin     Biianyä-l     migäya-h     Al§<izdr     ak 
sie  sagen,  der  krank  war     ein        Mann     er  war.    ihre     Schwester  aber  (war) 

yän  lähüta        §nki   Jnyäwfi  yina.     tay  sdyglä-la 

Marta. 
Märtä. 

Maria  aber  unsern  Herrn    Salben  (mit)  gesalbt  hat  welche   sie  war, 

2.  Märyä-la  ni  mädärä-h      miyam      tüskiita      tiyä      kini, 
seine  Füsse  aber    (ihrer)  Person  von    Haaren  mit    sie  trocknete,    ihr    Bruder 

käy  ibd-lan  rdg§-ha  dägärd-k        tidriza.      tay   säydl- 

nun     Eleazar     war. 
lau  Al§azdr  kini. 

Seine    Schwestern    (zu)    Jesus    Nachricht  die:    unser  Herr!       jetzt 

3.  Käy       säyöl  Yasus  rägd-h:      ,ni  mäddrä!  kddo 
den  du  liebst  derjenige     er  ist  krank     welche  sagten     sie  schickten. 

kihintä-tiyi         lähütä  yäna^        yani-h  färiman. 

Jesus   nun      da    er    hörte:      diese      Krankheit      Gottes      Ruhmes 

4.  Yasüs-lan       yobd-h:         ,täy        dälkd        Fugt      mosd-h 
Ursache  aus,   Gottes  Sohn  um  ihn    durch  dass  er  geehrt  werde  es  ist  da  (weil), 

ydö-h,       Fitgi  häri-lan  käy  yilöh        mosäysimo  kini-kä-h, 

Tod  zu     [nicht  ist']     er  sagte. 
räbd-h    [mä-ki'J     ydr§ha. 

ö  f  A-ftA'>  ■  ?'i]l)  ■  ;I-J2.^AJi  ••  f  ^  •  'r*fli1^  •  'i.A-rÜi  ■  4-x  • 

a2'A'> :  h^'V.A-;h '  rfi^tuT  •  \ixui)  •  ^nr"h » ^'clfi « 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  I.  Ht't.  9 


122  Reinisch. 

Jesus    aber    die  Maria    und    ihre  Schwester    Marta    (und)  Eleazar 

5.  Ya.ms-lo    Märyd-ka  tay         säy§lä        Märtä      Al§azär 

er  liebend  war. 
kihini-yina. 

er  erkrankte  dass     er  hörte  als     an  welchem  er  war     Ort  am         zwei 

6.  Läküta-h        yöha-gul  el-yind  bäro-l     lämmä 

Tage     er  blieb. 
laldy     difiya. 

Diesen  von      Ende  am     seinen     Jüngern  zu     wiederum      Juden 

7.  Tähammi-h     särd-h         ist       därds-äk:     ,ldyal     Yihüdä 

Land  nach     wir  wollen  ziehen     ihnen  zu  er  sagte. 
härö-l  nädäiüoy!'  tdn-äk  yd. 

Seine  Jünger  nun  Herr!  jetzt  die  Juden  dich 

8.  Kay  däräsä-lan:      ,mäddrä!      kddo  Ayliäd  ku- 

dass  sie  steinigen       suchend   nicht  sie    sind?       wiederum       diese  Gegend  in 
sähäyönä  güräy-mi-yäuini-ho?         Idyal  am-uld-l 

Gehen  im  du  bist?     zu  ihm     sie  sagten. 
adiyi-k-tdna?  ak  ydn. 

Jesus  nun        Tag  des     Stunden  von  zwei  und  Zehnheit 

9.  Yasiis-lan :    ,lalay-ti       säyd-t         lämmän-ka-      tdmviän 

nicht  ist?  er  sagte         (bei)  Tag       welclier  geht       der  Mann        dieser 

7nä-kä-ho  ?'       ydr§ha ;        ,laldy  yddiya  hiyaivH,         täy 

Welt  von     Licht     sehend  er  ist  weil,     nicht  er  stosst  sich  an. 
eduniyd-h    if'6        db§li-ydna-hi  mä-^ndäfüä. 

%  Arh.'Ml  ■■  P-nT-A  :  h-AI*.*  •  OffA  ■  A*^  ••  AA<>  •  ^,^? 

^fliPf!.  •  '[".'hf  •••• 

Fi.>Ar  •  Af  A  :  ^fl•»•AA  ■•  h'%V'.Tn:f-^  •  Mnf  7  ••• 

V  f rt-nA'> :  AA«>'/:  ••  fiO'1'  ••  A'^'Jh;!-'^'}  -•  «vhir  ■  e*c:*fi  •' 
AAö  ■  ,e^,f  :  rk^a»--/:  •  ;I-J&  =  hA.>JV  •  A,fc" :  Ai'nA..ejVL  ■  '^y 


Freund 

er  ist 

eingeschlafen 

salilh 

rina 

nun 

(] 

iss  ich  gehe 

ich  bin 

lau 

adäioo 

kiyö' 

Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Äbessinien.  123 

Dieser    in       das  er  sieht       Licht       nicht  hat  er  weil,       Nachts 
JO.   Tämmd-l         ydb§la  i-fö  mä-la-hi,  här 

(welcher)  er  geht       dieser  nun       er  stosst  sich  an. 
yädiyn,  ti-lan  andäfitä. 

Seinen    Jüngern  zu         also         ihnen  zn     er  sprach.     Diesem  von 

11.  Isi       däräaü-k     iühdm       tdn-ilk  yd.         fcdiavimi-k 
Ende  nach               Eleazar             unser 

scirä-h :  ,Al§azär,  ni 

ihn  dass  icli  aufstehen  lasse 

ka-  ic^giiso- 

ihneu  zu  er  sprach. 
tdn-äk  yd. 

Seine  Jünger  nun  o  Herr!  er  schläft  wenn  also 

12.  Kay  däräm-lan :        ,mädärc( !  rinä-do-lan, 

er  wird  gesund  werden,      er  wird  aufstehen     nun     ihm  zu     sie  sagten. 
yafiyätn  ogiitä-  lan'      ak  ydn. 

Jesus  nun  sein         Tod  von        Schlaf  von       Moment        über 

13.  lyasiis-lan       käy         rCdn-li  rin-ti  mäh         yildh 

er  redete      sie  aber     Schlaf  von  Moment      über      ihnen  zu     er  spräche  dass 
ydrejia;     issln-la  rin-ti-mäh  yllöh     fdn-äk  yd-m 

sie  meinten. 
ydkalan.  ' 

Diesem  von      Ende  am       Jesus      er  offenbarte  indem     Eleazar 

14.  Tilknmmi-h     särä-li      lyasüs  yddosa-li:        .,Al§azdr 

er  ist  gestorben     ihnen  zu     er  sagte. 
räba'  tdn-äk         yd. 

hilf}  •' 

1(0  V  ^i.f  A-rtA'> :  Jj.ft/.n.ü  ■  S-i'linx)  •  "/,A-ü  :  ?'i:"Si  •' 


124 


Iteiniscli. 


Auf  dass  ihr  glaubet         dort         iiiclit  war  ich  weil        ich  nun       neuer 
15.   Tämänöuä      täm'-Tilä       m-ini-yo-hv,         anü-lan       sin 
wegen     Freude  in      ich  bin      ilim  zu  nun     wir  wollen  gehen ! 
yilöh     afizihn-k      äna;      käy-lä-lan         nädäwoy!^ 

Didinios  ihn  (den)  man  nennt     Thomas  aber     dessen  Gesellschaft  seiend 
ItJ.  Didimos  äk  yüa         Tomäs-la         ist  dohä         hin 

Jüngern  zu        wir  nun        ihm  mit     dass  wir  sterben  auf  wir  wollen  gehen! 
däräsä-k:   ,nüiiü-lan    käy-lih           räh§7io-k  nädäwoy !' 

ihnen  zu     er  sagte. 
tdn-äk         yd. 

Jesus         Bitauiya  von  Gegend  nach         er  ging         diese  Gegend 

17.  Yasiis  Bitänyä-t-tdü-l  yddaya.       tämm'  ülä 
er  hat  ei-reicht  da    er  wurde  begraben  dass  seit    vier      Tage    er  war  vergangen 

gufd-h  yunmyugd-m-ko       afärä  laldy      häka-ti-yä 

waren  es  dass     ihn     er  fand 
yakd-h        küy    gdya. 

Bitania  nun  Jerusalem  von        entfernt        ist  fünf  und 

18.  Bitänyä-lan     lyaruscdmi-ko      räyar      kini     konäm-ka- 
zehn-heit  Meilen  von      es  beträgt. 

tämmän       mi§räfi-yä       fäka. 

Juden  von  viele 

19.  Ayhüd-ko  mängöni 
sie              damit   sie    trösteten  Maria 
tan              tcay§sisönä              Märyä 
gegangen  waren. 

adi  yinin. 

1(0%  Ji,Ji,rfl  ■  yx^n  '  'f'^ftA  ■  Kü.F'QK'i  '  f\6fi\\  \ 

0'iT\\  ■  M'/.'  ■  ^^ö  ■  nh'/:.e  .•  p  hu  ■  h^  ••  7p « 

V  (D  U;  n.;i'>.eA'>  •  Ai,P<.«^A.{^*h  •  ^PcT"  tU>.  ■  liV9"h :  .•^ 
'^'i  » *%ix^.&,?  :  ;i-h  ••• 


deren 

Bruder's             wegen 

tan 

säyaU-h            yilöh 

und 

Marta  von  Ort   nach 

ka 

Märtä-t-ulä-l 

Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  1  25 

Marta       Jesus      er  ist  gekommen  dass    sie  hörte  als    sie  ging  aus 

20.  Märtä    Yimis  yamat<i-m  töba-gul,       taw§ye-h, 

ihm  zu         sie  ging  entgegen,         Maria  aber         Hause  im         zurückbleibend 
dk-äh  gärdyta,  Märijä-lan        ydra-d  difaytdh 

sie  war. 
tina. 

Marta  aber      Jesus  zu    mein    Herr!       hier   du  wärst  gewesen  wenn 

21.  Märtä-la  Jyasüs-uk :  ,y  mädärä!  tä-l  täniyd-do, 

mein     Bruder     den  Tod     nicht  er  wäre  entschlafen     zu  ihm     sie  sagte. 
y        säydl       räbd  mä-rärinä'  ak  td. 

Jetzt  aber     Gott  du  gebeten  was    Gott    dir  zu    er  wii'd  geben  dass 

22.  ,Kädo-la  Fiigo    räyimtd-h,     Fugi   ko-h-        yähayd-m 

ich   weiss. 


driga.' 


Jesus  aber      dein     Bruder    wird  aufstehen    zu  ihr    er  sagte. 

23.  lyasus-la:     ,ku     säydl         ugütä^  ak         yd. 

Marta  nun  letztem  Tage  die  Verstorbenen 

24.  Märtä-lan:  ,särä  laldy,  räbdytit 

sie  werden  auferstehen     wenn     er  wird  auferstehen     dass     ich  weiss. 
tigüitä-  gulj  iigütä-  m       driga.' 

Jesus  nun  ich  bin's        an  mich       er  glaubt        der  welcher 

25.  YasÜH-lan:      ,anü  kiyö,      ydyä        yämina-  ti-yh 

er  stirbt  wenn,     er  wird  genesen,     o  Marta! 
rähä-do,  urä  Martä!' 

K  flJ  ö   "7r:;^A'>  :  fl/.-  ••  AA<>  ■  /..n.e./:'l*  ■■  h.7;>7A  ••  h-T- 

^C;^ ... 


126  Keinisch. 

an  mich  sie  glauben  welche  alle  ewige  Zeit  für 

26.  yYoyä  tämina-m  umhik,         ummän-gul-iih 

nicht  sie  werden  sterben.       Dieses       glaubst  du? 
mä-rübän.  tähdni       täminaP 

Du  "Welt  in         (welcher)  kommt        Gottes        Sohn       seiend 

27.  ,Atü     edoniyä-l  yämita  Fvgi       bärä       hin 

Christus      du  bist  dass      ich    o    mein        Herr!  ich  glaube       zu  ihm 

Krestös        kitö-m         yö  ico  yi     mädärä!     anü      amina'       ak 

sie  sagte. 
td. 

Dieses    sie  hatte  gesagt  als     ging  sie     ihre  Schwester    welche  ist 

28.  Tähdm         tar§hd-h  tddaya.    isi    säy^lä  kin 

Maria         heimlich       sie  rief         auf!      du!    unser    Lehrer    er  ist  gekommen 
Märyä    yindäkih    ddyt^ta:    ,ahdy  ko !    ni    mämhir       ydmata, 

dich     ersehnend     er  ist     zu  ihr     sie  sagte. 
ku     daydyla    yäna^     ak  td. 


Sie  hatte  gehört  als 

schnell 

sie  stand  auf 

ihm     zu     nun 

29.    Töha-gid 

rali 

ugüttctj 

käy  -Id-  lan 

sie  ging. 

tddaya. 

Marta       ihm  zu     gekommen  war  Orte  am     er  war  noch     weil 

80.   Märtd        e-l           gäiäyta  sifrä-l         yind-         käh 

noch  nicht     Haus  in     Eintritt  nicht  machend  er  war. 

ganä        ydra-d            säy-näha-h  yina. 

u]  aoii^h :  ;,.A  ••  ;V...l'.'/-  ••  rt.'iV-A  ••  |'.Vhü  ■  J V  '  0^^  ■ 
fiy-Uthl)  ■•  ^.i  ■ 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Aljessinien. 


127 


Hause  im 
31.  Fdra-d 


ihr  bei        (welche)  waren 
ta-lih  ylnin 


sie  (eam)  tröstend 

tay  icay§sisä 

(welche)  waren       die  Juden       schnell      sie  standen  auf      sie  ging  weg  dass 
ymin  Ayküd         rah  ugütan  tdw^ye-h 

dieselbe    sie  sahen  als   ihr  nach    sie  folgten,      diesem  zu    ihn    dass  sie  beweine 
ta-    yuh§Un-giil,    td-d   yandabarin,  tämmä-l  akäh       ivdy^to 

seinem     Grabe  zu     sie  gehe  dass     meinend     sie  waren. 
käy     mäyagä-l     tädiya-m     yakalani    yinin. 

Maria        Jesu  zu      sie  kam  Zeit  in      ihn      sie  erblickte      seine 
32.  Märyd     Isüs-ul       giifta-ytU-ln,    käy       tüb§la,  käy 

Füsse  von       Unterteil  zu  aber       vor  ihm      sie  fiel  nieder      mein         Herr! 
gubä-l-la  akäh  tisgida:  ,y     mädärä! 

wenn  mein  Bruder  den  Tod 

do,  y  säydl  räbd 


ibi-h 


hier 
tä-l 


du  wärest  gewesen 
täniyd- 


nicht  er  wäre  nicht  entschlafen       zu  ihm      sie  sagte. 


ma-  rarina^ 


ak 


tdr§ha. 


tan 


Jesus  Weinen  im  dieselbe  er  sah     als 

33.    Yasüs  tcdya-k  ta  yub§ld-gid, 

(die)  gekommen  waren      die  Juden  also       Weinen  im        dieselben 
yamatin  Ayhüd-lan         wdya-k 

Zeit  in        seiner        Seele  von  er  weinte, 

giU-hi,       isi       mänfäsä-h     icdy-ydr§ha,         isi 

er  wurde  erregt. 
rngdnräga. 


seinem 


ihr  mit 
ta-lih 

er  sah 
yub§la- 

Gemüthe  in  nun 
rdge-h-lan 


128  Reinisch. 

welchem       Orte  an       ihr  habt  begraben?        sagte  er.  Herr! 

34.  ,A  rikd-l  toyoginP  ydr§ha;    ,mäddrä! 

dass  du  sehest  auf    komm!     zu  ihm     sie  sagten. 
tdb^lo-k  cmiö!'       ak  ydn. 

Jesus  nun       weinte. 

35.  lyasüs-lan     wdye. 

Die  Juden  nun  sehet!  wie  sehr  ihn  er  liebt 

36.  Ayhüd-lan:  ,uhulä!        aydä  käy        kihmä!' 

sagten  sie. 
ydr§hin. 

Einige     ihnen  von       Auge       nicht  Besitz  des  Habenden       Auge 

37.  Laya       tdn-ko:       ,§nti  mä-lo-li  inti 

(welcher)  öffnete       dieser  da       dieser  da  nun       ihm        er  nicht  sterbe  dass 
fäka  täytiyi,        täytiyä-lan      akäh  räba-wäkäh 

er  mache       Macht  von  nicht  ist?  sprechend         sie  waren. 

dbo  riya-k  mä-nä-'aP       yänä-märi         yinin. 

Wiederum       Jesus       seinem      Herzen  in      wurde  traurig      seinem 

38.  Loyal      lyasüs       ist        afyadö-h         yitikiza,         käy 

Grabe  zu        er  ging     eine  Gruft  nun    war  es    seinem     Kopfe  auf     ein  Stein 
mäyayd-l   yddaya.       holö-lan         tina,      käy        aniö-l  räyi 

als  Verschluss  angebracht     war. 
al§fima-h  yina. 

m  (D  7.  Af '^'>^l  ••  h'i't:  •■  "7A"A.  •  Kl±  '  4'\l  •  ;i-JP--/:P.  • 
(natx  APA ••  hsihfi ' Kd, •  h^oF-lh ' i^t-M^n ••  h^.^lo 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinieu.  x2v 

Jesus  aber       den  Stein  nun       lieht  weg!       ihnen  zu       er  sagte. 

39.  Yasiis-la:         ,rä-lan         esgayidäd!'    tdn-äk  yd. 

dem  Verstorbenen  von      die  Schwester        Marta        mein         Herr!  heute 

rähotiy\-h  säy§ld         Märtä:       ,y     mädärä!      käfi 

der  vierte  (Tag)      geworden      ist  da      Verwesung  von      Geruch  von      er  ist 
viäfärä  ydka       kini-ki,       ahäsd-h  itrayd-h       kini' 

zu  ihm     sie  sagte. 
ak  td. 

Jesus  aber    Gottes    Glorie    dass  du  sehen  sollst    du  glaubst  wenn 

40.  Yasüs-la :  ,Fugi   mosd  täb§lo  tämina-do, 

die  zu       nicht  sagte  ich?       zu  ihr     er  sagte. 
ko-k       m-ini-yo-ho?^         ak  yd. 

den  Stein  nun    sie  hoben  weg    Jesus  aber    seine    Augen      Höhe  in 

41.  Rä-lan        yasgdyedin.      Yasüs-la      is       intit     ayännä-l 

er  erhob    Vater!    mich    erhört  habend    du  bist  weil    dir      dankend  ich  bin 


ugüsa:    ,dbha!     y 

töba-h 

tana-i 

hl,     kii    viosaysita-k-äna' 

er  sagte. 
ydr§ha. 

ich  zwar 
42.  ,Anü-lan 

alle  Zeit 
ummän-gid 

mich 

y 

du  hörst  dass         ich  weiss 
täba-m               drlga ; 

jetzt  aber    du    mich    du  hast  geschickt  dass    des  ^'olkes  wegen  dass  sie  glauben 
kddo-la  atü     y  nnyltd-m  bäli-h  yämänöna 

Unwissenheit  in       (welche)  sind       Leute  von       Ursache   aus       dieses  Sagen 

solani-h  ydnin  hiyäwi-Ii  yilöh  d-      y- 

im  ich  bin. 

k-    änaJ' 

h.7rt  "  h(\  •'  M'dV  ■  ;>>y.  :  Yhr A5'.A.;i->i>  ■•  V'cVh  ••• 

y-^^^i-r  •  nA.ü :  ^r'"w  ■  aa>.u  •  n'i  ••  'KyHli1^  ■■  ",,fi-v  ■• 


130  Reinisch. 

Also      er  hatte  gesagt  da,     grosser     Stimme  mit  er  rief 

43.  Tähdm         yar§he-h,  nähä      anclähd-h    wäy-ydr^he: 

Eieazar       komm       heraus       geh'  aus      sagte  er. 
jAl^azär,    amö      iro-l!      ewdy!'      ydr§he. 

Dieser    Verstorbene  nun    Füsse    und    Hände    er  ward  gebunden 

44.  Ammäy    rähoyti-lan       ihoh     ha    gahoh       yimruwd-h 

ihn     er  war  begraben  da  ja     sein     Gesicht  aber      eingehüllt  war  ihn 

akäh     yimginiza-kä-h,         käy        ndf-la        matamtamyä-h,     cikäh 

er  war  eingewickelt  obgleich,       er  kam  hervor.         Jesus   nun  Eile   in 

yimtiqlila-kä-h,  ydif§ye.  Yasus-lan:      ,kämh6-h 

bindet  auf       dass  er  gehe  nun       lasset! 
unhüwä,  yädävjo-lan        Jidbä!' 

Maria  und         Marta  zu     (welche)  gekommen  waren    Juden  von 

45.  Märyd-ka-      Märtä-l  ydmatan  Ayküd-ko 

viele  Jesus  er  hat  gemacht  das  sie  sahen  da,  ihn  auf 

mängdm      lyasüs  ahd-m  yiihelini-  h,  e-l 

sie  glaubten. 
yamdnin. 

ihnen  von  aber     der  Pharisäer     Ort  zu      gegangen     war    (ein  Teil) 

46.  Ten-ko-la      Farisäivyän     tdä-l    tddnya-m  täna, 

abermals     (gegen)  ihn     sie  suchten  zu  reizen       Jesus       er  hat  gemacht  was 
Idyal  käy  yasgagdyin,         lyasüs  ahd-m 

Alles     ihnen     sie  sagten. 
umhih     ak         ydn. 

rhn  ■••• 

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Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien  löl 

Priesterschaft  von    Haupt-Herren    und     die  Pharisäer   Versammlung 
41.  AmäJcos-ti  amo-häyil      ha     Farisdivijdn        agld-h 

sie  (es)     sie  Hessen  versammeln     was?      sollen  wir    tun      zu  ihr     sie  sagten 

tan  yuskohöUn:  ^dy-m       dh^noyf  ak  ydn ; 

jetzt      dieser       Mensch         Wunder       machend  ist. 
jkädo    täy      hiyäwti     ta  amirät     ahä-yän^. 

wir  lassen  wenn  aber       ein  jeglicher       ihn   auf       er  wird    glauben 

48.  jHahnä-do-la,  wnman-tiyi        e-l  yämina ; 
Rom  von      Volk  aber      es  wird  kommen      unser       Volk  und       unser     Land 
Rom-ti-     hiyäw-la           tämita,             ni       hiyäw-ka       ni       härö 
uns  von  man  wird  nehmen. 

nö-k  haysifän.^ 

Namen  mit      Kaiphas  ihn      (den)  sie  nennen      Priesterschaft  von 

49.  Migäyi-h    Qayäfä  ak  yän  mänähoy-ti 
Haupt-       Herr       (der)  geworden  war     ihnen  aus     einer      diesem      Jahre  (in) 

amö-     bäy^lä  yäka  tdn-ko       tiyi     tämmäy      igidä 

sein  Amtsjabr        gewesen  war        ihr  aber        ihr  wisset  was        nicht  gibt  es 
kä^  igida         kiyX-k  tina :      ,dtm-la         tärigini-m  mä-W. 

Nützlich  dass                es  wurde  Volk                Gesammtheit  in 

oO.  ,Fäysänä-m              yakd-h  hiyäiv                  umbi-h 

zu  Grunde  gehe  dass  als       Volkes       Statt  an  einen  einzigen        Menschen 

tidäyd-m-ko               Myäic       idä-h  enki                hiyäwto 

wir  tödten  dass           er  sterbe  dass          uns  fiu-  es  ist  besser          ihnen  zu 

nägdifa-m                räbä-m               no-li  täysa'              tdn-äk 
er   sprach. 
yd. 

(ß- :  Kfiv '  h'>ri. :  ihjah-f^ '  ',•'7  "/.<<.'/"  •  /-nr  ■  'rt1^.^f'y'^^' 


132  Reiniscl». 

Haupt-Herr       er  war  weil         diesem         Jahre  (in)  aber       sein 

51.  Äm6-häy§lä        kmi-hi         tämmäy  igidä-la  Jca 

Amtsjahr        es  war  weil        Jesus  aber       allen        Leuten  von        aus  Ursache 
iijida  tina-Mj         lyasüs-la    ummän     hiycnci-h  y'döh 

dass  er  sterbe        es  war  weil       es  kommt  welches         Urteil  von        solches 
räho  kini-hi,  tämita-m  käkälakd-h     tähdni 

er  sagend     sich  aus     nicht  er  war. 
ydr§ha-m    kd-ko         mä-kä. 

Zerstreut  (welche)  waren    Gottes    Kinder    Einheit  zur    dass  er  versammle 

52.  Füh-yan  Fugt    räylö       inki-l  yäskäJidlo 

zum  Zwecke     Volkes     wegen     allein     nicht  war  es. 
ikäha  hizbi      yilöh     idäh        mä-ki. 

Diesem  Tage  seit  Priesterschaft  von  Haupt-Herren 

58.   Tay  laldy-ko  mänäkos-ii  amö-häyil 

dass  sie  tödteten       sie  suchten. 
yägdäfönä  fäyitan. 

Wüste  von  Gegend  bei       (welche)  nahe  ist       Ephrem       Stadt       sie 
54.  Bäräkä-t-idä-l  tändäwa  Efrdm      härö      ak 

(die)  man  nennt    Stadt  nach     es  ging     für  sich     Eile  in       Jesus      der  Juden 
yän  härö-l      yddaya      käha  kämhö-h  lyasüs,     Ayhüd 

Wege  auf     Oeffentlichkeit  in      nicht  er  wandelte  umher.      Dort  nun      seinen 
fänä-l  yidosd-h  mä-gähangähinä ;      tämmä-lan      ist 

Jüngern  mit       er  war. 
däräsä-  lih        yina. 

.vfljj:  ;i-,i'.AAi>h  '  '^vjift'/: :  ^irn'^.A  =  jp-^^kv  •  4- 
lius  ••'  :l"'l^'^  •  /i.A.^/..^A.u  •  ^.v  ••! 


I 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  133 

Der  Juden     Pascha  von       Fest  nahe  war         ihr     Gewissen  das 

65.  Ayhäd       Fäsiki-h      häydl  kdbb-ya ;     sini       rdg-ha 
dass  sie  reinigten          Pascha          Feste  dem  vor         Orten  aus         viele 

yäynäsähönä         Fäsikä        häyali-li      bäsö-h     dikä-ko     mängöm 
Jerusalem's     Gegend  nach     sie  zogen  aus. 
lyarusälcni         ulä-l  ydw§yen. 

die  Juden       Jesu       dass  sie  suchten       sie  stellten  sich  zusammen 

56.  Ayküd      lyasüs        iväglyunä  eriHsan 
Gebet's  Haus  in     Unkenntniss  von    Zustand  in     sich  wechselseitig     fragend 

mäsö-ydra-l,  solani-h  ani-h  sina  kasina-lt : 

jetzt    warum    ist  er  ausser  Stande   Feste  zum   nicht  dass  er  kommt  sagten  sie. 
,kädo    dy-m  fänä  bäyal-lä-h       mä-mcitof         ydr^hin. 

Priesterschaft  von     Haupt-Herren     und     die  Pharisäer    welchem  an 

57.  Mänäkos-ti  ainö-bäyil       ka    Farisäioyän        e-        l 
er  wäre     Orte  am      denen  die  wüssten  unter      dass  sie  fingen      zum  Zwecke 

yäna       rikd-l       yäriga-tiyi-yinin-ko         yäbärönä  yilöh 

ihnen       dass  sie  anzeigten       sie  hatten  befolilen. 
tan  mikinönä  yizizan. 


1 34  R  e  i  n  i  s  c  h. 


Addenda. 


Ueberschrift.  AI§nzär  yilö-h  wörtlich:  über  Eleazar's 
Angelegenheit,  Sache,  yilö  Plur.  yUol  ^=  iSaho  yale  Plur.  ydlal 
Sache,  Ding;  s.  Vers  4,  13,  15,   19,  42,  51,  57. 

Vers  1.  Relativsätze  werden  einfach  und  am  häufigsten 
dadurch  ausgedrückt,  indem  man  dieselben  gleich  einem  Adject 
unmittelbar  ihrem  regierenden  Nomen  vorsetzt;  der  Vers  ist 
also  zu  übersetzen :  zu  Bitania,  welches  Mariens  Wohnort  war, 
existirte  ein  Mann,  den  man  mit  Namen  Eleazar  nennt  und 
welcher  erkrankt  war.  Eine  zweite  Art,  weniger  im  Gebrauch, 
das  Relativ  auszudrücken  besteht  darin,  dass  man  den  Relativ- 
satz dem  regierenden  Nomen  nachsetzt  und  dem  Verb  des 
Relativsatzes  die  Partikel  yä  welcher,  auch  fi-ya  derjenige 
welcher,  anfügt,  z.  B.  qhM  hiyaicti  läliuta-yä  oder  lähufa-ti-yä 
ein  Mann,  der  erkrankte,  härö  Plur.  härov  (fem.)  Land,  Bezirk, 
Dorf  (Saho  und  Fafer  hälo ,  Bedauie  to-hnt  Plur.  te-hura,  Bilin 
Iura),  migdy  Plur.  migoy  (masc.)  Name ;  in  mrgäy-a-h  ist  ä 
eingeschoben,  läliüta  Perf.,  Reflexivform  von  lälal  Krankheit, 
lähä-f  erkranken,  Causat.  lähü-s  krank  machen  (vgl.  Bedauie 
laJiä-h  fem.  laliä-t  krank,  cf.  Geez  Ah^^  -  }  A'VA'V  •  )•  hiyäivti 
Plur.  -f  Mensch,  Individualform  von  hiyäic  Plur.  hiyäwä  (=  G. 
/Ki^fll- :  Plur.  /h^'P'J  •*  lebend  von  gl\^(D  :  ^^.  Saho  und 
Tafer:  h§yö  Plur.  h§yäwä,  indiv.  h§yofi  Plur.  -t  Mensch),  säydl 
Bruder,  säy§lä  Schwester  Plur.  commun.  gen.  säyol  (Saho  und 
Fafer  dasselbe). 

Vers  2.  Mädärä  Plur.  mäddri-t  Herr,  Meister,  von  adara 
v.  I  mächtig  sein  (cf.  -nx) ;  miyüra  Plur.  nnyi'irit  masc.  Salbe 
(cf.  tl-g-«).  tuskufa  Perf.  von  snkafa  v.  I  (G.  Ä'/Ki^s)  bestreichen, 
Imperat.  iisknt,  Perf.  lisknfn,  Iinperf.  uskütä,  Subj. .  äsÄö/o/ 
Causativ,  Imperat.  iiy.wkiif,  Perf.  uysükvfa,  Imperf.  äysukiltä, 
Subj.  aysäkäto ;  Passiv,  Imperat.  innsidcnf,  Perf.  umsükuta, 
Imperf.  ämsukutä,  Subj.  amsdkdto  •  Reflexiv,  Subjunct.  äfasäkäto, 
Imperat.  ufusvkni,  Imperf.  äfiisnküiä,  Perf.  vfusukiita  sich  be- 
streichen; Causativ-Reflcx.,  Subj.  äsfamkäfo,  Imperat.  uahisuküt 
u.  s.  w.  sich  bestreiciien  lassen.  Ueber  die  Relativform  Märyä 
ti'iskufa  iiyä  =  tdsknfa  Märyä  Maria,  welche  bestrichen  hatte, 
8.   Vers   1. 


Die  Sprache  der  Irot-Saho  in  Abessinien.  135 

ihä  Plur.  ihoh  fem.  Fuss  (Saho  und  Fafer  dasselbe),  rarj 
Plur.  rdgiig  Person,  selbst,  atii  rag  kito  bist  du  es  selbst? 
dägärä-h  mit  dem  Haare,  Collectivform  im  Singular,  von  dägär 
Plur.  dögur  masc.  (Saho  und  Fafer  tägCir  Plur.  tögtir,  indiv. 
tägär-to  Plur.  -^?Y,  G.  äT^C  *  ) ;  über  ä  vor  /*  s.  Vers  1. 

tidriza  Perf.  von  daraza  v.  I  trocknen,  Imperf.  ä-dHsä, 
Perf.  i-driza,  Subj.  ä-dräso,  Imperat.  i-driz;  Causativ,  Imperf. 
ä-s-dirisäi  Perf.  i-s-dirisa.  Imperat.  is§dris,  Subj.  ä-s-däräso 
trocknen  lassen ;  Reflexiv,  Imperf.  ä-tl-dinsä,  Perf.  i-ti-dirisa, 
Imperat.  i-ti-diris,  Subj.  ä-ta-daräso  sich  trocknen;  Reflexiv- 
Causat.,  Imperf.  ä-s-ti-dirisä  u.  s.  w.  sich  trocknen  lassen; 
Passiv,  Imperf.  ä-m-dirisä,  Perf.  i-vi-dinsa  u.  s.  w.  getrocknet 
werden. 

Vers  3.  rägä  Kunde  von  raget  v.  I  kennen,  wissen, 
s.  Vers  22.  kiJnntä  du  liebst,  von  kiliin  v.  II  lieben  (im  Saho, 
Fafer  und  Bedauie  kaliana  v.  II  daher:  Imperf.  ä-khdnä,  Perf. 
i-khana,  Subj.  ä-khäno ,  Imperf.  i-klidn ;  Causativ,  Imperf. 
ä-s-kahdnä,  Perf.  i-s-kdhana). 

lähütä  yäna  duratives  Imperf.,  läliütä  äna  ich  bin  krank, 
lahüttä  täna  du  bist  krank,  Perf.  lähuta  ina  ich  bin  krank 
gewesen,  lähxUta  tina  du  u.  s.  w.    s.  Vers  1. 

fariman  Imperf.  von  farim  v.  II  (im  Saho  und  Fafer 
meist  far   neben    seltenerem  farim,  vgl.  G.  ({.^(D :    schicken). 

Vers  4.  yoha  er  hörte,  Perf.  von  aha  v.  I  (Saho  und 
Fafer  ahn)  hören;  Imperf.  ohd,  Perf.  oha,  Subj.  äho,  Imperf. 
oha,  Plur.  ohä,  Nom.  mähö  Gehör,  bisweilen  mit  hh  gesprochen,, 
als:  ohhd,  öhha  u.  s.  w.,  Causativ,  Imperf.  o-s-öhä^  t-o-s-ohä, 
yo-s-ohn  u.  s.  w.,  Perf.  ö-s-oha,  Subj.  ä-s-äho  hören  lassen. 
Reflexiv,  Imperf.  o-t-öhä,  to-t-öhä  u.  s.  w.  aufmerken.  Causativ- 
Reflex.,  Imperf.  o-s-t-öhä  u.  s.  w.  aufmerksam  machen.  Passiv, 
Imperf.   o-vi-öhä  u.  s.  w.  gehört  werden. 

dälkä  Plur.  ddlnk  fem.  Schwäche,  /%«  (Saho  und  Fafer 
fiig<i^  Galla  tvdqa)  Gott,  härä,  Sohn,  Knabe,  Plur.  räylö,  tum. 
härd  Plui'.  säyiö  Tochter,  Mädchen. 

möad  Plur.  mdm-f;  Lob,  Herrlichkeit,  Ruhm,  dalier  deuom. 
Causat.  mösä-y.^  preisen  [v.  11),  Imporf.  1)  wom-ys-ä,  2)  mosä- 
ys-säj  ij)  mnsä-ys-ä;  Plur.  \)  mosä-ys-nä,  2)  mosä-ys-sän,  3)  mosä- 
ys-än;  Perf.  1)  mosd-ysa,  2)  mosd-ys-sa  u.  s.  w.;  Causativ-Pass., 
Imperf.  1)  luosä-ys-im-ä,   2)  mosä-ys-im  fä  u.  s.  w.;    Perf.  1  mosä- 


136  Reinisch. 

ys-ini-a;  Subj.  1.  mosä-ys-im-o,  2)  mosä-ys-im-to,  3)  mosä-ys-im-o ; 
Plur.  1)  -im-no,  2)  -im-ton,  3)  -im-on;    Causativ-Reflex.,  Imperf. 

1)  mosä-ys-i-tä,    2)  -i-t-tä,    3)    -/-/«;    Plur.    1)    -in-nä    für    //-?iä, 

2)  -if-tä)i,  3)  -if-än;  Perf.  1)  momyis-i-t-o,  2)  -i-t-ta  u.  s.  w. ; 
Subj.  1)  mosäyis-i-t-o  u.  s.  w.  mit  der  Bedeutung:  seinen 
persönlichen  Dank  ausspi'echen ;  s.  Vers  41. 

yar^ha,  er  sagte,  Perf.  von  raha  v.  I  sagen;  Imperf. 
ä-pßia,  Perf.  a-r§ha,  Subj.  ä-räJio,  Imperf.  araA,  Nom.  mär^Jiö, 
Plur.  mär^hoh  Rede  (Salio  und  Fafer  ^aAa  sagen,  cf.  L.gJ,  A(/P  0- 

Vers  5.  kiliini  yina  er  war  liebend,  duratives  Perfeet 
(=  Salio  Icahini  yina  oder  haliini-k  yina  er  war  im  Lieben), 
s.  Vers  3. 

Vers  6.  yoha-gul  als  er  hörte  =  Saho  yoha-ged  (Gr.  T,tt: 
Zeit),  Fafer  yoha-ioak  (cf.  o^"^),  s.  Vers  20,  26,  29,  31,  32,  33. 

e-l  yina  bärö-l  an  dem  Orte  (här6-l),  an  welchem  ("e-ZJ  er 
war;  e  nur  vor  Postpositionen  so,  sonst  ay  dieser. 

laldy  Plur.  -icä  masc.  Tag  (Saho  und  Fafer  dasselbe, 
cf.  ^^,  z*-^-^?  Arhf  Oi  nach  Numeralausdrücken  steht  das 
folgende  Nennwort  stets  im  Singular. 

difiya  er  blieb,  Perf.  von  difiy  v.  II  (Saho  und  Fafer 
däfäy)  bleiben. 

Vers  7.    layal  wiederum,  abermals  (Saho  und  Fafer  lel). 

nädäwoy  Cohortativ,  von  daya  v.  I  gehen.  Der  Cohortativ 
ist  nur  eine  emphatische  Form  des  Subjunctivs  und  unter- 
scheidet sich  von  diesem  durch  angefügtes  -y.    Subj.  1)  ädäwo, 

2)  tädä/wo,  3)  yädäwo;  Plur.  1)  nndäivo,  2)  tädönä,  3)  yädönä; 
Perf.  1)  d-daya,  2)  td-daya,  3)  yddaya;  Plur.  1)  nddaya,  2)  tddrin, 

3)  yddin ;  Imperf.  1)  d-daya  u.  s.  w.  auch  a-diya  u.  s.  w. 

Vers  8.  sähäyonä  Subj.  von  sahay  v.  II  steinigen,  eigentlich 
nur  gebraucht  für:  bekriegen  (G.  Ä'fl?i-'\  Imperf.  1)  sähäy-ä, 
2)  fiähäy§-tä,  3)  sähäy-ä;  Plur.  1)  sfd)d<j^-nä,  2)  -)!ä>i,  3)  sahdg-än; 
Perf.  1)  sdhay-a  u.  s.  w.;  Subj.  1)  sähdy-o,  2)  -/o  u.  s.  w.; 
Caus.  sahay -is,  Pass.  -m  mit  obigen  Flexionsendungen. 

gnräym-nn-yänini-ho  (Saho  gvritni  mi-yänini-ho)  sind  sie 
nicht  suchend?  Duratives  Imperf.,  negativ  (mä  vor  folgendem 
y  =  mi  nicht),  fragend  (ho),  von  gtiräyn,  Saho  gnrun,  goron 
v.  II  suchen. 

adiyi-k  täna  duratives  Imperfectum  von  daya  gehen, 
s.  Vers  7. 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Äbessinien.  1 37 

Vers  9.  db^U-yäna  er  ist  im  Sehen,  sieht,  duratives 
Imperf.  von  hala  v.  I  sehen;  Imperf.  1)  ä-h§la,  2)  tä-JjQla  u.  s.  w.; 
Perf.  1)  u-h^la,  2)  tü-h§la,  3)  yii-h§la;  Phir.  1)  nü-h§la, 
2)  fi(-h§lin  3)  yil-ht^lin;  Subj.  1)  ä-hälo,  2)  tä-hälo  u.  s.  w. ; 
Imperf.  i/?>?<7,  Flur,  -ä,  Nora.  mäb§Iö. 

mä-'ndäßtä  er  stosst  sich  nicht  an,  negatives  Imperf.  des 
Reflexivs  von  andäf  v.  II  anstossen  (Gr.  V^<i. : ,  otV.J) ; 
s.  Vers  10. 

Vers  11,  ri'na,  Perf.  von  i^^n  v.  II  schlafen  (Saho  und 
Fafer  din). 

io§guso  (lies:  uguso  s.  Vers  12,  23,  24,  29,  31,  41),  dass 
ich  aufwecke,  Caus.  von  ngu  nur  im  Reflex,  iigu-t  aufstehen, 
und  Caus.  ngu-s  aufstehen  lassen,  gebraucht. 

Vers  13.  ydkalan  sie  meinten,  Perf.  von  kala  v.  I, 
Imperf.  ä-kala,  Perf.  d-knla,   Subj.   ä-kälo,  Imperf.  a-kdl. 

Vers  14.  yddosa  Perf.  der  Causativform,  von  yado  Adj. 
klar,  rein,  weiss  (cf.  ^^ID  r ),  daher  yado-s  klar  machen, 
deutlich  mache. 

räh-a  er  ist  g-estorben  von  räh  v.  II,  Imperf,  räh-ä,  Subj. 
räb-o^  Imperf.  räh! 

Vers  15.  tämänönä  dass  ihr  glaubt,  Subj.  von  amann  v.  I 
flectirt,  als  wäre  der  Stamm  mana,  als:  Imperf.  ämina,  tämina 
u.  s.  w.,  Perf.  dmana^  fdmana  u.  s.  w.,  Subj.  ämdno,  tämäno  u.  s.  w., 
Imperf  amoi,  Plur.  -f7,  Nom.  imän  Glaube;  s.  Vers  25,  26, 
27,  42,  45,  48. 

ofizihü-k  äna  ich  bin  in  Freude,  freue  mich,  duratives 
Imperf.  von  fazaha  v.  I  (G.  d,/^th')- 

Vers   17.    guf-a  Perf.  von  gi/f  v.  II  erlangen,   erreichen. 

yumuyiiga  Perf.,  Pass.  yaga  v.  I  begraben,  Perf.  iiyuga, 
ttiyuga  u.  s.  w.,  auch  dyoga,  töyoga  u.  s.  w.,  Imperf.  öyitga, 
täynga  u.  s.  w.,  Subj.  äydgo,  tägägo,  Imperf.  ngüg,  Nom.  mäyagä, 
Plui-.  mäyägog  Grab.  Causativ,  Subj.  äsäyägo,  Imperf.  usuyug, 
Pass.  ämayägo,  Imperf.  umnyug. 

häka-ti-yä  welcher  vollendet,  zurückgelegt  war,  vom  voran- 
gehenden lalay  Tag  abhängig;  bdka  Perf.  von  bok  v.  II  (Saho 
und  Fafer  dasselbe)  zu  Ende  sein.  Da  wegen  afärä  vier,  das 
Nomen  lalny  im  Singular  steht  (s.  Vers  6),  so  erscheint  auch 
das  Zeitwort  in  der  Einzahl ;  zur  Relativform  auf  tiyä  s.  Vers  1. 
Die    vollständige   Uebersetzung    des   Verses  ist:    als    er    diesen 

Sitzungsber.  d.  phil.-liist.  Cl.  XC.   Bd.  I.  Hft.  .       10 


138  Keinisch. 

Ort  erreiclit  hatte,  so  fand  er  ihn  (den  Eleazar),  dass  schon 
vier  Tage  waren,  welche  vergangen  waren,  seit  u.  s.  w. 

gaya  Perf.  von  gay  v.  II  finden,  treffen. 

Vers  19.  way§sisönä  Subj.  in  der  Causativform  von  woy§s 
V.  II  beruhigt  sein;  s.  Vers  31. 

Vers  20.  ydmata  er  kam,  unregelmässiges  Verbum  von 
nn  kommen,  Imperat.  amö,  Plur.  amöwä,  Subj.  ämdto,  tämäto 
u.  s.  w.,  Imperf  ämita,  tämita  u.  s.  w.,  Perf.  dmnta,  fdmata 
u.  s.  w.,  Nom.  mtnnüt  Ankunft;  s.  Vers  27,  28,  33,  35,  43, 
45,  48,  56 

tmc§ye  sie  ging  aus,  Perf.  von  waya  v.  I  ausgehen,  hinaus- 
gehen. Imperf.  eiody,  Subj.  ätväyo,  Imperf.  äw^ye,  Perf.  aioeye 
(diese  beiden  Formen  unregelmässig  für:  äw§ya,  atv§ya,  im 
Saho  sonst:  Imperf.  äw§ya,  Perf.  mctiya),  s.  Vers  31,  43,  44,  55. 

gäräyta  Perf.  3.  Pers.  fem.  von  gäräy  v.  II  begegnen, 
treffen  (G.   «|»^f : ,   Ivi'  IV,  K^p). 

Vers  21.  mä-rärina  er  würde  nicht  ein  stets,  ewig 
schlafender  sein,  negatives  Participial  in  der  Verstärkungsform 
von  nw  (s.  Vers  11)  schlafen-,  ebenso  Vers  32. 

Vers  22.  räyimta  Perf.  von  räyim  v.  II  bitten,  Imperf. 
räyim-ä,  Perf.  räyim-a,  räyim-ta  u.  s.  w.  (Saho  und  Fafer  däyim). 

yähaya  er  wird  geben ,  Imperf.  von  haya  v.  I  geben 
(Saho  und  Tafer  dasselbe,  Tigre  yiD:,  G.  tDÜ(D : ,  v^^)' 
Perf.  öhoya,  Imperf.  ähaya,  Imperf.  oho,  Plur.  ohöyä  und  ohöwä, 
Subj.  ähäwo. 

angn  ich  habe  erfahren,  ich  weiss,  Perf.  von  raga  v.  I 
(Saho  und  Fafer  daga,  cf.  mf*!*'?  pn),  Imperf.  ä-riga,  Subj. 
ä-rägo ,  Imperf.  hAg,  Nom.  murüg  Kenntniss,  Wissenschaft, 
raga  Kundschaft,  Nachricht;  s.  Vers  3,  24,  49,  57. 

Vers  24.  rähöytit  uguttä-gul  wann  die  Verstorbenen  auf- 
erstehen werden^  ugutfä  (für  ngutän)  3.  Pers.  fem.  Imperf.  von 
ugtit  (s.  Vers  11);  wenn  das  Subject  im  Plural  steht,  kann  das 
Verb  im  Singular,  aber  dann  nur  in  der  tertia  feminini,  damit 
verbunden  werden,  z.  B.  nmhi  hiyäiotit  räb-än  oder  räb-tä  alle 
Menschen  werden  sterben. 

Vers  25.   urä  Imperf  von  ur  v.  II  genesen. 

Vers  28.  ddy§ta  sie  rief,  Perf.  von  day  v.  I  (cf.  Lßi>), 
Imperf.  day-ä,  day§-tä  u.  s.  w.,  Nom.  dayö  Ruf,  Causat.  ddy-is^ 
Pass.  ddy-im. 


Die  Sprache  der  Irob-Saho  in  Abessinien.  139 

ku  dayayla  yäna  er  ist  verlangend  nach  dir,  im  Saho  und 
Fafer  sagt  man  ku  fäla  oder  fäla-k  yäna  von  fäl  v.  II  wünschen^ 
wollen. 

Vers  30.  e-l  bezieht  sich  auf  sifrä-l,  denn  Jesus  war 
noch  an  dem  Orte  an  welchem  [e-l)  Älarta  (ihn)  traf;   s.  Vers  6. 

ganä  aus  dem  Amharischen  entlehnt,  im  übrigen  Saho 
nicht  gebraucht. 

säy-näha-h  yäna  =  Saho  säy-näha  oder  -näha-k  yäna  er 
war  nicht  im  Eintreten,  duratives  Imperf.  in  negativer  Form 
bei  Nebensätzen :  indem  er  seinen  Eintritt  noch  nicht  aus- 
führte; vgl.  Saho  qädi  h^yö  e-l  säy-näha  mäl§hanä  bälä  U  yina 
der  Kadi  besass  sieben  Töchter,  zu  den  keine  Männer  Zutritt 
hatten,  —  ?/'  dhbä  agzi-hähä  bälö-l  adti  geh'  in  ein  Land, 
welches  mein  Vater  nicht  beherrscht!  Mohammad  angadafi-näha 
mähälo-ko  yamatd-ged  kä  inä  hddanta  als  M.  ohne  getödtet 
worden  zu  sein  aus  dem  Kriege  kam,  freute  sich  seine  Mutter. 
ist  kähäntöle  amaligi-näha  kä  suquqüwita  sie  begleitete  ihren 
Geliebten  ohne  dass  er  erkannt  wurde.  Synon.  mit  näh  v.  II 
sich  enthalten,  nicht  thun  (cf  ^-gj  VIII)  ist  das  Verb  icäy 
V.  II;  s.  V.  37.  säy  v.  II  eintreten,  im  Saho  also  flectirt: 
Imperf.  sä,  Plur.  sdwä!  Subj.  1)  säico^  2)  säy-to,  3)  säico ; 
Plur.  1)  säyno,  2)  säyton,  3)  säivon;  Perf.  1)  säy  (Irob  säy-a), 
2)  säyfa,  3)  säy;  Plur.  l)  säy-na,  2)  säy-tan,  3)  sä-n  (Irob 
säy-an).  Nom.  säwö,  Plur.  säwoio  Eintritt,  Caus.  säy-is  ein- 
führen. Pass.  säy-im  Eintritt  haben,  Erlaubniss  erlangen 
zum  Eintritt,  Caus. -Pass.  säy-s-im  eingeführt  werden,  Reflex. 
säy-it  eintreten  in  eigenem  Interesse,  Caus.-Refl.  säy-s-it  ein- 
treten lassen  im  eigenen  Vortheil. 

Vers  31.  ta-d  yandaharin  sie  folgten  ihr  nach,  Perf.-Pass. 
als  Reflexiv  gebraucht,  von  dabara  v.  I  (cf.  •/•A'D : )  folgen, 
Imperf.  ä-dbara,  Perf,  a-dbara,  Subj.  ä-dbäro,  Imperf.  a-dbdr, 
Causat.,  Imperf.  ä-s-dabara  u.  s.  w,  folgen  lassen,  Pass,,  Imperf. 
ä-n-dabara  einer  nach  dem  andern  Jemand  folgen,  Reflex., 
Imperf,  ä-ta-dabara  im  eigenen  Interesse  folgen,  Causativ-Refl., 
Imperf  ä-s-ta-dabara  im  eigenen  Interesse  folgen  lassen. 

wdy§to  dass  sie  beweine,  Subj.  von  ivay  v.  II  (G,  a)(D'Oi) 
weinen,  beweinen,  Nom.  ivay  das  Weinen,  daher  auch  way 
yar§ha  er  weinte  =^  er  sagte,  machte  das  Weinen  (s,  Vers  33). 
Das  Verb  raha  sowie  das  Verb  a  sagen,    werden  ganz  so  wie 

10* 


140  Reinisch. 

dfhti  •■  'ro  Tigre  gebraucht,  z.  B.  sik  ardJi  schweig !  kabb  ardk 
oder  kabb  e  tritt  näher!  tob  ar§ha  ich  sagte  tob  =  ich  fiel, 
wofür  auch  fob-a  dasselbe;  hieraus  erklärt  sich  wohl  die  Classe 
der  Verba  II  =  Verbalnomen   -\-   a  sagen. 

Vers  32.  tisgida  Perf.  von  sdgada  v.  I  (G.  rtlÄ'?  t-M^) 
sich  vor  Jemand  niederwerfen,  Imperf.  isgid!  Subj.  ci-sgädo, 
Imperf.  ä-sgida,  Perf.  i-sgida\  Caus.,  Imperf.  y-sigid^  Subj. 
n-y-sägädo,  tä-y-sägädo  u.  s.  w.,  Imperf.  ä-y-sigida^  Perf.  a-y-sigida 
Jemand  zum  beten  veranlassen.  Pass.,  Imperf.  in-sigid!  u.  s.  w. 
angebetet  werden. 

Vers  33.  wdya-k  ta  yub§ld-gid  als  er  sie  weinen  sah. 
Die  Verba  II  mit  schliessendem  /  bilden  das  Perf.  unregel- 
mässig auf  -e,  wäy-e  ich,  er  weinte  (s.  Vers  34),  statt  lody-a, 
allein  vor  dem  Objectivzeichen  k  erscheint  stets  ä  für  e.  Vor 
k  kann  das  Verb  regelmässig  flectirt  werden,  z.  B.  wäy-a-k  äna 
ich  bin  weinend,  way^-ta-k  täne  du  u.  s.  w.,  in  der  Regel  aber 
bleibt  die  erste  Person  des  bestimmten  Verbs  für  alle  Personen 
unverändert,  als:  wdg-a-k  täne  du  bist  weinend  u.  s.  w,  daher: 
Ayhüd-lan  icdya-k  tan  ytib§ld-gul  auch  die  Juden,  als  er  die- 
selben weinend  sah. 

ist  rdg^-li-lan  rägänräga  er  wurde  in  eigener  Person  be- 
wegt (s.  Vers  2).  Die  Form  rägänräga  (Perf.)  von  rägänräg 
V.  II  berührt  werden,  kommt  im  übrigen  Saho  nicht  vor,  dafür 
däg  V.  II  (cf.  G.  /n4»  ■ )  anrühren,  Passiv  dag-im  angerührt 
werden,  auch  redupt.  dägdäg  betasten  allseitig. 

Vers  34.  toyögin  habt  ihr  begraben,  für  toyogini-ho;  die 
Fragepartikel  ist  aber  hier  überflüssig,  weil  die  Frage  bereits 
in  «  welcher?  ausgedrückt  ist.  Zum  Verb  yaga  (Saho  yaga, 
Fafer  yaga)  s.  Vers  17, 

Vers  37.  inti  mä-lo-li  inii  fäka  täytiyi  derjenige  welcher 
(täytiyi)  geöffnet  hat  (fäka)  das  Auge  des  den  Nichtbesitz 
(mä-lo)  eines  Auges  habenden  (H).  fäk-a  Perf.  von  fäk  v.  II  (Saho 
und  Tafer  fäk,  Tigre  ^\\  : ,    cf.  G.   fl'f'h  *  >  ^dXi,    ;3Äi)  öffnen. 

aho  riya-k  mänä'a  ist  er  nicht  im  Stande,  dass  er  mache? 
das  fragende  -a  im  übrigen  Saho  wenig  gebräuchlich,  dafür 
häufiger  -ho.  liya-k  äna  ich  bin  im  Stande,  von  riy  v.  II  (Saho 
und  Fafer  dly)  hat  das  abhängige  Verb  im  Subj.  bei  sijsh, 
ädäwo  diy-ä  ich  bin  im  Stande  zu  gehen,  tädäwo  diy-tä  sie  ist 
im  Stande  zu  gehen,  sono  kin  säyö  yä-äyönä  mä-\iy-än  schwangere 


Die  Sprache  fier  Irob-Saho  in  Abessinien.  141 

Frauen  können  nicht  arbeiten.  Das  Wort  diy,  rig  hängt  sicher 
mit  rag  (Saho  (Jag,  vgl.  y-i)  wissen,  zusammen,  s.  Vers  23,  denn 
man  sagt  im  Saho  auch  anü  äktäbo  diya-k  äna  ich  kann, 
verstehe  zu  schreiben,  bin  des  Schreibens  kundig, 

räba-wä-kä  dass  er  nicht  starb.  Das  Verb  iväy  v.  II  ohne 
sein,  nicht  haben,  wird  im  übrigen  Saho  flectirt:  Imperf.  wäy-ä, 
wäy-tä  u.  s.  w.,  Perf.  icäy  und  wäy-a,  iväy-ta  u.  s.  w.,  Subj. 
wdwo,  wäy-to,  ivmo-o,  iväy-no,  loäy-ton,  loäw-on  und  wö-n.  mal 
way-ä  und  med  wä  ich  habe  kein  Geld,  intit  wä  und  ivay-ä 
(ich  habe  keine  Augen)  ich  bin  blind  u.  s.  w.,  vgl.  auch  das 
Verb  näh  zu  Vers  30. 

Zu  -kä  vgl.  Saho:  ammci  mal  akä  yäio§yd-kä  anü  äliga  = 
Täter  ammä  duye  akä  täw^ya-kä  anü  äliga  ich  weiss  auf  welche 
Art  ich  dieses  Geld  da  herausbringe,  ich  weiss  auf  welche  Art 
dieses  Geld  herausgehe  (aus  dem  Geizhals), 

riya-k  äna  ich  bin  wissend,  verstehe  eS;,  von  riy  v.  II 
(cf.  yn)  kennen,  wissen. 

Vers  38.  ytikiza  neben  yi-tikiza  Perf.  von  takaza,  G.  -f-hH  ' 

alfima-h  (S.  alfima-k  yina)  duratives  Perf.  passivi  von  alf 
V.  II  schliessen. 

Vers  39.  esgayedä  causativer  Imperativ  von  gayada 
(G.  *70H  '• )  weggehen,  wandern. 

Vers  42.  ririyita  du  hast  gesandt,  von   Hriy  v.  II  senden. 

Solan  sie  haben  nicht  erfahren,  solani-h  yänin  und  solani-k 
yänin  sie  sind  im  Zustand  des  nicht  erfahren  habens,  von  sol 
V.  II  nicht  erkennen. 

Vers  44.  yimruwa  (S.  yumruwa)  Perf.,  Pass.  von  ruwa 
V.  I  binden,  ebenso  ylniginiza  (=  S.  yi-mginiza)  von  ganaza 
v.  I  begraben ;  ylmtiqlila  von  tuqlala  v.  I  einwickeln,  matamtamy 
(Amh.  (V\9°a\9^  '•)  wird  als  Particip  häutig  so  gebraucht; 
z.  B.  täy  numä  umhi  matamtamy ä  (und  matamtamy ä-k)  täna 
diese  Frau  ist  ganz  verhüllt.  Das  einfache  Verb  fand  ich  jedoch 
nie  im  Gebrauch. 

unhuioä  Imperat.  von  nahawa  v.  I.  (G.  ^"^iD : )  auflösen, 
-binden. 

Das  Verb  hab  v.  II  lassen  dient  häufig  als  Ersatz  für  das 
Causat ,  das  bestimmte  Verb  steht  dann  im  Subj.;  z.  B.  käy 
betüä  und  üssiik  heto  käy  häbä  ich  werde  ihn  essen  lassen, 
werde  ihm  zu  essen  geben. 


142  Bei  Bis  eh.  Die  Sprache  der  Iroh-Saho  in  Abessinien. 

Vers  46.  yasgagayin  causative  Verstärkungsform,  von 
(jaya  v.  II  (ung-ebräuchlich),  davon  gayä  Streit,  Zwist  und 
passiv  n-gaya  sich  streiten,  nängäyo  ämmatimno  wir  kamen 
nicht  um  uns  zu  bekriegen ;  daher  mängäy-a  Plur.  -it  der  Feind 

(vgl-  ^1^,  HD,  ^rhfl'O- 

Vers  47.  yuskoholin  Perf.,  Caus.  von  kahala  zusammen- 
kommen, sich  versammeln  (im  Saho  dafür  kata,   Caus.  s-kata). 

Vers  48.  tämita  und  haysittä  für  yämitan,  haysitän;  zu 
tämita  s.  Vers  20.  hay-s~it  an  sich  reissen,  von  hay  nehmen, 
woher  he-t  zu  sich  nehmen. 

Vers  50.  täläya  von  läya  v.  I  zu  Grunde  gehen;  in 
Verlust  gerathen ,  auch  fortlaufen ,  y  numä  bar  yo-k  tiUuwa 
meine  Frau  entlief  mir  in  der  Nacht. 

täysa  es  ist  besser,  von  ysa  v.   I  (G.  »Tif  rt  ' )  besser  sein. 


Keller.  Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden. 


143 


Kritische  Beiträge 
zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden. 


Vou 

Otto  Keller. 


Verzeichniss  der  in  dieser  Abhandlung  durch  Buchstaben  bezeichneten 
Handschriften  des  Horaz  und  der  Horazscholiasten. 


A'  = 


B'  = 
B  = 
C  = 
D'  = 

D    = 

F  = 
L  = 
R    = 

a     = 

a     = 

ß     = 

T  = 
5'    = 

0      = 


Parisinus  A  +  Ambrosianus 
a  (übereinstimmende  Les- 
arten dieser  zwei  aus  Einem 
Originale  geflossenen  Hand- 
schriften, resp.  also  des  ge- 
meinsamen Originals  dieser 
beiden  Handschriften). 

Parisinus  7900  *,  einst  Putea- 
neus. 

Bernensis  B  -)-  Monacensis  C. 

Bernensis  363. 

Monacensis  14685. 

Argentoratensis  D  -j-  Turi- 
censis  t. 

Argentoratensis  C  VII  7.  ver- 
brannt. 

Parisini  9  -|-  i]*. 

Lipsiensis  I  4,  38. 

Romanus,  aus  Weissenburg  im 
Elsass. 

Barcinonensis  a  -\-  Bamber- 
gensis  b. 

Barcinonensis,  jetzt  in  Halle. 

Bernensis    21. 

Parisinus  7975. 

Graevianus   8  -j-  Vossianus    z. 

Graevianus,  jetzt  Harleianus 
2725. 


£      ^=  Einsiedlensis   361. 

ö     =  Sangallensismonasteriensis864. 

y   ^  Parisinus  X  -\-  Leidensis  1. 

)v     -^  Parisinus  7972. 

[0.     =  Moutepessulanus. 

V     =  Nienburgensis,     jetzt     Dessa- 

viensis  A. 
7:'    z^  Parisinus  r.  -\-  Lipsiensis  L. 
T.     =  Parisinus  10310. 
p     ^  Parisinus  8072. 
o     ^  Sangallensis  oppidanus    312. 
T     =  die     Partie    Blätter    des    Turi- 
censis    Carolinus    6,    welche 
aus  D'  geflossen  ist.  Andere 
Blätterpartien  sind  mit  ,Turic.' 
bezeichnet. 

Parisinus  7974. 

Parisinus  7971. 

Ambrosianus  O   136. 

Bambergensis. 

Harleianus  2688. 

Franekeranus. 

Gothanus  B  61. 

Parisinus  7976. 

Leidensis   Lat.  bibl.   publ.    28. 

Monacensis  375. 

Parisinus    Nostrad.imensis   lh4. 

Parisinus  8214. 


9  = 

a  ^ 

b  =: 

d  = 

f  =r 

g  = 

h  = 

1  = 

m  ^= 

n  rr: 

P  = 


144 


Keller. 


q     =  Parisinus  8216, 

r     ^  Parisinus  9345. 

8      =  Parisinus    Sorbonensis  1578. 

t     =  Parisinus  8219. 

a'  =  Parisini  u  et  v. 

u     :^  Parisinus  7973. 

V     =  Parisinus  8213. 

z     ;=^  Vossianus. 

Ac'  rrr  übereinstimmendes  Lemma  der 
Pseudoacronhandschritt  A  und  einer 
anderen  guten  Pseudoacronhand- 
schrift,  gewöhnlich  der  Hand- 
schrift V. 

Ac.  ^t:  Lemma  der  Pseudoacronhand- 
schrift  A,  wofern  es  von  dem  gegen- 
überstehenden Horaztexte  A  uu- 
beeinflusst  erscheint,  also  wenn  es 
diesem  widerspricht. 

Acr.'  -^z^  übereinstimmende  Lesarten 
der  Interpretation  der  Pseudo- 
acronhandschrift  A  und  einer 
anderen  guten  Pseudoacronhand- 
schrift,  besonders  y  oder  v. 

Acr.  ^  Interpretation  der  Pseudo- 
acronhandschrift  A. 


Pph.'  ^  übereinstimmende  Lemmata 
der  Münchner  und  Wolfenbütteler 
Handschriften    des  Porphyrion. 

Pph.  =  Lemma  von  Monacensis  Lat. 
181. 

Pf.  =  Lemma  von  Gudianus  Lat.  85, 
in  Wolfenbüttel. 

Porph.  rr^  übereinstimmende  Inter- 
pretation vom  Monacensis  und  Wol- 
fen buttelanus  Porphyrions. 

Porph.  r=  Interpretation  des  Mona- 
censis. 

Porf.  =  Interpretation  des  Wolfen- 
buttelanus. 

schul,  r  =:  die  nicht  aus  der  älteren, 
kürzeren  Redaction  Pseudoacrons 
(Acr. 's)  stammenden.  Marginal- 
schülien  in  cod.  y  und  in  einer 
beliebigen  anderen  Handschrift, 
welche  congruente  Schollen  bietet, 
z.  B.  b. 

gloss.  r  =:.  Interlinearglossen  von 
cod.  Y  und  einer  beliebigen  anderen 
Handschrift,  welche  congruente 
Glossen  bietet. 


Ueber  die  anderen  handschriftlichen  Quellen,  welche  mit  Namen 
bezeichnet  sind,  wie  Bruxellensis,  Reginensis,  Taurinensis,  Zulichemianus 
s.  Praefatio  zu  vol.  II  der  kritischen  Horazausgabe  von   1869/70. 

Was  die  Classeneintheilung  der  Handschriften  betrifft,  so  verweise 
ich  auf  den  Artikel  im  Rh,  Mus.  1878,  S.  122  ff.:  ,Ueber  die  Hand- 
schriftenclasseu  in  den  Carmina  und  Epoden  des  Horaz.' 


IV  1. 

9.   Tempesfivms  in  domum 

Patili,  purpnreis  ales  olorihns, 
11.  Coniissahere  Maximi, 

Si  torrere  iecnr  qtiaeris  idoneum. 

10.    Purpureis  —  porphyreis.]    Zu    dieser    Stelle    bemerkt 
Cruquius:    l'tirpnreis  ales.   Hie  locus  diu  imdtumque  mihi  molestus 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischsn  Oden.  145 

fuit.  Primiim  lecfionem  haue  servandam  ornnino  iton  dubitavi,  et 
commentatorem  nostrum  satis  apposite  interpretari,  pmesertim 
Omnibus  antiquis   codicihus   manu  scriptis  in   hoc   consentientibus 

Quid    multisß    Hoc    assecafus    sum,    Plinium    in    nafurali 

historia  scribere,  Cytheram  olim  Porphyrim  nominatam:  protinus 
in  Mela  eandem  sententiam  cum  invenirem,  reversus  ad  Bland. 
Codices,  quod  antea  non  observaram,  vidi  in  tw  purptir.  apertas 
macidas  xo\)  jporphy.  quare  sine  idlo  scrupido  xb  porphyreis  ut  gentd- 
nam  et  Horatianam  dictionem  in  sua  sede  stafuendam  putavi, 
allusione  ad  insidam  Porphyrim  Veneri  sacram.  Keine  einzige 
bis  jetzt  bekannt  gewordene  Handschrift  hat  die  Lesart  por- 
phyreis bestätigt,  und  warum  sollte  denn  nicht  Venus  so  gut 
mit  purpurnen  Schwänen  fahren  dürfen  als  Neptun  mit  blauen 
Rossen?  Horaz  imitiert  hier  offenbar  die  Sappho,  wo  die  Sper- 
linge purpurn  sind,  und  zwar  gerade  die  am  Wagen  der  Venus. 
Uebrigens  hatte  schon  Lambinus  an  der  Ueberlieferung  ge- 
rüttelt und  marmoreis  vorgeschlagen  (ziemlich  unglücklich,  da 
V.  20  mai-moream  wiederkehrt):  daher  die  Emendationslust 
des  Cruquius,  für  welche  er  wie  Muret,  Marcilius,  Valart,  Barth 
und  andere  Gelehrte  jener  Zeiten  gelegentlich  auch  einmal 
einen  handschriftlichen  Beleg  tingierte.  Eine  Parallele  in  diesem 
Stück  ist  seine  Anmerkung  zu  c.  II  19,  23:  Rhecum.  Sic  habet 
cod.  Bland,  antiqitiss.  sed  non  sine  litura  (mit  dieser  Phrase, 
wie  oben  mit  den  apertae  maculae  sucht  er  offenbar  sein  Ge- 
wissen zu  salvieren):  quam  lecfionem  servandam  esse  habemus 
ex  Apollodoro  lib.  3.  In  unseren  Handschriften  ist  Rhoetiim 
so  gut  bezeugt,  dass  es  sicher  im  Archetyp  stand:  keine  ein- 
zige von  all  den  vielen  Handschriften,  welche  uns  zu  Gesicht 
gekommen  sind,  hat  Rhecum  oder  übcriiaupt  ein  c  statt  des  t. 
Wer  also  überhaupt  die  Ehrlichkeit  des  Cruquius,  welche  bis 
vor  wenigen  Jahren  für  die  tonangebenden  Horazkritiker  eine 
Art  Glaubensartikel  war,  als  discutierbar  betrachtet,  der  wird 
hier  zugeben  müssen,  dass  es  sehr  den  Anschein  hat,  als  habe 
Cruquius  einfach  fingiert,  dass  eine  von  ihm  selbst  aus  ApoUodor 
geschöpfte  Emendation  in  seiner  damals,  als  er  diess  drucken 
Hess,  schon  vei'brannten  Handschrift  halb  und  halb  gestanden 
sei.  Das  Gleiche  ergiebt  sich  für  jeden,  der  unbefangen  an 
die  Frage  herantritt,  bei  Betrachtung  seiner  Anmerkung  zu 
c.  III  8,  ö:    Docte  sermones  ....   Sermonis  in  Bland,  codicibns 


146  Keller. 

per  I  matnsculum  scriptum  est,  quod  fere  vel  eis  vel  es  notat. 
Ceteri  scripti  habent  sermonis.  Ich  kenne  die  Handschriften 
nicht,  in  welchen  das  lange  I  durch  ein  /  maiusculum  be- 
zeichnet wird.  Dass  da  und  dort  ein  grosses  I  bei  sonstiger 
Minuskelschrift  sich  findet,  ist  ja  bekannt.  Aber  seit  wann 
wird  es  in  den  Handschriften  zur  Unterscheidung  des  langen  I 
vom  kurzen  oder  gar  vollends  zur  Bezeichnung  von  e  ver- 
wendet? Und  warum  muss  es  nach  Cruquius  zur  Bezeichnung 
von  e  dienen?  Weil  in  c.  UI  8,  5  eben  ein  e  nothwendig  ist 
und  also  auch  in  den  blandinischen  Handschriften  ein  e  über- 
liefert sein  muss.  Das  ist  in  der  That  eine  Basis  für  die 
Horazkritik,  diese  blandinischen  Handschriften  und  diese 
cruquischen  Collationen  und  Fictionen:  difficile  est  satirarn  non 
scrihere!  Und  wie  ist  man  über  uns  hergefallen,  weil  wir  es 
einst  wagten,  gegen  das  Evangelium  von  Haupt  und  seinen 
Anhängern  aufzutreten!  Wahrhaftig,  Th.  Bergk  hatte  nicht 
Unrecht,  wenn  es  auch  vielleicht  stark  ausgedrückt  war,  wenn 
er  sagte:  ,Die  Angaben  des  Cruquius  über  die  von  ihm  be- 
nützten Handschriften  des  Horaz  beruhen  zum  Theil  auf 
Fälschung:  wie  man  darauf  die  Kritik  des  Dichters  basieren 
kann,  ist  mir  nie  begreiflich  erschienen.  Mir  fällt  nicht  ein, 
die  Existenz  jener  Handschriften  oder  ihre  Benützung  durch 
Cruquius  zu  leugnen,  sondern  ich  behaupte  nur,  dass  man 
darauf  nicht  die  Kritik  im  Horaz  gründen  dürfe,  weil  sich 
sowohl  in  den  Angaben  der  Lesarten  als  auch  in  den  Scholien 
bei  Cruquius  handgreifliche  Fälschungen  finden'.  • 


'  Ich  habe  im  Vorstehenden  eine  Bemerkung  mir  zu  wiederholen  erlaubt, 
welche  ich  schon  vor  Jahren  im  Rheinischen  Museum  gelegentlich  ver- 
öffentlicht habe.  Ich  glaubte  sie  hier  ergänzt  und  modificiert  und  doch 
wesentlich  gleich  der  früheren  Fassung  wiederholen  zu  müssen,  um  nicht 
in  den  Verdacht  zu  fallen,  als  ob  ich  hier  absichtlich  an  einer  Haupt- 
beweisstelle 'gegen  die  Zuverlässigkeit  des  Cruquius  vorübergehe,  weil 
ich  von  der  Unrichtigkeit  meiner  alten  Ansicht  durch  die  verschiedenen 
Einwürfe,  welche  mau  mir  gemacht  hat,  überzeugt  sei.  Allein  jene  Ein- 
würfe, besonders  von  Zangemeister,  betrafen  nur  Nebensachen,  und  nach- 
dem ich  alles  wieder  auf  das  reiflichste  und  gewiss  ohne  jede  Partei- 
lichkeit und  unter  Benützung  eines  grösseren  Materials  als  damals  er- 
wogen habe,  komme  ich  doch  wieder  auf  jenen  Standpunkt  zurück,  den 
ich  damals  einnahm,  und  manche  der  folgenden  Bemerkungen  werden 
eben    dazu    dienen,    gleiclifalls    die  Unsicherheit   uud    Werthlosigkeit 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  147 

19.  Älhanos  prope  te  lacus 

Ponet  marmoreavi  sub  trabe  citrea. 

21.  lllic  phirima  naribus 

Duces  tura,  lyraeque  et  Berecynthiae 
23.  Delectabere  tibiae 

Mixtis  carminibus  non  sine  fisttda. 

22.  23.  Lyrae  .  .  .  Berecynthiae  .  .  .  tibiae.]  So  stand  sicher 
im  Archetyp;  denn  für  lyrae  und  Berecynthiae  sind  alle  unsere 
Haupthandschriften,  und  tibia  steht  nur  in  cod.  9,  tybia  in  R: 
also  ist  die  allergrösste  Wahrscheinlichkeit,  man  könnte  wohl 
sagen  Gewissheit,  dass  tibia  erst  spät  in  einer  Handschrift  der 
III.  Classe  entstanden  ist  und  zwar  kann  tibia  vom  Abschreiber- 
standpunkt sehr  wohl  als  lectio  facilior  angesehen  werden,  weil 
es  neben  delectabere  steht;  aus  delectabere  tibiae  konnte  in  der 
oberflächlichen  Manier  zu  corrigieren,  wie  sie  in  den  Klöstern 
zu  Anfang  des  Mittelalters  vielfach  herrschte,  ohneweiters 
delectabere  tibia  gemacht  werden,  indem  die  Construction  des 
ganzen  Satzes  nicht  überblickt  und  erfasst  wurde,  gerade  wie 
sonst  gegen  jedes  Gesetz  des  Versmaasses  unbedenklich  ge- 
sündigt wird.  —  Also  die  erste  Veränderung  war  delectabere 
tibiae  zu  tibia  (in  9  R  nebst  p  p  a  g  und  Bland,  vetust.),  diess 
zog  dann  weiter  die  Aenderungen  Berecynthia  und  lyra  nach 
sich,  weil  ohne  diese  weiteren  Aenderungen  die  Construction 
an  offenbaren  Fehlern  litt;  so  entstanden  allmählich  die  drei 
Varianten :  lyra,  Berecynthia,  tibia.  Diese  dreifache  Variante 
findet  sich  nur  in  g  und  dem  Blandinius  vetustissimus,  welche 
beide  Handschriften  auch  c.  I  15,  2  die  falsche,  entschieden 
secundäre  Variante  Helenam  bieten.  Beidemale  (c.  I  15  und 
hier)  theilt  noch  cod.  y.  die  Corruptelen,  nur  bietet  er  hier 
berecinthi§:  damit  scheint  mir  der  Versuch  gemacht  zu  werden, 
bloss  tibiae  und  lyi'ae  abzuändern,  bei  Berecynthiae  aber  die 
Lesart  des  Archetyps  zu  erhalten,  indem  man  construierte: 
die  Flöte  der  (Göttin)  Berecynthia. 

Durch    die  Verehrung    von    Bentlcv    und   auch    IVIeineke, 
welche  beide  die    fals.che  Lesart  protegierten,    und    durch    den 


jener  ein. st  igen  Hauptbasis  der  Horazkritiker,  des  Crnquiu.s  und 
seiner  blandinischen  Handschriften,  resp.  seiner  CüUationen  der  blan- 
dinischen  Handschriften,  überzeugend  nachzuweisen. 


148  Keller. 

verblendeten  Cultus  des  Bland,  vetust.  sind  manche  sonst  sehr 
besonnen  vorgehende  Herausgeber  veranlasst  worden,  hier  ohne 
alle  Noth  vom  Archetyp  abzugehen.  Ja  es  entsteht  sogar  durch 
Aufnahme  der  falschen  Ablative  eine  empfindliche  Kakophonie, 
indem  dann  V,  20.  22.  23.  24  auf  ä  ausgehen:  citred,  Bere- 
cynthid,  tibid,  fistuld.  Man  sollte  doch  ähnliche  Beispiele  bei 
Horaz  suchen,  ehe  man  etwas  derartiges  dem  so  viel  auf  die 
Form,  die  Abwechslung  und  den  schönen  Klang  der  Worte 
haltenden  Odendichter  imputiert.  Sehr  richtig  bemerkt  Schütz: 
,Lyrae  und  Berecynthiae  tihiae  sind  Dative,  von  mixtis  ab- 
hängig; statt  eines  dritten  Dativs  ist  dann  in  veränderter 
Structur  non  sine  fistula  gesetzt:  also  ein  Concert  von  Leier, 
Flöte,  Schalmei,  dazu  noch  V.  24  Gesang  und  V.  25  ff.  Tanz. 
Der  .  .  .  Ablativ  lyra  und  tihia  lässt  sich  freilich  mit  delecta- 
bere  leichter  vereinigen,  aber  dann  müsste  man  mixtis  carmini- 
hus  unbeholfen  als  ablativus  absolutus  fassen.  Vgl.  c.  IV  15,  30'. 
Also  auch  diese  Erwägungen  sprechen  gegen  die  Bentley- 
Meineke'sche  Lesart. 


IV  2. 

1.  Pindarum  quisquis  stndet  aemulari, 

Iide,  ceratis  ope  Daedalea 
3.  Nititnr  pinnis,   vitreo  daturiis 
Nomina  ponto. 

2.  Für  die  Lesart  des  Archetyps  Tide  {Iidle  steht  nur  in 
der  III.  Classe)  setzen  Peerlkamp,  Meineke,  Müller,  Lahrs, 
Eckstein  llle.  Allein  man  kann  sich  schwer  vorstellen,  wie 
aus  dem  ordinären  llle  durch  einen  Schreibfehler  hde  geworden 
sein  sollte,  also  die  entschiedenste  lectio  facilior  in  die  ent- 
schiedenste lectio  difticilior  sich  verwandelt  hätte.  Zweitens 
kommt  mir  diese  Anwendung  von  ille  ganz  unpassend,  un- 
lateinisch und  speciell  unhurazisch  vor:  Pindarum  quisquis 
studet  aemulari,  ille  .  .  .  Ich  kann  diese  Verwendung  von  ille 
absolut  nicht  begreifen;  gut  lateinisch  ist  bloss  nichts  zu 
zu  setzen,  wie  es  auch  Horaz  nach  dem  Archetyp  gemacht 
hat;  ille  scheint  mir  stilistisch  unmöglich.  Jedenfalls  müssen 
wir    verlangen,    dass   Peerlkamp's  Anhänger    Beweise    für   eine 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  149 

solche  Anwendung  von  itle  beibringen.  Wenn  nun  weiter  be- 
hauptet wird,  Antonius  habe  nicht  luhis,  sondern  lulius  ge- 
heissen,  so  spricht  ausser  dem  Archetyp  des  Horaz  auch  Dio 
Cassius  dagegen:  denn  dieser  nennt  ihn  an  einer  ganzen  Reihe 
von   Stellen  gleichfalls  "Iojao;. 

5.  Monte  decurrens  velut  amnis,  imhres 

Quem  super  notas  aluere  ripas, 
7.  Fervit  inmensusque  ruit  profunda 
Pindarus  ore. 

6.  Quem  .  .  .  aluere  —  Cum  .  ,  .  salier<i\  die  I.  und  II.  Classe, 
Mavortius  (A  X'  g),  die  u'  Familie  und  Acr.'  haben  Quem  aluere, 
was  also  sicher  bezeugt  ist.  Aus  Quem  super  notas  aluere  ripas 
wurde  durch  Verdoppelung  des  schliessenden  s  von  notas: 
Quem  super  notas  saluere  rijpas  (cod.  L);  daraus  durch  leichte 
Conjectur  Cum  .  .  .  saluere  (F)  und  weiter  Cum  .  .  .  saliere  (Sit). 
Somit  ist  Cum  .  .  .  saliere  die  späteste,  von  der  Wahrheit  am 
weitesten  entfernte  Lesart.  So  stand  unter  Anderem  im  viel- 
verehrten Bland,  vetustissimus:  ,Quum  .  .  .  saliere'  nach  der  Aus- 
gabe von  1565,  p.  32.  Dem  alere  entspricht  nutrire  bei  Senec. 
Herc.  für.  933  f.: 

Nullus  hiherna  nive 

Nutritus  agros  amnis  eversos  trahat. 

Aehnlich  augeve  bei  Ovid.  fast.  II  219. 

33.    Concines  maiore  poeta  plectro 

Caesarem,  qnundoque  trahet  ferocis 
35.   Per  sacrum  clivom  merita  decorus 
Fronde  Sygamhros. 

36.  Statt  Sygamhri  schreiben  OrelH  und  Dillenburger 
Sugambri.  In  den  Handschriften  des  Horaz  ist  kein  u,  sondern 
stets  y,  viel  schwächer  i,  überliefert.  Ebenso  haben  wir  die 
Form  Syg.  .  .  bei  Orelli-Henzen  6704,  bei  Ptolemäus,  bei 
Dio  Cassius  LIV  20;  bei  Florus  IV  12  Sic  ...  Bei  Renier 
I.  A.  3889  steht  Sigamhrorum.  Hier,  c.  IV  2,  36  sind  aller- 
dings in  cod.  R  die  Buchstaben  sy  von  zweiter  Hand;  aber 
ob    die    erste  Hand    sn    gehabt  hat,    ist   sehr  zweifelhaft.     Der 


ir)0  Keller. 

Name  des  uin  Niederihein,  bei  der  Sieg-  wohnenden  Volks- 
stammes  rührt  höchstwahrscheinlich  von  dem  uralten  Fluss- 
naraen  Sieg  her.  Gerade  die  Fluss-  und  Gebii'gsnamen  gehen 
in  die  graueste  Vorzeit  zurück.  Ueber  den  anderen  Theil  des 
Namens,  in  welchem  der  gleichfalls  uraltdeutsche  (keltogerma- 
nische)  Flussname  Amher,  Ammer  steckt,  siehe  Bacmeister's 
alemannische  Wanderungen.  Es  ist  um  so  gewagter,  das  y 
des  Archetyps  abzuändern,  als  aus  den  bei  Schuchardt  Vulgärlat. 
II  231  zusammengestellten  Beispielen  hervorgeht,  dass  die  Form 
mit  n,  welche  in  den  keineswegs  alten  Tacitushandschriften 
und  bei  Renier  I.  A.  3938  steht,  gegenüber  der  von  y  sehr 
wohl  die  secundäre  sein  kann^  vgl,  Symeon  in  den  ältesten 
Codd.  des  Neuen  Testaments,  Sumeon  erst  sehr  spät  (neuntes 
Jahrhundert),  Schuchardt  a.  a.  O.  225. 

45.   Tum  meae,  siqind  loquar  audiendum, 

Vocis  accedet  bona  pars,  et  'o  Sol 
47.   Pulcher,  o  laudande'  canam  recepto 
Caesare  felix. 

49.   Tuque  dum  procedis,  io  triumphe! 

Non  semel  dicemus,  io  triumphe! 
51.  Civitas  omnis,  dabimusque  divis 
Tura  benignis. 

53.   Te  decem  tauri  todidemque  vaccae, 

Me  tener  solvet  vitnlus,  relicta 
55.  Matre  qni  largis  iuvenescit  herbis 
In  mea  vota. 

49.  Teque  dum  procedis  —  Tuque  dum,  procedis.]  Ich  habe 
früher  teque,  die  Ueberlieferung  aller  Handschriften  und  der 
Schollen,  vertheidigt  und  die  Worte  aufgefasst  als  an  Triumphus, 
den  personificierten  Triumph,  gerichtet.  Vgl.  epod.  9,  21 :  Io 
Triumphe,  tu  moraris  aureos  cxirrus  et  intactas  boves.  Liv,  XXVIII 
9:  Uno  equo  per  urbem  verum  Triumphtnn  vehi  Neronemque  etiam, 
si  pedibus  incedat  ,  .  ,  qloria  memorabilem,  fore.  So  lesen  und 
erklären  auch  Obbarius,  Dillonburger,  Munro  und  Andere.  Ich 
muss  aber  heute  diese  Lesung  und  Deutung  für  unmöglich  er- 
klären. In  der  ganzen  Ode  ist  niemand  anderer  als  Antonius 
lulus  angeredet,  und  es  kann  um  so  weniger  hier  plötzlich  ein 


' 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  151 

Anderer  mit  Du  eingeführt  werden,  weil  gleich  in  der  fol- 
genden Strophe: 

Te  decem  tauri  totidemque  vaccae, 
Me  teuer  solvet  vitulus,  relicta 
Matre  qui  largis  nivenescit  herbis 
Li  mea  vota. 

ganz  klar  wieder  Antonius  angeredet  wird.  Ein  solches  Herum- 
springen  von  einer  angeredeten  Person  zur  andern,  ohne  dass 
im  V.  53  irgend  eine  Andeutung  gegeben  wäre,  dass  hier  nicht 
der  eben  angeredete  Triumphus,  sondern  wieder  der  früher  an- 
geredete Antonius  gemeint  sei,  ist  durchaus  unmöglich;  nusquam 
Horatius  tanta  lahorat  ohscuritate.  Man  hat  vielmehr  die  alte 
Emendation  (am  frühesten  liegt  sie  vor  im  Argentor.  II  im 
Parisinus  s ,  und  in  Vanderbourg's  cod.  Parisinus  T)  Tuque  statt 
Teque  zu  acceptieren  und  die  Entstehung  des  kleinen  Un- 
genauigkeitsfehlers  zu  erklären  aus  einem  Vorausirren  des 
Auges  auf  den  Anfang  der  Strophe  Te  decem  .  .  .  Mit  dieser 
kleinen  Aenderung  erhalten  wir  die  gleichmässige  Anrede  an 
Antoniris  Iidns  im  ganzen  Gedichte  und  damit  die  echt  hora- 
zische  Klarheit  der  Anordnung.  Allerdings  bleibt  eine  kleine 
Schwierigkeit,  nämlich  die  Einschiebung  der  Worte  Non  semel 
dicemus  zwischen  die  beiden  zu  ihnen  sich  als  Objecte  verhalten- 
den Ausrufe:  io  triumphe!  io  triumphe!  Allein  es  ist  ja  eine  be- 
kannte Thatsache,  dass  auch  dicere  wie  inquit  von  den  Dichtern 
zwischen  die  verba  ipsissima  eingeschoben  werden  kann,  c.  III 
27,  35.    Zumpt  §.  801.    Ganz  besonders  lässt  sich  vergleichen 

Ovid.  trist.  IV  2,  47  ff.: 

• 

Hos  super  in  curru,  Caesar,  Victore  veheris 
Purpurens  popidi  rite  per  ora  tui: 
Qitaque  ibis,  manibus  circumplaudere  tuorum, 
UndiquH  iactato  flore  tegente  vias. 
Tempora  Phoebea  lauro  cingentur  ,io'que 
Miles  ,io'  magna  voce  ^triumphe!'  canet. 

Also  bleibt  schliesslich  kein  Bedenken  gegen  die  Auffassung 
der  Worte:  Und  während  du,  Antonius,  beim  Triuniphzuge 
des  Augustus  vorangehst,  nämlich  als  Prätor  (vgl.  Kitter  zu 
dieser   Stelle),    der   auch    das   Festmahl    auf  dem    Capitol    zu 


152  Keller. 

bereiten  hat,  rufen  wir,  die  ganze  römische  Bürgerschaft,  am 
Triumphzuge  theihiehmend,  unzähligemal:  lo  triumphe!  lo 
trmmfhe!  Ein  nescio  quis  bei  Jani,  sowie  Meiueke  und  L.  Müller 
lesen  Atque  fhim  procedif,  was  auf  Augustus  bezogen  einen 
hübschen  Sinn  gibt;  aber  die  Aenderung  von  Teque  in  Afqve 
ist  gewaltsamer,  als  die  von  uns  vorgezogene,  es  erklärt  sich 
auch  die  Entstehung  des  Fehlers  Teque  nicht  so  einfach,  wie 
bei  Tuque;  dann  ist  proceAit  bloss  in  BC,  also  entschieden  schwach 
bezeugt.  Man  hat  auch  versucht,  Teque  zum  vorhergehenden 
zu  ziehen  und  nach  ieque  einen  Punkt  zu  setzen  (Canam,  re- 
cepto  Caesare  felix  ieque.  Bothe;  Fea  liest  wie  v^'w  tuque).  Aber 
diess  ist  aus  rhetorischen  Gründen  zu  verwerfen,  weil  dann 
teque  hinten  nachhinken  und  der  Satz  damit  förmlich  ab- 
schnappen würde.  Bentley's  Vorschlag,  Isque  dum  procedit  zu 
lesen,  ist  gegen  den  Ton  der  horazischen  Lyrik.  Die  bei- 
gebrachten Parallelen  aus  Vergil,  wo  Isque  den  Vers  beginnt, 
beweisen  nur  für  den  Gebrauch  im  erzählenden  Gedichte. 
Hier  an  unserer  Stelle  wäre  Isque  ausserordentlich  frostig  und 
poesielos. 

50.  Statt  non  semel  wollen  mehrere  (Schütz,  Jeep  und 
Andere)  nos  siniul  lesen;  Andere  schlagen  die  archaische  — 
hier  gewiss  als  unmotivierter  Archaismus  abzuweisende  —  Form 
semol  vor  (Pauly,  Fröhner,  Linker).  Diese  Aenderung  erscheint 
überflüssig,  ja  unpassend,  wenn  wir  procedis  in  dem  allein  nach- 
zuweisenden Sinne  wirklichen  Vorausschreitens  nehmen.  Da- 
gegen würde  sie  einen  sehr  hübschen  Sinn  geben,  wenn  pro- 
cedis, wie  es  Manche  thun  (z.  B.  Th.  Kayser),  aufgefasst  werden 
dürfte  im  Sinne  von  praeire  =  vorsagen,  vorangehen  mit 
Worten.  Schütz  denkt  auch  an  praecedis  oder  gar  an  praeibis. 
Aber  auch  für  praecedere  ist  die  tropische  Bedeutung  von 
praeire  nicht  erweislich,  und  praeibis  dürfte  eine  zu  gewagte 
Veränderung  der  überlieferten  Buchstaben  sein.  Ich  möchte 
entschieden  an  der  oben  auseinandergesetzten  Lesung  und  Auf- 
fassung festhalten. 

IV  4. 

13.   Qualemve  laetis  caprea  pascuis 
Intenta  fulvne  matris  ab  ubere 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  153 

15.       lam  lade  depulsiim  leonem 

Deute  novo  peritura  vidit: 
17.    Videre  Raefi  hella  siih  Alpihus 

Driisum  gereutem   Vindelici  (quibns 
19.       Mos  nnde  deductus  per  omne 

Tempus  Amazonia  securi 
21.  Dextras  oharmet,  qnaerere  distuli; 
Nee  scire  fas  est  omnia),  sed  diu 
23.       Lateque  victrices  catervae 

Consilns  iuvenis  revietae 
25.   Sensere,  quid  mens  rite,  quid  indoles 

Nutrita  faustis  suh  penetralibus 
27.        Posset^  quid  Augiisti'  paternus 
In  pueros  animus  Nerones. 

15.  Statt  iam  lacte  sind  schon  alle  denkbaren  und  un- 
denkbaren Conjecturen  vorgeschlagen  worden,  von  Lachmann 
z.  B.  ,iam  {niacte!)'.  Am  einfachsten  ist  wieder  ein  Strophen- 
auswerfer  zu  Werk  gegang-en,  Prien,  der  im  Rh.  Mus.  XIII  352 
ausser  vielen  anderen  Strophen  auch  diese  für  interpoliert  erklärt. 
Der  Sinn  ist  aber  ganz  klar  und  einfach:  Dem  Löwen  gleich, 
den  auf  der  fetten  Trift  arglos  weidend  das  Reh  erschaut,  um 
schon  zu  sterben  von  dem  Zahn  des  kaum  der  Milch  und  Brust 
der  gelben  Mutter  entwöhnten  Thieres;  so  schauten  Drusus, 
als  er  am  Fuss  der  Alpen  Krieg  führte,  die  vindelicischen 
Rätier.  Iam  steht  =  modo  =  kaum,  erst.  Vgl.  die  Nachahmung 
der  Stelle  bei  dem  bekannten  Nachahmer  des  Horaz  Prudentius, 
peristeph.  X  662  ff.: 

Amplexus  unum  de  caterva  infantium 
Parvum  nee  olim  lacte  depidsum  capi 
Captumque  adesse  praecipit. 

Unlateinisch  wäre  es  auch  mit  Hülsenbeck  (Berliner  Zeit- 
schrift für  Gymn.  XVIII  709  —  712)  ah  ubere  als  Zeit- 
bestimmung zu  fassen.  So  weit  ich  die  Phrase  verfolgen  kann, 
sie  steht  nie  so,  sondern  immer  abhängig  von  depelli  (Verg. 
Georg.  III  187)  oder  rapi  (Stat.  Achill.  II  184.  Martial.  IX  8,  3. 
Claudian.  in  Eutrop.  I  45). 

Sitzungsber.  d.  phil-hist.  Ol.  XC.  Bd.  I.  Hft.  .  1 1 


154  Keller. 

Ausserdem  stellt  Hülsenbeck  die  merkwürdige  Emeudation 
advUerae  statt  ab  uhere  auf. 

Vielleicht  ist  auch  mancher  geneig-t,  der  folgenden  Be- 
merkung von  Schütz  beizupflichten:  ,In  der  überlieferten  Lesart 
liegt  nichts  Bedenkliches  ausser  der  von  Bentley  getadelten 
Wortfülle  ah  nbere  depulsum  und  dazu  noch  lade.  Ist  das 
wirklich  ein  Grund  zur  Verdächtigung?  Eine  ähnliche  Wort- 
fülle ist  z.  B.  c.  I.  37,  9;  wenn  man  will,  auch  c.  IV  1,  24 
und  öfter.  Lacfe  depelli  [wie  schon  Jani  sagt]  ist  zu  Einem  Be- 
griff geworden,  zu  dem  ab  ubere  immerhin  überflüssiger,  aber 
doch  nicht  falscher  Weise  \ornahis  et  cojnae  causa  sagt  Jani] 
hinzugefügt  ist^  Allein  es  ist  sehr  möglich,  dass  wir  schon 
damit  zu  viel  zu  Ungunsten  des  Dichters  einräumen;  er  wollte 
eben  vielleicht  den  Begriff  ,der  Milch'  entwöhnen  nicht  ent- 
behren und  doch  auch  die  Löwenmutter  beschreiben;  dann 
war  ab  ubere  unentbehrlich,  weil  Horaz  doch  nicht  zu  lade 
einen  Genetiv  (matrh)  fügen  konnte.  —  Düntzer,  wie  schon 
Xylander,  Chabot  und  Gesner,  will  über  lac  zusammennehmen, 
sagt  aber  in  demselben  Athem,  es  schwebe  dem  Horaz  Verg. 
Georg.  II  (1.  III)  187  vor:  lam  primo  depulsus  ab  ubere  matris.  Je 
wahrscheinlicher  letztere  Behauptung  ist,  um  so  unwahrschein- 
licher ist  die  erstere,  dass  nämlich  Horaz  bei  seiner  Nach- 
ahmung die  ihm  vorliegenden  Worte  ab  nbere  so  verdreht 
hätte,  dass  sie  nicht  mehr  vom  Euter,  respective  von  den 
Zitzen  weg,  sondern  von  dem  reichlichen  .  .  .  weg  bedeuten 
sollten.  Wo  bei  einem  auf  Klarheit  Anspruch  machenden 
Autor  von  Milch  die  Rede  ist,  wird  uher,  uberis,  uberi,  id)ere 
niemals  reichlich,  sondern  stets  Euter  bedeuten.  Eine  wunder- 
schöne Parallelstelle    haben    wir  bei  Statius  Theb.  IX    739  ff.: 

Ut  leo  cid  parvo  mater  Gaetula.  cruenfos 
Siiggerit  ipsa  cibos,  cum  primimi  crescere  sensit 
Colla  iabls  torvusque  novos  respexit  ad  uncjnes, 
Indignatur  all  tandemque  effusus  apertos 
Liber  amat  campos  et  nescit  in  antra  reverti. 

IV  4,  17. 

17.  Statt  Raeti,  wie  jedeufalls  im  Archetyp  stand,  und 
wie    auch    Acr.'    las,    ist    seit    Nie.  Heinsius    und    Bentley    die 


'i  r 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  155 

Emendation  Raetis  in  Schwung'  gekommen.  Mag  die  Lesart 
refis  in  einem  .manuscriptum  exemplar  Rottendorphii^  ge- 
standen haben  oder  nicht:  keinenfalls  gehört  die  Lesart  dem 
Archetyp  an;  denn  alle  von  uns  eingesehenen  Handschriften 
haben  kein  s.  Sofern  aber  Tacitus  von  den  rätischen  Alpen, 
niemand  dagegen  von  den  vindelicischen  Rätiern  spricht,  hat 
allerdings  des  N.  Heinsius  Conjectur  viel  für  sich.  Allein  es 
scheint  mir  doch  zu  unsicher,  ob  Horaz  wirklich  die  Rcätier 
und  Vindelicier  auseinander  gehalten  hat.  Er  verwahrt  sich  ja 
im  Folgenden  ausdrücklich  gegen  ethnographische  Gelehrsam- 
keit, und  auch  Martial  scheint  beide  Völkerstämme  nicht  als 
verschieden  angesehen  zu  haben,  IX  84,  5:  Me  tibi  Vindelids 
Raetus  narrabat  in  oris.  Wahrscheinlich  hielt  Horaz  die  Vin- 
delicier für  einen  Theil  der  Rätier.  Und  dass  suh  Alpibus 
keines  weitern  Epithetons  bedürftig  ist,  wird  niemand  be- 
zweifeln, vgl.  Lucan.  I  302:  Hiemesqne  sub  Alpibus  actae.  Ich 
möchte  vermuthen,  Bentley  würde  seine  Vertheidigung  der 
Heinsius'schen  Conjectur,  welche  von  ausserordentlichem  Ein- 
fluss  auf  die  Horazkritiker  gewesen  ist,  gar  nicht  unternommen 
haben,  wenn  er  sich  nicht  hinsichtlich  der  Handschriften  ge- 
täuscht hätte.  Er  glaubte  nämlich,  wenn  hinter  dem  reti  oder 
raeti  ein  Buchstabe  ausradiert  war,  dieser  ausradierte  Buchstabe 
sei  ein  s  gewesen;  allein  es  war  ein  zweites  i.  Uebrigens  haben 
auch  schon  die  Mönche  au  dem  Raeti  Vindelici  Anstoss  ge- 
nommen und  wir  finden  in  den  Handschriften  v  und  q,  also 
nicht  vor  dem  zwölften  bis  dreizehnten  Jahrhundert,  V.  18 
zwischen  gereutem  und  Vindelici  ein  et  eingeschoben.  Diese 
Emendation,  welche  in  vielen  alten  Ausgaben  gedruckt  im 
Texte  steht,  ist  höchst  bedenklich,  weil  sich  Horaz  im  IV.  Buche 
sehr  hütet,  lange  Vocale  zu  elidieren. 

18  —  22.  Quibus  e.  q.  s.  —  oninia  werden  von  Vielen 
(Lambin,  Guyet,  Buttmann,  Peerlkamp,  Meineke,  Linker, 
Gruppe  und  Andernj  für  eine  Interpolation  gehalten.  Diese 
müssen  dann  sed  in  et  verwandeln  und  verfallen  somit  in  den 
eben  gerügten  prosodischen  Fehler:  Vindelic(i)  et  diu.  So  etwas 
darf  dem  IV,  Buche  nicht  durch  Conjectur  imputiert  werden. 
Die  Verse  passen  aber  ganz  köstlich  in  den  Zusammenhang. 
Nicht  eine  gelehrte  Abschweifung  soll  es  sein,  wie  Ritter  meint, 

11* 


156  Keller. 

der  zur  Entschuldig-img-  /ligressionem  non  minus  sohriam  et 
critico  dignam'  aus  Pindar  Ol.  1,  28  —  42  citiert,  sondern  eine 
kleine  Neckerei  gegen  Tiberius,  der  seine  Hofgelehrten  mit 
zum  Theil  absurden  antiquarischen  Fragen  quälte.  (Weil  in 
Jahn's  Jahrbuch.  1855,  S.  720.)  Sueton.  Tib.  c.  70:  ,Das  grösste 
Interesse  jedoch  hatte  er  für  Mythologie  und  gieng  darin  bis 
zum  Läppischen  und  Lächerlichen.  So  stellte  er  die  Sprach- 
gelehrten, Leute  mit  denen  er  besonders  gerne  verkehrte,  durch 
Fragen  folgender  Art  auf  die  Probe:  Wer  die  Mutter  der 
Hecuba  gewesen?  Wie  Achill  unter  den  Mädchen  geheissen? 
Was  die  Sirenen  gewöhnlich  für  Lieder  gesungen?  Und  am 
ersten  Tage,  wo  er  nach  dem  Ableben  Augusts  die  Curie  be- 
trat, brachte  er,  um  gleichzeitig  der  kindlichen  Liebe  und  der 
Religion  genug  zu  thun,  unter  Berufung  auf  Minos  Vorgang, 
der  es  vor  Alters  beim  Tode  seines  Sohnes  ebenso  gemacht, 
ein  Opfer  mit  Weihrauch  und  Wein,  aber  ohne  Flöten- 
begleitung dar^ 

29.  Fortes  creantur  forfihns  et  bonis: 

Est  in  iuvencis,  est  in  equis  patrimi 
3L        Virtus,  neqne  inhellem  feroces 

Progeneranf  aquilae  columbam. 

29.  Mavortius  (AX'ga)  interpungierte  hier  unrichtig  nach 
fortibus  statt  nach  bonis.  Ebenso  unrichtig  Fea.  Auch  Servius 
scheint  nach  fortihxis  interpungiert  zu  haben;  denn  sein  Citat 
zu  Verg.  Aen.  I  590  schliesst  mit  fortibus.  Fortis  bonusqne  ist 
eine  stehende  Redensart,  somit  ist  es  absolut  sprachwidrig,  die 
Worte  Fortes  creantur  fortibus  et  bonis  zu  zerreissen  und  mit 
et  bonis  einen  zweiten  Satz  zu  beginnen.  Vgl.  epist.  1  9,  13: 
Et  fortem  crede  bonumque.  Cic.  pro  Milone  2,  4  zweimal:  de 
bonis  et  fortibus  viris  und  erga  fortis  et  bonos  civis. 

37.    Qtdd  debeas,  o  Roma,  Neronibus, 

Testis  Metaurum  flumen  et  Hasdrubal 
39.       Devictus  et  pulcher  fugatis 
nie  dies  Latio  tenebris, 
41.   Qui  primus  almn  risit  adm'ea, 
Dirus  per  urbes  Afer  ut  Italas 
43.       Ceu  ßamma  per  taedas  vel  Eiirus 
Per  Siculas  equitavit  undas. 


Kritische  Beiträge  zum  IT.  Buche  der  horazischen  Oden,  157 

43.  Vel  E^irus  —  ^^e?-  Euros  —  et  Enrus]  I.  (y  R  L  a  und 
vielleicht  auch  ■::,)  und  II.  Classe  vel  Ennis:  III.  Classe  et 
Eurus  (o' b  u')  und  jjer  Euros  (Fp  p).  Walirscheiulicli  g-ieng 
diess  so  zu,  dass  in  den  Worten  per  taedas  vel  eurus  per 
siculas  durch  Nachlässigkeit  eines  Schreibers  vel  in  per  ver- 
wandelt wurde.  Hieraus  ergab  sich  nun  der  nackte  Unsinn, 
den  der  eine  Mönch,  indem  er  per  für  richtig  hielt,  in  per 
eüros,  der  andere,  indem  er  eurus  für  richtig-  hielt,  in  et  eurus 
verbesserte.  Da  keiner  von  beiden  ein  zweites  Horazexemplar 
zur  Emendation  verwenden  konnte,  so  riethen  beide  falsch, 
jeder  in  seiner  Art.  So  entwickelten  sich  die  Lesarten  vel 
eurus,  *per  eurus,  per  euros  und  et  euriis.  Am  einfältigsten  hat 
seine  Besserung-    wieder    der  Urheber    der  F-Familie    gemacht. 

c.  IV  5. 

29.  Condit  quisque  diem  colUhus  in  suis, 

Et  vitem  viduas  ducit  ad  arhores; 
31.  Hinc  ad  vina  redit  laetus  et  alteris 
Te  mensis  adhibet  deum. 

31.  redit  —  venit]  venit  bloss  in  o'Lu,  also  entschieden 
schlechter  bezeugt,  als  redit.  Letzteres  ist  ausserdem  als  lectio 
difficilior  durchaus  vorzuziehen.  Unbegreiflicher  Weise  hat 
wieder  Bentley  venit  in  Schutz  genommen.  '  Es  ist  gerade  so 
falsch,  wie  epist.  II  2,  22  die  Variante  veniret  (auch  wieder  in 
der  III.  Classe:  FX'S'var. v)  für  rediret.  Beide  Aenderungeu 
haben  den  gleichen  Grund,  nämlich  das  Missverstehen  von 
redire,  wenn  es  einmal  etwas  anderes  bedeutet,  als  , zurück- 
kehrend Im  Apparat  der  Epistelstelle  sieht  man  deutlich  den 
Hergang.  Die  Interlinearglossen  schrieben  zunächst,  um  an- 
zuzeigen, dass  der  Begriff  ,zurück'  hier  nicht  in  dem  Worte 
liege,  über  rediret:  ,idest  veniret'  (gloss.  F)  und  hier  über  redit: 
,idest  venit'.  Dann  kam  diese  Glosse  als  Glossem  in  den  Text. 
Der  Archetyp  hatte  an  beiden  Stellen  noch  redire,  denn  beidemal 
ist  nur  ein  Bruchtheil,  wenn  auch  ein  bedeutender,  der  lU.  Classe 
für  venire. 


*  Auch  Jani    wundert   sich    darüber    und  bemerkt:    Quid  nou  critica  cogis 
pectora,  novitatis  amor?    Leider  sehr  wahr. 


158  Keller. 


IV  6. 


9.  nie,  mordaci  velut  icta  ferro 

Pinus  aut  inindsa  cupressus  Euro, 
11.  Procidit  late  postiitque  collum  in 
Pulvere  Teucro. 

10.  inpulsa  —  inpressa]  inpidsa  I.  und  III,  Classe,  in- 
pressa  II.  Classe  inclusive  Mavortius  (A  k'),  nebst  u.  Inpulsa 
ist  also  besser  bezeugt.  Inpressa  ist  offenbar  unter  Einfluss 
des  folgenden  Wortes  cupressus  entstanden,  aber  schon  wegen 
der  Kakophonie  höchst  schwerlich  dem  Horaz  zuzuschreiben. 
Es  war  eine  Verschreibung ,  welche  bereits  dem  Mavortius 
in  seiner  Handschrift  vorlag,  daher  findet  es  sich  auch  in  u. 
Eine  absichtliche  Aenderung  kann  die  Variante  nicht  wohl 
sein.  Sie  findet  sich  übrigens  auch  sonst,  z.  B.  Petron. 
c.  119  V.  3:  pressa  gleichfalls  als  unrichtige  Variante  zu  pulsa. 
Ovid.  am.  I  6,  51:   Impnlsa   est  animoso  ianua  vento. 

13.  nie  non  inclusus  eqiio  Minervae 

Sacra  mentito  male  feriatos 
15.   Troas  et  laetam  Priami  choreis 
Falleret  aulam. 

14.  Aus  'Sacra  mentito  machen  F  p  mit  gewohnter  Neigung  zu 
den  pinselhaftesten  Veränderungen /Sac?"a?»en/o.  Sicherlich  dachte 
der  fromme  Klosterschreiber  an  die  heiligen  Sacramente.  In 
ähnlicher  Anwandlung  schrieb  im  letzten  Verse  des  erotischen 
Gedichtes  III  9  ein  Mönch  zuerst  amen  statt  amem  (cod.  b); 
ein  anderer  machte  c.  IV  5,  35  aus  Castor  einen  pastor  (cod.  p), 
ein  anderer  (B  ante  ras.)  aus  Hehrum  einen  Hehreum  (Hebräer!) 
c.  III  25,  10;  c.  II  17,  8  ist  ille  dies  (der  Todestag  ist  gemeint) 
in  cod.  z  umgestellt  zu  dies  ille  nach  dem  Liede  auf  den 
jüngsten  Tag  dies  irae,  dies  illa.  c.  IV  8,  25  erfand  ein  Mönch 
ereptum  Sti/giis  ßuctihus  aequum^  den  Gerechten,  statt  Aeacum 
(HI.  Classe);  c.  III  18,  12  ist  durch  den  Einfluss  einer 
Jesaiasstelle  eine  Variante  in  die  III.  Classe  gekommen : 

Festus  in  pratis  vacat  otioso 
Cum  bove  pardus 

statt  pagus;  vgl.  Jesai.  11,  6:  Hahitahit  lupus  cum  agno  et  pardus 
cum  haedo  accubahit.  Sehr  nach  einer  mittelalterlichen  Kloster- 


Eritibche  Beiträge  zum  IV.   Buche  der  horazischen  Oden.  159 

zelle  sieht  auch  die  Variante  c.  IV  5,  37  aus:  rex  statt  dux, 
weil  Augustus  wohl  König-,  aber  nicht  , Herzog'  gewesen. 
Iduineneiis  c.  IV  9,  20  in  v  ist  wieder  eine  Verschreibung  alt- 
testaraentlichen  Ursprungs:  denn  der  fromme  Schreiber  wusste 
weniger  von  der  Ilias,  als  von  den  Edomiten  (Idumaei).  Der 
Schreiber  von  q  verwandelte  den  Chrynippus  epist.  I  2,  4  in  den 
heiligen  Christophorus,  der  von  a  in  den  Crispinns;  der  Schreiber 
der  vierten  Leipziger  Handschrift  verbesserte  c.  HI  17,  7  die 
Marica  in  die  Jungfrau  Maria.  Merkwürdig  ist  es  auch,  dass 
epod.  17,  58  ein  Mönch  aus  Verehrung  für  den  Papst  das 
Wort  poniifex  durch  ganz  grosse  Buchstaben  ausgezeichnet 
hat:  PONTIFEX  (cod.  b),  obgleich  das  unmittelbar  folgende 
schlimme  Wort  veneßci  dazu  gehört;  es  war  freilich  damals  eine 
relativ  harmlose  Zeit,  lange  vor  den  Tagen  der  Borgia. 

IV  6,  17. 

17.  Sed  pcdavi  captis  gravis,  heu  nefas  heu! 

Nescios  fari  ptieros  Achivis 
19.    Ureret  flammis,  etiam  latentem 

Matris  in  alvo: 
21.  Ni  tuis  victus   Venerisque  gratae 

Vocihus  divom  pater  adnuisset 
23.  Rebus  Aeneae  potiore  ductos 
Alite  muros. 

17.  coptis  —  Victor]  captis  I.  und  II.  Classe  inclus. 
R  >/,  also  die  ganze  I.  und  die  ganze  II.  Classe  haben 
captis  {=  den  im  offenen  Kampfe  besiegten  Troern).  Die 
III.  Classe  exclus.  u'-Familie  hat  das  Wort  ausgelassen;  u' 
hat  Victor.  Hier  ist  der  Hergang  der  Verderbuiss  völlig  klar: 
captis  fiel  durch  Zufall  im  Urcodex  der  III.  Classe  aus  und 
die  Lücke  wurde  in  der  Urhandschrift  der  u'-Familic  ohne 
Zuhilfenahme  einer  zweiten  Horazhandschrift  durch  Conjectur 
ergänzt.  Diese  Conjectur  selbst  entstand  aus  einer  Reminisceuz 
an  V.  3,  wo  victor  vorkam.  —  Zu  captis  gravis  ist  eine  Pa- 
rallele Senec.  Troad.  987 :  Quis  arhiter  crudelis  et  miseris  gravis. 
Conjecturen  wie  captor  statt  captis  (Düntzer)  sind  völlig  über- 
flüssig. 


160  Keller. 

21.  vichis  —  flexus]  Plexus  ist  einfach  eine  erklärende 
Interlinearglosse  von  gloss.  T  und  steht  in  keiner  unserer  Horaz- 
handschriften  im  Texte.  Nur  in  den  berüchtigten  Blandinius 
vetustissimus  ist  sie  eingedrungen,  und  daher  haben  sich 
komischerweise  Viele  (unter  Andern  auch  Bentley)  eingeredet, 
es  sei  die  echte  horazische  Lesart.  '  Nicht  leicht  lässt  sich 
von  einer  Variante  so  eclatant  beweisen,  dass  sie  ein  Glossem 
ist,  als  von  dieser! 

25.  Doctor  argutae  ßdicen  Thaliae, 

Phoebe,  qui  Xantho  lavis  amne  crinis, 

27.  Dauniae  defende  deciis  Cameuae, 
Levis  Agyieu. 
25.  Statt  argutae  taucht  in  einigen  Handschriften  der 
dritten  Classe  die  Variante  argivae  (achivae  in  v)  auf,  in  tc  b  s ; 
und  in  ozu'lp  übergeschrieben.  Da  diese  dem  Archetyp  nicht 
angehörige  Variante  auch  im  sogenannten  Blandinius  vetu- 
stissimus gestanden  luiben  soll,  ist  sie  von  dessen  Verehrern 
theilweise  vorgezogen  worden.  Die  Sache  hat  sich  einfach  so 
entwickelt,  dass  aus  arguxae  argiuae  durch  Verwischung  des 
Horizontalstriches  oben  am  x  hervorgegangen  ist.  Ärgutus 
braucht  Horaz  auch  sonst  =  mit  heller,  klarer,  lauter  Stimme 
begabt,  vom  Fuhrknecht,  epist.  I  14,  42.  Vgl.  auch  Colum. 
IX  p.  372  Bip.:  Valles  argutae,  quas  Graeci  -^-/.ou«;  vocant. 
Aehnlich  steht  acuta  c.  III  4,  3  vom  Gesang  der  Musen.  Dass 
hier  die  Lesart  des  Archetyps  ganz  gut  passt,  ist  einleuchtend. 

28.  Agyieu  —  Agilen].  Die  Lesart  Agileu  oder  Agyieu  an 
sich  gibt  durchaus  keinen  Sinn.  Agylleu  aber,  was  Burmann 
und  Cruquius  in  sehr  künstlicher  Weise  auf  den  griechischen 
Namen  von  Caere  zurückleiten  wollten  (unter  Berufung  auf 
Strabo  V  p.  220),  steht  nicht  in  den  Handschriften,  kann  somit 
keinenfalls  als  Lesart  des  Archetyps  angesehen  werden,  sondern 
die  Verdoppelung  des  l  wäre  einfach  eine  gewaltsame  Aenderung 
des  überlieferten  Textes.  Ferner  ist  nun  weder  von  einer  be- 
sondern Verehrung  Apollos  zu  Caere,  noch  von  dem  Beinamen 
Agylleus  irgend  etwas  bekannt.  Die  blandinischen  Handschriften 
sollen  zwar  alle  agylleu  geboten  haben;    diess    ist    aber   um  so 

1  ,Quia,  qui  adnuat,  eo  ipso  flectatur  (haud  dubic  ob  incliuatam  cervicem); 
quo  vix  quidquam  niiserius  dici  poterat.'   Jani. 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  borazischen  Oilen.  161 

mehr  zu  bezweifeln,  als  nach  einer  früheren  Angabe  des  Cru- 
quius  der  vetustissimus  agyieu  g-ehabt  haben  soll  (edit.  1565 
p.  73).  Ayyieu  ist  die  einzig-  mögliche  Lesart,  griechisch  'Avuicu? ; 
speciell  hat  ohne  Zweifel  wieder  Euripides  den  horazischen 
Ausdruck  veranlasst,  Phoeniss.  631 :  KäI  c'j  OcTß'äva^  'Ay^isj.  So 
steht  in  a  -  Pph. ;  ntjyeu  in  B',  agien  in  L.  F )/  haben  agylen, 
diess  ist  als  Urlesart  der  III.  Classe  exclus.  :r'-Familie  an- 
zusehen. In  der  Ti-Familie  haben  wir  agyieu  tz,  agieu  L;  R  a' 
haben  agüeu  mit  der  ersten  Classe  (A  y).  Als  Urlesart  des 
Archetyps  ergibt  sich  AGYIEU,  wobei  durch  die  kleinste  Ver- 
änderung, durch  ein  zufälliges  Ausgleiten  der  Feder  unten  an 
dem  /  die  andere  Lesart  Agyieu  sieh  bilden  konnte.  Die 
späteste  Phase  zeigt  agileu  an,  was  jedenfalls  aus  agyieu,  viel- 
leicht beim  Dictiertschreiben,  entstanden  ist.  Die  beste  Lesart 
haben  also  a  B'  Pph.  =  IL  Classe  exclus.  //,  möglicherweise 
also,  aber  keineswegs  sicher,  Mavortius;  denn  gerade  die 
Handschriften  mit  der  subscriptio  haben  sämmtlich  ein  l.  Ferner 
haben  die  beste  Lesart  L  ::,  die  nächstbeste  haben  F  X',  die 
schlechteste  A  y  R  a  Acr.'  und  o'  u'.  Die  I.  Classe  dürfte  ein- 
mal wieder  durch  die  pseudoacronischen  Schoben  in  unrichtiger 
Weise  beeinflusst  worden  sein.  Die  II.  Classe  nebst  der  von 
der  I.  und  III.  Classe  unabhängigen,  also  wohl  ursprünglichen 
Partie  der  -'-Familie  hat  das  richtige  agyieu. 

IV  8. 

11.    Gaudes-  carminihus}  carmina  possumus 

Do)Hire  et  pretium  dicere  muneri. 

12.  muneri  alle  unsere  Handschriften,  auch  Pph.'  und  Ac. 
muneris  steht  in  [h  als  Variante  und  in  einigen  werthlosen  codd. 
Lambin's  und  Vanderbourg's.  Der  Dativ  des  Archetyps  ist  ganz 
richtig;  es  ist  die  technische  Construction,  vgl.  Plaut,  mil. 
III  1,  133:  merci  pretium  sfatnit.  Terent.  Heautont.  prol.  48: 
Pretium  statui  arti  meae.  Hör.  serm.  II  3,  23:  Callidus  huic  signo 
poneham  milia  centum.  Senec.  epist,  XIII  2  (87)  18:  Quis  pleno 
sacculo  ullum  pretium  ponit,  nisi  quod  pecuniae  in  eo  conditae 
numerus  effecif^  Tacit.  ann.  III  40:  Cum  id  rarum  nee  nisi 
virtuti  pretium  esset.  Liv.  XXIV  15:  Capito  hostium  pretia 
lihertati  facta.  Was  die  schlechtest  bezeugte  Variante  muneris 
zu   muneri   betrifft,    so    vgl.    c.  III  3,    53    die  falsche  Variante 


162  Keller. 

rnimdi  zu  mundo.  Die  Lesart  muneris  empfiehlt  sich  auch 
desswegen  sehr  wenig,  weil  zwischen  zwei  mit  s  schliessenden 
Verspaaren  dann  noch  ein  fünfter  mit  s  schliessender  Vers  ein- 
geschoben  würde. 

13.  Non  incisa  notis  marmora  puhlicis, 

Per  quae  Spiritus  et  vita  redit  honis 
15.  Post  mortem  ducihus,  non  celeres  fugae 

Reiectaeque  retrorsum  Hannihalis  minae, 
17.  Non  incendia  Kartliaginis  impiae 

Eius,  qui  domita  nomen  ah  Africa 
19.  Lucratus  rediif,  darin s  indicant 

Landes,  quam   Calahrae  Pierides:  neque 
21.  Si  chartae  sileant  quod  hene  feceris, 
Mercedem  tuleris. 

15.  celeres  fugae  —  celeris  fcga].  Letzteres  bloss  in  A'Ba' 
(C  fehlt),  also  in  der  II.  Classe  (Mavortius).  Die  aus  den 
Stammcodices  der  I.  und  III.  Classe  erschliessbare  Lesart  des 
Archetyps  war  ohne  allen  Zweifel  celeres  fugae,  was  auch  bei 
gleichem  Stimmverhältniss  als  lectio  difficilior  den  entschiedenen 
Vorzug  verdienen  würde.  Celeris  fuga  ist  eine  Correctur  des 
Mavortius,  um  den  ungewöhnlichen  Pluralis  von  fuga,  vielleicht 
auch  den  dreimaligen  Versschluss  auf  ae,  zu  vermeiden;  dabei 
kann  auch  die  Reminiscenz  an  celerem  fugam  Partki  c.  II  13,  17 
bei  Mavortius  eingewirkt  haben. 

17.  Dieser  Vers  hat  die  meiste  Anfechtung  im  ganzen 
Horaz  gefunden.  Es  drängt  sich  dabei  ein  äusseres  und  ein 
inneres  Bedenken  auf.  Das  äussere  besteht  in  der  Vernach- 
lässigung der  Diärese:  allein  das  Gleiche  kommt  (wenn  auch 
zufällig  nicht  mehr  in  den  wenigen  ganz  gleichartigen  Ge- 
dichten c.  I  1,  III  30)  denn  doch  auch  sonst  in  asclepiadeischen 
vor:  c.  I  18,  16:  per  \  lucidior,  vgl.  auch  c.  II  12,  25:  de\ 
torquet;  und  hier  liegt  im  Eigennamen  eine  ganz  besondere 
Entschuldigung,  vgl.  c.  III  24,  4.  '  Auch  bei  Öappho  fr.  56 
B  e  r  g  k  haben  wir: 

«l'aTai  Sy^  Ttoxa  Ay^    8av  OaxivOivov. 

'  Ausserdem    vgl.    gerade    in  Bezielumg  auf  Vernachlässigung  von  Diärese    , 
oder    Cäsur    folgende    Analogie.     L.    MülK-r    (welcher    hier    selber,    dem 


Eritisclie  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horaiischen  Oden.  163 

Der  innere  Grund  zum  Anstoss  besteht  darin,  dass  der  Brand. 
die  Zerstörung-  Karthagos   nicht    ein  Werk    des  älteren,    gegen 
Hannibal  kämpfenden    und    von  Ennius    besungenen  Africanus 
war,  sondern  ein  Werk  des   jüngeren  Africanus.     Somit    liegt 
eine  Verwechslung    des    älteren    und   jüngeren    Africanus    vor. 
Diese  kommt  aber  auch  sonst  vor:  bei  Polyaen  VIII  16  (Hertz 
in  Fleckeisen's  Jahrbüchern  97,  571).  Und  Polyaen  ist  ein  ge- 
schichtlicher Schriftsteller,    ein  Quellenschriftsteller    für  antike 
Geschichte,    Horaz    aber   ist    ein  Dichter    und  zwar  einer,    der 
serm.    I    9,    51    selber    darauf   anspielt,    dass    er    auf  doctrina 
weniger  Anspruch  mache,  als  z.  B.  Vergil.  Auch  Lucian  dialog. 
mort.   12  nennt  den  Sieger  von  Zama  als  xaOeXwv  von  Karthago, 
confundiert    also    ganz  in  der  gleichen  Weise,    wie  hier  Horaz 
die  beiden  Scipionen,    indem    er    die    beiden   grössten   Helden- 
thaten,    die  Besiegung  Hannibals  und  die  Zerstörung  Karthagos, 
Einem  zuweist.    Noch  einmal  findet  sich  bei  Horaz    selbst  die 
gleiche  Verwechslung  beider  Scipionen    serm.  II  1,  71  ff.,    wo 
ihm  offenbar  das  vorschwebt,  was  Cicero  vom  älteren  Africanus 
sagt:    offic.    III.  §.   2:    Ille   enim   requiescens    a    reipuhlicae  pid- 
cherrimis    miaiei  ibus    otium    sibi    sumehat    aliquando    et    e    coetu 
hominum  frequentiaque    interdum  tamquam  in  portum  se  in  soli- 
tudinem   recipiebat.     Ebenfalls    eine    Verwechslung    zweier    Sci- 
pionen   dürfte   jener    Erzählung    aus    dem    zweiten    punischen 
Kriege  bei  Livius  XXIX  14  zu  Grunde  liegen.     Hand  parvae 
rei   iudicium   senatum    tenebat,    qiii   vir    optimus  in  civitate  esset; 
veram  certe  victoriam  eins  rei  sibi  quisque  malle    quam    idla   im- 
peria  konoresve  suffragio  seu  patrum  seu  plehis  delatos.  P.  Scipio- 
nem    Cn.  filium   (den  Sieger    bei  Zama)    eius^    qui   in    Hispania 
ceciderat^    adulescentem    nondum   quaestorium  itidicaverwif  in  tofa 
civitate  virum  bon(or)um  Optimum  esse.  Diese  feierliche  Erkläi  ung: 
Scipionem  ,optimum  esse  virum'  hat  ohne  Zweifel  in  Wirklichkeit 
einen  ganz  anderen,    unbedeutenderen  Scipio  betroffen   und  ist 
erst  von  diesem  durch  eine   den  Schriftstellern    aufzubürdende 


Strome  der  .grossen'  Kritiker  folgend,  eine  Interpolation  sieht)  sagt 
p.  LVII  der  Praefatio  zu  seiner  Textausgabe  des  Horaz:  ,Notandum 
tarnen  Flaccum  in  satiris  et  epistulis  .saepe  admittere  hephtheniinicrim 
sine  trithemimeri  .  .  .  Talia  nuniquam  in  ianibis  ac  nielicis  rejicTiuntur, 
nisi  seniel  iniecto  nomine  proprio  (c.  1  28,  29):  Ab  love  Neptunoquc 
sacri      custode  Tarenti'. 


164  Keller. 

Confusion  auf  den  Sieger  von  Zama  übertragen  worden. 
Ursprünglich  bezog  sie  sich  auf  L.  Scipio,  den  Sohn  des  Bar- 
batus,  vgl.  die  Inschrift  seines  Sarkophags  C.  I.  L.  I  nr.  32: 
Hone  oino  ploirume  cosentiont  R(omai)  duonoro  optumo  fuise 
viro  Luciom  Scipione.  Beide  Brutus  M^erden  verwechselt  bei 
Servius  ad  Verg.  Aen.  III  67.  Bei  Horaz  selbst  haben  wir 
noch  andere  historische  Irrthümer.  Was  er  von  Thespis  sagt 
a.  p.  276,  ist  uuhistorisch,  und  in  der  Erzählung  von  Lucullus 
epist.  I  6,  40  macht  er  sich  grosser  Uebertreibung  schuldig. 
Geographische  Verstösse  finden  sich  bei  Tacitus  und  Anderen, 
z.  B.  Agric.  14:  Mona  ^=  Anglesey  statt  =  Man.  Gegen  die 
Naturgeschichte  vergeht  sich  Horaz  und  ohne  Zweifel  schon 
sein  Original  in  epist.  I  1,  29.  Es  ist  zwar  übertrieben,  wenn 
man  in  moderner  Zeit  schon  gesagt  hat:  ,Dichter  haben  das 
Privilegium,  sich  nicht  um  Thatsachen  kümmern  zu  dürfen', 
oder  wenn  man,  was  auf  das  ziemlich  Gleiche  hinauskommt, 
mit  Glareanus  die  Q'j^ymiq  beider  Scipionen  als  poetische  Licenz 
erklärt.  Aber  ehe  man  zu  Interpolationshypothesen  schreitet, 
dürfte  man  sich  allerdings  vergegenwärtigen,  dass  selbst  den 
gebildetsten  Dichtern  aller  Zeiten  Aehnliches  passiert  ist,  wie 
hier  dem  Horaz.  Wie  alt  ist  Hermann  in  Goethe's  , Hermann 
und  Dorothea^?  Niemand  hält  ihn  für  jünger  als  fünfundzwanzig 
Jahre.  Und  doch  erzählt  die  Mutter,  es  sei  an  einem  Montag 
Morgen  vor  nunmehr  zwanzig  Jahren  gewesen,  dass  der  Vater 
ihr  seine  erste  Liebeserklärung  gemacht  habe.  Und  dieser 
Anachronismus  ist  nicht  der  einzige.  Die  Mutter  geht  durch 
Garten,  Feld,  Weinberg  und  sieht  die  Fülle  der  Trauben,  unter- 
scheidet auch  bereits  die  reifenden  der  einzelnen  Sorten.  Gleich 
darauf  wird  erwähnt,  dass  die  Ernte  folgenden  Tages  anheben 
solle;  Juli  und  September  (wenigstens  Ende  August)  sind  ver- 
wechselt. Der  als  Shakespearekritiker  berühmte  Rümelin 
schliesst  diese  in  seinen  Reden  und  Aufsätzen  niedergelegten  Be- 
obachtungen mit  folgender  Warnung,  S.  386:  ,Wenn  unter  den 
denkbar  günstigsten  Umständen  einer  dichterischen  Composition 
derartige  Widersprüche  und  Mängel  sich  dauernd  einnisten 
können,  was  müssen  wir  dann  für  möglich  halten  in  Schrift- 
werken oder  Dichtungen,  die  noch  von  jugendlichen,  minder 
welterfahrenen  Autoren  verfasst,  .  .  .  aus  dunkleren  Zeitaltern 
stammen ,    dem  Verfasser    nie   gedruckt   und   übersichtlich  vor 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  ilcr  horazischen  Oden.  165 

Augen  lagen?    Die  Philologen  beachten  diess  nicht  genug;    sie 
schliessen  zu  leicht  und  rasch  auf  falsche  Lesarten,  Verschieden- 
heit der  Verfasser,  oder  suchen  sie  das  Widersprechende  durch 
künstliche  Mittel  in  Einklang  zu  bringen'.  —  Man  hat  an  unserer 
Stelle    schon    alle  drei  Mittel  sattsam  versucht;    man   hat  Con- 
jecturen    gemacht,    in    dispendia    (G.   Hermann),    oder   impendia 
(Cuningham),  oder  stipendia  (Döring  und  Alfr.  Wiedmann),  statt 
mce»KZ/a.- Niemand  hat  aber  eine  dieser  wohlgemeinten  Aenderun- 
gen  meines  Wissens  in  den  Text  aufgenommen;  sie  haben  auch 
ausserordentlich   wenig   Bestechendes    oder   gar  auf  die  Dauer 
Ueberzeugendes.   Den  zweiten  Ausweg,  Annahme  verschiedener 
Verfasser  (Interpolation),  haben  wir  schon  erwähnt;  ihn  haben 
Bentley,    Buttmann,    Bernhardy,    Lachmann,    Meineke,    Haupt, 
Linker,  Martin,  L.  Müller,  Prien,  Schütz,  Nauck,   Conrads  und 
Andere    eingeschlagen.     Auch    das    letzte  Mittel,    das   bei   der 
Bibelexegese  früher  so  gewöhnlich  war,    ,das  Widersprechende 
durch  künstliche  Mittel  in  Einklang  zu  bringen',  ist  hier  versucht 
worden,    besonders  von  Orelli,    welchem  Dillenburger,  Düntzer 
und  Andere  beipflichten.   Man  sagt,  die  Ungenauigkeit  sei  nicht 
so  gross;  Horaz  verwechsle  bloss  das  Verbrennen  der  Schiffe  und 
des  Hafens    mit    einem  Verbrennen  der  Stadt  Karthago  selbst. 
Allein  man  kann  das  Verbrennen  einiger  zum  Hafen  gehöriger 
Gebäude  kaum  ein  , Verbrennen  des  Hafens'  nennen,  der  doch 
hauptsächlich    aus    unverbrennbaren    Stöindämmen    nebst    dem 
dadurch  eingeschlossenen  Wasser  besteht.  Und  das  Verbrennen 
der  Flotte  Karthagos  mit  dem  weltberühmten  wirklichen  Brande 
Karthagos  in  der  Stunde  seines  Todeskampfes  zu  verwechseln, 
das    bliebe    immer    noch    ein    starker  L-rthum.     Es  bleibt  pure 
Unnatur    und    Spitzfindigkeit,    die    incendia    Karthaginis    (mau 
beachte  auch  den  Pluralis,  etwa  unser  , Riesenbrand'  —  es  war 
ein    Brand    wie    der    von    Hamburg)    auf   die  Vernichtung    der 
punischen  Flotte  im  Hafen  Karthagos  zu    beziehen.     Wie  Na- 
poleon und  der  Brand  von  Moskau,    Tilly    und  die  Eroberung 
von  Magdeburg,  Mummius  und  die  Zerstörung  von  Korinth  u.  s.  w, 
zusammengehören,    so    auch  Scipio  Aemilianus   und  der  Brand 
von    Karthago.     Aus  , Scipio   und    dem   Brande    von   Karthago' 
den    älteren  Scipio    und    seine  Verbrennung  der  karthagischen 
Flotte  herauszudemonstrieren,  weil  diese  Deutung  den  betreffen- 
den Schriftsteller   von    einem  Vorwurfe    befreit,    der  jedenfalls 


166  Keller. 

auch  andere  Sehnftsteller  des  Alterthums  trifft,  das  halte  ich 
für  eine  unwahre,  unwissenschaftliche  Art  der  Interpretation. 
Geben  wir  ruhig  den  historischen  Irrthum  des  Horaz  zu:  als 
Dichter  bleibt  er  dennoch  gross.  Der  dritte  und  schwächste 
Einwand  gegen  V.  17,  übrigens  nicht  gegen  diesen  allein  und 
speciell,  wird  erhoben  auf  Grund  des  Vierzeilengesetzes.  Diese 
Meineke'sche  These  ist  für  jManche  ein  Dogma  geworden,  an 
dem  zu  rütteln  die  grösste  Ketzerei  ist.  Doch  haben  sich  auch 
schon  sehr  entschiedene  Stimmen  dagegen  hören  lassen,  z.  B. 
Düntzer,  Einleitung  zu  seiner  Horazausgabe  S.  18.  Und  min- 
destens für  das  IV.  Buch  der  Oden,  das  sich  ja  in  mehreren 
Aeusserlichkeiten  wesentlich  von  den  ersten  drei  Büchern  unter- 
scheidet, ist  das  Gesetz  durchaus  unbewiesen  (siehe  J.  Häussner, 
de  Hör.  c.  IV  8,  Programm  des  Gymn.  zu  Freiburg  im  Br. 
1876).  Da  sich  unser  Gedicht  zwar  mit  zwei,  aber  nicht  mit 
vier  dividieren  lässt,  so  hat  man  versucht,  2,  6,  10,  14  Verse 
auszuwerfen  oder  auch  (an  verschiedenen  Stellen)  zwei  Verse 
einzuschieben.  Diess  sind  lauter  gewaltthätige  und  werthlose 
Manipulationen.  Häussner  a.  a.  O.  führt  aus,  dass  auch  weder 
bei  dem  Metriker  aus  der  Zeit  Neros,  Caesius  Bassus,  eine 
Spur  des  Meineke'schen  Gesetzes  sich  zeigt,  noch  dass  in  den 
lyrischen  Partien  der  Tragödien  Senecas,  trotz  der  vielen  An- 
klänge an  Horaz,  ein  Vierzeilengesetz  zu  Tage  tritt.  Wenn 
man  endlich  sogar  in  einigen  Ueberschriften  der  horazischen 
Oden  die  Zufügung  des  Wortes  Tetracolos  als  ein  urkund- 
liches Zeugniss  für  das  Vierzeilengesetz  hat  nehmen  wollen 
(Usener  im  Rhein.  Mus.  XXIV  343),  so  dürfte  daran  bei 
näherer  Betrachtung  nichts  Stichhältiges  bleiben,  als  dass  in 
c.  IV^  7  der  Urheber  der  Mavortiana  (A'BX'),  also  vielleicht 
Mavortius  selbst  oder  der  Copist  des  Stammcodex  entweder 
durch  einen  Schreibfehler  tetracolos  statt  dicolos  gesetzt  hat, 
oder  dass  jeoer  Mann  wirklich  c.  IV  7  in  vierzeilige  Strophen 
zerlegt  hat.  Mir  ist  die  erstere  Annahme,  die  eines  Schreib- 
fehlers, wahrscheinlicher.  Hier  in  der  achten  Ode  fügt  der 
gleiche  Mann  (A  B'  X')  das  richtige  monocolos  bei ,  während  in 
der  I.  Classe  (ay)  tetracolos  zugefügt  wird;  letzteres  ist  ein 
entschiedener  Irrthum,  Verschreibung  für  monocolos;  denn  es 
liegt  weder  die  geringste  Spur,  noch  der  geringste  Schatten 
von    Wahrscheinlichkeit    vor,    dass    (selbst    eine    Interpolation 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Bucbc  iler  horazischen  Oden.  167 

zweier  Verse  ang-enommen)  noch  im  Archetyp  der  I.  Classe 
unsere  Ode  sich  mit  vier  hätte  dividieren  lassen.  Wir  werden 
also  gut  thun  ,  auf  jenes  ^urkundliche  Zeugniss'  für  das  Mei- 
neke'sche  Gesetz  kein  besonderes  Gewicht  zu  legen.  —  Was 
die  Verdächtigung  der  ganzen  achten  Ode  durch  Kiessling, 
commentatio  Horatiaua  de  carm.  IV  8,  betrifft,  so  schliesse  ich 
mich  den  abwehrenden  Kritiken  von  J.  Häussner  a.  a.  O.  und 
von  Fritzsche  in  Bursian's  Jahresbericht  1876  II  S.  232  f. 
vollständig  an.  Letzterer  sagt  unter  Anderem:  ,Es  liegt,  wie 
Häussner  klar  macht,  gar  nichts  Zwingendes  vor,  warum  bei 
den  Worten  marmora  incisa  notis  pithlicis  durchaus  an  Statuen 
zu  denken  sei,  welche  Augustus  setzen  Hess*. 

18.  Auch  an  eius  qui  hat  man  unberufener  Weise  Anstoss 
genommen  und  den  Ausdruck  für  unpoetisch  und  unmöglich 
horazisch  erklärt.  Man  wollte  eben  Gründe  finden,  um  die 
Verse  non  —  i^ediit  (15  med.  —  19  med.)  auszuwerfen.  Horaz 
gebraucht  rs  in  den  Oden  zweimal,  hier  und  c.  III  11,  18.  In 
den  sonn,  und  epist.  dreissigmal,  und  zwar  is  qui  epist.  I  1,  65. 
Hum  qui  serm.  I  3,  80.  4,  88.  id  quod  serm.  II  3,  177,  epist. 
I  1,  24.  eo  quod  serm.  I  4,  108.  ea  quae  epist.  I  1,  47.  II  1,  81. 
Auch  andere  Dichter  scheuen  sich  nicht  vor  der  Verwendung 
von  eius;  so  Ovid.  trist.  III  4,  27.  Senec.  Thyest.  300.  Sehr 
ähnlich  ist  auch  c.  IV  9,  51   non  ille. 

IV  8,  25. 

25.  Ereptum  Sfygiis  fluctihus  Aeacum 
Virtiis  et  favor  et  lingua  potentium 

27.  Vatum  divitihus  consecrat  insuUs. 

Statt  Aeacum  hat  die  III.  Classe  exclus.  X'  u'  und  R - 
aeqiium  fFo'Lbp,  Turic),  ein  Beweis,  wie  Formen  mit  cv  in 
quu  verwandelt  wurden.  Mit  dem  Gerechten,  welcher  den 
Fluthen  der  Hölle  entrissen  wird  (kiest  quemqrunn  homitwm 
iustum  erklärt  gloss.  p),  vgl.  die  ähnlichen  klosterlichen  \'a- 
rianten,  die  zu  c.  IV  6,   14  aufgezählt  sind. 

28.  Dignum  laude  vivum  Musa  vetat  mori. 

28.  Diesen  eine  abgeschlossene  Sentenz  bildenden  Vers 
werfen  Viele    aus,    welche    eben    gerne    irgend    einen  Vers  des 


168  Keller. 

Gedichtes  aus  einem  gewissen  mitgebracliteu  Grunde  vertilgen 
möchten:  Lachmann,  Haupt,  Conrads,  L.  Müller,  Nauck  u.  s.  w. 
An  sich  ist  der  Vers  durchaus  unschuldig,  d.  h.  ohne  wirkliche 
Handhabe  für  eine  Unechterklärung;  er  passt  ganz  gut  in  den 
Zusammenhang.  Seine  Ankläger  nennen  ihn  pleonastisch.  Vgl. 
aber  z.  B.  c.  I  28,  15  f.:  Sed  omnis  una  manet  nox  et  calcanda 
semel  via  leti  und  V.  19  f.:  Nulluni  saeva  capuf  Proserpina 
fugit.  Wer  will  einem  Dichter  je  und  je  üppige  Fülle  des 
Ausdrucks  verbieten? 

29.  Caelo  Musa  heat.  sie  lovis  interest 

Optatis  epulis  impiger  Hercules, 
31.  Ciarum   Tyndaridae  sidus  ah  inßmis 

Quasfias  eripiunt  aequorihus  rates, 
33.    Ornatus  viridi  tempora  pampino 

Liber  vota  bonos  ducit  ad  exitus. 

33.  Dieser  Vers  wird  aus  den  gleichen,  keineswegs  im 
Verse  selbst  liegenden  Gründen  für  unhorazisch  erklärt  von 
Lachmann,  Haupt,  L.  Müller  und  Anderen.  Er  soll  eine  Wieder- 
holung von  c.  III  25,  20  sein :  cingentem  viridi  tempora  pampino. 
Horaz  wiederholt  sich  aber  nicht  ungerne,  vgl.  c.  I  12,  3 
iocosa  imago  und  I  20,  6.  I  1,  17  rates  quassas  und  in  unserer 
Ode  V.  32.  c.  III  17,  4  memores  fasti  und  c.  IV  14,  4  (Ritter). 
Durch  Auswerfung  von  V.  33  wird  Bacchus  seines  Epithetons 
beraubt,  das  ihm  so  gut  gehört,  als  den  Tyndariden  und  dem 
Hercules  die  ihrigen  (darum,  nämlich  sidus,  und  impiger).  Auch 
haben  Hercules  und  die  Tyndariden  je  zwei  Verse,  also  ver- 
langt die  Concinnität  auch  für  Bacchus  zwei  Verse.  Auch  ist 
der  Vers  als  Andeutung  der  typischen  Darstellung  des  Gottes 
in  Plastik  und  Malerei  —  also  als  plastisches  Element  —  ganz 
der  horazischen  Dichtweise  entsprechend. 

34.  ducit  —  duxit].  1.  und  III.  Classe  ducit,  11.  Classc 
(A'  B  X'  g,  also  Mavortius)  duxit.  Der  Archetyp  hatte  somit 
ducit,  was  festzuhalten  ist. 

IV  9. 

13.  Non  sola  coviptos  arslt  adulteri 
Crines  et  aurum,  vestibus  inlitum 


Kritische  Beiträge  zum  IV.   Buche  der  horazischen  Oden.  169 

15.  Mirata  regalisque  culUis 

Et  comites  Helene  Lacaena; 
17,  Primusve  Teticer  tela  Cydoneo 

Direxit  arcu,'  non  semel  Ilios 
19.    Vexata ;  non  piignavit  ingens 

Idomeneus  Sthenelusve  solus 
21.   Dicenda  Musis  proelia;   non  ferox 

Hector  vel  acer  Deiphohus  gravis 
23.  Excepit  ictus  pro  pvdicis 

Coniugibus  puerisque  primus. 

19.  non  —  nec\  non  steht  in  A' B  X' g  o' u  L  a'  und  i^  pr., 
nee  in  FK-j-v;  C  D' J\T  (Mellicensis)  fehlen  hier.  Also  ist  nee 
entschieden  schwächer  bezeugt.  Dazu  kommt,  dass  das  Original 
der  I.  Classe  (R  v,  bisweilen  auch  F)  eine  auffallende  Vorliebe 
für  willkürliche  Einführung  von  nee  zeigt.  Z.  B.  c.  I  22,  2 
nee  A'CD'RM.  c.  III  5,  27  nee  y  C  t  R  M.  c.  III  11,  43  nee 
yCtRM.  c.  III  21,  19  nee  yCtRM.  epod.  16,  52  nee  ayM. 
In  diese  Reihe  fügt  sich  unser  hauptsächlich  durch  y  R  bezeugtes 
nee  von  selber  ein.  Es  ist  also  abzuweisen.  Hier  wollte  der 
Hersteller  der  I.  Classe  die  einförmigen  drei  non  V.  18.  19.  21 
durch  Abwechslung  zwischen  non  und  nee  verbessern.  Dem- 
nach ein  gleicher  Hergang  wie  c.  IV  9,  8  bei  Sthenelusve. 
Beidemal  sind  die  speciosen  Sonderlesarten  abzuweisen.  Ganz 
schlagend  ist  auch  die  Parallele  c.  IV  8,  9,  wo  wir  neben 
non  .  .  .  non  die  schlecht  bezeugte  Variante  non  .  .  .  nee 
(in  S'  L)  haben. 

29.   Pallium  sepidtae  distat  inertiae 

Celata  virttis.  non  ego  te  meis 
31.  Chartis  inornatum  sileri 

Totve  tuos  patiar  lahores. 

31.  sileri  —  sileho].  Ich  lese  hier  im  Gegensatz  zu  den 
meisten  Herausgebern  sileri,  weil  ich  nicht  glaube,  dass  die 
Aufnahme  von  sileho  durch  den  Sinn  durchaus  gefordert  wird. 
Schütz  nimmt  sileho  auf  und  sagt:  ,Es  ist  wohl  bezeichnender. 
Horaz  will  nicht  schweigen,  weil  er  sonst  dulden  w^ürde,  dass 
Lollius'  Thaten  in  Vergessenheit  geriethen'.  Sileho  ist  oflfenbar 
eine  parallele  Variante  zu  V.  52  peribit  statt  perire.  Perihit 
und    Hileho    werden    miteinander    stehen    und  fallen.     Nun  liest 

Sitzungsber.  d.  phil.-hi.st.  Cl.  XC    Bd.  I.  Hft.  1-' 


170  Keller. 

man  ganz  allg-emein  perire  und  weist  perthit  ab;  jeder  Heraus- 
geber liält  perihü  für  falsch  oder  behandelt  es  wenigstens  so. 
Also  spricht  schon  ein  starkes  Moment  gegen  süeho.  Ich  halte 
beide  Lesarten  für  absichtliche  Emeudationsversuche  des  Ma- 
vortius;  bei  süeho  mochte  er  an  c.  I  12,  21:  Neque  te  sileho 
denken.  Die  I.  und  HL  Classe  haben  süeri,  die  IL  Classe 
inclus.  Mavortius  hat  sileho:  A' B  a  g.  Liest  man  sileri,  so 
thut  man  wohl  besser,  es  nicht  mit  Bentley  zu  interpretieren: 
No7i  patiar  te  sileri  meis  chartis,  sondern  lieber:  Non  ego  te 
chartis  meis  inornatum  patiar  sileri,  hoc  est  mdlam  tui  apud 
posteros  Tiientioneni  esse. 

c.  IV  9,  45-52. 

Non  possidentem  miilfa  vocaveris 
Rede  heafum;  rectins  occupat 
Nomen  heafi,  qui  deorum 
Whinerihus  sapienter  uti 
JDuramque  callet  ptciuperiem  pati, 
Peivsque  leto  fla^itium.  timet, 
Non  nie  pro  caris  amicis 
Aut  patria  timidus  perire. 

52.  perire  —  perthit^  Letzteres  bloss  in  A'  B  )/,  also  eine 
mavortische  Lesart.  Dass  man  sie  abzuweisen  hat,  ist  schon 
zu  V.  31  bemerkt.  Diese  auf  den  ersten  Blick  unpassende 
Aenderung  von  ^^ertVe  zu  perihit  ist  ein  wichtiges  Moment  zur 
Schätzung  der  Sonderlesarten  von  A'  B  X',  resp.  A'  B'  X' 
oder  A  X '. 

c.  IV  10. 

1.  0  crvdelis  adhuc  et   Veneris  munerihus  potens, 

Insperafa  tuae  cum  venief  phima  snperhiae 
3.  Et,  quae  nunc  umeris  involitant,  deciderint  comae, 

Nunc  et  qui  color  est  puniceae  flore  prior  rosae, 
5.  Mutatus,  Ligunne,  in  faciem  verterit  hispidam, 

Dices  ,heu'  quotiens  te  speculo  videris  alterum, 
7.  ,Q,uae  mens  est  hodie,  cur  eadem  non  puero  fuit, 

Vel  cur  his  animis  incolumes  non  redeunt  geiiae?' 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  1  i  1 

5.  Ligm-ine  soll  in  zwei  Handschriften  des  Torrentius 
stehen,  statt  des  in  allen  unsern  Handschriften  überlieferten 
lignrintmi;  nur  in  o  stehen  die  Buchstaben  rinn  von  zweiter 
Hand  auf  Rasur;  doch  wird  das  nichts  für  Ugnrine  bedeuten. 
IVIan  erwartet  aber  entschieden  eine  Anrede.  Auch  kann  man, 
sagt  Bentley,  schwerlich  logisch  richtig  sagen:  die  Purpurfarbe 
der  Wangen  verwandelt,  verändert  den  Lignrinus  in  ein 
struppiges  Antlitz,  wohl  aber:  die  Purpurfarbe  deiner  Wangen 
verwandelt  sich  u.  s.  w.  Auch  Düntzer  erklärt  die  Anrede  für 
durchaus  nothw endig;  wenn  er  aber  dann  fortfährt,  das  besser 
bestätigte  Ligurinum  sei  unpassend,  so  hätte  er  vielmehr  sagen 
sollen,  dass  es  die  allein  sicher  überlieferte  Lesart  ist.  Ent- 
standen ist  dieser  Fehler  des  Archetyps  durch  oberflächliche 
Construction,  indem  man  glaubte,  zu  verterit  gehöre  ein  Objects- 
accusativ.  Vgl.  den  Fehler  non  ante  versum  für  verso  c.  HI  29,  2. 
Torrentius-Bentlej's  Besserung  ist  somit  anzunehmen. 

6.  te  speculo  —  te  in  speculo]  te  in  speciilo  A'  B  V  g, 
(also  Mavortius,)  Lambin,  Bentley,  Obbarius,  Schütz  und  Andere; 
te  speculo  I.  und  HI.  Classe.  In  poetischer  Sprache  wird  bei 
speculo  und  speculis  in  häufig  weggelassen,  so  Lucret.  IV  96. 
Ovid.  a.  a.  III  681.  Martial.  II  66,  3.  speculo  wird  dabei  als  In- 
strumentalis gefasst.  Daher  natürlich  Verg.  ecl.  2,  25:  Me  in 
litore  vidi.  Prosaisch  steht  in  speculo  Cic.  in  Pison.  29,  71  und 
schol.  m  zu  epist,  I  5,  23:  Significat  se  habere  vasa  argenfea 
et  cliscum  argenteum,  uhi  imaginem  siiam  quasi  in  speculo  videat. 
Darum  erklärt  schol.  m  unsere  Stelle  hier  durch  Ellipse  von  in: 
,te  spectdo]  in'.  Das  schlecht  bezeugte,  prosaische  te  in  speculo 
ist  auch  desswegen  unmöglich,  weil  im  IV.  Buche  keine  langen 
Vocale  elidiert  werden,  ausgenommen  c.  1,  35  f.  decoro  Inter  und 
etwa  3,  24  spiro  et,  wo  aber  das  o  in  spiro  als  anceps  oder 
kurz  anzusehen  sein  dürfte.  Es  ist  also  die  besonders  durch 
Bentley's  Schild  gedeckte  mavortische  Lesart  in  abzuweisen. 
Vgl.  auch  c.  I  9,  23  die  Interpolation  von  a  bei  lacertis  in 
ß,  ebenso  von  a  bei  capeUis  in  3  corr    c.  I  17,  3. 

IV  12. 

13.  Adduxere  sitim  tempora,    Vergili. 
Sed  pressum  Calibus  ducere  Liberum 

12* 


172  Keller. 

15.   Si  gesfis,  iuvenum  noJnlium  cliens, 
Nardo  vina  merehere. 

16.  merehere  —  mereheriff]  merehere  I.  und  II.  Classe, 
Mavortius  (A  X'  q  g)  und  von  der  III.  Classe  noch  e.  Sonst  ist 
über  die  III.  Classe  die  granimatisierende  Aenderung  mereheris 
verbreitet.     In    o    steht   merehris;   diess   ist    ohne    Zweifel    ent- 

ris 

standen  aus  merehere,  wobei  der  unter  re  befindliche  Tilgung-s- 
strich  von  einem  ungelehr.ten  Schreiber  als  auch  für  das 
vorhergehende  e  giltig  angesehen  wurde,  Dass  ris  darüber 
geschrieben  zu  werden  pflegte,    sehen  wir  z.   B.  serm.  I  2,  91, 


ris 


wo  wir  in  R  lesen:  contemplere,  ris  von  zweiter  Hand  darüber 
geschrieben.  Pseudoacron  erklärt:  ,Merehe7'e]  viereheris'.  Mere- 
heris ist  also  einfach  eine  grammatisierende  secundäre  Lesart. 
Der  Archetyp  bot  m.erehere,  die  poetischere,  seltenere,  ge- 
wähltere Form.  Dass  diese  Form  zu  poetisch -rhetorischer 
Wirkung  verwendet  wurde,  dafür  ist  wohl  das  bekannteste 
Beispiel  der  Anfang  der  ersten  catilinarischen  Rede  Ciceros: 
Quousque  tandem  ahutere,   Catilina,  pattentia  nostra? 

IV  13. 

17.  Quo  fiigit  venus  heu,  qiiove  color'?  decens 

Quo  motus?  quid  Jiahes  illius,.  iilius, 
19.  Quae  spirahat  amores, 

Quae  m.e  surpuerat  mihi, 
21.   Felix  post  Cinaram,  nofaque  et  artium 

Grntarum  facies'^  sed  Cinarae  brevis 
23.         Annos  fata  dederunt, 

Servatura  diu  parem 
25.   Cornicis  vetulae  temporihus  Lycen, 

Possenf  ut  iuvenes  visere  fei'vidi 
27.         Mtdto  non  sine  risu 

Dilapsam  in  einer  es  facem. 

28.  DHapsam  —  Delapsam].  Nach  den  Parallelstellen  ist 
Dilapsam  vorzuziehea.  Vgl.  Lactantius  II  4,  5:  Tecta  con- 
sumpfa  incendio  dilahnntur  in  cineres.  XIII  13,  3:  In  cineremque 
dilapsam.   Lucil.  Aetn.  421 :    In  cinerem  piäresque  iacet  dilapsus 


Kritische  Beiträge  zum  IV.   Buche  der  horazisrhen  Oden.  173 

harenas.  Hier  bei  Horaz  sind  beide  Lesarten  gleich  gut  bezcujut, 
delnpsam  in  den  Handschriften  besser,  dilapsam,  was  nur  in  der 
ni.  Classe  (ohne  R  X')  steht,  in  den  Scholien.  Wo  es  sich  uiu  die 
ausserordentlich  hcäufige  Verwechslung  von  i  und  e  handelt, 
müssen  Sprachgebrauch  und  Sinn  entsclieiden.  Dass  der  erstere 
für  dilahi  ist,  sahen  wir  an  den  angeführten  Beispielen.  Der  Sinn 
ist  richtig  entwickelt  von  Gesner:  Dum  fax  ixndatim  conaumitur, 
dilahuntur,  disperguntur  cineres:  Wie  die  Fackel  zu  Asche 
zerstiebt,  so  verlöschen  alle  ihre  Reize !  Man  sieht  dass  der 
Plural  cineres  sehr  passend  gewählt  ist.  Nauck  zieht  in  cinerem 
facem  wegen  des  Reimes,  der  Handschriften  und  des  Sprach- 
gebrauches vor;  cinevem  ist  aber  sehr  schlecht  bezeugt  und 
gibt  sich  deutlich  als  Interpretationsglossem  (schol.  V  inter- 
pretieren unter  Anwendung  der  Phrase  in  cinevem).  Bloss  o' 
und  Turic.  haben  cinerem.  Alle  andern  Handschriften  und  Acr. 
und  Porphyr,  und  schol.  F  A  haben  cineres,  was  also  ohne  alle 
Frage  im  Archetyp  gestanden  hat.  Dass  der  Sprachgebrauch 
keineswegs  gegen  in  cineres  dilahi  ist,  zeigen  die  zuerst  citierte 
Lactantiusstelle,  Ovid.  met.  H  628,  Verg.  Aen.  VI  226,  Valer. 
Max.  V  3. 

IV  14. 

1.  Quae  cura  patrum  qiiaeve  Quiritium 

Plenis  bonorum  muneribus  tuas, 
3.         Auguste,   virtntes  in  aevom 

Per  titulos  memoresque  fastus 
5.  Afternet,  o  qua  sol  hahitabilis 

lUustrat  oras,  maxime  prlacipuvi) 

4.  fastus  —  fastos]  I.  und  II.  Classe  Mavortius  (A  l  g 
und  A  corr.),  nebst  F  R  z  7:  a'  Tur.  sind  für  fastus,  ebenso  X  corr. 
Fastos  haben  B  ^  X  pr.  u  L  p  c  s  Ac.  der  Codex  des  Victorinus 
de  metris  Horatii  p.  181  bei  Keil  hat  leider  nur  .fa\  Gleich 
nach  titulos  folgend  ist  fastos  für  den  Abschreiberstandpunkt 
die  lectio  facilior.  Da  also  fastus  hier  besser  bezeugt  ist,  so 
vermuthe  ich,  dass  es  von  Horaz  der  Abwechslung  wegen  gewählt 
worden  ist,  weil  titidos  vorhergieng.  Gewiss  aus  gleichen  Rück- 
sichten auf  Tonfall  und  Woi  tklang  sagt  er  z.  B.  das  einemal : 
Argexis  c.  II  6,  5,  das  andereraal  Argivus  c.  III  16,  12.  Pph.' 
hat  fasces,    wieder    eine    falsche    Variante.     Die    Form  fastus 


174  Keller. 

statt  fastos  wird  durch  Priscian  VI  72  gerechtfertigt.  Auffällig 
bleibt  es  immerhin,  dass  Horaz  hiev  fastus,  dagegen  c.  III  17,  4 
fastos  (und  IV  13,  15,  wo  eine  Aenderung  nicht  denkbar  ist, 
fastis)  gesagt  haben  soll.  Dennoch  wird  man  sich  hier  für 
fastus  entscheiden  müssen.  Horaz'  Nachahmer  Claudianus  de  IV 
cons.  Honor.  155  hat  nach  cod.  G  auch  den  Accusativus  fastns. 

5.  sol  —  lux]  lux  II.  Classe  A'X':  B  und  C  fehlen,  die 
andern  Handschriften  haben  sol,  was  somit  als  archetjpische 
Lesart  anzusehen  ist.  Lux  ist  eine  mavortische  Lesart,  eine 
mir  neben  dem  gleichfolgenden  Illustrat  ziemlich  unbegreifliche 
Aenderung,  parallel  dem  noch  unfasslicheren  inpressa  cupressus 
Euro  statt  inpulsa  c.  E.  c.  IV  6,  10.  Mavortius  scheint  eben 
im  IV.  Buche  und  in  den  Epoden  etwas  zu  viel  und  zu  leicht 
emendiert  zu  haben, 

17.   Spectandns  in  certamine  Martio 

Devota   morti  pectora  liberae 
19.  Quantis  f atigaret  ruinis, 

Indomitas  propje  qualis  undas 
21.  Exercet  Auster,  Pleiadum  choro 
Scindente  nuhes,   impiger  hostium 
23.  Vexare  turmas  et  frementem 

Mitter e  equom  medios  per  ignes. 

24.  Statt  medios  per  ignes,  wie  jedenfalls  der  Archetyp 
gehabt  hat,  wollte  Bentley  medios  per  enses,  Hamacher  medios 
per  ictus.  Obbarius  zu  epist.  I  1,  46.  Heindorf  zu  sat.  I  1,  39. 
Bach  zu  Ovid.  met.  XIV  109  zeigen,  dass  die  überlieferte 
Wendung  eine  sprichwörtliche  Redensart  zur  Bezeichnung 
grosser  Gefahren  war.  Vgl.  besonders  den  Nachahmer  des 
Vergil  und  Horaz,   Silius  Ital.  XIV  175  f.: 

Si  tibi  per  medios  ignes  mediosque  per  enses 
Non  dederit  mea  dextra  viam. 

derselbe  XV  41 :  Per  medias  volitare  acies  mediosque  per  ignes. 

25,  Sic  tauriformts  volvitur  Aufidus, 

Qui  reg  na  Datmi  praefluit  Apuli, 
27.      Cum  saevit  horreudamque  cultis 
Dilnviem  medif.atur  agris, 


Kritische  Heitriige  zum   IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  1  75 

29.    Ut  barbarorum  Claudius  agmina 

Ferrata.  vasto  diruit  impetu, 
31.         Primosque  et  extremos  metendo 

Stravit  humum,  sine,  clade  victor. 

28.  meditatur  —  mimtatur].  Eiue  uralte  Variaute,  hin- 
sichtlich der  auch  die  Gelehrten  des  Alterthunis  auseinander- 
gehen. Servius  citiert  wiederholt  zu  Georg.  III  153  und  zu  Aen. 
IV  171  meditatur;  Nouius  p.  218  ed.  Quicherat  las  offenbar 
minitatur,  denn  seine  Handschriften  haben  minatur;  schol.  F 
las  meditatur:  melius  dixisset  facit  quam  meditatur.  Diess  ist 
aus  Porpliyrion,  welcher  bietet:  male  dixit  meditatur  (so  ist 
natürlich  mit  Fabricius  zu  lesen,  besonders  wegen  condiscere, 
nicht  —  mit  W.  Meyer  —  minitatur),  quia  in  ipso  actu  est  nee 
debet  cogitare  aut  condiscere  id  quod  iam  facit.  Mavortius  (A  // 
g  g)  las  minitatur.  Die  I.  Classe  der  Horazhandschriften  hatte 
meditatur  (a  y  R),  die  III.  (F  o' u'  und  -')  und  die  Horazhand- 
schrift,  welche  auf  die  Lemmata  Porphyrions  von  Einfluss  war, 
hatte  minitattir;  in  der  7:'-Familie  waren  beide  Lesarten  neben- 
einander: minitatur  •::' b,  meditatur  R  a.  Kurz  es  scheint,  wie 
gesagt,  eine  uralte  Variante  vorzuliegen,  die  vielleicht  schon 
im  Archetyp  gestanden  hat.  Sehr  schade,  dass  die  B  C-Familie 
fehlt,  so  können  wir  also  nur  an  die  übrigen  Handschriften 
uns  haltend  aussprechen:  L  Classe  meditatur,  III.  Classe  nebst 
u'  und  Mavortius  minitatur.  Porphyrio  und  Servius  meditatur, 
Nonius  7ninitatnr.  Vergleichen  wir  die  Variante  mollivit  — 
moUibit  c.  III  23,  19,  so  lässt  sich  nicht  ohne  weiteres  be- 
haupten, dass  minitatur  besser  bezeugt  sei  als  meditatur,  sondern 
es  fragt  sich  nun,  da  die  Ueberlieferung  an  sich  keine  Ent 
Scheidung  gibt,  ob  der  Sinn  oder  der  Sprachgebraucli  mehr 
für  minitatur  sprechen  oder  für  meditatur.  Dem  Sinne  nach 
düi'ften  beide  Worte  gut  passen:  meditari  wegen  der  Parallel- 
stellen von  den  Stierkämpfen,  wo  rneditari  terminus  technicus 
ist  von  dem,  was  der  zur  höchsten  Wuth  gereizte  Stier 
Tückisches  und  Boshaftes  im  Schilde  führt,  von  seinem  Be- 
nehmen, wenn  er  sich  anschickt,  um  in  rasender  Wuth  auf 
den  Gegner  loszubrechen:  Verg.  Aen.  X  455:  mcditanteni  in 
proelia  taurum.  Sil.  It.  V  315:  pu<jnas  meditantem  (taurum) 
spectat    harena.     Gewiss    passt    das  Wort    hieher,    wo    von    der 


176  Keller. 

Zerstörung'  die  Rede  ist,  welche  der  tnunformis  Außdus  an- 
richten will,  und  es  erklärt  sich  so  auch  sehr  ansprechend, 
warum  Horaz  dem  Aufidus  hier  das  Beiwort  tauriformis  ge- 
geben hat.  Aber  auch  minitari  passt  gut  (vgl.  z.  B.  Valerius 
Maxim.  V  2  von  Coriolan:  Fuaus  ac  tenebras  Romano  imperio 
minantem),  weil  es  mindestens  ebenso  stark,  vielleicht  stärker, 
handgreiflicher  ist,  als  meditari.  Doch  minitari  bleibt  das  ge- 
wöhnlichere, gemeinere,  meditari  dagegen  das  feinere,  gewähltere, 
darum  auch  die  lectio  difficilior,  auf  welche  gewiss  kein  Ab- 
schreiber aus  Oberflächlichkeit  oder  Nachlässigkeit  verfiel, 
während  das  schon  Porphyrion  anstössige  und  von  ihm  nicht 
recht  verstandene  meditatur  Anlass  zur  Abänderung-  bot.  '  (Vgl. 
Vibius  Sequ.  p.  11:  Clanius,  Acerrae  in  Campania,  qui  cum 
creverif,  pestem  terrae  meditattir.  Hier  wäre  also  die  ganz  gleiche 
Ausdrucksweise  wie  bei  Horaz,  wenn  wir  meditatur  lesen. 

35.  Portus  Alexandrea  supplex 

Et  vacuam  patefecit  aidam. 

35.  Alexandrea  —  Alexandria\  Priscian  bezeugt  aus- 
drücklich die  Form  auf  ea  und  zwar  als  die  weniger  gewöhn- 
liche, n  47 :  .....  tarnen  et  Alexandrea  dicitur.  Horaii%is  in 
quarto  carminum: 

Nam  tibi  quo  die 

Portus  Alexandrea  supplex 

Et  vacuam  patefecit  aulam'. 

Die  Scholien  gebrauchen  in  ihren  Anmerkungen  die  gemeinere 
Form  Alexandria,  und  so  hat  diese  hier  unrichtige  Form 
ziemlich  um  sich  gegriffen.  Auch  Mavortius  hat  vielleicht 
Alexandria  geschrieben:  X ,  q  haben  so,  A,  scheint  freilich 
äusserlich  betrachtet  alexandre  gehabt  zu  haben,  was  aber  doch 
fast    zu    sinnlos    ist:    vielleicht    stand  doch,    obgleich  ich  keine 

'  ,Profecto  meditatur  longe  non  .solum  exquisitius  atque  audacius,  et  sie 
magis  et  poeticum  et  lyricum,  sed  etiam  augiistiu.«»  et  gravius,  Iiuiusque  et 
caiminis  et  loci  maiestate  digniu.s  verbuni  est  quam  minitatur;  quod 
quidem  mature  pro  interpretamen to  alÜtum,  et  hinc  a  Hbrariis 
quorum  captui  magis  conveniret,  in  contextnm  illatum  fuisse  luce  clarius 
est.  Omiiino  haee  etiam  metaphora  est,  cum  dicitur  minitari  res  inanima; 
sed  nonne  multo  eadem  vulgarior  et  tritior,  quam  ubi  meditari  dicitur? 
Omnia  haee  agnoscere  noluit  Hentleius,  ut  modo  ab  aliis  discederet.'  Jani. 


Kritische  Beiträge  zum   IV.   Buche  der  hoiazischen  Oden.  177 

Spur  davon  gesehen  habe,  ganz  ursprünglich  ahxandri  wie  der 
Turic.  hat  und  a ,  gehabt  zu  haben  scheint:  die  Endung  ea 
ist  von  a  -i-  g  hat  alexandrea.  Es  bleibt  also  unsicher  wie 
Mavortius  las.  Das  ohne  Frage  horazische  alexandrea  ist  er- 
halten in  R  I  Y  F  %'  B'  g.  Es  scheint  somit,  dass  Mavortius  und 
die  u'-Familie  alexandria  hatten,  die  I.  und  III.  Classe  da- 
gegen mit  Priscian  alexandrea.  B  C  fehlen.  Bei  allen  Namen 
auf  c'.a  ist  ca  die  richtigere  lateinische  Endung,  vgl.  Priscian 
a.  a.  O.  Inschriftlich  Alexandrea  und  Alexsandrea  C  I.  L. 
I  474  aus  dem  Jahre  693  der  Stadt.  Ebenso  schreiben  spätere 
Inschriften  und  Münzstempel. 

49.   Te  non  paveniis  fanera  Galliae 
Duraeque  tellus  audit  Hiberiae, 
51.  Te  caede  gaudentes  Sygamhri 

Compositis  venerantur  armis. 

49.  pavenüs  —  paventes\  jjaoentis  R  F  X'  3'  L  u'  Turic. 
ä'  ß  p  p  [j.  h  n  f  Ac.  pavenfes  A'  g  y  t:  pr.  s  pr.  Die  Scholien  theilen 
sich.  Man  sieht,  dass  der  Archetyp  wahrscheinlich  paventis, 
Mavoi'tius  wahrscheinlich  pavenfes  hatte.  Wegen  des  V.  51 
folgenden  gaudentes  halte  ich  paventis  für  die  lectio  difticilior 
vom  Abschreiberstandpunkte  aus,  paventes  auch  wegen  des 
gleich  folgenden  gaudentes  für  weniger  schön  und  also  weniger 
wahrscheinlich  dem  Horaz  zuzuschreiben  als  paventis.  Bentley 
hat  sich  ohne  überzeugende  Gründe  für  paventes  entschieden, 
die  meisten  neueren  Herausgeber  haben  stillschweigend  paventis 
in  ihren  Text  gesetzt. 

e.  IV  15. 

Ueber  die  Zusammengehörigkeit  oder  Selbständigkeit 
der  vierzehnten  und  fünfzehnten  Ode  sind  die  Ausleger  seit 
uralten  Zeiten  verschiedener  Ansicht,  Porphyrion  bemerkt: 
Quidam  separant  hanc  öden  a  superiore,  sed  potest  Uli  iungi, 
qvoniam  et  hie  laiides  dicnnlnr  Aiignsti.  Mit  dieser  letzteren 
Ansicht  stimmen  A  B,  auch  sollte  nach  Cruquius  die  Ode  ,/// 
codic.  manvscrip.  adhaerere  praecedenti  indivisa'.  Alle  übrigen 
Handschriften  behandeln  die  fünfzehnte  Ode  als  selbständig, 
ebenso  die  Metriker  Diomedes  p.  527  Keil,  Victorinus  de 
metris    Horatii    p.     179    Keil    und    Servius    de    metris    Horatii 


178  Keller. 

p.  470  (vol.  IV Keil).  Die  Ueberschrift  ADDIVVM  A  VGVSTVM 
(in  einigen  Handschriften  wie  in  R 1  ist  ad  und  divvm  noch 
in  alter  Weise  zusammen  geschrieben)  findet  sich  in  sehr  vielen 
codd.,  so  in  a  y  R  F  (also  I.  Classe),  in  X'  o'  a'  p  ::  u  (III.  Classe). 
In  einigen,  wie  in  a  y  X'  u  und  schol.  b,  ist  noch  der  Zusatz 
TETRACOLOS.  Meinem  privaten  Gefühl  nach  beginnt  mit 
Phoebus  volentem  in  der  That  eine  neue  Ode  und  es  hat  somit 
auch  in  diesem  Punkte  die  I.  und  III.  Classe  recht  gegen  die 
II.  Der  gleichen  Ansicht  ist  die  grosse  Masse  der  Herausgeber; 
nur  Nauck  schwankt,  ob  er  nicht  beide  Oden  als  Eine  auf- 
fassen solle.  Der  Zusammenhang  wäre  im  Bejahungsfalle  nach 
ihm  folgender:  ,Als  ich  diese  Kämpfe  besingen  wollte,  hat 
Phöbus  es  nicht  verstattet;  aber  Deine  Zeit,  o  Cäsar,  hat  uns 
die  Segnungen  des  Friedens  gebracht  und  dieser  wollen  wir 
uns  freuend  Bei  der  unleugbaren  Verschiedenheit  des  in  beiden 
Oden  behandelten  StoflPes  und  bei  dem  Fehlen  jeder  Adver- 
sativpartikel zwischen  den  beiden  einander  entgegengesetzten 
Themen  (wie  ganz  anders  heisst  es  z.  B.  c.  II  1,  37: 

Sed  ne  relicHa,  Musa,  procax  iocis 
Ceae  retractes  munera  ueniae  etc.), 

überhaupt  auch  bei  dem  ganzen  Tone  der  ersten  Strophe  von 
Ode  15,  der  unwillkürlich  den  Eindruck  des  Beginns  einer 
neuen  Ode  hervorbringt,  kann  ich  mich  durchaus  nur  für  die 
Trennung  beider  Gedichte  aussprechen. 

.  .  .   Tua,   Caesar,  aetas 
5.  Fruges  et  agris  rettulit  uberes 
Et  Signa  nostro  restituit  lovi 
7.  Derepta  Parthorum  swperhis 

Postihus,  et  vacimm  dueUis 
9.  lanum  Quirini  clausit  .   .   . 

7.  Derepfa  —  Direpta].  R  hat  Directa,  in  u  steht  Direpta, 
aber  ir  von  zweiter  Hand,  also  wahrscheinlich  Decepta  u  ,. 
Alle  andern  Handschriften  haben  Direpta.  Dem  Sinne  nach 
passt  Derepta  entschieden  besser;  direpta  ist  dagegen  im 
höchsten  Grade  unpassend.  Das  richtige  derepta  sollen  zwei 
blandinische  Handschriften  des  Cruquius  enthalten  haben.  Wer 
mag    das    glauben!     Wahrscheinlich    hat    Cruquius    die    Stelle 


Kritische  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden.  179 

oberflächlich  collationiert  und  das  zu  Grunde  gelegte  gedruckte 
Exen)plar  hatte  zufällig  Derepta.  Von  diesem  nun  hatte  sich 
Cruquius  keine  Abweichung  aus  den  fraglichen  zwei  codd. 
notiert  und  zog  dann  fälschlich  aus  seinem  eigenen  Still- 
schweigen den  Schluss,  die  Handschriften  haben  wirklich 
Derepta.  Ueber  die  häufige  Verwechslung  von  deripere  und 
diripere,  wobei  verschiedentlich  deripere,  weil  es  das  viel 
seltenere  Wort  ist,  als  lectio  difficilior  vom  Abschreiberstand- 
punkte untergieng  und  diripere  fälschlich  seine  Stelle  einnahm, 
vgl.  Ribbeck's  Beispiele  aus  Vergil,  proleg.  p.  402. 

9.  lanum   Quirini  clausit  et  ordirtem 
Rectum  evaganti  frena  licentiae 
11.         Iniecit  emovitque  culpas 

Et  veteres  revocavit  artes  .  ,  . 

10.  evcu/anti  —  et  vaganti].  I.  und  IL  Classe  (nämlich 
A'y;  B'  fehlte  nebst  iz'  v  und  Pph,'  evaganti.  Das  dem  Sinn 
nach  unmögliche  et  vaganti  hat  die  III.  Classe.  (R  F )/  a'  u). 
Bei  dem  Corrigieren  von  euaganti  in  et  uaganti  geschah  es, 
dass  von  einem  Abschreiber,  dem  Urheber  von  S',  das  e  sammt 
dem  et  als  getilgt  angesehen  wurde  und  er  bloss  noch  schrieb 
Rectum  vaganti.  In  v  und  er  2  finden  wir  gar  Rectum  uagantique. 
Diess  dürfte  die  späteste  Lesart  sein,  wie  ja  auch  v  jedenfalls 
jünger  ist  als  B'  und  noch  viel  jünger  als  das  gemeinsame 
Original  von  R  F  a  a' u  Ac.  etc.  (nämlich  phpfßc,  ut  vid.). 
Einen  Sinn  gibt  nur  evaganti,  und  diess  ist  auch  für  den  Ab- 
schreiberstandpunkt wegen  seiner  Seltenheit  die  lectio  difficilior 
gegenüber  von  et  vaganti.  Da  nun  beide  Lesarten  gleich  gut 
bezeugt  sind,  so  ist  evaganti  als  wirkliche  Lesart  des  Archetyps 
anzusehen.  Wie  hier  in  der  HL  Classe  aus  Evaganti  Et  vaganti 
wurde,  so  epod.  8,  8  aus  Equina  Et  quina  in  y,  epod.  9,  12  aus 
Emancipatus  Et  mancipatus  in  C  y  X'  L  a, 

11.  emouitque  I.  (y  und  R  F)  und  IL  Classe,  Mavortius 
(A  X'  cons.  g,  welches  emonuitq  hat),  dimouifque  $'  ::  a'  s  und 
Turic.  dimo7iit  v.  domuitque  u'.  Also  ist  dimouitque  als  Lesart 
der  III.  Classe  zu  betrachten.  Den  Uebergang  von  dem  besser 
beglaubigten  emouitque  zu  dimouitque  zeigt  L  an  mit  demouifqne. 
Es  dürfte  somit  ein  Hörfehler  beim  Dictieren  der  Urhandschrift 
der  III.  Classe  vorliegen;  odef  aber  es  ist  ein  absichtlicher  und 


180  Keller.     Kritieche  Beiträge  zum  IV.  Buche  der  horazischen  Oden. 

nicht  so  schlechter  Versuch,  nach  dem  im  vorhergehenden 
Verse  stehenden  evaganti  eine  Abwechslung  herzustellen  durch 
Abänderung  des  tmouit  in  dimoidt.  Jedoch  ist  emovere  entschieden 
zu  halten,  es  ist  ein  Lieblingsausdruck  des  Hoi'az,  den  er 
auch  serm.  II  3,  28.  epist.  II  2,  46  gebraucht. 

Et  veteres  revocavit  artes, 
13.  Fe)-  quas  Latinum  nomen  et  Ifalae 

Crevere  vires  famaque  et  iniperi 
15.         Porrecta  maiestas  ad  oi-tus 
Solis  ab  Hesperio  cuhili. 

15.  ort  US  —  ortum]  Letzteres  an  sich  lectio  tritior  und 
also  facilior  und  dazu  noch  sehr  schlecht  bezeugt  (3'  n  v  -2  und 
Turic):  dennoch  von  L.  Müller,  Schütz  und  Andern  in  den 
Text  gesetzt.  Vgl.  Tibull.  II  5,  57  flf.: 

Roma  tumn  nomen  terris  fatale  regendis  .  .   . 
Quaque  patent  ortus  et  qua  fluitantibus  undis 
Solis  anhelantis  abluit  amnis  equos. 

Der  gleiche  poetische  Pluralis  Ovid.  metam.  I  779:  Pafriosque 
adit  imijigei-  ortus.  Vgl.  c.  III  5,  52  den  Pluralis  reditus  statt 
reditiim.  Die  Behauptung  Nauck's:  ,ortum  zeigt  den  Ort,  ortus 
zeigt  Morgenröthen'  scheint  mir  bedenklich. 

17.  Custode  verum  Caesare  non  furor 

Civilis  aut  vis  exiget  otium, 
19.         Nmi  ira,  quae  procudit  enses 
Et  miseras  inimicat  urbes. 

18.  Exiget  —  Eximet]  exiget  (var.  exigit)  A'X',  auch  g 
am  Rande  (Mavortius)  und  Rt:',  ebenso  Pph.  Porph.'  und  Ac. 
Auch  gloss  r  (hier  gloss.  b  interlin.)  las  so,  indem  es  Mcief 
erklärt,  eximet  y  v  und  F  o'  L  u'.  Die  Bezeugung  ist  somit 
fast  gleich  für  beide  Lesarten.  Die  Construction  spricht  für 
exiget,  weil  zu  exiviet  ein  Dativ  erwartet  wird,  vgl.  c.  II  2,  19. 
III  14,  14.  epist.  I  5,  18.  Auch  ist  exiget  aus  ästhetischer 
Rücksicht  vorzuziehen,  weil  es  energischer  ist  und  zu  furor 
und  vis  besser  passt,  als  das  mattere  eximet. 


SITZUNGSBERICHTE 


ÜEK 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  AVISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE   CLASSE. 


XC.  BAND.  II.  HEFT. 


JAHRGANG   1878.   —   APRIL. 


I 


X.  SITZUNG  VOM  3.  APRIL  1878. 


Herr  Vincenz  Hasak,  Pfarrer  und  Ehrendeehant  in 
Weiskirchlitz  bei  Teplitz  übersendet  für  die  akademische 
Bibliothek  mit  Begleitschreiben  sein  Werk:  ,Der  christliche 
Glaube  des  deutschen  Volkes  beim  Schlüsse  des  Mittelalters 
dargestellt  in  deutschen    Sprachdenkmalen'. 


Ferner  übermittelt  der  Ausschuss  der  allgemeinen  Arbeiter- 
Krauken-  und  Invalidencasse  in  Wien  fünf  Exemplare  des 
Berichtes  über  die  zehnjährige  Thätigkeit  des  Institutes. 


Das    c.    M.    Herr    Professor    H.    Ritter    von    Zeissberg 

übergibt   die  Abschrift    einiger,    die    Stiftsgüter    von    Lilienfcld 

betreffender  Pantaidinge,    welche    Herr   P.   Johann    Gottwald, 

Bibliothekar  des  genannten  Stiftes  für  die  Akademie  angefertigt 

I       und  an  ihn  eingesendet  hat. 


Herr  Dr.  Heinrich  Kdbdebo  aus  Wien,  derzeit  in  Venedig, 
ersucht  um  eine  Subvention  zur  Durchführung  seiner  Forschun- 
gen in  Italien  zum  Zwecke  der  Herstellung  eines  österreichischen 
Künstler-Lexikons. 

Herr  Dr.  phil.  Immanuel  Low,  zur  Zeit  in  Berlin,  er- 
sucht um  einen  Druckkostenbeitrag  behufs  der  Herausgabe 
seines  im  Manuscript  vorgelegten  Werkes:  ,Aramaeische 
Pflanzennamen^  

Das  c.  M.  Herr  Professor  Dr.  AVilhelm  Scher  er  in  Berlin 
übersendet  eine  für  die  Sitzungsberichte  bestimmte  Abhand- 
lung:   , Deutsche  Studien.    III.  Dramen    und   Dramatiker  1.  2/ 


184 

Von  Herrn  Professor  Dr.  J.  Loser tli  in  Czernowitz  wird 
eine  Abluinflliing  vorgelegt  unter  dem  Titel:  , Beiträge  zur  Ge- 
schiclite  der  luisitischen  Bewegung.  II.  Der  Magister  Adal- 
bertus  Rankonis  de  Ericinio'  mit  dem  Ersuchen  um  ihre  Auf- 
nahme in  das  Archiv. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Acad^mie  des  Sciences,  Arts  et  Belles-Lettres  deDijon:  Memoires.  2^  S^rie 

Tome  XIV.  Annees  1866-67.  Dijon,  Paris,  1868;  8«.  Tome  XV.  Annees 

1868-69.  Dijon,  Paris,  1869;  8".  Tome  XVI.  Annee  1870.    Dijon,  Paris, 

1871;  8".  3«  Serie.  Tome    IV«  Annee  1877.  Dijon,  Paris,   1877;  8". 
Accademia,  Reale  delle  Scienze  di  Torino:  Annuario  per  l'anno  1877  —  1878. 

Torino.  1877;  8°. 
A  kademie  der  Wissenscliaften,  königl.  Preussische  zu  Berlin:  Monatsbericht. 

December  1877.  Berlin,   1878;  80. 
Bibliotheque    de    l'Ecole    des    Chartes:    XXXIX.    Annee    1878;     1«  et  2« 

Livraisons.  Paris,   1878;  4". 
Central-Conimission,    k.  k.,    zur  Erforscliung-   und   Erhaltung   der  Kunst- 

und    historisclien    Denkmale:     Mittheilungen.    IV.    Band.    1.    Heft.    Wien 

1878;  gr.  4". 
Gesellschaft,    k.    k.  geographische,    in    Wien:    Mittheilungen.    Band  XXI. 

(N.  F.  XI.)  Nr.  2.  Wien,  1878;  4". 
Giessen,  Universität:  Akademische  Schriften  pro  1877;  4"  und  8". 
Governo,  J.  R.  marittimo  in  Trieste  e  Reale  in  Fiume:  Annuario  marittimo 

per  l'anno  1878.  XXVIII.  Annata.  Trieste,   1878;  8«. 
Hasak,  Vincenz:  Der  christliche  Glaube  des  deutschen  Volkes  beim  Schlüsse 

des  Mittelalters.  Regensburg,   1868;  8". 
Institut     royal    grand-dncal    de    Luxenibourg:     Publications    de    la    section 

historique.     Annee   1877.     Band  XXXII  (Neuer  Folge  X).     Luxembourg, 

1878;  40. 
Militär -Comit^,    k.  k.  technisches  und  administratives:    Berichte  über  die 

Thätigkeit   und   die   Leistungen    im  Jahre    1876.    Wien,    1877;    4«.  Jahr- 
gang 1878.  II.  Heft.  Wien,  1878;  4". 
,Revue   politique    et    litteraire'    et   ,Revue    scientifique    de    la   France   et  de 

l'Etranger'.  VIP  Ann^e,  2«  Serie.  No.  38  et  39.  Paris,  1878;  40. 
Ruzicka,    Joh.:    Bericht   der  allgemeinen  Arbeiter-Kranken-  und  Invaliden- 

Casse  in  Wien.    Wien;  gr.  4''. 
Soci^td    Royale    de    Sciences    de    Liege:    Memoires.    IP   S^rie,    Tome    VI. 

Bruxelle.«?,  Londrea,  Paris  et  Berlin.  1877;  4". 
Society,  the  American    geographical:    Bulletin.  Nr.  5.  New  York,    1877;  8". 
Verein,   Militär-wissenschaftlicher:    Org.an.  XVI.  Band,  Separat-Beilage  zum 

1.  Heft.  Wien.   1878;  8".  XVI.  Band,  2.  Heft.  Wien,   1878;  8". 
Wissenschaftlicher  Club:    Jahresbericht  1877-78.  Wien,   1878;   8". 


Scherer.     Deutsche  Studien.  185 


Deutsche   Studien 


Wilhelra  Soherer, 

correspondirendem  Mitgliede  der  kaiu.  Akademie  der  Wiseenschaften. 


III. 

Dramen  und  1)  r  a  ni  a  t  i  k  e  r. 

1.  Barthold  von  Gadenstedt. 

Grosse  Dramatiker  hat  Deutschland  im  sechszehnten 
.lahrhmiderte  kaum  hervorgebracht;  aber  einige  beachtenswerthe, 
viele  mittelmässige  und  noch  mehr  schlechte.  Barthold  von 
Gadenstedt  gehört  nicht  einmal  zu  der  letzten  Kategorie; 
denn  er  ist  nur  ein  Uebersetzer,  dessen  eigenes  Werk  in  gering- 
fügigen Zusätzen  besteht.  Trotzdem  verdient  er  eine  kurze 
Notiz. 

Er  ist  der  einzige  adelige  Dramatiker  unter  den  Zeit- 
genossen des  Herzogs  Heinrich  Julius  von  Braunschweig.  Noch 
eine  1665  gehaltene  Leichenpredigt  hebt  hervor,  dass  er  ein 
, Gelehrter  vom  Adel'  war.  Die  Lobsprüche  der  Zeitgenossen, 
vollends  in  Preisgedichten ,  welche  dem  gepriesenen  Werke 
beigedruckt  sind,  wollen  wenig-  besagen.  Aber  selten  boten 
sich,  der  Natur  der  Sache  nach,  für  solche  Schmeichelpoesien 
Wendungen  dar  wie  hier: 

Dum  vir  nobile  nobilis  Poema 
In  linguam  patriam  tulit  labore 
Haud  vili  .  .  . 

Selten  konnte  ein  wohlwollender  Freund  dem  Gefeierten 
sagen : 

SitzuDgsber.  d.  phil.-hiet.  Cl.  XC.  Bd.  II.  Hft.  13 


186  Schofer. 

In  te.  concurruut  ARS,  MARS,  hinc  maxima  suigit 
Nobilitas,  duplex  et  coalescit  bonos. ' 

Ueber  die  persönlichen  Verhältnisse  des  Dichters,  der  zu 
Hehnstedt  um  1584  studirte,  1619  das  väterliche  Lehen  über- 
kam und  1633  stai-b,  hat  Ed.  Jacobs  in  der  Zeitschr.  des  Harz- 
vereins 1,  84 — 87  das  Nöthige  beigebracht  und  auch  die  gei- 
stige Atmosphäre  geschildert,  in  welcher  er  zu  Wernigerode 
wirkte   (ibid.  6,  375). 

Der  Tobaeus  des  Barthold  von  Gadenstedt  (den  vollstän- 
digen Titel  siehe  im  Weimarischen  Jahrbuch  4,  216;  die 
Widmung  vom  7.  April  1605)  ist  eine  Uebersetzung  aus  dem 
Terentius  christianus  von  Cornelius  Schonaeus.  Die  Ueber- 
setzung als  solche  bietet  nichts  Bemerkenswerthes  dar,  der  Ver- 
fasser braucht  die  gewöhnlichen  Acht-  und  Neunsilbler  (vier  He- 
bungen stumpf  oder  klingend,  dabei  oftmals  schwaches  e  in  der 
Hebung,  sogar  im  stumpfen  Reim,  z.  B.  dürfftigen  :  Menschen) 
und  die  Art  der  Wiedergabe  ist  in  keiner  Weise  aiisgezeichnet. 
Dass  eine  gewisse  Freiheit  dabei  waltet,  ist  für  alle  Ueber- 
setzer  jener  Zeit  selbstverständlich  und  zeigt  sich  am  meisten 
in  den  Zusätzen,  welche  wol  jedem  erlaubt  scheinen. 

Um  die  etwaige  Eigenthümlichkeit  des  Mannes  zu  erfassen, 
werden  wir  daher  am  besten  thun,  das  ziemlich  verbreitete 
lateinische  gleichnamige  Original  zu  Grunde  zu  legen  und  auf 
die  wichtigeren  Vermehrungen  aufmerksam  zu  macheu. 

Die  Argumente  vor  dem  Ganzen  und  vor  jedem  einzelneu 
Act  rühren  vom  Uebersetzer  her;  Schonaeus  hat  nur  eine  kurze 
Periocha  comoediae.  Nach  dem  Hauptargument  heisst  es:  ,Die 
Personen  gehen  ab  in  jhr  verordnetes  Losament'.  Man  muss 
sich  denken,  dass  sämmtliche  Mitspieler  im  Anfang  aufmar- 
schirt  waren. 

Schonaeus  Act  I,  Scene  3.  Tobaeus  (so  heisst  der  Vater 
im  Gegensatz  zum  Sohne  Tobias)  macht  seinen  Besuchern  Vor- 
würfe, dass  sie  sich  nicht  öfters  zu  Tische  einfänden:  man 
könne  zu  dem  Gelag  des  Frommen  ungeladen  kommen.  Beim 
Essen  (I.  4)  nöthigt  er: 


'  Lobgediclite  vor  dem  Tobaens.  Das  erste  iinterzeicbnet :  Heinricus  Heiipt 
Medic.  D.  et  ciuitatis  Wernigerodanae  Pbysicus;  das  zweite:  M.  Joannes 
Fortuniannus  Rector  Scholae  ibidem. 


Deutsche  Studien.  187 

Schemet  euch  nicht  zu  sclineiden  ab, 

Weils  Gott  darumb  gegeben  hat 
Gedenckt  es  sey  in  ewerm  Hausz 

Nabaht  nembt  jlir  disz  stück  heraus. 

Am  Schluss  von  I.  4  unterbricht  der  jun^e  Tobias  das 
Gastmahl  mit  der  Nachricht,  er  habe  einen  Juden  in  der  Nähe 
ermordet  gefunden. 

Die  Ermordung-  lässt  der  Uebersetzer  vor  unseren  Augen 
vor  sich  gehen,  indem  er  mitten  in  die  Essscene  eine  andere 
einschiebt:  ,Wenn  der  Tisch  also  wird  zugerichtet,  in  eim 
Erckner  oder  sonst,  das  man  einen  Fürhanck  kan  jtzo  für- 
rücken,  gibt  gelegenheit,  fürgehnde  Scenam  welche  dann  mit 
inserirt,  desto  besser  zu  agiren'. 

Es  treten  also  auf,  nachdem  der  Vorhang  die  Essenden 
verborgen  hat,  Sisa  und  Simri,  ,Zwey  Niniviten  oder  Soldaten', 
und  j\Iaccabaeus,  ,Ein  Jüde^ 

Maccabäus  betet  um  Befreiung  seines  Volkes  von  der 
Tyrannei,  da  dringen  die  Soldaten,  die  ihn  belauscht,  auf  ihn 
ein  und  machen  ihn  trotz  seinen  Anerbietungen  nieder.  Sie 
wollen  nun  ihren  Lohn  fordern: 

Der  Hauptmann  mus  nun  vnser  Taschen 

Füllen,  darnach  gehen  wir  naschen 
Zum  Brantenwein,  Bier  vnd  külen  Wein 

Wollen  lustig  vnd  frölich  sein. 

Ein  längeres  Gespräch  der  Beiden  in  demselben  Stil, 
mit  derselben  unbefangenen  Verletzung  des  Costüms  leitet  die 
Scene  ein. 

S^n.     Man  führt  jtzund  beim  Element 

Im  Krieg  ein  seltzam  Regiment, 
Das  einem  schier  verdriessen  möcht, 

Im  Felde  zu  sein  ein  Landsknecht. 
Die  Befehlhaber  sein  Gesellen 

Sie  machens  wie  sie  selber  wollen 
Wann  Gelt  ankompt,  welches  sollen  han 

Wir  Landsknecht,  thun  sies  vnterschlan 
Vns  geben  sie  was  sie  nur  wollen 

Daher  müssen  wir  arm  Gesellen 
Führen  ein  sehr  armseliges  loben 

Mancherley  Nolit  leiden,   darneben 
Durch  hunger  möchten  wir  vorschmachten 

Solches  aber  thun  gar  wenig  achten 

13* 


188  Schei-er. 

Die  Heuptleute  vnd  Leutenampt 

Fehiiricli  oder  wie  sie  genant 
Sie  sehen  wie  sie  finden  ralit 

Das  ein  jeder  vollauff  nur  hat. 
Ihr  Beutel  füllen  sie  mit  Gelt 

Vns  aber  wird  nichts  zugestelt 
Das  sie   S.  Valtens  Kranckheit  schendt 

Das  sie  vns  führen  in  solch  elendt. 

Man  sieht,  dieser  Dichter  verträgt  Kürzung.  Sirari  stimmt 
dem  , guten  Compan'  bei.  Die  armen  Landsknechte  werden  in 
die  grössten  Gefahren  gestürzt,  ,in  das  bad'  geführt,  ,auff  die 
Fleischbanck'  gegeben  und  die  Anführer,  die  vermuthlich  be- 
stochen sind,  , ziehen  den  Kopf  denn  aus  der  Schlingen'.  ,Das 
sie  der  Teuffei  dafür  plag.  Das  ist  der  danck,  den  ich  jhn 
sag^,  meint  Sisa;  worauf  Simri  erwidert: 

Kan  auch  dazu  nicht  lachen  Rosen, 

Vnd  seit  sie  sehenden  all  Frantzosen. 

Sie  wollen  daher  ,das  Kriegen  bleiben  lan',  in  der  Stadt 
bleiben,  wo  jeder  unterm  Dach  im  warmen  Bett  sein  Lager 
hat.  Da  ist  es  besser,  als  bei  Frost,  Schnee  und  Kälte  ohne 
Kleider  und  Geld  im  offenen  Feld  zu  liegen.  Da  können  sie 
spazieren  gehen  und  wenn  die  Wacht  verrichtet  ist, 

Zum  Bier  oder  zum  külen  Wein 

Hin  zu  dem  schönen  Elselein, 
Darselbst  haben  wir  gute  ruh, 

Dem  Kriegswesen  abdancken  thue.  — 

Immerhin  ein  hübsches  kleines  Genrebild,  wenn  auch  dem 
edlen  Verfasser  Mars  dabei  mehr  geholfen  hat  als  Ars. 

Die  ganze  Scene  ist  in  der  Kürze  schon  bei  Wickram 
(Tobias  1551  S.  B5'  ff.)  angelegt,  aber  ohne  dass  sich  Ver- 
wandtschaft zeigte.  Wickram  legt  den  , Trabanten'  nicht  blos 
Flüche,  sondern  auch  Kohheiten  in  den  Mund;  der  todgeweihte 
Jude,  bei  ihm  Namens  Äser,  wird  als  ein  beleibter  Mann  ge- 
dacht, und  Bezeichnungen  wie  ,feyszte  Saw',  ,feyszter  Schlauch' 
und  ähnliche  sind  leicht  bei  der  Hand. 

Sobald  bei  Gadenstedt  die  Landsknechte  nach  ausdrück- 
licher Vorschrift  ,frölich  und  lustig'  abgegangen  sind,  ,kan 
der  Fürhang  für  dem  Tisch  wider  weggerücket  werden'  und 
wir  sehen  die  Fortsetzung  des  Gastmahls  vor  uns.  Einer  der 
Anwesenden  fordert  auf,   Gott  durch  ein  Lied  zu  ehren.    ,Itzo 


Denteche  Studien.  189 

—  sagt  die  Bühnenbemerkung  —  können  sie  mit  anderer  Hülff 
singen:  In  converfendo  Domlne:  Oder:  In  te  Domine  speraui: 
Oder  sonst  ein  Psalmen  oder  Motetam  die  sich  hieher  schicket'. 

Hierauf  trinkt  derselbe  Gast  dem  Tobaeus  zu,  dieser 
dankt  —  sieht  aber  eben  seinen  Sohn  mit  böser  Nachricht 
heraneilen. 

Während  Tobias  den  Todten  holt  (vor  Schon,  I.  6)  bettelt 
Morio  (auch  Wickram  hat  den  Narren  eingeführt,  aber  nicht 
an  dieser  Stelle)  um  ein  Stück  zum  Anbiss  und  einen  Trunk, 
er  will  dann  thun  ,ain  Reutrischen  sprang'  und  spottet  über 
die  aufopfernde  Gesinnung  des  Tobaeus. 

Während  der  Scene  I.  7  wird  die  Tafel  wieder  durch 
den  Vorhang  verdeckt.  Darnach  kehrt  Tobaeus  zu  seinen 
Gästen  zurück,  spricht  das  Dankgebet  und  sie  gehen  ab.  Bei 
Schonaeus  nur  die  Andeutung:  ,hinc  ad  relictos  me  conferam 
amicos,  quos  vereor  ne  mea  mora  ofFendat^ 

II.  1.  Am  Schlüsse  noch  eine  erbauliche  Verlängerung 
des  Monologes:  Sara  hoffnungsvoll,  Gott  werde  ihre  Bitte  ge- 
währen. Dergleichen  Ausdehnungen,  anderseits  auch  Zusammen- 
ziehungen mögen  mehr  vorkommen,  ohne  dass  sie  mir  auffielen. 
Es  hätte  keinen  Werth,  sie  zu  beobachten. 

IV.  1.  Vorher  ein  Monolog  des  Asmodaeus,  der  sich  in 
längerer  Rede  dem  Publicum  als  Eheteufel  vorstellt.  Streit, 
Zank,  Schlägerei,  Mord  und  Todschlag  unter  Eheleuten  zu 
stiften,  ist  seine  liebste  Kurzweil:  dabei  hilft  ihm  der  Sauf- 
teufel. Oder  er  bringt  sie  auseinander :  das  thut  er  seinem 
Gesellen,  dem  ,HurnteuffeP  zu  Gefallen.  Auch  junge  Eheleute 
verführt  er  zur  Unzucht  und  stürzt  sie  dadurch  ins  Verderben. 

IV.  3.  Vorher  ein  Dialog  zwischen  Asmodaeus  und  Ra- 
phael.  Hierbei  ist  Wickram  benutzt,  bei  welchem  ,Aszmodoth' 
(J  7')  sich  folgendermassen  vernehmen  lässt: 

Belial  lang  mir  her  mein  Kett 
Damit  ich  manchen  würgen  thett 
Ich  musz  yetzund  aber  daran 
Sara  hat  aber  einen  man 

Welchen  mann  jr  heüt  morgen  gab  5 

Ich  müsz  gen  was  ich  zu  schaflfen  hab 
Den  jungen  lauren  will  ich  bringen 
Vnd  jn  würgen  vor  allen  dingen 


]^90  Scherer. 

Ich  will  die  braut  ein  wittwen  machen 

Das  jren  musz  vergen  das  lachen  10 

Pfey  Teiiffel  was  sehmackt  hie  so  starek 

In  der  hellen  ist  kein  gschmack  so  arck. 

Zwischenrede    des   jung-en   Tobias,    der    Herz    und   Leber 
des  Fisches  brät.     Hierauf  wieder  Aszmodoth: 

Pfey  dich  du  junger  starcker  geck 
Ich  glaub  du  brätst  ein  Teüffels  dreck 
Der  dich  das  lert  vnd  an  hat  gefangen  15 

Ist  gwisz  mit  dem  teiiffel  in  dschül  gangen. 

Eaphael.  Gib  dich  gefangen  hellscher  hund 

Du  hast  kein  gwalt  mar  zu  der  stund 
Du  must  in  nöten  band  vnd  klag 
Bleiben  bisz  an  den  jüngsten  tag.  20 

Aszmodoth.  Lasz  mich  lauffen  was  zeuchst  du  mich? 

Ich  hab  nichts  ghandelt  wider  dich 
Das  du  hast  einich  recht  zu  mir 
Es  würd  dich  rewen  sag  ich  dir 
Das  du  an  mich  legst  solchen  gwalt  25 

Raphael.  Dich  hilfft  nicht  wolauff  mit  mir  bald 

In  das  eusserst  Egypten  land. 

Aszmodoth.  Es  ist  dir  zwar  ein  grosse  schand 

Das  du  mich  also  nackend  blosz 
Angreiffest  darzu  gantz  werlosz  ,  30 

Fürst  mich  hin  gfangen  vnd  gebunden 
Weh  mir  der  vnseligen  stunden 
O  dencken  alle  Teuftel  dran 
Land  euch  kein  Engel  greiffen  an 
Sonst  müszt  jr  wie  ich  armer  Teüftel  35 

Auch  also  gfangen  sein  on  zweiffei. 

Es  ist  leider  nicht  möglich,  für  solche  vergleichende 
Untersuchungen  über  Dramen,  die  vielleicht  in  einem  oder 
zwei  Exemplaren  vorhanden  sind,  auf  andere  Art  die  Ueber- 
zeugung  des  Lesers  zu  gewinnen,  als  indem  man  benutzte 
Stellen  wörtlich  abdrucken  lässt.  So  mag  denn  auch  hier  noch 
Gadenstedt  folgen  mit  Zählung  der  ( Wickram'schen)  Zeilen : 

Asmodaeus.     Oho  hie  hab  ich  meine  Kett, 

Mit  der  ich  viel  erwürgen  thet, 
Es  ist  jtzt  zeit  mus  aber  dran, 

Mich  versuchen  an  Sara  Mann, 


Deutsche  Studien. 


191 


10 


11 


15 


17 


20 


Den  man  jhr  heut  gegeben  hat, 

El"  mus  dran  ich  lasz  nicht  ab, 
Mit  diesem  jungen  Lawr  nnis  ringen, 

Vnd  grewlich  jn  vmhs  leben  bringen, 
Die  Braut  wil  ich  zur  Witwen  machen 

Das  jhr  vergehen  sol  das  lachen 
Ich  mus  hinan  jtzt  soll  es  gehn 

Die  Kammer  seh  ich  ott'en  stehu. 
Pfui  Teuffei  was  schmeckt  hie   so  starck 

In  der  Helln  ist  kein  Rauch   so  are 
Pfui  dich  du  starcker  junger  Gock, 

Ich  gleub  du  bratest  ein  TeuÖelsdreck, 
Welcher  dir  dis  gelehret  hat 

Den  Teuffei  ohne  zweiffl  zu  raht 
Genommen  hat,  sol  helffen  nicht, 

Mit  diesem  Schwerdt  ich  jhn  erstich. 

Raphael. '     Gefangen  gib  dich  hellischer  Hundt, 

Du  hast  kein  macht  zu  dieser  Stundt, 
Du  must  mit,  solst  in  straff  vnd  plag, 
Bleiben  bisz  an  den  Jüngsten  tag. 

Asmodaeus.     Lasz  mich  gehen  was  zeugstu  mich 

Ich  hab  gethan  nichts  wider  dich. 
Kein  einig  recht  hastu  zu  mir, 

Es  wird  dir  rewen  sag  ich  dir 
Das  du  an  mich  legest  gewalt 

Bapliael.  Es  hilfft  dir  nichts  folg  mir  nur  bald 

In  das  eusserst  Egyptenlandt 

Asmodaeus.  Es  ist  fürwar  ein  grosse  schandt 

Das  ich  gefangen  vnd  gebunden 

Geführt  werde:  der  vnselig  stunden, 
O  dencken  alle  Teuffei  dran 

Last  euch  kein  Engel  greiffen  an 
Sonst  raüst  jhr  wie  ich  armer  Teuffei 

Also  gefangen  sein  ohn  zweiffei. 

Es  sind  nicht  immer  genau  dieselben  Worte,  aber  Punkt 
für  Punkt  dieselben  Gedanken  und  fast  durchweg-  dieselben 
Reime.  Vergleicht  man  im  Einzelnen,  so  erklärt  sich  die  Ver- 
schiedenheit im  Anfang  leicht.  Wickram  macht  nach  Schweizer 
Art  ein  Bürgerspiel,  wo  recht  viele  Personen  auftreten  müssen, 
damit  das  Vergnügen  des  Mitspielens  den  weitesten  Kreisen 
zu    Theil    werden    könne.     Darum    ist    dem    Aszmodoth    noch 


25 


28 
31 


'  Mit  der  Bemerkung  ,in  Engels  gestalt'. 


192  Scherer. 

Belial  als  Kettenträger  beigegeben.  Gadenstedt  dagegen  spart 
seine  Scliulknaben  und  streicht  die  Rolle. 

Weiterhin  bemerkt  man,  dass  Gadenstedt  die  Vorlage 
zu  verbessern  sucht.  Er  strebt  nach  grösserer  Correctheit  und 
Reinheit  der  Sprache,  auch  ein  wenig  des  Verses;  vor  allem 
ist  ihm  die  süddeutsche  Misshandlung  des  schwachen  e,  dieser 
unbekümmerte  Auswurf  und  Abwurf  nicht  genehm;  lieber 
bürdet  er  dem  Vers  eine  Silbe  zu  viel  auf,  als  eine  Form  wie 
, brätst'  zuzulassen.  Bei  Liquiden  ist  er  weniger  ängstlich  (Lawr, 
Helln,  zweiffl),  aber  die  Verstümmelung  des  Artikels  (in  dschul) 
lässt  er  natürlich  nicht  zu.  Statt  , manchen'  setzt  er  (Z.  2) 
,viel',  statt  ,yetzund'  3  ,jtzt',  statt  ,jren'  10  Jhr',  statt  ,müsz' 
10  ,sol',  statt  ,ghandelt'  22  ,gethan',  statt  , nicht'  26  , nichts', 
statt  ,z\var'  28  , fürwar'  —  stets,  mit  Ausnahme  des  ersten 
Falles,  unserem  Sprachgebrauch  näher.  Wesshalb  er  ,gab'  5 
gegen  den  Reim  in  ,gegeben  hat'  verwandelt,  wird  uns  wol 
eine  künftige  Tempuslehre  sagen  können  (vgl.  über  Luther's 
Gebrauch  K.  F.  Becker  Ausf.  Gramm.  2,  49).  Die  Construction 
von  , machen'  mit  doppeltem  Accusativ  (die  braut  ein  witwen 
machen  9)  kennt  er  nicht  mehr.  Consecutives  ,dass'  mit  nach- 
folgendem Indicativ  vermeidet  er  und  macht  lieber  einen  un- 
abhängigen Satz  daraus  (23).  Dagegen  construirt  er  ,rewen' 
mit  dem  Dativ  des  reflexivischen  Personalpronomens.  Die 
Verbindung  , Gewalt  an  einen  legen'  ist  bei  ihm  schon  starr 
geworden,  wie  in  unserer  Sprache,  während  Wickram  dem 
Accusativ  , Gewalt'  ohne  Scheu  ein  Pronomen  (solchen  25)  bei- 
fügt. ,Helfen'  verbindet  er  wie  wir  nur  mit  dem  Dativ,  nicht 
mit  dem  Accusativ  der  Person,  wie  Wickram  (26).  Ob  ihm 
,lass  mich  gehen'  gebildeter  klingt  als  ,lass  mich  laufen'  (21)? 
Nach  Z.  10  vermisste  er  offenbar  einen  Uebergang  u.  s.  w. 
Im  Ganzen:  der  norddeutsche  Edelmann  sucht  sich  gebildeter 
auszudrücken  als  der  ,  Dichter  und  Burger  zu  Colmar'.  — 

Indem  ich  unsere  Betrachtung  nunmehr  rasch  zu  Ende 
führe,  notire  ich  das  ,Tranckgelt',  welches  Saras  Mutter  der 
Magd  für  eine  gute  Nachricht  von  den  Neuvermählten  ver- 
spricht. Dasselbe  wird  nachher  ,Botenbrodt'  genannt  und  ist 
bei  Schonaeus  vorbereitet  (IV.  4). 

In  IV.  5  gegen  Ende  findet  sich  Morio  wieder  ein,  fragt, 
ob  er  nicht  auch  bei  der  Hochzeit  des  Tobias  dabei  sein  solle, 


Dentsche  Studien.  193 

und  malt  sich  in  der  Pliantasie  alle  die  Herrlichkeiten  aus, 
die  ihm  Abends  bevorstehen.  Dabei  Unanständigkeiten,  welche 
nicht  sehr  adelig--gebildet  kling'en. 

In  der  letzten  Scene  kommen  beim  Uebersetzer  alle  wieder 
zusammen,  Anna,  Sara,  die  Gäste  des  ersten  Actes.  Der  Engel 
hält  noch  eine  längere  Rede  und  darauf  folgt  die  Vorschrift: 
,Er  verschwindet^  Wie  er  das  machen  soll,  wird  nicht  gesagt. 

Mit  Bühnenvorschriften  ist  der  deutsche  Dichter  überhaupt 
nicht  karg.  Anna,  das  Weib  des  alten  Tobaeus,  weint  viel; 
und  wo  das  zu  geschehen  hat,  wird  es  alleraal  bemerkt.  Ebenso 
später  Raguel  beim  Abschied  von  der  Tochter.  , Weinende,  kan 
nicht  reden  weiter  für  weinen^,  sagt  die  Vorschrift. 

Magister  Fortmann  wollte  die  deutsche  ,Comoediam'  auf- 
führen mit  seineu  Schülern.  Um  die  mühsamen  Abschriften 
zu  sparen,  Hess  sie  Gadenstedt  drucken,  , Damit  dieselbe  vnter 
die  Personen,  so  hierzu  sollen  adhibirt  werden,  desto  füglicher 
könte  ausgetheilet  werden,  auch  den  zusehern  vnd  andern 
frommen  Christen  desto  angenehmer  were'.  Uebrigens  hatten 
ihn  auch  schon  , andere  ehrliche  vornehme  Leute'  ersucht,  das 
Stück  in  den  Druck  zu  geben. 

Dass  ihm  der  Druck  einer  solchen  Arbeit  als  etwas  un- 
gewöhnliches erschien,  zeigt  die  lange  Motivirung  und  die 
feierliche  Wendung  gegen  die  Zoilos. 

Andere  Comödien  (ich  verstehe:  aus  dem  Terentius  chri- 
stianus)  hatte  er  auch  schon  vertieret  und  war  nicht  abgeneigt, 
sie  zu  veröffentlichen.  Aber  es  scheint  nichts  daraus  geworden 
zu  sein. 

2.  Joachim  Greff. 

Greff    in    Magdeburg. 

Ueber  die  Schulcomoedie  in  Magdeburg  hat  schon  Goedeke 
Grundriss  S.  306  Nachrichten  zusammengestellt.  Die  von  ihm 
benutzte  Vorrede  Baumgart's  zum  luditium  Salomonis  enthält 
überhaupt  enthusiastischen  Preis  der  Magdeburger  Schule  mit 
wichtigen  historischen  Nachrichten.  Luther  selbst  nannte  sie 
(mündlich  zu  Baumgart)  unsers  Herrgotts  Jugendbrunn  im 
Sachsenlande,  und  Melanchthon  bezeichnete  sie  als  , nobile  orna- 
mentum  ecclesiae  saxonicae^ 


194 


Sc  her  er. 


Was  speciell  die  Comoedien  anlangt,  so  enthält  die  Schul- 
ordnung- darüber  ausdrückliche  Bestimmungen.  Vergl.  Ludi  lite- 
rarii  Magdeburgensis  Ordo,  Leges  ac  Statuta,  Autore  Gode- 
scalco  Praetorio  .  .  .  Anno  M.  D.  LTII. 

Ein  besonderer  Abschnitt  handelt  ,de  publicis  exercitiis 
vel  actionibus^  Die  öffentlichen  Uebungen  sind  vierfacher  Art: 
Legum  recitationes,  Declamationes,  Disputationes  publicae,  Co- 
moediarum  actiones.  Und  über  diese  letzteren  heisst  es:  Co- 
moediarum  actiones  putantur  prodesse  ad  iustam  audaciam  in 
animis  puerorum  confirmandam.  Ac  verum  est  prodesse,  sed 
si  recte  et  ad  mediocritatem  uti  volueris.  In  Comoediis  vicissi- 
tudo  iucunda,  ut  alias  latine,  alias  sermone  vulgari  exhibeantur. 
Ex  Terentio  latinae  sumi  possunt,    caeteras  nostri  suppeditant. 

Hierauf  werden  die  Zeiten  bestimmt,  zu  denen  die  öffent- 
lichen Uebungen  angestellt  werden  sollen;  darunter:  In  nun- 
dinis  Maui'icii  actio  Comoediae  latinae.  In  nundinis  Septua- 
gesimae  Comoedia,  vel  Tragoedia.     Also  zur  Messzeit. 

Diese  Einrichtungen  haben  nach  Rollenhagen  (1569)  seit 
vielen  Jahren  bestanden.  Wir  dürfen  sagen :  mindestens  seit 
dem  Anfang  der  Dreissiger  Jahre.  Und  wir  dürfen  Joachim 
Greff's  erste  dramaturgische  Thätigkeit  daran  anknüpfen  oder 
dahin  versetzen:  denn  es  wäre  wol  möglich,  dass  sein  Eifer 
mitwirkte,  die  Spiele  einzuführen  und  festzuhalten. 

Wenigstens  später  in  Dessau  erscheint  er  als  ein  Vorkämpfer 
des  Schuldramas  und  hat  sich  mit  widerstrebenden  Tendenzen 
auseinanderzusetzen,  wobei  ihm  Gutachten  Luther's  und  Anderer  ' 
zu  Hilfe  kommen.    Denn  ich  zweifle  keinen  Augenblick,*  dass 


'  Vgl.  Joachim  Feller  Cygni  quasimodogeniti  (Lipsiae  1686)  E'  über 
,.Joacliiinus  Graefius',  von  dem  er  nur  die  Aulularia  imd  den  Mundus 
kennt  und  sonst  nichts  weiss:  ,Sed  ob  ludos  suos  varie  a  parocho  sno  fuit 
reprehensus.  Quaesivit  ergo  ex  viris  eruditis,  an  sacras  liistorias  Chri- 
stiane populo  quovis  in  loco  sacro  vel  prophano  audiendas  spectandas- 
que  proponere  liceat.  Nee  responsum  ei  non  fuit  ad  ilhid  lr]Tr^^<x;  pro- 
barnnt  certe  id  instituti  Lutherus  Germanice  ad  Georgium  Principem 
Anhaltinuui,  Philippus  Melanclitbon,  et  D.  Georgias  Major  ad  Georgium 
Heltium,  Hieronymus  Noppus,  et  Paulus  Eberus  ad  M.  Georgium  For- 
chemium;  quorum  literas  GL.  Daumius  aliquando  descripsit'.  Aus  Daum's 
seines  Lehrers  Papieren  oder  Mittheilungen  muss  Feller  hier  schöpfen. 
Georg  Held  und  Georg  Forchemius  sind  eine  Person:  er  war  Lehrer  des 
Fürsten  Georg  von  Anhalt  gewesen;  vgl.  Beckmann  Anhalt.  Hist.  3,  360. 


Deutsche  Studien.  195 

er  ebensowol  der  Schulmeister  zu  Dessau  ist,  auf  dessen  Ver- 
anlassung- Luther  am  5.  April  (s.  Burkhardt  Luther's  ßriefw. 
S.  424)  1543  an  den  Fürsten  Georg  zu  Anhalt  schreibt,  wie 
der  jJoachimus  noster',  auf  dessen  Veranlassung  Luther  au 
demselben  Tage  an  Georg  Held  in  des  Fürsten  Georg  Diensten 
schreibt  (de  Wette  5,  552.  553).  Dort  gilt  es  einen  Pfarrer 
zurückzuweisen,  der  die  Lieder  und  Gesänge  des  Palmentags 
und  andere  mehr  Narrenwerk  und  Lottereien  schalt,  diese  neu- 
tralia,  wie  Luther  sagt,  für  damnabilia  erklärte  und  seine  Ge- 
meinde damit  unnütz  aufregte.  Hier  gilt  es  ein  Urtheil  ,de 
actionibus  illis  sacrarum  historiarum',  welche  einige  anhaltische 
Geistliche  missbilligten.  Luther  tritt  kräftig  dafür  ein:  durch 
solche  Actionen  (gravibus  tamen  et  moderatis,  non  histrionicis, 
ut  olim  erant  in  papatu)  werde  das  Wort  Gottes  befördert; 
das  Volk  werde  dadurch  oft  mehr  bewegt  als  durch  Predigten; 
er  wisse,  ,iu  inferiore  Germania,  ubi  publica  professio  Evangelii 
prohibita  est,  ex  actionibus  de  lege  et  evangelio  multos  con- 
versos  et  amplexos  sinceriorem  doctrinam'. 

Wodurch  Joachim  Greff  zur  dramatischen  Dichtung  an- 
geregt wurde,  wissen  wir  ganz  genau. 

Man  könnte  sich  dabei  beruhigen,  dass  er  aus  Zwickau 
stammte,  wo  von  1531 — 1538  Rebhun  wirkte,  wo  von  1535  an 
Hans  Ackermann  dichtete,  wo  Magister  Stephan  Roth,  der 
Freund  Rebhun's  (Palm  Beitr.  S.  86.  95),  Stadtschreiber  war, 
der  mit  Greff  im  Briefwechsel  stand  und  ihn  durch  viele  Wohl- 
thaten  verpflichtet  hatte  (Widmung  der  Aulularia  A7:  über 
diesen  Stephan  Roth  vgl.  Herzog  Chronik  von  Zwickau  2, 
268  f.  862  u.  ö.,  wo  auf  Rehkopf  Progr.  de  St.  Rothio,  Heimst. 
1775,  verwiesen  wird;  ferner  Burkhardt  Luther's  Briefw.  S.  120. 
133;  Förstemann  Alb.  Viteb.  120^  ,Magister  Steffanus  Rott 
Cigneus^  1523/4). 


5,  1.54  f.  Förstern.  Alb.  Viteb.  146''  ((jleorgius  Heltus  Truttauianus  forche- 
mensis  magister  Lip.sensis  1532).  Ueber  Georg  Major's  Zusammenhang 
mit  Greff  wird  sich  gleich  Näheres  ergeben.  Auch  mit  Paul  Eher,  der  im 
Sommer  lö;5-2  zu  Wittenberg  inimatriculirt  wurde  (Förstem.  145''),  fand 
vielleicht  noch  persönliche  Heriihrung  statt.  liieronymus  Nopus  war  im 
Februar  1543  Prediger  zu  Regensburg  geworden  (de  Wette  5,  511.  592) ; 
Greff  wird  ihn  gleiclifalls  in  Wittenberg  kennen  gelernt  haben. 


196  Scherer. 

Aber  Greff's  Schauspiele  sind,  wie  wir  sehen  werden, 
älter  als  die  Zwickauer;  sie  schliessen  sich  chronologisch  doch 
nicht  an  seine  Zwickauer  Jugendzeit  an,  die  man  höchstens 
bis  1528  rechnen  kann,  wo  er  zu  Wittenberg  immatriculirt 
wurde.  Und  sein  eigenes  Zeugniss  gibt  uns  einen  ganz  anderen 
Aufschluss,  der  für  die  Geschichte  des  deutschen  Dramas  im 
sechszehnten  Jahrhundert  überhaupt  nicht  ohne  Wichtigkeit  ist. 

Das  Schauspiel  in  der  Volkssprache  hängt  vielfach  vom 
lateinischen  ab.  Die  humanistische  Behandlung  einzelner  geist- 
licher Stoffe  wird  canonisch  für  das  ganze  sechszehnte  Jahr- 
hundert und  noch  im  siebzehnten  erkennt  man  zuweilen  die 
Tradition.  So  wird  der  verlorne  Sohn  durch  Gnapheus  in 
die  massgebende  Form  gebracht  (QF.  21,  50).  So  Joseph  in 
Aegypten  durch  Cornelius  Crocus. 

Unseren  Joachim  Greff  hat  nun  zwar  nicht  ein  lateinischer 
Dramatiker,  wol  aber  einer  der  hervorragendsten  lateinischen 
Dichter  deutscher  Nation  aus  jener  Zeit  zur  dramatischen 
Dichtung  in  deutschen  Reimen  ermuntert:  Georg  Sabinus,  der 
Schüler  und  Schwiegersohn  Melanchthon's,  der  Schützling  des 
Bembo,  der  erste  Rector  der  Universität  Königsberg.  Vgl.  über 
ihn  Toppen  Die  Gründung  der  Universität  zu  Königsberg 
(Königsberg  1844);  Muther  Aus  dem  Universitäts-  und  Ge- 
lehrtenleben im  Zeitalter  der  Reformation  (Erlangen  1866) 
S.  329-367. 

GreflP  widmete  dem  Sabinus  sein  Drama  ,Mundus'  (1537) 
und  sprach  sich  darin  über  sein  Verhältniss  zu  ihm  aus;  ich 
will  die  Stelle  ganz  einschalten,  wir  lernen  daraus  zugleich  den 
Theologen  Georg  Major  als  Förderer  Greff's  in  seiner  litte- 
rarischen Laufbahn  kennen. 

jTibi,  doctissime  mi  D.  Doctor,  magnam  gratiam  debeo, 
sed  nulla  omnino  refeiendi  suppetit  facultas,  Collegi  iamdudum 
multa  humanissimi  animi  tui  erga  me  signa,  sed  ex  illis  Omni- 
bus, hoc  unum  est,  quod  prestantissimum  ego  et  dico  et  duco, 
nerape  quod  tu  unus  prae  aliis  multis,  me  ad  hoc  genus  scribendi 
Rythmos  Germanicos  excitasti,  multunique  et  diligenter  es  ex- 
hortatus.  Qua  in  re,  num  aliquid  ego  possim,  cum  meum  non 
sit  iudicare,  iudicent  alij,  Gerte  tuo  iudicio  ac  testimonio  sie 
factum  est,  ut  Rythmos  nostros,  albo  (quod  dicitur)  calculo 
notandos    candide    iudicaueris,    Ipsus    hoc    ultro,    non    rogatus. 


Deutsche  Studien.  197 

mihi  indicasti,  Ipsus  (inquain)  ultro,  apud  Halas,  in  sedibus  com- 
munis nostri  amici,  D.  Doctoris  Erhardi  Älildeu,  >  viri  oninium 
humanissimi,  hoc  mihi  es  contestatus,  Tales  esse  Kythmos 
nostros,  qui  recte  per  calcographos,  typis  excuderentur,  Ad- 
debas  nescio  quid,  quod  nostrse  mediocritatis  plane  non  eiat, 
quo  dicto  (ut  cum  Politiano  loquar)  non  efferor  ego,  sed 
obruor.  Georgius  Maior,  honio  insignis,  atque  doctissimus, 
communis  quoque  noster  amicus,  is  ante  biennium  cum  Magde- 
burgse  secum  versarer,  plane  uno  tecum  ore  et  animo  idem  voluit, 
idemque  curavit  primus,  nempe  ut  Calcographus  publice  illos 
aederet,  Accessit  ad  illius  sententiam  bonorum  virorum  magnus 
numerus,  Sed  illos  tu  omnes  vir  excellentissime  longe  superas, 
Addidisti  enim  nobis  tu  unus  prae  aliis  omnibus  animum  multo 
maiorem;  magisque  incensum  me  reddidisti  nunc  multo,  quam 
antehac  fui,  adeo  ut  huic  rei,  post  hac  totum  me  dedere  mihi 
sit  certissimum/ 

Die  Widmung  trägt  das  Datum  1537  ohne  Tag.  Zwei 
Jahre  früher  erschien  die  als  Greff's  Erstlingswei'k  geltende 
Uebersetzung  der  Plautinischen  Aulularia,  und  zwar  in  der 
That  zu  Magdeburg.  Diese  war  auch  wol  das  Probestück, 
das  er  dem  lateinischen  Poeten  vorlegte.  Er  traf  ihn  zu  Halle, 
ohne  Zweifel  1533,  vor  dessen  italienischer  Reise  (Toppen  S.  32): 
Sabiuus  war  selbst  erst  ein  Mann   von  fünfundzwanzig  Jahren. 

Wir  gewinnen  dadurch  eine  nähere  Angabe  über  die  Zeit, 
in  welcher  Greff  ,an  dem  Schulampte'  zu  Halle  war,  wovon 
er  in  der  Vorrede  zum  Lazarus  spricht  (1544  b  1:  ,fur  etzlichen 
Jaren'  sei  es  gewesen).  — 

Greff  hat  nach  Goedeke  S.  307.  1163  überhaupt  folgende 
Werke  verfasst:  die  Aulularia  (1535),  die  Judith  (1536),  den 
Mundus  (1537),  Abraham  (1540),  die  Vermahnung  (1541),  den 
Lazarus  (154,5)   und    ein  Stück,    dessen  vollständigen  Titel  ich 


'  Offenbar  der  Doctor  Mildensis,  den  Luther  in  Briefen  an  Justiis  Junas 
mit  so  viel  Verehrung  grü.ssen  lässt  [de  Wette  ö,  3ü0.  384).  Er  hatte 
den  Reformator  von  Halle  am  14.  .\pril  1541  in  seiner  Wohnung  auf- 
genommen: Pressel  Jonas  (Elberfeld  1862)  S.  82.  Alb.  Viteb.  137»  ,Er- 
hardus  Milde  Hallen.'  25.  October  152'.t.  —  Uebrigens  lässt  die  ganze 
Stelle  doch  noch  den  Zweifel  otien,  ob  Greff  nicht  aus  Höflichkeit  über- 
treibe. Die  Bekanntschaft  mit  Sabinus  stammt  gewiss  aus  Wittenberg, 
wo  Sabinus  zehn  Jahre  bis  1533  in  Melanchthon's  Hause  war. 


198  Scherer. 

nach    dem    Exemplar    der    Kgl.    Bibliothek    in    Berlin    hierher 
setzen  will : 

Ein  schone  newe  |  Actiou  auff  das  Xviij.  vud  ]  XIX.  Capitel  des 
Euangelisten  Lucae  ge-  |  stellet,  vnd  Reimweis  in  drey  Actus  ver-  |  fasset, 
Allen  bfifsfertigen  sundern  tröstlich  |  aber  den  verstockten  Gottes  vnd  des  | 
Euangelij  feinden  schrecklich  zu  le-  |  seu.  Durch  Joachimum  Greff  '  von 
Zwickaw,  yetzund  j  Schulmeister  zu  |  Dessaw.  j  Auch  ein  kurtz  Summarium 
des  xj.  [  Capitels  Johann is,  von  der  aufferweck-  j  ung  Lazari,  gleich  als 
ein  Lied  ver-  |  fasset,  Zu  ende  dieser  Action  j  angehenget..  |  1546.  Am 
ScJdnss:  Gedrückt  inn  der  Churfürstlichen  |  Stadt  Zwickaw,  durch  |  Wolff 
Meyerpeck.   i   154:6. 

Es  ist  ferner  bekannt  (Goedeke  S.  288  §.  143,  1,  f.;  2,  a), 
dass  die  Uebersetzung  der  Andria  des  Terenz  durch  M.  Heinrich 
Ham,  von  welcher  Degen  Uebers.  der  Römer  2,  481  Proben 
gibt,  im  Jahre  1535  hinter  Greff's  Aulularia  erschien;  ob  sie 
überhaupt  vorher  selbständig  gedruckt  war,  lasse  ich  dahin 
gestellt.  Aber  unbeachtet  scheinen  bis  jetzt  die  Zuthaten  Gretf's 
welche  sich  in  jenem  Drucke  finden.  Der  Titel  verräth  nichts 
von  dem  Anhang.     Er  lautet: 

,Ein  schone  Lu-   j  stige  Comedia  des  Poe-  |  ten  Plauti,  Aulularia  ge- 
nant,   Durch   Joachimum   [  Greff  von   Zwickaw  Deudsch  |  gemacht,    vnd  jnn 
reim   \   verfasset,    fast    lustig  |  vnd    kurtz  weilig    |    zu    lesen.    |    Quisquis    es    o 
faueas,  nostrisque  labo-  j  ribus  adsis,   \   His  quoque  des  ueniam.  \  Magdeburg.'  | 
76  Bl.  80.  Ävi  Schiusa.   ,Gedruckt  zu  Magdeburg,  j   Anno  1.  5.  35.' 

Bl.  F4  lautet:  , Andria  des  j  Terentii  Comedia,  j  Deudsch 
gemacht,  vnd  inn  reim  ver-  j  fasset,  Durch  Magistrum 
Heinricum  Ham,  |  Fast  lustig  vnd  kurtz-  |  weilig  zu  lesen*. 
Auf  Bl.  F4'  sagt  Joachimus  Greff  ,Dem  leser',  dass  er  diese 
Andria  seines  Freundes  Ham  , schier  on  seinen  willen'  zu  seiner 
Aulularia  habe  drucken  lassen,  um  zu  zeigen,  dass  er  nicht 
blos  seine  eigenen  Arbeiten  werth  halte,  und  dass  andere  Leute 
auch  was  können.  '  Greff  hatte  sich  vorgenommen,  den  ganzen 
Terenz  zu  übersetzen,    aber   diese  Andria  habe  ihn  veranlasst. 


'  Ham  und  Greff  haben  zusammen  studirt.  ,Henricus  Hamme  de  Northusia 
dioc.  Magun.'  ist  unter  dem  Rector  Johann  Volmar  1528  und  ,  Joachimus 
Greff  dio.  Numburgen.  23  Junij'  unter  dem  Rector  Caspar  von  Teiteleben 
in  demselben  .lahrc  zu  Wittenberg  immatricuHrt  (Förstemann  Alb.  Ac. 
Viteb.  Sp.  131"  135'^).  Ham  gehörte  zu  Johann  Agricola's  Anhängern 
im   antinomistiachen    Streit;    er   war    1539    in   Diensten    des   Markgrafen 


Deutsolie  Studien.  199 

seinen  Plan  nur  noch  für  die  anderen  fünf  Comödien  des  Te- 
renz  festzuhalten.  Von  rührendem  Eifer  für  die  Sache  zeugt, 
wenn  er  dann  Jedermann,  der  Affection  zu  solchen  Rhythmis 
habe,  auffordert,  sich  darin  zu  versuchen,  ,vnd  der  gleichen 
etwas  geistliehs  aber  weltlichs  an  tag  komen'  zu  lassen,  ,0n 
zweiuel  ein  iglicher,  der  etwan  ein  Zuneigung  zu  diesem  Studio 
vn  zu  solcher  Poeterey  hat,  wird  befinden,  das  jm  solche 
vbung,  zu  erkentnis  Deudscher  sprachen,  vnd  anderer  vieler 
ding  sol  behülfflich  vnd  furtreglich  sein.' 

Die  Zusätze  Greff's  im  Stücke  selbst  sind  sämmtlich 
J.  G.  unterzeichnet.  In  einem  neun  Seiten  langen  Prologus 
ermahnt  Morio  zu  strenger  Kindererziehung,  indem  er  den 
Nutzen  der  theatralischen  Spiele  auseinandersetzt  und  dem  Ein- 
wand begegnet,  dass  hier  ein  Spiel  angerichtet  werde,  ehe  noch 
die  Fastnacht  gekommen  sei.  Offenbar  spricht  ein  Schüler:  das 
Spiel  ist  angericht  ,von  unsern  Preceptoribus  on  furwitz,  vns 
zu  nutz,  vnd  euch  zu  ehrn'.  Der  Narr  behauptet  vom  Platze 
mitgenommen  zu  sein,  da  ihn  die  Spielenden  nicht  entbehi'en 
konnten: 

Man  spricht,  Es  ist  kein  spiel  so  klein 

Es  mus  ein  Muncli  aber  narr  drin  sein.' 

Auch  in  den  Vorreden  zum  zweiten,  dritten  und  zum 
vierten,  fünften  Acte  zeigt  sich  Greft's  Morio  als  ein  sehr  ernst- 
hafter und  uninteressanter  Narr.  Desgleichen  im  Epilogus,  der 
ein  Akrostichon  bildet  mit  dem  Namen  des  Verfassers  MA- 
GISTER HENRICUS  HAM. 

Auf  diese  Einllechtung  des  Narren  scheint  sich  Greff's 
Antheil  au  dem  Stücke  allerdings   zu  beschränken. 

Aber  die  Vorrede  enthält  noch  eine  merkwürdige  Notiz. 
Greff    verspricht,    wenn    die    Aulularia    gefalle,    mit    der    Zeit 


Johann  von  Brandenburg,  Bruders  des  Kurfürsten  Joaeliims  II.  (Luther 
Br.  de  Wette  5,  170);  als  Prediger  zu  Königsberg  in  der  Neumurk  wurde 
er  1553  abgesetzt,  weil  er  lehrte,  die  Jungfrau  Maria  habe  den  Heiland 
der  Welt  mit  Weh  und  Schmerzen  geboren:  Kordes  Agricola's  Schriften 
(Altena  1817)  S.  :3(»4— 308. 
1  Vgl.  Prolog  zum  Mnndus  (A5):  Wir  bringen  auch  ein  Monnich  mit  Ja 
wo  ist  der  im  spiel  nicht?  Ir  wist  es  ist  kein  spiel  so  klein  Es  wil  ein 
alt  weib  oder  Münnich  drin  sein 


200  Scherer. 

wieder  etwas  Geistliches  zu  verfassen,  wie  ,zuuor  die  Historiam 
Jacob  vnd  seiner  zwelflF  s6ne'. 

Er  hatte  mithin  ein  Stück  dieses  Inhalts  geschrieben.  Das 
bestätigt  auch  die  Vorrede  zum  Abraham  (1540),  der  eigentlich 
nur  den  ersten  Theil  zur  Geschichte  der  drei  Erzväter  bilden 
sollte.  Er  motivirt,  weshalb  er  seinen  Plan  festhalte,  obgleich 
soeben  das  Büchlein  ,Vom  herrlichen  vrsprung  des  menschen  etc.' 
(d.  h.  das  Stück  von  Valten  Voith,  Meistersinger  zu  Magdeburg, 
1538;  Goed.  S  308  Nr.  141)  und  ,die  heirad  des  lieben  Isaacs 
mit  seiner  lieben  Rebecken'  (d.  h.  das  Stück  von  Hans  Tirolf, 
Wittenberg  1539,  Goed.  ibid.  Nr.  142)  erschienen  sei.  Die 
Historien  Abrahams  und  Isaacs  habe  er  ,fast  für  zweien  jaren' 
verfertigt,  sie  aber  bisher  nicht  drucken  lassen,  weil  er  willens 
gewesen,  die  des  Erzvaters  Jacob  noch  hinzuzufügen,  , Welche 
ob  sie  wol  für  lengst  zuuor,  auch  von  mir  etzlicher  mas,  doch 
nicht  gar,  sonder  nur  stückweis  in  einer  eil  gefast,  auch  an 
ctzlichen  orten  also  Agirt  vnd  gespielt  ist  worden,  Bin  ich 
doch  je  vnd  alweg  (wie  gesagt)  des  sinnes  gewesen,  dieselbige 
mit  der  zeit  gantz  vnd  gar  bis  zum  ende  zuuorfuren':  was  er 
nun  gethan  habe. 

Da  er  hinzufügt,  Jedermann  werde  sich  überzeugen,  dass 
er  Jacobs  Historie  überall  vermehrt  und  gebessert  und  Aus- 
gelassenes eingeschaltet  (er  legt  grossen  Werth  auf  die  Voll- 
ständigkeit): so  muss  dieselbe  auch  im  Druck  vorhanden  ge- 
wesen sein,  was  schon  nach  den  mehrfachen  Aufführungen 
\vahrscheinlich  wäre. 

Der  Isaac  und  der  neue  Jacob  sind  uns  verloren.  Das 
letzte  Blatt  des  Bandes  trägt  den  Druckvermerk  (Weim.  Jb. 
4,  208),  aber  auch  die  Notiz  ,Hierauff  folget  die  andere 
Histori  vom  Isaac',  Fortsetzung  des  Druckes  war  mithin 
beabsichtigt;  es  sollten  wol  drei  Bände  werden. 

Aber  vielleicht  ist  die  alte  Fassung  des  Jacob  auf  uns 
gekommen.  Sie  muss,  wie  wir  sahen,  älter  sein  als  die  Aulu- 
laria;  und  sollten  wir  darnach  suchen,  so  würden  wir,  wie  bei 
der  Aulularia,  zunächst  Magdeburg  als  Entstehungsort  voraus- 
setzen. In  der  That  finden  wir  daselbst  ein  Stück,  dessen 
Titel  lautet  (Heyse  Büchersch.  2139): 

,Eiu  lieblich  |  vnd  niitzbarlich  spil  |  von  dem  Patriarchen  Jacob  vnd 
seinen  zweltf  Sönen  ,   Aus  dem  Ersten  buch  Mo-  |  si  gezogen  vnd  zu  Mag-  | 


Deutsche  Stadiun.  2Ul 

debiirg  auff  dem  Bchfi   |  tzenhoff,  yni   1534.   [  jar,  gehalten.'  .4?«  ScUusn:  ,Ge- 
druckt  zu  Magdeburg-k      diiirli  Michel  Lotther.   l.'J34'.  40  Bl.  8°. 

Der  Titel  ist  in  einen  Hülzschnittrahuien  eing;esclilossen, 
der  nicht  ursprünglich  hierzu  dienen  sollte,  sondern  die  Er- 
mordung Kains  darstellt.  Noch  in  demselben  Jahre  erschien 
bei  demselben  Drucker  eine  zweite  Ausgabe  (Heyse  2140),  im 
nächsten  Jahre  eine  dritte  zusammen  mit  der  Susanna  (nach 
Goed.  §.  147  Kr.  117  zuerst  Magdeb.  1534j  —  nach  den  Typen 
zu  schliessen  wieder  bei  demselben  Drucker:  den  Titel  siehe 
Weim.  Jb.  4,  20(5;  einen  weiteren  Di-uck  der  beiden  Stücke  siehe 
bei  Maltzahn  Bücherschatz  S.  177  Nr,  1082.  Aus  der  Angabe 
ihres  Titels  ,im  1535.  iar  gehalten'  darf  man  nicht  auf  eine 
zweite  Aufführung  schliessen,  denn  die  Jahreszahl  kann  will- 
kürlich eingesetzt  sein;  es  ist  allerdings  aber  auch  möglich 
dass  das  mit  so  viel  Beifall  aufgenommene  Stück  wirklich 
wiederholt  wurde. 

Die  ,Zu  Magdeburgk  Donnerstag  nach  Laurent!  1534' 
(13.  August)  datirte  Vorrede  ist  dieselbe  geblieben.  Darin 
meldet  der  Drucker,  das  Stück  sei  von  vielen  Fremden  an- 
gesehen und  so  viele  Abschi-iften  davon  begehrt  Morden,  dass 
man  der  Nachfrage  nicht  genügen  konnte.  Er  habe  mit  schwerer 
Mühe  ,von  den  jenigen  so  diese  Historiam  yn  solche  ordenung 
vnd  reyme  vorfasset'  die  Erlaubniss  zum  Druck  erlangt,  ,Der 
vrsachen  halben,  das  sie  solches  spiel  gar  yn  kurtzer  zeyt, 
vnd  mit  grosser  eyl  also  zusamen  gebracht,  Vnd  dasselbige 
an  etzlichen  drtern  gern  gebessert  vnd   vorandert  hetten'. 

Diese  Angabe  stimmt  gerade  so  zu  Greff's  eigener  Cha- 
rakteristik des  Stückes,  wie  sich  das  , lieblich  und  nützbarlich' 
des  Titels  in  dem  Erzväterspiele  wiedertindet. 

Es  ist  unnöthig  eine  nähere  philologische  Untersuchung  auf 
Sprache,  Vers,  Reim  und  künstlerische  Behandlung  zu  wenden, 
da  ein  äusseres  Document  hinzukommt,  welches  jeden  Zweifel 
hebt  und  uns  die  vielleicht  widerspruchsvollen  Resultate  einer 
solchen  Untersuchung  zum  voraus  erklärt. 

Der  Drucker  hat  ganz  recht  von  den  Verfassern  im 
Plural  zu  reden.  Nach  dem  Epilog  des  Stückes  folgt  ,Ein 
bitt  zu  Gott'  um  Ausbreitung  des  göttlichen  Wortes  und  Ver- 
nichtung der  falschen  Lehre.  Die  Anfangsbuchstaben  der  Zeilen 
bilden,  wie    schon    in  Heyse's  Exemplar    und  dann  von   Herrn 

SitzuDgsber.  d.  phil.-hiut.  Cl.  XC.  Bd.  II.  Htt.  It 


202  Sclierer. 

von  Maltziihn  bemerkt  wurde,  ein  Akrostichon,  dessen  gleiclieu 
wir  bei  Ham's  Andria  gefunden,  und  zwar:  GEORGIUS  MAIOK 
lOACHIMUS  GREF. 

Greff  hat  also  das  Stück  in  Gemeinschaft  mit  Georg 
Major  ausgearbeitet,  welcher  damals,  in  den  Jahren  1529  bis 
1536,  Rector  der  Schule  zu  Magdeburg,  als  Nachfolger  Caspar 
Cruciger's,  gewesen  ist:  Adami  Vitae  Theol.  223^,  vgl.  94*; 
Pressel  Cruciger  S.  11.  13.  Amsdorf  S.  108.  Nun  verstehen 
wir  auch  Greff's  Angabe  in  der  Vorrede  zum  Abraham,  dass 
er  den  Jacob  ,nur  stückweis'  verfasst.  Es  muss  aber  dahin 
gestellt  bleiben,  ob  er  in  der  oben  angeführten  Widmung  an 
Sabinus  den  Georg  Major  mit  Bezug  auf  dieses  Spiel  von 
Jacob  oder  wirklich  mit  Bezug  auf  die  Aulularia  als  seinen 
Förderer  genannt  habe. 

Die  Autorschaft  der  1535  mit  dem  Jacob  zusammen  ge- 
druckten Susanna  zu  bestimmen,  fehlt  bis  jetzt  jeder  Anhalts- 
punkt. Dass  sie  auch  in  Magdeburg  aufgeführt  wurde,  stellt 
fest.     Der  Prolog  redet  den   Rath   an: 

Wolweise  achtbare  Herren 
Ewr  Weisheit  vnd  wirdeu  zu  elirn, 
Sind  wir  jtzund  hierauff  komen 
Nach  altem  brauch  fürgenomen, 
Ein  deudsch  spiel  euch  furzutragen 
Damit  man  nicht  moclite  sagen, 
Wir  wem  vndanckbar  ewr  Weisheit 
Welch  mit  grosser  fursiclitigkeit, 
Inn  guten  kunsten  vnd  tugent 
Vns  kinder  itzt  jiin  der  iugent, 
Zu  vnterweisen  verschatl't  hat 
Welchs  ist  das  best  kleinad  der  stat 

Merkwürdig,  dass  schon  zu  dieser  Zeit  das  Spiel  als  ein 
alter  Brauch,  die  Schule  selbst  dagegen  als  etwas  Neues  zu 
gelten  scheint.  Aber  man  darf  die  Woi'te  gewiss  nicht  so  scharf 
nehmen:  siehe  unten  Vorrede  zur  Aulularia. 

Indem  dann  das  Argument  des  Stückes  sich  auschliesst, 
heisst  es: 

Hie  ist  nun  Babylon  behend 

Doch  80  das  spiel  erreicht  sein  end, 

Magdeburg  es  wider  werden  sol 

Gott  mach  sie  aller  gnaden  vol 


Deutsche  Studien.  203 

In  einem  Nürnberg-er  Druck  (,Ein  kurtz  vnd  seer  |  schön 
spil,  von  der  Gotffirchtig-en  vnd  keuschen  [  frawen  Susanna/ 
Schluss:  , Gedruckt  zu  Nürnberg  durch  Kunegund  Hergotin'.) 
wird  statt  dessen  gesagt:  , Nürnberg  es  wider  werden  soP. 

Der  Prolog  legt  ferner,  um  es  beiläufig  anzuführen,  ein 
Zeugniss  für  die  völlige  Decorationslosigkeit  jener  ältesten 
Schulbühnen  ab : 

Das  ist  SLMch  der  schone  garten 

Inn  dem  die  zweeu  alten  warten, 

Die  Susanna  zu  bezwinfjen 

Es  wolt  jn  doch  nicht  gelingen, 

Dieser  gart  ist  gar  hfibsch  vnd  schön 

Von  kreutern  vnd  viel  beumen  gr&n, 

Welchen  so  euch  zu  sehen  glust 

Gar  scharff  brillen  jr  haben  niust. 

Der  Epilog  stellt  in  Aussicht,  den  anderen  Tag  ungefähr 
um  halb  drei  würden  die  beiden  alten  Bösewichte  gerichtet 
werden:  ,Wo  jhr  sie  nun  wollet  sehen,  so  kompt  zeitlich  vor 
das  radthaus'. ' 

Das  Stück  schliesst  nämlich  mit  der  Ueberführung  der 
Kläger  durch  Daniel  und  mit  einem  Dankgebete  Susannas. 
Es  hat  bei  aller  Kürze  seine  bemerkenswerthen  Vorzüge.  Die 
beiden  Alten  führen  sich  mit  einem  Gespräche  ein,  woraus 
sich  ergibt,  dass  sie  beide  in  stürmischer  Ehe  leben  und  von 
ihren  Frauen  schlecht  behandelt  werden.  Die  Vorliebe  der 
Zeit  für  satirische  Schilderung  schlechter  Ehen  geht  mit  dem 
Bedürfnisse  nach  einiger  Motivirung  aus  den  Charakteren  Hand 
in  Hand.  Dass  die  alten  Verfülirer  keines  guten  Rufes  ge- 
niessen,  wird  dann  wiederholt  hervorgehoben,  wie  anderseits 
Joachim  von  vornherein  die  Keuschheit  seiner  Frau  hochpreist. 
Seltsam,  dass  er  nachher  gar  nicht  eingreift  und  beinah  völlig 
verschwindet;    man    könnte    denken,    der    ganze    erste  Act    sei 


'  Die  Stelle  ist  aus  dem  erwälinten  Nürnberger  Druck  angeführt  bei 
Herman  Grimm  Essays  (1859)  S.  14Gf.,  wo  nachgewiesen,  dass  Herzog 
Heinrich  Julius  wahrscheinlich  dies  alte  Magdeburger  Stück  kannte  und 
benutzte,  wo  auch  die  übrigen  deutscheu  Susannen  des  sechzelmten 
Jahrhunderts  herbeigezogen.  Das  Spiel  der  Wiener  Hs.  ist  in  Keller's 
Fastuachtsp.  Nachlese  S.  231  und  Germ.  22,  ;^42  gedruckt,  lieber  Sixt 
Birck's  Susanna  vgl.  A.  D.  Uiogr.  2,  657 :  sie  ist  besser  als  die  Rebhun'sche, 
diese  hat  davon  gelernt,  namentlich  die  Kinderscenen. 

14* 


204  Si'herer. 

später  vorgeschoben;  auch  die  Kinder  sind  nicht  eingeführt; 
offenbar  hat  der  Verfasser  die  Susanna  von  Sixt  Birck  (1532) 
nicht  gekannt,  welche  ungefähr  gleichzeitig  dem  Paul  Rebhun 
vorlag. 

Dem  allgemeinen  Charakter  nach  könnte  dieses  Magde- 
burger Susannenspiel  gar  wohl  mit  dem  Jacob  von  Major  und 
Greff  verglichen  werden.  Aber  die  Susanna  zeigt  häufige  Reim- 
brechung '  und  davon  ist  im  Jacob  keine  Spur,  wo  die  Reden 
ganz  regelmässig  (die  wenigen  Ausnahmen  kommen  nicht  in 
Betracht)  mit  der  zweiten  Zeile  des  Reimpaares  schliessen. 
Von  der  Autorschaft  Major's  oder  Greff's  kann  demnach  keine 
Rede  sein.  Doch  hat  die  Aufführung  innerhalb  Major's  Rec- 
torat  und  daher  ohne  Zweifel  unter  seiner  Förderung  statt- 
gefunden. 

Georg  Major's  Nachfolger  in  der  Leitung  der  Magdeburger 
Schule  war  M.  Joachim  Wolterstorff.  ^  Aber  noch  auf  Major's 
Thätigkeit  muss  die  anonyme  Esther  zurückgehen,  welche 
Gottsched  1,  77  (Goed.  §.  147  Nr.  138)  verzeichnet.  Sie  ist 
, Gedruckt  zu  Magdeburg  durch  Michael  Lotther  M.  D.  XXX  VIP. 
Aber  die  Widmung  ist  vom  Himmelfahrtstag  153G  (25.  Mai) 
datirt  und  gilt  ,Dem  achtbaren  vn  wolgelarten  herrn  M.  G.  M. 
meinem  günstigen  herrn  vnd  freunde',  was  man  leicht  zu  ,Ma- 
gistro  Georgio  Majori'  ergänzt;  es  wird  darauf  Bezug  genommen, 
dass  , Jacob  und  seine  Söhne'  in  Magdeburg  ,fur  zweien  jaren 
vngeferlich'  gespielt  und  nachher  in  Druck  gegeben  sei.^ 

'  Die  Bemerkung  von  Dr.  Max  Rachel  darüber,  Reimbrecliung  und  Drei- 
reiiu  im  Drama  des  Hans  Sachs  und  anderer  gleichzeitio-pr  Dramatiker 
(Freiberg  1870)  S.  21,  ist  nicht  genau.  —  Zu  der  Reimbrechung  ül>or- 
haupt  sei  erwähnt,  dass  sie  z.  B.  im  Maitre  Pathelin  ganz  durt  ligefiilirt 
ist  und  aucli  in  anderen  französischen  Farcen  erscheint ;  siehe  Bibliophile 
Jacob  Recueil  des  Farces  (Paris  18ö9i. 

^  ,M.  .Toacliimus  Wolterstorffius,  Gcorgii  Majoris  in  Recforatu  Magde- 
burgensi  anno  1537  successor  factus,  in  suburbio  australi  apud  nos  Pastor 
anno  1543,  in  Pastoratu  Magdeburgi  Jacobaeo,  quem  obtinuisse  videtur 
anno  1547,  fatis  concessit  anno  l.")54  die  15.  Januarii.'  M.  Godofr. 
Bergner:  Bigae  tbeohigornm  sec.  XVI  eorundemque  profes.sorum  G^'m- 
nasii  Magdeburgensis  L.  Nie.  Glosseni  et  Nie.  Galli  (Mngdeb.  17-20). 
Andere  Arbeiten  von  Bergner  über  die  Geschichte  der  Magdeburger 
Schule,  auf  die  er  hinweist,  sind   nur  nicht  zugänglich. 

■*  Mehr  vermag  icli  darüber  jetzt  nicht  anzugeben.  Ein  Exemplar  des 
Stückes  ist  mir  augenblickiicli  nicht  zur  Hand ;  da^  einzige  mir  bekannte 


Deutsche  Studien.  205 

So  stehen  Georg-  Major,  der  Theologe,  dessen  Ansichten 
über  die  guten  Werke  unter  den  strengen  Lutheranern  später 
so  viel  Anstoss  erregten,  und  Joachim  GrefF  an  der  Spitze  des 
Magdeburger  Schuldramas.  Bald  folgte  ihnen  der  Meistersinger 
Valten  Voith  (1538;  siehe  Goedeke  Every-man  S.  90),  und 
von  den  Sechziger  Jahren  an  bis  ins  siebzehnte  Jahrhundert 
Baumgart  (A.  D.  Biogr.  2,  158),  Georg  Rollenhagen,  Pape, 
Hartman,  Lonemann,  Gabriel  Rollenhagen,  Goezius,  Blocius 
(A.  D.  Biogr.  2,  712). 

GrefF's  Aufenthalt  in  Magdeburg  begrenzt  sich  dadurch, 
dass  wir  ihn  1533  noch  in  Halle  zu  denken  haben,  dass  dann 
1534  der  Jacob  zu  Magdeburg  aufgeführt  wurde,  die  Aulularia 
aus  Magdeburg  1535,  dagegen  die  Judith  schon  aus  Wittenbei-g 
,am  abend  Michaelis'  1536  datirt  ist.  Diese  letztere  Tragödie 
ist  den  drei  fürstlichen  Brüdern  Georg,  Johann  und  Joachim 
von  Anhalt  gewidmet,  und  Greff  theilt  ihnen  mit,  er  sei  ,nu 
zur  zeit,  jnn  E.  F.  G.  gebit,  mit  dienst  behafft';  wozu  ich 
nichts  Erklärendes  zu  bemerken  weiss.  Auch  seine  Widmung 
des  Mundus  (1537)  und  des  Abraham  (1540)  ist  aus  Witten- 
berg, erst  die  Vermahnung  (1541  ,Donerstag  nach  Francisci', 
d.  i.  5.  October)  aus  Dessau  datirt,  wie  die  beiden  folgenden 
Stücke  bis  1546. 

Das  Spiel  von  Jacob  und  s  e  i  u  e  u  Söhnen. 

Ich  will  untersuchen,  wie  weit  sich  etwa  die  Antheile 
der  beiden  Verfasser  an  diesem  Stücke  von  einander  sondern 
lassen.     Ueberblicken  wir  zuerst  das  Ganze. 

1.  1.  Jacob  erzählt  seine  Geschichte,  was  für  Gnade  ihm 
von  Gott  erwiesen  ohne  sein  Verdienst.  Sendet  ein  warmes 
Dankgebet  zum  Himmel  empor. 

2.  Joseph  bekommt  den  bunten  Rock. 

3.  Die  Brüder  machen  ihm  Vorwürfe,  er  erzählt  seine 
Träume. 


befindet  sich  in  Zwickau,  und  ich  konnte  e."»  vor  etwa  seclis  Jaliren  durch 
Zarncke's  Vermittlung  benutzen.  Da  ich  in  anderem  Zu.samnienhange 
noch  einmal  darauf  zurückkommen  niuss,  so  verzichtete  ich  vurläutig 
darauf,  der  Bibliotliek  durcli  erneuerte  Bitte  um  Uebersendung  lästig  zu 
fallen.  Mag  deshalb  die  Frage  nach  Major's  Autorschaft  v.ntagt  bleiben. 


206  Scherer. 

4.  Der  dazu  kommende  Jacob  verweist  es  ihm;  schickt 
die  Brüder  nach  Sichern.  Alles  sehr  kurz  und  skizzenhaft 
aneinander  gereiht. 

II.  1.  Simeon  räth  Joseph  todt  zu  schlagen,  Levi  stimmt 
bei,  Rüben  will  ihn  blos  in  eine  Grube  werfen.  Die  Berathung 
ist  sehr  sonderbar,  da  noch  Keiner  weiss,  dass  Joseph  kommen 
werde. 

2.  Joseph  wird  vom  Vater  abgeschickt. 

3.  Die  Brüder  sehen  ihn,  werfen  ihn  in  die  Grube.  Die 
längeren  Bitten  Josephs  werden  erst  durch  Simeon,  dann  durch 
Levi  mit  Anschuldigungen  erwidert. 

III.  1.  Judas  bekommt  Gewissensbisse,  räth  ihn  aus  der 
Grube  zu  nehmen  und  zu  verkaufen  (wieder  ohne  den  äusseren 
Anlass  vorüberziehender  Kaufleute).  Juda  zu  Levi: 

Steig  zu  ym  nein  vnd  bindt  yn  an 
Wir  woln  hie  bleiben  stille  stan, 
Sich  bindt  yhn  so  auff  das  auch  lielt 
Das  ehr  nicht  widr  hinnuuder  feldt, 

Leui.     Nun  ziecht  mit  vieis,  nu  ziecht  doch  fluck 
Hüy  ziecht  doch  fort,  huy  noch  ein  ruck, 

Man  muss  annehmen,  dass  Levi  gethan  hat,  wie  ihm 
geheissen  wurde,  und  aus  der  Grube  spricht.  Sie  verlangen 
von  Joseph,  dass  er  die  Hand  erhebe  und  schwöre  (Vnd  reck 
derhalb  zwen  finger  auff),  sich  für  ihren  Knecht  auszugeben. 
Man  muss  annehmen,  dass  er  es  thut;  aber  er  öffnet  in  dieser 
ganzen  Scene  nicht  den  Mund:  nur  Juda  und  Levi  reden. 

2.  Drei  Kaufleute  reden  unter  einander:  Gespräche,  wie 
sie  Kaufleute  führen  mochten,  die  von  der  Messe  nach  Hause 
ziehen,  werden  nachgebildet.  Der  Verkauf.  Beschluss,  dem 
Vater  den  Rock  durch  einen  Knecht  zu  schicken.  Es  reden 
nur  der  erste  und  zweite  Kaufmann,  Juda,  Levi. 

3.  Jacob  und  der  Bote. 

IV.  1.  Josephs  Dankgebet  zu  Gott,  Bitte  für  den  Vater.  — 
Potipliar  lobt  ihn  :  noch  nie  habe  er  mit  einem  Knechte  solches 
Glück  gehabt.  Er  muss  ,ausreysen  ytzt  vnd  mahnen  gelt*: 
setzt  den  Joseph  zum  Schaffner  ein;  lässt  seine  Frau  holen: 

Sich  wo  sie  bleibt  glic  sich  darnach 
Vnd   kunib  du  selbs  baldt  wider  auch, 


Deutsche  Studien  207 

Die  kleine  zundbuchs  breng  mit  dir    • 
Darzu  den  spies  nu  gehstu  schir, 

Abschied  von   der  Frau,  Namens  Mecha  (moecha). 

2.  Monolog  der  Mecha. 

Vor  war  ich  weis  nicht  was  ich  mach 
Mir  leit  ym  sinn  ein  seltzam  sach, 
Darmit  ich  lang  bin  gangen  vmb 
Ich  kau  nur  nicht  darhinder  kumb, 
Mein  herr  der  hat  ein  knecht  aldo 
Der  leit  mir  stets  ym  sinn  also, 
So  mechtig  sehr,  zu  tag  vnd  nacht 
Sein  schön  gestalt  allein  das  macht, 
Ich  denck  so  mancherley  bey  mir 
Zu  yhm  mehrt  sich  altag  meyn  gihr 
Mein  hertz,  muth,  sin,  vnd  all  gedanck 
Ich  werd  zu  letzt  noch  werden  kranck, 
Dan  wo  ehr  mir  nicht  wirt  zu  theyl 
So  ist  dahin  mein  trost  vnd  heil, 
Wiewol  ich  bsorg  icli    wers  ein   mall 
Vorsuchn,  es  sey  gleich  wen  es  wöl, 
Ich  will  yhn  eins  vorsuchn  damit 
Ehr  thus  nu  gleich  aber  thues  nit 
So  las  ich  doch  so  baldt  nicht  ab 
Bis  ich  yhn  vberredet  hab. 
Ich  hab  doch  sunst  vorwar  kein  rüg 
"Vnd  hets  auch  schir  am  besten  fug, 
Gleich  eben  ytzt  zu  dieser  frist 
Dye  weil  mein  herr  zu  haus  nicht  ist, 
Sich  nue  ehr  kumpt  ytzt  gleich  zu  mas 
Wie  möcht  myr  doch  geschehen  bas, 

3.  Joseph    ermahnt    die  Dienerschaft  zur  Arbeit,  erblickt 
die  Frau: 

Sich  liebe  frawe  stehst  du  aldo, 

Mecha.     Ja  Joseph  lieber  diener  mein 

Ach  wen  dirs  gfiel  vnd  möcht  gesein, 

Ich  hett  mit  dir  zureden  was 

Ich  wil  dir  sagen  warlich  das, 

Sol  dir  nicht  schaden,  warlich  nein 

So  du  thust  nach  dem  willen  mein, 

Dein  schöner  leib,  dein  angesicht 

Zu  tag  zu  nacht  mich  sehr  anficht, 

Joseph.     Ey  liebe  fraw  l)ehiit  mich  Gott 
Vnd  dich  darzu  für  solcher  that. 
Wie  kümbstu  darauff  ymmerdar? 


208  Scherer. 

Mecha.     Dem  schön  g-estalt  die  inachts  vorwar, 
Ach  .Joseph  lieber  diener  zart 
Ich  bitt  dich  ytzt  auff  dieser  fart, 
Wolst  dich  yn  meinen  willen  geben 
Es  sol  vorwar  bey  meinem  leben, 
Vorschwigen  bleiben  stetticklich 
Es  sols  kein  men.sch  erfaren  nicht, 

Joseph.     Ach  fraw  las  mich  mit  dem  zu  fried 
Vorwar  vorwar  ich  thu  es  nitt. 
Vnd  ob  dus  gleich  vorschweigen  wilt 
Dis  alles  doch  bey  mir  nicht  gilt, 
Die  gunst  des  lieben  herren  dein 
Darüber  auch  die  trewe  mein, 
Dis  alles  mir  viel  lieber  ist 

Mecha.     Gedenck  das  du  alleine  hye  bist. 

Allein  bey  mir  vnd  niemandts  mehr 

Es  soll  dir  sein  on  als  gefehr, 

Horts  doch  noch  sichts  kein  mensch  vorwar 

Joseph:  aber  Gott  sähe  es.  Mecha:  lass  dich  doch  nicht 
so  bitten.  Josepli:  wenn  er  auch  ihren  Willen  thäte,  so  hätte 
er  keine  Ruhe  in  seinem  Gewissen  darnach;  der  Herr  habe 
ihn  zum  Schaffner  gemacht,  solle  er  sein  Vertrauen  so  niiss- 
brauchen.  Mecha  setzt  ihm  von  Neuem  zu,  er  weigert  sich 
wieder. 

Mecha.     Wolan  .Joseph  so  sag  ich  zwar 

Ich   hab  mirs  fiirgesetzt  so  gar, 

Hab  mirs  so  gantz  gebildet  ein 

Es  kan  vnd  mag  nicht  anders  gsein, 

Vnd  wiltu  nicht  gern,  so  must  du  baldt 

Joseph.     Ach  fraw  du  thust  mir  hie  gewalt, 

Man  muss  annehmen,  dass  er  zugleich  entflieht. 

Mecha.     O  Zeter  zeter  mein  grosses  leidt 
Ihr  lieben  knecht  yr  lieben  meidt, 
Wo  seidt  yhr  doch,  ist  niemandt  do? 

Seruus.     Ach  liebe  fraw  wie  schreistu  so? 

Ancilla.     Ey  liebe  fraw  was  ist  dir  nott? 

Mecha.     O  wlie  o  whe  erbarm  es  Gott, 

Ich  bin  doch   kaum  das  dartf  ich  sagn 
So  sehr  erschrocken  all  mein  tag, 

Sern  US.     Wir  hat  dir  den  nur  leidt  gethan? 
Ach   liebe  fraw,  das  zeig  vns  au. 


Deutsche  Studien.  209 

Mecha.     O  Joseph  das  dirs  Gott  vorzey 
Bistu  deim  Herren  so  getrew, 

Sern  US.     Was  hat  denn  Joseph  angericht? 

Ach  sag  vns  das,  Vorhalts  vns  nicht, 

Mecha.     Ach  leider  leider  meyner  elir 

Ancilla.     Das  wolt  Gott  nu  vud  niimmermer, 

Mecha.     Ehr  bodt  mir  an  ich  weis  nicht  was 
Ob  ich  ym  wolt  zusagen  das, 
Ach   wer  doch  nur  zu  haus  mein  herr 
So  acht  ichs  aber  nicht  so  sehr, 
Zu  letzt  ehr  mich  noch  zwingen  wolt 
Das  ichs  ym  yo  vorheischen  solt, 
Ich  schem  mich  das  ichs  sagen  soll 

Ancilla.     Ach  liebe  fraw  gehab  dich  wol, 

Sich  dort  kumpt  schon  der  herr  vorwar 
Sich  ist  ers  nicht?  ehr  ists  yo  zwar, 

4.  Anklage  gegen  Joseph.  Potipliar  ertheilt  den  Befehl, 
ihn  zu  suchen,  zu  binden  und  gefangen  zu  setzen.  Das  ge- 
schieht hinter  der  Scene,  muss  man  annehmen. 

5.  Pharao  erzälilt  seinen  Traum,  drei  Magi  nach  der 
Reihe  wissen  ihn  nicht  zu  deuten.  Pincerna  erzählt  von  Joseph; 
Pharao  schickt  nach  ihm. 

6.  Joseph  kommt,  Pharao  erzählt  den  Traum  noch  einmal, 
Joseph  gibt  bescheiden  die  Deutung.  Pharao  macht  ihn  zu 
seinem  nächsten  Rath.  Er  möge  hinein  gehen,  die  Amtleute 
bestellen,  die  Korn  aufschütten  sollen,  und  dann  wieder  her- 
auskommen. Unterdessen  lässt  sich  Pharao  seinen  besten  Rock 

holen : 

Geh  breng  mir  raus  mein  besten  rock 
Dich  mein  ich  dort,  Hüy  geh  doch  fluck, 

äussert  weitere  Freude  über  die  sinnreiche  Traumdeutung  und 
ergeht  sich   in  Josephs  Lob. 

Bring  her  vnd  leg  yhu  bey  mir  nidder 

—  nämlich  den  mittlerweile  geholten  Rock:  diesen  schenkt 
er  nun  dem  rückkehrenden  Joseph,  macht  ihn  zum  Herrn 
,Wol  vber  gantz  Egypten   landt'  und  gebietet  ilin  zu  ehren. 

Es  ist  mein  ernst  nierckt  das 
Wir  woln  nu  gehn  vnd  essen  was, 


210  Scherer. 

V.    1.  Jacob  schickt  seine  Söhne  nach  Aegypten. 

2.  Dankgebet  Joseplis:  er  sieht  seine  Brüder.  Rüben 
bittet  um  Getreide  und  gibt  Auskunft  über  die  Familie.  Joseph 
erklärt,  er  müsse  den  Jüngsten  sehen;  Simeon  Geisel;  Auftrag 
wegen  des  Geldes  an  den  Dispensator.  Die  Brüder  reuig; 
Joseph,  der  ihre  Reden  hört,  gerührt;  aber  äusserlich  rauh, 
Dispensator  wird  in  einem  kurzen  Monolog  nicht  klug  aus 
Josephs  Verfahren. 

3.  Jacob,  Rüben,  Juda.  Sie  verlangen,  dass  Jacob  ihnen 
den  Benjamin  mitgebe. 

4.  Die  Brüder  in  Aegypten  ankommend,  werden  nach  innen 
gewiesen  zur  Bewirthung.  Joseph  allein,  das  Herz  will  ihm 
brechen:  Betrachtung  und  Gebet  zu  Gott.  Gibt  dem  Dispen- 
sator neue  Instructionen. 

5.  Rüben  übergibt  Jacobs  Geschenke  und  erbittet  sich 
Simeon. 

6.  Dispensator    untersucht    die  Säcke    nach    dem  Becher: 

Bindt  auff  last  sehn,  Hie  i.sts  alls  schlecht 

Hie  ist  auch  nichts,  was  hast  den  du? 

Es  ist  noch  gutt,  Wie  sichstu  so, 

Du  wirst  yhn  habn,  was  gilts  wolan 

Du  siehst  mich  gleich  so  sawer  an, 

Ich  findt  noch  nichts,  es  war  dir  gutt. 

Las  sehn  bint  auff  ob  du  yhn  best 

Es  war  dir  wol  das  aller  pest. 

Wolan  ich  werdt  yhn  finden  noch 

Ja  steckt  ehr  hye  yn  diesem  loch, 

Nu  secht  ihr  schelm  yhr  bösewicht 

Wie  yhrs  so  fein  habt  aus  gericht, 

Nu  schickt  euch  baldt  yhr  müst  wyderumb 

Ihr  müst  für  meinen  lierrn  kum, 

Ehr  wird  euch  lernen  was  gilts  wolan 

Ihr  solsts  (1.  solts)  nicht  habn  vorgebens  gthau, 

Mein  herr  ich  breng  sie  all  mit  eyn 

Die  letzte  Zeile,  mit  welcher  schon  wieder  Joseph  an- 
geredet wird,  ist  im  Druck  etwas  weiter  von  den  vorangehenden 
abgerückt.     Es  folgt  nun  die  Erkennung. 

7.  Die  Brüder  bei  Jacob,  ,Deus'  gebietet  ihm  nach  Aegyp- 
ten zu  ziehen.  Das  Wiedersehen  zwischen  Jacob  und  Joseph 
wird  sehr  kurz  abgethan. 


Deutsche  Studien.  211 

Im  Epilogus  wird  Joseph  auf  Christus,  gedeutet  und  seine 
Behandlung  von  Seiten  der  Brüder  auf  die  gegenwärtige  Be- 
drängniss  des  göttlichen  Wortes,  das  Gott  aber  gerade  so 
schützen  werde,  wie  einst  den  Joseph.   — 

Der  vierte  Act,  wie  Jedermann  sieht,  ist  bei  weitem  der 
interessanteste;  aber  wie  seltsam  häufen  sich  die  Ereignisse: 
zwischen  IV.  4  und  IV.  ö  müsste  nothwendig  Actschluss 
eintreten.  Der  Held  ist  klärlich  Joseph,  nicht  Jacob  und 
dessen  Söhne  im  Allgemeinen,  wie  der  Titel  will.  Uebrigens 
kommen  diese  Söhne,  mit  Ausnahme  von  Benjamin,  alle  zu 
Wort:  Dan,  Gad,  Isaschar  sind  dem  ersten;  Äser,  Neptalim, 
Sebulon  dem  fünften  Act,  Scene  2,  vorbehalten;  im  dritten 
Act  sprechen  nur  Juda  und  Levi;  sonst  auch  Simeon  und 
oft  Rüben. 

Die  Geschichte  Josephs  ist  einer  der  wichtigsten  Dramen- 
stoffe des  sechzehnten  Jahrhunderts;  oft  und  oft  behandelt; 
fast  der  einzige,  in  welchem  Liebesleidenschaft  zum  Ausdruck 
kommt.  Viele  Schauspiele  dieses  Inhalts  zeigen  sich  auf  den 
ersten  Blick  unter  einander  verwandt.  Ein  vorläufiges^  aber  nicht 
untrügliches  Kennzeichen  der  Verwandtschaft  liefert  der  Name 
von  Potiphars  Frau.  Sie  heisst  nur  ,des  hoffmeisters  frow' 
bei  Hans  von  Rute  (1538),  ,die  Haußfraw  Potiphars'  bei  Sixt 
Birck  (1539);  aber  Sephirah  bei  Crocus  (aufgeführt  1535, 
Widmung  von  1536;  Sephirach  in  Bitner's  Uebersetzung  1583), 
Diether  (1544;  siehe  A.  D.  Biographie  5,  164)  und  Rhodius 
(Anfang  des  siebzehnten  Jahrhunderts),  Sephira  in  einem 
Schweizer  Stück  von  1540  (von  Jacob  Rueff?  Weller  Volks- 
theater S.  153)  und  bei  Schonaeus,  Sophora  bei  Thiebold  Gart 
(1540;  siehe  Gesch.  des  Elsasses  ^  S.  265):  natürlich  überall 
derselbe  Name  und  direct  oder  indirect  auf  Crocus  zurück- 
gehend. Sie  heisst  ferner  Aegla  bei  Macropedius  (1544);  Se- 
raphim bei  Martinus  Balticus  (1556;  siehe  A,  D.  Biogr.  2,  33); 
Jezabel  bei  Brunner  (1566;  siehe  A.  D.  Biogr.  3,  447;  Anz. 
f.  d.  Alterthum  1,  61);  Misraia  bei  Aegidius  Hunnius  (1584; 
Misraria  in  Höe's  Uebersetzung  1602);  Potiphora  oder  Poti- 
phera  bei  Puschmann  (1592),  Schlayss  (1593)  und  Goezius 
(1612);  Medea  bei  Voidius  (1618). 

Der  Name  Mecha  findet  sich  ausser  in  dem  vorliegenden 
Stück  noch  bei  Leschke  ("1571)   und  Gassmann  (1610). 


212  Scherer. 

Was  M.  Andreas  Gassniann,  den  Ludimoderator  zu  Roch- 
litz,  betrifft,  so  sagt  er  ausdrücklich  in  der  Widmung  an  die 
Kurfürstin  Sophie  zu  Sachsen  (datirt  aus  Rochlitz  aui  Tage 
Andreae  1609),  dass  er  die  Historie  des  Patriarchen  Joseph, 
welche  Aegidius  Hunnius  in  zwei  lateinische  Comödien  gebracht, 
,in  eine  Deutsche  Comoediani,  dem  gemeinen  Manne  zu  gute, 
nicht  zwar  de  verbo  ad  verbum,  so  viel  zu  solcher  action  von 
nöthen  gewesen,  zu  trausferiren  und  einzubringen'  sich  unter- 
wunden habe.  Dieselbe  sei  vor  sieben  Jahren,  Mittwochs  nach 
Trinitatis  1603  zu  Rochlitz  von  ihm  agiret  worden.  Sie  wird 
dann  im  Prolog  nochmals  als  das  Werk  des  Aegidius  Hunnius 
bezeichnet.  Und  das  bestätigt  die  Vergleichung  im  Allgemeinen 
durchaus.  Aber  der  Verfasser  hat  gewiss  noch  andere  Stücke 
daneben  benutzt;  Einiges  erinnert  an  Brunner,  Anderes  muss 
er,  wie  den  Namen  Moecha,  aus  Leschke  oder  dem  alten  Magde- 
burger Stück  entnommen  haben:  so  wenn  bei  der  Untersuchung 
der  Säcke  mit  jedem  Einzelnen  nach  der  Reihe  gesprochen  wird. 

Leschke  seinerseits  verhehlt  in  der  Widmung  (Zum  liauban 
11.  Februar  1571)  auch  nicht,  dass  er  das  Stück  ,ausz  etlichen 
Alten  weitleufftiger  geraachten  spielen  kurtz  gefast',  setzt  aber 
hinzu:  ,Vnd  doch  mit  viel,  vnd  fast  raehrertheils  newen  Reimen'. 
Er  hat  aber  hauptsächlich  die  Arbeit  von  Major  und  Grefi' 
benutzt,  wie  eine  Uebersicht  lehren  mag.  Er  kürzt  die  Vor- 
lage z.  B.  in  dem  Monolog  von  Mecha: 

Fürwar  ich  weisz  nicht  was  ich  mach 

Mir  leid  im  sinn  ein  grosse  sach, 

Des  newen  knechtes  schön  gestalt 

Macht  mir  gedancken  mannigfalt, 

Ja  wo  er  mir  nicht  wird  zu  theil 

So  ist  dahin  mein  trost  vnd  heil, 

Ich    wil  jm  freundlich   sprechen  zn 

So  lang  bisz  er  mein  willen  thn, 

Es  schickt  sich  gleich  zu  dieser  frist 

Dieweil  mein  Herr  abwesend  ist, 

Dort  seh  ich  gleich  den  Knecht  her  gehn 

Wie  könd  mir  besser  je  geschehn. 

Im  Folgendon  sind  ungenaue  Reime  gebessert  und  das 
Metrum  geglättet.  —  Stellenweise  linden  wir  Thiebold  Gart 
herbeigezogen:  so  im  ersten  Act,  wenn  ,Beria'  den  Joseph  zu- 
recht weist,  wenn  das  Essen  den  Uebelthätern  nicht  schmeckt; 


Deutsche  Studien.  21o 

SO  in  IL  5.  6  Schenk  und  Bäcker  von  Pliarao  ins  Geföugniss 
geschickt,  Joseplis  Traumdeutung-;  so  IV.  8  die  Gespräche  der 
Brüder  auf  der  Heimreise.  In  II.  7  heisst  es,  nachdem  Pliarao 
das  Urtheil  über  die  Gefangenen  gefällt  hat:  ,IIie  mag  von 
wegen  zufelliger  gefahr  und  schand  das  hencken  des  Beckers 
nachbleiben  etc.'.     Diese  Henkescene  findet  sich  bei  Gart. 

Der  fünfte  Act  enthält  folgende  Scenen: 

1.  Deus  und  Jacob  wie  im  Magdeburgei-  Stück. 

2.  Zwölf  Engel,  jeder  sagt  vier  Verse;  sie  sind  beauftragt, 
Jacobs  Haus  und  alle  frommen  Menschen  überhaupt  gegen 
die  Teufel  zu  schützen. 

3.  Beelzebub,  Schwartz  Nickel,  Vielzuthun,  drei  Teufel. 
Beelzebub  gibt  ihnen  Auftrag,  den  Jacob  auf  seiner  Reise  nach 
Aegypten    nicht    passiren    zu  lassen.     Vielzuthun  erklärt  aber: 

O  well   es  ist  zu  lang  geharrt 
Sie  sind  mit  Eng'eln  gar  verwart. 

4.  Jacobs  Ankunft  in  Aegypten:  darin  wieder  Gart  benutzt. 

5.  Joseph  zeigt  Phai'ao  den  Tod  seines  Vaters  an.  Pharao 
bezeigt  sein  Beileid. 

Ob  V.  2.  3  Leschke's  eigene  Leistung  sind  oder  aus  einer 
besonderen  Quelle  stammen,  konnte  ich  bis  jetzt  nicht  er- 
mitteln. Auch  bei  Goezius  wird  der  abziehende  Jacob  von 
Engeln  begleitet,  die  sich  in  ihren  Gesprächen  darüber  aus- 
lassen,  dass  sie  ihn  gegen  die  Teufel  zu  schützen  haben. 

Leschke's  Verse  sind  ziemlich  gut;  er  setzt  in  der  Kegel 
kein  schwaches  e  in  die  Hebung,  höchstens  im  zweisilbigen 
Wüit  zu  Anfang  des  Verses,  wo  schwebende  Betonung  möglich. 

Hiermit  führt  er  nur  durch,  was  sich  bereits  grossen 
Partien  des  Magdebui-ger  Stückes  nachrühmen  lässt. 

In  der  That  halte  ich  den  Unterschied  des  Versbaues  für 
das  wichtigste  Kriterium,  um  die  beiden  betheiligten  Verfasser 
zu  erkennen,  die  ich  vorläufig  nur  mit  A  und  B  bezeichnen  will, 
indem  ich  A  für  die  guten,  B  für  die  schlechten  Verse  ver- 
antwortlich mache.  Leider  ist  es  nicht  immer  möglich  mit 
Sicherheit  schlechte  oder  gute  Verse  zu  constatiren;  die  TJeber- 
lieferung  erweist  sich  als  unzuverlässig  in  Bezug  auf  Tilgung 
odei-    Setzung    des    schwachen    e;    Einendationen    nach    dieser 


214  Scherer. 

« 

Richtung'  sind  erlaubt  und  müssen  fortwährend  vorgenommen 
werden. 

Der  Prologe  wäre  im  Allgemeinen  wol  A  zuzuschreiben, 
aber  es  findet  sich  Köning  :  zu  ging,  ein  Versschluss  feischlich 
vorklagt. 

I.   1.   setzt  entschieden  B  ein: 

O  Herr  Gott  wer  kati  so  reichlich 

Ehren,  loben  vnd  preisen  dich, 

Vor  all  deine  gnad  vnd  wolthät 

Die  deine  güthe  vns  erzeigt  hat,  u.  s.  w. 

Es  folgen  Versschlüsse  wie  der  gnad  dein,  der  schlang 
list,  erzürn  (d.  h,  erzürnen)  thüt,  die  Syndtilüt,  wasser  hin- 
fürdt  (hin  führte),  allem  vnrecht,  zu  alt  war,  gefürt  fein,  vör- 
lassn  (verlassen)  dich,  zu  vberfaln  kam,  erschin  klär,  erretst 
mich,  und  angst  stund,  und  gnad  fündt,  die  sterck  gab.  Wieder- 
holt -lieh  in  zweisilbigen  Wörtern.  So  vier  Seiten  lang,  auf 
der  fünften  mit  dem  vorletzten  Absatz  aber  fängt  deutlich 
A  an;  blos  die  vier  letzten  Verse  der  Scene  möchte  man  eher 
wieder  B  zutrauen  (was  bin  ich  :  gantz  reichlich). 

Die  Betheiligung  beider  Autoren  lässt  sich  hier  sehr  gut 
erklären.  Was  ich  A  zuschreibe,  ist  der  ursprüngliche  Bestand 
dieses  Monologes;  er  enthält  alles  AVesentliche,  was  B  durch 
autobiographische  Rückblicke  nicht  verbessert;  und  so  werden 
wir  B  noch  sonst  kennen  lernen,  er  hat  eine  Neigung  redselige 
breite  Gebete,  Betrachtungen,  Monologe  einzufügen. 

Sehr  eigenthümlich  ist  die  Art,  wie  B  Verse  mit  klin- 
gendem Ausgang  behandelt.  Man  kann  zweifeln,  ob  sie  tro- 
chaisch  oder  ganz  barbarisch  mit  dem  Ton  auf  den  letzten 
schwachen  Endsilben  zu  lesen  sind:  jedenfalls  aber  sind  die 
Silben  nur  gezählt,  die  Zeilen  dürfen  nicht  länger  als  die 
stumpfen  sein.     Z.  B. : 

Nicht  allein  (1.  alleine)  hast  getragen 
Sondern  ylin  auch  lasn  zusagen 
Das  solt  vom  weib  geborn  werden 
Der  erlöst  was  wer  auff  erden 

Trochaische  Lesung  könnte  man  für  wahrscheinlicher 
halten,  weil  dabei  die  Zahl  der  unnatürlichen  Betonungen  ver- 
mindert wird.     Aber  in  Fällen,  wie  die  folgenden,  scheint  die 


Deutsche  Studien.  21.) 

Silbenzalil  ganz  mechanisch  dui'ch  die  Schreibung  hergestellt 
zu  sein,  und  es  ist  kaum  denkbar,  dass  die  je  zweiten  Zeilen 
des  Reimpaares  anders  als  mit  Auftact  gelesen  wurden: 

Das  sein  sam  gemert  solt  werden 

AVye  Stern  am  hyml  vnd  sandt  der  erdn,  — 

Alle  volcker  sollen  werden 

Welche  seindt  auft'  dem  kreis  der  erdn, 

Wozu  ich  noch  aus  I.  2  ein  Reimpaar  füge,  in  welchem 
der  erste  Vers  Auftact  haben  muss : 

Wir  habu  gebeten  Gott  den  Herrn 
Das  ehr  vns  bewar  bey  ehren. 

Ohne  Schwanken  schreibe  ich  I.  2.  3.  4  dem  B  zu,  von 
dem  auch  sicherlich  die  ersten  Verse  des  zweiten  Actes  her- 
rühren: mindestens  bis  Z.  14  ,newlich'.  Darnach  aber  kommt 
A  wieder  und  vollendet  nicht  blos  die  erste  Scene,  sondern 
den  ganzen  Act.  Mit  der  Einsilbigkeit  der  Senkung  nimmt 
er  es  oft  nicht  ganz  genau,  z.  B.  anders  dahinden;  aber  stets 
sind  es  wirklich  leichte  Silben,  die  er  so  verwendet.  Ein 
Reimpaar  scheint  die  Zweifel  zu  heben,  die  uns  über  den 
Autor  des  Prologs  noch  geblieben  waren:  , 

Du  vnderstundst  dich  etlicher  ding 
Als  werstn  vnser  K'öm'ng 

In  der  ersten  Zeile  ein  Versschluss  mit  zweisilbiger  Sen- 
kung, in  der  zweiten  zwar  nicht  dieselbe  Unregelmässigkeit, 
aber  doch  eine  Unregelmässigkeit  in  demselben  Worte  ,Köning', 
das  der  Prolog  mit  versetzter  Betonung  gebraucht. 

Zu  dem  Fehlen  der  letzten  Senkung  vgl.  Ich  günne 
(1.  günn)  ym  doch  das  maul  kaum;  ferner  aus  III.  2  Darnach 
die  wahr  wirt  abgehn  (b  5);  Weistu  was  dir  das  kleidt  sol 
(b  6);  IV.  5  Last  euch  mein  sach  ein  ernst  sein  (c  4');  Ein 
wort  zu  reden  macht  het  (c  ^).  Auch  die  Senkung  nach  der 
zweiten  Hebung  fehlt  zuweilen:  Kom  her  zu  mir  hör  mein 
wort  (c  6');    Es   ist  mein   ernst  merckt  (1.  mercket)  das  (d  1). 

Ganz  vereinzelt  in  dem  Stück  ist  ein  sonderbarer  Doppel- 
reim, den  sich  A  auf  Bl.  b  1  gestattet: 

So  woln  wir  yim  zu  einr  grubn  (1.  einer  gruben;  tragen 
(Wir  müssen  aber  darnach  lügen  sagen) 


21G  Scherer. 

Durch  den  unreinen  Doppelreim  muss  der  Verfasser  die 
fünf  Hebungen  für  entschuldigt  gehalten  haben.  Er  macht 
sonst  dem  Principe  der  Silbenzählung  insofern  eine  gewisse 
Concession,  als  er  klingende  Zeilen  weit  seltener  zulässt  wie 
stumpfe;  und  da  einzelne  dieser  klingenden  Ausgänge  noch 
oft  durch  Schreibung  stumpf  werden,  so  kann  man  zweifeln, 
ob  das  nicht  für  alle  durchzuführen  wäre. 

Auch  im  ganzen  dritten  Act  kann  ich  nur  A  erkennen. 
III.  1  (b  3')  ist  zu  lesen:  Wir  wollen  (statt:  wolln)  yn  vor- 
käuffen  so  mehr:  man  darf  ,vorkauffn'^  schreiben.  Eine  wirk- 
liche Nachlässigkeit  muss  III.  2  (b  6)  vorliegen:  Das  sol  vnser 
entschuldigung  sein;  entweder  ,vnser  entschuldgung'  oder  ,vnsr 
entschuldigung'. 

IV.  1  wird  durch  einen  Monolog  Josephs  von  B  eröffnet. 
Eine  Zeile  wie  ,ln  die  grübe  worflfen  sie  mich'  könnte  A  nie- 
mals schreiben.  Es  sind  Versschlüsse  vorhanden  wie  zum 
besten  than  hast,  vber  hüb  fast,  vorlest  nicht,  angenem  sey,  sehen 
hyn^in.  Auch  die  Betonung  tröstlich  (:  dich)  ist  uns  schon  be- 
kannt. Ebenso  treten  die  merkwürdigen  klingenden  Reimpaare 
wieder  auf,  nur  nicht  mit  derselben  silbenzählenden  Pedanterie 
geschrieben;  z.  B. 

Doch  du  mir  erhielst  das  leben 
Sie  dir  nicht  kontten  wider  streben, 

nach  der  früheren  Methode  wäre  ,strebn'  geschrieben. 

Aber  alles  Uebrige  in  dem  Act  hat  A  verfasst.  Die 
Schlusszeile  von  IV.  5  ist  die  schlechteste:  .Sich  nu  des  hoflf- 
meisters  knecht  kümpt'.  Aber  A  und  B  gebrauchen  das  Wort 
,hoffmeister<  zweisilbig,  wir  dürfen  den  Vers  daher  mit  fehlen- 
der letzter  Senkung  lesen.  In  c  8  ,Die  körn  sollen  schütten 
auff'  kann  man  annehmen,  dass  ,korn'  Hebung  und  Senkung 
füllt  (Anz.  f.  d.  Alterth.  1,  251);  vgl.  d  8  ,Sie  sacken  ytzt 
das  körn  schon';  e  2  ,Vnd  dencket  nicht  das  zorn  sey'. 

V.  1  ist  von  A.  Der  letzte  Vers  wol  zu  lesen  ,Las  dirs 
yn  des  auch  wöl  ghdn. 

V.  2  im  Ganzen  von  B,  vgl.  besonders  die  Reime  ehr  : 
brüder,  brüdern  :  ehrn,  zornig  :  güttig.  Doch  möchte  ich  die 
Rede  Josephs  (Vorwar  vorwar  nu  hör  ich  frey),  so  wie  die 
Rede  Rubens  (Wolan  yhr  brüder  dencket  zu)  dem  A  zu- 
schreiben (auch  möglicherweise  die  Reden  Neptalims,  Sebulons, 


Deutsche  Studien.  217 

Joseplis  d  4,  aber  so  kleine  Stücke  geben  keine  Sicherheit). 
In  jener  Rede  Josephs  beg-eg-net  das  Anrufen  einzelner  Per- 
sonen, das  sonst  in  Partien  des  A  auftritt:  ,Wolan  komb  her, 
dich  mein  ich  dort'  (Sinieon  ist  gemeint)  ,Du  solst  hie  bleiben 
ytzt  bey  mir  Bis  das  sie  kommen  widder  schir^ 

Von  V.  3  an  schwindet  die  Sicherheit;  im  Ganzen  glaubt 
man  A  zu  hören,  aber  es  finden  sich  einzelne  bedenkliche 
Zeilen,  die  er  sich  früher  nicht  erlaubte.  Darf  man  die  in  der 
Vorrede  bezeugte  Eile  anschlagen,  mit  der  das  Stück  verfasst 
wurde  und  die  auch  den  besseren  Dichter  gegen  den  Schluss 
hin  wider  Willen   unsorgfältig  machen  musste? 

In  V.  3  findet  sich  zweimal  der  Versanfang  ,  Vorwar  vater.' 
Noch  schlimmer  ist  der  Versschluss  in  den  Zeilen  ,So  soll  die 
schuldt  alle  mein  sein'  (1.  ,all  mein'  oder  ,all  meine'?)  und 
,Der  almechtig  Gott  der  geb  euch'  (beide  d  5').  In  V.  4  steht 
die  Zeile  ,Ist  ehr  gstorben  aber  lebt  ehr  noch'  (d  6)  und  kehrt 
in  V.  6  (e  2)  buchstäblich  wieder;  aber  vielleicht  ist  sie  doch 
nach  e  3  ,0b  ich  gestorbn  aber  lebe  noch'  zu  emendiren. 

Scene  V.  5  beginnt  mit  einer  Rede  Rubens,  worin  ,Wolst 
dir  lassen  vorschmahen  nicht',  ,Datell  vnd  mandel  schenck  wir 
dir'  und  auftactlos  , Balsam,  hönig,  würtz  vnd  rayhr'.  Im 
Uebrigen  gut;  hervorzuheben  die  letzte  Zeile:  ,Nu  hats  mit 
vns  kein  fehl  nit'. 

In  V.  6  stimmt  zunächst  wieder  ,Das  woldt  der  liebe 
Gott  nit'  sehr  gut  zu  der  Autorschaft  von  A.  Aber  ,Ei-zeiget 
so  grosse  wolthat'?  Vielleicht  , Erzeigt  so  grosse  wolthät'. 
Schlecht  sind  die  Versschlüsse  e  2  dicht  hinter  einander  ,zü 
haus  ein  :  allein  mein  sein'  (aber  vgl.  den  entsprechenden  Vers 
d  5'  Sc.  V.  3  ,alle  mein  sein',  wo  soeben  ,all'  vorgeschlagen 
wurde),  ,niäg  frey  sein';  und  die  allerdings  vorhandene  Mög- 
lichkeit, auch  hier  fehlende  letzte  Senkung  anzunehmen,  mag 
man  nicht  so  oft  benutzen.  Gleichwol  spricht  immer  noch  für 
A  die  überwiegende  Wahrscheinlichkeit:  denn  dass  sich  B 
gegen  den  Schluss  dieser  eiligen  Arbeit  so  verbessert  haben 
sollte,  ist  sehr  wenig  glaublich;  auch  finden  wir  ihn  S.  e  2' 
mitten  in  Josephs  Erkennungsrede  mit  seinen  Eigenthümlich- 
keiten  wieder.  Er  mag  etwa  bei  dem  ungefügen  Verse  ,Dein 
lieber  son  Joseph  saget  so'  begonnen  haben;  gleich  nachher 
klingende  Zeilen    ohne  Auftact;    Versschluss    ,als    (d.  h.    alles) 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.   Bd.  II.   Hft.  15 


218  Scherer. 

was  dein  ist',  der  an  sich  nichts  mehr  beweisen  würde;  eine 
schwere  Zeile  wie  ,Ich  wil  dich  vorsörg-en  zu  dieser  frist'; 
sehr  beweisende  Versschlüsse  wie  , habet  gethän',  , vordient 
hatt^;  ferner  Betonungen  wie  brechen,  Jegen,  vorgebe,  lieben 
l)rüder,  Gott  behüt  dich.  Auftactlose  stumpfe  Zeilen  sind  eine 
neue  Freiheit,  die  er  sich  nimmt:  ,Hab  euch  hertzlich  lieb 
vorwar',  ,Gott  behüt  euch  all  zu  mal^  Der  Monolog  Josephs, 
welcher  die  Scene  schliesst,  beginnt  noch  mit  dem  Reime 
ewiglich  :  so  frölich;  aber  das  Uebrige  ist  wieder  A  gemäss, 
so  dass  dem  B  hier  nicht  viel  mehr  als  eine  Seite  zuzu- 
schreiben wäre. 

Auch  V.  7  beginnt  mit  den  glätteren  Versen  von  A; 
einen  Versschluss  wie  ,wehr  langst  tödt'  muss  man  sich  ge- 
fallen lassen;  die  Zeile  ,0  Joseph  aller  liebster  sön  mein'  mag 
verderbt,  das  Wort  , aller'  interpolirt  sein.  Auch  der  Rest  ge- 
hört wol  A;  doch  müsste  auch  er  sich  dann  in  der  Rede 
Gottes  an  Jacob  zweimal  trochaische  Zeilen  gestattet  haben: 
,Jacob,  Jacob,  sage  (1.  sag)  ich  dir',  , Joseph  sol  die  äugen 
dein'.  Man  würde  sich  schwer  entschliessen,  wegen  diesei- 
beiden  Verse  noch  einmal  B  eingreifen  zu  lassen. 

Auch  der  Epilog  muss  aus  der  Hand  von  A  hervor- 
gegangen sein;  nur  dass  dieses  letzte  Stück  im  Machwerk  noch 
schlechter  wird:  die  zweisilbigen  Senkungen  treten  noch  stärker, 
die  trochaischen  Zeilen  noch  häufiger  (in  der  je  ersten  Zeile 
der  drei  Abschnitte  regelmässig)  auf;  auch  zweisilbiger  Auftact 
scheint  zugelassen ;  aber  schwaches  e  tritt  nur  einmal  sicher 
in  die  Hebung  ,Worumb  aber'  (wie  V.  3  Vorwar  vater)  und 
die  Versschlüsse  sind  gut  bis  auf  einen,  den  man  aber  wol 
emendiren  darf:  , Christas  (1.  , Christ',  vgl.  ,Jesus  Christ'  e  7) 
Jhesus  vnser  Heiland';  die  schi-eckliche  Betonung  , Christus 
Jhesüs  vnser  Heiland'  kann  jedenfalls  vermieden  werden; 
nähme  ,man  ^nsr  Heiland'  an,  so  vergliche  sich  ,dem  Köning' 
des  Prologs. 

Dagegen  ist  das  Akrostichon  sicher  —  so  weit  hier  über- 
haupt von  Sicherheit  geredet  werden  darf  —  von  B.  Ein  ver- 
rätherisches  klingendes  Verspaar  ist  ganz  nach  dem  zu  I.  1 
bespruchcuien   wunderlichen  Schema  gebaut  und  geschrieben: 

Gl;iul)Pii  woUöii  aber  fas.sen 

Inii  griiudt  yhrs  liertzeii  wurtzoln  lassn 


Deutsche  Studien.  219 

Dazu  die  Betonungen:  ,Rein  von  hertzen',  ,A11  erkennen', 
,das  vorley',  ,Re\v  vnd  leidt  vorley',  ,EwigerS  ,Frölich^  Das 
Alles  in  sechsundzwanzig  Zeilen.  — 

Die  Betheiligung  von  B  an  dem  Stücke  ist  nach  Allem 
eine  ziemlich  geringe.  Die  Hauptsache  hat  A  gemacht;  von 
A  rühren  insbesondere  die  Scenen  mit  Potiphars  Weib  her. 
Merkwürdig  ist  dabei  eine  gewisse  Verwandtschaft  der  Anlage 
mit  dem  Joseph  des  Crocus.  In  beiden  Stücken  ein  Monolog 
der  Frau,  worin  sie  ihre  Leidenschaft  für  Joseph  kund  gibt; 
hierauf  gleich  das  Liebesattentat;  in  beiden  eine  Lobrede 
Potiphars  auf  Joseph;  bei  Crocus  schilt  Sephirah  einen  Diener 
und  heisst  ihn  an  die  Arbeit  gehen;  bei  Major  und  GrefF  thut 
es  Joseph:  ,Nu  geht  von  stadt  wie  steth  yr  so?' 

Aber  an  Benutzung  des  Crocus  durch  die  Magdeburger 
ist  nicht  zu  denken;  ebenso  wenig  das  Umgekehrte.  Es  wieder- 
holt sich  der  Fall,  den  ich  bei  den  Dramen  vom  verlornen 
Sohn  beobachten  konnte  (QF.  21,  50):  die  ältesten  Stücke 
sind  gleichzeitig  und  weisen  auf  eine  noch  ältere  gemeinsame 
Quelle,  ein  weit  verbreitetes  Drama  sacrum,  zurück.  Für  den 
Stoff  des  Joseph  muss  der  Monolog  von  Potiphars  Weib  vor 
der  eigentlichen  Liebesscene  und  das  Loben  Josephs,  das 
Schelten  des  Gesindes  —  satirische  und  contrastirende  Cha- 
rakteristik der  anderen  Diener  gegenüber  Joseph  —  zu  den 
typischen  Bestandtheilen  gehört  haben. 

Wer  nun  ist  A?     Und  wer  ist  B? 

Ich  halte  mich  gleich  an  das  Nächstliegende.  Joachim 
Greff  zeigt  auch  bei  Ham's  Andria  Neigung  zum  Akrostichon; 
der  Name  Major's  geht  vorauf,  folglich  hat  ihm  die  Höflichkeit 
Greff's  den  Vortritt  gelassen;  folglich  ist  Greff  der  Verfasser 
des  Akrostichons,  er  ist  B,  er  ist  der  weniger  betheiligte  und 
der  schlechtere  Versmacher. 

Auch  wenn  wir  das  Akrostichon  nicht  hätten,  müsste  es 
leicht  sein  —  so  sollte  man  denken  —  durch  Vergleichung 
der  Metrik  in  Greff's  eigenen  Stücken  festzustellen,  welcher 
Autheil  an  dem  Magdeburger  Spiel  ihm  zufällt. 

Aber    die  Sache    ist    sonderbarer  Weise  nicht  so  einfach. 

Greff's  Werke  von  1540  bis  1546  stimmen  allerdings  genau 
zu  unserem  B;  sie  sind  auch  meist  sorgfältiger  corrigirt,  so 
dass  an  der  strengen  Silbenzählung,    an    dem    schwachen    e    in 

15* 


220  Scherer. 

der  Hebung,  an  den  schleciiten  Versschlüssen  mit  schwerer 
letzter  Senkung,  an  den  auftactlosen  klingenden  Zeilen  kein 
Zweifel  bleiben  kann.  Selbst  in  dem  Lazaruslied  (154G)  finden 
sieh  Verse  wie  ,Vnser  erster  vater  Adam',  Scansionen  wie 
verstorbenen,  und  die  klingenden  Verse  müssen  hier  augen- 
scheinlich durch  Betonung  des  schwachen  e  stumpf  gemacht 
werden,  z.  B. 

Der  vmb  der  sünd  willn  gestorben 
Dardurch  er  vns  gnad  erworben 
Helff  vns  durch  sein  aufferstelmng 
Welch  ist  vnser  rechtfertiguug. 

Aber  die  der  Zeit  nach  nächsten  Nachbarn  des  Magde- 
burger Stückes  können  nicht  ohne  weiteres  dem  Typus  B  zu- 
geschrieben werden.  Allerdings  auch  nicht  dem  Typus  A. 
Bios  das  Lied  von  der  Welt  Sitten  (1537)  ist  rein  und  tadellos 
accentuirt;  aber  was  beweisen  sieben  Strophen?  Die  sieben 
ersten  Strophen  des  Lazarusliedes  sind  fast  ebenso  gut,  wenn 
man  nur  den  Eigennamen  grössere  Freiheit  vergönnt. 

Lisofern  könnten  Aulularia,  Zusätze  zu  Harn,  Judith  und 
Mundus  dem  A  beigemessen  werden,  als  darin  in  der  That 
nicht  mechanisch  gezählt  wird  und  die  in  Hebung  gesetzten 
schwachen  e  seltener  auftreten  als  bei  B  und  in  Greff's  Werken 
von  1540  ab.  Auch  das  mehrfach  nachweisbare  Fehlen  der 
letzten  Senkung  würde  stimmen.  Allein  die  zahlreichen  zwei- 
silbigen Auftacte  und  schweren  zweisilbigen  Senkungen,  die 
auftactlosen  Verse,  die  mehrfach  begegnenden  fünfmal  gehobe- 
nen Zeilen,  der  durchgängige  Mangel  an  Fluss  und  Glätte  ent- 
fernen uns  bestimmt  von  A.  Man  nehme  z,  B.  aus  dem  Prolog 
der  Judith  Verse  wie  ,Was  mag  aber  bessers  auff  erdn  [  Was 
mag  bessers  sein  oder  erhört  werdn'  und  dann  wieder  ,Auff 
das  wir  möchten  sein^;  aus  der  Aulularia  b  5'  ,Sie  komen  offt 
vnd  borgen  leuchter,  '  Hackmesser,  bratspies,  den  morser^ 
Es  sind  nur  ein  paar  Beispiele  von  vielen.  Für  B  dürfen  dann 
geltend  gemacht  werden  klingende  Reimpaare  wie  (Aulul.  d  6'j: 

Wie  düiu'kt  dich  doch,  du  liörests  gern 
Es  sol  dir  nicht  so  gut  werden 
Jud.  b  5'     Das  wir  dis  volck  schlalien  sollen 

Wir  stelteu  vus  gleich  wie  wir  woltn 


I 


Deutsche  Stadjen.  221 

Mund,  b  5     Sehern  dich  jnn  des  hengers  namen 

Hästu  sorg  die  fues  möchtn  dir  verlamn 

Dazu  Reime  und  Betonungen  wie  Jud.  d  4'  beer  :  Egypter, 
seer  :  reutter;  b  8 

Wenn  sie  vns  mit  jm  kriegeten 
Drümb  weit  dauon  ist  am  besten 
Mund,  b  5     Der  heilose  Pawr  vbersetzt  so  sehr 

Mit  seinem  verkeuffn  den  armen  bürger 

Wenn  ich  demnach  bei  der  Meinung  bleibe,  unser  Greff 
sei  B  in  dem  Magdeburger  Stück,  so  muss  ich  doch  daran 
die  Vermuthung  knüpfen,  da  B  näher  zu  den  Dramen  seit 
1540  stimmt:  die  Reihe  Aukilaria  bis  Mundus  sei  älter  als 
Jacob  und  seine  Söhne.  Nehmen  wir  das  an,  so  findet  natur- 
gemässe  Entwicklung  statt.  Greff  wendet  sich  in  seinem  An- 
theil  am  Jacob  den  strenger  gezählten  Versen  zu.  Wenigstens 
für  die  Aulularia  lässt  sich  glücklicherweise  meine  Annahme 
über  jeden  Zweifel  erheben:  sie  ist  noch  in  Halle  übersetzt. 
Strophilus  hat  den  Topf  gestohlen  und  ruft  aus  (V.  4):  ,Wer 
ist  zu  Hall  so  glücksehger  man  Dem  itzt  der  liebe  Gott  so 
viel  guts  gan?' 

Sollte  man  Anstoss  nehmen  an  der  langen  Pause,  welche 
zwischen  dem  Magdeburger  Stück  und  dem  Abraham  ent- 
stünde, so  ist  darauf  hinzuweisen,  dass  nach  Greff's  Angaben 
vom  Jahre  1540  der  Abraham  und  der  uns  verlorene  Isaac  be- 
reits vor  zwei  Jahren,  d.  h.   1538,  fertig  waren. 

Greff  fühlte  sich  also,  wenn  ich  recht  vermuthe,  durch 
den  Erfolg  des  Jacob,  an  dem  er  nur  geringen  Antheil  hatte, 
ermuntert,  ältere  Arbeiten  zu  veröffentlichen;  und  der  erste 
neue  Plan,  zu  dessen  Ausführung  er  Hand  anlegte,  war  eine 
Erweiterung  des  Jacob  zu  einer  dramatischen  Geschichte  aller 
drei  Erzväter. 

Eine  sprachliche  Untersuchung  des  Jacob  führt  nicht  weit. 
Georg  Major  ist  zwar  ein  Nürnberger,  aber  früh  nach  Sachsen 
gekommen.  Durchgreifende  sprachliche  Gegensätze  sind  inner- 
halb des  Jacob  nicht  vorhanden. 

Dagegen  unterscheidet  sich  B  im  Stil  merklich  von  A; 
ich  hob  schon  die  lehrhafte  Redseligkeit  des  ersteren  hervor, 
und  sie  ist  bei  Greff  leicht  wiederzufinden. 


Züi  Scherer. 

Uebersicht  von  Greffs  Leben  und  Werken. 

G-eboren  in  Zwickau,  durch  Stephan  Roth  gefördert; 
1528  immatriculirt  in  Wittenberg,  wo  er  vermuthhch  Georg- 
Sabinus,  Georg  Major,  Heinrich  Hani,  Erhard  Milde  ^  kennen 
lernte  und  noch  im  Sommer  1531  sich  aufhielt  (Luther  Br. 
6,  576);  dann  zu  Halle  im  Schulamt,  traf  er  1533  mit  Georg 
Sabinus  daselbst  wieder  zusammen.  Wahrscheinlich  hatte  er 
schon  die  Uebersetzung  der  Aulularia,  die  Zusätze  zu  Ham's 
Andria,  die  Judith,  den  Mundus  fertig,  als  er  nach  Magdeburg 
übersiedelte,  wo  er  1534  gemeinschaftlich  mit  Georg  Major 
das  Spiel  vom  Patriarchen  Jacob  und  seinen  zwölf 
Söhnen  verfasste.  Sein  Antheil  daran  ist  nicht  gross:  von 
einzelnen  Versen  abgesehen,  der  erste  Act,  der  Monolog  Josephs 
IV.  1,  im  ganzen  V.  2,  eine  Seite  innerhalb  V.  6  und  das 
Akrostichon. 

1535'  erschien  zu  Magdeburg  und  aus  Magdeburg  datirt 
die  Uebersetzung  der  Aulularia  und  Ham's  Andria  mit 
den  Zusätzen,  Auf  der  Rückseite  des  Titels  ,Cyprianus  Vom- 
melius  Phrysius,  candido  lectori  Salutem^  Hierauf  Widmung 
Greff's  an  Stephan  ,Rott^:  er  suche  nicht  seinen.  Ruhm  mit 
diesen  ,Rithmis',  sondern  wolle  zur  sittlichen  Veredlung  wirken, 
,die  weil  ich  sehe,  das  itzt  (welchs  Gott  geklagt)  gute  künste, 
alle  erbarkeit  vnd  redligkeit,  alle  gute  sitten  vnd  zucht  .  .  . 
so  gar  verachtet,  geschendet  vnd  nachgelassen  werden'.  Die 
Schauspiele  geben  Exempel  des  Lebens,  jeder  soll  sich  das 
für  ihn  Passende  herausnehmen;  so  sei  das  gegenwärtige  Plauti- 
nische  Stück  gegen  den  Geiz  gerichtet.  So  wollten  auch 
unsere  Vorfahren  mit  dem  Spiel  der  Passion  zu  Andacht  und 
Frömmigkeit  reizen,  mit  S.  Dorotheen-Spiel  zum  Ausharren 
bei  Gott  und  seinem  göttlichen  Wort.  , Solch  ein  spiel  ist  auch 
gewesen  von  des  heiligen  Johannis  des  Tauffers  enthaubtung, 
vnd  viel  andere  mehr,  wie  jederman  bas  weis,  denn  ich  sagen 
kan.'  (Vgl.  die  obigen  Verse  aus  der  Susanna.)  Man  sollte, 
um  die  Comödien  mehr  in  Ansehen  zu  bringen,  sich  dankbarer 


'  Auch  Paul  Rebhnn  niuss  sicli  um  dieselbe  Zelt  in  Wittenberg  aufge- 
halten hal>en;  im  Album  finde  ich  nur  ISG*"  Paulus  Rebiger  Sprutauianus 
Dioc.  Vratislavien.  1  octob.  (lö'29);  ist  er  das?  —  Sabinus  148";  Major 
40"  (vgl.  Voigt  Briefw.  Albrechts  von  Preusseu  S.  425). 


Deutsche  Stadien.  223 

gegen  die,  welche  sie  anrichten,  und  gegen  die  Histriones 
erzeigen;  denn  ,Was  nichts  kost,  das  gilt  nichts'.  Aber  man 
soll  auch  ohne  Aussicht  auf  Gewinn  den  Nutzen  seiner  Nächsten 
befördern. 

Darnach  neue  Klagen  über  die  Verachtung  der  guten 
Künste;  nur  in  den  Schulen  glimme  noch  ein  Fünklein  davon 
in  der  Asche:  die  Comödien  sollen  helfen  ihn  wieder  anzu- 
schüren. Die  Eltern,  welche  ihre  Kinder  agiren  sehen,  werden 
vielleicht  zur  Liebe  der  guten  Künste  gebracht  und  sehen  ein, 
dass  der  Knabe,  der  sich  auf  der  Bühne  bewährt,  dann  noch 
grössere  Beredtsamkeit  erlangen  und  einer  Stadt,  ja  einem 
ganzen  Lande  nützlich  werden  kann.  ,Vnd  on  zweiuel  solt 
solchs  deste  nützer  sein,  wo  solche  spectakel  .  .  .  nur  oflfter 
denn  wol  geschieht,  wie  jnn  dem  Nidderlandt,  fast  alle  Sontage 
gehalten  wurden':  da  würde  manche  Gotteslästerung,  Totschlag, 
Saufen,  Fressen  unterbleiben. 

Endlich  ein  Seitenblick  auf  lose  Tractätlein,  von  grossen 

Herren  geschrieben,  ,des  sie  sich  billich  scheinen  solten,  doch 

des  selbigen  gros  rhum  vnd  ehre  haben  wollen'.  Hierauf  das 
Persönliche  für  Stephan  Roth  (oben  S.   195). 

Greff  hat  die  Aulularia  mit  der  Ergänzung  des  Codrus 
Urceus  im  Ganzen  ohne  Zusätze  oder  auffallende  Verände- 
rungen übertragen.  Aber  Sittenschilderung  reizt  seine  Pro- 
ductionslust.  In  der  Scene  HL  10  (III.  5),  wo  Megadorus 
seine  Sparsamkeitsrede  hält,  welche  Euclio  bewundert,  ist  das 
Bild  römischen  Frauenlebens  durch  ein  deutsches  ersetzt:  der 
Wagen  fällt  weg,  an  die  Stelle  von  belagernden  Handwerkern 
ist  das  beliebte  unerschöpfliche  Thema  des  Putzes  und  der 
Moden  getreten.  Die  reiche  Frau  braucht  , gülden  stück,  seiden 
gewandt'. 

Seht,  schmückt  sich  doch  Jens  Schneiders  weib 

Sie  kaufft  so  wol  auff  jren  leib, 

Als  eben  ich,  vnd  ofFt  villeicht 

Viel  besser  kleider,   viel  schöner  gemecht, 

Von  perln  gestickt,  von  sammet  vnd  seidt 

Von  kettn  vnd  anderm  silber  geschmeidt. 

Die  reiche  Frau  macht  Anspruch  auf  das  Beste  von 
Silber  und  Gold,  Ketten,  Gürtel,  Borten,  Ringe. 


224  Scherer. 

Ob  si  wol  hat  zehn  rock  im  haus 
Vom  besten  gewandt  das  machts  nicht  aus, 
Erst  wil  sie  haben  von  Damasck  ein  rock 
Dazu  ein  gebrehm  von  gülden  stück, 
Noch  ist  es  nichts,  dann  wil  sie  han 
Noch  zweymal  mehr  von  jrem  man, 
Von  Adlas  gut,  vnd  auch  Karteg 
Bringt  sie  noch  viel  mehr  rock  zu  weg 

Aber  sie  will  noch  mehr:  Schleier,  Stirntuch,  eine  goldene 
Haube,  eine  PfafFenschaube,  ,ein  newe  kürsch^  Damit  nicht 
genug-;  sie  braucht  reichlich  Dienerschaft,  wie  bei  Plautus: 
zwei  Mägde,  Knechte  ,die  sie  zuweiln  fürn  auffm  schütten'. 
Megadorus  fasst  seine  Ansichten  dahin  zusammen: 

Wo  aber  das  geld  der  freyher   ist 
Da  ist  nichts  guts  zu  aller  frist, 
Vnd  wo  auch  Doctor  SIEMAN  regiert 
Kein  gut  Regiment  da  nimmer  wird. 

Auch  sonst  hat  Greff  seine  Vorlage  nationalisirt  und 
localisirt.  Bei  Plautus  will  Megadorus  guten  alten  Wein 
schicken,  Euclio  aber  trinkt  nur  Wasser  (III.  6).  Bei  Greff 
bietet  Megadorus  ,ein  gute  lagel  Maluasier^  an  und  Euclio 
zieht  ,  Hellisch  hier'  vor.  Lyconides  verlangt  die  von  ihm  ver- 
führte Tochter  Euclios  zum  Weibe  ,Nach  dems  all  Keiserliche 
recht  beschreibn'.  Die  Fides,  die  für  Euclio  Schatzhüterin 
sein  soll,  wird  durch  S.  Niclaus  ersetzt,  der  sich  aber  ebenso 
wenig  bewährt: 

Ich  meint  S.  Niclaus  wer  ein  fromer  man 
Furwar  es  ist  kein  wort  nicht  dran, 
Vnd  hett  er  noch  so  ein  grawen  bardt 
So  ist  er  doch  ein  schalck  von  art 

Die  Betheuerung  des  Lyconides  ,ita  me  eiiciat  Diespiter' 
cet.  ist  ersetzt  durch  ,So  schlag  mich  todt  S.  Mertens  pferd'. 
Die  Heiligen  werden  natürlich  nicht  ohne  protestantische  Ten- 
denz so  verwendet.  — 

Ueber  die  Zusätze  zu  Ham's  Andria  siehe  oben  S.  199. 

1536  erschien  zu  Wittenberg  die  Judith,  Widmung  an 
die  Fürsten    von  Anhalt,    aus  Wittenberg  28.  September  jenes 


Deutsche  Studien.  225 

Jahres  datirt.  Den  Fürsten  von  Anhalt  gegenüber,  welche  die  Re- 
formation in  Dessau  eingeführt  hatten,  vergleicht  er  die  Tyrannei, 
unter  der  das  göttliche  Wort  jetzt  leide,  mit  der  Tyrannei  des 
Holofernes;  aber  er  meint,  ,der  liebe  Gott  werde  den  Gotlosen 
Hoiofernem,  durch  seine  liebe  Judith,  durch  jr  bekentnis,  ehe 
man  es  meinet,  einmal  stürtzen  vnd  vmbbringen^  Prolog  und 
Epilog  schärfen  Glauben  und  Vertrauen  auf  Gott  ein.  Das 
Wort  Gottes  sei  jetzt  sehr  verbreitet: 

Mau  sclireibts,  man  lists,  man  singts  vns  für 

Man  sihts  gemalt  an  jdermans  thür, 

Es  wird  gepredigt  vberall 

Man  spilts  vns  auch  für  zum  offtermal 

aber  das  Alles  helfe  nichts.  Wir  seien  so  ungläubig  wie  Türken 
oder  Heiden.  Gott  werde  das  auf  die  Länge  nicht  dulden,  es 
wird  uns  wie  dem  Holofernes  ergehen. 

Diese  Judith  ist  die  älteste  mir  bekannte  dramatische 
Behandlung  des  Stoffes,  schwerlich  die  erste.  Vgl.  Sixt  Birck 
1539  (lateinisch  Dramata  sacra,  Basil.  1547,  Bd.  2  S.  207), 
woraus  mit  Erweiterungen  ein  anonymes  Stück,  Strassb.  1564, 
hervorgegangen;  Hans  Sachs  1551  (Keller  6,  56);  Schonaeus 
Terent.  christ.  (Amstelod.  1646)  1,  296;  Martinus  Bohemus 
1618;  unbekannt  ist  mir  Sam.  Hebel  1566  (Goedeke  S.  335 
Nr.  385). 

Der  Stoff  hat  die  selbstschaffende  Phantasie  wenig  an- 
geregt. Alle  wesentlichen  Uebereinstiminungen  gehen  auf  die 
Bibel  zurück;  nur  ein  paar  Scenen  zeichnen  sich  aus  und 
scheinen  typisch:  wie  Achior  angebunden  wird  und  das  Gelage 
vor  Holofernes'  Ermordung. 

Die  Anbindung  und  Losbindung  Achiors  stellen  Alle, 
ausser  Hans  Sachs,  etwas  breiter  dar;  näher  verwandt  zeigen 
sich  dabei  Schonaeus  und  Bohemus  (Schon.  I.  3.  4.  S.  304; 
Boh.  I.  4.  S.  20).  Bei  Greff  (L  3.  II.  1)  ist  sie  recht  lebendig 
ausgeführt;  freilich  dreht  sich  der  Dialog  der  beiden  Wächter 
um  die  Frage,  ob  dem  Gefangenen  die  Hände  hinten  oder  vorn 
gebunden  werden  sollen  und  ob  die  Stricke  fest  halten.  Dann 
aber,  nachdem  sie  geflohen  sind,  werden  uns  in  Bethulia  Nathan 
und  Joach  als  Gegensätze  vorgestellt:  jener  ist  besorgt,  dieser 
getrost;  jener  fürchtet  die  Absperrung  der  Brunnen,  dieser  würde 


226  Scherer. 

auch  dann  noch  nicht  verzweifeln,    mahnt  zur  Thätigkeit  statt 
müssigen  Stehens; 

Huit  last  vns  schiessn  vnser  püchssn  ab, 
Last  vns  selbs  machu  ein  freien  mut 
Es  wird  noch  alls   wol  werden  gut, 
Wir  müssn  vns  dennoch  auch  hören  lassn 
Vnd  nicht  so  gar  für  jn  erblassen. 

Das  leuchtet  dem  Nathan  ein,  sie  wollen  die  Brunnen 
besichtigen  gehen  und  sonst  recognosciren. 

Mein  zoch  der  helt  kein  fewer  mehr 

Lang  du  mir  dieweil  deinen  her, 

Der  schuss  sey  den  Assiriern  gschenckt 

Da  bemerkt  er  den  Achior:  ,sihe  lieber  wen  hat  man  da 
gehenckt?  Er  lebet  noch/  u.  s.  w. 

Schon  in  einer  früheren  Scene  I.  2  wird  das  Kostüm  des 
Kriegswesens  unbefangen  wie  hier  verletzt.  Rabsaris,  Feldherr 
des  Holofernes,  sagt:  ,Wir  woln  heut  gut  vnd  ehr  erwerbn 
Aber  (oder)  wie  die  frommn  Landsknecht  sterbn,  Wir  habn 
geschworn  vnserm  König  vnd  herrn^  .  .  . 

Das  Gelage  des  Holofernes  wird  bei  Hans  Sachs  und 
Bohemus  hinter  die  Scene  verlegt.  Bei  Birck  und  Schonaeus 
ist  es  allgemein,  die  Hauptleute  dabei,  die  sich  im  Trinken 
messen;  in  Greff's  Auffassung  sitzen  Holofernes  und  Judith 
allein  zu  Tische,  der  Verlauf  des  Mahles  wird  genauer  ge- 
schildert. Zuerst  Händewaschung  aus  Einem  Becken  mit  einem 
kleinen  höflichen  Etikettstreit: 

Holof.     GreifF  ein  vnd  wasch  dich  freulein  schon 

Judith.     Gnediger  Herr  das  wil  ich  nicht  thun 

Sold  ich  mich  ehr  waschn  denn  der  herr  mein? 

Holof.     Wolan  so  greitf  wir  miteinander  ein. 

Dann  setzen  sie  sich  nieder;  während  sie  essen,  kann, 
wie  eine  lateinische  Bühnenbemerkung  sagt,  Instrumentalmusik 
eintreten,  aber  nur  kriegerische. 


I 


Deutfche  Studien.  227 

Holof.     Nu  freulein  zart  traun  leg  für  dich 
Judith.     Ach  herr  wil  nicht  verseumen  mich. 

Dann  trinkt  er  ihr  zu,  sie  ihm;  er  lobt  den  Wein  und 
seine  Lustigkeit  steigert  sich: 

Nu  duncket  mich  jnn  meinem  sin, 
Das  mir  jnn  langer  zeit  nicht  ist 
Solchs  widderfarn  wie  zu  dieser  frist, 
Das  mir  so  schmecket  trinckn  vnd  essn 
Ich  hab  schir  alls  meins  leids  vergessen, 
Zart  frawlein  fein  ich  halts  verwar 
Dein  schön  gestalt  die  machts  so  gar 

Es  wird  dann  wieder  Wasser  gebracht  und  die  Hände 
gewaschen:  ,post  apponuntur  secunde  mense,  bellaria^ 

Holof.     Sihe  zart  fraw  noch  dis  apfelein 

Wie  ist  es  doch  so  hübsch  vnd  fein, 
So  rot,  hübsch  vnd  lüstiglich 
Ach  schönes  freulein  ich  bitte  dich, 
Du  wolsts  von  meinet  wegn  essen 
Der  trew  wil  ich  dir  nicht  vergessen, 

Judith.     Ey  warümb  nicht  gnediger  herr 
Ja  wens  auch  etwas  anders  wer, 

Holof.     Das  mustu  danck  haben  ewiglich  .  .  . 

Nun  merkt  er,  dass  er  zu  viel  getrunken  hat:  ,ich  hab 
ein  guten  spietz^,  bittet,  sie  möchte  noch  ein  kleines  Trünklein 
thun;  sie  hat  aber  jetzt  , vorwar  genung^ 

Die  allmälig  wachsende  Trunkenheit  des  Holoternes  ist 
entschieden  im  Sinne  einer  schauspielerisch  dankbaren  Aufgabe 
gedacht.  Ueber  die  ganze  Scene  ein  Hauch  von  ungeschickter 
Zartheit  verbreitet;  Holofernes  verlangt  nicht  einmal  einen 
Kuss  wie  bei  Birck  und  Schonaeus.  Schon  früher  klingt  es 
wie  Schüchternheit  eines  Knaben,  wenn  der  Eunuch  Bagoa  die 
Judith  zu  Holofernes  holen  soll  und  zu  sich  selbst  oder,  wie 
die  Bühnenanweisung  sagt,  ,ad  spectatores  quasi'  spricht: 

Ich  mus  midi  traun  bedencken   wol 
Wie  ich  die  fraw  an.sprechen  sol, 
Wie  ich  sie  liübsch  sol  reden  au 


2i£Q  Scher  er. 

Auch  Holofernes  drückt  sich  zwar  zu  Bagoa  sehr  deutlich 
aus:  er  solle  das  Ebreisch  Weib  ihm  bringen: 

Denn  du  weist  es  ist  ein  schandt, 

Es  ist  ein  schand  bey  den  Assiriern 

Das  ein  solch  weib  sold  nicht  bschlaft'n  wem 

Von  vns,  vnd  sold  so  kommn  daruon 

Vnd  sold  ein  man  genarret  han '  — 

Aber  hier  folgt  er  der  Bibel,  und  wie  dann  Holofernes 
, quasi  secum  loquitur',  da  klingt  es  ganz  anders: 

Die  hoffnung  hab  ich  gantz  zu  jr 
Sie  wird  es  nicht  versagen  mir, 
Dann  ja  drey  tag  für  vber  sein 
Darin  sie  gebetten  hat  (wie  ich  mein) 
Das  ich  sie  wold  alleine  lassen 
Mir  verlangt  vber  die  massen, 
Sie  kumpt  sie  kumpt  das  weis  ich 
Ich  weis  vnd  gleub  es  festiglich, 

Diese  naive  Sehnsucht  und  Hoffnungsseligkeit  ist  gar 
nicht  dramatisch  angemessen,  wo  es  sich  um  die  Charakteristik 
des  Holofernes  handelt;  aber  sie  ist  ein  unwillkürlicher  Beitrag 
zur  Charakteristik  des  Autors.  — 

Im  Jahre  1537  erschien  wieder  in  Wittenberg  und  aus 
Wittenberg  datirt,  dem  Georg  Sabinus  gewidmet:  ,Mundus.  | 
Ein  schöns  newes  kurtzes  spiel  von  der  Welt  j  art  vnd 
natur'.  Ohne  Act-  und  Sceneneintheilung.  Das  Wort  WELT 
ist  immer  so  mit  grossen  Buchstaben  geschrieben.  Das  Thema 
ist  aber  die  bekannte  Fabel  vom  Vater  und  Sohn  mit  dem 
Esel,  die  es  Niemand  recht  machen  können,  welcher  von  ihnen 
auch  auf  dem  Thiere  reite,    ob  sie  beide   reiten,    ob    sie    beide 


'  Hans  Sachs  (Keller  6,  73): 

Wann  in  dem  assirischen  land 
Wers  einem  mann  ein  grosse  schand, 
Ein  solch  weib  iinbeschlatten  lassen. 
Wenn  sie  in  narret  solcher  massen. 

Icli  führe  die  Stelle  an,  weil  vielleicht  Jemand  Lust  hat,  die 
Frage  daran  zu  knüpfen:  ob  Haus  Sachs  den  Greif  benutzte?  Das  Ori- 
ginal lautet  (Jud.  c.  12):  ,Foedum  est  enim  apnd  Assyrios,  si  femina 
irrideat  viram  agendo,  ut  immunis  ab  eo   transeat'. 


I 


Deutsche  Studien.  220 

nebenher  gehen,  ob  sie  endlich  den  Esel  tragen.  Die  Fabel 
ist  auch  von  Sebastian  Wild,  aber  ganz  anders,  dramatisirt, 
abgedruckt  bei  Tittmann  Schauspiele  aus  dem  sechzehnten 
Jahrhundert  1,  209.  Greff  hat  damit  eine  Satire  auf  alle 
Stände  verbunden,  in  der  Art  der  älteren  Lehi-spiele,  wie  sie 
Gengenbach  und  noch  Wickram  (Treu  Eckart)  verfassten, 
worin  meist  ein  Einsiedel  den  verschiedenen  Lebensaltern  oder 
Ständen  gute  Lehren  gibt  (siehe  Wagner's  Archiv  1,  494). 
Auch  hier  steht  ein  Einsiedel  im  Mittelpunkt:  der  Vater  hat 
böse  Erfahrungen  in  der  Stadt  gemacht,  in  der  er  wohnte,  und 
so  zog  er  sich  vor  mehr  als  zwanzig  Jahren  nach  dem  Tode 
seiner  Frau  mit  seinem  Sohn  in  die  , Wüstenei',  in  die  , Wildnisse 
Darüber  unterrichtet  er  uns  in  einem  Monolog;  aber  der  hinzu- 
tretende Sohn  möchte  die  Welt,  über  deren  Bosheit  er  den 
Vater  so  viel  klagen  hört,  doch  kennen  lernen.  So  ziehen  sie 
mit  ihrem  Esel  aus  und  erleben  die  bekannten  Abenteuer, 
nach  denen  sie  beschliessen,  wieder  in  die  Wüstenei  zurückzu- 
kehren. Die  Moral  ist:  Du  sollst  Welt  Welt  lassen  sein.  Prolog 
und  Epilog  wird  durch  Morio  gesprochen,  das  Ganze  durch 
ein  ,Lied  von  der  Welt  Sitten'  (mit  Melodie)  geschlossen. 

Dem  Vater  und  Sohn  begegnen  nun  zwei  Bauern,  dann 
ein  Bürger,  ein  Mönch,  ein  Landsknecht,  ein  Edelmann.  Die 
andern  Stände,  die  sich  nicht  persönlich  vorgestellt  haben, 
liefert  der  Vater  in  kurzen  Betrachtungen  nach:  Papst,  Kaiser, 
Bischof,  Cardinal,  König,  Grafen,  Fürsten  und  Herren.  Im 
Anfang  scheint  Greff  noch  an  complicirtere  scenische  Einrich- 
tung gedacht  zu  haben,  die  Bauern  treten  im  Dialog  auf, 
klagen  über  die  Betrügereien  der  Kaufleute  und  Wirthe, 
rühmen  sich  ihrer  Rache  durch  hohe  Kornpreise,  faule  Eier, 
verwässerte  Milch  u.  s.  w.  Der  Bürger  aber  klagt  in  einem 
Monolog  über  die  Bauern,  und  ebenso  in  Monologen  klagt  der 
Bettelmönch  über  ,des  Luther's  Lehr',  die  seinen  Stand  in 
Misscredit  bringe,  so  dass  sie  im  Kloster  Noth  leiden;  der 
Landsknecht  klagt  über  einen  bevorstehenden  Friedensschluss; 
der  Edelmann  über  die  V^ermiscliung  der  Stände,  die  Ueber- 
hebung  der  Bürger,  die  Kleiderpracht  der  Bürgerweiber.  Ueber 
Mönch  und  Landsknecht  gibt  der  Vater  dem  Sohne  besondere 
Belehrung,  mit  dem  , Junker'  lässt  er  sich  in  längere  Ausein- 
andersetzung ein.  Kurz,  man  sieht,  dass  Greff  die  allzu  grosse 


230  Scherer. 

scenische  Eintönigkeit  älterer  derartiger  Sj^iele  zu  vermeiden 
suchte. 

Er  hat  ohne  allen  Zweifel  die  Erzählung  von  Hans  Sachs 
,Der  wald-hruder  mit  dem  esel.  Der  argen  weit  thut  nyemandt 
recht'  (Keller  4,  300;  Einzeldruck  in  Gotha,  Weller  Nr.  212, 
vgl.  91)  vom  6.  Mai  1531  benutzt,  wo  auch  ein  Waldbruder 
mit  einem  etwa  zwanzigjährigen  Sohn  der  Held  ist,  auch  er 
hat  sich  aus  der  arglistigen  bösen  Welt  geflüchtet,  und  der 
Sohn  denkt  Tag  und  Nacht  darüber  nach,  ,was  doch  die  weit 
nur  möcht  gesein';   zuletzt  kehren  beide  in  den  Wald  zurück. 

In  der  Folge  der  Abenteuer  schliesst  sich  Greff  jedoch 
ganz  an  Boner  Nr.  52  an:  zuerst  reitet  der  Vater,  während 
Hans  Sachs  wie  Poggius  zuerst  beide  gehen  lässt.  Doch  stimmt 
es  zu  Hans  Sachs,  wenn  die  beiden  Gehenden  ein  Kriegsmann 
tadelt,  den  reitenden  Alten  ein  Bauer,  die  beiden  Tragenden 
ein  Edelmann.  Die  beiden  Reitenden  kritisirt  bei  Hans  Sachs 
ein  Bettelmann;  den  hat  Greff 's  protestantische  Tendenz  in 
einen  Bettelmönch  verwandelt. 

Es  ist  ganz  in  Hans  Sachsens  Weise,  einen  Kriegsmann 
die  Verwunderung  aussprechen  zu  lassen,  dass  der  Esel  über- 
haupt nicht  benutzt  werde,  dies  aber  nicht  weiter  zu  accen- 
tuiren.  Greff  muss  es  ausführen,  indem  er  seinen  ,Miles' 
sagen  lässt: 

Das  reitten  wehr  dir  ja  bequemer 

Vorwar  wenn  der  Esel  mein  wehr, 

Ich  wehr  ein  narr,  wenn  ich  jn  sparn  wolt 

Ich  wolt  jn  reittn,  das  er  rauchn  snlt, 

Er  solt  mit  mir  von  stedten  gan 

Aber  die  pocken  soltn  jn  bestan. 

Bei  Poggius  imd  Hans  Sachs  muss  der  Esel  schliesslich 
das  Leben  lassen.  Auch  bei  Greff  hat  der  Sohn  Lust,  ihn  zu 
erschlagen,  gibt  aber  den  verständigen  Gegenvorstellungen  des 
Vaters  Gehör.  — 

In  den  bisher  genannten  Dramen  Greff's  sind  Personen- 
verzeichniss  und  Bühnenanweisungen  lateinisch;  im  Abraham 
und  Lazarus  beides  deutsch;  im  Zacheus  die  Personen  latei- 
nisch, die  scenischen  Anweisungen  deutsch. 

Den  Abraham  und  Isaac  hatte  Greff  1538  fertig.  Der 
Abraham,    für    uns    der    einzige    Rest    der   Drei  Erzväter, 


Deutsche  Studien.  231 

erscliieii  im  Jahre  1540  mit  einer  langen  Widmung  theologischen 
Inhalts  (,Datum  Wittemberg  etc.')  an  Kurfürst  Johann  Friedrich 
von  Sachsen  ^als  meinen  Gnedigsten  Landsfürsten  vnd  Erb- 
herren' (b  1).  Greif  nimmt  an,  dass  diese  seine  Historien  der 
drei  Erzväter  Abraham,  Isaac  und  Jacob  vor  dem  Kurfürsten 
gespielt  werden  würden  (b  5)  wie  in  den  letzten  Jahren  der 
Johann  Hus  (von  Agricola),  die  Judith  (von  Greif  selbst)  und 
zuvor  ,das  spiel  von  Ertzvater  Jacob  vn  seiner  zwelfi"  sone'  (das 
wohlbekannte  Magdeburger  Stück). 

Die  Erzväter  werden  als  Vorbilder  der  Beharrlichkeit  im 
Glauben  hingestellt,  der  Kurfürst  mit  Abraham  verglichen. 
Man  sei  Gott  Dank  schuldig,  dass  jetzt  wieder  viele  grosse 
Fürsten  und  Herren  täglich  selbst  mit  Gottes  Wort  umgehen 
und  es  nicht  blos  , grossen  Bischoffen,  Verthumbten  vnd  Ir- 
regulirten  Herren,  Faulfresigen  Gotlossen  münchen,  Vngelerten 
verruchten  Pfaffen'  überlassen,  ,wie  vor  zeiten  vnter  des  Bapsts 
des  Teuffels  reich  geschehen'. 

Auf  die  Widmung  folgt  noch  eine  weitere  Vorrede  ,Dem 
Leser',  worin  er  sich,  wie  oben  erwähnt,  auf  Valien  Voith  und 
Hans  Tirolf  bezieht  und  den  Nutzen  der  dramatischen  Spiele 
hervorhebt.  Und  dahinter  verzeichnet  er  ,die  Personen  aller 
dreier  Historien',  woraus  man  auch  auf  die  Umarbeitung  des 
Jacob  einige  Schlüsse  ziehen  kann. 

Ich  hebe  hervor:  ,Der  erste  fusgenger,  Avelcher  Joseph 
jrrende  findet  auff  dem  felde;  Der  Henger;  Des  hengers  knecht; 
Potiphar  priester  zu  On;  Asmath  seine  tochter,  die  braut; 
Der  braut  mutter;  Drey  Egyptier,  welche  klagen  von  wegen 
der  tewren  zeit;  Drey  Ertzte,  welche  Jacobs  leib  salben  zum 
begrebnus;  Drey  ander  Egyptier,  welche  leid  tragen  mit  Joseph 
vber  seinen  Vater  Jacob'.  Wenn  man  oben  Leschke  ver- 
gleichen will,  so  zeigt  sich  bald,  dass  die  Erweiterungen  zum 
Theil  nach  derselben  Richtung  gehen,  vielleicht  auf  Grund 
des  selben  Musters,  Thiebold  Gart's.  Eis  ist  aber  kein  Anhalts- 
punkt zu  der  Vermuthung  gegeben,  Leschke  habe  nicht  das 
alte  Magdeburger  Stück,  sondern  Greff's  neuen  uns  verlorenen 
Jacob  vor  sich  gehabt. 

Nachdem  hierauf  noch  einmal  die  Personen  des  Abraham 
aufgezählt  sind,  schliesst  sich  erst  ,Die  Vorrhede'  des  ,Actors', 
acht  Seiten  lang,  an;  sie  gibt  aber  nur  das  Argument. 


232  Scherer. 

Das  Stück  selbst  ist  äusserst  breit;  es  folgt  beinahe 
sklavisch  der  Bibel  und  behandelt  c.  12 — 24  der  Genesis; 
bleibt  einmal  ein  Capitel  weg-,  so  tritt  der  Actor  auf  und  er- 
zählt es;  derselbe  erlaubt  sich  auch  sonst,  selbst  mitten  in  der 
Scene,  erläuternde  Bemerkungen  und  am  Schlüsse  zieht  er  die 
nöthigen  Lehren  aus  dem  Ganzen.  Die  selbständige  Erfindung 
des  Dichters  ist  auf  einen  ganz  engen  Kreis  eingeschränkt. 
Knechte  und  Mägde  scheinen  ihn  besonders  zu  interessiren. 

Eine  sehr  wunderliche  Scene  ist  III.  5,  zwischen  Genesis 
20,  7  und  20,  8  eingeschoben,  wahrscheinlich  zur  Charakte- 
ristik der  schrecklichen  Nacht,  in  welcher  Gott  Abimelech  den 
Tod  drohte,  falls  er  Sara  nicht  zurückgäbe.  Es  werden  uns 
vorgeführt  ,Zwen  Kauffleut  die  irre  gehn'.  Sie  sind  vielmehr  in 
der  Nacht  irre  gegangen  und  haben  sich  eben  wieder  zui'echt 
gefunden,  ergehen  sich  in  Recapitulationen: 

Ich  danck  es  Gott  zu  dieser  frist 
Das  es  doch  nur  tag  worden  ist, 
Solcher  nacht  bescher  vus  ja  Gott 
Nicht  vil,  vorwar  es  wer  mein  tod, 
Für  angsten  stürb  ich  gewislich  .... 
Ich  mein  wenn  der  Mond  hett  gethan 
Wir  solten  recht  sein  Icomen  an. 
Der  Mond  halff  vns  an  meisten  zwar 
Weil  er  scheinet  so  hell  vnd  klar, 
So  war  es  ja  so  greslich  nicht 
Wie  dünck  dich  aber  vmb  die   licht? 
Die  in  dem  feld  zu  rings  vmb  her 
Schwirmten  die  gantze  nacht  so  sehr? 

Der  Erste.     Was  solt  mich  dunckn?  Darbey  war  zwar 
Nicht  vil  gutes  sag  ich  vorwar, 
Das  horstu  an  dem  heulen  wol 
Ich  habs  gesehn  zum  offtermal, 
Frag  nichts  darnach.  Bins  gwonet  nu 

Der  Ander.     Ich  aber  töcht  traun  nicht  darzu. 

Der  Erste.     Gewonheit  thut  vil  bey  der  sach 
Ey  ey,  Weistu  was  ich  itz  lach  ? 

Der  Ander.     Traun  nein  ich  zwar,  Hui  sag  mirs  fluck 

Der  erst.     Das  du  heint  fielst  so  vbern  stock, 
Das  gfiel  mir  doch  so  raechtig  wol 


Deutsche  Studien.  233 

Der  ander.     Das  macht  das  ich  zum  selben  mal 
Vber  mich  an  den  himel  sach 
Zelet  die  stern,  vnd  fiel  darnach, 

Der  erst.     Ja  wiltu  nauff  an  himel  sehn 

Vnd  siehst  den  stock  nicht  für  dir  stehn? 

Der  ander.     Wolan  ich  wil  dir  das  jtz  porgn 

Man  spricht.  Der  darff  für  gspot  nicht  sorgn, 

Der  den  schaden  hat  entpfangen 

Lieber  las  dir  nicht  verlangen, 

Du  kompst  mir  wider,  Was  gilt  es? 

Der  erst.     Vorwar  so  bald  ichs  nicht  verges. 

Der  ander.     Ey  schweig  nur  still.  Was  leit  daran 
Wil  sehn  wie  ich  mich  rechen  kan. 
Was  gilts?  Ich  wil  bezaleu  dich 
So  wol  vnd  besser  denn  du  mich? 

Typische  Neckerei,  vom  Leben  abgeschrieben.  Bemerkens- 
werth  aber  auch,  dass  Naturerscheinungen  in  den  Kreis  des 
Dramas  gezogen  sind,  was  nicht  häufig  im  Schauspiel  des 
sechzehnten  Jahrhunderts  begegnen  wird. 

Einigermassen  empfunden  ist  IV.  4  Hagar  und  Ismael  in 
der  Wüste. 

Am  Ende  von  V.  4,  wo  Sara  begraben  wird,  tritt  der 
Actor  ein  und  macht  darauf  aufmerksam,  dass  bis  dahin  Isaac 
ein  Kind  war,  nunmehr  aber  erwachsen  sei  (Abraham  und 
Isaac  treten  auf):  ,Da  kompt  Isaac  hat  ein  bard^  Dies  sei 
zur  Ermahnung  gesagt,  damit  Niemand  irrthümlieli  meine,  es 
gebe  zwei  Isaac:  ,Nein,  es  ist  einer  nur  allein'  u.  s.  w. 

Wie  in  der  Judith  wird  die  Phantasie  des  Dichters  am 
meisten  angeregt,  wo  es  sich  um  Bewirthung,  um  Essen  und 
Trinken  handelt.  So  VI.  2  ff.  (das  Stück  hat  sechs  Acte), 
wo  der  werbende  Knecht  bei  Bethuel  ist.  Betliuel  sagt  zu 
seinem  Weibe  (vgl.  Gen.  c.  24,  33): 

Huy  liebes  weih  etwas  zuricht 
Zum  ruckbisleiu  bis  malzeit  wird 

Der    knecht.     Der  hunger  mich  noch  nichtcs  jrt  .  .  . 

Siwui.ij.-bei.  d.   phil.-hibt.  Cl.  XC.  Bd.  H.  litt.  10 


234  Scherer. 

Nu  richten  Kemuel  vnd  Ha  so  [Bethuels  Brüder]  den  tisch  zu 
vnter  der  leuben  für  der  thur,  vnd  die  mutter  bringet  das  essen. 

Der  Knecht  lässt  sich  erst  von  einem  Knaben  die  Stiefel 
ausziehen  und  wird  dann  an  den  Tisch  genöthigt. 

Der  knecht.     Ich   solt  mein  hendt  für  gwaschen  liau, 

Bethuel.     Sich  da,  da  hastu  wasser  nu 

Zum  briider. 

Hass  lieber  greiff  ein  wenig  zu, 
Vnd  lang  dem  gast  das  wasser  her 

Der  knecht.     Ey  sol  das  wasser  halten  er? 

Haso.     Das  schadt  mir  nichts  traun  nein  es  zwar 

Bethuel.     Zum  andern  bruder. 

Lang  her  daselbst  das  handtuch  dar. 

Mutter.     Ey  nein.  Hie  seh  wager  Kemuel 

Nim  hin  ein  new  gewaschne  quehl. 
Was  wolstu  mit  der  schwartzen  thun 

Der  k  u  e  c  h  t.     Warzu  sol  all  das  gepreng  nu  ? 

Bethuel.     Mein  weib  das  kan  stetz  prangen  so 

Mutter.     Du  must  mich  aber  liönen  do 

Nun  endlich  kommt  der  Knecht  mit  seiner  Botschaft  zu 
Tage  und  erzählt  ihnen  Alles  von  Abrahams  Auftrag  bis  zum 
Zusammentreffen  mit  Rebecca,  was  wir  schon  wissen  (vgl. 
c.  24,  34—49). 

Nachdem  die  Sache  umständlich  abgemacht,  sagt  der 
Knecht: 

Wolan  wolan  Gott  lob  vnd  ehr, 
Ach   das  das  wüst  der  herre  mein 

Bethuel.     Ich  wündscht  das  er  bey  vus  solt  sein, 

Der  knecht.     Wenns  müglich  wehr,  er  thets  wol  gern 
Neben  dem  lieben   jimgen  herrn, 

Mutter.     Wie  geths  jm  denn?  Ach  zeigs  vns  an 


Deutsche  Studien.  235 

Dei'    kuecht.     Es  geht  jm  wie  eim  schwachen  man, 
Wies  alten  leutteii  pflegt  zugehn 

Bethuel.     Den  son  den  möcht  ich  gerne  sehn, 

Der     knecht.     Es  ist  ein  feiner  heldt  vorwar 
Ich  redts  on  alle  lügen  zwar. 
Dein  tochter  die  sol  an  jn  han 
Ein  aitserwelten  fromen  man, 
Es  ist  in  jm  ein  Erbar  gmüt 
Der  liebe  Gott  jn  stetz  behüt. 

Mutter.     Wie  gehts  der  alten  matter  denn 

Der    knecht.     Die  wird  nii  schir  wider  auft'stehn, 

Mutter.     Ey  lieber  aber  ist  sie  tod? 

Ach  gnad  jr  ja  der  liebe  Gott, 
Wolan  wir  sein  all  sterblich  zwar 

Am  Schluss  der  Scene  ordnet  Bethuel  grosse  Bewirthung- 
der  Gäste  an,  und  VI.  3  finden  wir  die  Mutter  mit  drei  Mägden 
in  Berathung-.  Sie  ist  gerade  ungerüstet,  hat  kein  Wildbret, 
weiss  nicht,  wo  sie  welches  kriegen  soll^  da  die  Gäste  so  spät 
gekommen  sind,  müssen  sie  eben  für  lieb  nehmen.  Eine  Magd 
bittet  die  Frau,  zu  sorgen,  dass  das  Essen  nicht  lang-e  beim 
Feuer  stehen  muss,  sonst  verliert  es  Geschmack  und  Ruch; 
eine  andere  erinnert  sich,  dass  sie  die  Gastbetten  noch  machen 
müsse,  ,abgewürtzet'  fgeräuchert)  hat  sie  bereits  und  sonst 
Alles  in  Kammern,  Küche  und  Kellern  bestellt:  sie  ist  nämlich 
Schliesserin  und  Bettfrau. 

Gegessen  wird  aber  drinnen  im  Haus;  VI.  4  lungert  ein 
Knecht  ,auf  der  Strasse'  herum,  ein  anderer  weist  ihn  zurecht, 
sie  prügeln  sich,  eine  Magd  kommt  dazu,  der  Oberknecht  u.  s.  w. 

Im  Gegensatz  zu  unserer  obigen  Erfahrung  an  der  Mag'de- 
burger  Susanne  müssen  wir  hier  eine  wirkliche  Decoration  vor- 
aussetzen: Strasse  vor  einem   Haus  mit  Laube. 

In  der  nächsten  Scene  VI.  5  ist  es  schon  Morgen.  Die 
Mägde  sind  aufgestanden,  die  eine  hat  Zweifel,  ob  es  den 
Gästen  geschmeckt  habe?  Diese  hätten  indessen  viel  ,tranck- 
gelt'  gegeben  u.   s.  w.  VI.  T)  recapituliren  auch  dio  Brüder: 

Kemucl.     Ein  guten  spitz  hast  nechten  du. 

IG* 


236  Scherer. 

Haso.     Ja  zwar  es  feit  dir  aucli  nicht  weit. 

Kemuel.     Ich  hab  dich  traun  in  langer  zeit, 
Neulich  so  freilich  nicht  gesehn 
Das  darfif  ich  mit  der  warheit  jehn 

Haso.     Weistu  nicht  viel  bessr  ist  on  sorgn 

Ein  abend  stetz  dan  gleich  drey  morgn 

Ein  Gepolter  im  Hause  bedeutet,  dass  die  Gäste  aufge- 
standen seien.  Bethuel  kommt,  fragt:  ,Ists  noch  in  der  fasten 
oder  wie?'  Haso  versichert,  er  habe  noch  nichts  getrunken  u.  s.  w. 
Allerlei  Spässe.  Die  Gäste  wollen  reisen  (VI.  7),  Bethuel  be- 
steht darauf,  sie  müssen  erst  essen.  Die  Mutter  wünscht  ihre 
Tochter  noch  länger  im  Hause  zu  behalten,  aber  der  Knecht 
Abrahams  möchte  fort  und  Rebecca  mitnehmen: 

Nu  redet  er  die  rautter  sonderlich  an,  welche  die  äugen 
wuscht  vnd  er  hertzet  sie. 

Das  mutterlich  hertz  wie  geths  dem 
Sichstus  gern  das  ich  sie  mit  nem? 
,  Hertzliebe  fraw  stell  dich  zufried 

Ich  wil  gern  hören  deine  bit  .  .  . 

Er  schlägt  die  Bitte  aber  doch  ab.  Der  Abschied  geht 
unsäglich  breit  vor  sich.  Die  Mutter  kann  es  vor  Weinen 
schliesslich  nicht  länger  aushalten  und  geht  ins  Haus. 

Die  Redseligkeit  Greff's  kennt  hier  keine  Grenzen.  Dabei 
ist  eine  Manier  unleidlich  ausgebildet,  die  er  schon  sonst  hatte: 
wo  es  den  Reim  bequemer  macht,  erlaubt  er  sich  ohne  weiters 
Wiederholungen,  oft  ganz  sinnloser  Art,  z.  B. 

Vorwar  man  dich  verratten  hat 

Den  (1.  Dem)  König  dieses  Landes  (1.  Landta)  so  drat 

Dem  König  dieses  Landts  (1.  Landes)  hier, 

Hat  man  gewis  gesagt  von  dir, 

Von  dir  vnd  deiner  schönen  gstalt  .  .  . 

Von  wannen  her,  Auch  woher  du 

Hast  gebracht  das  weib,  das  bey  dir 

Das  bey  dir  ist  .  .  . 

Ich  bin  ein  frembder  aus  Harau 

Nu  weils  denn  nicht  anders  gsein  kan, 

Weils  ia  nicht  anders   kan   gesein 

Da  hastu  sie  in  die  liend  dein.   — 


Deutsche  Studien.  237 

Im  Jahre  1541  erschien  zu  Wittenberg  die  Vermahn ung 
wider  den  türkischen  Tyrannen.  Widmung  aus  Dessau 
5.  October  an  Kurfürst  Joachirh  von  Brandenburg:  Joachim 
hat  schon  vor  Wien  gegen  den  Erbfeind  gestritten  und  jetzt 
einen  Fürstentag  zu  Naumburg  angesetzt,  um  Massregeln  wider 
den  Türken  zu  verabreden.  Greff  erbittet  Gottes  Schutz  und 
Erleuchtung  für  die  zu  Naumburg  Versammelten  und  will 
durch  seine  Reime  ihre  Zwecke  fördern.  Er  hat  , durch  bitte 
vnd  vermanung  etzlicher  guthertzigen ,  fromen  Christen^ 
(Sabinus?)  geschrieben  und  widmet  das  Gedicht  dem  Kurfürsten 
,rait  radt  vnd  eingebung  etlicher  hoher  Leute'. 

Die  Vermahnung  richtet  sich  an  die  ganze  ,Deudsche 
Nation',  betrachtet  die  Türken  als  eine  Ruthe  Gottes,  als 
Strafe  dafür,  dass  das  Evangelium  von  Jedermann  so  ver- 
achtet werde;  sucht  die  Gründe  der  Lässigen  oder  Sorglosen 
zu  widerlegen;  und  warnt  vor  dem  Vertrauen  auf  Kriegsstärke 
und  WafFenrüstung:  ,Wir  wolln  an  Gottes  Wort  hangen,  Dis 
sol  vnser  Friedeschiidt  sein^ 

Am  Schluss  ein  deutsches  Gebet,  ein  lateinischer  Brief 
an  einen  Fürsten  mit  Nachrichten  über  die  Türken,  eine  latei- 
nische Ode.  — 

Am  5.  April  1543  schreiben  Luther  und  Andere  im  In- 
teresse Greflfs  und  seiner  Bestrebungen  nach  Dessau  (siehe 
oben  S.  194). 

,Dessaw  Anno  1544'  ist  die  eifrig  protestantische  Wid- 
mung des  Lazarus  an  die  Stadt  Halle  unterzeichnet;  auf  dem 
Titel  steht  ,Wittemberg.  1545'.  Greff  bittet  den  Rath,  das 
Stück  durch  die  Einwohner  von  Halle  aufführen  zu  lassen  und 
die  Kosten  zu  bestreiten,  damit  der  Artikel  von  der  Auf- 
erstehung der  Todten  den  Laien  eingeprägt  werde. 

Ein  günstiger  Herr  und  Freund,  Prediger  oder  Diacon 
zu  Dresden,  hatte  ihn  aufgefordert,  auf  das  elfte  Capitel  Jo- 
hannis  eine  Action  zu  stellen.  Er  zog  es  vor,  den  ,Anabion 
sive  Lazarus  redivivus'  von  Johannes  Sapidus  (Strassburg 
1539)  ins  Deutsche  zu  übertragen.  Er  will  damit  ein  gutes 
Beispiel  geben,  damit  auch  Andere  solche  Spiele  aus  dem 
Lateinischen  übersetzten:  , Warlich  ich  kan  nicht  genugsam 
aussagen,  der  ich  darzu  viel  zu  wenig  vnd  vngeschickt  bin, 
was    viel    gutes    vnd    grosses    nutzes    gescliaffet,    der    Achtbare 


238  Scherer. 

vnd  Wolwirdige  Herr  Justus  Menius,    welcher  von  dem  Baps- 
tumb  ein  schönes  Deutsches  spiel,  aus  dem  Lateinischen  Pam- 
machiu,    des  Thoma  Naogeorgii  aines  trefflichen  Mannes  auch, 
gemachet  vnd  in  dergleichen  Reime  vertirt  hat.     One  welchen 
Herrn    Menium ,     ich    doch     noch    niemand    bisher    vernoraen, 
der  etwas  dergleichen  an  tag  gegeben,  ausgenomen  den  Mord- 
brandj    welchen    auch    obgemelter    Herr    Naogeorgus    wol    in 
Latein,  aber  nicht  zu  Deutsch  (wie  ich  mir  hab  sagen  lassen) 
gemacht  hat,  Welche  Deutsche  Tragedia  doch,  sie  sey  nu  wes 
sie  sey  in  jren  wirden  auch  wol  bleibet^  Dann  wendet  er  sich 
noch  an  alle  seine  günstigen  Herren  und  Freunde,  die  deutschen 
Poeten,    mit   der  Bitte,    Actiones,    die  ihnen  bekannt  seien,    an 
den  Tag  zu  bringen;  denn  er  habe  lange  keine  deutsche  neue 
Action  gesehen,  Ueber  den  Mordbrand  (1541)  siehe  Gottsched 
Nöth.  Vorr.  1,  85;  Goedeke  S.  297. 

Die  nähere  Betrachtung  des  Stückes  gehört  mehr  unter 
Sapidus  als  unter  Greflf.  Dieser  hat,  wie  er  ausdrücklich  her- 
vorhebt, nichts  weggelassen,  aber  einiges  hinzugefügt.  Er  hat 
meist  nur  die  im  Originale  augedeuteten  Motive  etwas  weiter 
getrieben.  Er  hat  an  Personen  hinzugefügt  zwei  Mägde,  die 
übrigen  Apostel  (zu  Petrus,  Philippus,  Thomas,  Judas  Ischariot), 
die  drei  Sadducäer  und  Pharisäer  ,so  Christi  Mirakel  sehenden'. 
Er  hat  die  Action  auf  zwei  Tage  berechnet,  gibt  aber  hinten 
Anweisung,  wie  sie  auf  einen  Tag  einzurichten  oder  über- 
haupt abzukürzen  wäre.  Daselbst  macht  er  auch  Vorschläge 
über  Einschaltung  von  Gesängen  (vgl.  Palm  Beitr.  S.  99), 
indem  er  bestimmte  Compositionen  nennt.  Zugleich  ersieht 
man,  dass  er  das  Stück  schon  spielen  lassen,  ehe  er  es  in 
Druck  gab. 

Eine  kurze  Charakteristik  des  Originales  findet  sich  Ge- 
schichte des  Elsasses  -  S.  295  f.  — 

Im  Jahre  1546  erschien  (gedruckt  in  Zwickau)  die  Action 
auf  das  XVHI.  und  XIX.  Capitel  des  Ev.  Lucae  in  drei 
Acten,  die  ich  lieber  kurzweg  Zacheus,  wie  Greff  immer 
schreibt,  nenne.  AVidmung  aus  Dessau  an  die  Stadt  Leipzig, 
die  ,wolerbawte,  ehrliche  vnd  weitberümpte  Kauflfstadt',  welche 
nun  auch  die  Reformation  eingeführt  habe  und  zu  der  er 
allerlei  Beziehungen  seines  Stoffes  herzustellen  weiss:  die 
Wechsler,    die    Christus    aus    dem    Tempel    treibt,    seien    das 


Deutsche  Studien.  239 

Papstthuin,    das  Leipzig    vertrieben,    und    die  Stadt  habe  jetzt 
manchen  frommen,  bekehrten  und  christlichen  Zacheus. 

Zur  Datiruug  vgl.  G  4  ,Ich  hab  vorm  Jar  Anno  1544 
Historiam  Lazari  .  ,  .  zur  Action  gefertiget'.  Das  ist  also  1545 
geschrieben. 

In  einem  Unterricht  an  die  Actores  erklärt  er,  weshalb 
er  in  dieser  kleinen  Action  so  viele  Personen  gebraucht  habe: 
weil  man  jeder  Historie  ihr  Recht  thun  solle  und  es  der  Text 
hier  so  mit  sich  bringe.  Die  Wechsler  seien  als  ,Curtisanen, 
Anthoni  Pfaffen,  Sanct  Valtins  hotten,  Münnich  vnd  Nonnen' 
darzustellen.  Oder  man  könne  auch  ,das  gantz  Geistlich  ge- 
schwirm,  Babst,  Cardinel,  Bischoff,  mit  allem  beschornen  Hoff- 
gesinde' anstatt  der  Verkäufer  und  Wechsler  einführen,  ,da 
dann  der  eine  ein  sprengkessel,  der  andere  ein  Reuchfas, 
der  Dritte  etwas  anders  in  henden  haben  sal,  alles  solche 
Instrument,  Nemlich  die  zu  ihrem  Handtwerck,  zu  ihrem 
Babstumb  vn  Götzen  dienst  dienen  vnd  gehörig'.  Dass 
er  die  , Bebstier'  so  dargestellt,  ,hat  mir  vrsach  dar  zu  ge- 
geben, der,  so  die  Action  vom  Zutrentten  Concilio  gemacht 
hat.  Da  sie  dann  der  Engel  Gabriel,  vber  hals  vnd  kopff 
gleicher  weise  vom  Himmel  weg  pellirt'.  Jede  mildere  Auf- 
fassung weist  er  zurück,  die  gottlosen  Baalspfaffen  seien 
nicht  zu  bekehren,  habe  man  doch  neuerlich  in  Löwen 
noch  angefangen,  den  Ablasshandel  zu  renoviren,  anstatt  ihn 
aufzuheben. 

Hiermit  deutet  der  Verfasser  gleich  auf  die  verhältniss- 
mässig  interessanteste  Partie  seines  Werkes  hin,  die  übrigens 
gar  nicht  ausgeführt  ist.  Das  Ganze  steht  wol  noch  tiefer  als 
die  früheren  Sachen.  Wieder  interessirt  ihn  das  Gesinde 
besonders.  Im  zweiten  Act  (Sceneneintheilung  fehlt)  wartet 
Zacheus  ungeduldig  auf  seinen  Knecht  und  klagt  über  den 
Verdruss  im  Allgemeinen,  den  man  jetzt  mit  den  Dienstboten 
habe.  Der  Knecht  entschuldigt  sich,  er  habe  eine  sehr 
wunderbare  Geschichte  gesehen.  Der  Herr  meint:  er  habe 
wol  nur  unnütz  gewaschen  mit  einem  Kameraden :  ,Sage  mir, 
Wie  stets  vmb  all  des  Reichs  sachenV 

Servus.     Wolan  was  sol  ich  draus  machen? 

Du  schertzt  nach  deinem  alten  brauch 


240  Scherer. 

Zacheus.     80  sags  doch  her,  so  weis  ichs  auch 
Ists  gut  viid  walir,  so  hör  ichs  gern 
Wirdstu  aher  etwan  fidern, 
Vnd  listiglich  betriegen  mich 
Vorwar  vorwar  so  schlag  ich  dich 

Servus.     Ach  Herr  ich  weis  du  schlegst  mich  nicht  .  .  . 

Er  erzählt  endlich  die  Heikmg  des  Blindgebornen,  der 
er  soeben  ,hart  bey  vnsern  garten  ...  an  der  eck'  beiwohnte. 
Man  wird  doch  wohl  annehmen  dürfen,  dass  Greff  hier  ab- 
sichtlich die  Aufmerksamkeit  zu  wecken  und  zu  steigern 
sucht,  indem  er  den  Knecht  erst  nach  Umschweifen  mit 
seiner  Erzählung  zu  Tage  kommen  lässt,  die  freilich  nur 
eine  Wiederholung  dessen  ist,  was  sich  im  ersten  Act  auf 
der  Bühne  begeben  hat.  Wie  dann  Zacheus  auf  den  Baum 
steigt,  bemerken  ihn  einige  aus  den  Schriftgelehrten  und  Pha- 
risäern. 

Primus.     Schaw  sihaw,  sich  einer  wunder  zu 

Warumb  steigt  der  auft'  den  bäum  nu? 

See  und  US.     Düncket  dich  das  so  wunder  sein? 

Siehst  wie  das  Mendlein  ist  so  klein, 
Ist  er  doch  kaum  einer  faust  gros 
Hat  sorg  das  ihn  einer  vmbstos. 

Tertius.     Ich  halt  das   er  ein  querglein  sey 
Es  solde  ihn  wol  einer  frey 
Mit  eim  Vogel  röhr  schissen  rab 
Mich  wundert  was  er  im  sin  hab,  .  .   . 


Das  ist  ungefiihr  das  Höchste,  wozu  sich  GreJT's  schöpfe- 
rische Thätigkeit  im  Zacheus  aufschwingt. 

Dem  Stücke  folgt  (g  6' — h  6)  ein  Lied  in  vierzeiligen 
Strophen,  die  Auferweckung  des  Lazarus  besingend,  die  er 
aus  , Gunst  und  sonderlicher  Zuneigung'  zu  der  Geschichte 
noch  einmal  behandeln  wollte,  wie  er  g  4  ,Dem  Leser'  selbst 
sagt.  Er  wisse  zwar,  dass  es  für  ein  Lied  zu  lang  sei,  doch 
sei  es  niemand  ärgerlich  oder  schädlich,  sondern  vielmehr 
nützlich,   jSintemal    ein    yederman    dis    sagen    raus,    das    es   vil 


Deutsche  Studien.  241 

Christlicher  vnd  seliger  ist,  den  Christen  auch  vil  löblicher 
an  stehet,  von  solchen,  das  ist  Geistlichen  vnd  Christlichen 
Historien  zu  singen.  Sonderlich  Frawen  vnd  Junckfrawen,  ia 
auch  noch  wol  Jungen  gesellen,  als  das  sie  auswendig  lernen 
vnd  singen,  die  lieder  von  Herr  Ditterich  von  Bern,  vom 
alten  Hildebrandt,  von  Hertzog  Ernst  odder  von  dem  Ritter 
aus  der  Steyermarck,  welche  yetz  erzalte  lieder  ia  auch  zim- 
licher  lenge.  Schweres  thon  vnd  doch  nur  pul  lieder  vnd 
weltlich  sein*. 

Indem  er  ein  paar  Fehler  in  dem  Drama  Lazarus 
berichtigt,  sagt  er:  ,ob  nu  des  mehr  odder  weniger  zu 
weilen,  in  solchen  deutschen  Actionibus  gefunden  wird,  das 
buchstaben  versetzet  odder  gar  ausgelassen  wei'den,  kans 
ia  ein  yederman  so  ehrs  nur  thun  wil  obseruirn,  seiner 
mutter  sprach  wol  helfFen,  nachgeben,  nach  dem  sinne  lesen, 
vnd  was  ihm  mangelt  selbs  corrigirn,  dem  Setzer,  Drucker, 
vnd  tichter  ein  kleinen  feil  freundtlich  zu  gut  halten,  vnd 
keinen  misgefallen  daran  haben  etc.' 

Das  Lied  ist  ohne  Noten,  es  könne  gesungen  werden 
nach  der  Melodie  ,Nu  last  vns  den  leib  begraben'. 

Zuletzt  noch  einige  lateinische  Sätze  des  Hieronymus, 
diese  in  deutsche  Verse  gebracht,  den  Gedanken  an  das  letzte 
Gericht  ausdrückend;  darnach  eine  ,Nota'  in  Reimen:  dieser 
Spruch  schrecke  nur  die  Gottlosen,  dagegen  haben  wir  das 
Evangelium  und  die  Hoffnung  auf  Christus  — 

Wer  an  ihn  gleubt  wird  nicht  gericht 
Er  selbs  Christus  mir  solchs  verspricht, 
Darauff  vertröst  ich  mich  so  gar 
Trutz  Teuffei  krüm  mir  nu  ein  har. 

Mit  diesen  tapferen  Worten  verschwindet  Joachim  Greff 
unseren  Blicken.  Von  seinem  Leben  ist  nur  wenig,  von 
seinem  Sterben  gar  nichts  bekannt.  Der  Eifei-,  mit  welchem  er 
die  dramatische  Production  selbst  in  Angriff  nimmt,  die  Mit- 
strebenden bekannt  macht  und  Andere  zu  neuem  Wetteifer 
auffordert,  verdient  Anei'kennung.  Sein  dichterisches  Vermögen 
aber  ist  gering.  Die  Motive,  die  er  beachtet  und  ausführt, 
sind  nebensächlicher  Natur.     Die  protestantische  Begeisterung, 


242 


Scher  er.      Dentscbe  Studien. 


die  ihn  beseelt,  wird  nicht  erfinderisch.  Seine  breite  Red- 
seligkeit, der  er  sich  besonders  im  Abraham  und  Lazarus  ohne 
Einschränkung  überlässt,  macht  ihn  oft  unerträglich.  Kurz,  er 
ist  für  die  Litteraturgeschichte  eher  eine  Unbequemlichkeit  als 
eine  Freude. 


XL  SITZUNG  VOM  10.  APRIL  1878. 


Herr  P.  Benedict  Gottwald,  Stiftsbibliothekar  zu  Engel- 
berg in  der  Schweiz    spricht  im  Namen   des  Stiftes  den  Dank 
aus  für  die  der  Bibliothek  zugewendeten  akademischen  Publi 
cationen. 

Herr  Professor  Dr.  Last  ig  in  Halle  übersendet  der  Aka- 
demie mit  Begleitschreiben  sein  Werk:  , Entwicklungswege  und 
Quellen  des  Handelsrechtes'. 


Herr  Professor  Dr.  Leo  Reinisch  in  Wien  unterbreitet 
ein  druckfertiges  Manuscript :  ,Die  Nubasprache,  Grammatik, 
Texte  und  Wörterbuch'  mit  dem  Ersuchen  um  Gewährung 
eines  Beitrages  zur  Drucklegung  des  Werkes. 


Von  Herrn  Dr.  Adalbert  Horawitz,  Docenten  der  Wiener 
Universität,  wird  eine  Abhandlung  ,Erasmiana.  I'  betitelt,  mit 
dem  Ersuchen  mii  ihre  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte  vor- 
gelegt.   

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  von  Miklosich  überreicht  eine 
für  die  Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung:  , Beiträge  zur 
Kenntniss  der  Zigeunermundarten.  IV'. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Hartel  legt:  ,Emenda- 
tioiien  zur  naturalis  historia  des  Plinius,  IL  von  dem  Herrn 
Universitäts-Professor  Johann  Müller  in  Innsbruck  mit  dem 
Ersuchen  um  ihre  Aufnahme  in  die  Sitzungsbei'ichte  vor. 


244 

Herr  Dr.  Georg-  Martin  Thomas,  Mitglied  der  Akademie 
der  Wissenschaften  in  München,  überreicht  das  druckfertio-e 
Manuscript  zur  Fortsetzung  des  ,Urkundenbuchs  von  Venedig', 
dessen  Herausgabe  er  mit  Herrn  Dr.  Gottlieb  Lucas  Friedrich 
Tafel  in  der  Reihe  der  , Fontes  rerum  austriacarum'  Band 
12 — 14,  begonnen  hatte. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Academie  Royale  de  Sciences,  des  Lettres  et  des  Beaux-Arts  de  ßelgique: 
Bulletin.  XLVII«  Annee,  2«  Serie,  Tome  45,  N""*  1  et  2.  Bruxelles, 
1878;  80. 

Central-Commission,  k.  k.  statistische:  Statistisches  Jahrbuch  für  das 
Jahr  1875.  II.  Heft.  Wien,  1878;  8".  —  Ausweis  über  den  auswärtigen 
Handel  der  österreichisch-ungarischen  Monarchie  im  Sonnenjahr  1876. 
XXXVII.  Jahrgang-.  Wien,   1878;  gr.  4. 

Gesellschaft,  königl.,  der  Wissenschaften  zu  Göttingen:  Abhandlungen. 
XXII.  Band  vom  Jahre  1877.  Göttingen,  1877;  4".  Göttingische  gelehrte 
Anzeigen.  1877.  I.  und  II.  Band.  Göttingen,  1877;  12".  —  Nachrichten 
aus  dem  Jahre   1877.  Göttingen,   1877;  12«. 

Halle,  Universität:  Akademische  Druckschriften  aus  dem  Jahre  1877. 
62  Stücke;  4»  und  8». 

Lastig,  G.  Dr.:  Entwickelungswege  und  Quellen  des  Handelsrechts.  Stuttgart, 
1877;  80. 

Militär-Comite,  technisches  und  administratives:  Militär-statistisches  Jahr- 
buch für  das  Jahr  1874.  II.  Theil.  Wien,   1878;  40. 

Mittheilungen  aus  Justus  Perthes'  geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 
mann. 24.  Band,  1878.  IV.    Gotha,   1878;  4". 

,Revue  politique  et  litteraire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
TEtranger'.  VIP  Annee,  2«  Serie,  Nr.  40.  Paris,   1878;  40. 

Tübingen,  Universität:  Zur  vierten  Säcularfeier  im  Sommer  1877.  Fest- 
I)rogramme  der  evangelisch-theologischen,  der  juristischen,  der  katholisch- 
theologischen und  der  philosophischen  Facnltät.  Tübingen,  1877;  40.  — 
Urkunden  zur  Geschichte  der  Universität  Tübingen  aus  den  Jahren 
1476-1550.  Tübingen,   1877;   4". 

Verein,  historischer,  von  Oberpfalz  und  Regensburg:  Verhandlungen. 
XXXII.  Band,  N.  F.  XXIV.  Band.  Stadtamhof,   1877;  80. 


Miklosich.  Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeuneimundarten.  IV.  245 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarten. 

IV. 

Von 

Franz  Miklosich, 

wirkl.  Mitgliede  der  kais.  Akademie  der  Wissenscliafteu. 


luhalt. 


I.  Proben  von  Zigeunermundarten:  a)  Aus  den  ungrischen  Karpaten.  1.  2. 
h)  Aus  Zombor  in  Südungern.  c)  Aus  der  Bukowina,  d)  Aus  Rumänien. 
e)  Aus  Moskau,  fj  Aus  Suniy  in  Gouvernement  Charkow,  g)  Aus  Sibirien. 
h)  Aus  Armenien. 

II.  Berichtigungen  und  Ergänzungen  zu  ,Über  die  Mundarten  und  die 
Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's  VII.  und  VIII.'  XXVI.  und  XXVII.  Band 
der  Denkschriften.  Berichtigungen  zu  , Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeuner- 
mundarten. III.'  LXXXIV.  Band  der  Sitzungsberichte. 

III.  Über  die  indische  Heimat  der  Zigeuner  und  die  Zeit  der  Aus- 
wanderung dieses  Volkes  aus  Indien. 


I.  Proben  von  Zigeunermundarten. 
a)  Zigeunerisches  aus  den  ungrischeu  Karpaten. 

J.   Mitgeteilt  von  Herrn  J.   Kluch,   stud.   phil.   in   Wien. 

Has  p(i)ike,  na  1ms  jyeske  jek        raj ,    the  lias  les  trin  rdkle, 
Erat     sibi,      non  erat     sibi  quidam    dominus,  et   erant  ei     tres     filii, 

the  jek  has  naj  phureder  rdklo,  the  j^hendas  peske  dadeske :  ,amen, 
et  unus  erat  natu    maximus      filius,      et       dixit         suo         patri:  ,no3 

dzaha    varekaj    mdro    the  rodele     lengo    dad  phendas:    ,ta,  dzan, 
ibimus        aliquo      panem    quaesitum'.       eorum    pater        dixit:        ,age,     ite, 

cava-le  mre!'    kana   gele,  peklas   lenge   sakoneske   and   e    tansüa 
filii         meü'        cum   abirent,    fecit  eis        unicuique         in  peram 

0  märe,  pale     gele      jek    dugo   drom,  the  le  naj  terneder  has  les  5 
panes,       tum  abierunt   unam  longam    viam,     et  natu      mininio     erat  ei 


246  Miklosich. 

naj  butter,     the  pliendas  oda  naj  terneder    pral:  ,prala-le  mre! 
plurimum  (panis),  et        dixit  ille     natu  minimus  frater:       ,fratres      mei! 

me    ada    tarUna     nastik    hirinau,    ta    angoder    andal  mri  tarlma 
ego    hanc      peram  iion  possura    ferre,         et     primum  e         mea      pera 

cliaha,  prala-le    mre!'    kana   cliale,    the    pale   gele      jek      dugo 
edemus,       fratres         meü'        cum    edissent,  tum  iverunt   unam    longam 

drom  inke,  the  pale  oda  duj  prala  chanas,  u  le  tritones  na     dine  ; 
viam    adhuc,    et      tum     illi   duo  fratres  edebant,  et  tertio     non  dederunt ; 

10  odoles  uz    na  has,  the  phenel:    ,prala-le  mre!    hoske  man  na  den 
illi      iam  non  erat,     et       dicit:  ,fratres       mei!  cur      mihi  non  datis 

the   chalf    mro    mange   chalan,    u   akanak   man  na  den  the  chaV. 
edere?        meum     mihi    comedistis,    et       nunc         mihi  non  datis  edere'. 

,the  tuke  deha     jek     jak      avri  the  lel,    ta    daha    tut    the   chal', 
,si      tibi      sines     unum    ociilura    foras  sumi,  tum  dabimus  tibi  edere', 

phende  oda  duj    phüreder    prala.  the  pale  leske      lue       oda    jak 
dixerunt  illi    duo   natu  maiores  fratres.    et    tum       ei     sumserunt  illum  oculum 

avri,    the  pale  les    dine  the   chal.    kanas  chale,      gele     inke     jek 
foras,      et     tum      ei  dederunt         edere.      cum    edissent,    iverunt  adhuc    unam 

lö    dtigo  drom.     tli    ödoj    inke    oda    duj  prala    chan,    tJi    oda    trito 
longam  viam.         et       ibi      adhuc     illi     duo     fratres    edunt,     et     ille    tertius 

phenel:  ,h6skeman  na  den  the  chalf  uz  the  mri     jak      Ulan     avri, 
dicit :        ,cur    mihi  non  datis         edere  ?  iam      meum  oculum  sumsistis  foras, 

w    na    den    man   the  chal.'   ,the  tuke  deha  oda     aver       jak     avri 
et  non  datis    mihi  edere.'     ,si      tibi   siveris  illum   alterum    oculum    foras 

the  lel,     ta      daha    tut  the  chal.'  u  odova  phenel  oda  naj  terneder : 
sumi,  tum  dabimus  tibi         edere.'  et    ille         dicit      ille     natu  minimus: 

,cak  manca  keren  uz,    so    kamen',  pale  leske     lile       avri  o  jakha, 
,modo  de-me  facite    iam,  quod    vultis'.      tum      ei    sumserunt   foras       oculos, 

20  pale  les     dine     the  chal.    pale  phendas  oda  hijakhengero :    ,lidzan 
tum     ei    dederunt  edere.      tum        dixit         ille  caecus:  ,ducite 

man  thel  kerestoste,    talam    man  vareko  vareso  podainla'.   jon  les 
me      sab       crucem,        fortasse    mihi     aliquis     aliquid        dabit'.  illi  eum 

na     ligede     thel   o   kerestos ,    ale    thel  jekha    sibenicate ,    th'    odoj 
non  duxerunt    sub  crucem,       sed     sub     unum        patiljulum,       et       ibi 

visinlas  jek     cindo.    the  pale  odoj    avle     trin  vrani,    the  akauka 
pendebat  unus  suspensus.  et      tum    illuc  venerunt  tres  cornices,    et        ita 

maskdr   peste    vakernas:    ,ta    so    mndol    ande    tri    krajnaP    ^ek 
inter  se       loquebantur:  ,quid    auditur        in        tua        terra?'        ,una 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigennermandarten.  IV.  247 

jehhatar  akauka  pes  phucenas.  ,ta  so  slycliat'V  —  ,ande  mri  krajna  25 
ab  una  ita         se  interrogabant.     ,quid  auditur?'    —       ,in      mea     terra 

ndne  päni/  ,ii  ande  tumdri  krajna  so  slychafP  ,odoj  In  asi  rosa, 
non  est  aqua.'    ,et     in        vestra       terra    quid  auditur?'      ,ibi     est  talis    ros, 

kana  lii   korro,   kana  peske  la  rosalia  potreinel  o  jaklia,   mindjdr 
si       est  caecus,        si         sibi  rore  terit  oculos,         illico 

dikhel/    ,u  ande  trito  tumdri  krajna   so   slychat'P  ,ande  mri  krajna 
videt.'      ,et     in      tertia     vestra       terra     quid  auditur?'      ,in      mea     terra 

hi  nasvali  jek  jynncezno/    the  pale    gele    oda    tnn  vrani  ki-j-oda 
est  aegrota    una    principissa.'      et      tum   iverunt  illae    tres  cornices  ad  illum 

raklo,    the  päle  lestar    phucls,      so  adaj  rodel  tliel  oda  sibenica,  30 
puerum,     et     tum     ab-eo  quaesierunt,  quid   ibi     faceret  sub     illo      patibulo, 

u  jou  phendas:    ,mre  prala   man    adaj  ande'.    tlie  pale  oda  trin 
et    ille        dixit:  ,mei     fratres      me        huc  duxerunt'.    et     tum     illae   tres 

vrani    odlefinde  prec,    u    oda    rdklo  pipinel  jyre  cdr  le  vastenca, 
cornices         avolarunt,  et     ille      puer       palpat       in    herba         manibus, 

pale  peske  kercXas  pr'  o  jaklia,  p)tth  peske   sapaiidrdas   o  jakha ; 
tum       sibi        fecit        in  oculos,      tum       sibi         humectavit  oculos; 

mindjdr  dikhellas.    the  pale  de-ndsto  oda  rdklo  ki-j-o  krdlis.    oda 
illico  videbat.         et     tum        abiit  ille      puer     ad  regem.      ille 

rdklo  has  pale  cikneder  krdlistar,  the  pale  gelo  ande  jekhe  föroste,  35 
puer    erat    tum      servus  regis,  et     tum     ivit        in       unam     urbem, 

the  gelo  upreder  o  föros,  the  dikhlas  odoj    aso    bhdro       bar,    the 
et     ivit        supra  urbem,     et      vidit         ibi     talem  magnum  lapidem,    et 

sar  jekha  raniköraha    sluhindas   oda      bar,    mindjdr    e    barestar 
sicuti    una  virga  percussit     illum    lapidem,    illico  e  lapide 

aclo     pdni.    the  pale   oda  pdni   gelo    anda  föros,    kaj    na   has 
facta  est   aqua.       et      tum      illa      aqua    fluxit       in       urbem,     ubi     non    erat 

pdni,  odoj  gelo  (culalas)  oda  pdni,  ic  o  gddze    has    igen  rada.    the 
aqua,      ibi    fluxit    (stillabat)    illa    aqua,    et     homines  erant  valde    lacti.      et 

pale  jou,  oda  rdklo,  vicindas,   hoj    vzdi   Sulala  o  p>dni.    paZe  has  40 
tum    ille,     ille      puer,      clama^^t,  quod  semper     fluet  aqua.       tum  erant 

0  gddze    igen  rada,  hoj  oda  2)dni  culalas.  the  pale  oda  rdklo  gelo 
homines  valde    laeti,  quod  illa    aqua     fluebat.      et     tum      ille     puer      ivit 

anda    aver  föros,    th'   odoj   has   nasvali  jek  princezno,  jou    gelo 
in        aliam    urbem,      et       ibi       erat     aegrota    una    principissa,     ille      ivit 

ki-j-oda  krdlis,    the  phuclas  lestar:     ,so    hi  akada  j)rinceznonatef' 
ad  illum    regem,       et    quaesivit    ex  eo:      ,quid  est     huic  principissae  ?' 


248  Miklosich. 

ta,     ,so    lii!    nasvdli  M'.      ,ihe    mange    la    dena    romnake,    ta 
tum,     ,quid    est!      aegrota   est'.         ,si         mihi      eam  dabitis      uxorem,       tum 

45  spomözinava  lake/  phendas  oda  rdklo  le  krdliske.     ta^    ,cak   lake 
auxilium  feram    ei,'  dixit         ille     puer  regi.         tum,  ,modo     ei 

spomozin,      ta     daha    tuke  la  romnake'.  kana  la  avri  sastardas, 
auxilium  feras,  tum  dabimus    tibi  eam    uxorem'.      quum  eam       sanasset, 

the  pale  peske  la    lilas  romnake,  the  jyale  lenge  acellas  öfta     celd 
tum       sibi  eam  sumsit    uxorem,       et     tum     eis        erant  septem  integres 

hörs   0  hijau.     the  pale  jou   has   terno  krdlis.     oda   terno   krdlis 
annos      nuptiae.      et      tum     ille     erat  iuvenis     rex.  ille    iuvenis     rex 

phendas  peske   lukestdne    märeske:     ,sunen,    lukesta-le!    dian  vas 
dixit  suis        militibus  —    :  ,audite,         milites!  ite      post 

50    me    duj  prala'.  pale   gele   oda  lukeste  vas  oda  duj  prala,  the  pale 
meos  duos    fratres'.    tum  iverunt  illi     milites  post  illos  duos  fratres,    et    tum 

le  pralen     ande.     pale  lendar  phucel  oda  terno  krdlis:  ,kefsi  has 
fratres  adduxenint.  tum    ex  eis      quaerit   ille  iuvenis      rex:        ,quot    erant 

turnen  prala  'i'  u  Jon  phende :  ,amen  sam     cak  duj-dzene'.  o  krdlis 
vobis     fratres?'   et    illi    dixerunt:      ,nos    sumus  tantum      duo'.  rex 

p>henel :    ,hem !    sanas    turnen    butter  -  dzene'.      ta  phenen    oda   duj 
dicit:         ,hem,       eratis       vos  plures'.  tum    dicunt       illi      duo 

prala:    ^samas    trin-dzene'.     ta    ,le    tritone - dzeneha    so    kerdan')' 
fratres:      ,eramus  tres'.  et  ,de  tertio  quid     fecistis?' 

55    ,so    kerdam:    mangellas  amendar  the  chal,    ta      lilam  leske  jakha 
,quid    fecimus :  petebat         a  nobis  edere,  tum  sumsimus  ei      oculos 

avri.'     ta  ,adava  som  me'.     oda  terno  krdlis  auka  phendas.     ,ne 
foras.'     tum      ,hic         sum  ego'.       ille    iuvenis      rex         ita  dixit. 

akanak  so    hi    me  tumenca  the  kerau  V     oda   duj  prala  jyhenen : 
,nunc    quid  est     ego    de  vobis     ut     faciam?'         illi     duo     fratres     dicunt: 

,lidza   amen    thel    oda    kerestos'.    jou   len  ligedas    thel   oda    isto 
,duc         nos        sub     illam     crucem'.        ille     illos     duxit         sub    illam  ipsam 

kerestos.     kana  len  ligedas,    the  avle      inke    oda  trin  ista    vrani. 
crucem.         cum      eos    duxisset,         venenint  iterum  illae    tres  ipsae  cornices. 

QO  kana      avle,      phticen     inke        pestar :       ,so     ande     tri    krajna 
cum     venissent,    quaerunt    itenim    a  se  invicem:  ,quid       in         tua       terra 

slychat?'     ,ande  mri  krajna  uz    hi  e  princezno  sdsfi.'    ,u  ande  tri 
auditur?'         ,in       mea      terra      iam  est       principissa     sana.'      ,et      in      tua 

aver   krajna    so     slychat?'     ,ande   mri    krajna  uz   hi    but  pdiii.' 
altera      terra       quid     auditur y'  ,in       mea        terra      iam  est  multa  aqua.' 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarten.  IV.  249 

,u  ande  tri  trito  krajna  so   slychatV  ,odoj  uz    nane    asi  rosa,  kaj 
,et      in      tua  tertia      terra    quid  auditur?'      ,ibi     iam  non  est  talis     ros,      quo 

0  jakha  kosenas.'   pale  oda  trin  vrani     geh    ki-j-oda    duj    rdkle, 
oculos     terebant.'       tum    illae   tres  cornices  iverunt    ad  illos     duos  puero.?, 

the  pale  odoj  oda    vrani  phenen:    ,oda   diije   raklen   roztrhinalia.'  65 
et     tum      ibi      illae  cornices     dicunt:       ,nos     duos      pueros      discerpemus.' 

the    pale    len     roztrhinde     the     chale,     the  pale    oda    trin   vrani 
et       tum      eos    discerpserunt      et  devorarunt,  et      tum      illae      tres  cornices 

odletinde,  the    letinde   and'  o  nebos. 
avolarunt,      et     volarunt     in  coelum. 

Z.  1.  has  les  trin  rdkle  erant  ei  tres  filii :  les  tonlos  für 
leske.  Eben  so  odoles  für  odoleste  Z.  10.  Dagegen:  leske  lile  oda 
jak  avrl  Z.  13.  Eben  so  wie  les  für  leske,  steht  man  für  mange, 
tut  für  tuke  usw. 

Z.  2.  peske  dadeske  suo  patri.  peske  vom  pronomen  posses- 
sivum  pesko,  nicht  etwa  von  po,  dessen  sg.  dat.  auch  peske 
lautet,  pesko  fehlt  griech. 

Z.  12.  Der  Infinitiv  wird  hier  stets  durch  the  und  die 
III.  sg.  bezeichnet :  te  chal  edere.  the  lel  sumere. 

Z.   19.  Statt  0  jakha  soll  der  sg.   stehen. 

Z.  22.  thel  für  tel:  tele  ist  aind.  tale. 

Z.  24.  vrakernas.  Man  beachte  den  regelrechten  Gebrauch 
des  Iinperfects. 

Z.  32.  odefinde  prec,  slovak.  odleteli  prec. 

Z.  32.  pipinel  er  tastet  herum :  serb.  pipati. 

Z.  34.  de-nasto  neben  iiasto  er  floh,  de  von  da  ist  ur- 
sprünglich wahrscheinlich  nur  dem  impt.  was  vorgesetzt  worden. 
Vergleichende  Grammatik  der  slavischen  Sprachen  4.  797. 

Z.  35.  has  cikneder  kralistar  erat  servus  regis,  eig.  erat 
minor  rege. 

Z.  35.  ande  jekhe  föroste  in  unam  urbom  :  manche  Pi'ae- 
pobitioneu  können  mit  dem  fe-casus  verbunden  werden.  So 
auch  thel  jekha  sibenicate  sub  unum  patibulum.  Daneben  anda 
aver  foros  in  aliam  urbem. 

Z.  44.  the  madige  la  dena  romnake  si  mihi  eam  dabitis 
uxorem :  die  Anwendung  des  II.  pl.  ist  slavisch.  romi'iake  be- 
zeichnet das  Praedicat  wie  im  slav.  der  instr.  Vergleichende 
Grammatik  der  slavischen  Sprachen  4.  72G.    Andere  Zigeuuer- 

Sitzungsber.  d.  phil.-hi»t.  Ol.  XC.  Bd.  II.  Hft.  17 


250  Miklosich. 

mundarten  gebrauchen  in  der  gleichen  Bedeutung  den  instr. 
Vergl.  Über  die  Mundarten  usw.  II.   Seite  22. 

Z.  46.  kana  la  avri  sastardas  slavisierend  :  als  er  sie  aus- 
heilte, cech.  vvleciti. 

Zi.  49.  phendas  peske  lukestdne  märeske  ist  das  mir  dunkle 
märeske  unübersetzt  geblieben.  Es  ist  wohl:  pro  pane.  In  lukestdne 
fehlt  die  Bezeichnung  des  Dativs:  man  erwartet pesÄ:e  lukestenge. 

Z.  52.  Die  Verbindung  von  dzenö  Person  mit  numeralia 
hat  den  Zweck  die  Persönlichkeit  des  gezählten  hervorzuheben : 
dnj-dzene.  trin-dzene.  hutter  -  dzene.  le  tritone  - dzeneha  mit  der 
dritten  Person. 

2.   Mitgeteilt  von  Herrn   Jobauu  Rotarides,   Lehrer  in  Drieüovo. 

I. 

Slana   man  pirdiio, 
Mala      som     frajera, 

jek       romano      cdvo, 
jednoho  romanskeho  suhaja, 

dza  pfudri  halval, 
prisiel    vejüci     vietor, 

pfudino  re  mandar. 
odfükal     ho    odo  mna. 

II. 

Cajore,    cajore, 
Dievcino,  dievcino, 

a{n)  mange  panöre, 
dones       mi  vody, 

a(n)  mange  panöre, 
dones       mi  vody, 

piav       tro    vadöre. 
boskäm  (fa,  mä)  dusa. 

III. 

So   doj   tele   k'  o  pdni, 
A     dolii    tarn    za       vodou, 

ke  mri  sukdr  pirdni 
mojej      peknej  frajerke 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigennermundarten.  IV.  251 

laskro  vodro  lacdrdo, 
je        postel  pripravenä, 

miro  jilo    cinddo. 
moje    srce   roztrhane. 

IV. 

Amdri  terni  cajöri, 
Nasa    m.lada  dievka, 

dkor  miri  oveha, 
vtedy   moja    budes, 

kana  mangen  stdre  kaühün  anelia; 
ked         mne        »tyry     sliepky    donesie»; 

dkor  miri  avelia, 
vtedy  moja    budes, 

kana       cento  trasa   anelia. 
ked  mi  sto  centov  zeleza  donesies. 


Kana    atcliar   dzava, 

Ked      ja  zfato    pojJem, 

dobr^  den  pclienava, 
dobry    den      poviem, 

da  na  sakoneske, 
ale   nie     kazdemu, 

cak  mra  pirdnakche. 
len    mojej      frajerke. 

VI. 

Iker,   caje,  le    ketova, 
Keby,  dievca,    satu  (strelo), 

civaii  tnke  pendechora, 
vrhmil  bych  jej  lieskovce, 

pendecliora,   mamuchöra, 
lieskovce,  trnocky, 

sar  tre  duj   kaldc    öra. 
ako    jej    dve    cieme     oci. 


IT* 


252  Miklosich. 

VII. 

Haj  tu  more,  so  kcheres, 
Haj    ty    more,    co      robis, 

kaj  tu  hüü  na  kcheres'^ 
ze    nebozieze  ne       robis? 

dikches  more,  ze  kcherau, 
vidis       more,    ze      robim, 

0  Idncicl  vrasdrau. 
retiazku         zväram. 

VIII. 

Upr'o  rito  kasdlinen, 
Na      lüke        kosim, 

mra  pirdna  viddzinen, 
mü        milü         vyzeräm, 

aiika  Jon  la  vidazinen, 
tak       ju  vyzeräm, 

hogy  mro  jilo  repedinen. 
ze      moje  srdce     puka  sa. 

Vocabular. 

Dad,  dade,  dadöro  otec,  otecko.  daje,  dajöri  matka, 
mamicka.  cdvo  suliaj.  caj  dievka,  panna.  rom  cigän.  romüi 
ciganka.  cavöro  diefa  m.  pohl.  cajöri  diefa  z.  pohl.  del,  devla 
boli,  bozko.  pfü  zem.  cercJien  liviezda.  con  mesiac.  kcliam, 
kchamöro  slnce,  slnieöko.  Sil  zima.  linaj  leto.  vödi  dusa.  jag 
oben,     aver  svito  driihy  svet.     lukesto  vojäk. 

Noten.  I.  Z.  3.  dza,  richtig  dzal.  pfudri  adj.  f.  wehcud. 
Z.  4.  re  für  le  eum.  II.  Z.  4.  piav  tro  vadöre  ich  küsse  (trinke) 
deine  Seele,  ist  nicht  correct:  man  erwartet  tre.  III.  Z.  1.  so 
doj,  richtig  wohl  s  odoj  und  dort.  Z.  3.  laskro,  richtig  lakro  eins  f. 
IV.  Z.  2.  ovelia  in  derselben  Bedeutung  wie  in  Z.  4.  aveJia. 
Z.  3.  mangen,  richtig  mange.  kanJiiln:  man  erwartet  kanlien. 
Z.  5.  Richtig:  wenn  du  einen  Zentner  Eisen  bringst.  V.  Z.  4. 
pirdnakche :  richtig  -Yiake.  VI.  Z.  1 .  iker,  Saje,  leketova  ist :  halte, 
Mädchen,  die  Schürze :  leketova  ist  magy.  elokötö.  Z.  2.  civau 
ich  werfe,  schütte.  Z.  3.  mamuchöra  pl.  deminut.  wird  durch : 
trnoöky  Schlehen ,  Pflaumen  übersetzt,  mamuch  ist  sonst 
unbekannt.    Z.  4.  kaldc  öra,  richtig,  kal  acöra  schwarze  Auglein  : 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigennermandarten.  FV.  253 

acöiri  für  jacöra,  pl.  demiüut.  VII.  Z.  2.  kaj  tu  hüt'i  na 
kchet-esf  dass  du  nicht  arbeitest?  VIII.  ist  zu  übersetzen:  Auf 
der  Wiese  mähen  sie,  auf  mein  Mädchen  schauen  sie,  so  auf 
sie  schauen  sie,  mein  Herz  zerreissen  sie.  kaszäl  mähen,  vio-vaz 
acht  g^eben,  reped  spalten  sind  magy. 

h)  Zigeiiuerisches  ans  Zombor  in  Siidungerii. 

Mitgeteilt  von  Herrn  Prof.  J.   Podhradsky. 

I. 

Si   la      cocha    mochoricko, 
Sie  hat  ein  Kleid  von  Moll, 

thaj  jek  diklo  gazmiricko, 
und    ein   Tüchel  von  Casimir, 

thaj      kretinca      festivicko ; 
und  eine  Schürze,  eine  gefärbte; 

krecäri  pe  kricariste, 
Kreuzer    an      Kreuzer, 

5    sovan   pe  sovai^este. 
Groschen  an     Groschen. 

tordav  la  se      pe     thaneste, 
stehe     Mädchen  auf  dem  Platze, 

laki  cocha,  viunro  gad. 
ihr      Kleid,      mein    Hemd. 

lume    me ! 
meine  Welt! 

de  la  bule  lako  dad! 
futuat    eam     eius    pater! 

10  lume    me! 
meine  Weif! 

Tordav  la  se      pe     thaneste, 
Stehe     Mädchen  auf  dem  Platze, 

kana  phenav :     zibaj  de. 
wenn    ich  sage:  auf  zum  Tanze. 

holde  tut  angla  mande. 
drehe  dich     vor  mir. 

lume    me! 
meine  Welt! 


254  Miklosich. 

15  Sar  0  kanralo  halo ; 
Wie     das  Stachelschwein-, 

de      ha  devla  sakade, 
gebe  doch  Gott   immer  (so), 

sa     pe    l       birture       te     pMras! 
immer  in  die  Wirtshäuser  dass  wir  gehen! 

mol,       rfija       te     men   pes, 
Wein,  Brantwein  dass     wir  trinken, 

le    sejänca     te      khälds, 
mit  Mädchen  dass  wir  tanzen, 

20  momele  te      phabaras, 
Kerzen  dass   wir  anzünden, 

le   sejänca   kliäldsa. 
mit  Mädchen  wir  tanzen. 

ciriklory  p'  o  jägo, 
Vöglein    auf  dem  Zaune, 

lume    me ! 
meine  Welt! 

crdel  mangTj  nakäzo. 
zieht        mir       Unglück. 

25  lume    me! 
meine  Welt! 

Sas   man,  devla,  duj  mase, 
Waren  mir,       Gott,     zwei  Fische, 

tliaj  line      pes,      tliaj     näsle, 
und  rafften  sich  auf,   und  flogen  fort, 

te  clian     pengz     zeleno  6är. 
damit  sie  essen  (sibi)      grünes  Gras. 

motlio  mangz  ha     caces. 
sage         mir        ja  Wahrlieit. 

30    Te      merav,      te    na     zuvav, 
Dass  ich  sterbe,  dass  ich  nicht  lebe, 

te     na  caÖes        mothovav: 
wenn  ich    nicht  die  Wahrheit  sage: 

angla  tute  tut  kamav, 

bei  dir  (wenn  ich  bin),  dich  liebe  ich, 

pal'  avreste       kam     merav. 
für  einen  andern  will  icli  sterben. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarteu.  IV.  255 

Anda  lakz  dtij  jakha, 
Für       ihre    zwei  Augen, 

3ö  kaj  si      kale     sar  duj  draka, 
die  sind  schwarz  wie  zwei  Trauben, 

th'  anda  lakz  duj    cuce, 
und  für      ihre    zwei  Brüste, 
kaj   si    sar  duj    kuce, 
die  sind  wie  zwei  Töpfe, 

anda  lakz  duj  jakha 
für      ihre    zwei  Augen 

muklem  munra  cora     da. 
verliess  ich  meine      arme  Mutter. 

Ein  Tanzlied,  das  die  gTösste  Wirkung  hervorbringt.  Bei 
nicht  tanzenden  Weibern  macht  sich  der  Enthusiasmus  in 
Thränen  Luft.  Der  Text,  dessen  einzelne  Theile  mit  einander 
nur  lose  zusammenhang-en,  rechtfertigt  diese  Wirkung  nicht ; 
sie  muss  auf  Rechnung  der  Melodie  gesetzt  werden,  die  als 
wunderschön,  von  Lebenslust  strotzend  bezeichnet  wird.  Der 
Refrain :  lume  me  (serb.  svete  moj)  soll  das  Gefühl  der  Selig- 
keit ausdrücken.  Die  heftige  Erregung  der  Gemüter  gibt  meist 
zu  einer  Rauferei  Veranlassung,  der  im  Freien  bald  die  Ver- 
söhnung folgt.  Vers  6.  IL  ist  mir  unklar. 

IL 

Vösa,     vösa  zelenona! 
O  Wald,  Wald,     grüner! 

As  ta,  te       zav     prekal  tute, 
Lasse,  dass  ich  gehe  durch     dich, 

oda  hiro,     kaj  me  sundom, 
das  Gerücht,    dass   ich      hörte, 

midi  paslol  mri      dajöri 
todt      liegt     mein  Mütterchen 

5     le  voszska     la  po  diäte, 
an  dem  Walde  sie  am    Ende, 

zelenona        la  cärete. 
auf  dem  grünen  Grase. 

Dalkz,         dalkz,      mri     dajOri. 
Mütterchen,  Mütterchen,  mein  Mütterlein. 


200  Miklosicli. 

So    me  coro  Je  kerava, 
Was  ich  armer       werde  tun, 

coro  thaj  korkor! 
arm     und      allein! 

10       pat'civ     raje      devles, 
ich  vertraue  auf  den  Herrgott, 

te    man  o  del    na         mukala. 
dass  mich        Gott  nicht  verlassen  wird. 

afi  dzava,  mri      dajöri, 

so  weit  werde  ich  gehen,  mein  Mütterchen, 

lungonenca  le  dromenca 
auf  dem  langen  Wege 

haj  le  sane     kiravenca, 
und  auf  dem  schmalen  Stege, 

lö  kaj   man  gazo  ci     prinzala, 

wo       mich  der  Nichtzigeuner  nicht  kennen  wird, 

ci      rom  man      ci     zanla, 
noch  der  Zigeuner  kennen, 

feri  0   raj  devloro. 
nur  der      Herrgott. 

Z.  5.  po  diäte  ist  dunkel. 

ej  Zigeunerisches  aus  der  Bukowiusi. 

Das  Lügenmärchen. 

Mitgeteilt  von   Herrn  Prof.   Leo  Kirilowicz. 

Kana    sas    morz    dej     phari  mdnca,    voj  poffisardas  grauri 
Cum    esset    mea    mater    gravida  mecum,      illa       concupivit      sturnos 

pekz.     haj   nas,     kon  zal.     aj  me  gzlöm  körkoro  and  o  vos,  thaj 
assos.        et  non  erat,  qui     iret.      et   ego       ivi  solus         in        silvam,  et 

araklöm  grauri pekz  and  ek        horta.      me   sutom.  o  vast,   thaj  n' 
inveni       sturnos  assos    in    uno  cavo  arboris.  ego    immisi      manum,    et     non 

astesardöm  the  lau.     me  lom,   haj   iutöm   ma  ku  se,    thaj  e  börta 
potni  eximere.  ego  coepi,    et      immisi    me     totum,       et         cavum 

ö  pandagiloii.      me      lom      ma ,     thaj  gzlöm  kaj   moro    nanah ,    the 
clausit  se.  ego  profectus  snm,        et         ivi        ad      meum  sponsorem,  et 

zmprumutiü   o   tovzr.     moro    nanas  pendofi ,     kz     na    j     khzi-z    o 

niutuor  securim.     mens    Sponsor        dixit,        quod  non  est      domi 

hargato    le   toveresa.    ,aj  me     do     tu'  pendoü  nanas  ,e  harda,  aj 
servus     cum      securi.         ,et    ego    dabo  tibi'     dixit        Sponsor     ,hipennem,  et 


Beiträge  znr  Kenntniss  der  Zigeunerraundarten.  IV.  257 

e    harda    pharL '     ,na    dara ,    nanasu !'     thaj    das    ma    e    harda, 
bipennis    gravida.'     ,ne        time,       Sponsor!'        et      dedit    mihi     bipennem, 

haj   g^l6m,    haj   sindom    and   o   kopac,    haj  skipisardöm  e  harda. 
et  ivi,         et         secui  ex  arbore,       et  deieci  bipennem. 

zi  kaj  pelon     tele     (e  harda),  k^rdas  e  cerikli  kujhu  and  e  toporeste,  lo 
dura    cecidit  deorsum  (bipennis),       fecit  avis       nidiim     in         manubrio, 

thaj  k^rdas   anr^,    thaj  klocisardoa  le,    haj  kirdas  puj.     haj  kana 
et         fecit        ova,         et  exclusit         ea,     et        fecit    piillos.     et      cum 

peles      e  harda    tele,      desuduj   h^7■dz^      k^rdas   andra  late.    aj 
cecidisset    bipennis  deorsum,  duodecim  bipennes  factae  sunt     ex  ea.       et 

me  thodom  le  and  e    trajsta,   haj   ^n(]^rdom^le  kaj  morö     nanas. 
ego    immisi   eas      in       marsupium,  et  tuli  eas    ad    meum  sponsorem. 

moro  nanas  hukurisajloü,  darusardas  ma    ek       harda.    me  thodom 
meus  Sponsor      laetatus  est,  donavit     mihi  unam  bipennem.  ego     posui 

la  pel  e  kustik,  thaj  gzloni  kh^r^.  sas  mangh  trus,  haj  g^lom   kaj  15 
eam  post    cingulum,    et  ivi      domum.  erat    mihi       sitis,      et        ivi         ad 

chaing.     chaing  sas    ad^nku.     me  sindom  mor^    tidvica,  haj  pilom 
puteum.       puteus    erat  profundus,    ego    abscidi    meam  calvariam,  et       bibi 

pai.     me  thodom  mor^    tidvica    p'  e  chaing,  haj  gzlöm  kh^7'^.  haj 
aquam.  ego      posui      meam  calvariam    ad     puteum,     et         ivi     domum.     et 

chalas  ma  and  o  Hro,   haj  me  kana  thodom  o  vast  and  o  s^r6, 
mordebat  me      in  capite,     et     ego    cum    posuissem    manum    in  capite, 

^rlklenas    ferme.     holdom.  ma  palpali  pala  moro    tidvica,     aj    raca 
exibant     vermes.  reverti  retro         ad       meam  calvariam,    et     anas 

s^lhatiko    k%rdas    anrh    and    e    tidvica,     thaj    klocisardoü    le ,     tli   20 
silvestris       fecit  ova         in  calvaria,       et  exclusit         ea,       et 

ankaladas  puj.     aj    me    lom  e  harda,    haj  siulöm.,    haj    la    raca 
eduxit       pullos.     et    ego  sumsi  bipennem,     et         ieci,         et  anatem 

mudardom,     aj    ol    chJioni    näsle,      pala   j    chaing    sas  jag,    haj 
nccidi,  et  pulli     evaserunt.     post  puteum    erat    ignis,      et 

harda     g^lou    and    e  jag.      me   rodom    e    harda ,    haj  toporeste 
bipennis        ivit        in  ignem.      ego  quaesivi        bipennem,     et    manubrium 

raklom ,    aj    e    harda    phahuloü.     Jiaj    me    lom    e    toporeste,    haj 
inveni,      sed         bipennis  combusta  est.       et      ego    sumsi        manubrium,     et 

thodom    la  pal    e    kustik,    haj    tpMm    khzrz,    haj    raklom    amara  -iö 
posui       id    post     cingulum,        et  ivi       domum,     et         inveni      nostram 

grazni,   thaj  ^nklist'om  pe  late.     aj   e  toporeste    sindoü    la  grazne, 
equam,      et  ascendi       in     eam.       et     manubrium     dissecuit       equam, 


258  Miklosich. 

haj  me   zas  p'    ol    duj  ponrb,    aj   kodo    duj    palal      cliand 

et     ego  ibam    in    duobiis  (eins)    pedibus,    et       illi      duo  posteriores  edebant 

car.      haj     me    g^lom    palpali,    haj  sindom    ek       tilu,   nkitako, 
herbam.      et      ego         ivi  retro,         et      abscidi  unum  baciilum  Salicis, 

haj    coplisardom    les ,     haj    mardoni    la   grazne   and      ik     tan. 
et  circumcidi  id,         et      composui  equam  in      unum  locum. 

30  othar   hharilas    ek    rokita    z     and  o     ceri.     aj  me  andom  manga 
inde        crevit      una     salix     usque    in  coelum.    et  ego     redegi       mihi 

a      minte,        k^     kamel     mangh    o    dil    ek    prepelako    am"b    haj 
in    memoriam,  quod     debet         mihi  deus  arborem      ovorum    et 

podi    tud  suklo,    haj  me  ^nklistom  p'  e  ')"bkitaf  haj  g^lom  koa  dil, 
sinum  lactis    acidi,      et    ego        ascendi     in      salicem,     et        ivi         ad  deum, 

haj   g^lom.  and    e  arie   le  deideste.     oci  desuduj     gaze    zmbhtinas 
et         ivi         in  aream  dei.  ibi  duodecim  homines    triturabant 

zoü.     ,kaj  zas,  manusaV    ,me  zaü  köa  dil/   ,na  za,    kh    na   j 
hordeum.  ,quo     is,         homo?'       ,ego     eo      ad  deum.'    ,ne      i,     nam  non  est 

35  kh^r^    o    dil.'     aj   ol   mestej'e    sinde      r^kita.     aj    me    lom    pilevje 
domi  deus.'      et  fabri      secuerunt    salicem.     et     ego  sumsi  paleam 

zouat'e,   thaj  k^rdom  sollo,  tliaj  meklom  ma     tele,     aj  sas  skurtu 
hordeaceam,  et        feci       funem,     et        demisi      me  deorsum.  et    erat    brevis 

0  solo,    aj    me    opral      sinös,      thaj    telal  pandös.   apoj    chuklom 
funis,     et     ego      supra  abscindebam,  et       infra    ligabam.     tum         desilui 

tele,    haj  gzlotn  p'      oter       lume.    me  gzlom   khzvo,    haj    lom  o 
deorsum,  et        ivi        in    alterum  mundum.  ego      ivi       domum,     et      sumsi 

herlecu,   thaj  hunadom  ma,  thaj  gzlom   khzn,    haj  dorn  ol  graure 
palam,         et  effodi         me,       et         ivi       domum,     et      dedi  sturnos 

40  mora   dak^,    thaj   chaloü,    haj   ma    na      chasardas     ma,    thaj   me 
meae      matri,       et      comedit,     et      me     non  perdidit  abortu  me,       et      ego 

zuaü  p'  e  lume. 

vivo    in        mundo. 

Zu  me  lom  ist  von  dem  folg-enden  sutom  das  Pronomen  ma 
zu  erglänzen:  ich  machte  mich  daran;  sonst:  ,ich  brach  auf^ 
nanas  Taufpate.  harda  kh'uss.  barda,  rumun.  bardt.  sindom, 
vielleicht  sindom  ma  ich  hieb  mich  aus  dem  Baume  heraus. 
kzrdas,  richtig  kzrdas  pe.  dariisardas,  sonst  daruisardas  vom 
rnmun.  dtruesk,  d'fcruire.  pele  wol  auspaZ  e,  palaj,  ich  steckte 
hinter  den  Gürtel,  später  pal  e  kustik.  Statt  zas  erwartet  man 
zos,  statt  chand-chdnas.     mardöm  and  ik  tan  schlug-  die  entzwei 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarten.  IV.  259 

geschnittene  Stute  zusammen^  vereinigte  beide  Teile,  me  an- 
dom  manga  a  ininte  rumun.  mi  am  adus  a  mintea.  prepelako, 
klruss.  prypylaka,  ist  eine  kleiderstockähnliche  Vorrichtung,  an 
deren  Verästungen  das  Küchengeschirr  aufgehängt  wird :  wie 
das  Küchengeschirr;  sollen  Eier  aufgehängt  werden,  po  ter: 
der  Zigeuner  sagte  po  tever  und  corrigierte  dieses  dann  in  ter. 
Wenn  man  an  aver  denkt  ist  t  unerklärbar,  hunadom  ma  ich 
grub  mich  heraus,  da  die  andere  Welt  unter  der  Erde  ist. 
na  chasardas  ma  sie  verlor  mich  nicht  durch  eine  Fehlgeburt. 

d)  Zigeunerisches  aus  Ruiiiäiiien. 

Mitgeteilt    von    Herrn    Dr.    M.    Gas  ter. 

Sas     ek         raj,      akana  so  te  kirel  guduv   raj?   d'  and  al 
Erat  quidam  dominus,      nunc    quid        faciat      ille   dominus?  a 

tirnimdta  dzand  al  phurimdta  raklö  anda  po  trüpo   ne  o  fikerdds. 
iuventute     usque     ad    senectutem  puerum      e        suo  corpore  non  fecerat. 

jar  kaj  vremea  lo  phurimdski  a  ß  da  les  o  del      zk     raklö.  jar 
sed     in      tempore  senectutis  dedit      ei      deus   unum  puerum.    et 

das      lil  and  al  themd,  and  al  gaud,  and  a  ords,  kz  te        kidil   pe 
dedit  iussum  in  terras,      in  pagos,     in        urbes,         ut  congregarentur 

hhnea  ka  u   iliagdr  amarö,    kh   te   dikhel,  kz   so     raklö    sij    les,   ö 
homines  ad    regem    nostrum,     ut  viderent,       qualis     puer     esset     ei, 

k'  and  al  thrnmdta  dz     and  al  phurimdta  raklö    ne  o  ß  kerdds. 
nam      a  iuventute  usque      ad         senectutem  puerum  non  fecerat. 

kidinjdili    zl  gaud  p'    o    thagdr  amarö.    ,kz  thagdra    amarö,    te 
congregati  sunt     pagi        ad  regem    nostrum.  ,rex  noster, 

trajis,  ko     bharipe!   kz   te   sikajes   le  rakle's.^    ta  thagdr:    ,mistö! 
vive,     tua    magnitudo !  monstra         puerum.'     et       rex:  ,bene! 

sikaud  tumengi  le  rakles.'     Die  Königinn  sprach :  /  aven    pe 
monstrabo    vobis  puerum.'         —  —  —  ,veniant  post 

duj      kurkje,      kz    me    ni    sikaudu,      zi-ka   ne   pherdond    öl    duj    lo 
duas  hebdomades,  nam  ego  non  monstrabo,     donee  non  implebuntur  duae 

kurkje,      kb    s'  o  raklö  trine-gesengu.'  pherdlU  zl  duj     kurkje, 
hebdomades,  nam  est        puer     trium  dierum.'  impletae  simt  duae  liebdomades, 

jdkztale  k^      kidinjdU.     ,mistö!    sikavdv  akandk.'^    o  thagdr     la 
ecce  congregati  sunt.    ,benel      monstrabo      nunc'  rex         sumit 

zl  rakles  and'  angdli,  kz      la       les  avri  lasta  ^•^.  lavel  les.       ^^- 
puenim      in     braehia,    ut     sumat    eum  foras      —      —     —     eum.  quandam 


200  Miklosich. 

<^cica  0    fiel  kaj  meldds.   duj     avile    zabdrja,      line  d'  cmda    vas 
nebiilam    deus  illuc      misit.      duae  venerimt    aqiiilae,  sumserunt        e        manu 

15  le  rakles.   thagarni  rhknil  k^:  caudle!  kaj  e  ramdle,  kh  nji  aflin, 

puerum.      regina       clamat:  homines!    —    —       —  qiü    invenietis, 

kaj  sij  munrö  raklö,   sluga     ca    ma  tummgi,  te  shu^rjü,   te  thodl 
ubi  sit     mens       puer,     servam  faciam  me       vobis,       ut     serviam,     ut  lavem 

tumare  punri,    te  pjdu    tumdre   hturja/   atunca  das   suvdra   anda 
vestros      pedes,     ut  bibam    vestrara    elnviem.'      tum      dedit   notitiam      in 

gau  k^:  ,te    aflina      mr^    rakles,  me      ca     ma  tummgi  sluga,   ha 
pagum:        ,si  invenietis  meum  puerum,  ego  faciara  me        vobis      servam,    et 

'nkldu    avri  dnda    bharipi,    ha    cau  turnen  ande  mro  than  thagdr, 
exibo      foras       e     magnitudine,  et  ponam     vos        in      meo     loco      regem, 

20  k^  me    aßis/    haj  hichaldds  ak        lil       ka  u  rasdj      dur   panszld 
si  mihi  invenies.'  et         misit     unam  epistolam  ad  sacerdotem  longe  quingentos 

thaj    pejinda     hers,    th'    avel    o    rasdj;    te    mothdl    zk   paramic, 
et   quinquaginta   annos,     ut   veniret      sacerdos;    si       dicet    unam    fabulam, 

lel    duj    sxld     lolardi.    ka    u     thagdr     o   phendds,  ki)     dzel.    trin 
sumet   ducentos        aureos.       ad        sacerdotem  ille        dixit,        ut     veniat.    tres 

rakld,  jek  sar  aver.    okand  e  phen  kh :  ,dade,  na     maj   k^htorisdr 
filiae,    una   uti     alia.        tum  soror:  ,pater,    ne    amplius      iter  fac 

tic,   k^   me  sem  ande  ko  than,  rdnde  man,  möra  men,  mek  mdngi 
tii,  nam   ego    ero       in      tuo     loco,     tonde       me,       tere       me,      sint       mihi 

•25     hal   kidine   and     ek     than,    haj    ker   mdngi    ^g     gras,    si  hajde 
capilli  coUecti      in    unum    locum,      et       fac        mihi     unum  equum.    et      age 

man  sajd  de  keltujdh,    k^    me  telerdu,  te  dikhdü,  so  kaj    kerel 
mihi      —       ad  erogandum,  nam  ego     abibo,      ut    videam,  quid       facturus  sit 

mxmc,  anda  mandi  ni  ka  keril   duj.  ,mistö!  kei'aü.'  ,me  telerau  ka 
de  me,       e  me       non      faciet       duas.    ,bene !     faciam.'    ,ego     abibo     ad 

u  thagdr.  areslem.  dobro   vet.   najis    ke    rajmdski,  da    so    kerdjdm, 
regem,     venimus.    bonum    — .   gratiastuae     raaiestati,      at  quid    fecimus, 

k'    avildm  mdndi.  raja !  te  trajis,  ko    hharipe,  kz  me  niS  ajilem  de 
quod  venimus  domine!  vive,     tua  magnitndo,      ego     non     veni 

30  pamö,  de  thulö.  ta  m'   avil'em  and  ak  hharo  pzs.   gadi  ki,  te  des 
— ,     *  —       — .      sed  ego     veni         —      —       —         — .        —     —  ,  da 

man    ek     hodina,  te  besau  trin  ges,  te  chaü  haj  te  pjdil,  atunca  te 
mihi  unam  quietem,   ut  .«sedeam  tres  dies,    ut  edam    et     ut  liibam,      tum 

des  man  bukjdku. 
da-    mihi    agendum. 


Beiträge  zur  Keuntniss  der  Zigeunermnndarten.  IV.  261 

Herr  Dr.  M.  Gaster  bemerkt,  der  Zig-euner  habe  hier 
g-eschlossen,  vorgebend,  er  sei  am  Ende  ang-elang-t,  während 
das  mitgeteilte  offenbar  nur  der  Anfang-  eines  g-rössern  Märchens 
sei;  es  sei  ihm  unmög-lich  g-ewesen  die  Fortsetzung  von  einem 
anderen  Zig-euner  zu  erhalten.  Vieles  ist  jnir  dunkel. 


e)  Zigeunerisches  aus  Moskau. 

Mitgeteilt  von  Herrn  Dr.   A.   Schiefner  in  St.  Petersburg. 

Die    Verweisungen    in    den   in   Klammern   beigefügten    Erklärungen    beziehen 

sich  auf  meine  Abhandlung:    Über  die  Mundarten  und  die  Wanderungen  der 

Zigeuner  Europa's  VI.  VII.  VIII.  Denkschriften,  Band  XXVI.  XXVII. 

a.lMa3^  Diamant  öapi.  har,  eig\  Stein.  (Griech.  parne  har.) 

a.iTapi>  Altar  Exanrepii  kcliangeri,  eig.  Kirche.  [Vergl.  kan- 
geri  VII.] 

ane.iLCHH'L  Apfelsine  .ao.io  loh,  eig-.  rot. 

aneTHTt,  ffie.iaHie  Appetit  KaMaMO  kamdmo,  eig-.  Verlangen. 
[Wahrscheinlich  kama-mo.  Vergl.  chuljamo  Nr.  48.] 

apant  Mohr  Ka.iH-Hafi,    Ka.a(5-MyHiii'L   kaly  caj.  kaiö  mumz,    5 
eig.  schwarzes  Mädchen,   schwarzer  Mensch.  [munsT,  steht  wal)r- 
scheinlich  für  mursöj. 

apKaHi.  Schlinge   um  Pferde  zu  fangen.  oniä.iö  o  sdlo. 

apoMaTi..  o.iaroBOHie  Aroma  .la^ö  -  KxaH49H9  lalo-kclianddn^ 
[kchanddnä  ist  zu  veigleichen  mit  kliandlno :  für  iacö  erwartet 
man  laa']. 

6a6a  Weib  ra/l,HCH  gadzi.  [Eig.  Nichtzigeuuerinu.] 

öaöyniKa  Grossmutter,  Hebamme  nxypy.MHij  pchurumny,  eig. 
altes  Weib   [d.  i.  pMiH  romm]. 

öarjap-L.    pLiHOKi.,    KOHHan   Markt   iipocKO,i,LiHi.i  j)^''^^^odyny.  lo 
[Dunkel  :  es  ist  ein  subst.  f.  auf  -dini.] 

6aH/],ypa,  rHTapa  Pandore  öania^M  haHady.  [Vergl.  ha- 
savdi  f.] 

öaHH  Bad  .laaHH  idznja.  [Pol.  lazuia.] 

öapaHTi  Hammel  uaKpi.»  hakro. 

öearpliiUHLiH  unschuldig  r)erpexeHr::»po  begrechengaro.  [he 
iindet  sich  in  diesem  Verzeichnisse  auch  sonst  für  bi  grechen- 
garo  von  greliL.] 


262  Miklosich. 

15  öesonacHuft  g-etahrlos  Ha^apHHCO  nadarnlso.    [nadarniso  ist 

wohl  na  dar  fürchte  nicht  für  ma  dar  :  niso  ist  wohl  , nichts', 
sonst  russ.  nici  VII.  31.] 

6e:3pacv/i,HHn  unüberlegt  hhco  -  Ha4"iKHH:WB  niso  -  nadzin alz 
[d.  i.  nicLsoze  ne  znajetx  mit  doppelter  Negation  niso  und  na. 
dzindz  für  griech.  dzanel]. 

6e3poAHiJn  der  ohne  Familie  ist  n3CKHp3Hi.  psskirsm. 
[Das  Wort  hängt  mit  peskero,  daher  etwa  ,für  sich  lebend', 
zusammen.     Der  Ausgang  ist  mir  dunkel  VIII.  49.] 

6epe3a  Birke  öpesa  hreza. 

dovh  Gott  4369.11.  d&vsh. 
20  60./ILHOH  krank  nacBa.iö  nasvaiö. 

öocoHorifi  barfuss  6eTpax3Hrepo  betracMngero.  [triak 
VIII.  86.] 

öpo^ara  Landstreicher  npacTänrepo  prastdngero.  TVergl. 
russ.  prastabnangiro  VIII.  52.] 

OYMara  Papier  jihiA'h  hjh.  [lil  VIII.  7.] 

öiraxB  laufen  TenpacxacB  te  i^rastasz.  [te  ist  die  VIII.  78 

behandelte  Partikel:  mit  dieser  wird  um  den  dem  zig.  fehlen- 
den   inf.  auszudrücken  eine  finite  Form,    hier   wie   auch  sonst 
die  I.  pl.  verbunden.] 
25  6'fcyiH.aa  weisse  Schminke  MaExenrepH   makchengeri.   [makh 

schmieren :  ein  Nomen  makh,  worauf  makchengeri  hindeutet,  ist 
nicht  nachgewiesen.] 

BapeHLe  Eingemachtes  ry4.iH  gudly.  [f.  von  gndlo.] 
BaTa  Watte  TaTH  taty.  [f.  eig.  die  warme.] 
B/l.OBeu.'B  Witwer  öepOMeCKepH  beromeskeri.  [Richtig  ,Witwe^] 
B^OBa Witwe  oepOMHflCKepo  beromnjdskero.  [Richtig, Witwer' 
und    heromnjdkero ,    griech.    beromnjdkoro ,   zu    schreiben:     eine 
Form  romnjdskero  existiert  nicht.] 

30  BdR^axL  rühmen  Temapect  te  sareso.  [Vergl.  uSar  VIII.  90.] 

BepeBKa  Seil  ine.aö  selö. 

BHHO   Wein  6paBHHT0  bravinto.  [Eig.  Brantwein.] 
BHHorpa/].!,   Rebe,    Traube   aa'.iaHO   z^iano.     [Dunkel:   zelin 
wird   für  ,grüu'  gebraucht.] 

Bo^a  Wasser  (j)'bKa.  o.sepo.  Mope.  npy/T,i.)  naHa  pa???/. 
35  BOHtaKt  Führer    .a1.14jKa.lO  lydzalo.    [Eig.    er    führt.  Vergl. 

ledz  VIII.  6.] 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigennermundarten    IV.  263 

BO-rKaKt  Me^ßi^a  Bäreüführer  ^HAHta^o  -  apuqecb  lydzalo  d 
ryceso.  [l^ig".  er  führt  den  Bäreu.j 

BOHHa   Krieg-   MapnÖHacKepo    marihnnskero.    [Eig-.   Krieg-er, 
von  marihen:  vergl.  mar  VIII.   13.] 

BOHHt  Krieg-er  MapHHacKepH   marinaskerl  [maribnasken  ist 
das  f.  des  vorhergehenden   Wortes]. 

Bopi.  Dieb  iiopi.  coro. 

BopoBKa  Diebinn    ^opHpHÖnacKepH    coririhnaskeri.     [Richtig-  40 
corihnaskeri  von  coribe  VII.  36.] 

Bfeepi.  Wind  63LÄBLl'h  balvdh. 

BO.ioca  Haar  o6a.ia  o  bala.     [Griech.  o  bald  pl.  VII.  15.] 

r.aasT..  oasa  Aug-e  aexte..  HKxa  jakchh,  jakcha. 

r.ayxoH'feMOn  taubstumm  HaniYHB.io  -  HapaKHp.ao  na  sunolo  na 
rakirlo.    [Eig-.  non  audit,  non  loquitur:  sun;  rakir,  sonst  vraker.] 

r.ayxon  taub  HamyH3.aL0  na  swwlo.  45 

rOBopHTB  reden  TepaKiipeci.  te  rakiresi.  [Sonst  traker.] 

rciOBa  Kopf  mripo  Hro.  [5er6.] 

rpy4B  Brust  kcielhi.  kolym.  [Griech.  koUn.J 

TO/Xh  Jahr  uapini»  barH. 

/],BepL  Thür  nopii.  porto.    [Rum.  poart-L^  ist  mir  sonst  zig-.  50 
nicht  vorgekommen.] 

^CHtrH  Geld  .aoBij.  CTa.ia  fov/j,   stalja.  [iovy,   griech,  love; 
stalja  ist  mir  dunkel.] 

flfiyi'h  Haus  Kxapi»  kcharh. 

/l,BopflHHHi>    Junker    o.iaropOAHLifi    opäfi    o   rdj.    [Eig-.    der 
Herr.] 

4iBHi],a  Mädchen  Haft  caj. 

*yKa.iocTL    Betrübniss   TexaHCKHpBCL    te  tanskir^s^.    [Pol.  te-  55 
sknic  bange  sein.] 

Hta^HHH,  CKynon  g^icrig  CKaMno  sk^mpo.  [Pol.  skapy,  skepszy.] 

3Ke.ifeo  Eisen  cacTapt  sastdro. 

HiecTOKOCTB  Heftigkeit  xy^iüMÖ  chidjamö.  [Das  Wort  hängt 
mit  griech.  cJiolin,  choliazava  usw.  zusammen   VII.  63.] 

iKe^B    brennen    TexaHKHpeCTE.    te    chackireso.     [Vergl.   chacar 
VII.  60.] 

acHTB  leben  Te45KHBeci  te  d&ivesi,.  60 

saupemaTB  verbieten  TeJLicn3  te  iys  p9.  [Scheint  wörtlich: 
;Sich  erheben'  zu  bedeuten :  la  VII.  l.j 

seMAfl  Erde  nxyBi.  pchum. 


2fi4  Miklosich. 

3HMa  Winter  HBi],Hti  ivcny.  [Duukelj. 

SO^OTO  Gold  CYBHaKan  suvnakaj.  [sovnakaj  VIII.  68. J 
Gü  Hrpaxb  spielen  TeKKe-ieci.  te  kcheles^.  [kJiel  VII.  78.] 

KaaieHL  Stein  6api>  hat-h. 

KaMeHHiJH  steinern  öapvHO  haruno. 

K.ia/^'b  Schatz  K^ä^o  Mddo. 

KHflSB.  rpa4>i>  Fürst,  Graf  öapopon  haro  roj.  [Eig.  grosser 
Herr.] 
70     ,       KHHi'HHfl.  rpa-i-HHA  Fürstinu,    Gräfinn  öapHpOHbi  hari  rony. 
[Griech.  bari  rdnni  VIII.  54.] 

Koata  Haut  Tpyno   trnpo.   [Eig-.  Körper,    Rumpf  VIII.  87.] 

Ko.ieco  Rad   poxa  rata.   [Rum.  roatt.] 

KO^i&u,o.  iiepcreHL  Ring-  aHrpyCTLi  angrusty.  [angustri  VII.  9.J 

KOHL  Pferd  rpafi  graj.  [grast  VII.  58.] 
75  KOHHHn    Reiter    rp3Hr3pH    grangari.     [Für   grajengeri,    eig. 

grejengero,'  da  es  ein  m.   sein  soll.] 

KopoBa  Kuh  rypYMHM  gurumny.  [guruv  VII.  58.] 

KOpo.iB  König  Kpa./iB  hrah.  [Wohl  serb.] 

KopoHa  Krone  Kpa.iHTKapH  kralitksri.  [Eig.  die  dem  Könige 
gehörige,  man  erwartet  kraleskeri^^ 

KOTKa  Katze  MHi],a  myca.  [Bei  Boehtlingk  266.] 
80  KpacaBeii.'b    schöner    Mann    repil,3ro,    .lano,    röaio    gercsgo, 

laco,    gözo.   [gercsgo    ist  Herzog;    laco   gut  VIII.    4;    gözo  pol.- 
klruss.  hozy,  chozy  frisch.] 

KpacaBHi],a  schönes  Frauenzimmer  repi];arHHBKa.  .laHiiHLKO, 
röateHBKO  gercaginika,  iaciniko,  gözenhko.  [Die  vorhergehenden 
Worte  mit  slav.  Suffix.] 

Kpaco'ra  Schönheit  .iaqHU3  lacip§. 

KpacHEin  rot  aoäo  hh. 

KpecT'B  Kreuz  Tpymri.i'b  truSih.  [trusul  VIII.  87.] 
So  KpOBB  Blut  paTi  ratz,  [rat  VIII.  56.] 

Ky/l,pflßi.ii1  kraus  capoKypMaBO  saro  kurcavo.  [saro  ist  wohl 
sar  ,wie'  und  der  Artikel  o;  kurcavo,  russ.  kuröavyj.  klruss. 
kuceravyj .] 

KyrieUT.  Kaufmann  ra^JKO  gadzo.  [Eig.  Nichtzigeuner.] 

KyxHH  Küche  K^paBiioHaciiepn  kdravihnaskeri.  [Von  *kera- 
vibe.  Vergl.  kirav  VIII.  83.] 

KOHroxt  Stallknecht  ra;i,fliO  na.irjrp9H,],Le-ncHp.io  gadzo  pafy 
grdnd'.a  psirlo,   d.   i.   homo  post  equos  ambulat. 


Beiträge  zur  Reontniss  der  Zigeuuermandarten.  IV.  265 

^Hi];e  Gesicht  Myfi  muj.  90 

.aioöoBB  Liebe  T3KaMHCi.  ta  kamysb. 

jmAO^Ah  Menschenfresser  MaHymeH'b-XcUü   manusem  chalo. 

jyna,  C0AHi;e  Mond,  Sonne  ExaMi  kchmm. 

.licT.  Wald  BBin'L  vsSh. 

JiaTB  Mutter  /i,an  daj.  95 

•    Me/],T,,  Bce  c^iaAKoe  Honig,  Süssig-keit  ry^jiö  ^mcZ/o. 

MO.io^oCTt  Jiig-eud  T3pHHn3  tdmype. 

Ma.lLHHKi.  Knabe  paKpo^(5  rakroiö.  [raklö,  raklorö  VIII.  65.] 

MepTBen,!.  Leiche  jiy^ö  mulö. 

Ma^ieHLKifi  klein  thkhhhbko  tyknimko.  [tikno  VIII.  84.  Mit   loo 
slavischem  Suffix.] 

MH.iMn,  .iioÖHMtm  geliebt  KaM.aö  kanüö. 

MO.10KO  Milch  Txy/i,i>  tcliudh. 

Me^BiiAt  l^är  puHi,  rych.  [ricini;  rys,  ryc  VIII.  57.] 

Mj-Ka  Mehl  flpaco  jarzo.  [vanro.  jarzo  VIII.  93.] 

Hapo/i,i>  Volk  Manyma  manusa.  [pl.  von  manus.]  105 

He^ijifl  Woche  KypKO  kurko. 

HenaBH/l.'feTB    hassen    HaKaMiJ./l0   na   kamylo.    [Eig.    er    liebt 
nicht.] 

HOra  Fuss  rnpon  gyroj.  [Vergl.  griech.  ger,  jür,    pl.  jerd. 
ungr.  liero.  böhm.  clieroj.  pl.  cliera  VII.  55.] 

HorH  Füsse  rtipa  gyra. 

Hoqt,    Beiepi.   Nacht,    Abend    paxt   rath.    [rat,   rati,    raü  110 
VIII.  56.] 

Heöo,  oöjaKa  Himmel,  Wolken  6o./1h63  holyhs.  [Etwa  ,das 
sich  drehende^  Vergl.  VII.  23.] 

orHeHHuil  feurig  }iraK3po  jagaksro. 

oroHt  Feuer  RVh  jagi. 

üKHO  Fenster  «i)3HniTep'B  f9n.iten  [deutsch]. 

oxeu.'L  Vater  /i,aTi>  dati.  [dad.]  115 

OBecL  Hafer  /i.moB'L  dzov^. 

ua.iaxKa  Zelt  maTpo  satro.  [Aus  dem  slav.] 

iiTiina  Vogel  HiipiiK.io  cirlklo. 

u.iaKaTL  weinen  TepoBSCL  te  rov9Sh. 

n.lCMH  Stamm  opö^o  0  rödo.  [Slav.]  120 

noxopoHLi  Begräbuiss  T3rypaBeH'b  ta  gsravem.  [geravYll.  55.] 

pO/l,iiTi>  gebären  TdAO^OA'h  td  locoh.  [lot.  ungr.  lotov.  russ. 
locov6  Niederkunft  VIII.  8.] 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  II.  Hft.  18 


266  Miklosicb. 

pyöaniKa  Hemd  raT-B  gath.  [gad.] 

paoa  Leibeig;ene  f.  öVTHpHbi  hutjarny.  [buti,  huld,  but'ar  vb. 
arbeiten  VIL  26.^] 
125  pa3yMi,  Verstand  ro^ti  gody.  [godi  VII.  56.] 

p)Tia  Hand  BacTi)  vasH. 

pyiiKa  Iländclien  BacTOpo  vastorö. 

pfeaTL  schneiden  Tdmmech  t9  cines^. 

p'liKa.  pYHen  Fluss,  Bach  naHLi  2?«wy. 
130  pLiua  Fisch  Maiö  macö. 

caöjDi,  HOiKb  H  T.  iio/i,.  Säbel,  Messer  und  ähnliches 
HlopH  cjuri. 

co.iHne  »Sonne  KxaMTb  kchaim. 

CBH/;aHie  Wiedersehen  T3/l,HKan<i>H3  to  dykajyfns.  [Ist  offen- 
bar eine  Vcrbalforni  und  steht  vielleicht  fiii'  dykhas  pe  sich 
sehen.] 

CB^Ha  Licht  MOMO.ibi  momoly.  [mom  VIII.  18.] 
135  canorH,  oövBb  Stiefel,  Beschuhung  TLipaxä  tyrachd.  [Vergl. 

oben  Nr.  21.] 

codaKa  Hund  ß^mjKiiÄ'b  dzukah. 

cepeupo  Silber  pyni.  i-iqn. 

ciinofi  blind  KOpopo  kororo. 

CMixi.  Lachen  caÖB  saba.  [as  lachen;  asaibe  VII.   10.] 
uo  CMiflTL  ca  lachen  xecacna  te  sas  pa.    [as,  reflexisch  nach 

slav.  Art  VII.   lO.J 

CTapoCTL  Alter  Typnna  turvpd.    [Richtig  plmribe  VIII.  45.] 

co.lL  Salz  AOWh  hm. 

ciiHO  Heu  Kxasi.  kcJiazh.  [khas  VII.  78.] 

Tadopt  ii,BiraHCKtiH  Zigeunerlager  poMana^aBa  romans  cavs. 
[Eig.  Zigeunerkinder,  Zigeuner  VII.  30.] 
145  TaoyH'B  ^lomaAefi  Heerde  Pferde   öyTB-orpaia  buth  o   graia. 

[Eig.  viel  Pferde.     Der  Artikel  befremdet.] 

TaHeii,T>  Tanz  Kxa.iuoa  kchalyba. 

TOnOpt    Axt    TOB^pt    tOVdTh. 

TpaBa  Gras  ^lapi.  (^ar^. 

TC.rtra  Bauern  wagen  yp/],3HL  iirdani.  [vordon  VIII.  96.] 
150  yrapT.  Dampf  yxa^iioM'L  uchacionn,.   [Eig.  ich  brannte  arsi. 

chaöar  VII.  60.] 

yroiiuiTL  bewirthen  TevKepeci.  te  ukereso.  [Das  Wort  ist 
mii-  dunkel.] 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zi^ennermundarten.  IV.  26  i 

ycLi.  öopo^a  Bart  Hopa  co?-a.  [pl.  VII.  36.] 

yHPHLifi.  anaioiuin  gelehrt  caBory^flBBpi.  savo  gudjavdn. 
[Etwa  ,wie  vernünftig-' :  savo  VIII.  63.  godjaver  VII.  56.] 

yro.aL  Kohle  Banrapa  vangara.  [angar  VII.  8.] 

XBa.'iiiTB  loben  xemapacB  te  sar6s^.  [Vergl.  Nr.  30.]  155 

XHTptin  listig-  4>poHTapH  frontdri.  [Dunkel;  rumun.  frun- 
tarjü  passt  der  Bedeutung^  wegen  nicht.] 

X04HTI)  gehen  Tencapaci.  te  psdrssh.  [pMr  VIII.  42.] 

XM'fe.ib  Hopfen  öpaBiiHTO  hravinto.   [Vergl.  Nr.  32.] 

xiimHHa  Hütte  Kxepopö  kcherorö. 

i],apL  Kaiser  Txarapi.  tchagar^.  [Griech.  takdr,  nun.  tagar:   lüu 
armen,  t'ag-avor  VI.  68.] 

n,apiii],a  Kaiserinn  TXarapHLi  tclmgarny.  [Vergl.  rom,  romni 
VIII.  58.] 

Ha.iiia  Tnrbau  'lo.iMa  colma.  [Russ.  aus  dem  türk.  dzag. 
cälma.] 

HiiTaTL  lesen  TerKHBCB  te  ginssi.  [gen  VII.  55.] 

Hy/l,OBiime  Ungeheuer  caBO-CTpamHO  savo  strasnö.  [Eig.  wie 
furchtbar  !J 

myua  Pelz  hoctlihi.  postym.  [postin  VIII.   52.]  165 

meü  Hals  msh^b  mom. 

me.iKT)  Seide  nxapi.  pcliaro.  [phar  VIII.  40.] 

lue.lKOBMii  seiden  nxepii'HÖ  pcheruno.  [pharnuno  für  jjha- 
runö  VIII.  40.] 

mapaBapM  weite  lange  Hosen  xo.iOBa  choiova.  [cholov 
VII.  65.] 

meKOiaxt  kitzeln  xLiTasi  clujtan.  [Dunkel.]  170 

i^a  Essen  xa69  cliahd. 

ixaTB  fahren  Te4acaci>-nperp3H,],o  te  dzas  pre  grando.  [Eig. 
, gehen  zu  Pferde' :  für  grendo  erwartet  man  grende  aus  gra- 
jende.] 

lOoKa  Frau6nrock  HH^HpäK'L  indgrdh,.  [Deutsch  Unten-ock. 
jenderaha  Böhtlingk  25.  apol.  inderaki  hei  Bielski.  wruss. 
andarak  bei  Nosovie.] 

lOHoma  Jüngling  TLipH6  -  ManyiuT.  tijrnö  manuh.  [Junger 
Mensch.] 

x.iliuT)  Brot  Mapo  maro.  1^^ 

aöJOKO  Apfel  uxaoafi  pchahaj. 

aro^a  Beere  OMypii   0  muri,  [miira.] 

18* 


268  Miklosich. 

H3HK1.  Zunge  HHüi.  Hin.  [cib  VII.  31.] 

o/;hhi>  ein  ieKi.  iek^. 
180  ^Ba  zwei  ^yfi  duj. 

TpH  drei  TpHHi.  i!riH7.. 

/i,ecaTL  zehn  ^ami.  d^s^. 

CTO  hundert  me.i'B  *9^*. 

THcaqa  tausend  öapH  Jar«.  [Eig-.  die  grosse  (Zahl).] 
185  R  ich  M9  W5. 

TH  du  xy  tu. 

OHi,  OHa  er,  sie  f.  ion,  ioft  ioj,  ioj. 

MH  wir  a-M3  amd. 

BH  ihr  Ty-M9  tum 9. 
190  OHH  sie  pl.  i0H9  ioud. 

Das  vorstehende  Verzeichniss  von  Worten  aus  der  Sprache 
der    Moskauer    Zigeuner    verdanke    ich    wie    so    vieles    andere 
dem    grossmütigen  Förderer    meiner  Zigeunerstudien,    meinem 
verehrten  Freunde,  Herrn  Staatsrath  und  Akademiker,  Dr.  Anton 
Schiefner  in   St.  Petersburg.     Dasselbe  wurde  aus  dem  Munde 
von  in  Moskau  ansässigen  Zigeunern  aufgezeichnet  und  heraus- 
gegeben von  dem  Moskauer  Arzte,  Herrn  V.  K.  Papandopulo, 
unter  Nr.   14.    Seite  160  in :    Izvestija    imperatorskago    obsöe- 
stva  Ijubitelej   estestvoznanija,    antropologii  i  atnografii,    sosto- 
jascago      pri      imperatorskomt      moskovskomi      universitete. 
Tomi.  XXVII.     Trudy    antropologiöeskago    otdela,    tomt    III. 
Antropologiceskaja    vystavka   imperatorskago    obscestva    Ijubi- 
telej   estestvoznanija,    antropologii  i  ytnografii.     Tomt  pervyj. 
Zasedanija    komiteta    po    ustrojstvu    vystavki    vt>    1877    godu 
pod-L    redakcieju    A.    P.    Bogdanova.      (Izdanie    komiteta     vy- 
stavki.) Moskva.  Tipografija  M.  P.  Lavrova  i  K°,  Leonttevskij 
pereulokt.    1878.    428    Seiten    in    4"    in    zwei    Columnen     mit 
alphabetischem  Index    10  Seiten    in    zwei    Columnen    auf  160. 
Darauf    folgt    unter   Nr.   1.5.    ein    Aufsatz    A.    P.    Bogdanov's : 
jMaterialien  zur  Erforschung  der  Zigeuner  in   anthropologischer 
Beziehung.' 


Beiträge  zur  Kenntniss  der 'Zigeunermundarten.  IV.  269 


/)    Zigeunerisches  aus  Ssuiny   im  Clouveriieiiieiit  Charkov. 

Mitgeteilt  von  Herrn  L.   Glaeser  in  St.   Petersburg. 

Beilieg-endes  Vocabiilar  der  Zigeunersprache  nebst  nach- 
folg-ender  kui-zer  Declinations  -  und  Coujugationstabelle  und 
Sprachprobe  ist  von  mir  im  Juni  1877  im  Ssumschen  Kreise 
des  CharkofFschen  Gouvernements  (CyMCKOn  yis^i  XapLKOBCKOn 
ryöepHiii)  aufgezeichnet  worden.  Die  Zigeuner,  denen  ich  diese 
Aufzeichnungen  entnahm,  waren  bei  der  Behörde  der  Kreis- 
stadt Ssumy  (CvMBi)  des  Charkoffschen  Gouvernements  ange- 
schrieben und  russischer  Religion  (npaBOC.iaBHHe).  Den  Sommer 
brachten  sie  auf  Wanderungen  zu  und  wollten  einerseits  bis 
Odessa,  andererseits  bis  Moskau  und  Niznij-Novgorod  gekommen 
sein.  Ihr  Hauptgewerbe  war  der  Handel  mit  Pferden_,  nebenbei 
waren  sie  aber  auch  Schlosser,  Verzinner  und  Thierärzte,  Den 
Winter  über  lebten  sie  in  Ssumy.  Die  folgenden  Aufzeichnungen 
wurden  vorzugsweise  nach  den  Worten  eines  älteren  Zigeuners,  des 
intelligentesten  der  ganzen  Bande,  geführt.  Zwei  andere  Zigeuner 
und  mehrere  Zigeunerknaben  hockten  rings  herum  und  mischten 
sich  zuweilen  ins  Gespräch.  Da  die  Dorfpolizei  und  die  Bauern 
den  längeren  Aufenthalt  einer  Zigeunerbande  in  ihrem  Dorfe 
ungern  sehen,  so  hatte  ich  nur  drei  Stunden  Zeit  die  Leute 
auszufragen.  Sie  zogen  wieder  weiter.  Am  nächstfolgenden  Tage 
fuhr  ich  ihnen  nach  und  hatte  Gelegenheit  sie  im  Laufe  zweier 
Stunden  auszufragen,  wobei  ich  das  am  vorigen  Tage  aufge- 
zeichnete einer  Prüfung  unterwarf  und  noch  einiges  hinzufügen 
konnte.  Die  älteren  Leute  sprachen  recht  gut  russisch  und 
behaupteten,  ihre  Eltern  und  Grosseltern  hätten  bereits  in 
Russland  gelebt:  von  wo  sie  aber  nach  Russland  gekommen 
seien,  wussten  sie  nicht  anzugeben. 

Im  Nachfolgenden  bedeutet  y  das  russische  u,  /  das 
deutsche  ch,  l  das  russische  a  in  .1061»,  z  das  russische  3,  c  das 
russische  ^,  §  das  russische  in,  c  das  russische  ii;.  ai,  oi, 
ou,  eu  und  tn  sind  Diphthonge.  Die  Betonung  ist  durch  den 
accent  aigu  angegeben,  n,  d,  )' ,  l,  s  sind  wie  nj,  clj,  rj,  Ij, 
sj  zu  sprechen. 


270 


M  ikl  osich. 


A.  Vocabular. 


Substantiva. 

rom  Mann,  Zig-euner  (pl.  romd). 
gadzö  Mann,  Bauer  (russischer) 

pl.  gadze. 
romni  Frau,    Zigeunerinn,    pl. 

romnd. 
gadi  Bäuerinn    (russische)    pl. 

gada. 
5  cliavö  Knabe,  Sohn,  pl.  cliave. 

dem.  chavorö,  'pl.  cliavore. 
chal  Mädchen, Tochter,  pl.  chajd. 
raA:?/ junges  Mädchen,  /(.iByniEa. 

dem.  raTdori  ^iBOHKa. 
0  dad  der  Vater,  pl.  dadd. 
e  dai  die  Mutter,  pl.  dajd. 
10  jpsal  Bruder. 

phuröm  Grossvater,  pl.  pJmromd. 
phuri     oder    lilmromni    Gross- 

niutter,  pl.  jjhiird,  phuromnd. 
manüs    Mensch,    Mann,    fem. 

manumi. 
rai  Gutsbesitzer. 
15  devei.  Gott. 

devetorö  Eng-el,  pl.  develore. 
heiig  Teufel,  pl.  bengd. 
boluhen  Wolke,  pl.  bolubend. 
talakUnckdte   barö    es    donnert 

stark. 
20  hacöl  Blitz,  pl.  haSen  (sie!) 
o  kyam  die  Sonne. 
itina  oder  bolybe  Mond. 
cerhen  Stern. 
bavdi   Wind,  pl.  bavald. 
25  zmaWiuter  (im  Winter  zimdko). 
jiMmjc?  Herbst,  Winter,  schlechte 

Jahreszeit  (im  Herbst  juven- 

ddko  oder  juvende). 


bers  Jahr,  pl.  bersd. 

chon  Monat. 

dyves  (?)  Tag. 

rozdyvesejd  es  ist  Morgen,  der  3 

Tag  ist  angebrochen. 
bevei    Abend    (beveU  Abends). 
e  phu  die  Erde. 
pani  Wasser. 
mui  Gesicht. 

jak  Auge,  ^\.  jaklid  (kh  —  sie!).  3 
vust  Lippe,  pl.  vustd. 
chord  oder  bröda  Bart  (6opo/l,a). 
chindle  Bart  (ych). 
cipa  Haut  (per   e   dpa    dzal   o      | 

kii-mö  auf  der  Haut  geht  der 

Wurm). 
nai  Finger,  pl.  nnjd.  4 

vast  Hand,  pl.  vastd. 
0  kan  das  Ohr,  pl.  kand. 
0  dand    der    Zahn,    pl.   dandd. 
0  bal  einzelnes  Haar,  pl.  bald 

das  Haar. 
e  heroi  der  Fuss,  pl.  herd  (sie !).  i 
0  nak  die  Nase,  pl.  naklid. 
cib  Zunge. 
0  serö  der  Kopf. 
kar  Mähne. 
kokdto   Knochen    (and   e   heroi  ö' 

kokdlo  in  dem  Fusse  Knochen 

[ist]). 
grai  Pferd. 

gurü  Ochs,  pl.  guruvd  (sie!). 
guruni   oder   guruvni  Kuh,    pl. 

gurund,  gwuvnd. 
dzuktl  Hund. 

myc  Katze.  5j 

basnö  Hahn,  pl.  basne. 
kayni  Huhn,  pl.  kaynd. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigennermntidarten.  IV. 


271 


kaynori  Küchel,  u.sin.ieHOK'L. 
papin  Gans. 
60  hcdycö    Eber,    männliches 
Schwein,  KadaH'b. 
baiysnt  Ssiu.,-weih\iches  Schwein, 

CBHHLfl. 

halycliorö  Ferkel. 

rcica  Ente. 

huznö  Ziegenbock,  K03e.a^. 
65  e  huzni  die  Zieg;e. 

hakrö     Schafbock ,      Hammel, 
öapaHi). 

hakri  Schaf,  OBi],a. 

hreza  Birke. 

e  volh'/a  die  Eller,  Erle,  o.ii>xa 
(cf.  kleinriissisch  BH.iLxä). 
70  sosna  Fichte. 

jölka  Tanne. 

lipa  Linde. 

demho  Eiche. 

giv  Rog-gen. 
75  givni  Weizen. 

käst  Stock,  pl.  kastei  Brennholz. 

you  Hafer. 

kumipi  Hanf,  KOHon.ia. 

grika  Buchweizen,   rpena,  rpe- 
^Hxa. 
80  thahai  Apfel,  pl.  tliahd. 

puvidko  Kartoffel. 
.  jdrzo  Mehl. 

mar 6  Brod. 

mas  Fleisch. 
85  haXavds  Fett. 

gav  Dorf. 

föro  Stadt. 

kr/er  Hütte. 

savdri  Zaum. 
90  vurden  Wagen,  Fuhre. 

satra  Zelt,  niaTepi). 


kustyk  Gürtel. 

postyn  Ty-iynii.  Schafspelz. 

hakridko     stadyk     Mütze     aus 

Schaffell. 
tird'/^  Stiefel.  95 

yolovd  Hosen. 
gad  Hemd. 
tJiag< 


dr  König. 


Adjectiva. 

süatö,  fem.  süalt  kalt. 
talö,  fem.  tati  warm. 
liacklrdö,  fem.  -i  heiss. 
harö,  fem.  -i  gross. 
tyknö,  fem.  -i  klein. 
grübo,  fem.  -i  dick. 
sano,  fem.  -l  dünn. 
barvaiöj  fem.  -i  reich. 
cororö,  fem.  -i  arm. 
dldgo,  fem.  -i  laug. 
skürto,  fem.  -i  kurz. 
hut  viel. 
na  hut  wenig. 
lolö  grün. 
sasturno  rot. 
silto  gelb. 
mornitko  blau. 
kalö  schwarz. 
parnö  weiss. 
ku6  gut,  schmackhaft. 
hihtiy^  schlecht. 

Ädverhia. 

dadyves  heute. 
tasd  gestern. 
ataki  morgen. 
paJttasd  übermorgen. 
ndhara  unlängst,  neulich. 
atakand  oder  akand  jetzt. 


lOÜ 


105 


110 


115 


120 


1  •_'.') 


'ZVl 

Miklosich. 

sygo  schnell. 

70.  jeytadesd. 

dryvdn  sehr. 

80.  oytodesd. 

Mci  wie  viel  ? 

90.  jenadesd. 

söske  warum? 

100.  sei. 

130 

kdtir  von  wo? 

1000.  tysenco    oder   barö,    fem 

todi  dann. 

bari. 

koli  wann,    wenn,    ah 

5  (koli  tu 

javesa     wenn     du 

kommen 

II.  Ordinalia. 

wirst). 

1.  jek. 

paiodovd  weil. 

2.  vavir. 

3.  trito. 

Numeralia. 

4.  stdrto. 

I.  Cardinalia 

5.  pdncto. 

1.  jek. 

6.  souto. 

135 

2.  dui. 

7.  jeytdto. 

3.  tmn. 

8.  oytoto. 

4.  Star. 

9.  jendto. 

5.  panc. 

10.  desto. 

6.  sou. 

11.  desujek. 

140 

7.  jeytd. 

12.  desudüito. 

8.  oytö. 

13.  desutrito. 

9.  jend. 

20.  bisto. 

10.  des. 

30.  trijanddto. 

11.  desujek. 

40.  saranddto. 

145 

12.  desudüi. 

100.  selto. 

13.  desutrin  usw.  bis 

19. 

101.  seito  jek. 

19.  bi  jek  hesko  bis. 

102.  selto  vavir. 

20.  bis. 

103.  selto  trito. 

21.  bistejek. 

122.  selto  bisto  vavir. 

150 

22.  bistedüi. 

23.  biHetrin  usw.  bis 

29. 

Pronomina. 

29.  bi  jek  hesko  trijanda. 

me  ich. 

30.  trijanda. 

tu  du. 

39.  bi  jek  hesko  sardn 

da. 

jou  er. 

155 

40.  sardnda. 

joi  sie. 

60.  panSdesd  oder  pandesd. 

ame  wir. 

69.  bi  jek  hesko    soudesa    oder 

turne  ihr. 

pandeM  jend. 

jo7ie  sie. 

60.  soude§d. 

kon  wer? 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunennunclarten.  IV. 


273 


SO  was? 

leskiro  sein. 

odovd  fem.  odojd  jener. 

amdro  unser. 

95 

miro  mein. 

tumdro  euer. 

tiro  dein. 

iengo  ihr. 

B.  Declinationstabelle. 

Singular                                                        Plixral 

Nom.  rom  Zigeuner                                        romd 

Gen.    romeste                                                    romende 

Dat.     romeske                                                   romenge 

Acc.     romes. 

romen. 

200 


Singular 

Nom.  barvalö  rom  reicher  Zigeuner 

Gen.  barvaieste  romeste 

Dat.  barvafeske  romeske 

Acc.  barvales  romes. 


Plural 

barvale  romd 
barvalende  romende 
barvalenge  romenge 
harvalen  romen. 


NB.    Nach    barvalö   geht    genau   chavö   Knabe^    Sohn,    im 
Singular  als  auch  im  Plural. 


Singular  Plural 

Nom.  barvali  romni  reiche  Zigeunerinn  barvale  romnd 

Gen.  barvale  romndte  barvale  romninde 

Dat.  barvale  romiidke  barvale  romninge 

Acc.  barvale  romnd.  barvale  romnin. 

Die  Beispiele,  auf  Grund  deren  obige  Paradigmata  zusam- 
mengestellt wurden,  sind  folgende: 

Für  den  Genitiv :  barvaieste  romeste  love  y  öoraiaro 
n,HraHa  ^entrH  (cctb). 

Für  den  Dativ:  de  barvaleske  romeske  love  gieb  dem 
reichen  Zigeuner  Geld. 

Für  den  Accusativ:  me  dikydva  barvale's  romes  ich  werde 
sehen  einen  reichen  Zigeuner. 

Dieselben  Phrasen  wurden  für  den  Plural  von  barvalö 
rom  und  die  Declination  von  barvali  romni  angewandt. 


274 


Miklosich. 


Singular 
Nom.  o  dad  der  Vater 
Gen.    dadeste 
Dat.     dadeske 
Acc.     dadi's. 


Plural 


Singular 


Nom.  dai  Mutter 

Gen.  ddte 

Dat.  ddke 

Acc.  da. 


dadd 
dadende 
dadenge 
daden. 

dajd 
dajende 
dajenge 
dajen. 


Plural 


Genau  ebenso  wie  dai  wird  auch  cliai  Tochter  decliniert. 
Anders  grai  Pferd : 

Singular  Plural 

Nom.  grai  5'*'<^j'^ 

Gen.  greste  (greste  kar  jsi  y  .aoma/l,H  rpHBa  eCTL)  grende 

Dat.  greske  (de  greske  jou  gieb  dem  Pferde  Hafer)     grenge 

Acc.  gres.  gren. 

Declination  von  odovd,  odojd  jener,  jene  im  Singular : 

Singular 

Nom.  odovd  maiiüs  jener  Mensch,  Mann 
Gen.   odoieste  manuseste 
Dat.    odoleske  manuseske 
Acc.    odoles  manuses. 

Plural 
Nom.  odold  romd  oder  manusd. 

Singular 

Nom.  odojd  manumi  jenes  Weib 
Gen.    odold  manusndte 
Dat.    odoldke  manuMdke 
Acc.    odold  manuSnd. 


Plural 
Nom.  odold  manusnd. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigetmermundarten.  IV.  275 

Declination  der  Possessivpronomina:  miro,  Uro,  leskiro ; 

amdro,  tumdro,  lengo. 

Singular 

Nom.  miro  dad  mein  Vater 
Gen.   mire  dadeste 
Dat.    mi7'e  dadeske 
Acc.    wfre  dades. 

Ebenso  der  Singular  von  Uro  dein,  leskiro  sein,  amdro 
unser,  tumdro  euer. 

Der  Plural  von  miro,  Uro,  leskiro,  amdro,  tumdro  wird 
decliniert  wie  harvalö  oder  cliavö.  Das  fem.  sing,  von  lengo 
blieb    mir    unbekannt.     Der  nom.  pl.  von  lengo    lautet  Imgire. 

Declination  der  Personalpronomina:    me,  tu,  jou,  joi; 

ame,  tume,  Jone. 

Singular 


Nom. 

me  ich 

tu  du.          jou  er         joi 

Gen. 

mdnde 

tüte               Ic'ste 

Dat. 

mdnge. 

tuke.            ieske. 

Plural 

Nom. 

ame  wir 

turne  ihr 

Jone  sie 

Gen. 

amende 

turnende 

lende 

Dat. 

amenge. 

tumenge. 

lenge. 

Beispiele  für  den  Instrumentalis  scheinen  in  folgenden 
Phrasen  vorzuliegen : 

me  ^akirdöm  pe  par indes a  (parind  die  Decke)  ich  bedeckte 
mich  mit  der  Decke. 

me  marriu  dzukie's  kastesa  ich  schlage  den  Hund  mit  dem 
Stock. 

me  mardu  gres  cukndsa  ich  schlage  das  Pferd  mit  der 
Peitsche. 

me  chindu  pusä  chindlesa  (chindlö  die  Sichel)  ich  schneide 
Stroh  mit  der  Sichel. 

me  zamdrau  yja  '  i:)hujdsa  ich  verstopfe  das  Loch 
mit  Erde. 


'    /in  das  Loch,  in  diphthongisch  gesprochen. 


276 


MikloBich. 


Desgleichen:  sösa?  mit  was,  womit?  (Siehe  unten  die 
Sprachprobe.) 

Ablativi  sind  vielleicht:  plmjdtir  aus  der  Erde,  k-/ßrhtir 
aus  der  Hütte,  hengestir  (z.  B.  jou  darei  bengestir  er  fürchtet 
den  Teufel).  Ebenso  kdtir  von  wo?  (Siehe  unten  die  Sprach- 
probe.) 

Einige  Praepositionen  : 

and  in  z.  B.  and  o  ves  im  Walde,  sastir  and  e  pku  das 
Eisen  in  der  Erde,     and  o  kr/er  in  der  Hütte. 

'po  auf  z.  B.  e  stadyk  po  serö  die  Mütze  auf  dem  Kopfe. 
tirdy^  po  heroi  der  Stiefel  am  Fusse.  po  phu  auf  der  Erde,  auf 
die  Erde,     po  kr/ er  auf  der  Hütte. 

palö  hinter  z.  B.  paiö  ves  hinter  dem   Walde. 

tele  unter  z.  B.  tele  heroi  unter  dem  Fusse. 

ke  zu  z.  ß.  me  dzavdu  ke.tu,  ke  jou,  k'  ame  ich  komme 
zu  dir^  zu  ihm,  zu  uns. 

mdskiro  zwischen  z.  B.  mdskiro  ves  o  kyer  zwischen  dem 
Walde  und  der  Hütte. 

C.  Conjugationstabelle. 
Praesens. 


S 

i  n  g  u  1  a  r 

1.  Person 

2.  Person 

3.  Person 

1. 

ich 

gehe  me  dzau 

tu  dzas 

jou,  joi  dzai 

2. 

ich 

sehe  me  dihydu 

tu  dikyjs 

jou,  joi  dikyet 

3. 

ich 

gebe  me  dau 

tu  des 

jou,  joi  del 

4. 

ich 

esse  me  yau 

tu  yas 

jou,  joi  yal 

5. 

ich 

grabe  me  kerdu 

tu  keres 

jou,  joi  kerel 

6. 

ich 

kaufe  me  kinan 

tu  kines 

jou,  joi  kinel 

7. 

ich 

liebe  me  kamdu 

tu  kame's 

jou,  joi  kämet 

8. 

ich 

stehe  me  tardovdu 

tu  tardös 
Plural 

jou,  joi  tardöl 

1.  Person 

2.  Person 

3.  Person 

1. 

wir 

gehen  ame  dzas 

tume  dzan 

Jone  dzan 

2. 

wir 

sehen  ame  dikyds 

tume  dikr/en 

Jone  dikyen 

3. 

wir 

geben  ame  das 

turne  den 

Jone  den 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarteu.  IV. 


277 


4.  wir  essen  ame  yas 

5.  wir  graben  ame  kerds 

6.  wir  kaufen  ame  kinds 

7.  wir  lieben  ame  kamds 

8.  wir  stehen  ame  tardovds 


turne  yan 
turne  keren 
turne  kinen 
turne  kamen 
turne  tardön 


Jone  yan 
Jone  keren 
Jone  kinen 
jotie  kamen 
Jone  tardön 


Praeteritum. 


Singular 


1.  Person 

2.  Person 

3.  Person 

1. 

ich  g-ieng  me  gajöm 

gajdn 

gajd 

2. 

ich  sah  me  diksöm 

dikMn 

diksd 

3. 

ich  gab  me  dijöm 

dijdn 

dijd 

4. 

ich  ass  me  yajöm 

yajdn 

yajd 

5. 

ich  grub  me  kerdöm 

kerddn 

kerdd 

6. 

ich  kaufte  me  kindöm 

kinddn 

kindd 

7. 

ich  liebte  me  kamjöm 

kamjdn 

kamjd 

8. 

ich  stand  me  tardöm 

tardö  (?) 

tardö  (?) 

Plural 


1.  Person 

2.  Person 

3.  Person 

1. 

wir 

gi engen  gajdm 

gene 

gene 

2. 

wir 

sahen  diksdm 

dikne 

dikne 

3. 

wir 

gaben  dijdm 

dine 

dine 

4. 

wir 

assen  yßjd  (?) 

yane 

yane 

5. 

wir 

gruben  kerddm 

kerde 

kerde 

6. 

wir 

kauften  kinddm 

kindle 

(?) 

Undle  (?) 

7. 

wir 

liebten  kamjdm 

kamne 

kamne 

8. 

wir 

standen  tarde  (?) 

tarde 

(?) 

tarde  (?) 

Zu  folgenden  zwei  Praeterita  ist  das  Praesens  nicht  auf- 
gezeichnet worden  (das  Futurum  siehe  unten): 


1.  Person 


Singular 

2.  Person 


9.  ich  starb  mejöm  mejen 

10.  ich  gieng  fort  itgajöm         ugajdn 


3.  Person 

mejd 
ugajd 


278 


Mikl  osich. 


Plural 


1.  Person 


9.  wir  starben  mejem 
10.  wir  giengen   fort  ugajäm 

Futur 


2.  Person 

mene 
ugane 


um. 


Singular 


1.  Person 


2.  Person 


1.  ich 

2.  ich 

3.  ich 

4.  ich 

5.  ich 

6.  ich 

7.  ich 

8.  ich 

9.  ich 
10.  ich 


werde  gehen  dzciva  dzdsa 

werde  sehen  dlkr/äva  dih/ßsa 

werde  geben  ddva  desa 

werde  essen  ydva  ydsa 

werde  graben  kerdva  keresa 

werde  kaufen  kindva  kinesa 

werde  lieben :  nicht  aufgezeichnet, 
werde  stehen  tardovdsa  (?)  tardesa 
werde  sterben  merdva  meresa 

werde  fortgehen  udzdva        udzdsa 

Plural 


3.  Person 

mene 
ugane 


3.  Person 

dzdlla 

dik'/ella 

d&tla 

ydlla 

keretta 

kinella 

tardölla 
merla  (sie!) 
udzdlla 


1.  Person 

2.  Person 

3.  Person 

1. 

wir 

werden 

gehen  dzdsa 

dzdna 

dzdna 

2. 

wir 

werden 

sehen  dikydsa 

dikyjna 

dikyjna 

3. 

wir 

werden 

geben  ddsa 

dma 

dma 

4. 

wir 

werden 

essen  ydsa 

ydna 

ydna 

5. 

wir 

werden 

graben  kerdsa 

kerena 

kerena 

6. 

wir 

werden 

kaufen  kindsa 

kinena 

kinena 

7. 

wir 

werden 

lieben :  nicht  aufgezeichnet. 

8. 

wir 

werden 

stehen  tardovdsa 

tardöna 

tardöna 

9. 

wir 

werden 

sterben  merdsa 

merna 

merna 

10. 

wir 

werden 

fortgehen  udzdsa 

udzdna 

udzdna 

Einige  Imperativi:  sieh!  dikpe  (dikpe  po  mdnde  sieh 
auf  mich);  seht!  dikyjiqye;  kaufe!  dza  kin  (wörtlich:  gehe 
kaufen !  nach  der  Erklärung  der  Zigeuner) ;  kauft !  dzan  kinen 
(wörtlich  :  geht  kaufen !)  ;  iss  !  ya  ;  esst !  yan  ;  gieb  !  de ; 
geh !  dza. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeanermundartcn.  IV.  279 

D.  Sprachprobe. 

I. 

Me  avjd  and  o    gau;    and  o     gau  dzuven  hut  gadze ;  odold 
Ich    kam      in    das  Dorf;      in  dem  Dorfe    leben    viele  Bauern;    diese 

gadze    dryvdn     corore ;     sarende       jek       hakri;       kyeru     tijkne. 
Bauern       sehr  arm;        alle  haben  (je)  ein       Schaf;      die  Hütten  klein. 

Gadze       e     phu  pay^ynen,    maro    and    o    föro    hiknm ,    otden 
Die  Bauern   die    Erde     pflügen,     das  Brod     in     die    Stadt    verkaufen,  zahlen 

hare  oddngire. 
viele     Abgaben. 

II- 

Odovd         rom,'        leste   nane     ni      dai     ni    dad;  jou  na 
Hier  ist  ein  Zigeuner;  er  hat  nicht  weder  Mutter  noch  Vater;  er  nicht 

dzinel ,     kiel       ieske      hersd ,     köli     jou     bianddpe.      You   devles 
weiss,      wieviel  ihm  (sind)  Jahre,      wann       er       geboren  ist.       Er    zu  Gott 

mangeiape ,     dar  et     hengestir.      Kate     jakhd   leste,     kalö      mui. 
betet,       den  Teufel  fürchtet.      Schwarze  Augen    hat  er,  dunkles  Gesicht. 

Kdtir  jou        ävjd  f  Sösa  jou     saieipe  ?        You    karel     posiida, 

Von  wo  er  ist  gekommen?  Womit  er  sich  beschäftigt?  Er  verbessert  Geschirr, 

karel  gren. 
heilt  Pferde. 

,Der  Stock  des  Sohnes^  heisst:  käst  e  chaveskiro.  ,Die 
Tochter  der  Mutter'  heisst:  e  chai  e  ddkiri. 

Zum  Schlüsse  glaube  ich  versichern  zu  können^  dass  die 
Wiedergabe  der  Laute  durch  die  am  Anfange  genannten  Zeichen 
genau  und  richtig  ist.  Die  grosse  Mehrzahl  der  Wörter  habe 
ich  mir  drei-  ja  viermal  vorsprechen  lassen,  und  zwar  von 
mehreren  Zigeunern.  Diejenigen  Worte,  deren  Wortlaut  mir 
nicht  deutlich  hörbar  wurde,  habe  ich  mit  einem  Fragezeichen 
versehen.  Irgend  welche  Änderungen  an  zweifelhaften  Formen, 
etwa  auf  Grund  anderer,  ihnen  entsprechender  und  genau  auf- 
gezeichneter Formen,  habe  ich  mir  nicht  erlaubt,  obwohl  dies 
in  manchen  Fällen  möglich  und  gerechtfertigt  schien.  Endlich 
muss  ich  noch  mein  Bedauern  aussprechen,  dass  jene  Zigeuuer- 
bande,  trotz  des  Versprechens  reicher  Geldgeschenke  meiner- 
seits,   nicht    wieder    in    die  Gegend    zurückkehrte,    in    der    ich 


280 


Miklos  ich. 


mich  aufhielt,  obwohl  sie  versprochen  hatte  nach  Verlauf  von 
sechs  Wochen  wiederzukehren.  Ich  hörte  von  den  Leuten 
nichts  mehr.  Zwei  Monate  nach  unserem  Zusammentreffen 
riefen  mich  die  Verhältnisse  aus  jener  Geg-end  ab. 


g)  Zigeunerisches  aus  Sibirien. 

Mitgeteilt  von  Herrn  Dr.  Otto  Duhraberg,   Staatsrat,     Medicinal- 
iüspector  zu  Barnaul   (Gouvernement  Tomsk). 


Wörter  der  Zigeunersprache  (Gouvernement  Tomsk). 


Gott  daioal. 
Himmel  holihd. 
Sonne  cliam. 
Mond  tschon. 
Wolke  jari. 
Reg-en  hrischin. 
Donner  grömo. 
Blitz  hlisskawiza. 
Stern  tjerclianjä. 
Baum  käst. 
Pferd  grai. 
Kuh  gurumi. 
Lamm  hakro. 
Hund  dschukal. 
Esel  bremintsch. 
Vater  dad. 
Mutter  dai. 
Sohn   tscliao. 
Tochter  tschai. 
Enkel  kari. 
Enkelin  chamrimintscli. 
Kopf  schar 0. 
Brust  kolyn. 
Hand    |   wast. 
Finger  j   wasta. 
Fuss  häroi. 
Kücken  dumo. 


Aug-e  jakcha. 
Nase  nak. 
Messer  tschuri. 
Mund  mul. 
Zung'e  tschih. 
Zähne  danda. 
Kinnbart  hroda. 
Mensch  (Sohn)  tschalo. 
Rock  (loÖKa)  jendaraka. 
Kopftuch  d(bi)klo. 
Perlen  mirikld. 
Erde  pfu. 
Sand  pjassku. 
Gras  tschar. 
Schwein  halitschjö. 
Wagen   urdon. 
Krankheit  nasswalo. 
Lachen  ssalpe. 
Weinen  terowess. 
Essen  cha. 
Trinken  tejyjan. 
Brod  maro. 
Wasser  panji. 
Wein  hrawinta. 
Stein  bar. 
Tag  d(bi)bess. 
Nacht  rad,  rat. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermuiidarten.   IV.  281 


Milch  tfud, 
Ohrgehänge  tjenjä. 
Ohr  hayioro. 


Haar  hole. 
Ring-  janggrusts. 


h)  Zigeunerisches  aus  Armenien. 

Die  nachfolgenden  Notizen  über  die  Zigeuner  in  Armenien, 
Pösa,  Bösa  (Pösa  heissen  auch  die  Zigeuner  Kleinasiens,  wofür 
die  Georgier  Bosa  sprechen  Paspati  443),  sind  einem  1864  in 
Venedig  in  armenischer  Sprache  erschienenen  Werke  entlehnt : 
, Topographisches  über  Klein-  und  Gross-Armenien  von  Nerses 
Sarkisian'.  Sie  stehen  auf  Seite  81.  82.  Die  Schrift  stammt 
nach  der  Vorrede  und  dem  Datum  der  Karte  des  Gebietes 
von  Karn  (Arzrum)  aus  dem  Jahre  1846.  Ich  verdanke  ihre 
Kenntniss  zunächst  Herrn  Dr.  J.  Sigg  in  St.  Petersburg: 
Herr  S.  Derwischian,  Mitglied  der  hiesigen  Mechitharisten- 
Congregation,  unterstützte  mich  bei  der  Arbeit.  ,Uber  Ab- 
stammung und  Herkunft  der  Pösa,  deren  es  im  Lande  Karn 
(Arzrum)  nicht  wenige  gibt,  kann  ich  nichts  sicheres  sagen ; 
sie  selbst  wissen  auch  nichts  bestimmtes  über  ihre  Vorfahren ; 
es  ist  ihnen  unbekannt,  wessen  Nachkommen  sie  sind  und 
aus  welchem  Lande  sie  eingewandert.  Die  Überlieferung  der 
Türken,  welche  aus  Ähnlichkeiten  glauben  Schlüsse  ziehen  zu 
können,  hält  sie  für  Stammgenossen  der  gewöhnlich  sogenannten 
Cingiane:  diese  bezeichnen  sie  als  Überreste  des  aegyptischen 
Volkes,  indem  sie  erzählen,  die  Cingiane  seien  vor  undenklicher 
Zeit  aus  Aegypten  eingewandert.  Von  den  Pösa  bekennt  sich 
die  eine  Hälfte  zum  Christenthum,  die  andere  zum  Islam. 
Wenn  auch  die  Wahrheit  jener  Ansicht  nicht  verbürgt  werden 
kann,  so  ist  doch  so  viel  gewiss,  dass  die  Lebensweise  der  Pösa 
mit  der  der  Cingiane  vollkommen  übereinstimmt.  Wie  diese, 
wandern  auch  jene  von  Dorf  zu  Dorf,  fester  Wohnstätten  ent- 
behrend ;  dieselben  Gewerbe  betreibend  begnügen  sie  sich  mit 
wenigem.  Die  Bezeichnung  Pösa  halten  sie  für  einen  Schimpf. 
Indessen  sind  die  Pösa  nicht  so  wild  wie  die  Cingiane ;  sie 
sind  sich  der  Religion,  zu  dei-  sie  sich  bekennen,  nicht  so 
unbewusst  und  sind  durch  das  Christenthum  milder  geworden. 
Sie  lieben  den  Müssiggang,    sind    furchtsam,    und  entschliessen 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  II.  Htt.  19 


282 


Mi  klosich. 


sich  nicht  leicht  sich  einer  unbekannten  Sache  zu  nähern.  Die 
meisten  von  ihnen  sind  gottesfürchtig-,  besuchen  die  Kirche, 
empfang-en  die  Sacramente,  und  unterscheiden  sich  hierin  nicht 
viel  von  den  armenischen  Christen.  Von  diesen  g-ehasst  können 
sie  sich  mit  ihnen  nicht  durch  Ehen  vermischen :  kein  Armenier 
wird  einem  Pösa  seine  Tochter  zur  Frau  geben  oder  den 
Sohn  eines  Pösa  in  sein  Haus  aufnehmen.  Indem  ich  die 
Sprache  der  Pösa  von  einem  von  ihnen  hörte,  glaubte  ich  darin 
eine  der  alten  Sprachen  zu  finden,  und  hielt  sie  einiger  Prüfung 
für  wert.  Nach  ihrer  Ansicht  ist  sie  von  ihnen  selbst  erfunden; 
sie  wird  von  ihnen  angewandt,  so  oft  sie  etwas  heimlich  zu 
sagen  wünschen.  Sie  ist  sehr  arm  und  mit  armenischen  Worten 
gemischt.  Ich  glaube  den  wissbegierigen  einen  Dienst  zu  er- 
weisen, wenn  ich  ihnen  von  dieser  Sprache  auch  nur  weniges 
mittheile,  nämlich  einige  Worte,  in  denen  man  eine  nicht  geringe 
Ähnlichkeit  mit  indogermanischen  Sprachen  finden  wird.' 


maniis  Mensch. 
sisorow  Krone,  Häuptling. 
orow  Fürst,  Pascha. 
sis  Kopf. 
5  aJci  Auge. 
la7iJc  Nase. 
muh  Mund. 
konc  (kong)  Bart. 
ad  (at)  Hand. 
10  paio  (baw)  Fuss. 
pere  (bere)  Herz. 
manc  (mang)  Mitte,  Taille. 
-/ari  Esel. 
Ttöri  Pferd, 
15  körwawtik  (-diH)  Pferde,  collec- 

tiv. 
yaricawtik  (-dik)    Esel,    collec- 

tiv. 
lewal  Gott. 
tresul   (dresul)   ecclesia,    eccle- 

siasticus. 
nahlaic  Feuer. 


t'enaiv  Boden. 

t'uli  Erde  (pulvis). 

ivai'  Stein. 

kahr  (gahr)  Holz. 

bani  (pa7ii)   Wasser. 

malaw  Brot. 

yafelu  esca. 

ankor  Nuss. 

ansew  Apfel. 

anlö  Ei. 

bandri  (jpantri)  Henne. 

araiü  Mehl. 

gilm  (kihu)  Weizen. 

caw  Gerste. 

klar  (glar)  Käse. 

kel  Öl, 

o  ' 

yaliw  Fleisch. 
manijaw  (mancaio)  Fisch. 
lavawlS  Brennstofif. 
cahri  (galiri)   Sieb. 
curi  Messer. 
gar  (kar)  Haus. 


2( 


3( 


3i 


40 


Beiträge  znr  Kenntniss  der  ZigenDermnndarten.  IV. 


283 


har  (par)  Thür. 

nakaic  fnagaiv)  Dachfenster. 

baicJcas     (jyaicgaS)     Fussdecke, 
Schuh. 
4ü  baris  fjparis)  Kleidung-. 

sis^/ol  Kopfdecke,  Hut. 

yaricaw  Geld,  Münze. 

UM  Dorf. 

Reraw  Stadt. 
50  sutaf  (sudaf)   Schlaf. 

söl  Ruf. 

les  Leben. 

kam  (gam)  Ding,  Geschäft. 

samel  gut. 
55  ak  eins. 

lui  (lovi)  zwei. 

las  zehn. 

pamnis  (bamnis)  hundert. 

hew  dieses. 
60  hewak  (hewag)  diese  Seite. 

hawi  wieder. 

barbar    fjmrjyar)    wider,    trotz. 

ke';tuk  fge';dukj  wie  viel. 

pasfan  fbasdan)  mit,  zusammen. 
65  kattl  (gadel)  Russ  oder  Tinte. 


70 


75 


yaCel  essen. 
piel  (biel)  trinken. 
ciel  gehen. 

samlikarel  f-garel)  bauen. 
sölikarel  f-garel)  sprechen. 
banel  (panel)  sagen. 
senJcel  verstehen. 
lekel  sehen. 

mankel  (mangel)  wollen. 
parel  anziehen. 
nkalel  (ngalel)  entblössen. 
wesel  sitzen. 
nklel  (nglel)  ausgehen. 
awel  kommen. 
nasuhel  fliehen. 
wgalel  (ivcalel)  schicken. 
cujel  (cucel)  streiten. 
barbarutluil  (parpaudlivil)  wid  er- 
stehen. 
kurel  (gurelj  schlagen. 
markarel  (margarel)  tödten.        85 
midil  sterben. 

mancuhil  (nianguMl)  bleiben. 
pavt'el  (bant'el)  binden. 
iiMel  öffnen,  lösen. 


80 


19* 


284  Miklosich, 


Anliaug. 


I.  Berichtigungen  und  Ergänzungen  zu  ,Über  die  Mundarten 

und  die  Wanderungen  der  Zigeuner  Europa's'  VII.  und  VIIT. 

XXVI.  und  XXVII.  Band  der  Denkschriften. 

Von  Herrn  Prof.   Dr.  Friedrich  Müller. 

ahor:  hör  verg-l.  man  mit  npers.  bär,  aind.  vära.  a<S: 
acöh  aus  aska,  as-ska:  vergl.  griecb.  sV/.ov,  eay.s.  akhar:  viel- 
leicht all  kar  acli !  machen,  asjav:  das  hind.  äsijä  ist  dem 
pars,  entlehnt:  auch  äsijäv.  astar :  verg-l.  aind.  stä-  stena.  g-ot. 
stilan.  griech.  cxspsTv.  hakro:  kurd.  berkli  gehört  nicht  hieher, 
dieses  ist  pehlewi  varak.  haravalo:  aind.  balavant  stark,  brek  : 
vergl.  npers.  bar.  brek  =  barak.  hurli:  aind.  bhramara.  sindh. 
bhaüru.  cikat:  armen,  cakat.  curi:  kurd.  sür,  sjür  gehört  nicht 
hieher.  dikh:  drks,  Abkürzung  von  didrks  (desiderat.  von  drs), 
d'milo :  npers.  dewänah,  diwänah,  ,vom  bösem  Geiste (dew  —  abaktr. 
daeva)  besessen',  dzoro:  armen,  dzori.  dzov:  npers.  dzaw.  gono: 
aind.  gonl.  chanduk:  arab.  chandaq  ist  dem  pers.  entlehnt:  von 
khan  graben.  cJndaj :  npers.  xndäj.  chut :  avg.  chatal  gehört  nicht 
hieher.  kar:  kurd.  qir.  kiri.  avg.  Yönr  gehören  nicht  hieher. 
kher:  npers.  khar.  abaktr.  khara.  khil :  aind.  ghrta,  heutzutage 
ghi.  kiri:  aind.  kita  Wurm,  Insect.  kjustyk:  npers.  kusti,  kusti. 
pehlewi  küstik,  syrisch  (aus  dem  pehlewi)  küstiqä.  lang: 
npers.  lang,  lim:  vergl.  griech.  Xr^\).r^.  lisdra:  npers.  larzldan. 
lovo  :  aind.  löpa  ^Abschnitt^  mur :  aind.  mrd.  nand:  mit 
uand  , erfreut  werden' =  , sich  gütlich  tun'  verquickt?  parvar: 
npers.  parvardan.  ]mso:  apers.  pasa.  npers.  pas  usw.  ist  aind. 
pasöät.  pata:  armen,  patvast  ^Verbindung,  Aubindung'=  abaktr. 
*paiti-basti  von  paiti  -j-  hiiw i\.  plmhaj :  osset.  phätkuj  ?  phutr : 
armen,  patafel.  pirjav:  aind.  pri  lieben,  postin:  npers.  pöst.  res: 
npers.  rasidan.  apers.  ras.  ruv:  vergl.  npers.  rubäh  Fuchs,  sano: 
päll  sanna  zweifelhaft,  sila:  vergl.  aind.  äila  Gewohnheit,  Cha- 
rakter, sir:  aus  dem  npers.  sir.  sirimi:  npers.  carm.  aind. 
öarman  Haut,  Leder?  sach:  \n\\'i  usw.  ist  zu  streichen,  saj : 
wohl  aind.  sakjam.  sasto:  sasto  =  aind.  svastha.  sasto-sasta: 
beide  mit  einander  verquickt?  suSo :  aind.  suöi.  siikar :  subh 
schön    sein   ist  zu  streichen,  dagegen  aind.  sukra  hinzuzufügen. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermnndarten.  IV.  285 

tang :  npers.  tang^  ,enge^  mit  tanuk  ,fein,  dünn'  zusammen- 
gefallen, te:  armen,  ethe.  trad:  aind.  trd :  trnadmi.  umblav  : 
aind.  ava-lamb  hangen. 

Anmerkung.  Über  ac  vergleiche  man  G.  I.  Ascoli,  Studj 
critici.  Roma.  Torino.  Firenze.  II.  1877.  Seite  352.  Ich  füge 
zu  VII.  und  VIII.  noch  folgendes  hinzu :  cfpa  Leder^  Haut 
findet  sich  aslov.  cipa  und  mgriech,  -U-x  membrana,  pellicula, 
vena:  vergl.  nsl.  cipa  arteria.  chev  f.,  pl.  chevjä,  Loch  hängt 
vielleicht  irgendwie  mit  aind.  kha  Höhle,  Offuung  zusammen: 
V  mag  zwischen  a  und  dem  nun  abgefallenen  Auslaut  des 
Stammes  eingeschaltet  sein,  kin  vb.  kaufen,  von  kri:  dieses 
wird  von  J.  Schmidt  2.  255.  mit  der  w.  kar  in  Verbindung 
gebracht,  die  ved.  krnöti  bildet.  Das  Praesensthema  ist  im  zig. 
allgemeines  Thema  geworden:  aind.  krn  wird  zig.  kin.  lokö 
leicht  habe  ich  mit  aslov.  iBgtkt  usw.  in  Verbindung  gebracht, 
mit  Unrecht,  wie  die  Sprachen  Dardistäns  zeigen :  loko,  lotz 
light  dard.  1.  10.  loko  quick  1.  11.  lokho  quickly  3.  43.  lok  3. 
41.  loko,  loko  3.  45. 


II.   Berichtigungen  zu  , Beiträge  zur  Kenntniss    der  Zigeuner- 
mundarten. III'.     LXXXIV.   Band  der  Sitzungsberichte. 

a)   Von  Herrn  Prof.   Cav.   G.   I.   As  coli.   (Aus  einem  Briefe.) 

Lo  scernere  tra  1'  elemento  giudeesco  e  1'  elemento  zin- 
srarico  del  rotwelsch,  e  in  molti  casi  assai  arduo.  Conoscere 
r  ebraico  al  modo  che  lo  pronunziano  i  dotti  o  gli  ebrei  le- 
vantini  e  italiaui,  non  basta  all'  nopo ;  poiche  si  tratta  di  quella 
particolar  foggia  di  pronunziar  1'  ebraico,  che  e  propria  degli 
ebrei  tedeschi,  ed  e  piü  distante  dall'  altra  che  non  sia  pel 
greco  la  reucliniana  dall'  erasmica,  cosicche  uu  ebreo  italiano 
non  intende,  senza  una  preparazione  particolare,  le  voci  ebraiche 
che  un  ebreo  tedesco  gli  fa  sentire.  lo  mi  sono  un  po' appli- 
cato  a  queste  difFerenze  nella  mia  prima  gioventü,  e  poi  vi 
sono  ritoruato  appunto  in  causa  del  rotwelsch.  Ora  forse  non 
Le  spiace  che  io  ponga  a'  Suoi  servigi  codeste  mie  prerogative 
giudaiche  e  Le  mandi  subito  le  seguenti   noterelle. 

p.  6.  loicen.  Giustameute  Ella  lo  separa  dal  zing.  lovo. 
E  r  ebr.  labdn   (pS)    bianco,     che    in    pionuncia    giudeesca    c 


286  Miklosich. 

appunto  lowen.  ,Bianco'  per  ,(lanaro  d'  arg-ento'.  come  heong 
ecc.  Studj  crit.  I  133.  p.  10.  hosseck.  Dev'  essere  V  ebr.  hazdk 
(pjn)  forte,  robusto,  in  pron.  giud.  hösek.  E  come  dire  ,g'ail- 
lard'  pei"  ^rag-azzo^  p.  11.  kehver.  E  1'  ebr.  qeher  CH^P  qewer) 
sepolcro.  p.  13.  laliaf.  E  sicuramente  1'  ebr.  Idhah  {^tH),  in 
pron.  g'iud.  Idhaf  fiamma.  p.  15.  margolioss  ecc.  Qui  v'  ha,  in 
fondo^  un'  affinita  etimolog-ica  fra  giudeesco  e  zingarico.  Ma 
le  ,marglierite'  veug-ono  sicuramente  al  rotwelsch  pel  canale 
g-iudeesco.  E  il  rabbinico  margalijbt  (ni''75"lÖ),  perle ;  in  pron. 
giud.  margölios.  —  Men  facile  e  decidere  se  kiss  (p.  12,  22) 
sia  la  voce  zing-arica  o  non  piuttosto  1'  ebr.  k~is  (D''3),  mar- 
siipium.  Ma  sara  1'  ebraica.  p.  19.  simen.  E  pronuncia  g-indeesca 
del  rabbinico  simdn  (jÖ'^D)  seg-no,  indizio.  p.  19.  swiivo.  Non 
e  un  errore.  L'  ebr.  ha  sabib  (D'^DD,  smclw)  intorno,  seblhöt 
(niS''2p)  dintorni ;  e  la  pron.  g-iud.  della  seconda  voce  e  swi- 
wos.  p.  20.  tarnecJiol.  Dev'  essere  il  rabbinico  tarnegöl  ('ü'JJ'iri) 
gallo.  Ancora  mi  permetterö  di  notare  un  errore  di  stanipa: 
Zigeunersprachen  p.  6.  per   Gaunersprachen. 


b)  Von  Herrn  Prof.  Dr.  Fr.  Müller. 

1.  buzno:  huzen-mass  Gänsefleisch,  buzen  Gans,  vielleicht 
Ziegenfleisch,  aivsi  ,Gans^  Thiele.  Hebr.  XtllS-  2.  dus,  duss 
Schloss,  diz  Schloss,  Burg-,  npers.  vt>  apers.  didä  , Festung-^, 
ai.  dih,  g-riech.  v.y-.  duss  ,Hängeschloss^,  dusse  Thiele,  dussen 
,schliessen'  los  -  dussen  ,aufschliessen'  ?  3.  chover  Grabstätte. 
Hebr,  12p-  4.  ki7i.  kinjen,  kinjenen  von  hebr.  HOp,  davon 
kinjon  ,Kauf^  =  )^''l^.  5.  Ms  Sack.  Hebr.  D''D-  arab.  ij^^f 
6.  krönen,  kröner;  krönerin  im  Liber  vagatorum.  7.  margo- 
leaus,  margolioss  Perlen  hebr.  ilf^S^IÖ,  Plural  von  KnSjlÖ,  dem 
g-riech.  [xapYapiTt?  entnommen.  %.  piUum  Flachs,  vielleicht  ^jis^m 
hebr.  DTlt?S:  pusom  ,Wolle^  ist  pers.  ^j  9.  simmen  ,Vor- 
bedeutung'  hebr.  ]f2>^ü,  g-riech.  c-^ij-sTov.  10.  svito.  swiwo  , Gegend' 
hebr.  S''2D  , Umgegend,  Umkreist  11.  tarne,  tarnechol  Huhn, 
hebr.  T'IJ^in  ,Hahn',  auch  im  Pehlewi  tarnagoryä.  12.  toven. 
dobrich  ,Tabak'  vielleicht  hebr.  n*"!   D1D  , guter  Dampf? 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeunermundarteu.  IV.  287 


III.    Über    die    indische  Heiraat    der    Zigeuner    und    die   Zeit 
der  Auswanderung  dieses  Volkes  aus  Indien. 

Wenn  auch  anerkannt  werden  muss,  dass  das  zig-ciine- 
rische  eine  indische  Sprache  arischen  Ursprungs  ist  und  dass 
dasselbe  den  sieben  neiiindischen  Idiomen  als  achtes  angereiht 
werden  kann,  so  sind  doch  die  Unterschiede  zwischen  jenen 
sieben  Sprachen  und  dem  zigeunerischen  nicht  zu  übersehen. 
Eine  erschöpfende  Darstellung  dieser  Differenzen  liegt  nicht 
in  meiner  Absicht:  ich  will  nur  einige  Punkte  hervorheben, 
hinsichtlich  welcher  sich  das  zigeunerische  von  dem  Hindi  usw. 
entfernt,  um  sich  einigen  leider  nur  fragmentarisch  bekannten 
Sprachen  und  zugleich  dem  altindischen  zu  nähern.  Diese 
Sprachen  sind  einige  Idiome,  welche  im  Nordwesten  Indiens 
gesprochen  werden  und  für  deren  Kenntniss  wir  den  Herren 
E.  Trumpp  und  G.  W.  Leituer  verpflichtet  sind.  Dem  ersteren 
verdanken  wir  die  Kenutniss  der  Sprache  der  Käfir:  ,0n 
the  language  of  the  so-called  Käfirs  of  the  Indiau  Caucasus', 
abgedruckt  im  Journal  of  the  Royal  asiatic  society  of  Great 
Britain  and  Ireland.  Vol.  XIX.  1—30.  London  1862. 
Vergl.  Zeitschrift  der  deutschen  moi-genläudischen  Gesellschaft. 
Band  XX.  Herr  G.  W.  Leitner  bietet  in  ,Results  of  tour  in 
Dardistan,  Kashmir,  Little  Tibet,  Ladak,  Zanskar  etc.  in  four 
volumes.'  Vol.  I.  part  I — IV.  Labore,  s.  a.  (etwa  1868)  ein  verglei- 
chendes Vocabular  und  Grammatik  der  Dardusprachen  :  Shinä 
(Ghilghiti,  Astori),  Arnyiä,  Khajuna  (das  jedoch  keine  arische 
Sprache  ist)   und  Kaläshamänder. 

A.  Der  erste  der  zu  behandelnden  Punkte  betrifft  die 
Veränderunoren  der  altindischen  Verbindungen  st  und  st  in 
den  mittel-  (päli,  präkrit)  und  neuindischen  Sprachen  einer-  und 
im  zigeunerischen  und  den  oben  erwähnten  Sprachen  der  nord- 
westlichen Gegenden  Indiens  andererseits.  Es  zeigt  sich,  dass  die 
mittel-  und  neuindischen  Sprachen  hinsichtlich  der  genannten 
Lautgruppen  ebenso  ein  ganzes  bilden,  wie  das  zigeunerische 
mit  der  Käfirsprache  und  den  Dardudialekten  zusammengehört, 
indem  diese  Sprachen  der  altindischen  Regel  in  sehr  vielen 
Fällen  treu  bleiben.  In  der  ersten  Sprachgruppe  wird  st  zu  th, 
st  zu  th:  die  Mittelglieder  sind  ht  uud   ht  Ascoli,  Studj  2.  312. 


288  Miklosich. 

In  der  zweiten  Gruppe  erhalten  sich  inlautend  st  und  st  in 
den  meisten  Fällen.  Es  werden  nun  vor  allem  I.  die  Fälle  st 
a)  im  In-,  Aus-  und  h)  im  Anlaute^  dann  IL  die  Fälle  st 
behandelt,  und  auch  jene  Worte  aufgenommen,  die  nur  in 
einer  Sprache  die  in  Rede  stehende  Verbindung-  kennen. 

I.  a)  asti  es  gibt  asiat.  masi  astil  gibt  es  Fleisch?  aind. 
asti  est.  päli  atthi  usw. 

prast  vb.  laufen:  aind.  pra-sthä  med.  sich  erheben^  auf- 
brechen Asc.  314.  Vergl,  dard.  prashtö  de.  patitshä  de  stamp 
1.  16.  Mit  der  w.  sthä  hängt  vielleicht  auch  astar  ergreifen 
zusammen. 

sastir,  sastri  m.  griech.  Eisen,  bessar.  IL  sastr.  aind. 
sastra  telum  Asc.  313. 

sastö,  sastö  adj.  griech.  gesund,  aind.  sasta  gepriesen, 
gut,  faustus  Asc.  313. 

vast  m.  griech.  Hand  Asc.  313.  aind.  hasta.  päli  hattha. 
präkr.  hatthö.  sindh.  hathu  Tr.  XLIV.  bind.  gug.  häth  usw. 
Beames  1.  313.  Dagegen  hustani  käf.  Lassen,  Alterthumskunde 
1.  522.  hast  dard.  1.  36.  host,  host  1.  3.  36.  Für  aind.  hastin. 
päli.  präkr.  hatthi.  bind,  häthi  usw.  Beames  1.  313.  dard. 
hästo  Elefant  1.  3.  hostev  dönn  Elfenbein  3.  20.  ustim  im 
kühistänl  käf.  2Q.  Doch  auch  hätt,  hatt,  hat  1.  3.  36;  3.  10. 
44:  hustam  und  ustim  sind  wohl  manus  mea  käf.  13:  ustim 
mj  lip. 

Man  beachte  kühistäni  näst  Nase  käf.  26.  neben  dard. 
äti,  äti,  ati  Knochen  1.  1;  3.  9.  für  aind.  asthi.  Im  zig. 
histrdva  ich  vergesse  ist  t  eingeschaltet:  aind.  vismarati.  päli 
vissarati.    Zig.  grast  Pferd  ist  armenischen  Ursprungs. 

h)  Im  Anlaut  duldet  auch  das  zig.  und  die  ganze  zweite 
Gruppe  kein  st:  der  Anlaut  s  fällt  ab. 

tlian  zig.  Ort  karp.  Bettzeug,  aind.  sthäna.  präkr.  thäna. 
sindh.  thänu  Tr.  XX.  Dagegen  asiat.  stümi  ich  bin,  eig.  ich 
stehe,  syr.,  womit  europ.  stdva  ich  stehe  auf,  ste  pre  stehe  auf 
und  astd  stehe  zu  vergleichen  Ascoli  314:  span.  stano  Ort, 
stano  in  hengistdno  Hölle  ist  slav.  Ursprungs. 

thav  zig.  Faden,  Gewebe,  Spinnerei,  scheint  auf  dem  aind. 
sthäman  zu  beruhen,  das  allerdings  nicht  die  Bedeutung  des 
griech.  srr^i^/ov  hat. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  Zigeuneimnndarten.  IV.  2c9 

thulö  adj.  dick,  cidö  russ.  aind.  sthüla,  sthüra.  päli  thülo. 
(lai-d.  tüla,  tullo,  tul  fat  1.   IL 

tliim  dard,  3.  4.  wooden  pillar  ist  aind.  sthüna  Pfosten, 
Pfeiler,   Säule. 

Befremdend  ist  stlavi  asiat.  stari  eng],  neben  span.  astra. 
taripe  für  aind.  tärä.  sindhi  tärö.  abaktr.  stäre.  griech.  asiv;?. 
dard.  strija  Weib  1.  37.  isterkum  Frau  Lassen,  Altertums- 
kunde L  522.  aind.  stri.  präkr.  itthi  usw.  Beames  1.  313. 
Neben  stadik  besteht  sadik  Hut,  griech.  axiäoi. 

IL  amjüM  i.  griech.  angustöj,  sn(/Ms^d  m.  Daumen  Asc.  313. 
aind.  angustha  m.,  das  wie  afiguli  mit  anga  Glied  zusammen- 
hängt, sindh.  änüthö.  dard.  3.  10.  angüt  pollex.  pers.  angust, 
daraus  bind,  angust;  pers.  angustar  :  zig.  angustri,  asiat.  engus- 
teri,  dard.  1.  5.  pulungusht,  angushter  Ring  sind  entlehnt. 

hestö  neben  hesU  partic.  praet.  von  hes.  sindh.  vethö  sitzend 
Tr.  279. 

käst  m.  Holz  Asc.  313.  aind.  kästha.  präkr.  kätthö. 
bind.  käth.  bang.  käth.  Auch  dard.  kate  wood  L   7. 

kmtö  beschimpft  partic.  praet.  von  kus.  aind.  krusta. 

mistö  adj.  griech.  gut.  aind.  mista  schmackhaft,  sindh. 
mitho  süss  Tr.  XLIL  käf.  maista  gut  9.  dard.  mishto  1.  10;  3,  ß. 

naHö  neben  naslö  partic.  praet.  von  nas  fortgehen  Asc.  313. 
aind.  nasta  von  nas. 

pilsto  m.  Rücken  asiat.  aus  pusto  Pa.  638.  Asc.  313. 
aind.  prstha.  päli  pittha.  präkr.  putthi.  sindh.  puthe.  bind, 
pith  usw.  Beames  1.  315.  kurd.  pist.  dard.  pishto  behind 
neben  pattu,  pato   1.   12.  pito  back  3.  51.    pri.sti  back  käf.  22. 

rustö  ml.  166.  partic.  praet.  von  rus  zürnen  Asc.  313. 
Aind.   rusta  von  rus,  rus. 

usti  partic.  ustdo  aufstehen  ist  aind.  ud  sthä  (uttisthati). 
Andere  Formen  sind  uchti,  partic.  uclitilo,  aufspringen  ;  uftjäva, 
ufkjdva,  uchkjdva,  partic.  uchkinö;  tifcdva,  partic.  ufcinö  594.  612. 
span.  ustilar  "alzar  Camp,  ostinar.  sindh.  uthanu  Tr.  257.  bind, 
uthuä.  Vergl.  Beames  1.  230.  dard.  i'ishti  awake  1.  18.  üshti 
get  up  1.  16.  ushti  2.  5.  Daneben  utsho  run  1.  17.  utiar  awake 
1.  18.  utho  get  up  1.  16. 

vuH,  ust,  US  m.  griech.  Lippe  Asc.  313.  aind.  ustha. 
päli  ottha.  bind.  hoth.  gug.  hüth.  ustam  Lassen,  Alterthums- 
kunde    1.    522.    wohl    , meine  Lippe':    vergl.    käf.     13.     us{im. 


290  Miklosich. 

kaf.  ust  8.   14.  24.    rlard.  üsht    1.  4.   üslit   1.  5.     Daneben  onti 
1.  4.  öto  3.  9. 

Paista,  das  dunkel  ist,  scheint  ,hinaus,  draussen'  zu 
bedeuten  käf.  22.  Man  merke  dard.  prusht  good  2.. 2.  und  das 
abweichende  dard.  unth,  üth  Kameel  1.  2.  für  aind.  ustra.  In 
saströ  neben  sasrö  für  sasro  Schwiegervater  ist  t  eingeschaltet: 
svasura  aus  svasura.  star,  istdr  vier  ist  aus  ctar  entstanden : 
aind.  catvär.  päli.  präkr.  cattäro. 

B.  Der  zweite  Punkt  betrifft  die  altindische  Lautverbindung- 
r  mit  vorhergehendem  Consonanten :  diese  wird  im  mittel-  und 
neuindischen  dadurch  gemieden,  dass  r  ausfällt  oder  versetzt 
wird:  aind.  bhrätä  wird  bind,  bhäi ,  aind.  prastara-  präkr. 
patthara,  aind.  pragana-  bind,  parganä  oder  paraganä  usw. 
Beames  1.  320.  Dies  ist  im  zig.  und  in  den  Sprachen  des 
Nordwestens  von  Indien  teilweise  anders.  In  das  Verzeichniss 
sind  auch  die  abweichenden  Formen  aufgenommen. 

drab  m.  zig.   Kraut,    Medicin.    aind.  dravja.     päli  dabba. 

drakli  m.  zig.  Traube,  aind.  dräksä.  sindh.  däkh.  käf. 
dräs  24. 

gav.  m.  zig.  Dorf.  aind.  gräma.  päli  gäma.  dard.  grömm 
Dorf  1.  6.  käf.  gläm  24.  Hier  weicht  das  zig.  ab. 

muter  m.  zig.  Urin.  aind.   mutra.  päli  mutta. 

(ypre  zig.  hinauf,  oben :  aind.  upaii.  Vergl.  dard.  uprai 
lift  it  2.  2. 

fari  in  pariker  zig.  danken,  grüssen  .•  parikerdva,  pari- 
kerdö.  aind.  pratikar.  Zig.  pari  ist  wohl  aus  pati  entstanden: 
päli  pati. 

patr,  patri,  patrin  f.  zig.  griech.  Blatt:  aind.  patra.  päli 
patta  n.    bind,  pät,    patä,  patti.     Auch  dard.  patu,  pattu  1.  4. 

phral  m.zig.  Bruder,  aind.  bhrätar.  bind.  bhäi.  käf.  blä  23. 

pirjav,  pir  zig.  verführen,  huren,  pirdva,  pirjavdva.  aind. 
prija.  päli  pijo  lieb. 

rat  f.  zig.  Nacht:  aind.  rätri.  päli  ratti.  präkr.  ratti, 
rät!,    rätji  Tr.  XLVIII.    sindh.  rate  Tr.  XXXVIII.    bind.  rät. 

slgo  adj.  zig.  schnell,  aind.  sighra.  päli  sigha.  sindh. 
sighö.  Tr.  XXXVII.  bind,  sighar. 

tras  vb.  zig.  fürchten,  aind.  tras.  päli  tas.  kurd.  tirs 
Furcht  Rh. :  trasin  schütteln  ist  slav. 


Beiträge  zur  Kenntnies  der  Zigeunermundarten.  IV.  291 

trin  zig-,  drei,  trito  dritter,  aind.  tri  :  neutr.  trini. 
päli  tini.  präkr.  tinni.  sindh.  tre.  bind.  tin.  dard.  tre  (tshe), 
tröy,  tre   1.  7.  käf.  tre  drei,  trlis  dreizehn  14. 

trus ,  turs  f.  zig.  griech.  Durst,  asiat.  türsalü.  aind. 
trsä^  trsnä.  päli.  präkr.  tanhä,  tasinä.  bind,  träs  Durst,  tisnä 
durstig-. 

trusul  zig-.  Kreuz,    span.    trichul.     aind.    trisüla   Dreizack. 

Man  beacbte  dard.  drig-a  lang  1.  10.  gross  2.  5;  käf. 
kre  getan.  19;  dard.  krii  neben  kiri  Wurm  3.  20:  zig.  kiri 
f.  Ameise,  aind.  kita  Wurm^  Insect;  dard.  kriina^,  kino  scbwarz 
1.  11.  aind.  krsna;  dard.  krinn,  kinar  verkaufen  1.  17:  aind. 
kri.  zig.  kin  kaufen:  kindva,  kindö ;  dard.  kromm ,  komm 
Geschäft  3.  45:  aind.  karman ;  dard.  kronn  Ohr.  kronn  kares 
hear  2.  5.  karr^  koron,  könn  1.  2.  konu  3.  9;  dard.  präshi 
Rippen  3.  10:  aind.  pärsva.  zig.  pasavrö;  dard.  prasui,  prasüy 
sleep  1.  16.  17;  2.  5;  käf.  prena  clotb  2.5;  käf.  pris^i  back  22: 
aind.  prsta:  dard.  pröno ,  pranu  alt  1.  11.  aind.  puräna; 
vergl.  zig.  trujdl  um  circa. 

C.  Der  dritte  Punkt  beschäftigt  sich  mit  den  drei  Sibi- 
lanten des  Altindischen,  die  in  der  ersten  Gruppe  durch  das 
eine  s  wiedergegeben  werden,  während  in  der  zweiten  Gruppe 
neben    s    auch    s   existiert,    das    aind.  s  und  s  gegenübersteht. 

I.  Altindisches  s  wird  s.  dard.  ansho,  ashe^,  änsho  Tränen 
3.  9.  47.  Vergl.  aind.  asru.  bind.  mar.  äsü  usw.  Zig.  dsva, 
dspa  pl.  scheint  nicht  zu  asru  zu  gehören. 

ust  acht,  ästais  achtzehn  käf.  14.  dard.  asht,  ätsh  1 .  t . 
aind.  astan. 

bes  zig.  sich  setzen:  hesdva,  bestö  imd  heslö.  aind.  vis: 
upavis  sich  setzen. 

bis  zig-,  zwanzio-.  aind.  vinsati  aus  dvinsati.  käf.  visi  14. 
sindhi  viha. 

des  zig.  zehn.  dard.  dash,  däy  1.  7.  Dagegen  käf.  dös  14. 
aind.   dasa. 

kislo  zig.  mager,     aind.  krsa.     päli  kisa  abgemagert. 

kus  zig.  schimpfen:  kusdva.  päli  patikkosati.  aind.  krus, 
krösati.  krusta. 

nas  zig.  fortgehen :  nasdva,  nasto  und  naslö.  Vergl.  dard. 
nashi  neben  miri  sterben   1.  17. 


292  Miklosich. 

pa^  zig.  Hälfte,  pasavrö  Seite,  paslö  liegend,  pasö  nahe 
beruht  alles  auf  pärsva  Seite,  dard.  präshi  Rippen  3.  10. 
ekpasho  onesided  dard.  3.   14. 

saströ  zig.  Schwiegervater,  sasüj  Schwiegermutter,  aind. 
svasura,  svasrfi  für  svasura^  svasrü.  päli  sasura.  sassü.  hind. 
sasur  usw. 

sach  zig.  Kohl.     aind.  säka.     hind.  sag  greens. 

saj  zig.  es  ist  möglich,     aind.  sakjam. 

sastiv  zig.  Eisen,     aind.  sastra. 

sastö  zig.  gesund,    aind.  sasta  gepriesen,  gut,  faustus. 

sei  zig.  hundert,    dard.  shall   1.  8.    aind.   sata. 

selö  zig.  Strick,     aind.  sulla  Schnur. 

serö  zig.  Kopf.  aind.  siras.  päli  sira.  hind.  sir.  sindhi 
siru.  dard.  shish  1.  3.  käf.  sä  24.  Dagegen  kühistäni  sir 
käf.  26. 

sil  zig.  Kälte,  aind.  sita,  sitala.  Mit  sitala  hängt  wohl 
zig.  Udrö,  mdrö  frisch  und  setralö  erfroren  zusammen,  dard. 
shidalo  kalt   1.   10. 

sing  zig.  Hörn.     aind.  srnga. 

sosöi  zig.  Hase.    aind.  sasa.     dard.  shau,  shoun. 

sucö  zig.  rein,  reinlich,    aind.  suca  strahlend,  blank. 

sukdr  zig.  schön,    aind.  sukra  klar,  licht,  hell. 

sukö  zig.  trocken,  aind.  suska.  päli  sukkha.  hind.  sükhä. 
sindhi  sukö.  dard.  shuko,  shiiko  1.  10;  3.  17.  48.  tshutshö, 
shüshta  1.   10. 

.hdav  zig.  kehren  verrere  :  hdavdva.  aind.  sud  rein  werden  : 
södhajati  er  macht  rein. 

sun  zig.  hören:  sundva,  mndö.  aind.  sru.  hind.  sunnä. 
sindhi  sunanu. 

hmcj  zig.  neben  simg :  sungdva,  sungdva  riechen,  aind. 
singh,   unbelegt,     hind.   sunghnä. 

sut  zig.  sauer,  aind.  sukta. 

suvlö  zig.  angeschwollen,  aind.  svi  schwellen,  süna  an- 
geschwollen, sindhi  sünö. 

truhll  zig.  Kreuz,    aind.  trisüla  Dieizack. 

Abweichend  ist  zig.  sigo  schnell,  das  aind.  Sighra  ent- 
spricht, sigo  ist  vielleicht  aus  einem  anderen  indischen  Dialekte 
aufgenommen. 


Beiträge  zur  Kenntuiss  der  Zigeunermundarten.  IV.  293 

II.  Altindisches  s  bleibt  s.  has  zig-,  schreien :  hamva, 
bastö:  verg-l.  aind.  bhäs.  Päli  bhäs  sprechen.  Für  zig.  b  erwartet 
man  ph. 

bers,  bres  zig-.  Jahr.  aind.  varsa.  päli  vassa.  hind.  baras. 
dard.  barish  3.  5.  Vergl.  brisin. 

brisin  bursin  zig.  Regen,  aind.  varsa,  vrsti.  päli  vassa. 
hind.  barasuä.    sindhi  vasanu.    dard.  bäshik   1.  5. 

dos  zig.   Schuld,     aind.  dösa.  hind.  dös. 

Icus  zig.  schälen:  kuMva,  kustö.  aind.  kuS;,  kusnäti  reissen. 

manüs  zig.  Mensch,     aind.  mänusa,  manusa. 

murs  zig.  junger  Mann.  Vergl.  dard.  mosh  Gatte,  männ- 
lich 1.  4.  mushä  Mann   1.  4;  3.  48.  männlich  3.  6. 

miisö  zig-.  Ratte,  aind.  müsa.  Dagegen  zig.  musi  f.  Arm. 
aind.  müsa.    päli  müsika. 

pis  zig.  mahlen :  insdva,  pislö.  aind.  pis.  hind.  pisnä. 
sindhi  pihanu. 

2yosa  zig.  Zigeuner  Kleinasiens,  aind.  purusa  Mann, 
Mensch,  pl.  Leute,  päli  poriso,  poso.  dard.  pürush  männlich 
1.  4.  purush  Bräutigam   1.  2. 

riis  zig.  böse  werden:  riisäva,  rustö.  dard.  rösh,  rösh  1. 
1.  rösh  3.   11. 

sov  zig.  sechs,    käf.  su  14. 

C.  Altindisch  s  bleibt  s.  as  zig.  lachen:  asciva,  asanu. 
aind.  has. 

dives  zig.  Tag.  aind.  päli  divasa.  präkr.  divaha.  dard. 
des  3.  1.  dies,  des  1.  2. 

isom  zig.  ich  bin.    käf".  ei  sfim   16. 

siv  z\g.  nähen:  sivdva,  sivdö.  aind.  siv.  hind.  sinä.  dard. 
si  1.   17.  usw. 

Ungeachtet  unserer  sehr  fragmentarischen  Kenntniss  der 
Sprachen  der  nordwestlichen  Gegenden  Indiens  sind  die  gemein- 
schaftlichen Merkmahle  dei-selbeu  und  des  zig.  durch  das 
angeführte  nicht  erschöpft:  es  gehören  hielier  noch  folgende 
Punkte : 

1.  Die  aspirierte  tönende  wird  durch  die  aspirierte  ton- 
lose ersetzt:  them  I  will  do  dard.  3.  45.  the  do,  make  3. 
41.45.  pharin:  assa  phkr  ugürako  ne  this  load  is  not  heavy. 
the  ist  mit  zig.  thov,  aind.  dhä,  ^tar  mit  zig.  pharü,  aind. 
bhara,  zu  vergleichen. 


294  M  i  k  1  0  s  i  c  h. 

2.  ro  that  daid.  1.  12.  ro,  ros  he  1.  14.  re  she  1.  15: 
auch  im  zig-,  geht  das  t  des  Pronomen  ta  —  mittelst  l  — 
gelegentlich  in  r  über. 

3.  Die  Postpositiou  des  dat.  lautet  te  wie  im  zig. :  mdte 
mir  dard.  3.  46.  tute  dir  3.  43.  rate  to  rajah  3.  44. 

4.  Das  Suffix  des  I.  sg.  praes.  lautet  m,  das  sich  aller- 
dings im  zig.  nur  selten  erhalten  hat,  regelmässig  in  v  über- 
gegangen ist:  pim  that  I  may  drink  dard.  2.  3.  dem  I  will 
give  3.  43.  kalam  I  do  käf.  18.  zig.  jitjäv  beruht  auf  pijam, 
dav  auf  dam,  kerdv  auf  keram. 

5.  Endlich  ist  anzuführen,  dass  der  Wortschatz  die  sich 
aus  dem  angeführten  ergebenden  nahen  Beziehungen  der 
genannten  Sprachen  zum  zig.  bestätigt.  Im  nachfolgenden 
führe  ich  auch  mehrere  Worte  an,  die  mir  für  das  zig.  irgend- 
wie sonst  von  Bedeutung  scheinen. 

armän  sorrow  dard.  3.  12:  zig.  armdn  ein  Fluch. 

at,  äte  flour  dard.   1.  3:  zig.  vanrö,  arö. 

awwä,  owwa  yes  dard.   1.   12:  zig.  auva,  uva,  va. 

bäro,  baddo  large  dard.  10.  bäro  dädo  paternal  grand 
uncle,  if  older  than  the  grandfather  3.  7.  bärri  ma  maternal 
aunt,  if  she  is  older  than  her  sister,  the  mother  3.  30:  zig. 
barö.    aind.  vadra.    präkr.  vadda  usw. 

batt,  bort  stone  dard.   1.  6:  vergl.  zig.  bar. 

butt,  bödo,  bö  much  dard.  1.  13:  zig.  but.  aind.  bahu. 
bind,  bahut, 

dädo,  dädo  grandpapa.  dadi  grandmama  dard.  3.  6.  7. 
30:  zig.  dad,  daj. 

dorn,  dum  musician  dard.  3.  25:  vergl.  zig.  rom. 

dori  ladle   dard.  3.  4:    vergl.  zig.  roj  Löffel,    bind.   dö'l. 

güm  wheat  dard.  3.  18.  gunh  für  gehun  3.  50:  zig. 
giv^  iv  Getreide. 

herr  ditches  dard.  3.  3:  vergl.  zig.  chaj-  f.  Loch. 

ko  wer  dard.   1.   12:  zig.  koji. 

loko,  lotz  light  dard.  1.  10.  loko  quick  1.  11.  lokho  quickly 
3.  43.  lok  3.  41.  loko,  loko  3.  45:  zig.  loko  leicht,  das  demnach 
nicht  slavisch  ist.  Vergl.  aind.  laghu. 

mo,  mo  wine  dard.   1.  7  ;  3.  41 :  zig.  moL  bind.  mad. 

mue  they  died  dard.  3.  45:  zig.  midö.   sindhi  muü. 


Beiträge  zur  Kenntaiss  der  Zigeunermundarten.  IV.  295 

mükk  face,  inukh  clieeks  dard.  1.  2;  3.  9 :  zig.  muj  Mund, 
Gresicht.    aiud.   päli  mukha. 

ondrak,  hane  egg-  dard.  1.  3.  hanüle  testicles  3.  10: 
zig.   vandö,   vanrö. 

6ni,  are  bring  dard.  1.  18:  vergl.  zig.  mi  bringen:  andva. 
aind.  ä-najämi  ich  bringe  herbei. 

palöi,  palä,  phalä  apple-tree,  apple  dard.  1.  1;  3.  16: 
vergl.  zig.  phahdj. 

pash  wool  dard.   1.   7:  vergl.  zig.  posöm. 

pipi  aunt  3.  6.  30:  zig.  bihi.    bind.  bibl. 

rom  tribe  dard.   1.  6:  vergl.  bind.  dorn.  zig.  vom. 

sän  straight  dard.  1.  10:  zig.  sanö  dünn,  fein  usw.  Bei 
den  mehreren  Bedeutungen  von  straight  ist  die  Zusammen- 
gehörigkeit von  sän  und  sanö  nicht  sicher. 

tchärr  grass  dard.   1.  3:  zig.  cai'. 

tshike  excrement  dard.  3.  10.  tshing  mud  3.  2:  zig. 
cik.  bind.  cik. 

tshiu,  tshinn  ciit  dard.   1.   16.   17:  zig.  ein:  cindva. 

tshiwwi  put  dard.  3.  43:  zig.  civ:  civdva  ziehen,  werfen, 
stellen. 

tshutsho,  tshütshu  breast  dard.  1.  1.  tshutshe  breasts 
3.  10:  zig.  cuci.    aind.  päli  kuca.    bind,  cüncl. 

üsh  debt  dard.  3.  21 :  vergl.  zig.  uzilö  schuldig. 

Wer  nun  einräumt,  dass  das  zigeunerische  mit  duu  in 
den  nordwestlichen  Teilen  Indiens,  im  indischen  Caucasus, 
herrschenden,  namentlich  mit  den  Dardusprachen  ein  ganzes 
bildet,  wird  wohl  geneigt  sein  die  Heimat  der  Zigeuner  im 
Nordwesten  Indiens  zu  suchen,  unter  der  selbstverständlichen 
Voraussetzung,  dass  die  Dardustämme  zur  Zeit  der  Auswan- 
derung der  Zigeuner  ihre  heutigen  Wohnsitze  inne  hatten, 
denn  es  handelt  sich  immer  um  die  Frage  der  Verwandtschaft 
der  Zigeuner  mit  den  übrigen  indischen  Stämmen. 

Wenn  man  sich  bei  der  Vergleichung  des  zigeunerischen 
mit  den  indischen  Sprachen  erster  Gruppe  überzeugt,  dass  das 
zigeunerische  hinsichtlich  seines  Lautstandes  auf  einer  älteren 
Stufe  steht  als  die  genannten  Sprachen  und  dass  es  sich  in 
diesem  Punkte  dem  altindischeu  nähert,  so  ist  man  versucht 
die  Trennung  der  Zigeuner  von  ihren  indischen  Sprachgenossen 
in    eine    sehr    ferne  Vergangenheit   zu    versetzen,    in    die  Zeit, 


296  Miklosich.   beitrüge  zur  Keniitniss  der  Zigeuneniuindurten.  IV. 

WO  z.  B.  die  Gruppe  st  noch  nicht  in  ht,  th  überg-egaug'eü 
war.  Dieser  Versuchung-  wird  man  widerstehen,  wenn  man  bei 
dem  Studium  der  Dardusprachen  wahrnimmt,  dass  dieser  Über- 
gang- nicht  alle  indischen  Sprachen  erg-riffen  hat.  Man  wird 
dann  zugeben^  dass  die  Auswanderung-  nicht  in  irg-end  einer 
sehr  fernen  Vergangenheit  stattgefunden  haben  müsse,  sondern 
sich  spät  hat  vollziehen  können. 

Für  die  Annahme  einer  Wanderung  der  Zigeuner  aus 
Indien  oder  aus  einem  andern  von  indisch  redenden  Menschen 
bewohnten  Lande  in  zwei  von  einander  sehr  weit  abstehenden, 
vielleicht  durch  Jahrtausende  getrennten  Perioden  gibt  es  nicht 
einmahl  einen  Wahrscheinlichkeitsgrund.  ,Dass  erneute  und 
tiefere  Forschung  unter  der  unzweifelhaft  indischen  und  moder- 
nen Oberfläche  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Spuren  eines 
älteren  Standes  der  Sprache,  der  uralte  Wanderungen  aus 
Indien  oder  irgend  einem  anderen  Lande  bewiese ,  ergeben 
würde,  dazu  ist  nach  meiner  Ansicht  keine  Hoffnung  vorhanden. 
Die  Sprachwissenschaft  hat  die  allermeisten  Rätsel  des  Zigeuner- 
idioms gelöst,  und  dieses  Idiom  ist  bis  zum  neunten  Jahr- 
hundert die  einzige  Quelle  unserer  Keuntniss  von  den  Schick- 
salen der  letzten  Ankömmlinge  aus  jenem  Weltteil,  den  wir 
als  die  Wiege  der  europäischen  Menschheit  ansehen.^  Andere 
Ansichten  über  diesen  Gegenstand  sind  niedergelegt  in  Paul 
Bataillard,  Etat  de  la  question  de  l'anciennete  des  Tsiganes 
en  Europe  pour  servir  d'introduction  k  la  question  de  Timpor- 
tation  du  bronze  dans  le  nord  et  l'occident  de  l'Europe  par  les 
Tsiganes.  Paris.  1877. 

Zusatz.  In  I.  h)  \.  wird  mocJioricko  durch  ,von  MolF 
übersetzt:  man  beachte  jedoch  rumun.  mohortt  scharlachfarben. 

Wenn  in  den  Sprachen  des  Nordwesten  Indiens  von  den 
I^autgesetzen  Abweichungen  eintreten,  so  dürfen  die  betreffen- 
den Worte  als  einer  anderen  indischen  Sprache  entlehnt  ange- 
sehen  werden. 


D.   H.  Müller.    Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  Constantinopel.       297 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  zu  wissenschaft- 
lichen Zwecken  mit  Unterstützung  der  k.  Akademie 
der   Wissenschaften    unternommenen    Reise   nach 

Constantinopel. 

Von 

Dr.  David  Heinrich  MüHer. 

Privatdocent  an  der  k.  k.  Universität  in  Wien. 


Von  der  Gesellschaft  zur  Herausgabe  der  grossen  Annalen 
des  Tabari  nach  Constantinopel  beordert,  um  daselbst  einen 
Theil  der  Handschriften  dieses  Historikers  zu  untersuchen, 
respective  zu  coUationiren,  erhielt  ich  zugleich  auf  mein  dies- 
bezügliches Einschreiten  von  der  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  eine  Subvention  zu  dem  Zwecke,  in  den  Biblio- 
theken Constantinopels  nach  älteren  handschriftlichen  Werken 
mich  umzusehen. 

Nachdem  ich  nun  meine  doppelte  Mission  erfüllt  habe, 
erlaube  ich  mir  der  kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
in  aller  Ehrerbietung  Bericht  zu  erstatten. 

Es  mag  mir  zuerst  vergönnt  sein  zu  erwähnen,  dass  ich 
während  meines  vierzehnwöchentlichen  Aufenthaltes  in  Con- 
stantinopel (vom  28.  März  bis  5.  Juli  1877)  die  Collation  des- 
jenigen Theiles  der  T^bari-Handschriften  vollbracht  habe,  den 
zu  vergleichen  ich  von  der  Tabari-Gesellschaft  beauftragt  worden 
war,  und  dass  in  Folge  dessen  der  Druck  des  ersten  Bandes 
der-  erwähnten  Annalen  bereits  beginnen  konnte. 

Gleichzeitig  aber  mit  dem  Beginne  meiner  Collations- 
arbeiten  habe  ich  mein  Augenmerk  auf  die  Durchforschung 
der  zahlreichen  Bibliotheken  Constantinopels  '  gerichtet,   wobei 


'  lieber  die   Hibliotheken  Cnn.stantinopels    vgl.  Jalin'.s    Meridit  in    der  Zeit- 
schrift der  deutschen  niorgenliindisclien  nesellschaft,   Hd.  XXX,  S.    125  ff. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  CX.  Hd.  U.  Qtt.  20 


298  D-  W-  l^IüUer. 

ich  mir  die  doppelte  Aufgabe  gestellt  hatte:  Erstens  ein  biblio- 
graphisches Verzeichniss  der  dort  vorhandenen,  in  europäischen 
Bibliotheken  aber  selten  vorkommenden  arabischen  Werke  an- 
zufertigen, zweitens  alte  handschriftliche  Werke  aus  dem  Gebiete 
der  Geschichte;,  Geographie  und  der  schönen  Literatur  copiren 
zu  lassen. 

Ich  musste  jedoch  —  mit  Rücksicht  auf  die  mir  knapp 
zugemessene  Zeit,  ferner  aber  mit  Rücksicht  auf  den  Umstand, 
dass  ich  bei  meinen  Arbeiten  in  den  Bibliotheken  eine  vom 
dermaligen  Unterrichtsminister  Munif  Effendi  beorderte  Com- 
mission  mit  der  Katalogisirung  der  Handschriften  der  fünf- 
undzwanzig grösseren  Bibliotheken  beschäftigt  fand,  als  deren 
Resultat  mir  einige  schon  gedruckte  Bogen  gezeigt  worden 
siud  —  von  dem  ersten  Theil  der  mir  gestellten  Aufgabe 
abstehen. 

Es  ist  freilich  sehr  zweifelhaft,  ob  der  Plan  einen  Gesammt- 
katalog  anzufertigen  auch  unter  der  Ungunst  der  Verhältnisse, 
die  seither  über  das  türkische  Reich  hei-eingebrochen  sind, 
ausgeführt  werden  konnte.  Noch  viel  weniger  wird  es  jetzt 
der  türkischen  Regierung  möglich  sein,  die  Manuscripte  dei- 
Moscheenbibliotheken  in  eine  grosse  Sammlung  zu  vereinigen, 
wie  es  der  Wunsch  des  Unterrichtsmiuisters  war,  den  er  mir 
gegenüber  geäussert  hat. 

Da  jedoch  das  Alles  nicht  vorausgesehen  werden  konnte  und 
ich  nicht  unnützer  Weise  Arbeit  und  Zeit  für  ein  Unternehmen 
verschwenden  mochte,  das  durch  den  umfassenden  Katalog  un- 
zureichend und  überflüssig  geworden  wäre,  so  beschränkte  ich 
mich  auf  die  Ausführung  des  zweiten  Theiles  der  mir  gestellten 
Aufgabe  und  hatte  die  Genugthuung,  drei  Handschriften  zu 
finden,  die  ich  zu  meinen  Zwecken  benützen  konnte.  Die 
eine^  das  Buch  der  arabischen  Halbinsel  von  al-Hamdäni,  das 
ich  im  British  Museum  copirt  hatte,  habe  ich  in  Constantinopel 
collationiren  können  und  die  zwei  andern  ,das  Buch  über  die 
Pferde  von  al-Asmai'  und  den  ,Divän  des  al-'Aggäg',  beide 
Unica,  Hess  ich  copiren  und  collationirte  dieselben  sorgfältig. 

Im  Folgenden  gebe  ich  eine  ausführliche  Beschreibung 
dieser  drei  Handschriften,  die  zugleich  deren  Werth  be- 
leuchten soll. 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  Constantinopel.  299 


Das   Blich   der  arabischen   Halbinsel   von   Abu    Hasan 

al-Hamdäni. 

Von  den  älteren  umfassenden,  auf  eig-euer  Kenntniss  des 
Landes  beruhenden  Werken  über  die  Geographie  Arabiens  ist 
bis  jetzt  keines  bekannt  worden,  und  wir  sind  nur  auf  die 
geographischen  Lexica  angewiesen,  die  jene  Originalwerke  in 
Artikel  zerlegt  haben.  Noch  Jäqüt  hat  eine  grosse  Anzahl 
solcher  Originalschriften  benützt,  die  jedoch  alle  verloren  ge- 
gangen zu  sein  scheinen.  Die  einzige  systematische  Geographie 
Arabiens,  die  gerettet  worden  ist,  ist  eben  die  Schrift  des  al- 
Hamdäni.  Herr  Ch.  Schefer  in  Paris,  der  glückliche  Sammler 
vortrefflicher  orientalischer  Manuscripte,  hat  zuerst  ein  Exemplar 
dieser  Schrift  aus  dem  Orient  mitgebracht,  und  A.  Sprenger 
(Post-  und  Reiserouten  des  Orients,  S.  XVHI)  hat  die  grosse 
Bedeutung  dieses  Buches  erkannt  und  es  zu  dem  Tüchtigsten 
gezählt,  was  die  Araber  auf  dem  Gebiete  der  Geographie  geleistet 
haben.  Später  ist  in  Südarabien  von  dem  britischen  Residenten 
Col.  S.  B.  Miles  ein  zweites  Exemplar  erworben  worden,  das  jetzt 
im  Besitz  des  British  Museum  ist. '  Auf  Grundlage  dieser  beiden 
Handschriften  hat  A.  Sprenger  in  seinem  bahnbrechenden  Werke 
,die    alte    Geographie    Arabiens'    zahlreiche    Auszüge    gegeben. 

Welchen  Werth  dieses  Buch  des  al-Hamdäni  nicht  nur 
für  die  alte,  sondern  auch  für  die  moderne  Geographie  Arabiens 
besitzt,  hat  Heinrich  von  Maltzan  gezeigt,  dessen  Erkundigungen 
über  einen  grossen  Theil  Südarabiens  mit  den  Angaben  des 
Hamdäni,  von  dem  er  einen  Auszug  besass,  vielfach  überein- 
stimmen. - 

Wenn  ich  nun  trotz  dieser  vielen  Auszüge,  die  aus  dem 
Buche  bekannt  gemacht  worden  sind,  es  für  angemessen  halte, 
eine  ausführliche  Beschreibung  desselben  hier  zu  geben,  so  ist 
damit  die  Absicht  verbunden,  den  Plan  und  die  Anlage  dieses 


'  Es  mag  mir  an  dieser  Stelle  gestattet  sein,  nachträglich  der  Verwaltung 
des  British  Museum,  besonders  aber  den  Herren  Bibliotheksbeamten 
Tompson,  Rieu  und  Haas,  sowie  Hei-rn  Prof.  Wright  für  die  freundliche 
Unterstützung  meiner  Arbeiten  im  British  Museum  auf's  Beste  zu  danken. 

-  Vgl.  Maltzan,  Reise  in  Südarabien. 

20* 


300  D.  II.  Müller. 

Werkes  zu  chamkterisiren,   die  aus  den  vielen  Auszügen  nicht 
zu  erk(!nnen  sind. 

Bei  dem  beschreibenden  Charakter  der  arabischen  Poesie 
bildet  die  Natur  und  die  Umgebung-  den  Geg-enstand  der 
Dichtung,  und  wie  die  Schilderungen  der  Naturerscheinungen 
und  der  klimatischen  Verhältnisse  bei  keinem  Volke  enger  mit 
der  Poesie  verbunden  sind,  als  bei  den  Arabern,  so  ist  es 
auch  mit  der  Geographie  der  Fall.  In  der  arabischen  Poesie 
also  liegen  die  ersten  Keime  der  Geographie  und  zugleich  die 
ersten  Anregungen,  den  Gegenstand  gründlich  und  umfassend 
zu  bearbeiten.  Besonders  enthalten  Gedichte,  die  Gewitter  und 
Regenschauer  schildern,  wie  solche,  die  Tränkplätze  der  Wild- 
esel beschreiben,  eine  zahllose  Menge  von  Wohnplätzen,  Thälern, 
Bergen  und  Flüssen  der  Araber.  Nebstdem  sind  Schilderungen  der 
Gegenden  vorhanden,  welche  die  verschiedenen  Stämme  bewohnt, 
verlassen  und  durchzogen  haben  —  die  ältesten  Itinerarien.  Es 
ist  selbstverständlich,  dass  insbesondere  grosse  Auswanderungen, 
wie  z.  B.  die  des  Stammes  Azd,  in  der  Erinnerung  durch  Lieder 
erhalten  worden  sind.  Durch  die  Anlage  dieser  Gedichte  lag  es 
sehr  nahe,  umgekehrt  auch  streng  geographische  Beobachtungen 
zu  poetisiren,  wie  z.  B.  in  einem  grossen  Gedichte  die  Pilgerfahrt 
nach  Mekka    und  die    durchzogenen  Gegenden  zu  beschreiben. 

Eine  weitere  Anregung  und  Förderung  erhielten  die  geo- 
graphischen Kenntnisse  eben  durch  die  Pilgerfahrten  nach 
Mekka.  Von  allen  Seiten  der  Halbinsel  strömten  jährlich  grosse 
Massen  dem  Heiligthume  zu,  und  so  bildeten  sich  mit  der  Zeit 
Verzeichnisse  von  Reiserouten,  die  ganz  Arabien  durchzogen. 
Durch  alle  diese  Umstände  wurde  bei  den  Arabern  der  Sinn  für 
Geographie  frühzeitig  geweckt  und  es  entstanden  so  einerseits 
eine  grosse  Anzahl  geographischer  Beschreibungen  einzelner 
Gegenden ,  wie  andererseits  Verzeichnisse  von  Wohnsitzen 
der  verschiedenen  Stämme.  Ausserdem  wirkten  anregend  die 
Schriften  des  Ptolemäus,  die  unter  der  Regierung  des  Chalifen 
Mamün  in's  Arabische  übertragen  worden  sind,  und  waren  von 
grossem  Nutzen  für  Längen-  und  Breiten-Bestimmungen  sowie 
für  ähnliche  der  astronomischen  Geographie  angehörige  Fragen. 
Ein  wissenschaftlicher  Geograph  nuisste  neben  der  eigenen 
Beobachtung  alle  diese  Hilfsmittel  benützen  und  eine  eingehende 
Prüfung  des  Inhalts  unseres  Buches  ergibt,    dass    al-Hamdäni 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  Constantinopel.  dOl 

vollständig  seiner  Aufgabe  gewachsen  war  und  all'  die  ver- 
schiedenen Factoren  in  Rechnung  zog,  die  zur  Erzielung 
eines  glücklichen  Resultates  nöthig  waren. 

Wenn  das  Werk  auch  nach  einem  gewissen  System  angelegt 
ist,  so  hat  al-Hamdani  eigene  Beobachtung  mit  Mittheilungen 
Anderer  doch  nicht  so  eng  verflochten,  dass  sie  nicht  mehr 
auseinander  zu  scheiden  wären;  vielmehr  gelingt  es  noch  sehr 
gut  die  fremden  und  verschiedenen  Berichte  auszusondern,  und 
es  ist  der  doppelte  Zweck  der  nachfolgenden  Analyse  einerseits 
den  Plan  zu  verfolgen,  den  al-Hamdäni  bei  der  Abfassung  des 
I^uches  im  Auge  hatte,  andererseits  aber  die  fremden  Elemente, 
die  er  in  dasselbe  aufgenommen,  klarzulegen,  was  für  die  Ge- 
schichte der  Geographie  Arabiens  nicht  ohne  Interesse  sein  dürfte. 
Bevor  ich  aber  die  eigentliche  Analyse  des  Buches  antrete,  mag 
es  mir  erlaubt  sein,  noch  eine  Schlussbemerkung  zu  machen, 
die  sich  auf  die  Art  und  Weise  bezieht,  wie  al-Haradäni  seine 
eigene  engere  Heimat,  Jemen,  und  das  übrige  Arabien  be- 
schreibt. Während  das,  was  Hamdäni  über  das  eigentliche 
Jemen  sagt,  grossentheils  auf  Selbstanschauung  und  eigener 
Kenntniss  des  Landes  beruht  und  in  Folge  dessen  einen  de- 
scriptiven  Charakter  hat,  stützt  sich  seine  Beschreibung  des 
übrigen  Arabiens  grossentheils  auf  Reiseberichte  und  hat  im 
Ganzen  einen  touristischen  Charakter.  Ferner  konnte  Hamdäni 
bei  der  Beschreibung  Jemen's,  das  als  alter  Cultursitz  schon 
frühzeitig  eine  gouvernementale  Eintheilung  in  sogenannte 
Michläfe  (Grafschaften)  aufzuweisen  hatte,  auf  die  physische 
Geographie  eine  Uebersicht  der  politischen  (wenn  man  so  sagen 
darf)  folgen  lassen,  während  er  beim  übrigen  Arabien  anstatt 
dessen  die  Gruppirung  der  Stämme  besprach.  Dieses  voraus- 
geschickt, lassen  wir  die  Analyse  des  Buches  folgen: 

Hamdäni    gibt    unter    der    Ueberschrift:    ,Die    Kenntniss 
des   vorzüglichsten  Landes    der   bewohnten  Erde' '    eine    kurze 


S.  2:  s\j.4JuJI  O^IUI  J^il  alivJlx.  Die  Seitenzahl  bezieht  sich  auf 
das  Exemplar  des  Herrn  Ch.  .Schefer  in  Paris,  das  vor  etwa  fünfundzwanzig 
Jahren  aus  demselben  Constantinopeler  Manuscripte,  das  ich  jetzt  coUatio- 
niren  konnte,  durch  einen  türkischen  Abschreiber  copirt  worden  ist.  Auch 
Sprenger  in  seinem  Buche  ,die  alte  Geographie  Arabiens'  citirt  nach 
demselben  Exemplare.  Für  die  freundliche  Zuseudung  der  Handschrift 
sage  ich  Herrn  Schefer  öflfentlich  besten  Dank. 


302  D.  H.  Möller. 

Beschreibung  von  der  Lage  und  den  Grenzen  der  arabischen 
Halbinsel,  geht  dann  speciell  auf  die  Bestimmung-  der  Längen 
und  Breiten  ein,  und  widmet  ein  eigenes  Capitel  ,der  Lage 
und  Stellung  Arabiens  in  dem  bewohnten  Theile  der  Erde"".  ^ 
Die  Bestimmung  der  Lage  führt  Hamdäni  zu  einigen  allge- 
meinen Bemerkungen  über  die  Beschaffenheit  unseres  Planeten, 
worauf  er  dann  die  übliche  Eintheilung  der  Erde  in  Klimen 
erörtert.  Er  beginnt  mit  der  Klimeneintheilung  der  Erde  nach 
Hermes  2  vmd  Claudius  Ptolemäus  ■\  und  lässt  hierauf  die  Er- 
örterung der  Parallelkreise  nach  Ptolemäus  *,  die  Bestimmung 
der  Tagesdauer  und  der  Schattenlänge  in  den  verschiedenen 
Breitegraden  folgen.  Vom  Aequator  nach  Norden  beschreibt  er 
sechsundzwanzig  Parallelkreise  (jo\l««fJt  Swjlt>),  in  je  welchem 
der  Tag  um  eine  Viertelstunde  kürzer  ist  als  in  dem  nächst- 
vorhergehenden, worauf  noch  ex  analogia  einige  weitere  Be- 
stimmungen bis  zum  Nordpol  angegeben  werden.  Daran  schliesst 
sich  eine  Eintheilung  der  nördlichen  Halbkugel  in  eilf  Streifen 
(äüü».jfl),  in  je  welchem  der  Tag  um  eine  halbe  Stunde  kürzer 
ist^  als  in  dem  nächstvorhergehenden. 

Nachdem  er  dann  die  , verschiedenen  Ansichten  über  die 
Länge  und  Breite  der  bewohnten  Erde' ''  auseinandergesetzt, 
führt  er  Ptolemäus'  Ansichten  über  die  Natur  des  Menschen 
im  Allgemeinen ''  und  über  die  ethnologischen  Merkmale  der 
verschiedenen   Völker  im  Besonderen  '   an. 


'S.   6:  i^^^ll     ^     ^^xJI     ^^    ^7-7  ■        **^    ^^     «i>*^ 

2  S.     10:  jV^X^f      ^j^/!y^i      (VaJLs^M      'S^My3      Xij.*/3 

3  S.    12:  ^J^XäJI      ij^ y.J,;.fXh.jJ      |V^'U!^I      '^4"^      ÜivJtX) 

*  S.  18:  JL4.XWWJI  ^^    ''y^'  J-yaÄj  ^/o   (j*/«.A4.-llaj  ^^s-  ^-jI  L« 

5  S.  46:  J^^i^^     ^^1     ^    ^Un     O^Lcis.1 

6  S.  50:  ^l^4.*.'l  Jißl   ^Uo  3  ^O^JiJ!   ^^J.iaJ  ^£   ^j1   U 

■^  S.  55:  Jjcf       »jLJc     ^     ^  ^«Jjiil      ^y/i.4.XilJ     ^£.       ^i     Lo 


Beiiclit  über  liie  Ergebnisse  einer  Keiso  niicli  Constantinopel.  dU») 

Diese,  wenn  man  so  sagen  dait',  mathematisch-geographische 
Einleitung  des  Buches  schliessen  einige  , Längen-  und  Breiten- 
Bestimmungen  von  berühmten  arabischen  ^Städten'.  ' 

Der  zweite  Theil  des  Buches  führt  den  Titel:  ,Die  Be- 
schreibung des  (vorzüglichsten)  Theiles  der  bewohnten  Erde, 
d.  i.  das  Buch  der  arabischen  Halbinsel'.'^  Hamdäni  leitet  diesen 
Theil  also  ein:'^  ,Es  sagt  Abu  Muhammad  (al-Hamdani):  Da 
die  Eigenschaften  der  Bewohner  Arabiens  in  der  allgemeinen 
ethnologischen  Uebersicht  geschildert  worden  sind,  so  bleibt 
noch  übrig  die  Wohnstätte  dieser  Halbinsel,  ihre  Strassen, 
Berge,  Weideplätze  und  Ströme  zu  beschi-eiben,  in  aller  Kürze 
die  Bewohner  und  Beherrscher  einer  jeden  Landschaft  an- 
zugeben und  diese  Halbinsel  einzutheilen  in  Ländergruppen, 
Verwaltungsbezirke,  Herrsclierdistricte  und  Wüstengegenden, 
damit  jeder,  der  in  dieses  Buch  hineinblickt,  gleich  sei  dem 
Dzu-1-qarnain,  der  die  Erde  durchmessen/ 

Auf  diese  kurze  Einleitung  folgt  ein  Abschnitt,  ,die  Ueber- 
lieferung  des  Ibn  'Abbas  über  die  arabische  Halbinsel' •  ent- 
haltend, der  zum  Theil  wörtlich  auch  in  Al-Bekri's  geographi- 
schem Wörterbuch  ed.  Wüstenfeld  S.  5  sich  findet,  ferner  die 
Erklärung  warum  Arabien  eine  Halbinsel  genannt  wird '"  (eben- 
falls   wörtlich    bei    Bekri    S.    6),     die     Fünftheilung    Arabiens 


1  S.  80: 

2 


L^^^wÄ.      5^^^XC^Ji      VT*-''       \J^      J'^'      Xi^*X) 

S.  83:    Svjys»     'iJus    t^L;c5^  ySÜ^     u^;^^'    )T**''°     I^'*^"'']     ^^^^^ 
3  S.  83:    ^^j.*j|      äyjy=^     ^LX-w«    ^^^^    T^^     ^^'      <^*^    ^"^     '^^* 

■iu^i^  t«^^^'^  ^^^';^5  '-^'W^  ^^^y^^  Lg-CiL^/o^  V)^' 

^^       '^S,     ^yi^       ^JOj       ^)^     ^X.      iySylS       S  j^       Vy^     / 

*  S.  84:    ^yx}\    5yJV=^    3    U^^    C^•'    <J^    ^^    ^"^    ^^ 
s   S.  85:     5vJv4>'     ^v*-'     ^^^    u>A^^    Uj'» 


304  D.  H.  Müller. 

und  die  Definition  der  geog-raphischen  Benennungen:  Tihäme, 
Higaz,  Negd,  al-'Arüdh  und  al-Jemen,  welche  mit  Stellen  aus 
alten  Dichtern  belegt  werden,  und  schliesslich  ,die  Eintheilung 
Arabiens  nach  der  Ansicht  der  Jemeniden^  ^ 

Nach  dieser  allgemeinen  Einleitung  wendet  sich  Hamdani 
zur  , Beschreibung  Jemens''^,  des  Landes,  das  er  am  besten  und 
zum  grossen  Theil  aus  eigener  Anschauung  kennt,  und  gibt  die 
Grenzen  Südarabiens  an.  (Vgl.  Jaqüt,  Wörterbuch  IV,  1035  und 
Sprenger  ,die  alte  Geographie  Arabiens'  30  und  129).  Nachdem 
er  die  Inseln,  die  zu  Arabien  gehören,  aufgezählt  '^,  verzeichnet 
er  die  Küstenstädte  Jemens',  indem  er  mit  Aden  beginnt  und 
sich  erst  westlich  wendet,  nach  Babel  Mandeb,  dann  nördlich 
bis  'Athar,  ferner  die  Städte  des  Hochlandes  '^  von  al-Ganad  im 
Süden  bis  Sa'da  im  Norden.  Diese  Städte,  deren  Länge  und  Breite 
zum  grossen  Theil  oben  angegeben  wurden ,  sind  nun  auf  der 
Karte  Arabiens  gleichsam  die  festen  Punkte,  zwischen  denen 
Alles  eingetragen  wird.  Er  beginnt  hierauf  die  Beschreibung- 
Jemens  mit  dem  westlichen  Gebirgszug,  der  ganz  Arabien  von 
Süden  nach  Norden  durchstreift  •',  verfolgt  denselben  von  den 
Beled  al-Ma*äfir  (Süden)  bis  zum  Ghazwan-Gebirge  in  der 
Nähe  von  Täi'f  (vgl.  Jäqüt,  III,  66  und  Sprenger,  a.  a.  O.  84 
und  442),  und  zählt  die  Ströme  auf,  die  das  Gebirge  durch- 
brechen und  durch  das  Küstenland  in's  Meer  münden '',  von 
Mauza'  (Süden)  bis  Wädi  Rim  (Norden). 

Bevor  er  die  östliche  Wasserscheide  beschreibt,  schaltet 
er  noch  einen  Bericht  eines  älteren  Geographen,  des  Mu- 
hammad ibn  'Abdallah  ibn  Ismä'il  vom  Stamme  Saksak,  ein 
,über   die   Ströme  des  südwestlichen  Arabiens*    zwischen  Aden 


2  S.  92:    -l^il    ^^^1    -sJua 
''  S.  94:   ^^1   ^L=>    Jj 

^  S.   95:     ÜLZoLgjJI     ^♦AJI     ^Joo 
5  S.  98:    iJtXjsLM    ^^;^f    ^Joo 
«  S.   120:    sl    ^M    JLs.    ^    ^-^Ij    ^y     U 
■^  S.  126:     jcä.     aLx>L^'   Jf    Lg.Ai     iüiisliül     5fwA«.jl    s  jjc     ^S?*^^' 
7^'    6    C5^^' 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  Constantinopel.  oOö 

und  Zabid  mit  westlichem  Laufe  ',  ferner  ,der  Wädi  zwischen 
dem  Lande  der  Banü  Magid  (die  den  südwestlichen  Küstenstrich 
bewohnten)  und  Abjan  mit  südlichem  Laufe^^ 

Der  Vollständigkeit  halber  werden  noch  die  Wadi  Abjan 
(Bonna),  Jarames,  Dathina  und  Ahwar  (wie  es  seheint  nach 
dem  Berichte  des  Saksakiden,  denn  Ilamdäni  beschreibt  die- 
selben später  ausführlicher")  kurz  erwähnt.  Ebenso  werden  die 
Gebirg-e  der  Sakäsik,  der  Rakab  und  der  nördlich  gelegenen 
Ga'da  (Ga'üd)  kurz  aufgezählt.  Hierauf  folgt  eine  Beschreibung 
der  Bauüberreste  dieser  Gegend  ^  (Sprenger  a.  a.  O.  67  und 
302),  ein  Verzeichniss  der  Städte  der  Band  Magid  ^  und  der 
Sakäsik  und  zum  Schluss  noch,  wie  oben  bei  der  Aufzählung 
der  Wädi,  eine  kurze  Erwähnung  der  östlich  von  Jemen  liegenden 
Wüste,  des  Landes  Dathina  und  Marcha  und  des  Hochplateau's 
(Sarw).  So  weit  scheint  der  Bericht  des  angeführten  Geographen 
zu  reichen,  der  seine  Gegend  ausführlich  beschrieb,  die  an- 
grenzenden Länder  aber  nur  kurz  berührte. 

Nach  diesem  Berichte  beschreibt  Hamditni  die  östliche 
Wasserscheide  des  jemenischen  Hochlandes  und  beginnt,  wie 
aus  dem  Zusammenhang  hervorgelit,  mit  dem  Wädi  Adana  ^, 
verfolgt  dann  einige  kleine  Wädi  nördlich  von  Marib,  die  in 
den  Gauf  münden  ^,  darunter  das  Wädi  Radhrädh  (Sprenger 
408  und  415),   gelangt  in  den  Gauf',    dessen  Ausdehnung  von 


'  S.  131:  «A4Ä.  ^-X^X*v.JI    J.A*4-wl  ^   xi.JI  cXa£    ^^■i   iX-*.^  J^' 

3  S.   139:  *^|^l|     SJOC    Jlxi 

*  S.   141:  JcajS?    ^'     ^Ji 

5  S.   142:  JoO^I     i^id^l     ^.     ^^'^^'i      ^*'!^'^     V')-^^     [iojl]     («.J 

'^  S.  143:  ^^1    Ji    oUaJ    ioO^I    *^>Lo    J-XJ    ^x    (vi" 

-  S.    144:  0^4-'     1*^' 


306  D.  H.  Müller. 

Süden  nach  Norden  eine  Tagreise,  von  Westen  nach  Osten 
anderthalb  Tagreisen  beträgt,  und  in  welchen  vier  grosse  Wädi 
sich  ergiessen,  darunter  der  von  Halevy  wieder  entdeckte 
Chärid  (Sprenger  306),  und  beschreibt  zum  Schluss  das  Wädi 
Negrän,  das  von  drei  Seiten  Zuflüsse  erhält '.  Oestlich  vom 
Gauf  beginnt  die  grosse  Wüste  -,  deren  Ausgang  nach  Hadhra- 
maut  hin  die  Grenzstadt  'Abr  ist. 

Von  'Abr   aus  dringt  nun   Hamdäni  in  Hadhramaut^  ein. 

Ueber  Hadhramaut  sind  die  Nachrichten  Hamdäni's  karg. 
Er  beginnt  mit  der  Erklärung  des  Namens  Hadhramaut  (Sprenger 
351)  und  spricht  dann  von  der  Urbevölkerung  des  Landes,  wie 
von  der  Einwanderung  der  Kinda,  deren  Reich  er  beschreibt. 
Bei  den  zahlreichen  Auszügen,  die  Sprenger  daraus  mitgetheilt 
hat  (151,  310,  322,  438,  358),  mag  es  genügen,  auf  dieselben  zu 
verweisen,  nur  das  sei  bemerkt,  dass  mit  ^^i^Si^j  ^^jy/sy^L^^  jLi 
5t\-o  (Sprenger  351)  der  Bericht  eines  andern  Informanten  zu 
beginnen  scheint,  woraus  sich  mehrfache  Wiederholungen  am 
besten  erklären. 

Hanidäni  wendet  sich  zurück  nach  dem  eigentlichen  Jemen 
und  'beschreibt  das  himjarische  Hochland  ^,  das  von  den  Banü 
Jafi'  bewohnt  war  und  noch  heute  bewohnt  ist. 

Die  genaue  Bestimmung  der  Lage  dieses  Gebirges  ver- 
danken wir  dem  Freiherrn  von  Maltzan,  aus  dessen  Bericht 
auch  hervorgeht,  dass  eine  grosse  Anzahl  von  Ortschaften  und 
Wädi  noch  ganz  dieselben  Namen  führen  und  von  denselben 
Stämmen  bewohnt  sind  wie  zur  Zeit  Hamdäni's.  Hierauf  folgt 
die  Beschreibung  des  Landes  der  Banü  Ga'da  (Maltzan:  Ga'ud) 
, der  Freunde  und  Bundesgenossen  derjafi''^,  die  das  Gebirgs- 
land  westlich  von  Sarw  Himjar  bewohnen.  Wir  sehen  hieraus, 
dass  die  Jafi'  und  Ga'da  zur  Zeit  Hamdäni's  ebensowenig 
einen  politischen  Begriff  gebildet  haben,  wie  heutzutage. 


'  S.  148:   ^\yA   kJÜJ   ^A    i^^ji.    ^';^    ^^';    (*J 

2  S.   150:    iaSlijl    ^^::-.    ^-►aJI     5^Ü 

3  S.     151:      ^4.^}\       ^JC      <^^yAy^ 


•  v*^ 


■*  S.   158:    aJii'Lw.    ä.äjO.1.     vA*.^     «v 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Heise  nach  Coustautinopel.  b07 

Hamdani  verfolgt  nun  den  Gebirgszug-  nach  Osten,  be- 
schreibt das  Hochland  der  Madzhig ',  dessen  südüütliehe  Grenze 
der  Gebel  Kaur  ist,  und  das  im  Norden  bis  Gebel  Qarn  reicht 
(Spreng-er  406),  wendet  sich  gegen  Süden  nach  Dathina-,  das  vom 
Gebel  Kaur  (Norden)  begrenzt  wird,  im  Süden  bis  zur  Küste, 
im  Osten  bis  Wädi  Jaramis  und  im  Westen  bis  Wädi  Ahwar 
(Hauwar,  Sprenger  307)  reicht.  Das  Wädi  Ahwar  wird  nur 
kurz  erwähnt  und  auf  eine  ausführliche  Beschreibung  desselben 
an  anderer  Stelle  verwiesen.  ^ 

Nachdem  die  Gebirgszüge  besprochen  sind ,  schildert 
unser  Geograph  die  dazwischen  gelegenen  Gegenden.  Das 
Capitel ,  welches  er  ihnen  widmet,  ist  überschrieben:  ,Die 
Strassen,  welche  verbinden  die  beiden  Hochländer  (d.  h.  den 
Sarw  Himjar  und  Sarw  Madzhig)  Abjan,  Radmän,  Hidä', 
Dzamär  und  Qarn,  dann  Baihän,  Ahwar  und  die  Biläd  Madzhig, 
die  ausserhalb  des  Sarw  liegen.'  ^ 

Er  beginnt  mit  dem  Beled  'Ans  ^  das  den  Anfang  der 
Biläd  Madzhig  (nicht  zu  verwechseln  mit  Sarw  Madzhig)  bildet, 
im  Osten  von  Dzamär  anfängt  und  bis  nach  Thät  reicht,  im 
Norden  vom  Wädi  Jaklä,  im  Süden  vom  Wädi  Schar'a  (also 
vom  Gebiet  der  Ga'ud  bei  Maltzan)  begrenzt  wird,  was  voll- 
kommen mit  Maltzans  Angabe  übereinstimmt,  der  Seite  214 
sagt:  .Die  Bewohner  von  Redä'  und  Gefe  werden  im  Volks- 
mund als  Bani  'Ans  bezeichnet.'  Er  wendet  sich  dann  südöstlich 
in    das  Gebiet    der  Banü  'Arair*"  (Sprenger  409),    die    so    sehr 


'  S.  160:    'zS.A     *Y*> 

2  S.  163:    JUajO 

3  S.  16:3:    JljtJ    XjLM    -Li   ^,1  tV*-'    l^Ai    sy:^\   ^   Sd^\    *.^J^^ 

'  s.  163:  ^b^^  cJ*-^^;;  ü-'^'j  o-^-y;-^^^  u-^  ^"^^  ^''  ^A'' 

^  S.  163:     ^^    i^^^^    ^Loj    ^X     _^^    ^f    iXxj    ZcXx;    O^iU    jri 

ö   S.  164:    cyljoji.     o^Jlic     ^1.      *.^I^M    ScXiC   w'UxS   Ci/ilj'    cXi'. 
^x:     8J.^J\    3     \uC     JJj     J^Li    yx\.&     ^     o^^i^     cijU-oj 


308  '  D.  H.  Müller. 

an  die  Banü-'Amir  bei  Maltzan  (352—360)  erinnern,  dass  man 
nicht  umhin  kann,  dieselben  zu  identificiren  und  die  Annahme 
Maltzans,  es  sei  ein  dynastischer  Name,  zu  verwerfen.  Wendet 
inan  sich  von  Rida'  nach  Nordosten  ',  so  g-elangt  man  in  eine 
Gegend,  die  grossentheils  von  Murädstämmen  bewohnt  ist, 
wendet  man  sich  aber  nach  Osten,  in  der  Richtung  nach  Rad- 
män  2j  so  durchzieht  man  eine  Gegend,  die  von  Nägia  (einer 
ünterabtheilung  der  'Ans)  und  Murad  bewohnt  wird  (Sprenger 
408),  was  mit  Maltzan's  Angabe  (a.  a.  O.,  S.  306)  vollkommen 
übereinstimmt:  , Nördlich  von  ihnen  (den  Rezäz)  beginnt  das 
Gebiet  der  Muräd  und  'Ans'  (beide  von  Madzhig).  Damit  hat 
al-Hamdäni  die  Beschreibung  des  Beled  Madzhig  beendet  und 
wendet  sich  nach  dem  Gebel  Q.arn  ^,  der  sieben  grosse  Wädi 
hat  (Jaqüt  IV,  72).  Diese  Relation  schliesst  mit  den  Worten : 
,So  weit  die  Beschreibung  von  Radmän  und  Qarn'  ^. 

Hamdäni  verfolgt  dann  zwei  Hauptstrassen  durch  das 
Hochland  der  Madzhig.  Die  eine  durchstreift  es  in  östlicher 
Richtung  5  bis  nach  Marcha  und  wendet  sich  dann  südlich  in 
das  Land  Hagr,  das  zur  Zeit  Hamdäni's  sich  mehr  nach  Westen, 
etwa  bis  Wädi  Ahwar  erstreckt  haben  muss.  Die  zweite 
Strasse  führt  südlich  nach  Dathina  *'  über  das  Kaurgebirge ", 
durchstreift  Dathina  von  Norden  nach  Süden,  wobei  es  noch- 
mals beschrieben  wird  *  (Sprenger  308),  biegt  dann  nach  Osten 


*  S.    166:  Jl      ^|j>.      ^      *^^7-=^     ^^"-^^     8*a«*aJI      v50    Jt     *=>» 

'  S.  167:  ^UO^    Jl    ^^\    ^;i^M    ^3    ^1    ^; 

3  S.  168:  AjS'  iot>«l    ÄJlA^    jMyi" 

*  S.  168:  ijvi'*    ivj'^'^)    ^ii'l-ß-'ö    OwO-Äjl 

5  S.  168:  •j-ww.il    i^^.y^    )Lk4-^^    v:i>li..o    ^(     «2».n 

6  S.   169:  auAJO    Jl    Joo^     .^Jl    jl     *^^ 

^  S.  170:  J!     ^^XJI    ^    ^Ä*JI     ^^k.'l     ^X    ^^*w.Jf    ^-^^    IcX-gi 

*  S.  170:  JUajJ    j^    'iJL<sJ\    tXA*J* 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Feise  nacb  Constantinopel.  309 

ab  und  durchzieht  AVädi  Ahwar  '  bis  nach  dem  Lande  Hagr,  wo 
die  Strasse  mit  der  ersten  zusammentrifft'-. 

Wendet  man  sich  aber  vom  Kaurg-ebirge  nach  Südwesten, 
so  gelangt  man  nach  Abjan  '\  das  ebenfalls  beschrieben  wird 
(Spreng-er  410),  von  da  nach  Lahg-,  welches  von  Asbahiern 
(Sobechi)  und  Bann  Mag-id  bewohnt  ist.  Zum  Schluss  wird 
noch  ßaihän  im  Norden  des  Sarw  beschrieben,  womit  das 
ganze  Capitel  abgeschlossen  ist. 

Darauf  folgt  eine  Uebersicht  der  politischen  Districte 
Jemens,  der  sogenannten  Machalif^.  Zuerst  wird  das  Michläf 
Schabwa^  an  der  Grenze  Hadhramauts  erwähnt,  das  aber  schon 
in  alter  Zeit  als  eine  himjarische  Stadt  angesehen  worden  ist 
(Sprenger  438),  dann  wendet  sich  Haradani  nach  dem  Südwesten 
der  Halbinsel  •'■  und  beginnt  mit  der  Beschreibung-  der  Districte 
der  Ma'ätir,  al-Gowwa,  Gaba  und  al-Ganad  (Sprenger  446),  daran 
schliesst  sich  das  nördlich  gelegene  Michläf  al-Sahül '',  das  von 
Schar'ab  bewohnt  wird  (Sprenger  442),  nördlich  davon  die 
Districte  des  oberen  und  unteren  Jah.sib"'  in  der  Gegend  von  Zafär, 
nordöstlich  davon  das  Michläf  Dzu-Ru'ain  ^  und  Gaischän,  nörd- 


'  S.    171:     r^Ä.1    ^    kÄ^a-'l    lXaäJj 

2  S.  171:     LöjI     ^^jhJ\      5JlJ£    ^jo    ^iß«    v^    ^1    v:>.A.§Jul    *J 

*  Ad  vocem  o^LiS?  ist  mir  keine  andere  Etymologie  bekannt,  als  die  von 
Jäqüt  (Bd.  I,  S.  41)  gegebene,  die  wohl  Niemand  ernst  nehmen  wird.    Ich  bin 

geneigt  es  von  i  q13>^  ,sub'  abzuleiten,  das  in  den  Inschriften  in  der 
Bedeutung  , unterhalb,  bei'  öfters  vorkommt.  So  3'ISS  I  piH  I  s^TTlS 
(Os.    34,  3)    ,in    der  Nähe    der  Stadt    Marib-    SnM  pjn  I  P^bn    (H.  451,  2. 

ö    -r  o 
530,  2.),  unterhalb,  bei  der  Stadt  Jathil'  u.  s.  w.  o  JviS?  heisst  ,das  um  die 

Stadt  liegende  oder  der  Stadt  angehörige  Gebiet'  vgl.  lateinisch  .suburbium'. 
5  S.   174:    iyjuiJ    O^^ 

«  S.  174:   iXx^  ^^ÄJ   ^y  J^LwwM  ^lXL   iLSV^  ^^C.   J,l  U*r^;; 
'  S.   176:    sol^^    ^    J^^^JI     O^US» 
8  S.   178:    ^LA.^t^j| 
8  S.    179:    ^xÄ>    ^L>     O^L^S» 


BIO 


n.  ir.  Muiipr. 


lieh  davon  das  Michluf  Ridä'  und  Tluit '  in  den  Beled  Madzhio-, 
Kaumän  nördlich  von  Beled  Madzhig-,  südlich  von  Michläf 
Dzu  Gurra  (das  zwischen  Marib  und  San'ä  liegt)  und  endlich 
Michläf  ]\Iaiib  (Sprenger  415).  Daran  reiht  sich  die  Aufzählung 
der  Michlafe  zwischen  dem  Lande  der  Ma'äfir  (Süden)  und 
San'ä  (Norden )  gegen  Westen  hin.  -  Dahin  gehören  Goblän 
al-'Arkija  (Jäqüt  II,  20),  Dzaraär'*  und  die  westlich  gelegenen 
Districte,  ferner  Alhän  und  Moqra ',  Haräz  und  Hauzin -^  wo- 
rauf noch  die  Aufzählung  der  Weide-  und  Tränkplätze  der 
Li'sän  '•  (einer  Abtheilung  der  'Akk^i  gegen  die  Küste  hin  an 
den  Wädi  Sahäm  und  Surdud  gegeben  wird,  die  Hamdani 
also  schliesst:  ,Es  sagt  Abu  Muhammed:  Wir  haben  diese 
Gegend  detaillirt  behandelt  im  Gegensatze  zu  den  übrigen 
Gegenden  Jemens,  weil  sie  nicht  zu  den  Wohnsitzen  der 
Rabi'a  ibu  Nizär  gehören,  wie  diejenigen,  welche  die  Berichte 
über  die  alten  Schlachttage  der  Araber  und  ihre  Wohnsitze 
nicht  kennen,  unrichtiger  Weise  behauptend  ' 

Unser  Geograph  kehrt''  zur  Aufzählung  der  Michlafe  zurück 
und  nennt  Hadhür,  Madzin  und  Aqjan«  bis  zum  Wädi  Läa, 
der  südlichen  Grenze  der  Beled  Hamdän,  wendet  sich  wieder 
nach  Ost -Jemen''  und  beschreibt  das  Michläf  Dzu -Gurra    wa 


•   S.    180:    ^\J^    ^(^       o!^^ 

2S.    181:     C"^    ^LiU^^    ^Lxjf     ^xj    ^xjl     oiJlS^M 


3  S.   182:      Lo*3    O^L^ 


^•S.    184:    ^L^lj^    ^^a^    ^-^j^ 
^S.   185:    ^-^^^    y^    ^^^ 
6  S.   185:    ^l^xj    J^icUx 


8  S.    1S7:    ^^Lil     o^^ 


S.  189:    L^AJ'j-CÖ   J,l    lÄ*2>.^.    ^jj"^^    ^w)viw)    ^.^ä-äjf 


P.oricht  über  die  Ergelinisso  oincr  Reiso  nach  Constantinopel.  31  1 

Chaulän  (Sprenger  380),  deren  Wadi,  die  zum  Tlieil  nach 
Marib,  zum  Tlieil  in  den  Oauf  abfliessen,  zum  Theil  endlich 
sich  in's  ]\Ieer  ergiessen,  der  Ordnung  nach  beschrieben 
werden.  ' 

Es  sei  hier  gelegentlich  bemerkt,  dass  das,  was  Jriqüt 
(IV,  434  ff.)  s.  V.  o^^  über  die  Districte  Jemen's  mittheilt, 
aus  dem  Gazirat  al-'Arab  gesclKipft  ist,  nur  hat  er  viele  Gegen- 
den nördlich  der  Beled  Hamdan  als  ,Michlafe'  bezeichnet,  die 
nicht  mehr  zu  Jemen  gehören  und  bei  Hamdäni  auch  nicht 
unter  diesem  Namen  aufgezählt  werden.  Auch  hat  er  nicht 
immer  verständig  excerpirt  und  die  Reihenfolge  der  Michläfe 
zum  Theil  verändert. 

Wir  kommen  nun  zu  den  Beled  Hamdan,  dem  Lande, 
aus  dem  die  meisten  himjaritischen  Inschriften,  die  wir  kennen, 
stammen  und  in  dem  die  altjemenische  Tradition  am  längsten 
lebendig  geblieben  ist.  Beide  Gelehrte,  denen  wir  Nachrichten 
über  das  alte  Jemen  verdanken,  al- Hamdäni  und  Neschwän, 
sind  iui  Beled  Hamdan  geboren.  Hamdäni  widmet  auch  seinem 
engeren  Vaterlande  einen  eigenen  Abschnitt  und  beschi-eibt  die 
Beled  flamdän  und  den  Gauf  mit  grosser  Genauigkeit  und 
Ausführlichkeit.  Derselbe  Abschnitt  über  die  Beled  Hamdan 
befindet  sich  auch  im  zehnten  Buch  des  Iklil ,  das  die  Genea- 
logie der  Banü  Hamdan  enthält.  Es  ist  natürlich ,  dass  dieses 
Buch  für  das  Verständniss  einzelner  Pai'tien  des  Gazirat  al-'Arab 
von  grösstem  Nutzen  ist. 

Das  Gebiet  der  Beled  Hamdan '-,  das  im  Osten  bis  zur 
grossen  Wüste,  im  Westen  bis  Tihäma,  im  Norden  bis  Sa'da, 
und  iui  Süden  bis  San'ä  reicht,  wird  durch  eine  von  Sa'da 
nach  San'ä  gezogene  Linie  in  zwei  Theile  getheilt,  von  denen 
der  östliche  vom  Stamme  Bakil,  der  westliche  vom  Stamme 
Häschid  bewohnt  wird.  Aus  dieser  Grenzangabe  geht  hervor, 
dass  auch  dei-  Gauf  zu  den  Beled  Hamdan  gerechnet  worden 
ist,  wie  ja  thatsächlich  der  Gauf  von  Banü  Hamdan  be- 
wohnt wird. 


1  8.    190; 


;^*vJ_'l     ,J^£.     XÄJi>.l      vSIXäXs 


2  S.  192:    ^f<X,JC    J^J^ 


312  V).  H.  Müller. 

Zuerst  wird  das  Gebiet  der  Bakil  ',  westlich  von  Gauf, 
beschrieben,  dann  der  obere  Gauf  -  und  die  Oase  al-Maräschi- 
(vgl.  die  Lage  auf  der  Karte  Halevy's),  während  die  Wohnsitze 
der  Schakir  im  Gauf  erst  später  erwähnt  werden  *,  hierauf 
beschreibt  Haiudäni  das  Gebiet  der  Häschid^,  mit  Rahba  (west- 
lich von  San'ä)  beginnend,  wendet  sich  nördlich  nach  dem 
Baun  •',  zu  dem  Raida  gehört,  dann  nach  dem  District  al-Cha- 
schab  längs  der  Westgrenze  der  Bakil  an  Chamir,  Huth  und 
Chaiwäu  vorbei,  worauf  die  Beschreibung  der  westlichen  Hälfte 
der  Beled  Häschid  folgt,  dessen  südliche  Grenze  Wadi  Lä'a 
bildet.  Im  Westen  an  der  Küste  wohnen  die  Hakam ,  im 
Norden  die  Chaulän-Qodhä'a.  Das  ganze  Gebiet  der  Hamdän, 
das  für  das  unzugänglichste  und  bestvertheidigte  Jemens  gilt, 
umfasst  einen  Flächeninhalt  von  sechs  Tagemärschen  im  Qua- 
drat ^.  Zum  Schlüsse  ist  noch  ein  Verzeichniss  der  Markt- 
plätze der  Beled  Häschid^  und  der  ganze  Abschnitt  endigt: 
.So  weit  über  das  Land  der  Hamdän,  der  Stämme  ^äschid 
und  Bakil  und  ihre  Marktplätze'.^ 

Im  Nordwesten  grenzt  an  die  Beled  Hamdän  das  Gebiet 
der  Chaulän-QodhcVa '",  dessen  Thalsenkungen  bis  zur  Küste 
reichten  und  dessen  Hohen  im  Nordosten  an  das  Hochland  der 


•  S.  192:  JuXj    ^    J^U 

^S.   193:  J^:^\     ^J.1     ^-j 

'S.    194:  ^LJ^    ^j    Ju.it     ^    CS^y-'S 

^  S.   194:  Jutj    Lx)    3    Sl^    jJb^    0;4'    r^tX^^. 

^  S.   195:  tX^U     JJLj    J^I     Gt^ 

6  S.   195:  ^^l|     ^ 

'  S.   199:    äIx«    ^iß^     ^L.oJCi:.^M      J.:^     JsÄ     ^ItX*^     ^      »tH-» 
ÜoCäI^    iJ-*^"     ^^.'^    ^^'     t5^5     ^'-'^    vi    (•'':?' 

8  S.   199:     JuiL=.    jJio     ^•';.^l     l^Li 

9  S.   199:     tX_^l_^     vj-^-^     .^^^^     J^-i-J     J^  ^ö    iS^°^^ 


1«  S.    202:     jLoJCi^^M     jL^     J<£     cJ-r"^     ^^     ^^-^ 


Bericht  über  ilie  Ergebnisse  einer  Heise  nach  Constantinopcl.  313 

WAdi'a  '  und  der  Genb  sich  anschliessen.  Oestlicli  von  Wädi'a 
ist  das  Gebiet  der  Jam,  das  schon  zu  Negrän  gehört  -.  Nord- 
östlich von  Wädi'a  und  Chaulän  bis  nach  Gurasch  sind  die  Wohn- 
stätten der  Ganb^,  der  Nahd  und  Zabid.  An  das  Gebiet  der 
Banü  Nahd  grenzen  die  Tränken  der  Banü  al-Härith  ^,  welche 
sich  südlich  bis  in  das  Gebiet  zwischen  Negrän  und  den  Gauf 
erstrecken.  Gurasch  ■'  liegt  im  oberen  Negd  und  gehört  den 
Banfi  'Anz.  Die  Ströme,  die  sich  von  diesem  Hoclilande 
ergiessen,  durchfliessen  das  Land  des  mächtigen  'Asirstammes '', 
dessen  Gebiet  beschrieben  wird.  Zum  Schlüsse  werden  noch 
in  aller  Kürze  die  Stämme  aufgezählt,  die  das  Hochland  bis 
zum  Ghazwängebirge  bei  Täif  bewohnen,  so  die  Ghämid,  Daus, 
Fahm  und  die  Hiläl,  ferner  die  Chath'am  in  der  Gegend  von 
Bischa. 

Es  folgt  ein  Abschnitt  über  den  Küstenstrich  (Tihäma) 
Jemen's".  Auch  hier  beginnt  Hamdäni  seine  Beschreibung  im 
Süden,  im  Gebiete  der  Banü  Magid  und  Farasän  *,  und  durch- 
streift, immer  nach  Norden  ziehend,  das  Gebiet  der  al-Asch'ar 
bis  Hais  und  Zabid,  dann  das  Land  der  Hakam.  ■'  An  diese 
schliessen  sich  die  Kinäna '",  deren  nördliche  Nachbarn  die 
Gohaina  sind. 

Während  Mekka,  der  Mittelpunkt  der  muslimischen  Welt, 
dem  alle  Geographen  ausführliche  und  schwunghafte  Beschrei- 
bungen   widmen,    im    Vorbeigehen    mit    vier    Worten    abgethan 


2  S.  202:    ^Is^J    ^ic^    J.LJ    |.L    lUj 


S.  206:    bCvl^f^     J^fr- 

S.   207;     L§Jl5^   j-y*^     *^^^'     ä<^^ 


S.  209: 


^^4jJ(    Jöel^" 


^  S.  209:    ^Lw^M    jJb.     tU^    ^J    Jjj 

9  S.  210:    ^Gj     auv^i^    ^^     jjCs.    cVL)     jvJ 

»o  S.  211:    JoUS"  ^    p!^    JJLj    ^J 
Sitzungsher.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  II.  Ult.  21 


314  D.  U.  Müller. 

wird  (ür^Lii^^  J^rtr^-  ^^)^y-=r^^  ^^■^))}  widmet  Hamdani  Tai'f, 
,der  alten  heidnischen  Stadt'  ',  und  ihrer  Umgebung-  eine  aus- 
führliche Schildei-ung  und  durchstreift  nochmals  das  Hochland 
von  Norden  (bei  Taif )  nach  Süden  gegen  Jemen  hin  2^  wobei 
er  der  Gruppirung  der  Stämme  auf  dem  Hochlande  bis  gegen 
Gurasch  hin  folgt.  Zum  Schlüsse  wird  noch  eine  Route  von 
Gurasch  nach  Sa'da  •'  durch  das  Land  der  Genb  angegeben 
und  ein  Verzeichniss  der  Wohnsitze  der  Rabi'a  im  Negd^  mit- 
getheilt. 

Bevor  Hamdani  Jemen  verlässt,  gibt  er  noch  eine  Zu- 
sammenstellung von  verschiedenen  geographischen  Kategorieen: 
,Die  Orte,  wo  Wild  und  Gespenster  vorkommen' '',  , die  Namen 
der  Städte ,  deren  Bewohner  zweien  verschiedenen  Stämmen 
angehören/  ^  Es  sind  aber  in  dieses  Verzeichniss  nicht  nur 
Städte  gemischter  Bevölkerung,  wie  Aden  und  San'ä,  sondern 
auch  Landschaften,  wie  z.  B.  der  Gauf,  der  von  Hamdän  und 
Madzhig  bewohnt  wird,  aufgenommen.  Der  darauffolgende 
Abschnitt,  dessen  Ueberschrift  fehlt,  verzeichnet  die  Berge  nach 
den  verschiedenen  Gegenden  und  Districten  und  beginnt:  , Sahir 
und  Dzachr  sind  die  beiden  Berge  der  Ma'äfir'.  In  den  weitern 
Abschnitten  sind  zusammengestellt:  ,Die  berühmten  Burgen 
dieser  Berge'";  ,die  hohen  Berge,  auf  deren  Gipfel  Anbetungs- 
stätten vorhanden  sind'^;  ,die  Berge,  deren  Basis  ein  lang- 
gestrecktes Hügelland  bildet,  deren  Gipfel  aber  spitz  zulaufen'-'; 


1  S.  212:    klUU^    JUJtXä    kÄjJoc    oiSLkJl    *.j 

2  S.   212:  ^j.+A-'l  ^11  IlN-^LaS  sllüX)^  f '7^^'  i^iX*.^  %-Ulj  fji  sLauJI  j^  J 

3  S.  21ß:    sjot^    Jl     Ji   :=,    ^x) 
*  S.  217:    xxAJx    ^L^ 

s  S.  218:     ^^\^     t>=^;.JI    ^1^^     sj^; 

«S.   218:     ^jSLclÄX.     ^aj^^     L^I     ^^J     ^aJI     ^^ÄJI     l\.^\ 
T  S.   220:    i^^^^J\    l.g^     e^r-^' 

«S.  221:     cX^Lv.J|      L^^^^^      3      ^x}\      JL4I     ^      .^\^}\ 
kÄJwCÜf 

«s.  221:  ^^^yi   iüo^JI  J^k.M  iJ^U^Jf  JL4( 


Bericht  über  die  Ergebnisse  ciuor  Heise  nach  Const.intlnopel .  315 

,die  abgefluchten  Ilückerberg-e'i ;  ,Berg-e,  auf  deren  Gipfel  Brun- 
nen und  künstliche  Bewilsserungsmaschinen  vorhanden  sind'-; 
,die  bei  den  Arabern  berühmten,  in  ihren  Gedichten  erwähnten 
Berge' •^;  ,die  Stätten  der  Gottesverehrung*'  (auch  die  heid- 
nischen) ;  ,die  Landungsküsten  Arabiens'  '^^ , dessen  Vorgebirge'  '^; 
,die  sprichwörtlich  gcAvordenen  Orte,  wo  Wild  und  insbesondere 
Löwen  vorkommen',  ^ ;  ebenso  , sprichwörtlich  gewordene  Orte, 
wo  Gespenster  vorkommen"'  und  zum  Schlüsse  eine  Aufzählung 
,der  alten  Tränkplätze'. ^ 

Nach  diesem  Excurs  verzeichnet  Hamdäni  die  Wohnsitze 
der  Araber,  die  nach  Norden  (Syrien)  gezogen •  sind '",  so  die  der 
Bruderstämnie  Lachm  und  Godzäm  (Sprenger  328j,  der  'Amila 
(Sprenger  424j,  der  Dzubjan  (Sprenger  220),  der  Kalb  (Spren- 
ger 32),  der  Ghatfän  und  'Odzra,  dann  die  Wohnsitze  der  Araber 
in  der  Umgebung  von  Madina",  besonders  der  Harb,  Gohaina 
Balijj  und  Mozaina  (Sprenger  28  und  225),  und  beschreibt  ferner, 
und  zwar,  wie  es  scheint,  nach  einem  anderen  Berichterstatter,  ,die 
übrigen  Wohnsitze  der  Araber  östlich  und  nördlich  vom  Wädi-1- 
Qura'J-  Er  beginnt  mit  den  Dijär  Solaiin,  südöstlich  von  Wädi-1- 
Qurä,    geht   von    hier    über   Higr    nach    Taimä   und    folgt   der 


'  S.  221:  JL^I    ^^    x+l^Jt 

^S.   221:  ^U.J|.    ^b^l|     L^^^J^    ^     ^il^iJl 

3  S.   222:  LsJ.LjiXÖI     ^     Sx^SlXjl      V;*"''     "^^      '^)^^*^^      J^4' 

*  S.  222:  5  0L*jl     *^l^^ 

5  S.  222:  ^^x}\    s.si    hyhJj 

6  S.  223:  ^:s\jf    Ij^    ^-.J^ 

"  S.  223:  J^Jf     Lh^-J    so.v^JI     ^ji^^y    ^t^^ 

8  S.   224:  J,;i^j|     L^    ^.^Jl    ^\     ^\ye 

9  S.   224:  aL^JJÜf    J^UJf 

'OS.  226:  ^o^it    ^vc    ^r-Uö    ^A    ^L-uO 

1'  S.  227:  iUjtXjl     r^U>    U-Vi    VT*^'     ^jS'L^ 

12  S.  229:  ^jc      ^ÄJ    Lo    v»ÄAjL^;c'b     bjcÄ^     «JLoJI    IAjC    ^-*ä.AJ' 


316  R'   "■  Müller. 

Gruppirung  der  Stämme  westlich  und  nördlich  von  den  beiden 
Gebirgen  (Ag-a  und  Salmä).  Vg-1.  Spreuger  32,  424,  341,  worauf 
noch  die  Dijär  Rabi'a  in  Mezopotamien  aufgezählt  werden.  ' 
Daran  schliesst  sich  ein  Capitel  über  ,die  Pflanzen  Jemen's'  - 
und  ein  anderes  über  ,die  Dialecte  der  arabischen  Halbinsel'  ^ 
(Sprenger  410,  352,  411,  87,  437,  419,  426),  dessen  Schluss 
lautet :  ,Das  sind  die  Dialecte  der  Halbinsel  im  Allgemeinen 
ohne  Detaillirung  und  Specialisirung'.  ^ 

Der  nächstfolgende  Abschnitt  heisst:  , Beschreibung  von 
al-*Arüdh  und  Bahrain,  des  niederen  Negd  und  der  Strassen 
des  oberen  Negd,  der  Weideplätze  dieser  Länder,  ihrer  Flüsse, 
Wasserbehälter,  Berge,  Städte  und  Wüsten,  bis  in  die  Gegen- 
den von  Higäz,  die  Höhen  von  Syrien  und  das  Gebiet  von 
'Iräq.  AI-Bahrain  und  die  angrenzenden  Länder  nach  Abu 
Mälik  Ahmed  ihn  Muhammed  ihn  Sahl  ibn  Sabbäh  al-Jesch- 
kuri.  Er  hatte  in  diesen  Gegenden  gewohnt,  sie,  Wasser  und 
Weideplätze  suchend,  vielfach  bereist,  so  dass  er  sich  eine  genaue 
Kenntniss  derselben  aneignetet  ^ 

Der  hier  eingeschaltete  Bericht  über  das  eigentliche  Hoch- 
land Arabien's,  von  dem  wir  durch  die  Reisen  Pelly's,  Sadlier's 
und  erst  in  jüngster  Zeit  besonders  durch  Palgrave  einige  richtige 
Vorstellungen  bekommen  haben,  ist  mit  grosser  Ortskenntniss 
geschrieben  und  erweist  sich  thatsächlich  als  das  Resultat  einer 


1  S.  231:   ixj^s    vbi> 


2  S.  233:    ^^jl    ci-'Lö    v*-? 

3  S.  234:    iJvJv^'     StXiii    J^l    <^^ 

*  S.  238:      (jö-oi/Jc'i      ^^0      ä-U4>|      J^      ^T^T^'      "^^       »<^-^ 

'-  S.  238:     tX^     or^^     ^Ä^Jt     J^.     ^J^if.    ^«^'t     Ä^-o 

^  tX*^l  viJJU  ^1  ^j^  l.^j^\yj,  ^.;^^^  'oV*"''   ^^r^^ 
LxAi».  L^j  jjl^^  L^\i  ji^*   LjcIäx^   W*-^;   A^ät^^JI 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Beise  nach  C'onstantinopel.  ol7 

sehr  eingehenden  Durchforschung  des  Landes,  das  unser  Reisen- 
der nach  allen  Richtuno-en  durchstreift  hat.  Seine  Strassen 
lassen  sich  zum  Theil  ziemlich  genau  verfolgen  und  .wir  wollen 
hier  in  aller  Kürze  ein  Bild  hiervon  zu  geben  versuchen. 

Abu  Malik  beschreibt  zuerst  den  Küstenstrich  von  al- 
Bahrain  mit  den  Städten  Hagar,  Qatif,  Oqair  u.  s.  w. ,  dann 
al-Sitar,  das  al-Sitar  von  Bahrain  '  (im  Gegensatze  zu  al-Sitär 
nördlich  von  Dharijja  auf  der  Basra-Mekkastrasse),  den  niedri- 
gen Bergrücken  der  Küste  parallel  bis  nach  Käziraa,  zwischen 
dem  und  der  Küste  die  Strasse  nach  Basra  läuft  (Sprenger  190), 
und  wendet  sich  von  al-Sitär  nach  Süden  bis  in  die  Gegend 
von  al-'Arama  (etwa  auf  demselben  Wege,  den  Pelly  gemacht 
hat).  Von  hier  kehrt  er  nach  al- Alisa  zurück  und  dringt  in 
Jabrin  ein.  ^  Von  Jabrin  geht  er  nach  al-Jemäma  •'^,  aber  nicht 
den  directen  westlichen  Weg,  sondern  in  einem  Bogen  zuerst 
nordwestlich  über  al-Sammän',  dringt  von  da  südlich  über 
al-'Arama'^  (das  sich  mehr  östlich  ausdehnen  muss,  als  es  auf 
unseren  Karten  verzeichnet  ist)  in  al-Jemäma  vor,  an  Gaww 
und  Chidhrima  am  Wädi  Irdh  vorbei  bis  in  die  Ebene  al- 
Charg  (Sprenger  317)  und  geht  von  hier  (etwa  auf  der  Route 
Sadlier's)  über  einen  Gebirgspass  des  'Aridh  nach  Weschm,  wo 
er  Thermedä,  Uschaiqir  und  al-Schaqrä  berührt. 

Er  kehrt  nach  al-Jemäma  in  das  Wädi  Irdh «  zurück,  in 
dem  er  die  Ueberreste  der  Tasm  und  Gadis  gesehen,  durch- 
zieht das  Wadi  Irdh  und  seine  Nebenthäler  von  Hagr  aus  ^ 
übersteigt  das  'Äridhgebirge,  geht  durch  das  Gebiet  der  Sadüs 
ihn    DzaVl    (nach    denen    w^ohl    die    Stadt  Saddus    benannt    ist) 


i  S.   239:    ^J^^'l    ;Lä***J    0**J    ^U*JI     jvJ 

=  S.  240:    ^^     .^^^     J^Ux!     ^Lv^^'Li     ^J^^^t    ii    ^^.    (VJ 

3  S.  241:    jwUaJÜ    IJcoU"    L§ÄX    Jut^J    (W 

4  S.  241:   ^C^M    p 

■    S.  241:  Lo^M   *kjL}  jvJ  JwU-JI  il    ^;;  i3r>.^  ^^./^^  i'  (^ 

'  S.  245:    ^^    ^kj    ^    ^^j    ^j 

T  S.  246:    ^wjJI     3    IcXa-^c^    ^^    ^XJ    ^f4.    |VJ 


318 


D.   II.  Müller. 


immer  nordwärts  durch  die  Sandwüste  (Dehna)  und  erreicht 
(etwa  bei  Megaza),  die  Basrastrasse  schneidend,  al-Hazu.  Bei 
Hafr  Abi  Müsä  tritt  er  in  das  Wädi  al-Falg-  über  und  kommt 
bis  in  die  Nähe  von  Basra.  Von  al-Falg  aber  biegt  eine 
Strasse  nach  links  ab,  die  zur  Harra-Lailä  (nordöstlich  von 
Wädi-1-Qurä),  dem  äussersten  Punkt,  den  unser  Reisender  in 
dieser  Richtung  erreicht  hatte,  führt.  ' 

Unser  Gewährsmann  geht  dann  auf  der  Kiifastrasse  von 
'Aqaba  bis  Dzät  'Irq  -  und  von  hier  nordwärts  auf  der  Basra- 
strasse nach  Dharijja.  Von  Dharijja  aus  hat  er  häufige  Aus- 
flüge in  die  Umgegend  gemacht,  in  das  Gebiet  des  Hima  sowohl 
als  auch  in  das  daran  grenzende,  so  dass  Hamdäni  sagen 
kann:  ,Und  das  Gehege  Dharijja  ist  ein  Mittelpunkt  für  die 
Umgebung  rings  herum,  bis  zu  den  äussersten  Stellen,  die 
Abu  Mälik  betreten  hat/3 

Was  hier  über  die  Landschaft  Dharijja  mitgetheilt  wird, 
ist  selbst  nach  dem,  .was  Wüstenfeld  in  seiner  Abhandlung: 
,Die  Strasse  von  Bacra  nach  Mekka  mit  der  Landschaft  Dha- 
rijja' nach  Bekri  und  Jaqüt  zusammengestellt  hat,  neu  und  werth- 
voll,  weil  auf  selbstständiger  Forschung  beruhend.  Die  Haupt- 
ausflüge, die  Abu  Mälik  von  Dharijja  aus  gemacht,  sind:  in 
nordwestlicher  Richtung'  an  den  Abäubergen  vorbei,  in  öst- 
licher Richtung-^  auf  der  Strasse  nach  Uschach  an  Bakra 
endlich  nach  Süden  6  an  dem  Berge  Nir  vorbei.  Nachdem 
er   noch    die    angrenzenden  Ländereien "    und    insbesondere  die 


•  S.  249:  iL^I    sj^   ^    ^^iJLx   yc^    JU 
2  S.  249:  ^jJa.'!    J^Uvo 

3S.  251:  ^1    ^j^l^     ^^-f    Jt    ^^    y^    L^     ^_J^-     ^1^ 

*  S.  251:  ^x)      Ju.^'1      (Jw^oj      Ujo      iOw^       jl»*^.       i>-^     iJ>-*"5 
^f^JI^    Oy^f^   J^WI 

5  S.  252:  ,^4^1     Ahjo    Jl    iOw^    ^jc    Ji 

6  S.  254:  ^1    ^    iJ^      ^,^^:^    ^^ 
^  S.  256:  ^^1    j^j    Ll>0^ 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  CanstaiiUnopel.  olu 

Gewässer  des  Thalilän  und  die  von  Schuraif  ^  (Sprenger  370) 
und  endlich  das  Gebiet  der  Bähila-  beschrieben,  wendet 
er  sich  nach  al-Falag-  und  macht  es,  wenn  man  so  sagen 
darf,  zu  einer  neuen  Operationsbasis  seiner  geographischen 
Ausflüge. 

,A1-Falag'  —  sagt  Hamdäni  —  ,ist  der  Mittelpunkt,  um 
welchen  die  Umgebung  den  Kreis  bildet.' 3  Zuerst  wird  der 
Weg  nach  Jabrin  in  östlicher  Richtung  beschrieben  (Spren- 
ger 276),  wozu  Hamdäni  bemerkt:  , Hinter  Jabrin  und  al-Chinn 
bis  nach  'Oman  dehnt  sich  ein  ununterbrochenes  Sandmeer 
aus,  welches  Abu  Mälik  nicht  betreten  hat/'  (So  muss  diese 
Stelle,  abweichend  von  Spreuger  270,  übersetzt  werden.)  Es  folgt 
die  Beschreibung  einer  Strasse  nach  Norden,  nach  al-Jemäma  ■', 
worauf  das  Stromgebiet  des  al-Charg  6  geschildert  wird.  Nach 
Mekka  führen  zwei  Strassen  von  al-Falag.  Die  nördlichere 
wird  zuerst  beschrieben  '  (Sprenger  372),  die  südlichere  führt 
über  die  Wüste  DabiP  (Sprenger  373).  Von  al-Falag  geht  eine 
Strasse  nach  IMuqtarib,  die  sich  hier  theilf;  die  rechts  ab- 
biegende führt  nach  al-'Aqiq,  die  andere  über  Negrän  nach 
Jemen  '^  (Sprenger  367). 


LI 


1  S.  256:  oijwCC^JI     sLyo    ^xi    y^ÄÄi.!    Sj 

2  S.  257:  iÜjeLj    Ot^^       . 

3  S.  260:  ij^io    äJ^=»    Lo^    ^ki"   JOJI 

*  S.  261:  sliaj     [vi    J^x     ^Uä    J,'    J^;    ^=^'^    C^"7^    ^h^^ 

'   S.  261:  JJiJ\     ^x     JU^'I     tVAii     ^X^ 
6S.  262:  l\    3    ^-tXJ-    ^'1     JOjp«!     ^x^ 

'  S.  262:  JsÄJI    xJLö    ^^ 

s  S.  263:  ^vi*!^M     (^J  Js-M    Jl    Lä*=>^    ^ 

9  S.  264:  n^Xx    V^^'     -r^-''    ^''    ^'     ^'^)    ^ 
S.  265:    ^♦Ji     JJ^     «-J^;JiJi     ^x     ^y^-M     Jl     o^=>^    ^ 


10 


320 


D.  H.  Muller. 


Hierauf  folgt  wieder  eine  allgemeine  Uebersicht  von  den 
, Minen  al-Jemäma's",  von  den  , Regenzeiten'  dieser  Gegend  2^ 
, Orten,  wo  Dämonen  sich  aufhalten'  '■^,  , Orten,  an  denen  Winde 
häufig  sind'',  ferner  eine  , Beschreibung  der  Winde  der  vier 
Weltgegenden  und  der  Winkel  winde  (Passatwinde)'  ^,  ,eine 
Aufzählung  der  salzigen  Gewässer' «,  ,der  Pflanzen  und  Gräser 
des  Negd'^,  und  zum  Schluss  ,einc  Zusammenstellung  der 
geographischen  termini  technici  für  die  verschiedenen  Boden- 
formationen'. *^ 

Es  ist  natürlich  schwer  zu  sagen,  ob  Alles,  was  al-Hani- 
dani  über  diese  Gegenden  mittheilt,  von  Abu  Mälik  herrühre, 
oder  ob  er  dabei  auch  andere  Nachrichten  verwerthet  habe.  Da 
jedoch  im  Folgenden  diese  Gegenden  nochmals  nach  anderen 
Quellen  beschrieben  werden,  so  drängt  sich  die  Vermuthung 
auf,  dass  dem  bisher  Gesagten  hauptsächlich  der  Bericht  des 
Abu  Mälik  zu  Grunde  liesre. 

Auf  diesen  grossen  Bericht  folgt  ,die  Beschreibung  des  al- 
'Arüdh'  0,  die  mit  der  al-Falag's  nach  der  Angabe  der  Bewohner 
beginnt  (Sprenger  364  und  365).  Daran  schliessen  sich  einige  Be- 
merkungen des  al-öarmi  über  diese  Gegend  und  des  Ahmed  ibn 
al-Hasau  al-Ghädi  al-Falagi  über  die  Wüste  Dabil  und  Dehnä  "'. 
Nach    einem   kleinen  Excurs   ,über   die   verschiedenen   Dattel- 

1  S.  267:     XAxJj     ^Lj4>^    «üoUvJI     ^i>\jUO 

2  S.  268:    i>^Jf    sj^   ^Ua;of 

3  S.  268:   ^^^^If     5 Joe     ^     ^it     0;Ijw 
*  S.  268:        LJf     «^ly, 

5  S.  269:    Lf^yi^   ^Ui-^'l         L^    kx^ 

6  S.  269:        >Lo^l|    »LyoNtf 
^  S.   270:     Jc^    ^^1    ^L/J 

8S.  273:    Üß^^    (Xsi    ^pi(     ^Ijij    ^Lä^ 

9  s.  216:  ^jö^yx}\  ^   AsiJ\    Vr*''   V^y^  O"^  U^^T*^'   ^^-^ 

1»  S.  279. 


Bericht  über  die  Krgebnisse  einer  Heise  nach  Constantinopel.  321 

gattungen  des  al-Falag'  '  folgt  eine  ausführliche  Beschreibung 
von  al-Jeniäma-  (ob  sie  von  al-Garnii  herrührt,  ist  zweifel- 
haft), daran  reihen  sich  einige  Bemerkungen  des  al-Garmi 
über  die  Wohnsitze  der  Garni  in  Jemänia  und  anderwärts  ^ 
und  eine  Beschreibung  von  al-Weschm  von  demselben.^  Es 
folgt  eine  kurze  Notiz  über  die  Lage  Jebrin's'"  (Sprenger  276), 
eine  Beschreibung  des  'xVridhgebirges  '•  (wohl  von  einem  Reisen- 
den ,  der  in  dasselbe  von  Negran  aus  eindrang)  und  ein  Ver- 
zeichniss  der  Etappen  von  Negran  nach  al-'Aqiq"  (Sprenger  368). 
In    einem    von  Hamdäni    angeführten   Gedicht    des  Mälik 

r 

ben  Gurain  kommt  ein  Vers  vor,  der  lautet:  ,Wir  werden  den 
Gauf  schützen,  so  lange  Ma'in  in  seinen  Niederungen  'Aräd 
gegenüber  liegt/  Die  Erwähnung  des  Gauf  benützt  Hamdäni, 
um  eine  Excursiou  in  denselben  zu  machen  und  von  Norden  aus 
(Negran)  in  ihn  einzudringen.  Er  sagt:  , Da  wir  Ma'in  erwähnt 
haben,  so  wollen  wir  an  dieser  Stelle  bemerken,  was  in  Gauf 
von  Bauüberresten  und  bewohnten  Orten  vorhanden  ist,  und 
die  Ortschaften  des  Gauf,  seine  Grenzgebiete  und  das  Land 
der  Schäkir  beschreibend  ^  Eine  kurze  nochmalige  Schilderung 
al-Bahrain's  ^  schliesst  diesen  Abschnitt.  Daran  knüpft  Ham- 
däni folgende  Bemerkung:  ,Es  sagt  Abu  Muhammed:  Wenn 
wir  al- Bahrain  so  eingehend  beschreiben  wollten,    wie  wir  al- 


1  S.  280:     XsJ\    ^\^    A*A«I 

2  S.  280:  LoUa.'' 

3  S.  283:  \i*  äJOo    i^*.jJI    j^xJ    -j:?«     ^lJc> 

4  S.  283:  iöoU^.M    u^J    ^>c    ^^^1 

5  S.   285:  iuiU^jJ!    fJiy^    J^    lj":?7^ 

6  S.  285:  Aj\    'iy^£.    J>LäÄX)    J-aä..    yöxLjtJl^ 

7  S.  287 :   ^Ä*j|    jl    ^1^:^    J^^I^X) 

s  S.  289:    Lo    wS'jö     liÜ    ^*Jf    tj^    3    ^x<c    U^f3    tXs    JI5 

oy^l  ^lifi^l  ^  ^  ^  /<^j  ;r-*-'S  ;*-^'-''  ü-^  ^t^^ 

«S.   291:     »y^^l;     ^J^^'t 


322  D.  H.  Müller. 

Falag  beschrieben  haben,  so  würde  es  uns  zu  weit  führen, 
obwohl  wir  schon  einige  Theile  desselben  erwähnt  liaben. 
In  gleicher  Weise  müssten  wir  sehr  ausführlich  sein,  wenn 
Avir  den  grössten  Theil  von  Jemen,  Negd  und  die  Gebirgszüge 
ausführlich  .  schildern  wollten.  Als  Beweis  hiefür  möge  der 
Umstand  dienen,  dass  eine  Schilderung  der  Thäler  des  Wädi 
Negrän  und  der  kleinen  Gewässer  des  Gauf  (abgesehen  von  den 
grossen)  eine  stattliche  Anzahl  von  Ortschaften  ergibt^'  Nachdem 
er  durch  eine  Schilderung  dieser  Wädi  den  versprochenen  Beweis 
erbracht  hat,  wendet  er  sich  zur  , Beschreibung  der  berühmten 
Orte  zwischen  al-Jemen,  Negd,  al-'Arüdh,  al-'Iräq  und  Syrien^ 
und  erwähnt  dann  die  Pilgerstrassen.  -  Er  beginnt  mit  den 
Dijär  Bekr  und  Dijär  Taghlib,  dann  folgen  ausführlich  die 
Dijär  Balijj  •'  (Spreuger  28),  das  Land  der  Gohaina  '  (Sprenger  28) 
und  die  Niederlassungen  der  Ijäd'',  ferner  die  Dijär  Rabi'a** 
in  al  -'Arüdh  und  Negd  und  die  Wohnplätze  der  Hudzail.  ' 
Eingeschaltet  wird  ein  ,Capitel,  in  dem  Dichterstellen  angeführt 
werden,  welche  Orte  von  Negd  erwähnen'  ^,  ein  anderes  ,über  die 
Wohnsitze  der  Araber,  die  von  Angehörigen  verschiedener 
Stämme  bewohnt  werden'-';    ferner  ein    ,Verzeichniss  der  alten 


1  S.  292. 

2  S.  293: 


3  S.  294:    ^   ^UO 

*  S.  295:    kÄA^:^    ^^| 

5  S.  296:    0\^\    J^Ux 

6  S.  297:    J,^^    uö^Y*il    ^    JÜIAJ^   ^L>c> 
T  S.  298:    J^j^    nLo 

8  S.  299:    *^\yjo  ^>*}\  CiJv^3    U-o  s^IjuÜI  ^^x  cijLjot  aui  iw»L 


Bericht  ülier  die  ErgtibnisEe  eiuer  Keise  uach  Consiantinopel.  ö23 

arabischen  Märkte'^,  eine  Zusaminenstellung^  der  ,Dijär  Tamiin'- 
und  zum  Schhiss  eine  Aufzählung  der  Pilg-erstrassen : 

I.  ,Die  Pilg-erstrasse  von  Iräq'-',  von  ßaghdäd  ausgehend, 
sowohl  über  al -Madina,  als  direct  von  Ma'din  Nuqra  nach 
jMekka  unter  Angabe  des  Breitegrades  jeder  Station  und  der 
Entfernung  je  zweier  Stationen  von  einander  in  Meilen. 

IL  ,Die  Pilgerstrasse  von  San'ä  nach  Mekka  '  über  das 
Hochlande  Hier  werden  neben  Breitegraden  und  IMeilen  auch 
,Tagemärsche'  und  bei  grösseren  Stationen  aucli  die  Anzahl 
der  Posten  (jo».j)  angegeben. 

III.  ,Die  Pilgerstrasse  von  San'a  über  Tihäma.'  ■'  (Hier, 
wie  bei  den  folgenden,    werden   nur   die  Stationen   aufgezählt.) 

IV.  ,Die  Pilgerstrasse  von  Aden. ^''  Sie  trifft  in  'Athar  mit 
der  San'ästrasse  (III)  zusammen. 

V.  ,Die  Pilgerstrasse  von  5adliramaut'. ''  a)  die  obere 
über  'Abr,  den  Gauf  und  Sa'da,  wo  sie  mit  der  San'astrasse  (II) 
zusammentrifft  (Sprenger  246) ;  h)  die  untere  über  Negrän  und 
Tabäla.    Sie  trifft  dort  mit  der  San'ästrasse  (II)  zusammen. 

VI.  ,Die  Pilgerstrasse  von  Aden  über  San'ä' ''j  und  zwar 
hart  am  Jafi'gebirge  (Sarw  Himjar)  vorbei,  und 

VII.  ,Die  Pilgerstrasse  von  Aden  über  San'a  an  al-Ganad  '^ 
vorbei',  westlich  von  der  vorigen. 


1  S.  308:  iL*JtXÄ.'l   vy*-''    ü'r^' 

2  S.  309:  ^^    ^LjJ 

3  S.'SU:  J)Lx.'l    ulk* 

^   S.   319:  ^IäjLo    ^-O      ^'!     ^jÖ^y3L}\     >jJJij     J-C^     ^^Xk^     Ä^ 

5  S.  322:  iLoL^"     iJJyis     XXo     ^1     pIxÄ.O     ä^*' 

6  S.  323:  ^Jcc:     &.S^ 

^  S.  324:  ^yyoyjc^     Ü^ 

8  S.  325:  pIxAxs     ^jJö    J^    ^^^    '^^ 

9  S.  325:  i^jj>\    J^£.    \^Xx}\     ^cVc     ».'^ 


324 


D.  H.  Müller. 


Den  Schluss  des  Buches  widmet  Hamdäni  ausschliesslich 
Jemen.  Ein  grosser  Abschnitt:  ,Die  Wunder  Jemen's,  die 
in  anderen  Ländern  nicht  ihres  Gleichen  haben''  überschrieben, 
enthält  eine  Aufzählung-  der  Merkwürdigkeiten  Jemen's.  Dazu 
gehören  ,das  Thor  von  Aden,  das  tunnelartig  durch  einen 
Berg  gebrochen  worden' 2,  ,die  Diirchgrabung  des  Berges 
Bainün' ^,  ,die  Festung  al-Gowwa  im  Gebiete  der  Ma'aiir' ^, 
,der  Berg  Tochlijj  mit  seinen  Festungswerken'  ■',  ^die  Berge 
Hannüm  [oder  Hinnaum]  ^  (Sprenger  57),  Bart",  Tan'uma  ^ 
und  Dzachär' '',  ,das  Gebiet  von  San'ä' '",  , verschiedene  Boden- 
producte ,  die  nur  Jemen  eigenthümlich  sind',  , merkwürdige 
Brunnen'",  ,Orte,  an  denen  Schlangen  nicht  schaden  können' '2, 
,Hausthiere  und  Kunstproducte  Jemen's',  , Fundorte  edler 
Metalle'  (Sprenger  60)  '•'',  ,Orte,  an  denen  Todtenklagen  ab- 
gehalten werden'",  ,Orte  die  sprichwörtlich  geworden  sind'.  '^ 

Als  Anhang  folgt  eine  Sammlung  geographischer  Gedichte, 
die  gewiss  zum  Theil  als  die  ersten  Versuche  angesehen  werden 


1  S,  326: 

Lgi:i/o  <xL»  ^  ij^  ^^Jl  ^^♦^il  ^ 

2  S.  326: 

^j(X£-    ujb 

3  S.  326: 

^}^^-?  ^^ 

4  S.  326: 

»«ä'  j^*-^* 

s  S.  326: 

li^d  Ju^ 

6  S.  333: 

^yXS^      J/.=^      I^JUC^ 

1  S.  334: 

iöjj      J.A.Ä^       ^■*-*^ 

8  S.  335: 

jUaäj   J^^  ^^5 

9  S.  335: 

X^i>      (i-AS^      \^XjOm 

10  S.  335: 

c=^Ljia.o    J.ÄÄ.    ^♦-yt    'w*^'-:^    ij"**^ 

1»  S.  345: 

'^4J\   ;lj^t    ^x>5 

12  S.  346: 

^li^lf     l.^    y£Li    "3    ^1     «^I^JI 

1^  S.  348 

wjO^I         ^jl*/) 

1*  S.  349 

^■^Jl     J.£.     Üä-L/JI      ,«^1^/3 

1^  S.  350: 

(jjvU..'l     L^J     IwJ^wÖ-JI      Ä.of^JI 

;U 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  Constantinopel.  32o 

dürfen,  g'eograpliische  Beobachtungen  zu  registriren.  Solche  Ge- 
dichte hat  Hamdäni  mit  grossem  Fleisse  gesammelt,  sie  uns 
hier  und  im  Iklil  überliefert  und  vielfach  commentirt.  Die 
Ueberschrift  dieses  Anhanges  lautet:'  , Sammlung  von  auf  uns 
gelangten  und  von  uns  vernommenen  Gedichten,  die  eine 
Menge  von  Wohustätteu  und  Strassen  der  Araber  aufzählen. 
Diese  Sammlung  enthält  nur  einen  kleinen  Thfeil  von  dem,  was 
die  Araber  von  derlei  Gedichten  kennen ,  und  zwar  nur  sol- 
chen, die  gewisse  Besonderheiten  mancher  Ortschaften  behan- 
deln. Was  aber  an  Gedichten  überliefert  worden  ist  über  ein- 
zelne Theile  der  arabischen  Halbinsel,  wie  über  die  Gcsammtheit 
derselben,  das  kann  Keiner  umfassen  und  vermag  Niemand  zu 
sammeln  und  vollständig  zu  beherrschen,  weil  jeder  Dichter 
Lagerstellen,  Regenzonen  und  Plätze,  wo  Futterkräuter  wachsen, 
erwähnt,  die  kein  Anderer  nennt,  wenn  er  kein  Plagiator  ist.' 
Bei  der  Wichtigkeit,  welche  diese  Gedichte  als  die 
ältesten  geographischen  Verzeichnisse  haben,  wird  eine  etwas 
ausführlichere  Aufzählung  derselben  hoffentlich  nicht  uner- 
wünscht sein:  Gedicht  des  al-Achnas  ibn  Schihäb  al-Tagh- 
libi  -,  in  dem  er  einige  Niederlassungen  der  Araber  in  dieser 
Halbinsel  erwähnt.     11   Verse,  Tawil : 

V^T^^   (jt-^s?   ^-iJ-iV-I  u^^r^      ^y-*^   <^*^   1^:;^   lt*— ^'   (>-^>J 

Abu  Qais  ibn  al -Asiat  ^,  indem  er  Ghatfän  vom  Kampfe 
gegen  die  Chazrag  abhält,  spricht  7   Verse,  Wäfir: 


t— jLis.L_i   Aia.1 J^\    £=L_^^L_i       ,c"*-^   L-ixÄi   v_OyÜ    oLä.^^ 


1  S.   351 :    ^^5  L*w.>0     ^^    wAaxXJ     LjtXil^»    j.*.*xJf     ^^yX    ^Ji\     Lo     So 


2  S.  352 

3  S.  353. 


326  IV  H.  Müller. 

Gedicht  eines  Mannes  aus  dem  Geschlechte  des  As'ad 
ibn  Mälikjakrib,  Tobba'j  in  dem  er  der  Niederlassung-en  derer 
gedenkt,  die  aus  Jemen  in  andere  Theile  der  arabischen  Halb- 
insel sich  begeben  haben.     11  Verse,  Tawil : 

Es    folgen  vier  Gedichte,    die  auf   die  Auswanderung  der  Azd 
Bezug  haben, 

I.  Es  sagt  Abdallah  ibn  Abd-ul-Rahmän  al-Azdi '  in  einem 
Gedichte  über  die  Trennung  der  Azd.     12  Verse,  Wafir  : 

^^L^  tX^   (VS^^5   J^y-^'<i     ^--^^  ^^^5  ^^~i  u;;^5 

II.  Und  es  gehörte  zu  denen ,  die  sie  (die  Azd)  aus- 
gesendet haben,  um  Weide-  und  Tränkeplätze  für  sie  zu 
suchen,  ein  Mann  von  den  Bann  'Amr  ibn  al-Ghauth  ^^  der  für 
sie  als  Kundschafter  in  das  Land  ihrer  Brüder,  Hamdän,  ge- 
schickt wurde.  Er  fand ,  dass  die  Weiden  dieser  Gegenden 
für  die  Bewohner  und  die  Einwanderer  nicht  ausreichen  wür- 
den,    kehrte    heim   und  recitirte  folgende  16  Verse,  Wafir: 

III.  Gleich  traurige  Kunde  brachte  ihnen  'Aidz  ibn 
'Abdallah, 3  der  in  das  Land  der  Himjar  als  Kundschafter 
geschickt  worden  war.     Er  sprach.     13  Verse,  Tawil: 

IV.  lieber  die  Auswanderung  der  Azd  sagt  auch  Gumä'a 
al-Bäriq!.-»     27  Verse,  Chafif: 

Diesem  Gedichte ,  wie  den  vorhergehenden ,  sind  erläu- 
ternde Erklärungen  über  die  Wohnsitze  der  Azd  von  al-Ham- 
dani  beigegeben. 


1  s. 

355. 

2    S. 

356. 

3   S. 

357. 

«  s. 

358. 

Bi'rieht  üb.r  die  Ergebnisse  eiiior  Reise  n;icli  Constantiiiopel.  o2i 

Daran  scliliesst  sicli  ,die  Erzählung  vom  Streit  zwischen 
den  Stämmen  Muräd  und  Thaqif  wegen  des  Landstriches  von 
Wag'g-  vor  dem  Propheten  und  sein  Schiedsspruch  darüber'.' 
Am  Schkisse  stehen  6  Verse  des  Zubjun  ihn  Kudäda, 
Tawil : 

f 

Der  darauf  folgende  Abschnitt  heisst:  ,Erwähniing  der 
oberen  Theile  der  arabischen  Halbinsel ,  die  zu  Jemen ,  al- 
Higfiz  gehören  nebst  den  Grenzgebieten  von  al-Jemäma  und 
sein  'Arüdh'.' 

Es  erzählt  Abu  al-Hasan  al-Choza'i  (seine  Heiniath  war 
das  obere  Neg-d,  er  war  aber  in  'Arüdh  viel  herumgekommen 
und  hatte  mit  den  Bewohnern  des  Hochlands  verkehrt  und 
von  Allen  das  Vorzüglichste  aus  der  alten  Geschichte  erfahren), 
dass  in  einem  Jahre  der  Regen  ausgeblieben  war  und  dass  in 
Folge  dessen  grosse  Noth  und  Wassermangel  in  Arabien  ge- 
herrscht habe.  Man  pilgerte  von  allen  Gegenden  Arabion's 
zur  Ka'ba,  um  Regen  zu  erflehen.  Bei  dieser  Gelegenheit 
recitirte  al-Guräza  al-'Amiri'\  ein  Dichter  aus  Negd,  ein  Ge- 
dicht, in  dem  er  viele  Ortschaften  des  Negd  aufzählt.  34  Verse, 
Chafif: 

^L_^xJI  s_ft.c!i.xj  (^_A_ii.l  ^£.  y sCcXJf  dLjwi  ^s\A*;l.i  vJ^r-cXi  (._J^ 

Ein  Dichter  aus  Tihama,  Namens  Abiil-Channäsch  al-l.Iagri  ^ 
verfasste  ein  ähnliches  Gedicht  über  Tihama.  32  Verse,  Chafif: 

iUjJf  villi  S^\  I3L}  ^k^ :^  !^f^  jLii  ^  Cli.  Lo  Cj; 


-  S.  36G:    ^^Jl  ^A  ^  ^^\    iUJL*.'!  ^ys}\    i^_y=^  -1^=.!   ^53 


3  S.  367. 
^  S.  369. 


328  1>    H.  Müller. 

Darauf"  recitirte  ein  Dichter  ans  Hii^az,  der  unter  dem 
Namen  al-'Ag-h\ni'  bekannt  war,  ein  Gedicht  über  sein  Hei- 
matsland, 29  Verse,  Chafif: 

Hamdani  fährt  in  der  Aufzählung  der  Gedichte  fort.  Es 
sagt  Ibn  al-Asch'ath  al-Genbi  in  einer  Schilderung  der  AVüste 
Saihad  '^,  die  er  von  Negrän  aus  besucht  hat.     12  Verse,  Käniil : 

Es  sagt  al-Härith  ibn  Hilliza  ^  (ein  Gedicht)  und  er- 
wähnt darin  Orte  (der  Jeschkur)  und  die  ihrer  Verbündeten. 
Muällaqa,  Vers  1 — 7. 

Es  sagt  'Alqama  ibn  Zaid  ibn  Bischr  vom  Stamme  Chau- 
län-Qodhä'a.  '  Er  war  ausgezogen,  um  Hilfe  zu  suchen  gegen 
die  Hawäzin  und  die  Banü  Solaim  und  beschrieb  die  Gegen- 
den ,  die  er  durchzogen  von  seiner  Heimat  bis  nach  Sa'da  und 
von  da  nach  San'ä  mitten  durch  das  Land  der  Hamdän. 
46  Verse,  Tawil: 

Es  folgen  2  Verse  des  Tarafa-^,  die  Orte  der  Beled 
Madzhig  enthalten  (Ahlwardt ,  Diwan  XHI,  1  und  2) ,  9  Verse 
des  Labid  über  Negd  und  Higaz  (Mu'allaqa,  Vers  1,  3,  15, 
17—19,  26,  45,  71),  4  Verse  des  Abu  Du  ad  «^  über  die  Wohn- 
sitze der  Ijäd,  Chafif: 
'1    -   -    ,1    r      .?  -I    -:    r     ^   't  ^      'r-         ""         '  '     -        "    / "  "1 

2  Verse  von  demselben  Dichter  auf  «w — ,  Chafif.     1  Vers 

des  al-'Aggäg'  auf  ^/— ,  Regez  (Diwan  XIII,  43).  3  Verse 
des  Zuhair  (Ahlwardt,  Diwan  IX,  7—9).  1  Vers  desselben 
Dichters,  vgl.  a.  a.  0.  S.  191,  XI. 


«  s. 

371. 

2    S. 

373. 

3    S. 

374. 

*  s. 

375. 

5    S. 

378. 

6    S. 

379. 

^  s. 

380. 

Bericht  ülii'r  ilie  Ergebnisse  einer  Keiso  nach  Cou.stjntiuopel.  O^JJ 


tl 


2  Verse  desselben  Dichters  (Alihvardt,  Diwan  X,  4  und  5). 
4  Verse  des  al-A'scliä  ',  jMutaqarib : 

jv-i-Xi    ;^>«t_i    LNi-f-Ä.;    ^L^^      L^_iLii     JL*_iJ     v^-i^-Ic^ 
6  Verse  von  demselben  Dichter,  Tawil: 

5  Verse  des  Tarafa  uder  al-Cliirniq,  Wätir;  fehlen  in  der 
Ahlwardt'schen  Ausgabe: 

^:jJu    ^sCc^iLi    i^J.ji  i-iJ  JT  ü«-^  LX^ 

Hierauf  fokt  eine  Reihe  von  Gedichten  über  Gewitter 
und  Regeng-üsse.  in  denen  die  arabischen  Dichter  gewöhnlich 
grosse  Strecken  Landes  beschreiben. 

Abu  Du  ad  beschreibt  ein  Gewitter.-    G  Verse,  Mutaqarib : 


C  --   -         S        ü 


'3\j~i    GfcCj    ';^-^    ^'■>)-=?-    ■r-      '— :?r--'^    x-Ä_Ai   ^_-w^J'  ö*_A_i^ 

Imrulqais  erwähnt  zehn  Orte  von  al- Bahrain  (Ahlwardt-, 
Diwan  X,  1  und  2),  desgleichen  an  einer  anderen  Stelle 
,L1X,  1,  2,  7);    2  Verse  desselben  Dichters  (XXV,  1  und  2). 

Ein  Gedicht  des  Dzul-Rununa.     8  Verse,  Tawil: 

Es  folgen  (5  Gedichtfragniente  des  Kuthajjr.  •' 
I.  5  Verse,  Tawil: 

IL   7  Verse,  Tawil: 

III.  Kothajjr  erwähnt  vieler  Ortschaften  zwischen  Mekka 
und  Jathrib  (al-Madina).     12  Verse,  Chafif: 


1  S.  381. 

2  S.  382. 

3  S.  383. 

SitzuDgbljer.  d.  phil.-liist.  Cl.  CX.  Bd.  II.  litt. 


330  D.   II.  Müller. 

IV.  9  Verse,  Tawil : 

V.  Kuthair    beschreibt    ein    Gewitter    in    einem    grossen 
Theile  von  Higäz.     24  Verse,  Tawil : 

VI.  5  Verse,  Mutaqärib: 

3  Verse  des  'Abid  (ibn  al-Abras) ',  Basit: 

10  Verse  des  Imrulqais  (Ahlwardt,  Diwan  XliVIII,  65 — 74). 

2  Verse  desselben  Dichters  (XXXV,  4  und  5). 
5  Verse  des  al-A'scha  •^,  Basit : 

I^-Uj    J.-J5^    cs^)*^    ^   V7^~    ^;>-^ 

cV^^I    i— 3>LccJI     [VV^.     ^—^^^5     'J^^V^ 

AI -Schammäch    besehreibt    die    Tränken    der     Wildesel. 
8  Verse,  T^^wil : 

3  Verse  des  Schabib  ibn  al-Barsä  '-^  Kämil : 

4  Verse  des  Mutalammis,  Kämil  muraffal : 

Der  Dichter  al-Qutämi  beschreibt  ein  Gewitter.    7  Verse, 
Wäfir : 

ri  "  .    "  j    '  ' "  '     " \   "       "' «        .    '        "' ?»      '  I  '    "  ' ,     '  .".  T 


1  S.  387. 

2  S.  388. 
^  S.  389. 


Bericht  über  die  Ergebuisse  einer  Reise  nauli  Constualiiiopel.  ddl 

3  Verse   des   Zuhair  '    (Diwan   XV,   5 — 7);    2  Verse    von 
demselben  (Diwan  X,  4  und  5). 

3  Verse  des  al-Aswad  ibn  Ja'tiir,  Kaniil : 

3  Verse  des  al-Muthaqqab  (al-Abdi),   Wafir: 

2  Verse  des  Abu  Maqrüm  auf  cl — ,   Wätir. 
Abd     Bani    al-Chaschchäsch  -     beschreibt    ein    Gewitter. 
11  Verse,  Tawil: 

nr'    -     ?"     "    ."'M    'ir-     ^    .-• 

Abu  Dzu'aib    beschreibt    ein  Gewitter.     11   Verse,  X'i^vil: 

'     '      *     '    1      -     5    '      '..i    -  -       ..\"\       .1     f>      "    -     *t        '■' 
^>^    1^-^^' ^    ^t-^    *.J^— ^-:5»      ^^     Y^'    (Jo     ^y*-^     [*'     <5-*^ 

Sä'ida  ibn  Guwajja''  beschreibt  einen  Regenschauer.  7  Verse, 
Kämil: 

Drei  Gedichtfragmente  von  ('Adi)  ibn  al-Raqa'.    7  Verse 

auf  ^ — ,  Basit;   7  Verse  auf  L»! — ,  Kämil;  2  Verse  auf  x — , 
Tawil,  und  zum  Schluss  noch  7  Verse  von  Ibn  Muqbil  ',  Tawil : 

l^_AJLi    JwsJ    ^.^     xj^    ^Uj      j:^Lj  t^^^  cVit  ^^i^  J^U 

Al-Hamdäni  schliesst  diese  Sammlung  mit  den  Worten: 
,Die  Anführung  dieser  Gedichte ,  in  denen  die  Araber  ihre 
Wohnsitze    erwähnen,    möge    genügen.^  ^      (Hier    schliesst    die 


1  s. 

390. 

J  s. 

391. 

3    S. 

392. 

*  s. 

394. 

s    i^ 

lö<    1 

£).,* 


332  D.  II.  Hill  1  er. 

Constantinopelei"  Handschrift,  im  Codex  Miles  heisst  es  weiter:) 
,Wer  aber  noch  vollstäudigcr  diese  Gedichte  keiineii  lernen  will, 
der  mög-e  die  Schilderungen  der  Gewitter  und  die  Beschreibungen 
von  Tränkplätzen  der  Wildesel  bei  den  arabischen  Dichtern 
nachlesen ;  denn  diese  beiden  Arten  von  Schilderungen  ent- 
halten die  meisten  Namen  von  Wasserplätzen  und  Wohnstätten 
der  Araber.  Ich  kenne  aber  Keinen,  der  von  der  arabischen  Halb- 
insel eine  Wegstrecke  von  24  Tagen  in  einem  originellen  Ge- 
dichte beschrieben  und  vielfach  darin  das  Kameel  und  die  Wüste 
geschildert,  ausser  Ahmed  ibn  Tsä  al-Ridä'i  aus  dem  oberen 
Chaulän.  Er  wohnte  in  Ridä'  in  Jemen  und  beschrieb  die 
Länderstrecken  von  da  nach  Mekka  über  die  San'ästrasse  im 
oberen  Negd.  Ich  hatte  einmal  auch  von  einem  Basrenser 
einige  Verse  über  die  Basra  -  Mekkastrasse  gehört,  die  nicht 
schlecht,  aber  im  Ganzen  doch  schwach  waren.  Auch  Abu 
Jüsuf  ibn  Abi  Fudhäla  al-Abnawi,  der  Grossvater  des  Abu 
Jüsuf ,  der  in  der  Zeit  des  Muhammad  ibn  -  Ga'far  lebte, 
hatte  ein  Jambengedicht  über  die  Pilgerfahrt  von  San'ä  ge- 
macht,  das  sehr  schwach  war,  in  Folge  dessen  verspottet  und 
missachtet  wurde,  bis  es  ganz  in  Vergessenheit  gerieth  und  sich 
Niemand  mehr  fand,  der  es  recitiren  konnte,  mit  Ausnahme 
weniger  Verse,  die  ohne  Kraft  und  Originalität  sind. 

Was  nun  aber  die  Qaside  des  al-Ridä'i  betrifft,  so  haben 
viele  Gelehrte  von  San'ä,  insbesondere  aber  die  Abnä  (die 
Abkömmlinge  der  Perser)  Vieles  in  derselben  aus  Anmaassung 
und  Neid  verändert,  so  dass  ich  in  San'ä  keine  richtige  Copie 
gefunden  habe.  Ich  Hess  aber  nicht  nach,  eine  correcte  Ueber- 
lieferung  zu  suchen,  bis  ich  sie  erhalten  habe  von  Ahmed  ibn 
Muhammad  ibn  'Obaid  aus  der  Familie  der  Banü  Lif  von  den 
Persern.  Er  gehörte  keiner  Partei  an  und  suchte  nicht  das 
Verdienst  von  irgend  Jemand  zu  verkleinern.  (Das  Geschlecht 
der  Lif  bestand  aus  zwei  Familien ,  von  denen  die  eine  in 
Ridä',  die  andere  in  San'ä  wohnte.)  Er  (Ahmed  ibn  Muham- 
mad) sagte  mir :  Es  hat  mir  in  meiner  Kindheit  Ahmed  ibn 
'Isä  in  Ridä'  zu  je  zehn  Versen  das  Gedicht  überliefert,  bis 
ich  es  auswendig  gelernt  habe.  Nur  was  aus  dichterischer 
Licenz  fehlerhaft,  sonst  aber  nicht  von  Belang  war,  berichtigte 
und  verbesserte  ich;  auch  habe  ich  die  dem  gemeinen  Volke 
minder  geläufigen  Ausdrücke  erklärt.    Dieses  Gedicht  ist  einzig 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  iiaeli  Constantinopel.  333 

in  seiner  Art,  es  sei  denn,  class  ein  ausgezeichneter  Dichter 
es  nachzumachen  versuchen  wird.  Ahmed  ibn  'Isa  hat  auch  ein 
anderes  Gedicht  verfasst,  das  aber  nicht  von  grossem  Werthe  ist. 
Das  Gedicht  des  al-Rida'i  zählt  127  Strophen  zu  je 
5  Doppelversen,  von  denen  jede  einen  anderen  Reim  hat,  und 
beginnt : 

Die  Handschrift  endigt:  ,Schluss  des  Jambengedichtes  und 
zugleich  Schluss  des  Buches  der  arabischen  Halbinsel ,  und 
Preis  sei  Gott,  dem  Herrn  der  Welten,  und  seine  Gnade  möge 
werden  Muhammed,  dem  Siegel  der  Propheten,  seiner  Familie 
und  den  wahrhaft  Reinen.  Die  Beendigung  dieser  Abschrift 
hat  stattgefunden  an  einem  Dinstage,  am  20.  des  Monats 
Gumada  al-Achira  im  Jahre  908  d.  H.^ 

Zum  Schluss  sei  noch  bemerkt,  dass  beide  Manuscripte, 
das  vom  British  Museum  '  sowohl  als  das  von  Constantinopcl, 
besonders  aber  das  letztere,  sehr  wenig  diakritische  Punkte 
haben.  Das  erstere  hat  251  Blätter  Kleinoctav  (wovon  die 
Blätter  223  bis  Schluss  die  Pilgerqaside  enthalten),  die  Seite 
in  der  Regel  zu  je  17,  bisweilen  aber  auch  18  oder  19  Zeilen. 
Das  Constantinopeler  Manuscript  zählt  80  Quartblätter  und  ist 
an  vielen  Stellen  wurmstichig. 

Das  Scheffer'sche  Exemplar  ist  zwar  sehr  hübsch  ge- 
schrieben, aber  sehr  wenig  zuverlässig,  besonders  in  Bezug  auf 
die  diakritischen  Punkte,  die  der  Copist  nach  Belieben  ge- 
setzt hat. 

II. 

Das  Kilal)  al-ChaiJ  von  al-Asiiia'i. 

Diese  Schrift  gehört  zu  derselben  Kategorie  lexicographi- 
scher  Älonographieen,  wie  die  kleinen  Abhandlungen  des  al- 
Asma'i  und  Qutrub ,  die  in  der  Handschrift  der  kaiserl.  Hof- 
bibliothek  zu   Wien    N.  F.  61    enthalten   sind    und    von    denen 


>  Vfrl.  über  diese  Ilamlsclirift  .vucli  meine   Siulaiabisclicn  Studien,  S.  ä  fl". 


334  I^-  H-  Müller. 

ich  in  diesen  Sitzuno-sberichten  fBcl.  LX XXIII,  S.  235  ff.) 
eine  Schrift,    das  Kitiib  al-Farq,  publicirt  habe. 

Ist  auch  die  Handschiift,  aus  der  diese  Abhandhnig  copirt 
worden  ist,  nicht  so  alt  als  die  Wiener,  so  ist  sie  dafür  viel 
correcter  und  beruht  auf  Ueberlieferungen  der  berühmtesten 
arabischen  Grammatiker.  Die  Aufzählung  der  Ueberlieferer 
dieser  Schrift  möge  hier  mitgetlieilt  werden: 

^■?   y^    ^5^'     ^-^^    li^    y^^    si^;;    ^^^^    ^^.  ^*.^^i    ^5^'    c^^ 

».äLaJI  J.a^  ^^  i^r  ^1  ^£  (V^Ji^JI  ^J  tX*.^  (j-J  i^' 
tXA£^  ^j.J  tXAX.M/  ^j|  j^£  ^.jt>!Nl|  ^);^H  cX4.:s?  ^J  (^^  ij"^ 
j^£    jv^t-Ä    ^t     ^£     ^^'^     Lvj»-?     y^     (C^'     ij^     ^i'y^-^'     ^'^-' 

^jf  ,^£  ^yjA,"  Rx)\»  i^j  1X2*1  •.."  cXa-c.  ^^j  tX+.:S?  ^^.mAA  yi\ 
^Lx)JI   x^  1^^-'^   ^JS   *U!^i    jjLxJt    J^s^!>!t   ^-ii^il    sl;^;    ^-ä^-*»' 

^j    »1}\    »^    ^j    ^^n    ^J^    d<^=>^    ij.j    adJI     Ju.£.     s«.is»l    J,' 

^LoJ!  äS:  (J.jlXJI  |^j\  *.il*Jf  J=»!^M  j^A.^'!  J.Ä  (^y)UJ( 
^^S5ö  s*Lj   sLU  xlif   ^lol   iX^   ^j    iJL'f    tXxÄ    cC^    ^' 

^J*t.♦i5»  Xaaw  ^  dlJL>^  (^^  |^A*^rs.l  »jI  5^i>.!  XX^-w«  ^-S)!  ^')'^.? 
i^jt^    C5^'*"'     <^*^     LjlXaa*/    ^£    äJ.JI    ^ao«    kj l+A^M-i»-^    ivj"^y>-^^ 

Die  eigentliche  Abhandlung  beginnt  Seite  5  meiner  Copie : 


Bericlit  über  Jie  Ergebnisse  oiiiev  Kei>o  nach  Coustiintiuopel.  335 

jJlÄAis.^   *ül    'i.xjuM^    y..^[.'/3   lVju  I^aLc  J^^\  oö«  ^5^'  viL=>- 

Lxowi  ^JySJi  Asraa'i  beschreibt  das  Pferd  während  der  Trächtig-- 
keit,  dann  das  Junge  vom  Mutterleibe  an  bis  in  das  Alter, 
wobei  der  Verfasser  nicht  so  sehr  die  physische  Entwicklung 
als  vielmehr  die  sprachlichen  Ausdrücke  für  die  verschiedenen 
Erscheinungen  ins  Auge  fasst,  ferner  die  Beschaffenheit  des 
Körpers  und  einzelner  Glieder  desselben.  Darauf  folgt  ein 
Capitel    über    die    beliebten  Eigenschaften  des  Pferdes   (S.  25 : 

J.Aii.1  ^^  >w«.^Awo  Lx») ,  über  die  Eigenschaften ,  die  man  am 
Pferde  nicht  gern  sieht  (S.  30:  J^^äf  ^j^  SwXj  Lc.),  über 
die  Gangarten  der  Pferde   (S.  34:  J^Aii-l  (^-ciwo  x-ß,o),    über    die 

verschiedenen  Farben  der  Pferde  (S.  40:  lUs.1  ^'^--'i  ivV'*^) 
und  zum  Schluss  (8.  48  —  65)  werden  die  Namen  der  berühmten 
Rosse  und  ihre  Besitzer  aufgeführt  und  einige  Sportgeschichten 
erzählt.  Die  Handschrift  ist  von  derselben  Hand  mit  Rand- 
glossen versehen,  die  entweder  andere  Ijcsearten  oder  erklärende 
Bemerkungen  von  Ibn  Dureid,  Abu  'Ali  al-Färisi  und  anderen 
Ueberlieferern  enthalten. 

Die  Handschrift  Köprülü  13G0  ist  sehr  hübsch  geschrieben, 
vielfach  vocalisirt,  mit  Goldrändern  verziert,  und  zählt  72  Octav- 
seiten  zu  je  8  Zeilen.     Sie  ist  nicht  datirt. 


III. 

Der  Diwan  des  al -' Agi^ag. 

Bei    einer    Durchsicht    der    Handschriften  -  Kataloge    der 

Nüri  Osmanie  üal  mir  der  Titel  /?-^^''  r==>^  f  7^  '^'^^  ^"^"^ 
ich  vermuthete,  dass  dieses  Manuscript  den  Diwan  des  berühm- 
ten Regezdichters  al-'Aggäg  mit  einem  Commentare  enthalte. 
Ich  Hess  mir  die  Handschrift  geben  und  fand  zu  meiner  Freude 
die  Erwartung  bestätigt.  Es  ist  ein  sehr  gut  geschriebenes  und 
wohl  erhaltenes  Manuscript,  das  gleich  bei  der  ersten  flüchtigen 
Prüfung  auf  mich  den  Eindruck  machte ,  dass  es  mit  grosser 
Sorgfalt  ausgeführt  und  ziemlich  correct  sei.  Der  Text,  ich  meine 
der  eigentliche  Diwan,  ist  mit  ruther  Tinte  geschrieben  und  fast 


33G  !>•  11  Jüiii'-i-- 

ganz  vocalisirt,  der  Commentar  dageg-on  ist  schwarz  und  nur 
zum  Theil  mit  Vocalen  versehen.  Da  jn  Europa  kein  Exemplar 
dieses  Diwans  vorhanden,  derselbe  aher  in  alter  Zeit  sehr  ge- 
schätzt und  von  den  Grammatikern  vielfach  citirt  worden  ist, 
so  entschloss  ich  mich  sofort,  dieses  Manuscript  copiren  zu 
lassen.  Mit  Rücksicht  darauf,  dass  die  Ferialzeit  herannahte, 
wo  die  Bibliotheken  Constantinopels  geschlossen  werden,  musste 
ich  darauf  bedacht  sein,  das  Manuscript  rechtzeitig  in  die 
Köprülü-Bibliothek  (die  wegen  der  Tabari-Collationen  offen  ge- 
blieben w^ar)  behufs  der  Copirung  transferiren  zu  lassen.  Das 
hatte  aber  seine  Schwierigkeiten,  weil  die  Bibliotheken  grossen- 
theils  fromme  Stiftungen  (oU^i)  sind,  deren  Bücher  ihre  Räume 
nicht  verlassen  dürfen.  Ich  musste  mich  zu  diesem  Zwecke 
an  den  türkischen  Ewqäfminister  wenden,  an  den  ich  von  der 
k.  k.  österreichisch -ungarischen  Botschaft  empfohlen  worden 
war,  und  ihm  meine  Bitte  vortragen.  Dank  seiner  I^iberalität 
konnte  die  Handschrift,  trotz  mancher  principieller  Bedenken, 
die  der  Bibliothekar  dagegen  erhob,  in  die  Köprülü-Biblio- 
thek übertragen  und  daselbst  copirt  werden.  Leider  war  mir 
es  nur  möglich,  den  Text,  nicht  aber  mehr  den  Commentar 
sorgfältig  zu  collationiren,  der  sich  jedoch  ohne  grosse  Schwierig- 
keiten herstellen  lassen  dürfte. 
Der  Diwan  beginnt : 

jj.J   j.:SX^   j^    cX-AA.'   ^J    X.J.>    ^J    X-Uf    tXxJi    ii+A«l.   _,L^JI    JU 

iv>-?     Ji^.L^    ij^    [^^     rYi]     )■•*     ij-?     f*-^»-^  ij"?   ^^^0    tXj)     ^-y^     iXxMJ 
j-*-**-       t*.J^       (jLjcXX-      ^J       tXx/O      i^J       vi'vJ      j^J      VA2.*      (J.J      U^LajI 


;^^;'  ^  "^-^  ^^^^  ^' 


l_^5^:^     , ".  >._xt    L_A_^ 


^_/o    i._A_;^     ^*-"    (5-^^ 

Al-'Aggäg  hatte  auch  den  Beinamen  '"UixxÜI  ^jf.  Die 
Lebensumstände  dieses  Dichters,  wie  Geburts-  und  Todesjahi' 
sind  nicht  bekannt.     Aus  dem  Diwan  ist  nur  zu  ersehen,  dass 


'  Der  ^■el•s  strlit   im   DiwAii  XXXIII,   71. 


Üpriclit  übor  die  Krgi-lmisse  einer  Roiso  nach  Cniistaiilinopel.  Ot'jT 

seine  Blüthezeit  in  die  Regierung;  des  Abdulmälik  ibn  Merwän 
(65  —  86  d.  H.)  gefallen  war.  Er  und  sein  Sohn  Ku'ba  sind 
als  die  beiden  Janibendichter  bekannt,  weil  sie  beide  nur  in 
diesem  Metrum  gedichtet  haben.  Ku'ba,  der  in  Basra  lebte, 
starb  im  hohen  Alter  in  der  Wüste,  wohin  er  sich  wegen  der 
Kämpfe  zwischen  den  Omajjaden  und  'Abbäsiden  zurückgezogen 
hatte,  im  Jahre  145  d.  H.  (Ibn  Chall.  Nr.  237).  Was  al-'Agg^- 
betrifft,  so  muss  derselbe  zwischen  dem  30.  und  40.  Jahre  d.  H. 
geboren  worden  sein.  Zu  diesem  Schlüsse  bin  ich  folgender- 
maassen  gelangt:  Im  Commentar  zu  dem  einundzwanzigsten 
Gedichte  heisst  es  nämlich :  ,Es  hat  Abu  Hatim  von  Abu 
Obai'da  von  Ru'ba  ibn  al-'Aggäg  von  seinem  Vater  überliefert; 
er  erzählte:  Ich  zog  hinunter  nach  al-Madina  und  kam  zu  Abu 
ITuraira  vmd  sprach  zu  ihm:  ,0  Genosse  des  Propheten!  ich 
bin  ein  Mann,  der  bisweilen  ein  Jambengedicht  macht;  hältst 
du  Das  für  ein  Vergehen?'  Er  antwortete:  ,Lass  mich  etwas 
davon  hören!'  und  ich  recitirte  ihm:  ,Es  zogen  zwei  Traum- 
bilder aus  und  erregten  eine  Fiebergluth,  das  Bild  der  Benann- 
ten und  das  Bild  der  Unbekannten'  u.  s.  w. '  Da  sagte  er : 
,De-r  Gesandte  Gottes,  Gott  sei  ihm  gnädig  und  gewähre  ihm 
Heil,  hat  Aehnliches  recitirt  und  fand  nichts  Uebles  darin.' 
Nun  ist  aber  Abu  Huraira  im  Jahre  51),  nach  Anderen  schon 
im  Jahre  57  d.  H.  gestorben.  Gesetzt  also  auch,  al-'A ggäg  habe 
ihn  kurz  vor  seinem  Tode  besucht,  so  muss  er  doch,  da  er 
als  Dichter  auftrat,  wenigstens  zwanzig  Jahre  gezählt  haben 
und  also  zwischen  den  Jahren  30—40*  d.  II.  geboren  worden 
sein. 

Der  Diwan  enthält  44  Gedichte^  die  ich  weiter  unten  auf- 
zähle; im  Ganzen  sind  es  2658  Halbverse. 

Was  den  Commentar  betrifft,  so  ist  derselbe  sehr  knapp 
und  präcis  gehalten  und  macht  den  Eindruck  hohen  Alters. 
Da  Abu  Hätim,  der  Schüler  al-Asma'i's  sehr  oft  neben  al-As- 
ma'i  und  Abu  'Obaida  citirt  wird,  so  ist  anzunehmen,  dass  er 


1  Der  Vers  steht  im  üiwrin  XXI,  1.  ^Jo  nn<\  jvAXj"  "^i'id  '•»•«  wcil.liehe 
Eigennamen  anzusehen,  die  vom  Dichter  seihst  wahrsehcinlii-h  erst 
gemacht  worden,  um  die  wahren  Namen  zu  verdecken.  Diese  Bemer- 
kung,  wie  mehrere  andere  Belehrnngen,  die  in  dieser  Schrift  vcrwerthet 
worden,  verdnnke  ich  Herrn  Prof    Nil  Id ecke. 


338  D-  H.  Müller. 

vielleicht  von  einem  Schüler  Abu.  Ilätim's  niedergeschrieben 
worden  ist.  Jedenfalls  ist  der  Commentar,  der  auch  abweichende 
Lesearten  enthält  und  viele  loca  probantia  aus  anderen  Dich- 
tern anführt,  sehr  werthvoll  und  für  das  Verständniss  der 
schweren  Gedichte  fast  unentbehrlich. 

Ich  gebe  hier  ein  Verzeichniss  der  einzelnen  Gedichte 
und  je  den  ersten  Vers  derselben: 

Fol.  l"".    I.   180  Regezverse  (nicht  Doppelverse).  Ueber- 

Schrift:     iX^Si    ^^^^    v+ä/o    ^j.j    xiJf    <X*-£    (j-i    v+ä    ^'^■H?    J^^' 

Fol.  22^     IL  49  Verse: 

y_cL-AJf   ,2^^-.  '-^'5   ^^■♦-^   ^J|^  *-* 

Fol.  26\     IIL  12  Verse: 

I i";!;    1 ^_J._4._j    x_JjV — xi      L-Lw    ^\l^_j    J^_,^^.x)    ^-a.oI 

Fol.  27^     IV.  28  Verse: 

Fol.  28--.  V.  29  Verse.  Ueberschrift :  LäjI  «-L^Ü  JU^ 
j^^'  ^^  JÜJ  0_j.ÄA**x  ^J  .^♦£  f <>  i   (V^tJ'  ^^  o^!^l  JUi*  ^ 

Fol.  30^     VI.  32  Verse.     Ueberschrift:     ^    «-'^•'l    J^" 

_ILä2|     ^cUj^    ci^Jl-CÖ^i!     ,j>J    ^1^1 

Fol.  32^     VII.    4G    Verse.      Ueberschrift:     ^tV^    JU^ 


Ü^Ü*       ,<:.--oJ        t'w 


Bericht  über  die  Ergebnisse  einer  Reise  nach  C'onstantinopel.  3«j9 

Fol.   35"-.     VIII.   65  Verse.     Ueberschrift :         lA'l    JU^ 

Fol.  3S\     IX.   17  Verse.     Ueberschrift:   ^^^J'    ^^1^  J^' 

Fol.  39'.     X.  29  Verse: 
Fol.  40\     XL  98  Verse: 


O.J      ,i=0^  J       Ci^ 


Fol.  45^    XII.  147  Verse: 


Fol.  54\  Xm.  2G  Verse: 

Fol.  55^  XIV.  56  Verse : 

Fol.'  57\  XV.  33  Verse  (ohne  Commentar) : 

Fol.  58^  XVI.  47  Verse: 

Fol.  59\  XVII.  169  Verse: 

Fol.  67\  XVllI.  12  Verse: 
JJj.iJ    ^J>«J    J>>«^    Lo    ijCJiJ*      o^-^-''    ^j'-f    *-:^'    0J-5I    iXJi 


34U  D-  H.  Miiller. 

Ful.  (37 \  XIX.   172  Verse: 

Fol.  75'.  XX.  60  Verse: 

Fol.  79'-.  XXI.  42  Verse: 

Uä.^=.j    Jl^5  (V"^=^-'    '^'-■^^      Uiu«    l:s>l4i    ^ü^'L_A_^f    oL_b 

Fol.  81'-.  XXII.  72  Verse: 

Fol.  8;3^  XXIII.  48  Verse: 


^         ü    .         5      0. 


JÜa^J!       (cÖ    |*L-4JCS^!     ,.vAjt,'l     0«.4.ÄSkl. 


Fol.  86\  XXIV.   171   Verse: 

Fol.  Or.  XXV.  200  Verse: 

Fol    OCr.  XXVI.  28  Verse  (ohne  Commentar) : 

Fol.  97'-.  XXVn.  12  Verse: 

Fol.  97'".  XXVIII.  7  Verse  (ohne  Commentar): 

-  J  J  &  -  J  ••|-5"---  --•  & 

Fol.  97^  XXIX.  11  Verse  (ohne  Commentar^: 

-^  "  ^  ^  ^ 

Fol.  97''.  XXX.  9   Verse  (ohne  Commentar): 


Bericht  über  die  Ergotnisse  einer  Heise  iiacli  Constautiiioiiel.  o4  1 

Fol.  \rr'.     XXXI.   17   Verse  (ohne  Commentar): 


5      >,    .  ^      w       )  So  -    '.-* 


U_;i>  •._=»>     ^—^^     T/"^      |V-i2.-t'        ^._:s»,*._:il     (5-»~^     (*;-:?     U^^iV-' 
Fol.  97".     XXXII.  9  Verse  (ohne  Commentar): 

Fol.  d~r.     XXXIII.  147   Verse: 

Fol.  lir.     XXXIV.  117  Verse: 

Fol.  12\\     XXXV.  37  Verse.     Ueberschrift :  Ld^i    JU. 

Fol.  124'.     XXXVI.  30  Verse: 

Fol.  126\     XXXVII.  33  Verse: 

Fol.  127\  XXXVIIL  27  Verse.  Ueberschrift:  ^l^il  Jl-i", 

Fol.  129\     XXXIX.  21   Verse: 
Fol.  130^     XL.   19  Verse: 

Fol.  13r.  XLI.  28  Verse: 


Ö4J      1>.   H.  Mililer.    Ueiiclit  über  tlic  Ergeliiiisso  einer  Keise  uacli  Coustaiitinopel. 

Fol.   133'.     XrJI.    74  Verse.     Ueberschrift:         cV?    J'-i"; 

Fol.  134\     XLIII.  77  Verse: 
Fol.  139'-.     XLIV.  115  Verse: 

li;^S5.JI     Jl^       ,_Av,>3i     J.^1ä     ,2>.^ 

Fol.    146""    schliesst    der    Diwan    mit    einer    Datirung-    der 
Abschrift : 

»w^i^  (^^Ls.  kjl/o«    v_ftj|  &Ä^    5lN.*äJI    (^t>    v^g.^    ^^U'    ^    V^ 


SITZUNGSBERICHTE 


DER 


KAISERLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE   CLASSE. 


XC.  BAND.  III.  HEFT. 


JAHRGANG   1878.   —  MAI. 


v 

/ 


Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  III.  Hft.  23    . 


Ausgegeben  am  31.  October  1878. 


XII.  SITZUNG  VOM  8.  MAI  1878. 


Von  der  Direction  der  Landes-Unterrealschule  zu  Mährisch- 
Ostran,  der  k.  k.  Unterrealschule  im  zweiten  Bezirke  zu  Wien, 
und  der  k.  k.  Lehrerbildungsanstalt  zu  Pfibram  sind  Dank- 
schreiben eingegangen  für  die  Ueberlassung  akademischer  Publi- 
cationen. 


Das  k.  k.  militär-geographische  Institut  übersendet  zwanzig 
weitere  Blätter  der  neuen  Specialkarte  von  Oesterreich-Ungarn. 


Ferner  werden  der  Classe  vorgelegt  folgende  von  den 
Herren  Verfassern  mit  Begleitschreiben  eingesendete  Werke: 
Dodone  et  ses  Ruines,  par  M.  Constantin  Carpanos;  Le  Senat 
de  la  Republique  Romaine,  par  M.  Willems,  Tome  I;  Collection 
des  principaux  Cartulaires  du  diocese  de  Troyes,  Tome  III  (charte 
de  Beauvoir  par  l'abbe  Lalore). 

Das  w.  M.  Herr  Hofrath  von  Miklosich  überreicht 
Namens  des  Herrn  Herausgebers:  ,Dalmili  Bohemiae  chronicon', 
von  Joseph  Jirecek  (Fontes  rerum  Bohemicarum,  Tom.  IH, 
fasc.  1 — 3). 


23* 


B46 

Der  Vorsitzende  der  Centraldirection  der  Momimenta  Ger- 
inaniae  in  Berlin  übermittelt  in  Abschrift  seinen  diesjährigen 
Jahresbericht. 


Subventionsgesuche  sind  eingelaufen: 

1.  Von  dem  Ausschusse  des  historischen  Vereines  für 
Steiermark  in  Graz  behufs  Vollendung  des  Druckes  des  zweiten 
Bandes  des  Urkundenbuches  des  Herzogthums  Steiermark; 

2.  von  dem  c.  M.  Herrn  Regierungsrath  Dr.  P.  Beda 
Dudik  zum  Zwecke  der  Durchforschung  der  Zaluski'schen 
Bibliothek  in  St.  Petersburg; 

3.  von  Herrn  Joseph  Zösmair,  k.  k.  Gymnasial- Professor 
in  Feldkirch,  behufs  einer  im  Interesse  der  Landesgeschichte 
vorzunehmenden  Durchforschung  der  vorarlbergischen  Archive ; 

4.  von  Herrn  Dr.  August  Fournier,  Privatdocent  in  Wien, 
zur  Fortsetzung  seiner  archivalischen  Untersuchungen  in  Paris. 


Herr  Ferdinand  Tadra^,  k.  k.  Bibliotheks-Scriptor  in  Prag, 
übersendet  ein  Manuscript:  , Briefe  Albrechts  von  Waldstein 
an  Karl  von  Harrach^  (1625 — 1627)  mit  dem  Ersuchen  um  Auf- 
nahme derselben  in  das  Archiv  oder  Gewährung  einer  Unter- 
stützung zu  ihrer  selbstständigen  Herausgabe. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Dr.  Hartel  legt  mit  dem  Er- 
suchen um  Aufnahme  in  die  Denkschriften  eine  Abhandlung 
des  Herrn  Dr.  Michael  Gitlbauer,  Privatdocenten  an  der 
Wiener  Universität,  vor,  bestehend  in  dem  ersten  Fascikel  der 
jUeberreste  der  griechischen  Tachygraphie  im  Codex  Vatic. 
Graecus  1809',  welch'  letzterer  in  photographischen  Aufnahmen 
dem  Herrn  Verfasser  seitens  der  Akademie  zur  Bearbeitung 
bereitgestellt  wurde. 


347 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Academie  des  Inscriptions  et  Belles-Lettres :  Comptes  rendus  4^  Serie. 
Tome  V.  Bulletin  d'Octobre-Novembre-Decembre.  Paris,   1«7G;  8". 

Akademie  der  Wissenschaften,  königl.  preussische ,  zu  Berlin:  Monats- 
bericht, Januar  1878.     Berlin,  1878;  8". 

—  van  Wetenschappen,    koninklijke:    Jaarboek  voor  1876.  Amsterdam;    8". 

—  —  Verhandelingen.  Afdeeling  Letterkunde.  IX. — XI.  Deel.  Amsterdam, 
1877;  br.  4». 

—  —  Verslagen  en  Mededeelingen.  Afdeeling  Letterkunde.  Tweede  reeks. 
VI,   Deel.    Amsterdam,   1877;  8". 

—  —  Carmina  latina  Petri  Esseiva.  Amstelodami,  1877 ;  8". 

Carapanos    Constantin:    Dodone    et   ses   Ruines.    Texte  et  Planches.    Paris, 

1878;  gr.  4". 

Gesellschaft,  allgemeine  geschichtforschende,  der  Schweiz:  Jahrbuch  für 
Schweizerische  Geschichte.  II.  Band.  Zürich,   1877;  8^. 

—  historisch -antiquarische  ,  des  Kantons  Graubünden:  Siebenter  Jahres- 
bericht. Jahrgang  1877.  Chur;  4".  —  Graubündens  Altertliümer  und 
Kunstschätze,  von  Samuel    Plattner.    Chur,   1878;   12'\ 

--  k.  k.  mährisch-schlesische,  zur  Beförderung  des  Ackerbaues,  der  Natur- 
und  Landeskunde  in  Brunn.   1877.  LVII.  Jahrgang.  Brunn;  4". 

Helsingfors,  Universität:  Akademische  Schriften  vom  Jahre  1876/77. 

Institut,  k.  k.  militär-geographisches :  Vorlage  von  20  Blättern  der  neuen 
Specialkarte  der  österr.-ungar.  Monarchie. 

Institute,    the   Anthropological  of  Great  Britain  and  Ireland:  The  Journal. 

Vol.    VII,    Nr.    n.   November    1877.    London;   8.    —    Vol.  VII,   Nr.  III. 

Febuary  1878.  London,   1878;  S«. 
Jirecek,  Josef:  Fontes  rerum  Bohemicarum.  Tom.  III.  Fase.   1—3.  Dolimili 

Bohemiae  Chronieon.  V  Praze,  1878;  4". 

Lalore,  M.  Abbe:  Collections  des  principaux  cartulaires  du  Diocese  de 
Troyes.  Tome  III.  Cartulaire  de  l'Abbaye  de  Basse-Fontaine.  Chartes 
de  Beauvoir.  Paris,  Troyes;   8". 

,Revue  politiqne  et  litteraire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
l'Ktranger'.  VIP  Annee.  2"  Serie.  Nrs.  41—44.  Paris,  1878;  4". 

Society  the  royal  geographica!:  Proceedings.  Vol.  XXIV.  Nr.  2.  London. 
1878;  80. 

—  the  royal  of  Edinburgh:  Proceedings.  Session  1876/77.  Vol.  IX. 
Nr.  96;  8«. 


348 

Verein  für  Geschichte  und  Alterthum  Schlesiens:  Zeitschrift.  XIV.  Band, 
1.  Heft.  Breslau,  1878;  8".  —  Scriptores  rerum  silesiacarum.  XI.  Band. 
Schvveiduitzer  Chronisten  des  XVI.  Jahrhunderts.  Breslau,  1878;  4^.  — 
Regesten  zur  schlesischen  (ieschichte  von  Dr.  C.  Grünhagen.  Zweite 
Lieferung  bis  zum  Jahre  1221.  Breslau,   1877.  4*'. 

.    —  historischer  für  Niedersachsen :  Zeitschrift.  Jahrgang  1877  und  39.  Nach- 
richt. Hannover,   1878;  8». 

—  militär-wisseuschaftlicher:  Organ.  XVI.  Band.  3.  Heft.  Wien,  1878;  8". 

Willems,  P. :  Le  Senat  de  la  Republique  romaine.  Tome  I.  Louvain,  Paris, 

1878;  40. 


J.  Müller.     Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plinius.   IL  349 


Emendationen  zur  Naturalis  Historia   des  Pliüius. 

Von 

Joh.  MüUer, 

Professor  an  der  Universität  zu  Innsbruck. 
II. 


9,  41. 

Ipsis  (vituHs  marinis)  in  sono  mugitus,  ande  nomen  viüdi. 
accipinnt  tartien  disciplinam  voceque  pariter  et  visu  popnlum 
salutant,  incondito  fremitu  nomine  vocati  respondent. 

An  visu  ist  schon  Pintianus  nicht  vorübergegangen,  und 
wenn  auch  die  Augen  dieser  Thiere  als  schön  und  sie  selber 
als  neugierig  geschildert  werden,  so  ist  doch  nicht  abzusehen, 
wie  sie  durch  ihren  blossen  Blick  das  fragliche  Kunststück 
hätten  machen  sollen.  Es  müsste  zugleich  eine  Bewegung  des 
Kopfes  oder  vielmehr  des  ganzen  Vorderkörpers  damit  ver- 
bunden gewesen  sein;  dann  aber  wäre  eben  diese  Bewegung 
die  Hauptsache  und  nicht  der  Blick  das  Merkwürdige  gewesen. 
Da  nämlich  diese  Thiere  kurze  Finnen  und  einen  kurzen  Hals 
haben,  müssen  sie,  um  sich  umsehen  zu  können,  den  Vorder- 
körper etwas  erheben.  Und  dieser  Umstand  grade,  scheint  es, 
muss  festgehalten  werden  bei  dem  Versuche  die  Ueberlieferung 
zu  verbessern.  Denn  au  ein  Lachen,  wie  Detlefsen  vermuthete 
und  risu  schrieb  statt  visu,  wird  bei  diesen  Thieren  nicht  ge- 
dacht werden  können,  eher  mit  Maihoff  an  eine  Art  Zuwinken, 
wenn  nur  nicht  nutu  von  den  überlieferten  Schriftzügen  i^visu 
—  iussu)  doch  etwas  weit  abläge.  Da  diese  Thiere,  wie  gesagt, 
um  sich  umsehen  zu  können,  den  Vorderkörper  aufrichten 
müssen,  indem  sie  den  Hinterkörper  gegen  die  Erde  stammen, 
so  wird  es  nicht  schwer  gefallen  sein,    sie  an  diese  Beweguug 


350  J.  Möller. 

auf  Commando  zu  gewöhnen.  Für  dieses  Emporrichten  aber 
wäre  nisiis  keine  unpassende  Bezeichnung'.  Vgl.  Sali.  Jug. 
101,  11  miilti  volnerihus  acceptis  neque  fugere  posse  neque  qmetem 
pati,  niti  modo  ac  statim  concidere. 


9,  67. 

M.  Äjjicius  .  .  .  .  e  iecore  eorum  (mullorum)  alecem  ex- 
cogitare  provoccwit.  id  enim  est  facilius  dixisse  quam  quis  vicerit. 

Asinius  Celer  e  consularihus  hoc  pisce  prodigvs  Gaio  prin- 
cipe unum  mercatus  HS.    VIII.  mullum. 

So  die  Vulgata.  Nur  Detlefsen  hat  hinter  prodigus  aus 
dem  Parisinus  E  (bei  Sillig  und  Mayhoff  a)  omnes  aufgenommen: 
hoc  pisce  prodigus  omnes,  Gaio  principe  unum  mercatus  etc.  Die 
Ergänzung  von  vicit  aus  dem  Vorausgehenden  ist  sehr  hart, 
doch  würde  ich  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  sie  dem  Plinius 
zugetraut  werden  dürfte,  wenn  etwa  statt  hoc  pisce  prodigus  ein 
Ablativ  hac  luxuria  oder  in  hoc  pisce  oder  dergleichen  auf  die 
Ergänzung  hinführte.  So  aber  wird  der  Leser  von  der  Er- 
gänzung gradezu  abgelenkt,  da  er  prodigus  als  Prädicat  ansehen 
muss.  Und  stünde  vicit  wirklich  im  Text,  so  wäre  daneben 
p)rodigus  recht  matt..  Nun  ist  aber  omnes  durch  die  Ueber- 
lieferung  keineswegs  sehr  gesichert.  Vielmehr  zeigt  die  Ver- 
gleichung  mit  den  übrigen  Handschriften,  dass  es  höchst  wahr- 
scheinlich nur  Entzifferung  vorgefundener  Schriftzüge  ist,  wie 
sie  der  Riccardianus  in  seinem  oms  bietet.  Vielleicht  treffen 
wir's  richtiger,  wenn  wir  in  oWis  nicht  ein  Compendium  für 
omnes  sehen,  sondern  annehmen,  dass  prodigus  oms  aus  pro- 
digi  osus  entstanden  und  mithin  herzustellen  sei: 

hoc  pisce  prodigiosus. 

Vgl.  13,  15  prodigiosa  cinnamomino  pretia.  12,  129;  36, 
104;  19,  54;  9,  140;  16,  233. 


9,  U9. 

(Spongeas)    vivere    esca   manifesto   conchae    minutae   in    his 
repertae   osfendunt.    circa   Toronen  vesci  Ulis  avulsas  etiam  aiunt 


Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plinius.   II.  dol 

et  ex  relictis  radicihtis  recrescere,  in  petris  criiorts  qiioque  inhaeret 
colos,  Africis  praecipue  qnne  geuerantur  in  Syrtibus. 

Diese  Anordnung-  der  Scätze  findet  sich  in  allen  Ausgaben, 
kann  jedoch  nicht  richtig-  sein.  Denn  da  in  petris  attributiv 
aufzufassen  der  Sinn  der  übrigen  Worte  nicht  zulässt,  auch  iis 
als  Dativ  zu  inhaeret  dann  nicht  entbehrt  werden  könnte,  so 
muss  sich  Africis  und  quae  generantur  auf  pe^?*is  beziehen,  was 
widersinnig  ist.  Ausserdem  wird  die  Erscheinung  nicht  an  den 
Felsen,  sondern  doch  eher  an  den  Schwämmen  selbst  beob- 
achtet worden  sein  und  dass  dem  so  ist,  zeigt  31,  124,  wo  es 
mit  Beziehung  auf  unsere  Stelle  heisst:  animal  esse  dociiimus 
etiam  cruore  inhaerente.  Es  ist  daher  in  petris  zum  Voraus- 
gehenden zu  ziehen,  wo  es  wegen  des  Gegensatzes  zu  avidsas 
nicht  überflüssig  ist,  und  folgendermassen  zu  interpungiren: 

circa  Toronem  ....  recrescere  in  petris.  cruoris  quoque  in- 
haeret colos,  Africis  praecipue  etc. 


10,  12. 

Tnhus  primis  et  qiiinto  aquilarum  generi  inaedißcatur  nido 
lapis  aetites,  qxieni  aliqui  dixere  gagiten,  ad  multa  remedia  utilis, 
nihil  igne  deperdtns.  est  autem  lapis  iste  praegnans  intus  alio, 
cum  qnatias,  velut  in  utero  sonante,  sed  vis  illa  rnedica  non  nisi 
nido  dereptis. 

So  haben  Jan,  Detlefsen  und  MajhofF  interpungirt,  es 
unentschieden  lassend,  ob  alio  als  Ablativ  zu  praegnans  zu 
ziehen  sei,  oder  ob  es  mit  sonante  einen  absoluten  Doppel- 
ablativ bilde.  Entschieden  die  letztere  Auffassung  lag  der 
Interpunction  in  den  älteren  Ausgaben  und  bei  Sillig  zu  Grunde: 
praegnans,  intus  alio  cum  quatias  velut  in  utero  sonante.  Sal- 
masius,  Exerc.  p.  502.  b.  A.  verwarf  diese  Anordnung  des 
Sätzchens  ohne  auf  Begründung  sich  einzulassen,  die  sich 
übrigens  leicht  in  der  verkehrten  Stellung  von  velut  in  utero 
ergibt,  da  es  vielmehr  heissen  müsste  alio  intus  velut  in  utero, 
cum  quatias,  sonante,  sowie  darin,  dass  dem  Schriftsteller  eine 
ganz  unpassende  Auffassung  des  Sachverhalts  imputirt  wird. 
Vergleichen    wir    die    einfache    Xotiz    bei    Dioscorides    5,    160 


352  J.  Müller. 

'JTiotpycov  und  die  ebenso  einfache  des  Solinus  37,  14  aetites  et 
fulviis  est  et  tereti  posittone  alterum  lapideni  intrinsecus  cohihens, 
cuius  crepiiu  sonorus  est,  cum  movetur,  so  werden  wir  mit  Sicher- 
heit annehmen  dürfen,  dass  Plinius  jener  unpassenden  Auf- 
fassung nicht  Ausdruck  gegeben  habe.  Allein  auch  wenn  wir 
alio  zu  pf'aegjians  ziehen,  wird  der  Anstoss,  den  veliit  in  utero 
bot,  nur  modificirt  und  sogar  verschärft.  Zwar  wird  auch  36, 
149  von  einem  Adlerstein  gesagt:  intra  semet  velut  in  alvo 
habenfem  argillam  suavem  (ohne  veJjUt  von  einem  andern  in 
alvo  habentem  durum  lapidem,  desgleichen  §.  150  habet  in  alvo 
harenam  und  huic  est  in  alvo  lapis).  Von  jener  Stelle  jedoch 
ist  die  unsere  ganz  und  gar  verschieden.  Dort  wird  die  Lage 
des  einen  in  der  Höhlung  des  andern  beschrieben,  hier  da- 
gegen wird  nicht  einfach  berichtet,  dass  der  eine  den  andern 
in  seiner  Hülle  trage,  sondern  es  ist  von  dem  Tönen  in  Folge 
des  Schütteins  die  Rede.  Es  kann  also  das  vergleichende  velut 
nur  dem  Klange  gelten  und  daher  ist  in  utero  durchaus  un- 
passend. Ich  vermuthe  desshalb,  dass  in  utero  verschrieben 
und,  im  Uebrigen  mit  Beziehung  von  alio  zu  praegnans, 
herzustellen  sei: 

vehit  in  urceo  sonante. 


10,  101. 

Perdicum  vita  ad  sedecim  annos  durare  existimatw. 

Ab  kis  columbarum  maxime  spectantur  simili  vatione  mores 
iidem,  sed  pudicitia  Ulis  prima  et  neutri  nota  adulteria. 

So  wird  zwar  allgemein  in  den  Ausgaben  gelesen,  aber 
in  der  Regel  nicht  ohne  Misstrauen  gegen  das  von  Beroaldus 
aus  dem  handschriftlichen  inde  hergestellte  iidem.  Der  neueste 
Herausgeber  Mayhoff  sagt  gradezu:  ,locum  nondum  sanatum 
puto'  und  ich  kann  ihm  nur  beistimmen.  Spectantur  simili  ra- 
tione  mores  wäre  sachlich  und  sprachlich  in  Ordnung;  '    indem 


'  In  letzterer  Hinsicht  vgl.  11,   171   linguae  non  oninihua  eodevi  modo.  12,  38 
eiusdem  insulae  excelsiore  suggealn  lanigerae  arhores  alio  modo  quam  Serum. 


Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plinins.  IL  OOO 

Beroaldus  itdem  hinzufügte,  trug-  er  eine  Tautologie  in  den 
Ausdruck,  die  genau  genommen,  einen  Widerspruch  enthält, 
und  verkannte  sachlich  den  Fortschritt  in  der  Schilderung  von 
§.  92  zu  §.  100  und  von  da  zu  §.  104.  '  Plinius  gibt  wieder 
was  sich  bei  Aristoteles  hist.  anim.  IX,  7  u.  8  findet,  aber  in 
abweichender  Anordnung,  die  er  unverkennbar  nach  dem  Ge- 
sichtspunkt getroffen  hat,  der  bei  Aristoteles  an  der  Spitze  von 
Cap.  7  ausgesprochen  ist:  ÖAwi  ok  Tcept  lol»?  ^io'jq  tiOaXoc  av 
f)zMprfiz':r,  ;x'.;rf,[j.aTa  twv  iXXwv  i^wwv  r/;?  avOpco-ivy;?  C^rjC.  Und  wer 
die  beiden  Abschnitte  über  das  Rebhuhn  und  die  Taube  mit- 
einander vergleicht,  wird  linden  müssen,  dass  wohl  simili  ratione, 
nicht  aber  iidem  zutreffend  ist.  Die  Ueberlieferung  ist  un- 
zweifelhaft in  inde  sed  verdorben,  aber  sie  ist  es  nicht  blos 
hier,  sondern  das  Verderbniss  hat  auch  höchst  wahrscheinlich, 
indem  man  sich  mit  ihm  abzufinden  suchte,  eine  Aenderung 
im  Verbum  hervorgerufen,  das  dem  Subject  mores  angepasst 
werden  musste.  Unter  dieser  Voraussetzung  und  nach  Anleitung 
der  erhaltenen  Schriftzüge  im  Riccardianus  komme  ich  zu 
folgender  Aenderung: 

Ab  his  columbarum  maxime  spectatur  (sc.  vita)  simili  ratione 
mores  induere.  et  -  pudicitia  Ulis  etc. 

Bezüglich  der  Construction  vita  spectatur  induere  verweise 
ich  zunächst  auf  10,  193  utpote  cum  plausu  coiigregari  feros  ad 
cibum  adsuetudine  in  quibnsdam  vivariis  spectetur.  Dann  auf  2,  40 
7iam  ea  et  quarta  parte  caeli  a  sole  abesse  et  tertia,  et  adversa 
soll  saepe  cernuntur.  11,  216  pitbescens  nodum  quendam  solvere 
sentitur.  17,  252;  35,  71;  14,  140  praedicatur ;  2,  58  coUigitur; 
9,  154  accipitur.  Vgl.  Sillig  zu  35,  121.  —  Zu  mores  vgl.  11,  11 
favos  conßngunt  (apes)  et  ceras  mille  ad  usus  vitae,  laborem 
tolerant,  opera  conficiunt,  rem  publicam  habent,  consilia  privatim 
ac  duces  gregatim,  et  quod  maxime  mirum  sit  mores  habent.  Zu 
der  Wendung   vita    induit   mores:    28,    106    severos,    non   modo 


'  Dass  dem  nicht  etwa  ah  his  entgegenstehe,  zeigt  z.  B.  11,  263  homini 
tantum  iniuria  aut  sponte  nalurae  franguntur  (testes),  idque  tertium  ah 
hermaphrodilis  et  spadonihus  semiviri  genus  hahent. 

"^  Et  =  et  quidem  (vgl.  Sillig  zu  35,  32  und  Fels  p.  Hl)  behalte  ich  natür- 
lich nur  bei,  weil  es  durch  die  Handschriften  geschützt  scheint. 


354  J-   Müller. 


■pudicos  mores  induere.  23,  40  at  nos  e  diverso  ftimi  amaritudine 
vetnstatem  indui  persuasum  habemus.  ' 


10,  118. 


Minor  nohilitas,  qnia  non  ex  longinquo  venu,  sed  expressior 
loquacitos  certo  generi  picartim  est.  adamant  verba  quae  loquantur, 
nee  discunt  tantum  sed  deligunt,  meditantesque  intra  semet  cura 
atque  cogitatione  intentionem  non  occnUant. 

Dass  in  den  letzten  Worten  ein  Verderbniss  stecke,  hat 
bereits  Billig  erkannt.  Es  ist  zu  klar:  das  Nachdenken  ist  der 
innere  Vorgang-,  auf  den  man  aus  der  Geberde  der  Anspannung 
schliesst,  aber  nicht  umgekehrt  erkennt  man  die  Attitüde  aus 
dem  Nachdenken.  2  Es  enthalten  mithin  die  Worte  cura  atque 
cogitatione  intentionem  non  occidtant  eine  Verkehrtheit,  die  jedoch 
schwerlich  mit  Sillig  durch  die  Annahme  einer  Glosse  beseitigt 
werden  darf.  ^  Vielmehr  führen  die  überlieferten  Schriftzüge 
citram  R^  cum  R  '  und  mehr  noch  corru  F'  auf  curarum  und 
da  R  und  d  auch  cogitationeni,  nicht  cogitatione  bieten,  so  hat 
auch  cogitationum  an  dem  Ueberlieferten  einen  Halt,  ^  so  dass 
also  zu  lesen  wäre: 

meditantesque  intra  semet  curarum  atque  cogitationum  inten- 
tionem non  occultant. 


1  Die  mit  dem  Vei-biim  induere  gebildeten  Metaphern,  überhaupt  beliebt, 
werden  in  der  silbernen  Latinität  mannigfaltiger,  besonders  bei  Tacitus. 
Vgl.  u.  A.  Ann.  6,  20  qualem  diem  Tiherins  induisset.  42  plurimum  adula- 
tionis  Selencenses  induere.  12,  13  societatem  Meherdatis  palam  induerat, 
Hist.  4,  57  hostihs  spiritus  induisse.  Ann.  12,  40  adversus  nos  hoitilia 
induerat  (16,  18  proditorem  palam  et  hostem  Thrasea  induissetj.  Dial.  6 
qnemcunque  (afFectum)  orator  induerit.  Ebenso  mannigfaltig  sind  die 
Verbindungen,  die  exuere  eingeht. 

2  Das  wird  wohl  der  Punkt  sein,  an  dem  Sillig  Anstoss  nahm,  wenn  dies 
auch  nicht  eben  präcis  ausgedrückt  ist:  ,Nemo  facile  assequatur,  quomodo 
is  qui  aliquam  rem  meditatur  possit  dici  non  occultare  intentionem  cura 
et  cogitatione;  nam  qui  aliquid  meditatur  nou  aliter  id  facere  potest, 
quam  nt  cura  et  cogitatione  utatur;  ....  deinde  ineptum  est  dicere  ali- 
quem  suam  intentionem  occultare  cogitatione,  cum  cogitatio  dici  possit 
occultari,  non  possit  occultare. 

3  Sillig  schlug  vor:  curavi  atque  intentionevi  non  occultant. 

*  Vgl.  u.  A.  kurz  vorher,  §.  114,  wo  mehrere  Codices  hirundinem  statt 
hirundiniiin  bieten. 


Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plinius.   II.  oDO 


10,  12(>. 

Nee  Diomedias  praeteribo  aves.  Juha  cataractas  vocat  et  eis 
esse  dentes  oculosqice  igneo  colore,  cetero  candidis,  tradens. 

Obwohl  alle  Codices  et  vor  eis  bieten,  fehlte  es  doch  in 
den  älteren  Ausg-aben.  Erst  Sillig  hat  es  in  den  Text  auf- 
genommen, ohne  jedoch  zu  verkennen,  dass  mit  der  Copulativ- 
partikel  das  Particip  tradens  unverträglich  sei,  das  er  desshalb 
als  Glosse  zu  streichen  geneigt  war.  Aus  dem  g-leichen  Grund 
schlug  Mayhoff  tradit  statt  tradens  vor.  Allein  der  ganze  An- 
stoss,  den  die  Editoren  an  der  Ueberlieferung  genommen  haben, 
beruht  auf  einer,  allerdings  sehr  verzeihlichen,  Vergesslichkeit. 
Schon  §.  7  nämlich  hat  Plinius  einen  Vogel  berührt,  dem  Zähne 
beigelegt  werden:  Phemonoe  Apollinis  dicta  filia  dentes  ei 
(morphno  aquilae)  esse  prodidit.  Darauf  also  bezieht  sich 
Plinius  an  unserer  Stelle  und  et  ist  nicht  die  einfache  Copulativ- 
partikel,  sondern  =^  etiam.  Es  ist  also  Alles  in  Ordnung,  wenn 
dies  durch  die  Interpunction  angezeigt  wird : 

Jnba  cataractas  vocat,  et  eis  esse  dentes  oculosque  igneo 
colore,  cetero  candidis,  tradens. 

Vgl.  26,  133  alii  pinus  foliis  similem  nigricantem  eodem 
nomine  appellant^  vim  eins  admirabileni  tradentes.  \1,  87;  263.  — 
Die  Beziehung  auf  eine  so  weit  zurückliegende  Stelle  ist  bei 
Plinius  überhaupt  nichts  Ungewöhnliches,  wie  ich  in  der  Zeit- 
schrift f.  d.  österr.  Gymn.  1877,  S.  831  nachgewiesen  habe, 
und  ist  hier  um  so  weniger  zu  beanstanden,  als  es  sich  um 
eine  Abnormität  handelt,  deren  Erwähnung  leichter  im  Ge- 
dächtnisse haftet.  Vgl.  11,  164  volucrum  nulli  dentes  praeter 
vespertilionem. 


10,  165. 

Aquila  tricenis  diehus  incubat,  et  fere  maiores  aUtes,  minores 
tricenis,  ut  miluus  et  accipiter.  singulos  fere  parit,  numquam  plus 
ternos,  is  qui  aegolios  vocatur  et  quaternos,  corvus  aliquando  et 
quinos.  incubant  totidem  diebus. 


356  J.  Müller. 

Es  kcinnte  singidos  fere  parü  auf  aquüa  bezogen  werden, 
als  dem  herrschenden  Subject.  Allein  g"eg-en  diese  ausschliess- 
liche Beziehung'  spricht,  dass  über  den  Adler  in  dieser  Richtung 
schon  §.13  berichtet  ist  und  dass  was  dort  gesagt  ist  unserer 
Angabe  entschieden  widerspricht.  Es  heisst  §.  13  pariunt  et 
ova  terna,  excludunt  pullos  hinos,  visi  sunt  et  tres  aliquando. 
alterum  expellunt  taedio  rtidriendi.  ^  Dies  stimmt  vollkommen 
mit  Aristoteles  hist.  anim.  VI,  6  p.  563  A  17 — 22:  c  V  asToc 
wä  ij.iV  TixTSt  Tp(a,  hXi~zi  Se  touxwv  Ta  Suo  .  .  .  .  w;  [jlIv  ouv  toc 
r^o)0^3.  o'JTU)  c'j[j.ßa''v£t,  t^Stj  Be  xal  ipst?  vscrcol  o)[jl[X£voi  hai».  r/.ßaXAs; 
o'  au^avojj-cvtov  tbv  stspov  twv  vsottiöv  ay63[;.£voc  ty)  eowSf,.  Die  Diflferenz 
zwischen  den  beiden  Stellen  des  Plinius  ist  augenfällig.  Sie 
mit  Rücksicht  auf  alterum  expelUmt  §.  13  zu  leugnen,  gestattet 
der  Ausdruck  nicht.  Educat  kann  der  Abwechslung  halber 
für  parit  eintreten  (Arist.  a.  a.  O.  A  30  Tixtet  Ss  6  iv-tTvoc  xa  |j.£v 
xXsTcjTa  DUO,  svicTS  o£  7.01,1  "zpsXq  ecaY£'.  v£otto'jc\  sofern  es  das  peperisse 
voraussetzt,  die  umgekehrte  Vertauschuhg  ist  unzulässig.  Auf 
die  Benutzung  verschiedener  Quellen  kann  die  Differenz  nicht 
zurückgeführt  werden,  da  offenbar  beide  Mal  Aristoteles  vor- 
lag. Auch  lässt  sie  sich  unmöglich  so  ausgleichen,  wie  Harduin 
thut,  indem  er  Not.  LXXIV  sagt:  ,nec  refert  quod  idem  Plinius, 
sect.  4  libri  huius  binos  excludi  pullos  ab  aquila  dixit,  ternos 
interdum;  hoc  enim  ipsum  et  nunc  coniitetur  quandoque  con- 
tingere,  qui  fere  tamen  ac  plerumque  singulos  taatum  edi  pro- 
nunciat'.  Noch  weniger  aber  ist  diese  Entschuldigung  zulässig 
gegenüber  der  bestimmten  Angabe  in  §.  26  parit  (coccyx) 
maiore  ex  parte  singula  ova^  quod  mdla  alia  avis,  ^  rai'o  bina. 
Es  muss  daher  die  Zahlangabe  in  unserer  Ueberlieferung  alterirt 
sein,  doch  wird  eine  Aenderung  hier  nicht  genügen. 

Wenn  auch,  wie  gesagt,  die  Beziehung  von  parit  auf 
aquila  zulässig  ist,  so  widerstreitet  doch  sehr  entschieden  die 
folgende   Bemerkung    incubant    totidem    diebus.     Bleibt    nämlich 


'  Vgl.  auch  noch  die  Bemerkung:  sed  eiectos  ah  his  cogiiatum  yenns  ossi- 
fvagi  excipiunt  et  edticant  cuvi  suis  und  36,  149  aiunt  binos  (aetitas  lapides) 
invenii-i,  marem  ac  feminam,  nee  sine  is  purere  quas  diximus  aquilas,  et 
ideo  binos  tantum. 

2  Vgl.  Index:  quae  avis  singula  ova  pariat.  Arist.  h.  a.  VI,  7  p.  564  A  1 
sagt  blos:  t(xt£i  o'  oXiyaxt?  ji.kv  Öjo,  toc  Se  TXzXaxa.  I'v. 


Emendationen  zur  Naiuralis  Historia  des  Plinius.   II.  do7 

der  Adler  das  herrschende  Subject,  so  kann  totidem  nur  die 
Zahl  wieder  aufnehmen,  die  für  den  Adler  angegeben  ist.  Nach 
Arist.  h.  a.  VI,  6  p.  563  B  2  ist  aber  die  für  den  miluus  und 
accipiter  angegebene  Zahl  gemeint.  Jene  Bemerkung  setzt  also 
voraus,  dass  im  Vorausgehenden  statt  des  Adlers  ein  anderes 
Subject  eingetreten  ist.  Und  eben  darauf  führt  auch  die  Quelle 
des  Plinius,  die  er  im  Uebrigen  vollständig  wiedergibt.  Aristoteles 
sagt  p.  563  A  27 :  £'::(|)aLct  Se  7:£pl  Tpiäxov6'  r^xspaq.  y,a\  twv  a).Ao)v 
Ss  ToI?  [xe^aAcc  c  /pövoc  toctoStö;  Iqv.  T^q  emoaaswc,  oicv  yr/Zt  •/,«'. 
(Ji)Ti8t  •  ToT?  Ss  [jL£cot;  •::ept  cl'xoaiv,  otov  ly.Tivo)  y.al  Ispxy.;.  T'!y.T£t  es  6 
h.iviQc  Ta  ;j.;v  -AeTora  S6o,  £v(ot£  $£  y.a;  xpcTc  £^äy£'.  veottouc  •  c  S' 
a'.TWA'.s;  y.aAoüiJ.£vo;  isTiv  cts  y.al  TcTT:(p3cc.  v:/,iv.  C£  y.al  o  xöpar  y.T.A. 
Wenn  auch  Wiederholungen  bei  Plinius  nichts  seltenes  sind,  ^ 
so  ist  es  doch  hier  recht  unwahrscheinlich,  dass  er  vom  miluus 
und  accipiter  abgesprungen  sei  und  diese  habe  leer  ausgehen 
lassen,  dagegen  vom  Adler  wiederholt  habe,  was  er  schon  §.  13 
aus  derselben  Quelle  berichtet.  Es  wird  vielmehr  j;(xr<Y  nun- 
quam  statt  pariunt  nunquam  verschrieben  und  plus  vor  singulos 
ausgefallen  sein.  Hiernach  dürfte  die  ganze  Stelle  so  zu  be- 
richtigen sein: 

j)lus  singulos  fere  pariunt,  nunquam  plus  ternos.  is  qui 
aegolios  vocatur  etc. 

Die  Unbestimmtheit  der  Angabe  —  p^ws  singulos  —  ist 
dadurch  gerechtfertigt,  dass  auch  der  Kuckuk  miteinbegriffen 
ist,  den  Plinius,  wie  §.  25  zeigt,  zu  den  accipitres  zählt. 


11,  20. 

Ratio  operis  haec:  interdiu  statio  ad  jyortas  more  castrorum. 
quies  in  mafutinnvi,  donec  una  excitet  gemino  aut  triplici  homho 
ut  bucino  aliquo.  tunc  universae  provolant. 

So  die  älteren  Ausgaben  und  noch  Silliü".  In  den  Hand- 
Schriften  fehlt  haec^  wesshalb  es  Jan  beseitigte,  Urlichs  aber 
Vind.  PHn.  Nr.  199  i^atio  operis  für  eine  am  Rande  bemerkte 
Inhaltsangabe  eines  Abschreibers  hielt  und  mithin  zu  streichen 


'  Vgl.  eben  an  unserer  Stelle  cor«;«»  aliquando  et  quinos  mit  §.  32. 


358  J.  Müller. 

empfahl.  Mayhoff  stimmte  ihm  bei  und  setzte  die  Worte  in 
Klammern,  zugleich  auf  den  Index  sich  berufend.  Dort  fehlt 
nämlich  in  den  besseren  Handschriften  ratio  opens  als  Inhalts- 
angabe dieses  Abschnittes,  was  desshalb  besonders  auffallend 
ist,  weil  die  Worte  im  Text  schon  das  Ansehen  einer  Ueber- 
schrift  zu  einem  neuen  Abschnitt  haben,  also  um  so  geeigneter 
waren,  in  den  Index  überzugehen,  wenn  sie  wirklich  im  Texte 
standen.  Gleichwohl  bleibt  es  sehr  fraglich,  ob  dadurch  ratio 
operis  im  Text  verdächtig  wird.  In  Wahrheit  ist  §.  20 — 26 
Fortsetzung  der  mit  §.  5  begonnenen  Beschreibung  der  Bienen 
und  ihrer  Arbeit  (im  Index:  qui  ordo  in  opere  earum).  Diese 
Beschreibung  wird  zunächst  durch  die  Erklärung  unterbrochen, 
was  commosis,  pissoceros,  propolis,  erithace  sei  und  aus  welchen 
Blüthen  sie  gewonnen  würden  5  dann  wird  sie  wieder  auf- 
genommen §.  19,  abermals  unterbrochen  durch  die  Bemerkung 
über  zwei  Bienenfreunde  und  ihre  Beobachtung  und  zu  Ende 
geführt  von  §.  20  an.  So  konnte  Plinius  im  Index  über  diesen 
Abschnitt  hinweggehen,  wie  er  das  auch  9,  170  gethan  hat  und 
sonst  manche  kleinere  und  grössere  Partie  in  der  Inhaltsüber- 
sicht unberücksichtigt  geblieben  ist:  8,  §.  110;  198  und  199; 
213.  9,  §.  98-93;  170.  14,  §.  58;  94—97  u.  A.  Und  selbst 
das,  was  wir  als  besonders  auffallend  bezeichneten,  dass  die 
Worte  im  Texte  schon  das  Ansehen  einer  Ueberschrift  haben, 
findet  sich  auch  sonst,  ohne  dass  dies  auf  die  Stilisirung  des 
Index  Einfluss  gehabt  hätte.  So  5,  17  Tingitanae  provindae 
longitudo  CLXX  est.  Gentes  in  ea:  Quondam  praecipiia  Maiiro- 
rum  etc.   13,  98  mensae  vitia:  lignum  etc.  35,  98. 

Es  ist  aber  noch  etwas  andres  zu  beachten.  Nach  der 
Ueberlieferung  wäre  der  Wachposten  nur  bei  Tage  ausgestellt. 
Ist  dies  an  sich  bei  dem  Vergleich  mit  dem  Brauch  im  Lager 
auffallend,  so  stimmt  es  auch  nicht  mit  Varro  de  re  rust.  3, 
16,  9  omnes  ut  in  exercitu  vivunt  atque  alternis  dormiunt.  Und 
bei  Plinius  selber  wird  die  Nachtwache  vorausgesetzt  §.  62 
verum  et  ruhetae  veniunt  nitro  adrepentesque  forihus  portas 
sufßant.    ad   hoc    statio    provolat  covfestimque  ahripitur.  ^     Auch 


•  Es  ist  das  aus  Ai'ist.  h.  a.  IX  40,  p.  626,  A  30  ajioXXuai  Se   xa\  6  ypuvoc 


Emendationeii   zur  N;i.tui:Uis  Histom  des  Pliiiius.    II.  359 

bei  Verg-il  Georg-.  4,  165  heisst  es  allgemein:  Siuit  qidhus  ad 
portas  cecidit  custodia  sorti.  Zuletzt  ist  interdiu  auch  desshalb 
störend,  weil  mit  quies  in  mafutinum  von  der  Nacht  ausgegangen 
wird  um  §.  26  zu  ihr  zurückzukehren.  Ich  vermuthe  daher, 
dass  interdiu  verdorben  sei  und  Flinius  geschrieben  habe: 

Ratio  operis  interim  dicenda:^  statio  ad.  portas  more  ca- 
strorum. 

Ueber  den  Gebrauch  von  intenm  Hand  Tursell.  III. 
p.  425  f.   Plin.  15,  106. 

11,  U. 

Alvos  quidam.  in  eximendo  melle  expendunt,  ita  dirihentes 
quantum  relinquant.  aequitas  quidem  etiam  in  iis  obstringitur, 
ftruntque  societate  fraudata  alvos  mori.  in  primis  ergo  prae- 
cipitur  lauti  ut  purique  eximant  mella.  et  furem  mulierumque 
menses  ödere. 

Mit  den  Worten  in  primis  ergo  geht  Plinius  speciell  auf 
die  Besonderheiten  bei  der  Honiglese  ein,  und  was  er  über  die 
erforderliche  Reinlichkeit  dessen  sagt,  der  die  Waben  aus  dem 
Bienenkorbe  zu  nehmen  hat,  stimmt  überein  mit  den  nur  aus- 
führlicheren Vorschriften  Columella's,  de  re  rust.  9,  14,  3  verum 
maxime  custodiendum  est  curatori,  cum.  alvos  tractare  debebit,  uti 
jJridie  castus  ab  rebus  venereis,  neve  temulentus,  nee  nisi  lotus  ad 
eas  accedat  abstineatque  omnibus  redolentibus  escidentis,  ut  sunt 
salsamenta  et  eorum  omnia  liquamina;  itemque  foetentibus  acri- 
moniis  allii  vel  ceparum.  ccterarumque  rerum  similium.  Zugleich 
aber  zeigt  diese  Vergleichung,  was  schon  an  sich  augenschein- 
lich, wie  fremdartig  und  ungehörig  bei  Plinius  die  Bemerkung 
ist,  dass  den  Bienen  der  Dieb  zuwider  sei.  Es  kann  damit 
unmöglich  g-emeint  sein,  was  19,  123  gelegentlich  angemerkt 
ist:  rutam  furtivam  tantum  provenire  fertilius  jmtant  sicut  apis 
furtivas  j^esswne.  -  Es  könnte  offenbar  nur  von  einem  Honig- 
diebe und  zwar  in  ßlenschengestalt  die  Kode  sein  und  das  hin- 


/.»-caOtct  genommen ,  nTir  dass  bei  Plinius  der  Wachposten  substituirt 
ist,  von  dem  jedoch  auch  Aristoteles  weiss  p.  625,  h.  2  f. 

'  Vf,'l.  Fels  p.  24  lind  10,  i:jO,  wo  die  Codices  .toliflo  ut  oder  -loHda.  vt 
bieten  und  Jan  mit  <!frosser  Wahrscheinlichkeit  snJi  fHainlvr  hergestellt  hat. 

2  Darauf  bezieht  es  Ilaiduin  und  Andere. 

Sitzungsber.  iL  phil.-liist.  Cl.  XC.  VA.  III.  Ilit.  •  ^4 


,'^00  •     .T.  Müller. 

wieder  ist  durch  den  Znsaranienhang-  ausg-eschlossen.  Verg-leicht 
man  §.  61  ödere  foedos  odores  lyrocidqne  fufjmnt,  sed  et  ßctos; 
itaque  nnguenta  redolenfes  infestant  und  neben  der  aus  Colu- 
mella  angeführten  Stelle  Varro  de  re  rust.  3,  IG,  6  sequimtur 
omnia  pura.  itaque  nnlln  harimi  assidif  in  loco  mquinato,  out  eo 
qui  male  oleat,  neqiip-  etiam  in  eo  qid  bona  ölet  iinguenta.  itaque 
his  unctus  qui  accessit,  pungiint,  sowie  Aristot.  h.  a.  IX,  40,  p.  626, 
A  26  ff.  ou7/£paivo'jct  xodz  o'j70)0£C7'.v  cc[j.cdq  y..  -.  X.,  so  scheint  es 
ausser  Zweifel,  dass  hier  bei  Plinius  etwas  den  menses  mulierum 
Aehnliches  muss  bezeichnet  gewesen  sein  und  wir  werden  dies 
treffen,  indem  wir  schreiben: 

et  furfiirem  mulierumqtie  menses  ödere. 

Gemeint  ist  wohl  der  Kopfgrind,  auch  porvigo  genannt,  ' 
von  dem  Celsus  6,  2  sagt:  Porrigo  est,  uhi  inter  pilos  quaedam 
quasi  squamulae  surgunt  eaeque  a  cute  resolvuntnr;  et  interdum. 
madunt,  midto  saepius  siccae  srint.  Idque  evenit  modo  sine  ulcere, 
modo  exulcerato  loco;  huic  quoque  modo  malo  odore,  modo  nullo 
accedente.  Fereque  id  in  capillo  fit,  rnrius  in  harha,  aliqnando 
etiam  in  supercilio. 

Es  kommt  zwar  bei  Plinius  der  YhiraX  furfures  häufiger 
vor  als  der  Singular,  wie  denn  die  alten  Grammatiker  das 
Wort  als  Plurale  tantura  aufführen.  Vgl.  Neue,  Formenlehre 
der  lateinischen  Sprache  I,  S.  385;  389  f.  391.  Doch  findet 
sich  auch  der  Singular  z.  B.  26,  2  von  der  Flechte:  faedo  cutis 
furfure.  ^ 

11,  45. 

Im  Anschluss  an  die  eben  besprochene  Stelle  heisst  es 
weiter : 

Cum.  eximantur  mella,  apes  ahigi  fnmo  utilissimum,  ne  iras- 
cantur  aut  ipsae  avide  vorent.  fumo  crehriore  et  ignnvia  earnm 
excitatur  ad  opera,  nam  nisi  incuhavere,  favos  lividos  faciunt. 

Auch  dies  in  Uebereinstimmung  mit  Varro  3,  16,  36:  Si 
ex  alvo  minus  freqnentes  evadunt  ac  suhsidit  aliqua  pars,  snffn- 


'  Beide  Ausdrücke  verbunden  l'lin.  24,   187  farina  (feni  graeci)  porrlgines 

rnpi/ix  fit.rfiiresquc  cum  vinn  et  iiilro  celerifer  tollit. 
2  In    der  Bcdentunfr    , Kleie'   stellt   der   Sino-nlnr  IS,  87;    SS;    ;U)i;    1!),  44; 

22,   145.  Vgl.  Neue  I,  S.  4(i0. 


Gmendalionen  znr  Naturalis  Historia  des  Plinius    II.  du  1 

mic/andem  etc.  Colum.  9,  14,  2  Ilac  ciira  (nämlich  neben  anderer 
Pflege  durch  das  Räuchern)  per  id  tempus,  quod  diximvs,  exa- 
mina  firmahuntiir  eaque  fortius  operihus  inservient.  Weiter  wird 
dann  bei  Cohimella  §.  7  das  Räuchern  nur  im  Allgemeinen  als 
zuträglich  bezeichnet  •  ohne  den  bestimmten  Zweck  die  Bienen 
zur  Thätigkeit  anzureizen,  doch  aber  mit  der  Wirkung,  dass 
dieselben  in  Aufruhr  gerathen:  Verum  hoc  tempore  et  usque  in 
autumni  aeqttinoctmm  decimo  quoque  die  alvi  aperiendae  et  fumi- 
gandae  sunt,  quod  cum  sit  molestum  examinibus,  sahdjerrivmm 
tarnen  esse  convenit.  Sufßtas  deinde  et  aestuantes  apes  refrigerare 
oportet  etc.  Hiernach  ist  völlig  klar,  dass  die  Bienen  durch 
Räuchern  nicht  zum  Brüten,  wie  man  sich  dies  nach  Plinius 
§,  48  (gallinarum  modo  incubant)  und  Ai'istoteles,  h.  a.  V,  22 
p.  554,  A  18  dachte,  sondern  zum  Fleisse  in  ihrer  Arbeit  an- 
gereizt werden  sollten.  Vergleicht  man  nun  Arist.  h.  a.  IX,  40 
p.  625  A  5  ff:  £7:r/.aG-^vTat  c'  z-kX  zolq  •///jpioi;  al  [jiXiTTat  %at  QU[:.rÄ-- 
T0U!7tv  •  säv  o£  Toü-0  \):r,  -otwci,  c-Osi'pscOat  ^a^i  xk  y.r^^iy.  xal  apayvtoijffOa'. 
■/,.  -.  A.,  so  könnte  man  auf  den  ersten  Blick  geneigt  sein,  an- 
zunehmen, dass  inciihavere  bei  Plinius  dem  iT.'.v.'J.fir,v-y.'.  y.al  cjy.'TriT- 
Tsjcjtv  entsprechen  solle  und  könnte  in  diesem  Sinne  die  Worte 
des  Plinius  zu  deuten  oder  zu  ändern  suchen.  Allein  dem 
steht  entgegen  die  Verbindung  jener  Worte  mit  fumo  crehriore  et 
ignavia  earitm  excitatur  ad  opera  und  die  unzweifelhafte  Wirkung 
des  Räucherns.  Man  wird  sich  daher  schliesslich  dafür  ent- 
scheiden müssen,  dass  zwar  Plinius  etwas  Aehnliches  habe  sagen 
wollen,  wie  die  Stelle  des  Aristoteles  enthält,  -  dass  er  dies 
jedoch  ganz  allgemein  gehalten  und  so  ausgedrückt  habe:  , durch 
Räuchern  werden  die  Bienen  zur  Thätigkeit  gereizt,  denn 
wenn  sie  nicht  mit  Eile  am  Werke  sind,  so  leiden  die  Waben'. 
Und  eben  dies  erhalten  wir,  wenn  in  dem  überlieferten  incii- 
havere  das  a  getilgt  und  geschrieben  wird: 

nam  nisi  inciihuere,  favos  licidos  faciant. 

Das  Verbum  incumhere  findet  sich  absolut  gebraucht  bei 
Vergil,  Aen.  4,  397  7'«???  vero  Tencri  incumhnnt  et  lifore  celsas 
deducunt    toto    navis.    9,    73.     Mit    dem    Infinitiv  Georg  4,  249. 


1  Vgl.  Varro  .'5,   16,   17. 

-  Vgl.  Cnliim.    i>,    13,    11    tumque   (apnm    p.aiicitns   si   favis  compicndis  iion 
suflicit)  vaeune  cernttim  partes  covi.putre.icun f. 

'24* 


362  J.Müller. 

Zur  Sache  vgl.  Plin.  §.  29  mliil  komm  stato  tem/pore,,  sed  rapinnt 
cliehus  serenis  mnnia.  Arist.,  h.  a.  IX,  40  p.  625  B  21   flf. ' 


11,     173. 

Qnihusdam  insectis  intus  linguci,  ut  formicis.  ceferurn  htta 
elephanto  praecipue. 

So  werden  diese  Sätze,  wie  sie  die  Manuscripte  über- 
liefern, in  allen  Ausgaben  beibehalten,  doch  selten  ohne  den 
beig-efügten  Zweifel  an  ihrer  Richtigkeit.  Durchweg  hegt  man 
Bedenken  gegen  lata,  weil  Aristoteles,  h.  a.  II,  6  p.  502,  A  3 
sagt:  v/^coTiav  es  v/zi  (5  sXscpa;)  ixiy.pav  Xc  csöopa  v.oa  evxic,  wcxe 
spYov  sTvat  Izih.  Allein  die  Versuche  die  Stelle  in  diesem  Sinne 
zu  verbessern  schweifen  entweder  von  dem  Ueberlieferteu  allzu- 
kühu  ab,  wie  des  Pintianus  veterinis  lata,  ehplianto  perexigua, 
oder  wahren  zwar  die  äussere  Verbindung  der  beiden  Sätze, 
verkennen  aber  den  Punkt,  der  dieselben  in  Beziehung  gebracht 
hat,  wie  Mayhoff' s  ceterum  laiet  elephanto  perexigua.  Jener  Punkt 
ist,  wie  eine  Vergleichung  der  beiden  bei  Plinius  verbundenen 
Stellen  des  Aristoteles  lehrt,  intus  est,  lyzK  evxoc.  ^  Wir  glauben 
daher  nicht  zu  irren,  wenn  wir  bei  Verbesserung  der  Stelle 
hiervon  ausgehen,  lata  aber  unangetastet  lassen,  da  es  nicht 
ausgeschlossen  ist,  dass  Plinius  in  diesem  Punkte  die  Angabe 
des  Aristoteles  zu  berichtigen  in  der  Lage  war.  Hiernach, 
glaube  ich,  wird  es  genügen  et  vor  elephanto  einzuschieben  und 
die  Stelle  so  anzuordnen: 

quihusdam  insectis  infus  lingna,  ut  formicis,  ceterum  lata 
et  elephanto  pi^aecipue  (sc.  intus  est).  ^ 


'  Vgl.  aucli  Plin.  §.  14,  wo,  beiläufig  bemerkt,  tum  nicht  verinis.'?t  wird 
wie  Mayhotl'  meint.  Exire  ist  .stehender  An.sdruck  vom  Erwachen  ans 
dem  Winterschlaf;  extvnt  steht  also  dem  voransgchondon  condinifiii-  gegen- 
üljer  und  ad  opern  et  lahores  in  gedachtem  Gegensatz  zu  anderen  Thieren: 
,Nach  beendetem  Wintersclilaf  (vgl.  §.  43)  fliegen  sie  aus  sofort  zur  Arbeit'. 

2  Neben  h.  a.  II,  6  de  part.  anim.  II,  17  p.  661,  A  15  tfov  o'  ivToatüv 
t!o)üJV  £via  (J.EV  Evxb;   v/zi  io  to'.outov   [j.öp'.ov,  otov  to  tjÖv  [jLup|j.r^/.(ov  y-'voc. 

^  Vgl.  10,  77  rni  .toU  avi  furacifa.i  arffetiti  anriqiie  jii'arripue.  inira  ent  ^^ 
cni  soll  avi  mira  furacitas  est  argenti  praecipueque  anri  (Ovid.  Met.  7,  467). 


Euitiudatiuueu  zui-  Naturalis  llii>tüiia  des  Pliuius.    II.  ÖOÖ 


11,  .>77. 

Animae  leonis  virH.s  gravi',  ursi  pestileiis.  contacta  halita 
(iltia  naUafera  attimjit,  ociiisque  piitrescunt  adflata  reliquis.  homiui 
tantum  infici  natura  voluit  plurilms  modis,  et  ciborum  ac  dentiuvi 
vitiia,  sed  maximc  sanio. 

So  sind  die  beiden  letzten  Sätze  in  den  Ausgaben  abge- 
theilt  und  nur  Pintianus  hat  einen  Wunsch  nach  einer  andern 
Interpunctiüu  hiut  werden  hissen:  ,Leg-endum  diversa  inter- 
punctione,  Citiusqiu:  pittrescwd.  Afßatu  reliquis,  homini  tantum 
infici  natura  ylxuihun  modis  voluit  etc.  Dieser  Vorschhig,  trotz 
der  beigegebenen  Erklärung  kaum  verständlich,  ist  mit  Recht 
unberücksichtigt  geblieben.  Was  er  bessern  sollte,  bedarf  auch 
der  Verbesserung  nicht.  Adflata  nämlich,  das  nach  contacta 
halitu  überflüssig  zu  sein  scheint,  ist  hinzugefügt,  weil  g'eschieden 
wird  zwischen  dem  zufälligen  Beschnuppern  und  deui  absicht- 
lichen Anhauchen.  Vgl.  Aristoteles  h.  a.  VIII,  5  p.  594  B  16 
Ta  GS  y-pix  r.Ti-y.  v.y.T:tzf)Ui  {r,  xpv.xoc)  r.pzür,-o-jzy.  -ptoxov.  Jedenfalls 
ist  reliquis  bei  adflata  leicht  entbehrlich  und  es  ist  nicht  abzu- 
sehen, warum  es  auch  noch  in  den  neuesten  Ausgaben  nicht 
zum  Folgenden  gezogen  wird,  obwohl  auch  der  Palimpsest,  nicht 
blos  Codices  von  gei-ingerer  Autorität,  adflatae  bietet.  Hiernach 
ist  ohne  Zweifel  zu  schreiben: 

ociusqiie  putrescunt  adflata.  e  reliquis  homini  tantum  infici 
natura  voluit  etc. 

Zu  der  Verbindung  e  reliquis  (auimalibus)  homini  vgl.  7,  3; 
43;  63;  188.  8,  58.  11,  283. 


12,  11. 

Est  Gortynae  in  insula  Greta  iuxta  fontem  platanus  una 
insignis  utriusque  linguae  monimentis,  numquam  folia  dimittens, 
statimque  ei  Graeciae  fahulositas  superfuit  Joiem  sub  ea  cum 
Europa  concuhuisse,  ceu  vero  non  alia  eiusdem  generis  esset  in 
Cypro.  sed  ex  ea  primum  in  ipsa  Greta,    ut  est  natura  hominum 


304:  J.  Müller. 

noüitatis  avida,  platani  satae  regeneravere  vitiiivi,  quandoquidem 
commendatio  arhoris  eius  non  alia  maior  est  quam  soles  aestatt 
arcere^  Jdeme  adrnittere.  inde  in  Italiam  qnoqae  ad  suburbana  sua 
Clcmdio  'principe  MdvceUi  Aesernini  libertiis  ....  transtulit  id 
genus.  duranfqae  et  in  Italia  ijortenta  terrarum  praeter  illa  scilicet 
qnae  ipsa  excogitavit  Italia. 

Allgemein  wird  regeneravere  vitiam  so  verstanden,  dass 
die  Abkömmlinge  jener  immergrünen  Platane  diese  Eigen- 
schaft nicht  geerbt,  sondern  den  Fehler  wieder  angenommen 
hätten,  die  Blätter  jährlich  zu  verlieren.  Dass  damit  die  folgende 
Begründung  quandoqnidem  commendatio  arboris  eins  non  alia 
maior  est  quam  soles  aestate  arcere,  hieme  adrnittere  unvereinbar 
sei,  wird  zwar  von  Niemand  gesagt,  aber  durch  den  Versuch, 
die  Vereinbarkeit  zu  erläutern,  recht  augenscheinlich  gemacht. 
So  bemerkt  Harduin:  ,Ex  Gortynensi  platano  aliae  deinceps 
satae  non  eamdem  retinuere  dotem,  ut  numquam  folia  de- 
mitterent,  quae  laus  illius  propria  et  peculiaris  fuit;  sed  nati- 
vum  retulere  arboris  eius  seu  vitium  seu  ingenium'.  '  Aehnlich 
Urlichs,  ehrest.  Plin.  p.  ITH:  ,Die  Eigenschaft  die  Blätter  zu 
verlieren,  welche  die  neuerungssüchtigen  Menschen  fälschlich 
für  einen  Fehler  halten,  denn  u.  s.  w.'  Ich  kann  in  diesen 
Erklärungsversuchen  nur  eine  Ausflucht  der  Verzweiflung 
sehen,  die  eben  das,  wodurch  quandoquidem  seine  Beziehung 
erhalten  soll,  hinzufügt,  ohne  dass  es  im  Wortlaut  des  Schrift- 
stellers läge.  Suppliren  lässt  sich  der  Gedanke  ,ich  nenne  es 
Vitium',  vielleicht  auch  ,die  Leute  nennen  es  vitium'.  Aber 
nicht  mehr  suppliren  lässt  sich  ,die  Leute  nennen  es  fälsch- 
lich vitium^  Die  Begründung  quandoquidem  etc.  setzt  unbe- 
dingt entweder  voraus,  dass  im  Vorausgehenden  die  Eigen- 
schaft, die  Blätter  zu  verlieren,  als  ein  Vorzug  des  Baumes, 
oder  dass  die  entgegengesetzte  Eigenschaft,  die  Blätter  nicht 
zu  verlieren,  als  ein  Fehler  bezeichnet  sei.  Es  fordert  also 
die  beigefügte  Begründung,  dass  vitium  von  der  Eigenschaft 
des  Immergrünens   verstanden   werde.      Ebendasselbe    verlangt 


'  Auch  wenn  man  inf/euiian  statt  vitium  einsetzte,  wäre  es  doch  gar  selt- 
sam, es  dem  Baume  anzurechnen,  dass  er  seine  natürliche  Eigenschaft 
wieder  angenommen,  weil  sie  seinen  Vorzug  ausmache. 


Emeudutiuueu  zur  Naturalis  Ilistoriu  Ju^  Pliuius.   11.  360 

üLich  das  weiter  Folgende;  deiiu  iude  in  Itaiiain  quoqnc  tvaus- 
tidit  id  genus  kaun  nur  von  dein  Abköinniling-  der  immer- 
grünen Platane  auf"  Kreta  verstanden  werden,  weil  die  gewölm- 
liehe  Platane  längst  in  Italien  eingebürgert  war,  wie  ausser 
Plinius  §.  6  ff.  die  häufige  Erwähnung  des  Baumes  bei  anderen 
Sehriftstellern  beweist.  '  Zugleich  darf  schon  bei  diesen  Worten 
nach  dem  ganzen  Zusammenhang  angenommen  werden,  das^ 
der  Abkömmling  die  specitische  Eigenschaft  des  Mutterbaumes 
gewahrt  habe.  Und  was  schon  hiernach  angenommen  werden 
darf,  wird  auf  das  bestimmteste  vorausgesetzt  durch  die  Worte 
durantque  et  in  Itcdia  portenta  terrarum  etc.  Das  kann  nicht 
von  einer  nur  geringen  Abweichung  von  der  gewöhnlichen 
Platane  verstanden  werden  und  ebensowenig  etwa  von  der 
Grösse,  wie  bei  den  §.  9  und  10  beschriebenen  Exemplaren. 
Denn  in  fünfundzwanzig  Jahren  wächst  keine  Platane  zu  c'nem 
mächtigen  Baume  heran.  - 

Hiernach  ist  klar,  dass  die  bisherige  Auffassung  der  Worte 
leijeiteravere  vitium  unrichtig  ist,  und  es  fragt  sich,  ob  eine 
andere  möglich,  oder  ein  Verderbniss  anzunehmen  sei.  Aus- 
gegangen ist  die  unrichtige  Auffassung  offenbar  von  der  Ad- 
versativpartikel sed  und  nur  wenn  diese  Partikel  ohne  Beziehung 
auf  legeneraveve  vitium  gesetzt  sein  könnte,  würde  sie  nicht 
nothwendig  jene  unrichtige  Auffassung  bedingen.  An  sich 
könnte  sie  das  Abbrechen  der  kleineu  Digression  von  der 
fabulositas  Graeciae  bezeichnen.  Doch  empfiehlt  sich  dies 
durch  nichts.  Der  Schriftsteller  hätte  fühlen  müssen,  wie  sehr 
dem  Missverständniss  ausgesetzt  seine  Rede  sei  und  hätte  dem 
vorbeugen  müssen,  indem  er  wenigstens  statt  aatae  ein  Verbum 
finitum  wählte.  Zwar  kommt  es  vor,  dass  die  Plaupthandlung 
in  das  Particip  zurücktritt,  wie  z.  B.  9,  148  intellectum  inesst 
his  apparet,  qida,  uhi  avidsorem  sensere,  contractae  midto  diffi- 
cilins  abstr/ihvntnr.  •'  Doch  ist  eine  solche  Auffassung  in  dem 
vorliegenden    Falle    kaum    zulässig    und    wird    auch  durch  die- 


'  Vgl.  Hehn,  Culturiiilaiizen  und  Haustliiore  iu  ihrem  Uebei'gauge  aus  Asieu 

nacli  Griechenland  und  Italien,  ö.  2ü0  f. 
-  §.  12    wird  auch,   wie  ich  sehe,   allgemein  von  einem  yenns  plataiii  jbliu 

nunujuaw,  diniittens  verstanden.     Vgl.  die  Indices  sju  den  Ausgaben. 
•^  Vgl.  Wex  zu  Tac.  Agr.  p.  274.  Xipperdey  liheiu.  Mus.   l'J,   S.   lU-t. 


366 


J.  M  Uli  er. 


selbe    kaum    etwas   gewonnen.     Es    müsste    demnach   secl   in  et 
geändert  werden.  ' 

Mit  diesem  Resultate  werden  wir,  so  weit  ich  mich  infor- 
miren  konnte,  bei  den  Botanikern  auf  entschiedenen  Wider- 
spruch stossen,  die  an  eine  immergrüne  Platane  in  Italien  nicht 
§:lauben.  C.  Fraas  spricht  sich  in  der  Einleitung  zu  seiner 
•Synopsis  plantarum  florae  classicae  S.  28  (Ausg.  II)  hierüber 
aus.  Er  zeiht  den  Theophrast'^  nicht  gradezu  des  Irrthums, 
hält  es  jedoch  für  wahrscheinlich,  dass  seine  Angabe  auf  einer 
Täuschung  beruhe.  ,Es  sei  eine  allzuhäufige  Erfahrung,  dass 
ausländische  Bäume  mit  zarten,  mehr  diaphanen  Blattorganen 
und  selbst  inländische  dergleichen,  wenn  auf  mageren  oder  sehr 
trockenen  Boden  verpflanzt,  zur  Zeit  der  höchsten  Wärmegrade 
(Ende  Juli  und  Anfang  August)  ihre  wie  versengten  Blätter 
fallen  lassen,  dann  aber  bei  rasch  folgender  Temperaturabnahme 
im  September  nach  so  kurzer  Ruhe  wieder  frisch  nachtreiben, 
freilich  nur  mit  geringer  Wachsthumzunahme.  So  scheinen  sie, 
wenn  die  härteren  Sorten  im  Winter  in  wärmeren  Laffen  das 
nachgetriebene  Laub  behalten,  immergrünend,  wie  ich  an  einer 
am  Marktplatz  von  Athen  stehenden  Platane  und  an  den  am 
alten  Palais  von  mir  gepflanzten  Linden  alljährlich  beobachtete.' 
So  Fraas.  Er  nimmt  auf  den  Bericht  des  Plinius  keine  Rück- 
sicht. So  weit  dieser  wiedergibt,  was  er  bei  Theophrast  vorfand, 
ist  er  ja  auch  keine  Autorität.  Aber  die  Verpflanzung  jener 
kretensischen  Platane  in  das  Suburbanum  des  Freigelassenen 
des  Marcellus  Aeserninus  ist  durch  das  Zeugniss  des  Plinius 
gegen  jeden  Zweifel  sichergestellt.  Doch  ist  in  diesem  Zeugniss 
allerdings,  weil  eben  die  Worte  regeneravere  vitium  zweifelhaft 
sind,  die  in  Italien  angepflanzte  Platane  nicht  mit  Bestimmtheit 
als  eine  immergrüne  bezeichnet,  die  ihre  Blätter  nie  abwerfe. 
Vielmehr  ist  in  dem  Berichte  des  Plinius,  wenn  wir  von  rege- 
neravere  vitium  absehen,  nichts  enthalten,  was  der  Annahme 
widerspräche,  dass  es  mit  dieser  Platane  eine  ähnliche  Bewaudt- 
niss    könne    gehabt    haben    wie    mit    der,    die   Fraas   in  Athen 


'  Zu   regeneravere   vitium  vgl.   7,   öO   signa   quaedavi   naevosque   et  cicalrices 

etiam  regenerari. 
2  Auf  ihn   geht   die  Notiz   über   die   immergrüue    Platane    zu   Gortyne    auf 

Kreta  zurück,  hist.  plant.  1,  9,  5.     Vgl,  Plin.  16,  81. 


Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plmius.  II.  Öu  / 

gesellen.  Wenn  also  die  Botaniker  Recht  hätten,  indem  sie  eine 
imme.rg-rüne  Platane  in  Italien  für  ein  Ding-  der  Unmöglichkeit 
erklären,  so  wäre  nicht  in  der  Adversativpartikel  sed,  sondern 
in  regeneravere  Vitium  das  Verderbniss  zu  suchen.  Und  würde 
dies  in  degeneravere  Vitium  geändert,  so  wäre  damit  eben  der 
Sachverhalt,  den  Fraas  als  wahrscheinlich  voraussetzt,  zwar 
nicht  klar  und  bestimmt  bezeichnet,  doch  aber  immerhin  in 
genügender  Weise  angedeutet.  Das  vititim  wäre  die  Eigen- 
schaft, die  Blätter  nie  zu  verlieren,  die  degeneratio  bestünde 
darin,  dass  jene  Platanen  ihr  Laub  über  Winter  behalten, 
dann  im  Frühling  neues  getrieben  hätten.  Die  spielende 
Ausdrucksweise  degeneravere  Vitium  wäre  dem  Plinius  wohl 
zuzutrauen.  Vgl.  7,  122  semper  Olympiae  victor  et  semel  victus 
d.  i.  obwohl  victus,  doch  victor.  8,  131  nee  alteri  animalium 
in  maleficio  stultitia  soUertior.  Grasberger  de  usu  Pliniano 
p.  122  f.  Ueber  den  transitiven  Gebrauch  von  degenerare  Neue 
Formenl.  II,  S.  282.  ' 

12,  U. 

Nardo  colos,  si  inveteravit,  nigriori  melior. 

So  alle  Manuscripte  und  Ausgaben.  Und  doch  scheint 
mir  der  Satz:  ,Je  schwärzer  die  Narde,  desto  besser  ihre  Farbe' 
ganz  verkehrt  zu  sein.  Es  handelt  sich  ja  nicht  um  einen 
Färbestoff  und  dessen  Güte.  ,Je  schwärzer  die  Farbe,  desto 
besser  ist  sie'  würde  ich  in  Ordnung  finden,  doch  wird  die 
Stelle  nicht  in  diesem  Sinne  zu  ändern  sein,  sondern  es  wird 
der  in  den  Handschriften  häutige  Fehler  der  Vertauschung  der 
Endungen  vorliegen  und  zu  schreiben  sein: 

nigrior  meliori. 

(Turis  arboruin)  silva  divisa  certis  portionibus  mutua  inno- 
centia  tuta  est;  nemo  saucias  arhores  custodit,  ntmo  furatur  alteri. 


1  Ich  gebe  dies  mit  jener  Reserve,  zu  der  der  Philolog  bei  riiuius  nicht 
selten  gezwungen  ist,  wenn  er  sich  auf  Gebieten  bewegt,  auf  denen  er 
so  gründliche  Fachkenntnisse  nicht  besitzt,  um  sich  auf  sein  eigenes 
Urtheil  verlassen  zu  können. 


368  J.  Müllur. 

at  Hercules  Aicxandriae,  vhi  iura  interpolantWj  nullet  satis  custo- 
dlt  diligentia  officinas.  suhlitjaria  signantiir  opifici,  persona  additur 
caplti  densusve  reticulus,  nudi  eruittimfar,  tanto  minus  fidel  apud 
HOS  poena  quam  apud  illos  siloae  hahent. 

Detlefsen  hat  zuerst  an  der  Geg-enüberstellung  von  poena 
und  silcae  Anstoss  g-enommen,  oder  doch  den  ersten  Versuch 
gemacht  das  Unzutreifende  und  Unpassende  derselben  zu  be- 
seitigen. Dies  ist  in  der  That  augenfällig.  Poena  in  dem  einen 
Vergleichungsgliede  würde  als  Gegensatz  in  dem  andern  etwa 
mores  erheischen,  nach  Tac.  Germ.  19  pluscpie  ibi  honi  mores 
valent  quam  alihi  honae  leges;  oder  consensus  iiinocentiae,  ^  oder 
ooluntaria  innocentia ,  -  oder  pudor,-^  oder  dergleichen.  Aber 
zwischen  silvae  und  poena  weiss  ich  keinen  Vergleichungspunkt 
zu  entdecken.  Der  wäre  nun  zwar  in  Detlefsens  Conjectur  — 
pjoma  statt  poena  —  gegeben.  Allein  da  der  Gedanke  diu'ch 
das  eben  Besprochene  angeregt  ist,  muss  er  auch  daran  an- 
knüpfen und  sich  hierauf  beziehen;  von  einer  Unsicherheit  der 
Obstbäume  aber  war  im  Vorausgehenden  durchaus  keine  Rede. 
Die  letzten  Worte  nudi  emittuntur  ^  könnten  auf  paenu/fa  führen: 
,Bei  uns  wird  der  Mantel  mit  seinen  winzigen  Taschen  ver- 
sagt, während  dort  ganze  Wälder  ohne  Wache  bleiben.'  Doch 
würde  dies  eine  Missbilligung  jeuer  Vorsichtsmassregeln  ent- 
halten, die  mit  33,  26  quae  fuit  illa  vita  priscorum,  qualis  inno- 
centia, in  qua  nihil  signahatur!  at  nunc  cihi  quoque  ac  pottis  anido 
vindicantur  a  rapina  wenig  stimmte  und  hier  durch  nuUa  satis 
custodit  diligentia  ausgeschlossen  scheint.  Einen  vollkommen 
zutreffenden  und  in  den  Zusammenhang  passenden  Gegensatz 
wird  penates  bieten,  dessen  Gebrauch  für  ,Haus  und  Hof'  hin- 
länglich bekannt  ist.  Vgl.  Cic.  de  rep.  5,  5,  7  Äd  vitam  autem 
usumque  vivendi  ea  descripta  ratio  est  iustis  nuptiis,  legitimis 
liheris,  sanctis  penatium  deorum  Lariimqu,e  familiarium  sedibus, 
ut  omnes  et  communibns  commodis  et  suis  uterentur.  Colum.  de  re 
rust.  11,   1,  19.    Zu  dem  Ausfall  der  Endung  tes  vgl.  Fels  p.  24. 


•  Nach  Senec.  de  clcm.  1,  23,  "2. 
2  Seuec.  a.  a.  O.  1,  24,  2. 

^  Senec.  de  .benef.  3,  16,  1. 

*  ^udi  in  dem  Sinne  wie  18,  20.  Tac.  Germ.  20.  Vurg.  Geory.    1,  21)9. 


Kmendatioueu  mv  Naturalis  Hi:3toria  des  l'liuius.   II.  OOj 


VZ,  100. 

Tricenis  ab  eo  (lacii)  stadiis  calanius  et  iuncus  odorati 
(jujnantur.  sane  enivi  dicamus  et  de  iunco,  quamvis  alio  herbis 
dicato  vohirnine,  quoniam  tarnen  hie  ainjuentorum  materia  tvactatur. 
nihil  evfjo  a  ceteris  sui  yeneris  differunt  aspectu,  sed  calanius  prae- 
slanti  odore  statim  e  longinquo  invitat,  mollior  tacfti,  meliorque 
qui  minus  fragilis  et  qui  assidose  potius  quam  qui  raphani  modo 
fiangitur.  inest  ßstulae  araneum  qiiod  vocant;  ßore  praestantiove 
cui  nnmerosius.  reliqua  prohatio  ut  nigtr  sit;  damnantur  alhi. 
melior  quo  brevior  crassiorque  et ^  lentus  in  fvangendo.  calamo 
pretium  in  libras  singulas  X  7,  iimco  X    V. 

An  dieser  Stelle  erscheint  mir  Mehreres  als  höchst  auf- 
fallend, zunächst,  dass  zwar  sehr  bestimmt  und  umständlich 
die  Beschreibung  auch  des  iuncus  angekündigt,  dann  aber  nicht 
das  geringste  über  ihn  bemerkt  wird  ausser  der  Preisangabe 
am  Schlüsse;  ferner,  dass  hingegen  eine  Beschaffenheit  des 
calamus  zweimal  angegeben  wird,  nämlich  die  Art  und  Weise, 
wie  er  sich  breche  und  dass  dies  beidemal  gleichmässig  als 
Zeichen  der  Güte  mit  melior  eingeleitet  ist.  Schliesslich  lässt 
reliqua  prohatio  erwarten,  dass  mit  dieser  Bemerkung  die  Be- 
schreibung des  calamus  abgeschlossen  werde. 

Das  Alles  legt  die  Vermuthung  nahe,  dass  in  unserm  Text 
iuncus  zwischen  albi  und  melior  ausgefallen  sei.  Weder  in  der 
21,  120  folgenden  Beschreibung  noch  bei  Dioscorides  1,  IG 
tindct  sich  etwas,  das  meiner  Annahme  widerspräche. 


(Baisami)  summa  est  prohatio  ut  lac  coagulet,  in  veste  ma- 
culas  non  faciat.  nee  manifestior  alihi  fraus,  qiiijjpe  milihus 
denarium  sextarii,  empti  vendente  fisco  tricenis  denariisj  veneunt. 
in  tantum  expedit  Heere  auctorem. 

Allgemein  wird  angenommen,  dass  Plinius  hiermit  einen 
Beweis  für  die  Fillschung  des  Balsams  im  Kleinliandel  bei- 
bringen   wolle.     Salmasius    Exerc.    p.    417  b.  D    und  mit  ihm 


370  J.  MuHor. 

Harduin  paraphrasirt  den  Gedanken  also:  Purum  quidem  putum- 
que  balsamuni;,  zo  ä'xpaxov,  vcndente  fisco  trecenis '  denariis  veni- 
bat.    Qui  a  fisco  emebant  mercatores  in  tantum  liquoiem  illum 
augcbant  admixtis  aliis  sucis,    ut  mille  denarios  facerent  ex  ea 
mensura,  pro  qua  trecentos   tantum  denarios  dedissent.     Dieser 
Gedanke  ist  verkehrt,  weil  Plinius  gar  nicbt  in  der  Lage  war, 
die   Summe,    welche  die  Unguentarii  aus  einem    Sextar    reinen 
Balsams  lösten,  zu  constatiren,  da  ihm  die  Mischung  nicht  be- 
kannt sein  konnte.    Und  auch  der  Ausdruck  ist  dem  Gedanken 
nicht  angemessen,   der  eher  erheischte:  milia  denarium  ex  sin- 
(jtdis   sextariis,    emptis    vendente  fisco    trecenis  denariis,  reficiunt, 
oder    redigunt    oder   reciphmt    oder    dergleichen.     Wollte    man 
aber  annehmen,  Plinius  sei  naiv  genug  gewesen  einen  Parfumeur 
zu  fragen,  wie  viel  er  aus  einem  Sextar  reinen  Balsams  durch 
Fcälschung   löse    und    der  Unguentarius    sei  einfiiltig  genug  ge- 
wesen,   ihm    die  Wahrheit    zu    sagen,    so  wäre  für  Andere  der 
Beweis    der  Fälschung   aus    der  Differenz    zwischen    dem  Ein- 
kaufspreis und  dem  Erlös  nur  dann  zu  führen,    wenn  sie  eine 
so  unverhältnissmässig  grosse  war^  dass  an  Aufschlag  auf  den 
reinen    Balsam    nicht    gedacht   worden    könnte    und    Fälschung 
noth wendig. vorausgesetzt  werden  müsste.     Der  Beweis  müsste 
immer  ein  schwacher  bleiben,    könnte  aber  doch  gelten,    wenn 
tricenis,    kaum    noch    wenn   trecenis    gelesen    wird.      Da   jedoch 
Plinius    eine    andere  Basis    für    seine  Berechnung    nicht   haben 
konnte,    als  den  Preis  eines  Sextars  beim  Fiscus  und    die   ge- 
wöhnlichen Preise  eines  Sextars  in  den  Läden  der  Unguentarii, 
so  konnte  ein  vollgiltiger  Beweis  für  die  Fälschung  unter  allen 
Umstilnden  nur  in  dem  niedrigeren  Preise  bei  den  Unguentarii 
gefunden  werden.     Denn  wenn  der  Kleinhändler    billiger    ver- 
kauft als  der  Producent,  so  liegt  darin  ein  ofi'enkundiger  Beweis 
der  Fälschung,  gerade  weil  es,  wie  Salmasius  a.  a.  O.  sich  aus- 
drückt,   contra    rerum    naturam    est  mercaturis  ita  insistere,  ut 
pauciorc    pretio    vendas    quod    pluris   emcris.     Und  diesen  Ge- 
danken ergaben  die  Worte  wie  sie  vor  Salmasius   interpungirt 
wurden  mit  Beziehung  von  empti  vendente  fisco  zu  milibus  dena- 
rium  sext.arü   und    von    trecenis   denariis  zu  veneunt.     Doch  ist 


'  So  las  Snlmaslus,  nicht  trkenii. 


O  T  1 

Erncndiüioiiou  -/.m  Natm-ilis  Historia  (Ips  Phnnis.    11  i)  i  1 

damit  das  Folgende  absolut  unvereinbar  und  mithin  jede  Er- 
klärung- ausgeschlossen,  welche  von  der  Annahme  ausgeht,  dass 
Plinius  einen  Beweis  für  die  Fälschung  des  Balsams  bei- 
bringen wolle. 

Dass  aber  die  Worte  auch  noch  anders  aufgefasst  werden 
können,  zeigt  8,  135  magnum  fraus  et  ihi  lucriim  monoiwlio  invenit. 
Während  aber  dort  die  üebervortheilung  in  der  Steigerung  des 
Preises  durch  Monopolisirung  besteht,  kann  sie  hier  nur  dadurch 
ermöglicht  sein,  dass  reiner  Balsam  in  Folge  des  Verbrauches 
desselben  zu  Salben  und  Parfümerien  in  Rom  schwer  zu  be- 
kommen war.  Die  Mischung  des  Balsams  mit  anderen  Ingre- 
dienzen muss  sehr  rentabel  gewesen  sein,  da  derselbe  aus- 
giebigen Zusatz  vertrug.  Vgl.  Theophrast  hist.  plant.  9,  6,  2 
T7;v  B'  oijirfjV  oiaöipo'juav  y.x;  TroAAvjv,  mqxz  ä-b  [x'.xpcü  ttoauv  £(piy.v£T(jOa'. 
rizcv.  Dioscor.  1,  18.  Daher  reiner  Balsam  nicht  blos  nach 
Griechenland  kaum  kam  (Theophr.  a.  a.  0.),  sondern  auch  in 
Rom,  selbst  nachdem  der  Fiscus  die  Gärten  bewirthschaftete 
und  den  Ertrag  bedeutend  erhöht  hatte  (Plin.  §.  117),  so  schwer 
zu  haben  war,  dass  Aerzte,  die  zu  Medicamenten  natürlich  unver- 
fälschten suchen  mussten,  selber  Reisen  nach  Palästina  unter- 
nahmen. '  Hiernach  muss  an  unserer  Stelle  fraus  nicht  von 
Fillschung,  sondern  kann  von  üebervortheilung  beim  Verkaufe 
des  reinen  Balsams  zu  sehr  erhöhtem  Preise  verstanden  werden. 
Dieser  war  aber  nur  zu  erzielen,  wenn  die  Unverfälschtheit 
garantirt  war,  etwa  durch  die  Etiquette  und  das  Siegel  des 
Fiscus  an  den  Gefässen.  Die  Händler  in  Rom  also  verkauften 
zu  so  enormen  Preisen  nicht  eigentlich  den  Balsam,  oder  diesen 
wenigstens  nicht  allein,  sondern  mit  ihm  den  Verkäufer  und 
Garanten,  auctorem. 

Wenn  man  hiernach  bei  der  Herstellung  des  Textes  sich 
lediglich  an  den  Cod.  Riccardianus  hält,  der  licpj-e  auctorem 
UquorE  bietet,  so  bedarf  es  nur  der  Einschiebung  von  in. 
vor  liquore  und  der  Gedanke,  den  ich  bezeichnete,  ist  ausge- 
drückt.   Also: 

in  tantum  expedit  licere  mictorem  in  liquore. 


'  Vgl.  Ar.arqunrclt  Rom.  Privataltortli.  •_'  S.   -MVl  A.   I'.i  und  IX. 


372  J.  Müller. 

Wie  Li  vi  US  2ß,  43,  3  säg-t:  in  una  urhe  imiversam  ceperitis 
Hispnniam,  ^  so  lässt  sich  auch  wohl  Stagen  licet  mictor  in  Uqnore'^ 
=:  in  vendendo  liquore.     Vgl.  Plin.  10,   142. 

Ob  nach  einer  Vermittlung  zwischen  dem  Riccardianus 
und  den  geringeren  Codices  gesucht  werden  dürfe,  wie  Jan 
und  Fels  g-ethan  haben,  ■'  lässt  die  stark  alterirte  Leseart  der 
letzteren  als  sehr  zweifelhaft  erscheinen.  Am  einfachsten  er- 
klärt sich  doch  die  Leseart  der  g-eringeren  Codices  expedit 
augere  liquorem  so,  das  licere  wegen  der  Aehnlichkeit  mit 
liquore  ausgefallen  und  dann  auctorem  in  augere  corrigirt  worden 
sei.  Nur  dass  der  Riccardianus  nicht  expedit  sondern  expedita 
bietet,  könnte  etwa  noch  auf  eine  vor  sich  g-egangene  Um- 
stellung statt  expedit  auctorem  licere  schliessen  lassen,  doch  ist 
der  Anhaltspunkt  nicht  ausreichend  eine  Umstellung  zu  recht- 
fertigen. 

Noch  lässt  mich  ein  anderer  Punkt  in  der  Stelle  nicht 
ohne  Bedenken.  Der  Riccardianus  bietet  vendente  fisco  tricenis 
deuariis,  Parisinus  d  trecenis,  a  trecentis.  Seit  Sillig  folgt  man 
dem  Riccardianus.  Das  wäre  eine  exorbitante  Steigerung  des 
Preises  lediglich  in  Folge  starker  Nachfrage.  Zwar  sagt  Plinius 
6,  101,  dass  die  aus  Indien  importirten  Waaren  in  Rom  um 
den  hundertfachen  Preis  gekauft  wurden  (quae  apud,  nos  centi- 
plicato  veneant).  Allein  was  die  indischen  Waaren  so  vertheuerte, 
der  Zwischenhandel,  Transport,  Zoll,  das  traf  eben  den  Balsam 
entweder  gar  nicht,  oder  doch  nur  in  geringem  Maasse.  Ferner 
wird  der  Balsam  bei  Plinius  §.111  als  der  vorzüglichste  unter 


>  Vgl.  Hand  Tursell.  III.  p.  267,  31. 

-  An  dieser  Stelle  also  wäre  dem  Verbum  Heere  sein  intransitiver  Gebrauch 
=  ,feil  sein'  gewahrt.  Ob  es  überhaupt  transitiv  gebraucht  worden  sei, 
wird  bekanntlich  bezweifelt.  Vgl.  Neue  Lat.  Formenl.  2  S.  267.  Wenn 
übrigens  Neue  auch  Plin.  .S5,  88  ijerconlanti  quanti  Uceret  opera  ejf'ecta 
parvum  nescio  quid  dixernl,  at  ille  quinquagenis  talentis  poposcit  famamque 
(linpersit  se  emere  nt  pro  suis  venderet  in  unveränderter  Ueberlieferung  dem 
neutralen  Gebrauche  vinditMrt,  so  beruht  das  auf  irriger  Auslegung.  Opern 
ejl'ecia  kann  nicht  Nomin.  Singul.  sein,  wie  sclion  das  folgende  suis  zeigt. 

^  Fels  sagt  p.  55  f.;    In  archctypo    sie    scriptum    fuisse  arbitramur    expedit 
I.iquo7-em 
licere  auctorem,  voc.  liquorem  explicationis  causa  addito.     Qvae  explicatio 
etiam  in  deterioros  codd.  transiit,  omisso  v.  licere  et  corrupto  v.  auctorem 
in  augere. 


Eraendationen  zur  Naturalis  Ilistoria  des  Pliniii~.    11.  DiO 

allen  Wohlgerüclien  bezeichnet  (omnihus  odorihns  praefertur 
halsamMm)  und  dies  23,  92  noch  einmal  bestätig-t  (Bahaminum 
longe  'pretiosissimum  oinnmm).  Vergleiclit  man  nun  die  Preise 
anderer,  so  scheinen  30  Denare  für  den  Sextar  Balsam  unver- 
hältnissmässig-  wenig.  12,  43  wird  der  Preis  für  1  libra  Narden- 
blätter  auf  40,  (30,  75,  Nardenähre  auf  100  Denare  angegeben, 
was  für  den  Sextar  Nardenöl  —  und  erst  dies  würde  doch  dem 
Opobalsamum  entgegengestellt  werden  können  —  einen  unver- 
gleichlich höheren  Preis  ergibt.  ^  Das  Pfund  Isocinnamou 
kostete  300  Denare  (12,  98),  Cinnamomumreiser  noi'mal  1000 
Denare  (12,  93),  Malobathrumöl  bis  300  Denare  (12,  129), 
Amomumtraube  60  Denare  (12,  48),  Cassiarinde  5  bis  50  De- 
nare (12,  97),  Myrrhe  3  bis  50  Denare  (12,  70).'^  Die  Frage  ist 
berechtigt,  wie  kam  der  Fiscus  dazu,  so  weit  hinter  diesen 
Preisen  zurückzubleiben? 

Auch  die  Ladenpreise  der  Salben  und  Parfümerien  ge- 
statten einen  Masstab.  13,  20  wird  1  libra  von  den  theuersten 
Wohlgerüchen  auf  über  400  Denare  angegeben.  -^  Das  Cinna- 
mominum  erreichte  nach  13,  15  einen  Preis  von  300  Denaren. 
In  Jerusalem  kostete  nach  Joh.  12,  3  und  5  die  litra  Narden- 
salbe  300  Denare,  nach  Mark.  14,  3  ff.  ein  aXaßacxpov  über 
300  Denare.  Martial  setzt  12,  65  4  ff.  das  Pfund  feiner  Salbe 
10  Aurei  gleich.  Natürlich  waren  diese  alle  mit  anderen  billigen 
Ingredienzen  gemischt.  Ein  wie  viel  gewinnbringenderes  Ge- 
schäft also  machten  die  Unguentarii  mit  dem  Balsam  als  mit 
der  Nardensalbe,  wenn  sie  den  Sextar  reinen  Balsam  um  30 
Denare  kauften  und  den  Sextar  wer  weiss  wie  stark  gefälschten 
zu  600  Denaren  (nach  dem  Ansatz  bei  Plinius  13,  20)  ver- 
kauften! Schliesslich  ist  auch  das  Preisverhältniss  zwischen  den 
Balsamreisern,  das  Pfund  zu  6  oder  5  Denaren,  und  dem  Opo- 
balsamum, das  Pfund  zu  20  Denaren,  ein  durchaus  unnatürliches. 


'  Der  Masstab,  den  12,  120  an  die  Hand  gibt,  wo  das  Pfund  Malobatlirnm- 
Ijlätter  auf  GO,  Malobatlirumöl  auf  300  Denare  angesetzt  wird,  ist  natürlicii 
nicht  verlässlicli,  wird  er  aber  angelegt,  ergibt  er  für  den  Sextar  Nardenöl 
560 — 750  Denare. 

-  In  der  Aufzählung  der  zur  Zeit  des  Plinius  tlieuersten  Waaren  37,  204 
stobt  das  Oj)obalsamum  der  Myrrhe  voran. 

^  l'lvcedimtque  quadringonoft  denarios  lihrae.  Die  Jjoscart  ist  dort  duroli  die 
Uebcreinstimmung  von  Codex  M  und  R  gesicliert. 


374  J.  Müller. 

Alle  diese  Bereclinimgen  sind  zwar  nicht  streng  beweisend, 
docli  machen  sie's,  denke  ich,  recht  wahrscheinlich,  dass  die 
Zahlang-abe  der  geringeren  Codices  frecenls  die  richtige  sei. 
Dagegen  fällt  die  Angabe  des  Theophrast  histor.  plant.  9,  6,  4 
und  des  Plinius  §.  117,  dass  zur  Zeit  Alexanders  erst  das 
doppelte  Gewicht  reinen  Balsams  dem  einfachen  des  Silbers  an 
Werth  gleichgekommen  sei,  also  ein  Sextar  etwa  63  Denare 
gekostet  habe,  nicht  in's  Gewicht.  Denn  der  Preis  zur  Zeit 
Alexanders  ist  für  die  Zeit  des  Plinius  in  keiner  Weise  mass- 
gebend. Auch  der  Angabe  des  Dioskorides  1,  18  ^wAsiTai  ce  h  to) 
tct:o)  "Kpaq  Bi-Xouv  apY'jptov,  wonach  ein  Sextar  etwa  250  Denare 
gekostet  hätte,  wollen  wir  in  unserer  Berechnung  kein  Gewicht 
beilegen,  wiewohl  wir  vielleicht  dazu  berechtigt  wären.  Denn 
daraus,  dass  Dioskorides  seine  Notiz  ^€i  oe  öXi'yov,  wc  -/.aö'  iy.asTov 
yjpz'io-i  [j.r,  z/vsTjv  t^  Iq  ^  kr^xx  yixc  cuvaOporCsaOa'.  aus  Theophrast  ent- 
lehnt hat,  folgt  noch  nicht,  dass  die  weitere,  abweichende  Notiz 
über  den  Preis  werthlos  sei.  Dioskorides  könnte  neben  dem 
Anschluss  an  die  Ausdrucksweise  des  Theophrast  den  Preis 
seiner  Zeit  substituirt  haben. 


13,  46. 

Suum  r/enus  e  sicciore  turba  (palmarum)  dactylis,  iiraelonfja 
f/rncüitate  cnrvatis  Interim.,  nnvi  quos  ex  his  lionori  deornm,  damvs 
chydaeos  ajjpellavit  Jndaea,  gens  contumdia  nwninum  insignis. 

MayhofF  hat  Luc.  Plin.  p.  121  gezeigt,  dass  in  dem  vor- 
liegenden Gedankeuzusammenhang  für  die  Partikel  nam  kein 
Platz  sei.  Das  ist  so  unbestreitbar  richtig,  dass  Detlefsen  nam 
ohne  weiters  aus  dem  Text  entfernt  hat,  während  bei  Mayhoff 
selber  es  in  Klammern  eingeschlossen  ist.  Darüber  will  ich 
auch  weiter  kein  Wort  verlieren,  nur  kann  ich  die  Art,  wie 
sich  MayhofF  nam  aus  einer  verkehrten  Wiederholung  der  letzten 
Buchstaben  des  vorhergehenden  Wortes  entstanden  denkt,  nichts 
weniger  als  wahrscheinlich  finden.  Ausserdem  aber  ist  mir 
die  Verbindung  des  Relativsatzes  mit  dem  Folgenden  unver- 
ständlich,   und  sie  war  es  auch  wohl,    die   dem  Salmasius  den 


Emendationen  zur  Naturalis  Historia  des  Plinius.   II.  375 

Ausruf  auspreiste:  peream,  si  sciam  quid  velit.  '  In  der  That 
regen  sich  eine  Menge  Fragen,  auf  die  ich  keine  Antwort 
weiss.  Mussten  diejenigen  unter  den  dactyli,  die  den  Göttern 
dargebracht  wurden,  irgend  etwas  Besonderes  haben,  und  was 
kann  dies  gewesen  sein?  Und  wenn  man  eben  diese  in  Judäa 
mit  einem  eigenen  Namen  bedachte,  wie  verfiel  man  auf 
chydaei?-  Alle  diese  Fragen  fielen  weg  und  es  käme,  wie 
mir  scheint,  genügende  Klarheit  in  die  Stelle,  wenn  nam  quas, 
wie  der  Kiccardianus  und  Parisinus  d  bieten,  ^  aus  namq.  was 
d.  i.  namque  was  verdorben  wäre  und  das  Ganze  so  ange- 
ordnet würde: 

namque  uvas  ex  Ms  honori  deorum  damus.  chydaeos  appel- 
lavit  Judaea  etc. 

Wenn  man  in  Judäa,  wie  Salmasius  a.  a,  O.  näher  aus- 
führt, die  ganze  Varietät  der  dactyli  zu  den  chydaei  rechnete, 
so  wäre  die  Deutung  erklärlich,  die  Plinius  der  Sache  gibt. 
Auch  ist  nun  die  Beziehung  der  Begründungspartikel  auf  sunm 
qenns  dactyh's  est  einleuchtend. 

Bezüglich  uvas  vgl.  §.  30  non  inter  folia  hoc  (pomum),  ut 
in  ceteris,  sed  snis  inter  ramos  palmifihus  racemosiini ,  utraque 
natura  uvae  atque  pomi.  Die  Auslassung  des  Pronomens  (chydaeos 
appeUavif)  ist  bekanntlich  in  Fällen,  wie  der  vorliegende,  allen 
Schriftstellern  geläufig.  Vgl.  meine  Beitr.  z.  Krit.  u.  Erkl.  des 
Tac.  III.  S.  10  A.  2. 


13,  09. 

Naufragia  docuere  nuper  hanc  qnoque  materiem  siccatam 
mari  dnritie  incorrnpta.  cospissari  non  nllo  modo  vehementius. 

Offenbar  muss  bei  dieser  Gestaltung  des  Textes  siccatam 
als  Particip  zum  Ilauptverbum  cospissari  genommen  werden. 
Dann  aber  widerstreitet  die  Fortführung  der  Rede  durch  non 
ul.lo  modo  vehementius,  statt  dessen  zu  erwarten  wäi'e:  vehementius 


'  Exerc.  p.  932  a.  F. 

-  lieber  diese  Bezeichnung  vgl.  Salmasius,  Exerc.  p.  932  b.  F.  Ifplin  Ciiltur- 
pflanzen  n.  s.   w.  S.  481. 

2  Qnos  im  Palimpsest  und  Parisinus  a  ist  wohl  durch  Assimilation  ent- 
standen. 

Sitznngsber.  d.  pbil.-Uist.  Ol.  XC.  Bd.  III.  Hft.  25 


376  .1.  Mull.'!-. 

cospissari  quam  xdlo  nlio  modo  oder  etwas  dergleichen  in  ähn- 
lichem Aiischluss.  Auch  lieg't  in  den  Worten  diiritie  incorriqyta 
cospissari  ein  starker  Verstoss  gegen  die  Logik;  denn  wenn 
auch  diiritie  incorrwpta  sich  an  das  Particip  siccatam  anlehnt,  so 
steht  doch  alles  dies  auch  in  engster  Verbindung  mit  cospissiari 
und  es  ist  durchaus  unpassend  von  einem  Holze  zu  sagen, 
dass  es  getrocknet  unbeschadet  seiner  Härte  fester  werde.  *  Da 
nun  der  Palimpsest  nonmdlo  bietet,  so  wird  cospissari  nnn 
(cospissarino)  aus  cospissari  imo  verdorben  und  zu  schreiben  sein : 

siccatam  mari  duHtie  incorrupta,  cospissari  immo  nullo  moilo 
veheinentivs. 

Siccatam  ist  von  dem  einzelnen  Fall,  cospissari  allgemein 
zu  verstehen.  Vgl.  meine  Emend.  z.  nat.  bist.  d.  Plin.  I,  8.  11. 
Zu  der  Nachstellung  von  immo  vgl.  besonders  Tac.  Ann.  12,  6 
Procul  id  a  praesenti  modestia.  Statueretnr  immo  documenttim 
etc.  Hand  Tursell.  IH.  p.  226  f.  Dräger  Synt.  u.  Stil  d.  Tac. 
§.  227,  Mayhoff  Luc.  Plin.  p.  35  N.  20. 


13,  118. 

Nee  athspicatior  in  Lesho  instdn  arhor  qitae  vocafur  euony- 
mos,  non  ahsimilis  Punicae  arhori,  itder  eam  et  laiirum  folii 
magnitudine,  figura  vero  et  molUtia  Punicae,  ßoris  candidi  odore 
statim.  pestem  denuntians. 

'  Damit  man  zum  Schutze  der  Vulgata  sich  nicht  etwa  darauf  berufe,  dass 
eine  gewisse  Fülle  des  Ausdrucks  dem  Stile  des  Pliuius  eigen  sei,  so 
will  ich  selber  eine  kleine  Lese  beifügen  und  man  wird  den  grossen 
Unterschied  zwischen  Pleonasmen  und  einer  so  unlogischen  Tautologie, 
wie  sie  in  der  fraglichen  Verbindung  liegt,  leicht  erkennen,  33,  13  ne.icio 
an  prior  usus  afeminis  coeperit.  16,  78.  5,  .'J4  (Nilus)  po*<ea  lenis  et  confractis 
aqiiia  domitaque  molentia  .  .  .  in  mare  se  evomat.  G,  75  quingne  amniinn 
in  unum  covfluPMte  concursu.  33,  23  cuiiifi  Ucentiae  origo  nomine  ijjso  in 
Samothrace  id  institutum  declaraf.  14,  19  (vitis)  opinio  pracmio  tardos 
ordines  ad  lentas  perd.ucit  a(/ni/as.  Die  Stelle  ist  mit  überflüssigen  Con- 
jecturen  heimgesucht  worden  und  noch  der  neueste  Herausgeber  Mayhoff 
erklärt,  dass  ihm  lentus  verdorben  scheino.  Gewiss  ist  die  Redeweise 
nichts  weniger  als  einfach,  aber  die  IJcbcrlieferung  sicher  richtig.  Turdon 
ordines  ist  von  der  langen  Reihe  der  Centnrionenstellon,  die  von  der 
untersten  an  zu  durchlaufen  war,  also  von  dem  langsamen  Avancement 
zu  verstehen,  und  ad,  tentus  aqnilus  von  der  laug  ausbleii)enden  höchsten 
.Stelle  des  Priniipiius,  dem   der  Adler  anvertraut  war.     Zu  lenlon  vgl.  Liv. 


Emendalionen  zur  Naturalis  lli-itoiia  dos  Plinius     II.  37  < 

So  hat  Mnyhofi"  den  letzten  Theil  der  Stelle  in  engem 
Anscliluss  an  den  Palimpsest  nnd  unter  Benützung-  einer  Ver- 
muthung  des  Pintianus  richtig  gestellt.  Doch  ist  sie  in  einem 
andern  Punkte  noch  fehlerhaft.  Da  nämlich  arhor  quae  vocatnr 
enonymos  herrschendes  Subject  ist,  so  gehört  zu  ihm  als  Attribut 
ebenso  fignra  et  molllHa  Puincae,  wie  inter  eam  et  laurum  folii 
maqnititdine,  während  die  Quelle  des  Plinius  Theophrast  bist, 
plant.  3,  18,  13  xal  xb  yjk'Kov  iyzi  powoeq  [xsTwOv  ok  -q  yajjLaicäo'V^, 
v.al  p.aXaxbv,  b)Z7:zp  r,  pix  zeigt,  dass  von  der  Gestalt  und  Weich- 
heit der  Blätter  nicht  des  Baumes  die  Rede  sein  muss.  Nun 
hat  der  Palimpsest  nicht  foUi,  sondern  folia.  Dies  ist  auf- 
zunehmen, indem  die  Worte  inter  eam  bis  Punicae  als  Parenthese 
bezeichnet  werden.    Also  ist  das  Ganze  so  zu  schreiben  : 

non  ahsimilis  Punicae  ai'hori  —  inter  eam  et  laurum  folia 
magnitudine,  figura  vero  et  mollitia  Punicae  —  floris  candidi 
odore  statim  pesteTn  denuntians. 


6,  8,  10  lentae  spei  victoriam  und  die  Lexica.  —  Ancli  11,  260  quia  lon- 
gUudo  superficievi  corporum  solam  ampliat  wird  von  MayhofF  beanstandet, 
vielleicht  doch  ebenfalls  ohne  Gri^nd,  da  longitudo  praegnant  stehen  kann 
=  iusta  longitudo  d.  i.  ihre  natürliche  Länge,  wenn  sie  ausgewachsen 
sind.  Diese  Ausdrucksweise  fällt  in  das  Gebiet  der  Vertauschung  von 
näheren  Bestimmimgen  des  Prädicats  mit  Subjecten,  von  Eigenschaften 
und  Nebenbestimmungen  mit  Personen  und  Sachen.  Vgl.  6,  202  arhorum 
ibi  proceritatem  ad  CXL  pedes  adolescere.  11,  236  in  pumicis  modum  coeimfe 
duvitia.  14,  74  ciiius  dulci  admixfo  reliqiioruvi  ditritia  suavitatetn  accipiat, 
siniul  et  aetatem.  Auch  10,  30  ut  quae  duritiam  nucis  rostro  repugnantem 
volantes  in  altum  in  saxa  tegidasve  iaciant  möchte  ich  noch  nicht  mit 
Mayhoff  unerträglich  hart  nennen.  Es  ist  gesagt  statt  nncem  ditrilia 
rostro  repugnantem,  indem  die  Eigenschaft,  da  sie  für  den  Gedanken  das 
Wesentliche  ist,  unnuttell)ar  zum  Prädicat  gezogen  wird.  Vgl.  meine 
Beitr.  z.  Krit.  u.  Erkl.  d.  Tac.  III.  S.  26  ff.  So  dürfte  auch  10,  99  nidi- 
ficat  in  specu  sex  pednm  defossa  allitudinc  zu  beurtheilen  sein.  Es  lässt 
sich  bei  Plinius  von  den  einfacheren  Fällen  dieser  Ausdrucksweise  bis  zu 
den  gesuchteren  und  harten  eine  so  lange  Htufenleiter  zusammenstellen, 
dass  die  grösste  Vorsicht  bei  der  Reurtheilung  geboten  ist.  Ich  begnüge 
mich  auf  Folgendes  hinzuweisen :  2,  156  neferri  c7-ucialus  scinderet  corpus. 

8,  208  et  feri  sapiunt  urina  fugam  levare  =  se  in  fuga.  9,  143  huius 
iecori  teneritas  nidla  praefertur  =  nihil  teneritate.  9,  171  huius  vUUim 
XL  Piscinae  vendiderunl.  11,  88  constat  et  septena  caudac  internodia 
saeviora  esse.  13,  45  rvmpitque  se  pomi  ipsius  ebrielas.  7,  ö;  8,   13ö;   188-, 

9,  34;  40;    11,    17;    12,  22;    13,  09:    11,    17. 

25* 


378  .1.  Müller. 

Till  der  Kürze  des  Ausdrucks  inter  eam  et  laiirnm  folia 
vgl.  16,  108  cui  folia  inter  ilicem  et  olivam '  und  über  die 
sogenannte  comparatio  corapendiaria  überhaupt  Sillig  zu  32,  149. 
Mayhoff  Luc.  Plin.  p.  97  N.  59. 

13,  137. 

Aliud  genus  frutictim  hryon  vocatur,  folio  lactucae,  rugosiore 
tantum,  iam  hoc  interius  nascens,  in  alto  vero  ahies  et  quercus 
cuhitali  altitudine.  ramis  earnm  adhaerent  conchae,  queren  et  tivgui 
lanas  tradunt,  glandem  etiam  quasdam  ferre.  in  alto  efiam  nau- 
fragis  haec  deprehensa  nrinantihusque  est  et  aliae  traduntur 
praegrandes  circa  Sicyonem. 

Eine  Vergleicliung  der  Quelle  des  Plinius  Theophr.  bist, 
plant.  4.  0  f.  zeigt  ganz  unzweifelhaft,  dass  die  Vulgata  in  alto 
vero  nicht  richtig  sein  kann.  Theophrast  scheidet  §.  7  scharf 
zwischen  ''q  ok  op3c  y.al  r,  iXar^  T:pia^(a:o'.  [j.h  a,a5w  und  nochmals 
am  Schlüsse  von  §.  8  Tauix  [j.£v  oüv  i^pccyaia  y.al  paoia  (hii)prfiT,va.'. 
und  zwischen  der  anderen  Eichenart,  die  er  §.  9  TcovTi'av  nennt. 
Dass  auch  Plinius  beide  auseinandergehalten  habe,  beweist  das 
zweite  in  alto  im  Folgenden,  mag  dies  nun,  wie  gewöhnlich 
geschieht,  zu  quandam  ferre  oder  mit  Mayhoff  nach  dem  Cod.  M 
zu  naufragis  haec  etc.  gezogen  werden. 

Da,  wie  das  Festhalten  an  der  sicher  unrichtigen  Vulgata 
auch  in  den  neuesten  Avisgaben  bestätigt,  eine  annehmbare  Ver- 
besserung der  Stelle  noch  nicht  gelungen  ist,  so  ist  ein  neuer 
Versuch  berechtigt  und  dieser  wird  einerseits  von  in  altum  im 
Cod.  M  und  andrerseits  von  dem  Wortlaut  des  Theophrast 
auszugehen  haben.  Das  sichere  vero  und  dessen  einzig  mög- 
liche Beziehung  auf  ctdjitali  altitudine,  sowie  die  Andeutung  des 
Unterschiedes  in  der  Höbe  zwischen  den  bisher  beschriebenen 
Tangarten  und  zwischen  ahies  und  quercus  bei  Theophrast  (y.at  lic 
|ji,lv  i'k'hxi.t)  cT/sScv  tajT'  sattv.  r,  oe  opuc  -/.y).  r,  sXatr^  y..T.A.)  führen 
zu  der  Vermuthung,  dass  eine  Maassbezeichnung  in  den  ver- 
dorbenen Schriftzügen  der  Handschriften  in  al  stecke  und  zwar 
etwa  ijalmi,  ^  so  dass  etwa  so  zu  schreiben  wäre : 


'  In   Uebereinstimmung   mit  der  Vulgata   lieisst   es    25,    95   unum    (genug) 

foliis-  inter  vialvam  et  hederam. 
2  \'gl.  Theoplir.  §.  4.  Pliu.  12,  48  palnii  altittuline.  09;   17,  ül. 


Emendationeu  zur  Naturalis  Ilistoria  des  Pliuius.    II.  O  i  J 

iam  hoc  interius  nascens  palmi,   tum   vero  abies  et  qnercus 
cuhltali  altitncUne. 


U,  40. 

Sed  sunt  etiamnum  insignes  uva,  nou  vino,  ambrosia  e  dura- 
cinis,  sine  ullis  vasis  in  vite  servattir^  tanta  est  contra  frigora, 
aestus  tempestatesque  firmitas;  —  nee  orthampelos  iiidiget  arhore 
aut  palis,  ipsa  se  sustinens,  non  item  dactylides  digitali  gracili- 
tate  — ;  cohimbinae  e  racemosis,  et  magis  purpureae,  cognomine 
bimammiaej  quando  non  racemos,  sed  uvas  cdias  gerunt. 

Ich  führe  die  Stelle  nach  der  Auordnimg  Sillig's  auf,  nicht 
als  ob  ich  diese  füv  die  richtige  hielte,  sondern  weil  Sillig-,  wie 
mir  scheint,  indem  er  die  Worte  nee  orthampelos  —  gracilitate 
als  Parenthese  bezeichnete,  einem  fremden  Zusatz  auf  der  Spur 
war,  den  ich  als  solchen  bestimmter  kennzeichnen  und  beseitigen 
möchte.  Ich  meine  das  Wort  orthampelos.  Es  soll  nach  dem 
Zusammenhange  der  Name  einer  besonderen  Rebenart  mit 
eigenthümlichen  Trauben  sein,  während  es  nach  seiner  etymo- 
logischen Bedeutung  alle  an  Stäben  gepflanzten  oder  frei  auf- 
recht stehenden  Weinstöcke  bezeichnet,  von  denen  bei  Plinius 
§.  13  die  Rede  ist.  Nun  aber  kommt  das  Wort  bei  Plinius 
nur  hier,  sonst  bei  keinem  lateinischen  und  auch  bei  keinem 
griechischen  Schriftsteller  vor.  '  Letzteres  bleibt,  wenn  es  auch 
keine  singulare  Erscheinung 'ist,  dass  Wörter  griechischer 
Etymologie  in  Griechenland  selbst  nicht  gebildet  und  gebraucht 
wurden,  wohl  aber  in  Rom,  immerhin  verdächtig.  Und  der 
Verdacht  wird  dadurch  geschärft,  dass  das  Wort,  wie  bereits 
bemerkt  wurde,  nicht  als  Name  einer  besonderen  Rebenart 
passt  (vgl.  16,  152)  und  dazu  störend  in  die  Beschreibung 
einer  anderen  Rebenart  eingeschoben  ist.  Von  der  Ambrosia 
ist  gesagt,  dass  sie  Kälte,  Hitze  und  Unwetter  vertrage,  aber 
nicht  gesagt,  dass  sie  keiner  Stütze  bedürfe  und  doch  wird 
dem  angefügt,  dass  auch  die  orthampelos  keiner  Stütze  bedürfe. 


'  Harduin  bemerkt  zwar  zu  §.  13  N.  15  ,Et  luiec  vitis  erecta,  Graecis 
opOa[A-cAo;  appellatur',  doch  ist  das  ebeu  tmserer  Stelle  (§.  -lO)  cut- 
nomuien. 


380  J.  Müller. 

Es  wird  orfhampclos  eine  Randbemerkung  sein  eben  zu 
den  Worten  iiec  indiget  arhore  aut  palls,  die  sich  nach  Be- 
seitigung von  orthampelos  durchaus  passend  an  das  Voraus- 
gehende anschliessen. 


U,  95. 

P.  Licinins  Crassvs  L.  Julius  Caesar  censores  anno  urh's 
conditae  DCLXV  edixerunt,  )ie  qnis  vinum  Graecinn  Amineumqiie 
octonis  aerls  singula  quadrantaUa  venderet.  liaec  enivi  verha  sunt, 
tanta  vero  Graeco  vino  gratia  erat  ut  smgnlae  potiones  in  con- 
victu  darentur. 

Dieses  Edict  wird  allgemein  so  aufgefasst,  dass  durch 
dasselbe  der  Marktpreis  des  griechischen  und  amineischen 
Weines  festgesetzt  worden  sei.  So  fassen  es  die  Uebersetzungen, 
in  die  ich  Einblick  genommen,  so  Dalechamp,  so  Drumann 
Gesch.  R.  4  S.  71,  und  die  Indices,  bei  Sillig  7  p.  2G5  b,  8 
p.  454  b.  Und  dem  Wortlaute  nach  scheinen  sie  im  Recht 
zu  sein,  in  Wirklichkeit  aber  kann  das  Edict  dahin  nicht 
gelautet  haben.  Zwar  wäre  die  Unbestimmtheit  des  Ausdruckes 
ne  quis  octonis  aeris  venderet,  an  der  allein  Austoss  genommen 
worden  ist,  nicht  schlechthin  verwerflich,  da  sie  doch  nur 
dahin  verstanden  werden  konnte,  dass  sich  der  Preis  unter 
8  Ass  zu  halten  habe.  Allein  8  Ass  war  nachweisbar  zu  allen 
Zeiten  in  Rom  ein  abnorm  billiger  Preis  für  ein  Quadrantal 
gewöhnlichen  Landwein.  Dies  erhellt  aus  mehreren  Angaben. 
Zunächst  erfahren  wir  von  Plinius  selbst  18,  17,  dass  bei  un- 
gewöhnlich reichlichem  Erntesegen  zur  Zeit  des  ersten  punischen 
Krieges,  im  Jahre  502  d.  St.  '  eine  Billigkeit  der  Lebensmittel 
herrschte,  wie  sie  bis  dahin  nur  durch  künstliche  Mittel  vorüber- 
gehend erzielt  worden  war.  Und  damals  kostete  ein  Congius 
Wein  1  Ass,  also  ein  Quadrantal  8  Ass.  Dass  dies  in  der 
That  nur  ein  Ausnahmspreis  war,  -  wird  dadurch  bestätigt,  dass 


'  Vgl.  Plin.  8,  16. 

-  Die    noch    niedrigeren    Ansätze    des    Polybios    für    Oberitalien,    worüber 

ßöckh  Staatshaush.  d.  Athener  1   S.  87,  können  natürlich  für  Rom  niclit 

massgebend  sein. 


KmenJationen  znr  Naturalis  Historia  des  Pliniii.s.    11  381 

Pliiiius   14,  ö(j  die  Ampliora    eines    allerdings    besonders   guten 

Jahrganges  (()3o  d.  St.)  auf"  lUO  Sesterze  sehätzt  '  und  Columella 

3,  3,  10  für  seine  Zeit   als    den    geringsten  Ansatz  für  jungen 

Wein   lö  Sesterze  bezeiehnet.  -    Hiernaeh  ist  es   möglich,    dass 

die  genannten   Censoren  im  Jahre  665  d.  St.  als  Preis  für  das 

Quadrantal  Landwein  8  Ass  festsetzten,    wenig  wahrscheinlich 

schon,  dass  sie  bestimmten,    der  Preis    habe    sich    unter  8  Ass 

zu  halten,  aber  ganz  und  gar  unmöglich  ist  es,  dass  sie  diesen 

Preis  auch  für  griechischen  Wein  bestimmt  hätten,    der    selbst 

an  Ort  und  Stelle  weit  höher  zu   stehen  kam.     Schon  für  den 

Metretes  attischen  Landwein  zahlte    man    in  Athen  gewöhnlich 

nicht  unter  4  Drachmen.  •''     Doch    waren    es    selbstverständlich 

nicht  die  gemeinen  Sorten,    die  exportirt  wurden.     Chier  aber 

z.  B.  kostete  in  Athen   schon    zu    Sokrates    Zeit    der    Metretes 

1  Mine.  ^ 

Jener  Ausatz  also  des  Ediktes  vom  Jahre  665  hätte  nur 
bezwecken  können,  dass  griechischer  Wein  überhaupt  nicht  auf 
den  römischen  Markt  gebracht  werde.  Das  wäre  nun  vielleicht 
den  Censoren  P.  Liciuius  Crassus  und  L.  Julius  Caesar  ganz 
recht  gewesen,  aber  es  ist  sehr  zu  bezweifeln,  dass  sie  urtheilten, 
dieser  Umweg  führe  zum  Ziele,  und  noch  weniger  von  ihnen 
anzunehmen,  dass  sie  ein  directes  Verbot  sollten  gescheut  haben. 
Hiernach  ist  es  sachlich  unglaublich,  dass  jenes  Edict  den 
Marktpreis  des  griechischen  Weines  und  zwar  unter  acht  Ass 
für  das  Quadrantal  festgesetzt  habe. 

Es  kann  aber  auch  Plinius  jenes  Edict  nicht  dahin  auf- 
gefasst  haben.  Das  beweisen  die  folgenden  Worte  tanta  vero 
vino  Graeco  gratia  erat  ut  sinfjulae  potlones  in  convicta  darentar, 
die  entweder  ein  Verbot  oder  hohen  Preis  voraussetzen.  Da 
nach  dem  Wortlaut  an  letzteres  nicht  zu  denken  ist,  fragt  es 
sich,    ob    derselbe    vielleicht    erstere    Auffassunu-    zulasse.     Die 


'  Wie  er  ausdrücklich  sagt,  eins  temporis  aestimatione. 

'  Utque  trecentin  nnnimis  quadragenae  urnae  veneanl,  quod  minimtim  pretium 

est  annonae. 
3  Vgl.  Böckh  a.  a.  O.  S.   187  f. 
*  Böckli  a.  a.  O.  S.  139.    Wie  sehr  der  Transport,  dazu  allerdings  der  Zoll 

den  Wein  vertheuern  konnten,  ersieht  man  aus  C.  I.  L.  III  p.  593  C.  XV, 

wonach  in  Dacieu  2  Quadrantal   und  2  Hemina   gewöhnlicher  Tischweiu 

auf  97  Denare  kamen. 


382  J.  Müller. 

Loslösung  des  ersten  Satzgliedes  von  den  näheren  Bestimmungen 
octonis  aeris  singula  quadrautalia,  so  dass  zu  ne  quis  vinnvi  Gr. 
nur  venderet  zu  denken  wäre,'  darf  als  unzulässig  ausser  Be- 
tracht bleiben.  Ebenso  wenig  lässt  sich  etwa  aus  ne  quis  bei 
y.  Gr.  ,ut  quivis'  bei  Amineum  ergänzen.  Es  ist  zwar  im 
Lateinischen  die  Ergänzung  eines  aftirmativen  quisque,  omnes 
in  einem  folgenden  Satzgliede  aus  nemo  im  vorausgehenden 
und  ebenso  die  Ergänzung  des  affirmativen  iit  aus  ne  nichts 
Ungewöhnliches,  •  allein  hier  würde  dem  Leser  beides  vereint 
zugemuthet,  und  zwar  ohne  jede  Andeutung  in  der  Form  der 
Rede,  die  auf  die  richtige  Auffassung  führte.  Mit  ne  quis 
vinum  Graecum  Ämineique  octonis  ....  venderet  Aväre  schon  eine 
solche  Andeutung  gegeben  und  Amineum  könnte  leicht  durch 
Assimilation  an  Graecum  entstanden  sein.  Allein  wo  sich  in 
solchen  Fällen  Anfügung  durch  que,  et  oder  afque  findet,  ist 
das  Verhältniss  der  Gedanken  adversativ  und  der  Uebergang 
so  selbstredend,  dass  er  nicht  eigens  angezeigt  zu  werden 
braucht.  Vgl.  aus  den  eben  bezeichneten  Beispielsammlungen 
besonders  Tac.  Ann.  13,  14.  Curt.  8,  14,  35.  Corn.  Nep. 
XVIII,  6,  2. 

Wir  werden  daher  uur  durch  Einschiebung  von  ut  nach 
Amineumque  zu  einem  verständlichen  Ausdruck  gelangen.  2 

14,  97. 

Quid^  non  et  Caesar  dictator  triumphi  std  cena  vini  Falerni 
amphoras,  Chii  cados  in  convivia  distrihuit?  ideni  Hispaniensi 
triumpho  Chium  et  Falerniim  dedit,  epulo  vero  in  tertio  consulatu 
suo  Falernum,   Chium,  Leshium,  Mamertinum. 


1  Vgl.  Madvig  Gr.  §.  462  b.  Hand  Tursell.  4  p.  56  Nr.  3.  Seyffert-MüUer 
zu  Cic.  Lael.  S.  387.  Curt.  3,  5,  14-,  7,  1,  38;  8,  1,  48;  8,  14,  35;  9,  4, 
27.  Pliu.  28,  24.  Tac.  Hist.   1,   1. 

2  Eine  Stütze  meiner  Auffassung  der  Stelle  darf  vielleicht  auch  darin  ge- 
funden werden,  dass  neben  der  Jaiireszahl  gerade  das  Verbot  der  vina 
exotica  (vgl.  Gell.  13,  5,  5  quaeri  dehere  exotkuvi,  vel  Rhodmm  aliquod 
vel  Leshium)  zu  dem  Irrthum  des  Pliuius  könnte  Anlass  gegeben  haben, 
dass  er  l)ei  Erwähnung  des  älinlichen  Verbotes  der  ungnenta  exotica  13, 
24  die  Ceusoren  des  Jahres  ^liö  P.  Licinius  Crassus  und  L.  Julius  Caesar 
auch  auf  das  Jahr  565  übertrug. 


Emendationen  znr  Natnralia  Historia  des  Plinius.    II.  ööd 

Die  bestimmte  Bezeichnung-  des  Triumphes  im  zweiten 
Satze  (Hispaniensi  triumijho)  setzt,  wie  mir  scheint,  mit  Noth- 
wendig'keit  voraus,  dass  auch  im  Vorausgehenden  eine  nähere 
Bestimmung-  bei  trimnphi  sin  nicht  gefehlt  hat.  Es  könnte  einer 
der  vier  Triumphe  in  Frage  kommen,  die  Cäsar  ausser  dem 
Spanischen  gefeiert  hat,  der  Gallische,  Alexandrinische,  Pon- 
tische  oder  Africanische.  Da  aber  Plutarch  Caes.  55  aus- 
drücklich die  Bewirthung-  des  Volkes  an  den  Schluss  der  vier 
im  Verlaufe  eines  Monats  im  Jahre  46  v.  Chr.  gefeierten 
Triumphe  setzt  und  auch  die  Darstellung  des  Sueton  Caes. 
37  f.  so  verstanden  werden  muss,  so  wird  dieselbe  als  cena 
triumphalis  jenes  vierfachen  Triumphes  anzusehen  sein  und 
es  dürfte  qnatei'ni  hinter  dictator  ausgefallen  und  mithin  zu 
schreiben  sein: 

non  et  Caesar  dictator  quaterni  triumplii  sui  cena  etc. 

Zu  dem  Gebrauche  des  Distributivum  im  Sing-ular  und 
im  Sinne  des  Multiplicativum  vgl.  Plim  13,  57  septeno  ita  nuvie- 
rosa  partu  per  singidas  aestates.  28,  228  septeno  circuitu.  Neue 
Lat.  Formenl.  II,  S.  170  f.  Kühner,  Ausführl.  Gr.  d.  lat.  Spr. 
I,  §.  150,  2.    Zumpt  Gr.  §.  119. 

14,  136. 

Flos  vini  candidus  prohatur.  rubens  triste  signuni  est,  si 
non  is  vini  colos  sit,  item  vasa  incalescentia  o-perculave  sudantia. 
quod  celeriter  ßorere  coeperit  odoremque  trahere  non  fore  diutinum. 
ipsa  quoque  defruta  «c  sajM,  cum  sit  coehtm  sine  luna,  hoc  est 
in  sideris  eins  coitu,  neqtie  alio  die  coqid  dehent,  praeterea  plurn- 
heis  vasis,  non  aeveis,  micibusque  iuglandibiis  additis,'  eas  enini 
fumum  excipere. 

So  bieten  die  neuesten  Ausgaben,  zum  Theil  allein  nach 
dem  Palimpsest.  Im  Vorausgehenden  hat  indirecte  Rede  ge- 
herrscht, abhängig  von  tradantque  et  haec  praecepta  §.  133.  Am 
Schlüsse  von  §.  135,  mit  den  Worten  aperiri  vetant  etc.  geht 
der  Schriftsteller  in  die  directe  Rede  über,  springt  jedoch  nach 
der  Ueberlieferung-  aller  Codices  mit  non  fore  dintimim  ganz 
willkührlich  wieder  zur  indirecten  ab,  um  so  willkürlicher,  als 
sich  oratio  obliqua,  wenn  er  zu  derselben  zurückkehren  wollte, 
ganz  natürlich  und  ohne   weitere  Vermittlung  an  prohatur   an- 


384  -T    Alüllr-r. 

schliessen  konnte,  während  nun  Weiterwirkung  dieses  Verbs 
über  den  zunäclist  folgenden  Satz  liinaus  dem  Leser  nicht  in 
den  Sinn  kommen  kann,  viehuehr  Rückkehr  zu  der  von  §.  133 
bis  135  herrschenden  oratio  obliqua  angenommen  werden  muss. 
Aber  noch  mehr.  Mit  dem  folgenden  Satze  geht  der  Schrift- 
steller nach  der  Leseart  des  Cod.  M  abermals  in  directe  Dar- 
stellung über,  um  sie  sogleich  mit  den  Worten  eas  enim  fumiim 
excipere  wieder  zu  verlassen,  ebenso  willkürlich  wie  zuvor; 
denn  ein  Anhaltspunkt  findet  sich  in  der  nächsten  Umgebung 
nicht,  wie  z.  B.  §.  84  his  adiciunt  aliqxd  quod  vocant  diachytoii 
uvis  in  sole  siccatis  loco  cluso  i)er  dies  Septem  in  cratUnis,  totidem 
pedes  n  terra  alte,  noctihns  ab  umore  defemds,  ocfavo  die  calcatis. 
ita  fieri  optimi  odoris  saporisque.  Wenn  ein  solches  Abspringen 
von  einer  Darstellungsweise  zur  andern  schon  in  einer  rein 
logischen  Schlussfolgerung  verdächtig  ist,  wie  Cic.  Acad.  2, 
13,  40  Composita  ea  conchisio  .sie  est:  ,Eorimi,  quae  videntur, 
alia  Vera  sunt,  alia  falsa,  et  quod  falsum  est,  id  percipi  non 
potest,'  quod  autem  verum  visum  est.^  id  omne  tale  est,  ut  eiusdem 
modi  etiam  falsum  possit  videri.  Et  quae  visa  sint  eius  modi,  ut 
in  iis  nihil  intersit,  non  posse  accidere  ut  eorum.  alia  percipi 
jjossint,  alia  non  possint.  Nallum  igitur  est  visum  quod  percipi 
possit:'  *  so  muss  es  in  einem  Berichte  über  thatsächliche  Beob- 
achtungen um  so  unzulässiger  erscheinen  und  ich  glaube  nicht 
zu  irren,  wenn  ich  vermuthe,  dass  fore  ausyere  verdorben  und 
non  fere  diiitinum  (sc.  est)  '^  zu  schreiben,  dann  neben  debent 
das  verschmähte  iubent  der  Vulgata  wieder  zurückzuführen  sei; 

neque  alio  die  coqui  debent.  iubent  praeterea  plumbeis  vasis 
(sc.  coqui)  etc. 

Uebrigens  will  ich  diese  Stelle  nicht  verlassen,  ohne  meine 
Bedenken  zu  äussern  gegen  eine  andere  Bevorzugung  des  Cod. 
M  vor  den  übrigen.  §.  135  sie  operctda  doliorum  medicanda 
addita  masticlie  aut  pice  Bruttia.  aperiH  vetant  nisi  sereno  die, 
austro  flaute,  luna  plena  bot  die  Vulgata  bis  auf  Jan  noch  ein- 


'  Vgl.  Madvig  zu  Cic.  de  fin.  p.  67  (Ed.  II).  Ein  sehr  auffallendes  Bei- 
spiel des  umgekehrten  Uebergangs  in  die  directe  Rede  mitten  in  fort- 
laufender oratio  obliqua  ist  Curt.  4,  ö,  5  ne  Sogdianos  et  Arachosios  no- 
viineni  etc. 

2  Zn  non  fere  vgl.  29,  92;  31,  47;  2,  106.  Zum  Conjunctiv  coeperit  13 
95;  14,  72;  86;   118;  128.  Sillig  zu  33,   103.  Madvig  Gr.  §.  364  A.   1. 


Kmpndationen  znv  Natmaiiii  TTi.^türia  des  Fliniu^.  II.  OöD 

mal  vdant  vor  austro.    Im  Palimpsest  fehlt  dieses  vatanf,    wes- 
halb es  die  neuesten  Editoren  bescitis^ten. 

Zunächst  scheint  mir  nicht  stichhaltig  was  MayhofF  Luc. 
Pliu.  p.  34  g'Cgen  das  zweite  vef.nnf  geltend  macht:  ,In  his 
molesta  oftendit  tantologia,  uam  quum  dolia  aperiri  iam  in  Uni- 
versum vctitum  sit  una  dierum  serenorum  exceptione,  quid 
opus  est  singillatim  adicere  etiam  austrum  flantem  et  lunam 
plenam,  quae  quidem  iis,  quae  antecedunt,  coinprehenduntur?' 
Wenn  ich  das  recht  verstehe,  so  ist  Majhoff  der  Meinung,  dass 
mit  luna  plena  nur  die  Zeit  der  Nacht  bezeichnet  sei.  Dem 
ist  uatürlich  nicht  so.  Vgl.  18,  318  silente  luna  nocfu  mit,  si 
interdiu,  plena.  322  scrohes  luna  plana  noctu  facito.  arborum 
radices  luna  flena  operiio.  228  (fabam)  plena  luna  serendam, 
lentim  vero  n  vicesima  quinta  ad  tricesimam.   10,   194. 

Ebenso  muss  Mayhoff  der  Meinung  sein,  dass  das  Wehen 
des  Südwinds  heiteren  Himmel  ausschliesse.  Allerdings  scheinen 
die  bekannten  Epitheta  des  Auster:  plnvlus,  nuhütis,  nebulosus, 
niger,  imhricus  und  Aehnliches  darauf  hinzudeuten  und  Seneca 
Q.  N.  5,  18,  2  sagt  gradezu:  (nubes)  in  Italiam  auater  inpellit, 
aquilo  in  Africam  reicif.  Vgl.  Plin.  2,  126  umidi  Africtis  et 
pruecipue  auster  Italiae.  18,  329.  Und  so  ist  es  auch  in  der 
That:  der  Südwind  bringt  Wolken,  bringt  Regen,  aber  wenn  er 
zu  wehen  beginnt,  ist  in  Italien  oft  wolkenloser  Himmel  und  das 
währt  nicht  selten  mehrere  Tage,  bis  sich  dann  gegen  das 
Ende  seiner  Herrschaft  der  Himmel  umzieht.  Uebrigens  heisst 
es  auch  an  der  eben  angezogenen  Stelle  des  Plinius  2,  127 
noxius  allster  et  magis  (sc,  noxius)  sicctis,  foriassis  quia  umidus 
frigido)'  est. 

Freilich,  wenn  nun  auch  die  Gründe,  welche  Mayhoff  gegen 
die  Wiederholung  von  vetant  vorgebracht  hat,  unhaltbar  sind, 
so  ist  sie  damit  noch  nicht  gcrechtfertiget  gegen  die  Autorität 
des  besten  Codex.  Doch  kommt  den  andern  Codices  das 
Zeugniss  des  Cato  und  des  Plinius  selber  zu  Hilfe:  Cat.  de  re 
rust.  18,  2  extr.  Vento  austro  caveto,  ne  quam  niateriem  neve 
vinum  tractes,  nisi  necessario.  Plin.  18,  329  illinc  (a  meridie) 
flatu  veniente  materiam  vinumque,  '  agricola,  ne  tractes.  Gegen 
den  Palimpsest  und  für  die  andern  Codices  spricht  auch  Plin. 


'  So  Detlefseu,  die  Vulgata  cineavique. 


doD  J.  Müller.     Emendationi-n  zur  Natnralia  Historia  des  Plinius.  II. 

14,  136  ijpsa  quoqne  defrtita  ac  sapa,  cum  sit  caelum  sine  luna 
.  .  .  coqui  dehent,  was  nur  dann  eine  Beziehung-  hat,  wenn  im 
Vorausgehenden  das  Oeffnen  der  Dolia  bei  Vollmond  miss- 
rathen  ist.  Es  wird  daher  doch  das  zweite  vetant  vor  austro 
wieder  in  den  Text  zu  setzen  sein  und  Plinius  bezeichnet  das 
OefFnen  der  Dolia  nur  an  solchen  heiteren  Tagen  als  zulässig, 
wenn  der  Süd  nicht  weht  und  nicht  Vollmond  ist. 


Hör  a  Witz.    Erasmiana.    I.  387 


Erasmiana.    I. 


Von 


Adalbert    Horawitz. 


I. 

Als  unumgäng'liche  Vorarbeit  meiner  Erasmus-Biog-raphie, 
die  zugleich  im  gewissen  Sinne  eine  Geschichte  des  Huma- 
nismus werden  muss,  suchte  ich  vor  Allem  das  gesammte  epi- 
stolographische  Material  zusammenzubringen.  Durch  öffent- 
lichen Aufruf  in  deutschen,  schweizerischen,  italienischen, 
englischen  und  französischen  Zeitschriften  wollte  ich  vorerst 
feststellen,  ob  noch  uugedruckte  Briefe  von  und  an  Erasmus 
vorhanden  seien.  Der  Erfolg  dieses  Aufrufes  war  auffallend 
gering,  von  den  Briefen,  die  ich  erhielt,  Avaren  die  meisten 
schon  gedruckt,  so  z.  B.  alle  aus  London,  fast  alle  aus 
Leyden,  die  ich  durch  die  Güte  des  Herrn  Dr.  de  Rien  er- 
hielt, nicht  minder  die  Mehrzahl  der  Dresdner  Archivalien. 
Zu  Danke  verpflichteten  mich  aber  trotzdem  alle  diese  Zu- 
schriften und  Sendungen,  so  auch  die  des  Herrn  Prof.  Dr. 
M.  Hertz  in  Breslait,  des  Herrn  Dr.  Höhne  in  Dresden  und 
Anderer,  deren  ich  im  Texte  dieser  Arbeit  gedenke.  Auch  auf 
meiner  durch  die  Liberalität  der  hohen  kaiserlichen  Akademie  der 
Wissenschaften  ermöglichten,  im  Sommer  1877  unternommenen 
Reise  durch  Süd-  und  Westdeutschland,  die  Schweiz  und  Nord- 
italien richtete  ich  mein  Augenmerk  auf  Briefe  des  Erasmus. 
Umsonst  hoffte  ich  in  der  Brera  zu  Mailand,  wo  mir  Director 
und  Beamtete  mit  der  rühmenswerthesten  Liebenswürdigkeit 
entgegenkamen,  wie  in  der  Ambrosiana  Spuren  einer  Corre- 
spuudenz  des  grossen  Philologen  mit  italienischen   Humanisten 


388  uoiiiwitz. 

zu  finden  —  die  einzige  Ausbeute  gewährten  mir  —  vor  Allem 
Dresden,  Stuttgart,  Gotha,  Ottobeuren  und  endlich  die  über- 
reichen handschriftlichen  Schätze  der  —  Wiener  Hofbibliothek. 
Sorgfältig  prüfte  ich  die  gefundenen  Briefe;  nicht  zufrieden, 
wenn  sie  sich  nicht  in  den  bekannten  Ausgaben  der  Briefe 
Erasmus'  fanden,  forschte  ich,  auch  durch  Herrn  Director  Dr. 
Förstemann,  Herrn  Pastor  Dr.  Seide  mann  in  Dresden  und 
dem  Director  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  Herrn  Prof. 
Dr.  Krehl  unterstützt  in  den  äusserst  werthvollen,  fast  un- 
bekannten ,Spicilegia',  der  Leipziger  Universität,  in  Seidemann's 
verdienstvollen  Publicationen  und  einer  grossen  Anzahl  von 
sächsischen  Specialhistorien  und  Urkundensamralungen  nach 
bereits  gedruckten  Briefen  des  Erasmus.  Einige  meiner  Ab- 
schriften erwiesen  sich  als  bereits  gedruckt,  die  Anderen  hier 
Mitgetheilten  sind  nach  meiner  sorgfältigen  Untersuchung  bisher 
völlig  unbekannt  und  bieten  für  die  Erkenntnis  des  Vaters  des 
europäischen  Humanismus  so  wichtige  Beiträge,  dass  ich  es 
für  nicht  unpassend  erachtete,  dieselben  nebst  einleitenden  Be- 
merkungen hier  mitzutheilen.  ^ 


n. 

In  ihrem  innersten  Kern  sind  fast  alle  hier  mitgetheilten 
Briefe  verknüpft,  nämlich  in  der  Stellung  des  Erasmus  zur 
grössten  Frage  des  Jahrhundertes,  zur  kirchlichen.  Es  ist 
über  diese  Seite  in  dem  Leben  des  Gelehrten  so  überaus  viel 
geschrieben  worden;  je  nach  der  Parteistellung  hat  man  in 
dieser  Hinsicht  mehr  zu  loben  oder  zu  tadeln  gefunden,  im 
Grunde  wird  man  doch  sagen  müssen:  Erasmus  hat  allen  Par- 
teien missfallen.  Und  dies  ist  eben  so  natürlich  als  noth- 
wendig!     Eine  so  feingeistige,    seinem   Jahrhunderte,   ja  selbst 


'  Die  Basier  Erasniituia  hat  Williehu  Visclier  unter  dem  Titel  ,Erasiniaiia' 
mit  selir  werthvoller  Einleitung  versehen  und  als  Programm  zur  Rec- 
toratsfeier  der  Universität  Basel  daselbst  1876  herausgegeben.  Wenn 
meine  einleitenden  Bemerkungen  hie  und  da  sehr  breit  werden  und  Be- 
kanntes wiederholen,  so  meine  ich  doch,  dass  zum  Verständnisse  der 
folgenden  Briefe  dieser  Nachweis  des  Zusanunenhanges  nicht  am  un- 
rechten Platze  sein  dürfte. 


KnisiuiiiiiH.     1.  öoo 

den  lautesten  Wortführern  desselben  so  oft  überlegene  Natur 
kann  den  Parteien  nicht  gefallen.  Ein  solcher  Mann  ist 
kein  einfaches  Rechenexempel,  er  geht  nicht  auf  in  dem  engen 
Glaubensbekenntniss,  in  der  Phraseologie  einer  wenn  auch 
noch  so  grossen  Partei.  Dass  man  ihn,  den  ruhigen,  jeder 
Ueberstürzung  abgeneigten  Gelehrten,  auf  lutherischer  Seite 
tadelte,  weil  er  eben  keine  Hütten-  oder  Ijuther-Natur  sein 
konnte,  dass  man  ihn  endlich  hasste,  weil  er  stets  wieder 
aufs  bitterste  die  sehnsüchtigen  Hoffnungen  der  Wittenberger 
täuschte ,  ist  ebenso  begreiflich ,  als  dass  reformfreundliche 
Katholiken  ihn  als  den  Ihrigen  betrachteten,  während  die  Eck, 
Aleander,  Bedda,  Sutor,  und  Consorten  ihn  —  freilich  mit 
mehr  Recht  —  als  den  Vater  der  Ketzerei  angriffen  und  ge- 
fährdeten. Das  ist  Alles  so  natürlich,  als  das  Schwanken  des 
Werthurtheils  der  Zeitgenossen  über  Erasmus'  religiöse  oder 
kirchliche  Ansichten,  die  Ueberzeugung  derselben,  dass  Eras- 
mus nicht  gleich  geblieben,  völlig  inconsequent  sei  u.  dgl.  m. 
Daran  ist  absolut  nichts  Wunderbares  oder  Erstaunliches!  Er- 
staunlich ist  es  dagegen,  dass  in  unserem  Jahrhunderte  bei  der 
Beurtheilung  des  Erasmus  alle  jene  Erscheinungen  in  der 
grossen  Literatur  über  den  gewaltigen  Geist  zu  Tage  treten. 
Auch  heute  müht  man  sich  hier  ab,  in  ihm  einen  latenten 
,Lutheraner'  zu  finden,  dort  rettet  man  die  Ehre  des  verkannten 
, Katholiken'.  Die  grosse  Menge  der  Historiker  aber  bricht 
frischweg  in  sittlicher  Entrüstung  über  den  , schwächlichen 
Charakter'  den  Stab.  Hauptsächlich  deslialb,  weil  Erasmus 
eine  völlig  willkürliche  Beurtheilung  entgegengebracht,  er  vom 
theologischen  Standpunkte  aus  betrachtet  wird. "  Erasmus  — 
ich  stehe  nicht  an,  dies  zu  behaupten  —  gehörte  aber  weder 
dem  katholischen,  noch  dem  protestantischen  Lager  an.  Viel  zu 
gelehrt  und  scharfblickend,  um  die  vorhandene  Geistlichkeit  in 
allen  ihren  Mitgliedern  zu  schätzen,  viel  zu  scharfsichtig,  um 
die  flagranten  Mängel  und  Missbräuche  zu  übersehen,  war  er 
es  eigentlich,  der  mit  seiner  unvergleichlichen  Begabung  und 
einschneidender    Satire    den    ersten    Hieb    gegen    die   Autorität 


»  Sehr  stark  tritt  dieser  Staiidpiiiikt  in  der  tkissigeii  und  iustriietiven  Zu- 
sammenstellung- Sticliart's  Erasnuis  von  Ki)tterdaui,  Leipzig  Bruckhaus 
1870,  hervor. 


390  H  0  r  a  w  i  t  z. 

der  katholisclieu  Kirche  gefülirt  —  er  ist,  wie  Ranke  so 
treffend  bemerkt,  der  erste  moderne  Oppositionsschriftsteller! 
Und  diesem  Manne  mit  dem  spöttischen  Lächehi  auf  den 
Lippen,  dem  rationalistischen  Philologen  kamen  gewiss  manche 
Stunden,  in  denen  er  die  tiefe  Kluft  zwischen  seiner  Auf- 
fassung und  den  Urtheilen  seiner  hohen  kirchlichen  Gönner 
wahrnahm.  Aber  noch  ersichtlicher  war  ihm  doch  bei  aller 
geistigen  Gemeinschaft,  bei  aller  Gleichartigkeit  der  Grund- 
anschauungen mit  den  Reformatoren,  dass  er  auf  ihrem  Wege 
öffentlich  nicht  mitschreiten  könne,  ohne  nicht  argen  Stössen 
und  Kämpfen  ausgesetzt  zu  werden.  Man  vergesse  doch  nicht: 
Erasmus  war  zur  Zeit  des  beginnenden  Geisteskampfes  kein 
junger  Mann  mehr,  er  zählte  schon  über  fünfzig  Jahre,  das 
ist  nicht  mehr  die  Zeit,  in  der  man  Kämpfe  um  Sein  und 
Nichtsein  unternimmt,  in  der  man  den  ganzen  Erfolg  eines 
mühevollen,  arbeitsreichen  Lebens  auf  eine  Karte  setzt!  Am 
wenigsten  ein  Gelehrter,  der  liebe  Gewohnheiten,  freundschaft- 
liche Beziehungen,  ja  die  gesammte  Grundlage  seiner  wirth- 
schaftlichen  und  socialen  Stellung  hätte  aufgeben  müssen,  um 
schliesslich  in  seiner  vermittelnden  Thätigkeit  von  den  Vor- 
v/ärtsstürniendeu  beargwöhnt,  ja  zurückgestossen  zu  werden! 
Dazu  kamen  Luther's  so  sehr  populärer  aber  Erasmus  um  so 
weniger  zusagender,  derber  und  kräftiger  Ton,  die  Heftigkeit  und 
Zuversichtlichkeit  seiner  Aussprüche,  die  Uebertreibiingen  seiner 
Freunde  und  Schüler.  Es  ist  nicht  zu  läugnen,  dass  der  Vater 
des  deutschen  Humanismus  dem  Vater  der  deutschen  Refor- 
mation anfänglich  sehr  günstig  gesinnt  war,  dass  aber  nach 
und  nach  eine  immer  grössere  Besorg-niss  in  der  Seele  des 
Ersteren  platzgriff,  die  völlige  Lostrenuung  von  der  gewohnten 
Ordnung  würde  nicht  bloss  ,Scandale',  sondern  sogar  eine 
völlige  , Tragödie'  herbeiführen,  die  den  Untergang  der  von 
Erasmus  selbst  so  herrlich  gepflegten  aber  kaum  erst  be- 
gonnenen Studien  nach  sich  ziehen  müsste.  Und  wie  sehr 
schienen  die  Gräuel  des  Bauernkrieges,  der  Münzerschen  und 
der  Wiedertäufer- Unruhen  diesen  schlimmen  Ahnungen  Recht 
zu  geben!  Waren  so  einerseits  Gründe  genug  voi'handen,  um 
den  Gelehrten  von  dem  offenen  Anschlüsse  an  die  Reformation 
zurückzuhalten,  so  koimte  andererseits  auch  nicht  erwartet 
werden,    dass    er    sich    entschieden    und    öffentlich   gegen   die 


Erasmiana.     I.  391 

Gedanken  erkläre,  deren  Berechtigung  er  nicht  bloss  anerkannt, 
sondern  auch  selbst  in  den  Jahren  seines  sich  erhebenden  Ruhmes 
ausgesprochen.  Es  konnte  nicht  erwartet  werden,  dass  er  die 
Männer  angreife,  die  zu  ihm  als  dem  ,Unicum  decus  Germa- 
niae'  bewundernd  emporblickten,  die  seine  Mitkämpfer  im 
Streite  gegen  die  Scholastik  und  die  Dunkelmänner,  die  sein 
begeistertes  Publicum,  seine  hingehendsten  Schüler  gewesen! 
Hätte  er  sich  dem  ihm  gewiss  nicht  sympathischen  Luther 
unbedingt  angeschlossen,  so  musste  er  seine  Individualität, 
seine  Art  zu  sein,  und  die  gewohnten  liebgewordenen  Verhält- 
nisse und  Beziehungen  zum  Opfer  bringen;  trat  er  an  die  Seite 
der  Eck,  Aleander,  Stunica,  so  beging  er  eine  Art  von  gei- 
stigem Selbstmord,  er  opferte  die  Achtung  der  Urtheilsfähigen, 
die  Verehrung  der  gelehrtesten  Kreise,  des  hoffnungsvollsten 
Theils  der  Nation  nicht  bloss,  sondern  auch  sein  ganzes  glän- 
zendes Vorleben,  seinen  Ruhm,  die  Principien  seiner  Forschung, 
die  schönsten  Ideen,  für  die  er  gewirkt.  Er  entschloss  sich, 
keiner  von  beiden  Parteien  beizutreten,  eine  völlig  singulare 
Stellung  über  den  Parteien  einzunehmen.  Aber  wie  wenig  die 
idealen  Strebungen  der  Menschen  ins  Reale  umgesetzt,  die 
Reinheit  des  ursprünglichen  Wollens  wiederspiegeln,  zeigt  auch 
die  fernere  Haltung  des  grossen  Gelehrten.  Concessionen  nach 
beiden  Seiten,  der  Aerger  über  absichtliche  und  unabsichtliche 
Indiscretion  seiner  Correspondenten,  Klatschereien,  mit  denen 
man  seine  üble  Laune  schärft,  nervöse  Gereiztheit,  das  Drängen 
seiner  Gönner  und  Freunde,  die  Heftigkeit  Luthers  lenkten 
Erasmus  oft  genug  von  dem  ab,  was  er  gewollt  haben  mochte, 
was  seiner  einzig  würdig  gewesen  wäre.  So  kommen  scheinbare 
Unklarheit  und  Widersprüche  aller  Art  in  sein  Schreiben 
und  Handeln  —  die  aber  doch  in  jedem  einzelnen  Falle  er- 
klärlich sind. 

Die  hier  mitgetheilten  Briefe  zeigen  uns  Erasmus  inmitten 
dieser  Wirrnisse,  inneren  Kämpfe  und  Verlegenheiten.  Ist  es 
hier  der  interessante  Gedankenaustausch  mit  dem  der  Reform 
nicht  abgeneigten  Bischöfe  Christoph  von  Augsburg,  der  Eras- 
mus als  Ireniker  zeigt,  so  liefern  die  Briefe  Georgs  von  Sachsen 
und  die  des  Johann  Choler  klare  Beweise,  wie  man  im  streng- 
conservativen  Lager  bestrebt  war,  die  gewaltige  Autorität  als 
Waffe    zum    Kampfe    gegen    Luther    und    seine    Anhänger    zu 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  III.  Hft.  26 


392  Horawitz. 

gewinnen  und  wie  man  dort  Alles  anwendete,  um  den  sichtlich 
Widerwillig-en  in  den  für  ihn  so  ärgerlichen  und  wenig  ehren- 
vollen Kampf  zu  treiben. 

III. 

Betrachten  wir  zuerst  die  lichte  Seite  seiner  Beziehungen 
zu  den  hier  aufgeführten  Correspondenten,  so  tritt  uns  auch 
hier  wieder  das  Bild  Christophs  von  Stadion,'  des  edlen 
Bischofs  von  Augsburg  (von  1517  bis  1543)  in  ruhiger  Würde 
entgegen.  Stadion  war  einer  der  gebildetsten  deutschen  Bischöfe, 
so  friedliebend  und  zur  Versöhnung  geneigt,  dass  protestan- 
tische Fürsten  und  Theologen  gerne  auf  ihn  compromittirten. 
Er  war  es,  der  die  Confessio  Augustana  zu  vertheidigen  wagte. 
Ein  ausserordentlicher  Mäceuas  der  Gelehrten,  ja  selbst  von 
Anfängern,  unter  Anderen  von  Caspar  Bruschius,  ^  wurde  er 
von  diesen  überaus  gepriesen,  Bruschius  hat  gute  Beiträge  zur 
Charakteristik  des  liebenswürdigen  Kirchenfürsten  gegeben, 
dem  er  sein  Schriftchen  Salomonis  proverbiorum  capita  duo 
1539  und  als  der  Bischof  1543  starb,  in  demselben  Jahre  einen 
Nachruf  in  seiner  ,Sylua'  widmete.  Er  deutet  darin  dessen 
evangelische  Gesinnung  in  den  Versen  an: 

Dum  pontifices  reliqui  Christum  fidemque 
Abiiciunt  diris  excutiuntur  modis 
Uenit  is  de  tot  millibus  unus 
Et  uerum  uoluit  discere  rite  deum. 

Freilich  bemerkt  er  auch:  Sed  noctu  tan  tum  uenit  und 
vergleicht  ihn  mit  Nikodemus.  Aber  eben  diese  Eigenthüm- 
lichkeit  des  Bischofs  war  ja  Erasmus'  Wesen  so  sehr  verwandt, 
es  begreift  sich  leicht,  dass  diese  beiden  Männer  über  die  re- 
ligiöse Frage  zu  ähnlichen  Anschauungen  gelangten,  Stadion 
scheint    aber  jedenfalls    weiter   in    den  Concessionen   gegangen 


*  Cf.  Zapf  Nachrichten    von  Christoph    von  Stadion,    Braun    Nachrichten 

von    Christoph    von    Stadion,     Bruschius    Opus    magnum    de    episcopa- 

tibus  f.   149. 
2  Cf.    meinen    Caspar   Bruschius    31.    35.    36.    80   imd    meine    Nachträge 

zu    C.    Bruschius    in    den  Mittlieilungen    des  Vereines    der  Deutschen   für 

die  Geschichte  Böhmens  1876.  S.  312  ff. 


Erasmiana.    I.  Ovo 

ZU  sein.  Erasmus  spricht  schon  um  1528  '  in  einem  Briefe  an 
den  Bischof  viel  mehr  Befürchtung-en  vor  der  Entwickeln ng- 
der  reformatorischen  Bewegung  aus,  er  meint,  es  werde  wie 
bei  einer  Krankheit  gehen  und  endlich  Alles  zu  spät  sein. 
Freilich  liegt  nach  seiner  Ansicht  auch  ein  grosser  Fehler  in 
den  Mönchen  und  Theologen,  die  durch  ihr  Geschrei  und  ihre 
Plumpheit  die  Sache  noch  schlimmer  machen  und  Leute  zur 
Irrlehre  treiben,  die  sich  sonst  nie  derselben  angeschlossen 
hätten,  sie  verdammen  auch  das  aus  Hass  gegen  Luther,  was 
fromm  und  nicht  erfunden,  sondern  von  Christus  und  den 
Aposteln  überliefert  wurde.  Erasmus  Hess  dabei  merken,  dass 
auch  er  durch  solchen  Unverstand  mehr  und  mehr  auf  die 
Seite  der  Neuerer  getrieben  werde.  ,Was  thaten  sie  doch 
und  thun  sie  stets,  um  mich  durch  Unbilden  Abge- 
matteten ins  Lager  der  Lutheraner  zu  stossen!'  Ihn 
bezeichne  man  als  den  wahren  Urheber  des  ganzen  Sturmes, 
solche  Aeusserungen  führe  er  aber  auf  Hieronymus  Aleander 
zurück,  einem  Menschen,  von  dem  er  nichts  Anderes  sagen 
wolle,  als  dass  er  nicht  sehr  übertrieben  wahrheitsliebend  sei. 
Und  doch  könne  Niemand  eine  Ketzerei  aus  seinen  Schriften 
nachweisen,  obwohl  ganze  Heerden  mit  aller  Mühe  darnach 
suchen,  es  aber  nur  zu  Verdachtsäusserungen  und  Lügen 
bringen.  Freilich  geschieht  es  ihnen  dabei  oft,  dass  sie  das, 
au  dem  sie  herumknuspern,  nicht  einmal  verstehen,  so  ver- 
urtheile  man  ihn  als  Ketzer,  weil  man  weder  Latein  noch 
Griechisch  verstände.  ^  Weder  der  Kaiser,  noch  der  Bischof 
von  Toledo  könne  jene  Menschen  bändigen.  Er  wolle  übrigens 
lieber  alle  seine  Lucubrationen  ausgetilgt  sehen,  als  wissen, 
dass  man  aus  ihnen  Gottlosigkeit  schöpfe.  —  Stadion  hatte 
Erasmus  schon  früher  eingeladen,  der  Gelehrte  entschuldigte 
sich  aber  —  wie  gewöhnlich  —  mit  seiner  so  sehr  angegriffenen 
Gesundheit,  die  ihm  auch  unmöglich  machte,  die  Einladungen 
des  Kaisers,  König  Ferdinands,  der  Margaretha  von  Parma, 
der  Könige  von  England,  Frankreich  und  Polen  anzunehmen. 
Die  Antwort  auf  dieses  Schreiben  gibt  die  bisher    unbekannte 


•  Cf.  Erasmi  Opera  et  Clericus  III.  1094. 

-  Er   erzählt   als  Beleg    eiue    köstliche  Geschichte  von  einem  Dominicaner 
und  dem  Madrider  Arzt  Xuarez. 

26* 


304  Horawitz. 

Nummer  XIII  dieser  Sammlung  vom  8.  October  1528.  Bischof 
Stadion  begrüsst  den  ,princeps  doctrinarum'  in  äusserst  schmei- 
chelhafter Weise,  schildert  den  grossen  Genuss,  den  ih)n  die 
tägliche  Leetüre  seiner  Lucubrationes  bereite  und  versichert 
seine  völlige  IJebereinstimraung  mit  den  Ansichten  des  Erasmus. 
Nicht  bloss  die  Theologen  aber  —  meint  Stadion  —  sind  es, 
die  Alles,  was  von  Luther  ausgeht,  verdammen,  auch  viele 
der  Ersten  des  Reiches  thun  diess,  selbst  wenn  es  mit  der 
heiligen  Schrift  übereinstimmt.  Am  Meisten  stösst  den  Bischof 
aber  der  zähe  Conservatismus  zurück,  mit  dem  sie  alle  Ge- 
wohnheiten festhalten  und  vertheidigen,  wenn  sie  auch  ganz 
vernunftlos  seien,  da  es  .ja  doch  bekannt  wäre,  dass  viele 
Menschen  Satzungen  den  evangelischen  Schriften  beigemengt 
seien.  Der  Bischof  sucht  dann  den  Erasmus  über  jene  Ver- 
unglimpfungen zu  trösten:  , Glaub'  es  mir,  gelehrtester  Erasmus', 
schreibt  er,  ,dass  man  Dich  als  den  Urheber  dieser  Unordnung 
betrachtet,  thun  Jene  nicht  aus  Liebe  zur  Religion,  deren 
Feinde  sie  sind,  noch  aus  Achtung  der  Tugend,  die  sie  nie 
verkostet  haben,  sondern  aus  Neid,  Schmerz  und  Bosheit  streuen 
sie  solche  Gerüchte  aus'.  Aus  eigener  Erfahrung  wohl  schildert 
er  dann,  wie  gross  der  Hass  und  der  Neid  gegen  Diejenigen 
sei,  welche  mehr  Kenntnisse  besitzen,  und  die  im  Evangelium 
Unwissenden  weise  tadeln.  Eine  Andeutung  weist  sogar  darauf 
hin,  dass  Stadion  stets  von  den  Anderen  überstimmt  ward.  — 
Für  Erasmus  mussten  aber  vornehmlich  die  Aeusserungen  des 
Bischofs  erfreulich  sein,  in  denen  er  die  trefflichen  Wirkungen 
seiner  Schriften  bespi'ach:  ,Was  Andere  Deinen  Schriften  ent- 
nehmen, weiss  ich  nicht,  ich  aber  bekenne  es  offen,  dass  ich 
aus  Deinen  Lucubrationen  mehr  Frömmigkeit  und  evangelische 
Kenntniss  geschöpft,  als  aus  den  Schriften  Anderer;  Deine 
Schriften  verletzen  mich  in  keinem  Stücke,  sondern  durch  die 
Leetüre  derselben  werde  ich  täglich  besser  und  unterrichteter; 
sie  zeigen  mir  den  wahren  Weg  zum  christlichen  Leben'.  Und 
weiters  sucht  er  ihn  damit  zu  trösten,  dass  Jene,  die  stets 
gegen  rechtschaffene  und  gelehrte  Männer  voll  Wuth  gewesen, 
auch  den  L.  Valla  nicht  geschont  hätten,  weil  er  geäussert 
habe,  dass  das  Catholicon  und  der  Huguicio  kein  Wort  recht 
erklärt  hätten.  Er  wisse  übrigens  nicht  recht,  was  sie  ihm 
vorwerfen  könnten,  um   ihn  als  Irrlehrer  hinzustellen,  Erasmus 


Erasniana,   I.  öuD 

zeige  ja  nicht  bloss  durch  seine  Gelehrsamkeit  (!),  als  auch 
durch  seine  Lebensweise  seinen  Glauben,  während  Jene  durch 
die  letztere  und  ihren  Ruf  das  Gegentheil  böten.  —  Ange- 
nehmer als  diese  Hiebe  gegen  die  uiri  obscuri  musste  dem 
Erasmus  dieses  Ehrenzeugniss  eines  so  bedeutenden  Kirchen- 
fürsten gerade  in  jenen  Tagen  sein,  in  denen  er  durch  die 
vielverbreiteten  Aeusserungen  des  Alberto  Fürsten  von  Carpi, 
welcher  ihn  als  den  Urheber  der  Luther'schen  Bewegungen 
bezeichnet  hatte,  in  die  höchste  Erbitterung  und  Besorgniss 
versetzt  ward.  Erasmus  verfehlte  auch  nicht,  dafür  seinen 
wärmsten  Dank  zu  sagen, '  von  seinen  Arbeiten  '  und  Gesund- 
heitverhältnissen '^  zu  berichten,  wobei  er  es  nicht  unterlässt, 
auf  seine  finanziellen  Einbussen  hinzuweisen,  die  ihn  bald  in 
evangelische  Armuth  bringen  werden.  In  einem  Schreiben  vom 
11.  August  1530  theilt  Erasmus  dem  Bischöfe  ausser  Nach- 
richten über  seine  Studien  —  die  Vorrede  zum  Chrysostomus 
habe  er  bereits  fertig*  —  über  Favre  de  Estaples  und  die 
Hinrichtung  des  von  ihm  in  würdigen  Worten  gerühmten 
Berquin  ^  auch  mit,  dass  er  die  drei  Bedingungen,  welche  der 
Bischof  zur  Einigung  vorgeschlagen,  vollständig  durchführbar 
finde,  aber  dass  er  nicht  daran  glauben  könne,  dass  die  Partei- 
häupter damit  zufrieden  sein  würden.  Des  Bischofs  Erhabenheit 
sei  freilich  ausser  dem  Bereiche  der  beissenden  Reptilien,  aber 
die  Leute  seien  ja  so  bösartig,  dass  sie  Alles  versuchten.  Mit 
einer  aristophanischen  Reminiscenz  setzt  er  hinzu:  ein  Mist- 
käfer sei  ja  auch  gegen  Himmel  geflogen. 


i  Opera  Erasmi  III.   1128. 

2  Er  arbeitete  damals  am  Augustinus  und  der  1529  bei  Froben  erschienenen 
Ausgabe  der  Werke  des  L.  A.  Seneca,  die  auf  dem  Titel  besagte:  ex 
fide  ueterura  codicum  ...  sie  emendata  ut  merito  priorem  edit.  ipso 
absente  peractam  nolit  haberi  pro  sua. 

3  Opera  ITI.  1292. 

*  Wurde  1530  herausgegeben  und  war  dem  Bischöfe  Stadion  gewidmet. 
Cf.  die  Dedicationsepistel,  in  der  Erasmus,  nachdem  er  seine  bisherigen 
Leistungen  auf  dem  Gebiete  der  patristischen  Literatur  aufz<ählt,  Chry- 
sostomus hinsichtlich  der  uitae  integritas,  diuinarum  literarum  amor,  in- 
dicii  rectitudo,  ueritatis  libera  professio  und  Andere  mit  Stadion  ver- 
gleicht und  über  den  Untergang  der  Frömmigkeit  bei  den  Geistlichen  klagt. 

*  Cf.  über  Favre  und  Louis  Berquin,  den  Uebersetzer  der  Erasmischen 
Schriften,  besonders  die  werthvolle  Schrift  von  Graf:  Faber  Stapulensis. 


396  Horawitz. 

Die  anbei  mitgetheilten  Briefe  Stadion's  an  Erasmus  vom 
10.  April  1531  und  12.  Januar  1532  geben  viele  Nachrichten 
über  die  politischen  Verhältnisse,  die  Wahl  König  Ferdinands, 
die  Türkengefahr  und  das  Fortschreiten  der  lutherischen  An- 
schauungen in  Augsburg,  über  Gerüchte  von  Oecolampadius. 
Besonders  interessant  aber  ist  die  Aufforderung  (a.  a.  1532) 
des  Bischofs,  die  Sorbonnisten  für  ihre  Angriffe  auf  Erasmus 
einmal  tüchtig  abzufertigen,  da  er  nicht  einsehe,  was  sie  denn 
Gutes  geleistet,  sie  hätten  gewiss  wieder  nichts  als  conclusiones, 
illationes  und  corolaria  geschrieben.  Noch  entschiedener  äussert 
sich  Stadion  in  dem  werthvollen  Briefe  vom  4.  April  1533,  in 
dem  er  einige  theologische  Fragen  bespricht,  die  radicalen 
Bewegungen  der  Augsburger  gegen  Messe  und  Priesterschaft 
schildert,  die  Versprechungen  des  Papstes  und  Kaisers  hinsicht- 
lich eines  Nationalconcils  aber  leere  Worte  nennt.  In  diesem 
Schreiben  spricht  sich  Stadion  für  die  Zulassung  der  deutschen 
Sprache  in  der  Kirche  aus,  weil  dadurch  die  Andacht  der  Hörer 
viel  inniger  und  grösser  würde^  plaidirt  für  die  Aufhebung 
des  Coelibates,  die  er  sich  sehr  leicht  denkt,  und  legt  Erasmus 
seine  Bedenken  über  die  Irrthümer  Caietans  vor.  Er  dankt 
dem  Gelehrten  für  die  Uebersendung  der  neuen  Homilie  des 
Chrysostomus,  die  er  lesen  werde,  um  dann  sein  Urtheil  zu 
äussern.  ,Doch  wozu  ein  Urtheil!^,  unterbricht  er  sich  selbst, 
,da  ja  nichts  von  Dir  ausgeht,  was  nicht  in  jeder  Hinsicht 
vollendet  wäre.  Diess  werden  alle  Gelehrten  bestätigen  mit 
Ausnahme  weniger  tollköpfiger  (cerebrosi)  Theologen  und 
Mönche,  die  ja  damit  nur  die  eigene  Dummheit  entlarven.' 

Die  Freundschaft  mit  Stadion  blieb  auch  fortan  bestehen. 
Der  letzte  Brief  des  Bischofs,  der  bekannt  ist,  trägt  das  Datum: 
8.  August  1533  '  und  ist  ein  Begleitschreiben  für  zwei  Pferde, 
die  der  liberale  Fürst  dem  Ei'asmus  zum  Aussuchen  eines 
sanft  gehenden  Thieres  sendet.  Dabei  meldet  er  Politisches, 
ferners  dass  die  Augsburger  sich  mehr  zu  Zwingli  als  zu  l^uther 
neigen  und  wundert  sich  über  die  Blindheit  der  Sorbonnisten 
und  die  ,Beddaische  Tragödie^  —  Erasmus  aber  wusste  von 
Stadion  stets  nur  Rühmliches  zu  sagen;  um  1529  schreibt  er 
z.  B.  an  Konrad  von  Dingen,  den  Bischof  von  Würzburg  von 


'  Spicilegiuni  III.  22. 


Erasmiana.   I.  397 

der  ünbescholtenheit  der  Sitten,  theologischen  Gelehreamkeit 
und  klugen  Mässigung  Stadion's  dem  er  nur  noch  zwei  Bischöfe 
an  die  Seite  stellt. '  1530  im  März  war  Stadion  sogar  zu 
ihm  gekommen  und  aus  keiner  anderen  Ursache  nach  Freiburg 
gereist,  als  um  ihn  zu  sehen  ,uidelicet  hominis  umbram^  und 
hatte  reiche  Geschenke  mitgebracht."^  Und  noch  im  November 
1533  rühmt  er  Vergara  gegenüber  den  Bischof  als  einen  Mann, 
dem  an  Adel,  Klugheit,  Ueberlegung,  Frömmigkeit  und  Wohl- 
thätigkeit  in  diesen  Gegenden  kaum  Einer  gleichkomme.  ^ 

Weniger  erfreulich  als  diese  Beziehungen  waren  die  des 
Erasmus  zu  Herzog  Georg  von  Sachsen,^  zu  deren  Be- 
trachtung ich  mich  nun  wende. 


IV. 

i 

Schon  frühzeitig  begann  die  Beziehung  des  für  die  Wissen- 
schaft empfänglichen  Herzog  Georg  zu  Erasmus.  Der  Brief, 
in  dem  er  mit  gewinnender  Naivität  seine  Sehnsucht  aus- 
spricht, ihn  kennen  zu  lernen,  ihn,  der  alle  Deutschen  nicht 
bloss,  sondern  alle  Nationen  der  Erde  an  Gelehrsamkeit  über- 
treffe, ihn,  ,das  Licht  dieser  Welt',  dürfte  den  ersten  Anlass 
zu  den  Beziehungen  gegeben  haben, '"  die  nun  in  einer  langen 
Reihe  von  Briefen  und  Sendungen  ihren  Ausdruck  fanden.  Um 
das  Jahr  1518  widmete  Erasmus  seinen  Sueton  Herzog  Georg 
gemeinsam  mit  Kurfürst  Friedrich  dem  Weisen;  er  sagt,  er 
kenne  Georg  ,e  propinquo  dum  Frisiam  nobis  fiuitimam  ad- 
ministrares^  6  ,Als  Jüngling',  schreibt  er  dann  (1520)  an  den 
Herzog,  ,habe  er  in  den  Niederlanden  schon  von  dem  Ruhme 
seines  Vaters    gehört,    in   England    von    ihm    vernommen,    was 


>  Opera  Erasmi  III.   119-J. 

2  Ibid.  1285. 

3  Ibid.  1481. 

*  Eine  Ehrenrettung'  Herzog  Georgs  ver.suchte  in  manchen  Stücken  mit 
Glück  Adolf  Moriz  Schulze  Georg  und  Luther.  Leipzig  IS.'U,  ein  Buch, 
dessen  Benützung  ich  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  verdanke. 

5  Cf.  die  Beilage. 

^  Erasmus  schrieb  die  Dedicationsepistel  aus  Antwerpen,  Georg  rückte 
1514  in  Friesland  eiu. 


398  Horawitz. 

ihm  wahre  Zuneigung-  zu  ihm  erregte.  Vornehmlich  müsse  er 
seine  Bemühung  um  die  Belebung  der  Wissenschaften  preisen; 
was  er  aus  Leipzig  gemacht,  zeigen  die  (durch  ihn  berufenen) 
Mosellanus,  Stromer,  Pistorius  und  Breytenbach.  Er  ist  voll 
Hoffnung,  dass  Georg  die  ärgerlichen  Streitigkeiten  der  Scho- 
lastiker und  Humanisten  ausgleichen  werde.  Damals  schon 
beschenkte  der  Herzog  den  Gelehrten;  sein  Schützling  Heinrich 
Eggendorf,  den  er  zu  seiner  Ausbildung  zu  Erasraus  schickte, 
überbrachte  diesem  rohes  Silber  aus  sächsischen  Bergwerken. ' 
In  dem  sub  H  mitgetheilten  Briefe  vom  25.  Mai  1522  ent- 
schuldigte sich  Erasmus  gewissermassen,  dass  er  wieder  nach 
Basel  zurückgekehrt,  nur  um  den  Druck  seiner  Werke  zu  be- 
sorgen; er  klagt  darin  ganz  vertraulich  über  seine  Kränklichkeit 
und  die  schlechten  Zeiten,  ,nec  minus  est  tumultus  in  studiis 
quam  in  regionibus'.  Eggendorf  sei  sein  einziger  Trost.  In 
dem  nächsten  Schreiben  des  Gelehrten  an  Georg  ^  tritt  bereits 
das  Verhältniss  zu  Luther  schärfer  hervor.  Im  Ganzen  urtheilt 
er  günstig  über  I^uther,  tadelt  nur  dessen  Mangel  an  Mässigung 
bei  seinem  löblichen  Werke,  sieht  in  der  Unterdrückung  Luther's 
eine  Gefahr  für  das  Gute  überhaupt.  Er  ergeht  sich  dann  in 
einer  geschichtlichen  Betrachtung  des  vorschreitenden  Verderbs 
der  Kirche,  es  gelte  heute  den  Funken  des  evangelischen 
Glaubens  wieder  zu  beleben.  Sehr  scharf  äussert  er  sich 
gegen  die  Gegner  Luther's,  freilich  habe  er  kein  Bündniss  mit 
den  Lutheranern,  ihm  missfalle  ja  nichts  mehr  als  die  Em- 
pörung. Seine  Ansicht  gehe  dahin,  die  ganze  Angelegenheit  mit 
Stillschweigen  zu  übergehen.  Die  furchtbare  Bulle  des  Papstes 
habe  so  wenig  als  das  furchtbare  Edict  des  Kaisers  mehr  be- 
wirkt, als  dass  man  den  Brand  schüre.  Es  möge  vielleicht 
die  Zungen  und  Federn  Einiger  im  Zaume  halten,  aber  die 
Gesinnungen  werde  es  nicht  verändern.  Uebrigens  hätten  das 
wohl  Solche  beim  Kaiser  durchgesetzt,  die  von  den  Gelehrten 
wenig  geschätzt  werden.  Auch  in  dem  Briefe  an  Papst  Adrian 
sprach  er  sich  mit  erstaunlicher  Offenheit  über  die  Mängel  der 
Kirche,  die  Bedeutung  Luther's  und  Anderes  aus.  Georg  von 
Sachsen    (cf.   Nr.    IV)    schien   den   auch   (1523)  jede   Hoffnung 


»  Opera  HI.  329. 
2  Ibidem   731. 


Erasmiana.   1.  Uifu 

aufzugeben,  dass  Erasmus  gegen  Luther  schreibe.  Doch  da 
erfolgte  jener  für  Luther's  Natur  ausserordentlich  ruhig  ge- 
haltene Brief  dieses  Mannes  an  Erasmus  (April  lö24),  in  dem 
er  an  ihn  neben  vielen  anderen  oft  zutreffenden  Bemerkungen 
die  Forderung  stellt,  wenigstens  die  Angi'iffe  gegen  ihn  und  die 
Seinigen  zu  unterlassen.  Die  Antwort  des  Erasmus  (b.  Mai 
1524)  war  ebenso  gereizt  als  Luther's  Brief  massig  war.  Er 
hielt  sich  an  die  ,improbitas^  mancher  Anhänger  Luther's,  um 
zu  beweisen,  dass  man  ihn  auf  diese  Weise  sicher  auf  die 
andere  Seite  treibe.  Von  dieser  Zeit  an  datirt  der  innere 
Bruch  zwischen  beiden  Mcännern,  der  durch  zahlreiche  Ein- 
bläser endlich  trotz  der  versöhnlichen  Strebungen  Melanchthon's 
zum  öffentlichen  höchst  bedauerlichen  Conflict  führte. 

In  dieser  Stimmung  trafen  jene  zahlreichen  Briefe  ein, 
in  denen  hochgestellte  Freunde  des  Erasmus  drängten,  den 
literarischen  Feldzug  gegen  Luther  zu  eröffnen.  Nicht  zuletzt 
Herzog  Georg,  der  im  Mai  1524  aufs  Neue  und  zwar  in  un- 
verblümter, fast  beleidigender  Sprache  Erasmus  apostrophirte. 
Schon  erhob  er  Vorwürfe  gegen  ihn,  dass  er  nicht  vor  drei 
Jahren  gegen  Luther  geschrieben.  Jetzt  sei  die  damals  noch 
löschbare  Flamme  zu  einer  grossen  Feuersbrunst  gediehen. 
An  ihm  —  um  es  offen  zu  sagen  —  liege  alle  Schuld,  damals 
seien  noch  Wenige  ergriffen  gewesen.  Aber  Ei'asmus  habe 
keinen  offenen  Kampf  gegen  Luther  gekämpft,  er  greife  ihn 
nur  heimlich  und  leise  an,  das  bringe  Irrung  unter  die  Menschen. 
Einige  wohl  hielten  ihn  für  Luther's  Feind,  Andere  dagegen 
meinten ,  er  kämpfe  nur  zum  Scheine  und  stimme  in  der 
Sache  selbst  mit  Jenem  überein.  Er  solle  einmal  Farbe  be- 
kennen, offen  gegen  Luther  auftreten,  sonst  werden  Alle  finden, 
dass  er  es  habe  an  sich  fehlen  lassen  u.  s.  w. '  Der  sub  VII 
abgedruckte  Brief  des  Erasmus  aus  dem  Jahre  1524  ist  keine 
Antwort  auf  die  heftigen  Aeusserungen  des  Herzogs,  beide 
Briefe  haben  sich  offenbar  gekreuzt.  Voll  Misstrauen  spricht 
Erasmus  seine  Befürchtungen  aus,  dass  ihre  Correspondeuz 
von  den  Lutheranern  aufgefangen  werde;  er  habe  sich  stets 
von  Luther  ferngehalten  und  schon  in  der  Zeit  sich  vorsichtig 
benommen,    als  noch  Alles  Luther  wohlgesinnt    war.     Erasmus 


1  Opera  S.  800. 


400  Horawitz. 

geht  SO  weit,  zu  versichern,  dass  er  nicht  bloss  selbst  sich  von 
ihm  ferngehalten,  sondern  auch  die  Anderen  vor  ihm  gewarnt 
hätte.  Für  sein  Stillschweigen  führt  er  den  Hilarius  ins  Treffen, 
der  gegen  die  Arianer  noch  länger  als  er  geschwiegen.  In 
seinen  Werken  habe  er  übrigens  schon  oft  gesagt,  was  Luther's 
Anschauungen  widerspreche.  —  Man  sieht,  wie  sehr  er  Alles 
aufführt,  um  sein  Verhalten  zu  rechtfertigen  und  sich  dem  ihm 
so  lästigen  offenen  Auftreten  gegen  Luther  zu  entziehen.  Voll 
Selbstgefühl  und  Erbitterung  äussert  er  schliesslich  —  nachdem 
er  schon  früher  schneidend  bemerkt,  dass  dort,  wo  man  mit 
Confiscationen  u.  dgl.  arbeite,  man  seiner  Hilfe  nicht  bedürfe: 
Ich  bin  doch  nicht  geboren  und  eingeübt  für  solche  Gladia- 
torenkämpfe! Er  endet  mit  der  Versicherung,  Alles,  was  in 
seinen  Kräften  läge,  für  die  Kirche  thun  und  Luther's  Partei 
auch  fürderhin  fern  bleiben  zu  wollen.  Endlich  aber  ent- 
schloss  er  sich  doch,  in  der  bekannten  Schrift  ,de  libero  ar- 
bitrio'  gegen  Luther  aufzutreten  und  dieselbe  dem  Herzog  zu 
senden.  Er  schrieb  demselben  unter  dem  4.  September  1524 
und  entschuldigte  sich,  dass  er  bisher  nicht  dazu  gekommen, 
gegen  Luther  zu  schreiben;  Alter  und  Begabung  eigneten  ihn 
nicht  zu  solchem  Geschäfte,  ein  eigenthümlicher  Zug  seiner 
Natur  lasse  ihn  vor  dergleichen  Gladiatorenkämpfen  zurück- 
schaudern. Bisher  habe  er  Luther's  Lehre  als  ein  nothwendiges 
Uebel  betrachtet,  durch  das  in  den  argen  Verderb  der  Kirche 
Gesundheit  gebracht  werde,  so  bitter  auch  das  Heilmittel  sei. 
Da  er  aber  nunmehr  vernommen,  man  halte  sein  Schweigen 
für  eine  Verabredung  mit  Luther,  mit  dem  er  keinen  geheimen 
Bund  habe,  und  er  unter  dem  Namen  des  Evangeliums  ein 
neues  Völklein  emporwachsen  gesehen:  frech,  unzüchtig,  un- 
erträglich, kurz  so,  dass  es  Luther  auch  nicht  ertragen  könne, 
den  es  übrigens  gerade  so  verachte,  wie  die  Bischöfe  und  die 
Fürsten,  so  trete  er  in  die  Scene.  Ob  es  nützen  werde,  wisse 
er  nicht,  er  wünsche  nur,  dass  es  dem  christlichen  Gemein- 
wesen fromme,  —  Er  lässt  die  Bemerkung  fallen,  des  Königs 
von  England  Brief  sei  es  vornehmlich  gewesen,  der  ihn  an- 
spornte, mehr  noch  freilich  die  ,improbitas  rabularum^,  die, 
wenn  sie  nicht  in  Schranken  gehalten  werden,  das  Evangelium 
und  zugleich  die  Wissenschaft  verderben  würden.  Er  habe 
gehofft,    die   Tyrannei    der    Pharisäer    werde    gestürzt    werden. 


Erasmiana.   I.  401 

nicht  aber  bloss  geändert;  wenn  man  schon  nachgeben  müsse, 
wolle  er  es  lieber  den  Päpsten  und  Bischöfen,  wie  sie  nun 
einmal  sind,  als  jenen  schmutzigen  Phalarissen,  die  noch  un- 
erträglicher sind  als  Jene. ' 

Auch  dieser  Brief  athmet  noch  eine  grosse  Unsicherheit; 
die  Streitschrift  war  erschienen,  Erasmus  aber  fühlt  sich  beinahe 
zu  einer  Apologie  getrieben,  dass  er  endlich  gesprochen.  Und 
diess  Georg  gegenüber,  der  in  der  Abfassung  und  Veröffent- 
lichung jener  Schrift  ja  nur  ein  löbliches  Thun  sehen  musste. 
Eine  gewisse  Bangigkeit  mag  aber  die  Seele  Erasmus  erfüllt 
haben,  wenn  er  an  die  Wittenbei'ger  dachte.  Was  würden  sie 
dazu  sagen?  In  einer  solchen  psychologisch  sehr  erklärlichen 
Stimmung  schrieb  Erasmus  zwei  Tage  nach  jenem  Briefe  an 
Herzog  Georg  ein  ausführliches  Schreiben  an  Melanchthon.  ^ 
Dieser  Brief  beginnt  sehr  artig:  Erasmus  hätte  sich  gefreut, 
Melanchthon  bei  sich  zu  sehen,  er  hätte  gewiss  die  Nachrede, 
die  daraus  entstanden  wäre,  verachtet.  Wäre  Wittenberg  nicht 
so  weit  —  er  würde  hinkommen,  um  mit  Luther  und  ihm  ver- 
kehren zu  können  (!).  Er  spricht  es  auch  ganz  offen  aus,  dass 
er  dem  Werke  der  Erneuerung  der  evangelischen  Freiheit 
hold  gewesen,  zählt  ausführlich  und  mit  sichtlichem  Behagen 
seine  irenistischen  Strebungen,  sowie  mit  ziemlicher  Absicht- 
lichkeit auch  die  Versuche  gewisser  Leute  auf,  ihn  in  Miss- 
gunst zu  bringen,  ebenso  seine  vermittelnde  Thätigkeit  beim 
Papste  und  den  Fürsten,  ^  bemerkt  aber  dabei  zugleich,  er 
wisse  nicht,  wozu  man  die  Päpste  absetzen  solle,  um  ihre 
schäbigen  Nachahmer  zu  ertragen,  wie  man  den  Uneinigen  zu 
Liebe  von  den  orthodoxen  Vätern  und  Concilien  abfallen  könne. 
Erasmus  nimmt  dabei  die  Evangelischen  ziemlich  scharf  mit, 
namentlich  den  Alberus  und  beginnt  dann  zum  Schlüsse  eine 
Erklärung,  warum  er  sein  Buch  ,de  libero  arbitrio'  heraus- 
gegeben, indem  er  den  Melanchthon  geradezu  apostrophirt : 
,Miraberis  cur  emiserim  libellum  de  libero  arbitrio'.  —  Er 
schildert    nun    die    zahllosen    Angriffe    seiner    Feinde    und    wie 


1  Opera  III.  812. 

2  Corpus  Reformatorum  I.  667. 

3  Clamores  Theologorum  quoad  potui  compescui,  principum  saeuitiam  cohi- 
bui,  quod  et  hodie  facio. 


402  •  Horawitz. 

die  Theologen  (ganz  allgemein  gehalten!)  und  Hasser  der 
schöneü  AVissenschaften  Alles  gethan  hätten,  um  ihn  zu  ver- 
derben, ihn,  der  die  ganze  Gegend  von  Löwen  mit  dem  Studium 
der  Sprachen  und  schönen  Wissenschaften  vergiftet  habe,  ihn, 
der,  wie  sie  die  Regenten  glauben  machen  wollen,  mit  Luther 
verschworen  sei.  Die  Freunde  nun,  die  ihn  in  Gefahr  wähnten, 
hätten  dem  Papste  und  den  Fürsten  die  Hoffnung  gemacht 
dass  er  etwas  gegen  Luther  herausgeben  werde.  Er  selbst 
habe  diese  Hoffnung  nach  Umständen  genährt.  Unterdessen 
habe  man  ihn  durch  Schriften  gereizt,  so  sei  denn  für  ihn 
nichts  übrig  geblieben,  als  herauszugeben,  was  er  geschrieben, 
wenn  er  nicht  die  Fürsten  zu  Feinden  haben  wollte.  Mit 
grossem  Eifer  und  frischer  Lebendigkeit  schildert  er  alle  die 
Nothwendigkeiten,  in  die  er  versetzt  worden  sei,  und  fügt  ge- 
wissermaassen  entschuldigend  hinzu:  .  .  .  ipse  rem  tractaui 
modestissime  .  . 

Aber  er  ist  auch  auf  Melanchthon's  Einwendung  gefasst, 
dass  er  ja  den  Muth  der  Tyrannen  zu  neuem  Wüthen  mehre. 
Niemand,  erwidert  er,  habe  eifriger.  Niemand  freimüthiger  von 
der  Grausamkeit  abgemahnt  als  er.  Ja  er  geht  so  weit,  in  die 
Worte  auszubrechen:  Et  si  papisticae  sectae  (das  Wort  secta 
wendet  er  sonst  auf  die  Lutheraner  an)  essem  addictissimus, 
tarnen  disuaderem  saeuitiam  .  .  denn  das  mache  nur  Märtyrer, 
wie  schon  Kaiser  Julian  erkannte  und  die  Vorgänge  zu 
Brüssel  in  neuester  Zeit  bewiesen  hätten.  —  Zum  Schlüsse  des 
interessanten  Briefes  lässt  er  durchschimmern,  das  Cardinal 
Campeggio  den  Melanchthon  gerne  anderswo  sehe,  dass  auch 
er  ihn  frei  von  jenen  Streitigkeiten  erblicken  möchte,  aber 
dass  er  daran  verzweifle,  dass  Melanchthon  sich  einem  Wider- 
ruf unterziehen  würde.  —  In  demselben  Geiste,  in  dem  dieser 
Brief  geschrieben,  nehmen  auch  die  Wittenberger  die  Schrift 
,de  libero  arbitrio^  auf,  ich  sehe  nicht,  dass  sie  aufgebracht 
gewesen  wären,  im  Gegentheile  Melanchthon  schreibt  an  Spalatin 
von  Erasmus  ,Videtur  non  contumeliose  admodum  nos  tractasse'  • 
und  schon  am  30.  September  in  seiner  Antwort  räumt  er  dem 
Erasmus  sehr  viel  ein,  ,die,  welche  seine  Würde  anklaffen, 
scheinen  ihm  Humanität  und  Religion  vergessen  zu  haben',  er 


'  Corpus  Refonnatorum  L  G73. 


Erasmiana.    I.  40o 

vertlieidig-t  dann  Luther  auf  das  Zarteste  und  Freundsclmft- 
lichste,  auf  das  Entschiedenste  aber  erklärt  er  sich  von  dem- 
selben nicht  abbriug-en  hassen  zu  wollen.  Und.  endlich  ver- 
sichert er  ganz  bestimmt,  des  Erasmus  Buch  de  libero  arbitrio 
sei  ,aequissimis  animis'  aufgenommen  worden.  ,Perplacnit  tua 
moderatio,  tametsi  alicubi  nig-rum  salem  asperseris'.  Luther 
werde  —  so  verspreche  er  —  in  der  Antwort  eben  so  ge- 
mässigt sein;  er  sei  nicht  so  reizbar,  dass  er  nichts  vertragen 
könne.  ,Mihi',  fügt  er  hinzu:  ,Lutheri  erga  te  beneuolentia 
perspecta  est^  Zum  Schlüsse  bemerkt  er:  ,Lutherus  te  reve- 
renter  salutat.  '  Eine  Verständigung  zwischen  den  Beiden 
über  diese  Frage,  die  Melanchthon  ,caput  religionis  christianae' 
nennt, 2  schien  also  immer  noch  möglich.  Erst  der  ungemeine 
triumphartige  Jubel  der  päpstlichen  Partei,  der  Spott  und  Hohn, 
der  sich  gegen  Luther,  den  damals  ohnedem  von  allen  Seiten 
Bedrängten  und  Gehetzten,  erhob,  wird  Luther's  so  erregbare 
Natur  zur  heftigen  und  derben  Erwiderung  getrieben  haben. 
Wie  man  die  Wirkung  der  Schrift  im  katholischen  Lager  auf- 
fasste,  zeigt  unter  Anderem  der  Brief  Herzogs  Georg  vom 
29.  November  1524  (Nr.  VH).  Der  Herzog  wünscht,  Erasmus 
möge  sich  überhaupt  als  Vertheidiger  der  katholischen  Kirche 
gegen  die  verdammlichen  Anschauungen  erheben.  Mit  der 
Schrift  de  libero  arbitrio  habe  Erasmus  das  erste  Mal  sich 
offen  gegen  Luther  erklärt,  welche  Wirkung  habe  aber  das 
auch  hervorgebracht!  Bisher  hätten  die  Lutheraner  den  Eras- 
mus zu  den  Ihren  gerechnet,  wie  ihm  das  auch  zu  Zeiten  vor- 
geworfen worden  sei,  obwohl  er  es  widersprochen  habe.  ,Nun 
aber,  da  sie  erkannt,  dass  Du  offen  widersprichst  und  den 
ernsten  Kampf  beginnst,  ist  ihnen  alle  Hoffnung  und  jeder  Muth 
benommen.^  Das  Beispiel  des  Hilarius  acceptirt  Georg  mit 
Vergnügen ;  wie  dieser  den  Arius  bezwang,  so  werde  er  auch 
jene  lutherische  Ketzerei  besiegen  und  ausrotten.  —  Mittler- 
weile schrieb  Erasmus  wieder  an  Melanchthon  (10.  December 
1524)  aber  durchaus  nicht  in  dem  Ton  eines  Solchen,  der  die 
Ketzerei    ausrotten  will;    in    sehr  gemässigter  treffender  Weise 


'  Wie  ernsthaft  wirklich  Melanchthon  bestrebt  war,  Luther  zurückzuhalten, 
zeigt  gut  sein  Brief  an  den  Letzteren  Corp.  Kef.  L  893. 

2  An  Spalatin.  Corp.  Ref.  I.  673/4. 


404  Horawitz. 

äussert  er  sich    über  Luther   und   die  Verhältnisse.     Niemand, 
meint    er,    schade  Luther    mehr,    als  die,    welche  die  eifrigsten 
Lutheraner    sein    wollten.     Dabei    versichert    er  freilich:    ,Nou 
defuturus  sum  Euang-elico  negotio'.     Gegen  Melanchthon   zeigt 
er  die  grösste  Achtung,  er  nennt  ihn  für  die  Wissenschaft  ge- 
boren, betheuert,  dass  er  der  evangelischen  Lehre  nie  gezürnt, 
wohl  aber  ärgere  ihn  Vieles  in  Luther's  Lehre  und  an  Luther 
selbst,    der  mit  so  unpassenden  Bezeichnungen  um  sich   werfe, 
wie    ,Pontifex    antichristes'    u.  dgl.,    der    es    offen    ausspreche, 
,nullum    esse    liberum    arbitrium,    sed    omnia    necessitate    geri', 
hier  sehe  er  Beispiele  evangelischer  Gesinnung,    vor   denen  er 
erschrecke.     Man  dürfe  freilich  nicht  dem  platonischen  Staats- 
traume folgen,  dass  die  Massen  nicht  ohne  Lügen  regiert  werden 
könnten,    aber    es    fromme    nichts,    alle  Wahrheit   auf  jede 
Weise    dem  Volke    zu   verrathen!  —  Er  wisse  recht  wohl, 
dass    Luther   über    ihn    zu  Freunden    gar    nicht    in   dem  Sinne 
schreibe,    wie    Melanchthon    es    darstelle.     Melanchthon     wolle 
Luther    zu    massvoller  Antwort  veranlassen,  er  solle  ihn  lieber 
nur  nach  seiner  Natur  schreiben  lassen,  denn,  wenn  er  so  sich 
selbst  unähnlich  erwidere,    werde    man    an  ein  Einverständniss 
glauben.     Das  Eine  verspreche  er  zum  Schlüsse,    dass    er  nie- 
mals wissentlich    gegen    das  Evangelium   die  Waffen    ergreifen 
werde.  ^  Schrieb  hier  Erasmus  ziemlich  ärgerlich  gegen  Luther, 
so    lobt    er    Herzog   Georg    gegenüber    zwei  Tage    nach  jenem 
Briefe  denselben  reichlich.  Bei  seinem  ersten  Auftreten  hätten 
dem  Luther  ja  Alle  zugejubelt,  wie  er  glaube,  auch  der  Herzog, 
ja  sogar  Cardinäle  und  Theologen;    habe  er  ja  doch  eine  gute 
Sache    gegen    die    völlig    verdorbenen    Sitten    in    Kirche    und 
Schule  vertreten!     Dass  es  so  weit  gekommen,  sei  die  Schuld 
der   Mönche    und    der    Heftigkeit  Luther's,    mit    dem    er  keine 
Verbindung  habe.     Aber  er  sei  auch  nicht  der  richtige  Mann, 
um   Luther  zu  unterdrücken.     Was  wäre  denn  bei  einem  theo- 
logischen Zank  für  ihn  zu  gewinnen?  Würde  er  gegen  Luther 
nicht  so  toben,  wie  sie  von  Hass  erfüllt  seien,  so  werde  es  ihnen 
nicht  genügen.     Und  wem  würde  er  dadurch  dienen?     Seinen 
Feinden  und  denen  der  Wissenschaft.    Was  würde  Erasmus 
dann    werden,    als  deren  Henkersknecht!    Feinde  werde 


1  Corpus  Reform.  I.  688. 


Rrasniiana.   I.  405 

er  genug-  bekommen,  die  jetzt  seine  Freunde  sind.  Solle  er 
sich  einigen  Feinden  zu  Liebe  diese  Freunde  zu  Feinden 
machen?  Kaiser  und  Papst  könnten  ihm  da  wenig  helfen,  da 
sie  sich  selbst  vor  Schimpf  nicht  retten  könnten.  Seine  Sache 
sei  diess  nicht,  gewiss  gebe  es  ja  Theologen,  die  sich  dem 
mit  Erfolg  unterziehen  könnten.  Es  sind  auch  ja  solche  gegen 
Luther  aufgetreten,  was  aber  ist  damit  erreicht  worden?  Was 
haben  das  furchtbare  Edict  des  Papstes  und  das  noch  schreck- 
lichere des  Kaisers  geholfen,  was  könnte  also  der  Pygmäe 
Erasmus  in  der  Arena  thun?  Luther  sei  freilich  sehr  hoch- 
müthig,  aber  im  Vergleiche  mit  Anderen  sei  er  noch  bescheiden 
zu  nennen.  Das  aber  beenge  ihn:  so  viele  Tausende  halten 
zu  Luther,  auf  den  gemeinen  Haufen  freilich  gebe  er  nichts, 
aber  es  seien  darunter  auch  so  viele  hochbedeutende  Männer 
von  grosser  Urtheilskraft,  deren  Sinn  fromm  und  tadellos  sei. 
Gott  bediene  sich  eben  zum  Heilen  unserer  Krankheit  eines 
scharfen  Zuchtmeisters,  des  Luther,  wie  einst  der  Pharaonen, 
Philister,  des  Nabuchodonosor  und  der  Römer.  In  Erkenntniss 
aller  dieser  Umstände  habe  er  sich  auf  das  Ausgleichen  be- 
schränkt und  müsse  er  gegen  die  scharfen  Mittel  eifern,  durch 
die  das  Uebel  gewiss  nicht  besser  werde.  Schliesslich  lässt 
Erasmus  seine  Verletztheit  merken,  dass  ihm  Georg  einen  Brief 
geschrieben,  weit  anders  als  er  es  vom  Papst,  Kaiser,  König 
Ferdinand  und  dem  König  von  England  gewohnt  sei.  Am 
Härtesten  sei  für  ihn  das  Wort  gewesen  ,Utinam  ante  trien- 
nium'  .  .  .  Was  Herzog  Georg  wolle,  das  habe  er  schon  vor 
vier  Jahren  gethan.  Alles  habe  er  gethan,  was  Georg  gewünscht; 
freilich  selbst  seine  Mässigung  in  der  Collatio  werde  geschmäht 
werden,  obwohl  gerade  diese  Mässigung  Ijuther  beschwerlicher 
fällt,  als  alle  Schimpfreden.  —  Sehr  charakteristisch  ist  die 
Bemerkung,  die  Erasmus  anlässlich  der  Besorgung  eines  Nach- 
folgers des  verstorbenen  Professors  der  Leipziger  Universität, 
Mosellanus,  macht  —  eine  Angelegenheit,  die  öfter  den  Gegen- 
stand ihrer  Correspondenz  bildet  —  Erasmus  findet  die  Be- 
schaffung eines  solchen  aus  d  e  m  Grunde  besonders  schwer, 
weil  Georg  einen  Lehrer  verlange,  der  Luther  und  seiner  Lehre 
völlig  ferne  stehe. '  Die  Erwiderung  Georgs  vom  13.  Februar  1525 

'  Ich    nahm   anfänglich    wirklich  Anstand   au   der  Datirung  dieses  Briefes. 
Dass  die  Chronologie  der  erasinisclien  Briefe  verwirrt  ist,   ist  allgeuieiu 


40ß 


Hora  witz. 


1  unser  Stück  Nr.  IX)  beschäftigt  sich  im  Eingang-e  mit  der 
Bemerkung-  des  Erasmus,  auch  er,  der  Herzog-,  sei  aufäng-lich 
Luther  gewog-en  gewesen.  Er  läugnet  diess  auch  nicht,  er 
habe  eine  Verbesserung  von  ihm  erwartet,  aber  leider  bald 
gesehen,  dass  er  nur  hussitische  Lehren  wieder  an's  Licht 
fördere.  Gegen  ihn  zu  kämpfen  sei  die  Pflicht  eines  Jeden,  ob 
er  Theolog  sei  oder  nicht,  bemerkt  der  Herzog  mit  sehr  ver- 
ständlichem Seitenblicke  auf  Erasmus'  letzten  Brief.  Uebrigens 
möge  er  sich  nicht  an  die  Verläumdungen  der  Theologen 
kehren,  sondern  auf  Jene  losgehen.  Geschimpft  werde  jetzt 
gegen  Jeden,  gegen  den  Papst,  den  Kaiser,  ja  gegen  ihn,  den 
Saul  unter  den  Propheten.  Und  um  seinen  Eifer  mehr  zu 
schärfen,  erinnert  er  ihn  an  die  Schmähungen  Luther's  gegen 
den  Papst,  den  Kaiser  und  andere  Fürsten,  sucht  sein  Schreiben 
Schritt  für  Schritt  zu  widerlegen,  stellt  ihm  vor,  wie  er  sich 
schon  als  Theologe  erwiesen.  Er  werde  wie  David  den  prahle- 
rischen Goliath  (Luther)  fällen.  Ein  besonders  wirksames  Ar- 
gument musste  für  den  überlegenden  Gelehrten  die  Aeusserung 
des  Herzogs  sein,   er  sei  davon  überzeugt,  Erasmus  wäre  der 


bekannt,  dieser  Brief  aber  sieht  mit  seinem  frischen  Unwillen,  mit 
seinem  genauen  Citat  aus  einem  so  fernliegenden  Schreiben  so  aus,  als 
ob  er  die  unmittelbare  Antwort  auf  Georgs  Brief  vom  Mai  1524  wäre, 
in  dem  dieser  Fürst  sich  in  so  heftigen  Aeusserungen  erging.  Auch  die 
vielen  Entschuldigungen,  dass  er  gegen  Luther  niclit  der  rechte  Mann 
sei,  damit  nur  seinen  Feinden  diene  u.  s.  w.  sprechen  dafür,  als  ob  er 
diesen  Brief  vor  der  Publication  der  Schrift  de  libero  arbitrio  geschrieben. 
Freilich  kommt  darin  die  Hinweisung  auf  diese  Schrift  vor,  es  heisst 
aber  collatio  de  1.  a.  Collatio  heisst  allerdings  auch  Zusammenstellung, 
und  es  könnte  also  ein  erster  Entwurf  damit  gemeint  sein,  der  bei  den 
Gönnern  circulirte.  Dieser  Annahme  widerspricht  aber  völlig  der  Satz: 
Veniunt  a  multis  epistolae,  huic  meo  labori  gralulantes.  Sunt  qui  fatentur 
sese  hoc  libello  lecto  mutasse  ueterem  sententiam.  Scribunt  etiam  Witten- 
bergae  aequissimis  animis  exceptum.  (Citat  aus  dem  Briefe  Melanchthon's 
vom  80.  September  1524!)  Hie  tamen  fremunt.  Quidam  in  singulis  con- 
cionibus  aliquid  iaculantur  in  eum  libellum.  Dass  die  Erregung  über 
jene  Stelle  so  lebendig,  die  Stelle  aber  so  genau  mitgetheilt  ist,  erklärt 
sich  unschwer,  aus  der  Gepflogenheit  des  Erasmus,  sich  alle  Briefe  sorg- 
fältig aufzuheben.  Er  las  ihn  eben  nochmals  vor  der  Beantwortung  durch. 
Uebrigens  spricht  Erasmus  von  zwei  Briefen  des  Herzogs.  Es  entfällt 
also  jeder  Grund  an  der  richtigen  Datirung  dieses  Schreibens  zu 
zweifeln. 


Erasmiana.   I.  407 

Einzig-e,  welcher  die  Mittelstrasse  zu  halten  im  Stande 
sei  und  Alles  in  den  Hafen  zurückführen  könne.  Uebriffens 
habe  er  den  Papst  und  den  Kaiser,  wie  alle  Fürsten  zu  Gönnern, 
die  Kirche  und  Christus  selbst  würden  ihm  beistehen.  Schliesslich 
entschuldigt  sich  der  Fürst  sehr  höflich  wegen  seiner  letzten 
Briefe. 

Wir  fragen  uns  billig,  was  soll  dieses  Drängen?  Erasmus 
war  ja  mit  der  Schrift  über  den  freien  Willen  ohnedem  in  die 
Arena  getreten?  Was  soll  er  weiter,  wenn  er  wirklich  dadurch 
schon  so  viel  erzielt?  Aber  trotz  aller  Lobeserhebungen  genügte 
es  den  Drängern  nicht.  So  wohlfeil  sollte  Erasmus  sich  nicht 
mit  dieser  Sache  abfinden.  Man  wollte  gewiss  an  ihm  einen 
bleibenden  Vorkämpfer  gewinnen;  irre  ich  nicht,  so  bestand 
dabei  der  Hintergedanke,  ihn  wenigstens  mit  dem  gesammten 
Kreise  der  Reformatoren  in  Feindschaft  zu  bringen,  um  der 
Sorge  entledig't  zu  sein,  ihn  doch  vielleicht  noch  einmal  im 
Lager  der  Wittenberger  zu  sehen.  Ganz  dieselben  Strebungen 
leiten  Hieronvmus  Emser,  den  Secretär  und  Hoftheologen  Herzog 
Georgs,  der  (7.  Januar  1525)  nicht  müde  wird,  die  Gunst  des 
Fürsten  gegen  Erasmus  zu  schildern,  der  versichert,  dass  Georg 
sehr  gut  über  Erasmus  denke, '  was  er  ihm  geschrieben,  habe 
er  nur  geschrieben,  um  ihn  anzutreiben,  seine  Paraphrasis  habe 
er  ins  Deutsche  übersetzen  lassen,  sie  finde  grossen  Anklang 
bei  den  Gelehrten. 

Erasmus  fühlte  natürlich  sehr  wohl,  was  man  mit  ihm 
vorhabe.  ,Du  treibst  den  Laufenden  an',  ruft  er  mit  einer 
bei  ihm  häufigen  Phrase  den  Herzog  in  einem  Schreiben  vom 
26.  März  1525  an,  aber  —  versichert  er  artig,  —  es  ist  angenehm, 
von  solchen  Helden  angetrieben  zu  werden.  Auch  hier  folgt 
wieder  ein  Versprechen ,  dass  er  seinen  Wünschen  (noch- 
mals gegen  Luther  aufzutreten?)  nachkommen  werde.  Nur 
möchten  Georg  und  die  übrigen  Fürsten  dafür  sorgen,  dass  der 
Sieg  nicht  den  sinnlosen  Leidenschaften  gewisser 
Leute  zu  Gute  käme,  sondern  dem  Ruhme  Christi  und  dem 
Wohle  der  Christenheit. 

Der  nächste  Brief  (Erasmus  an  Georg  von  Sachsen  vom 
8.  April  1525)    ist    ganz    merkwürdig    wegen  der  Bemerkung: 


>  Opera  III.  856. 
Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  HI.  Hft.  27 


408  Horawitz. 

,sit  posthac  inter  nos  omnium  querimoniarum  ac  suspicionum 
finis!'  Ich  meine  doch,  dass  Erasimis  damals  schon  entschlossen 
war,  nochmals  gegen  Luther  aufzutreten.  Da  erfolgte  die  Heraus- 
gabe der  Schrift  Luthers  ,de  seruo  arbitrio'  mit  ihren  heftigen 
und  beleidigenden  Ausfällen  gegen  Erasmus.  Was  lag  bei 
Erasmus  so  leicht  verletzbarer  Art  näher,  als  dass  er  nunmehr 
der  vollen  Erbitterung  gegen  Luther,  dessen  Lehre  und  An- 
hänger die  Zügel  schiessen  Hess?'  Dazu  kamen  aber  aufs  Neue 
die  Aufreizungen  vieler  Gönner  und  Befreundeter.  Herzog 
Georg  fehlte  hierin  nicht.  In  unserer  Nr.  X  (vom  IG.  April 
1526)  schildert  er  recht  absichtlich  das  eminente  Aufsehen, 
das  Luther's  Schrift  errege,  man  sage  —  referirt  er  —  es  sei 
nichts  Aehnliches  noch  geschrieben  worden,  er  habe  sich  selbst 
damit  übertroffen.  Sehr  unfein,  aber  sehr  zum  Zwecke  führend, 
war  es,  dass  er  nicht  anstand,  auch  des  Geredes  Erwähnung  zu 
thun,  das  Erasmus  als  besiegt  hinstellte,  als  einen,  der  gar  nichts 
dagegen  thun  könne,  der  ganz  still  und  stumm  geworden  sei. 
Und  so  recht  offenherzig  zeigt  sich  Georg,  wenn  er  gleich  darauf 
ausruft:  ,Uebrigens  kommt  nun  der  Hyperaspistes  heraus,  in 
dem  Du  alle  jene  Schwätzer  widerlegst'.  Alle  hoffen,  dass  er 
nun  doch,  obwohl  er  so  lange  wie  Fabius  gezaudert,  endlich 
siegen  werde.  Die  Lutheraner  haben  sich  gewiss  schon  ver- 
schossen, während  er  den  Bogen  noch  voll  hätte.  —  Der  Herzog 
versprach,  dafür  Sorge  zu  tragen,  dass  der  Hyperaspistes  ins 
Deutsche  übersetzt  werde,  damit  er  von  dem  Hasse  der  Schuster 
und  Gerber  nicht  gedrückt  werde,  sondern  Anhänger  gewinne. 
Er  hielt  dieses  Versprechen  auch,  und  Hess  ihn  1526  durch 
Hieronymus  Emser  übersetzen.  2  Zur  Anspornung  sandte  er 
dem  Erasmus  einen  Ehrenbecher.  Einige  Tage  später  schrieb 
auch  der  Kanzler  Simon  Pistorius  in  ähnlichem  Sinne.  Er  kann 
es  kaum  ausdrücken,  welche  Gunst  sich  Erasmus  durch  den 
Hyperaspistes  bei  Georg  erworben,  besser  hätte  man  gegen 
Luther  gar  nicht  schreiben  können.  Georg  könne  sich  an  dem 
Werke   gar   nicht   sattlesen,    damit    habe    sich   Erasmus  von 

'  Erasmus'  Verhalten  ist  gut  geschildert  in  Hess  Erasmus  von  Roterdam. 

Zürich   1790.  II.  225. 
2  Unter  dem  Titel  Schirm-  und  Scliutzbüclilein  der  Diatribe   wider  Miirtin 

Luther's  knechtlichen  Willen    durch  Erasmum  von  Koterdam  in  Teutsch 

gebracht  durch  Hier.  Emser.    Gedruckt  zu  Leyptzik. 


Erasmiana.  I.  409 

tillem  Verdacht,  der  auf  ihm  lastete,  freigemacht.  Was 
man  aber  von  Erasmus  noch  erwartete,  zeigt  ganz  trefflich  der 
Satz:  Exspectamus  autem  a  te  non  solum  liberi  Arbitrii 
egregiam  defensionem  sed  et  confutationem  aliorum 
omnium.  qiiibus  causam  illam  vestit  et  imprimis,  quod  Eccle- 
siam  ad  uihilum  redigit  et  ex  aliquorum  corruptis  moribus  de 
ipsius  doctrina  et  institutis  Hussitico  more  pronuntiati  atque  quod 
verbum  Dei  non  sine  tumultu  propagari  posse  contendit.  Und 
Pistorius  eröffnet  sofort  weitere  Perspectiven:  Quae  certe  si 
falsa  esse,  ut  nihil  addubitamus  persuadebis,  non  solum  in 
libero  Arbitrio  victoriam  obtinebis,  sed  et  omnia  alia  ipsius, 
quibus  vulgo  perstringit  oculos,  subvertes,  et  eos  ad  Eccle- 
siae  unitatem  reuocabis,  qui  temere  discessere.  Das 
ist  doch  deutlich  genug!  Man  ist  mit  den  bisherigen  Leistungen 
noch  nicht  zufrieden,  Erasmus  soll  seine  ganze  Kraft  der  Be- 
kämpfung der  ,Irrlehren'  zuwenden,  man  schmeichelt  ihm,  indem 
man  die  grosse  Bedeutung  seines  vornweg  angenommeuen  Sieges 
für  die  Heimbringung  der  Abgefallenen  darlegt. '  Dass  Erasmus 
trotz  all'  dieser  Köder  und  seiner  heftigen  Zweiung  mit  Luther, 
wovon  unter  Anderem  auch  sein  Brief  an  diesen  zeigt,  ^  durchaus 
nicht  gemeint  war,  bedingungslos  ins  Lager  der  Päpstlichen  zu 
gehen,  zeigt  sein  Schreiben  an  Pistorius  aus  dem  Jahre  1526,  ^ 
in  dem  er  sehr  vorsichtig  zwischen  den  Constitutionen  der 
Kirche,  die  aus  allgemeinen  Concilieu  hervorgingen,  den  Be- 
stimmungen einzelner  Bischöfe,  des  Papstes  und  der  päpst- 
lichen Kammer  unterscheidet,  schliesslich  aber  die  vorsichtige 
Unterscheidung  mit  der  offenen  Erklärung  beschliesst,  es  käme 
Alles  zur  Ruhe,  wenn  man  Einiges  abändern  wolle.  Aber  es 
wolle  eben  Niemand  nachgeben,  obwohl  es  der  Kirche  nicht 
schaden    würde,    wenn    Einiges    von    ihren    Häuptern    geändert 


•  Hier,  wie  an  vielen  anderen  Stellen  der  Correspondenz  wird  erwähnt, 
dass  deutsche  Schriften  für  Erasmus  ins  Lateinische  übersetzt  werden 
mussten.  An  einem  anderen  Orte  erklärt  er,  eine  deutsche  Schrift  nicht 
gelesen  zu  haben,  weil  er  sie  nicht  verstünde.  Daraus  lässt  sich  aber 
für  die  bekannte  Streitfrage,  ob  Erasmus  deutsch  gekonnt  oder  nicht,  kein 
fester  Schluss  ziehen.  Er  kann  ja  deutsch  verstanden  haben,  ohne  im 
Stande  gewesen  zu  sein,  ein  Buch  in  dieser  Sprache  leicht  und  ganz 
zu  verstehen.        * 

2  Cf.  Hess  Erasmus  U.  S.  227  f. 

3  Opera  III.  966. 

27* 


410  Hor.iwitz 

würdu,  wie  ja  das  schon  öfter  geschehen.  Mit  Strafen  und 
Hinrichtungen  aber  richte  man  nur  für  einen  Augenblick  etwas 
aus.  —  So  wonig  diese  Auffassung  des  Erasmus,  die  grosse 
Bewegung  mit  kleinen  Mitteln  aufhalten  zu  wollen,  Aussicht 
auf  Erfolg  gehabt  hätte,  so  sehr  gering  war  die  Hoffnung,  auch 
nur  Derartiges  durchzusetzen.  Wie  anstössig  sofort  jede  Be- 
merkung freierer  Art  erschien,  musste  Erasmus  selbst  ersehen. 
Er  hatte  einmal  geäussert,  ihm  scheine  jede  der  streitenden 
Parteien  nicht  nüchtern  zu  sein.  Jetzt  muss  er  sich  Pistorius 
gegenüber  rechtfertigen:  Er  habe  damit  nur  einige  Theologen 
und  Mönche  gemeint,  möchte  überhaupt  nicht  alle  Lehren  der 
Transalpiner  vertheidigen,  so  z.  B.  jene  Lehre,  der  eine  Papst 
gelte  mehr  als  alle  Kirchen  und  das  christliche  Volk. 
Er  habe  übrigens  nicht  gesagt,  dass  er  auf  keiner  Seite  stehe, 
sondern  nur  dass  er  ,neutri  addictum  esse',  worauf  er  mit  einer 
köstlichen  Wendung  die  Definition  gibt:  ,Addictus  autem  est, 
qui  seruit  in  omnibus^  Ueber  das,  was  nach  seiner  Ansicht 
abgeändert  werden  solle,  spricht  er  sich  im  Verlaufe  des 
Schreibens  ebenfalls  aus.  Er  sähe  nichts  Arges  darin,  wenn 
die  Kirche  den  Gebrauch  des  Abendmahles  in  zwei  Gestalten 
zuliesse,  denn  auch  den  Böhmen  habe  die  Kirche  diess  einst 
erlaubt.  Auch  über  den  Coelibat  denkt  er  nicht  allzu  conser- 
vativ;  jetzt,  meint  er,  sei  statt  der  den  Priestern  und  Mönchen 
so  nöthigen  Keuschheit  Alles  in  das  Gegentheil  verkehrt,  da 
wäre  vielleicht  das  mindere  Uebel  zu  erkiesen.  Doch  fügt  er 
besorgt  hinzu,  wenn  dies  den  Vorständen  der  Kirche  nicht  ge- 
falle, so  möge  man  es  für  einen  Traum  halten  (!).  Ohnedem 
sehe  er  täglich,  wie  man,  wenn  er  noch  so  vorsichtig  etwas 
begonnen,  mit  Verläumdungen  hinter  ihm  her  sei,  als  ob  man 
es  gerade  darauf  anlegen  möchte,  ihn  durch  Beschimpfungen 
auf  die  Seite  Luther's  zu  treiben. '  Pistorius  möge  es  dem 
Fürsten  aber  vorbringen,  dass  sein  ganzes  Bemühen  darauf 
abziele,  die  scholastische  Theologie  wieder  zu  den  Quellen  der 
heiligen  Schrift  zuiückzuführen,  damit  in  den  Sitten  der 
Menschen  weniger  Ceremonien,  im  Gemüthe  mehr  Frömmig- 
keit heri'schen,  die  Bischöfe  und  Geistlichen  ihres  Dienstes  sich 


'  Freilich  fügt  er  sogleich  hinzu :    Quod  nunquam  efficient  donec  propitius 
Dominns  mihi  mentem  hanc  esse  patietur. 


Grasmiana.   I.  41 1 

erinnern,  die  Mönche  in  Wirklichkeit  würden,  was  sie  heissen. 
Das  werde  auch  Jeder  finden,  der  ihn  ohne  Voreingenommenheit 
lese,  wenn  man  aber  die  Werke  des  Chrysostomus  und  Hiero- 
nymus  in  dem  Sinne  lese,  mit  dem  man  seine  lese,  würde 
man  wohl  mehr  zu  tadeln  finden,  als  in  seinen.  ^  Aehnlichen 
Anklagen  der  schlechten  Mönche  und  gleichgearteten  Theologen 
—  die  er  bei  den  Deutschen  nicht  kenne,  wohl  aber  in  Spanien, 
Ungarn,  Polen,  England,  den  Niederlanden  und  besonders  in 
Frankreich,  wo  sie  gegen  die  guten  Wissenschaften  einen  argen 
Lärm  erheben  —  ähnlichen  Anklagen  begegnet  man  auch  in 
einem  Briefe  an  Georg  von  Sachsen  vom  2.  September  1526 
(Nr.  XI  unserer  Sammlung).  Sie  seien  es,  die  gegen  ihn  als 
den  zu  Felde  zögen,  von  dem  man  glaubt,  dass  er  die  guten 
Studien  erweckt  oder  doch  gefördert  habe,  gewiss  hätten  sie 
gesiegt,  wenn  sie  nicht  durch  die  Fürsten  in  Zaum  gehalten 
worden  wären. 

Der  zweite  Theil  des  Hyperaspistes  wurde  jedesfalls 
damals  mit  Begier  erwartet,  Erasmus  entschuldigt  sich  mit 
seiner  Krankheit,  die  Aerzte  gäben  keine  Hoffnung.  Er  bittet, 
nachdem  er  dem  Herzog  Mittheilung  gemacht,  dass  er  den 
Briefwechsel  Georgs  und  Luther's  an  den  englischen  Hof  ge- 
sandt, die  Wissenschaften  auch  fortan  so  unterstützen  zu  wollen, 
wie  er  bisher  gethan. 

Dass  der  zweite  Theil  des  Hyperaspistes  nicht  sogleich 
erschien,  erzeugte  am  sächsischen  Hofe  neuerdings  eine  Ver- 
stimmung gegen  Erasmus,  der  Emser  in  einem  Briefe  (vom 
25.  December  1526)2  Ausdruck  gab.  Nach  freundlichen  Ver- 
sicherungen der  Huld  des  Herzogs  und  des  ganz  ,erasmischen' 
Pistorius,  die  sich  durch  die  Bedda  und  Sutor  nicht  irre  machen 
Hessen,  äussert  Emser  sein  Befremden  über  die  Verzögerung 
des  'zweiten  Theiles  des  Hyperaspistes,  das  mache  ihn  auch 
bei  ihnen  —  verdächtig.  Er  möge  dazu  sehen,  diese  Schrift  zu 
vollenden.  Es  widerstrebt  mir  länger  bei  den  Worten  zu  ver- 
weilen, in  denen  Emser  einerseits   den  König    von  England  in 


'  Der  Brief  an  Georg  vom  30.  Juli  1.5-26  (Opera  HI.  945)  enthält  nichts 
als  Bemerkungen  über  den  noch  nicht  eingetroffenen  Ehrenbecher  und 
Klagen  über  Arbeitslast  und  Krankheit. 

2  Spicil.  XIV.  5. 


412  Horawitz. 

schönster  Perspective  hinstellt,  andererseits  den  Erasmus  durch 
abgeschmackten  Klatsch  zu  erregen  bestrebt  ist. 

Endlich  erschien  denn  der  ersehnte  Hyperaspistes  TL 
Erasmus  schickte  ihn  am  1.  September  1527  an  den  Herzog.' 
Ob  er  Luther  darin  nach  Gebühr  behandelt  habe,  möge  Georg 
entscheiden,  aber  er  müsse  es  wahrheitsgetreu  heraussagen,  dass 
ihm  seit  lange  nichts  so  widerwärtig  gewesen  sei,  als  jenes 
Menschen  ruhmredige  Lieder  lesen  zu  müssen.  Er  sieht  den 
Sturm  voraus,  der  losbrechen  werde,  da  er  jene  auf  ihrem 
Gebiete  angegriffen,  nachdem  er  den  Ekel  bezwungen  und  die 
Sache  ernst  behandelt  habe.  Er  wendet  sich  an  die  Gunst  der 
Fürsten;  lassen  ihn  diese  im  Stiche,  so  glaubt  er  kaum  aus- 
halten zu  können,  er  fürchte  diess  nicht  wegen  der  Lutheraner, 
sondern  wegen  Jenen,  die  dem  Namen  nach  wohl  Antilutheraner, 
aber  eigentlich  dessen  beste  Freunde  sind.  2 


'  Opera  III.  1009. 

2  Nun  sollte  eigentlich  der  Brief  vom  2.  September  1527  folgen,  wie  ihn 
Clericiis  III.  1010  datirt.  Ich  gestehe  aber,  dass  ich  ganz  entschieden  an 
dieser  Datiruug  Austoss  nehme.  Am  1.  September  1527  schreibt  Erasmus 
dem  Herzog:  Mitto  nunc  alterum  librum  Hyperaspistae.  Am  2.  aber 
soll  er  wieder  und  dann  geschrieben  haben:  Hyperaspistae  pars  altera 
iamdudum  exisset,  wenn  er  nicht  den  Pariser  Angriifeu  hätte  antworten 
müssen,  relictis,  quae  erant  in  manibus  libris  et  epistolis.  Dennocli  hätte 
er  Beides  bezwungen,  wenn  er  nicht  im  .Juni  so  erkrankt  wäre,  dass  die 
Aerzte  keine  Hoffnung  gegeben.  (Von  dieser  Krankheit  berichtet  Erasmus 
dem  Pirkhaimer  cf.  Opera  III.  944  f.  in  einem  kurzen  Schreiben  mit  der  ganz 
ähnlichen  Bemerkung:  Medici  non  plus  adferunt  spei  quam  muscae  und  dem 
resignirten  Worte:  Memoriam  meiuobisamici.s  commendo.)  Dann  aber  schreibt 
er:  Kecipiam  nunc  in  nianus  quod  coeptum  erat  et  si  Dominus 
dabit  aliquid  virium  absoluam  brevi.  Das  heisst  doch,  dass  er 
jetzt  erst  an  die  Beendigung  des  zweiten  Theiles  des  Hyperaspistes 
gehen  werde.  Weiters  spricht  er  von  dem  Briefe  Luther's  an  Georg  und 
dem  des  letzteren  an  Luther,  die  er  an  den  englischen  Hof  geschickt. 
Das  hätte  doch  nur  Sinn,  wenn  es  Novitäten  wären.  Der  Brief  Luther's 
ist  vom  23.  December  1525  datirt,  bald  darauf  antwortete  der  Herzog. 
Das  stimmt  doch  entschieden  besser  zum  Jahre  1526.  Erasmus  bemerkt 
weiters  de  professore  quem  raiseram,  scripsi  rem  omnem  Emsero.  Ich 
meine,  der  Brief,  der  hier  erwähnt  wird,  ist  der  mit  dorn  einzigen  Jahres- 
datum 1527  (Opera  III.  1055)  versehene,  der  dann  natürlich  auch  in  das 
Jahr  1526  zurückzuversetzen  sein  wird.  In  ihm  erkundigt  sich  Erasmus 
um  den  Ceratinus,  über  den  ihn  Pistorius,  wie  es  sclieint,  ungenügend 
informirte   (cf.  dessen  Brief  III.  1714),   von    dem   aber   Emser   wohl    aus 


Erasmiana.   I.  ^13 

In  seinem  nächsten  Briefe  an  Georg  (vom  30.  December 

1527)  wiederholt  Erasmus  so  ziemlich  das,  was  er  in  dem  vom 
1.  September  gesagt,  spricht  sehr  scharf  gegen  die  Mönche,  die 
mehr  um  den  Bauch  besorgt  seien,  als  um  das  Evangelium,  wie 
gegen  die  Bischöfe,  die  sich  um  alle  anderen  Dinge  kümmern. 
Er  sehe  die  gefährlichsten  Zeiten  herannahen.  Der  Brief  ist 
überhaupt  ausserordentlich  lesenswerth  und  voll  der  treffendsten 
Bemerkungen.  Er  fragt  in  diesem  Briefe  auch  an,  ob  der  zweite 
Theil  des  Hyperaspistes  schon  angekommen.  '  Am  16.  Januar 
J528'-  schreibt  er  an  Georg,  dass  es  ihn  sehr  freue,  dass  der 
Hyperaspistes  zugleich  mit  dem  Briefe  angekommen,  noch 
melir  aber,  dass  er  dem  Herzog  nicht  misfalle.  Er  bedauert  den 
Tod  Emser's  (f  8.  November  1527)  und  bestätigt  den  Empfang  des 
Briefes  Luther's  an  Georg  und  dessen  Brief  an  jenen  in  latei- 
nischer Uebersetzung  u.  s.  w.  —  Einige  Zeit  später  (18.  Februar 

1528)  schickte  der  Kanzler  Pistorius  ein  Buch  in  deutscher 
Sprache  ,de  communione  sub  una  specie',  das  Carlowitz  für 
Erasmus  lateinisch  übersetzen  solle.  Pistorius  stellt  ihm  nun 
die  Aufgabe  zu  erkennen,  wer  es  verfasst  ,paucis  enim  constat 
ex  cuius  officina  prodierit'.  ^ 


dem  Grunde  schrieb,  weil  er  bereits  Leipzig  verlassen.  Eben  in  diesem 
Schreiben  spricht  Ei-asmus  nur  von  dem  ersten  Theile  des  Hyperaspistes, 
sagt  ausdrücklich  respondi  operis  dimidio.  Reliquura  nunc  est  in 
manibus.  Also  war  der  zweite  noch  nicht  fertig,  was  noch  weiters 
durch  die  Bemerkung  bestätigt  wird:  Quod  absolutum  est,  ad  te  mitto. 
—  Eine  Schwierigkeit  bereitet  nur  der  Verweis  des  Erasmus  in  jenem 
Briefe  an  Georg  hinsichtlich  der  That  des  Königs  von  Frankreich,  von 
der  sich  im  Briefe  Emser's  nichts  vorfindet.  Daraus  Hesse  sich  aber  nur 
folgern,  dass  diess  nicht  jener  obgenannte  Brief  an  Emser  ist;  an  der 
Datirung  jenes  Schreibens  des  Erasmus  an  Georg  (2.  September  1526) 
möchte  ich  aber  trotzdem  festhalten. 
'  Proxirais  autem  nundinis  misimus  Illustr.  Celsitudini  tuae  schreibt  er  da 
seeundum  Hyperaspistae  librum  una  cum  literis  (Opera  IIT.  1050). 
Dieser  Brief  ist,  wie  wir  sahen,  vom  1.  September  datirt,  man  kann  nun 
annehmen,  dass  jene  Datirung  oder  diese  vom  30.  December  falsch  is*. 
Denn  der  Ausdruck  proximis  nundinis  kann  doch  bei  der  Distanz 
zwischen  1.  September  und  30.  December  nicht  zulässlich  sein.  Zur 
Rettung  der  bisher  angenommenen  Datirung  könnte  höchstens  angenommen 
werden,  dass  der  Brief  und  die  Sendung  in  Ermanglung  eines  Boten  (vide 
Brief  vom   1.  September  1.027)  einige  Zeit  liegen  blieben. 

2  Opera  III.  1058. 

3  Spicileg.  XIV.  19. 


414  Horawitz. 

In  seinem  Briefe  vom  24.  März  1528  '  an  Herzog  Georg 
äussert  Erasmus  wahrhaft  goldene  Worte  über  das  massvolle 
Vorgehen  gegen  die  Andersdenkenden,  Dass  er  lieber  milde 
Massregeln,  als  Tausende  von  Menschen  erschlagen  sähe, 
habe  er  mit  Augustinus,  Hieronymus,  kurz  mit  allen  Vor- 
kämpfern des  Christenthums  gemein.  —  Aber  auch  ,humanae 
conditionis  respectus'  rathe  dazu.  Und  trefflich  fährt  Erasmus 
fort:  ,De  saeuitia  bellorum  nihil  sensi,  quanquam,  si  fieri  posset, 
optarem  et  Monarcharum  animos  iungeret  Christiana  concordia 
et  huc  frequenter  sum  hortatus  Caesarem.  Id  si  fieri  non  potest 
illud  precari  non  desinam,  ut  Caesar  ac  Ferdinandus  uincant 
quam  minima  sanguinis  humani  dispeudio'.  Wenn  Georg  wüsste, 
wie  die  Mönche  in  Spanien,  die  Bedaiten  in  Frankreich  wüthen, 
so  würde  er  Erasmus  begreifen.  Jene  Leute  schaden  der  Kirche 
am  meisten.  Die  Grausamkeit  und  Strenge  der  Fürsten  kann 
das  Uebel  nur  schlimmer  machen,  er  fürchte  für  die  Fürsten 
und  den  Staat. '^  —  Zwei  Tage  früher  hatte  Melanchthon  an 
Erasmus  geschrieben^ 3  einen  so  liebenswürdigen,  schwärme- 
rischen Brief,  wie  Melanchthon  so  viele  z.  B.  an  Joachim 
Camerarius  gesandt.  Er  spricht  darin  seine  Freude  aus,  dass 
Erasmus  nicht,  wie  er  aus  dem  Hyperaspistes  argwöhnte,  gegen 
ihn  gereizt  sei,  er,  dem  er  die  unveränderte  Gesinnung 
bewahre.  Denn  möchte  er  auch  widerstreben,  ,rapiunt  me  in 
amorem  tui  excellentes  ingenii  tui  dotes^  Tief  bedauert  er, 
dass  zwischen  Luther  und  Erasmus  ein  so  heftiger  Streit  aus- 
gebrochen. 

Man  sieht  auch  aus  diesen  Zeilen  des  edlen  Mannes,  wie 
weh  ihm  dieser  Streit  thut^  aber  er  bezwingt  sich  und  sagt 
dem  alten  Meister  Worte  zartester  Ergebenheit.  In  der  För- 
derung der  Wissenschaft  möge  Erasmus  nicht  nachlassen  — 
er  verweist  ihn  damit  gar  fein  auf  sein  eigentliches  Gebiet  — 
zeigt    sich   auch    die    Gegenwart    nicht   dankbar,  gewiss  werde 


'  In  dem  Briefe  vom  5.  Februar  1528  empfiehlt  Erasmus  den  Franz  Dilfus 
einen  ,ausserordentlich'  geliebten  Jüngling,  der  dem  Herzog  Alles  über 
Erasmus  sagen  werde  und  den  auch  er  zu  Melanchthon  sandte  (cf.  Corpus 
Reform.  I.  946). 

2  Opera  III.  1072.  In  dem  sab  X  gedruckten  Briefe  handelt  Erasmus  nur 
von  H.  Eppendorf. 

3  Corp.  Reform  I.  946.     . 


Erasmiana.   I,  415 

das  iudicium  posteritatis  ein  besseres  sein.  Ego  tanquam  gre- 
garius  miles  tua  signa  sequens  sehliesst  er  artig  sein  Schreiben, 
das  auch  in  anderen  Stücken  (z.  B,  in  der  warmen  Vertheidi- 
gung  des  todten  Nesen)  zu  den  schönsten  Beweisen  für  Melanch- 
thon's  verehrungswürdigen  Charakter  gehört. 

Sehr  erregt  drückt  sich  dagegen  Erasmus  in  einem 
Schreiben  an  Geo]-g  gegen  Luther  aus  (30.  Juni  1530);  er 
findet  nichts  Gutes  an  ihm,  spottet  über  seine  Schrift  über 
die  Türken  und  ergeht  sich  in  den  rücksichtslosesten  Aus- 
fällen. Freilich  muss  man  sich  die  damalige  Stimmung  des 
Erasmus,  der  körperlich  wieder  einmal  ungemein  litt,  durch 
den  Zusammenstoss  mit  Geldenhauer '  und  seine  Anfeinder  im 
katholischen  Lager  aufs  Höchste  erbittert  war,  vergegenwär- 
tigen, wenn  man  ihm  hinsichtlich  des  Tones  jenes  Briefes  ge- 
recht werden  will.  2 

In  Wittenberg  (oder  doch  wenigstens  Melanchthon)  er- 
wartet man  von  Erasmus  noch  immer  ein  gewisses  Wohlwollen 
für  die  evangelische  Sache.  Melanchthon  hatte  erfahren,  dass 
Erasmus  vom  Kaiser  zum  Reichstage  nach  Augsburg  berufen 
worden  sei, ^  schon  am  27.  Juli  schreibt  er  an  diesen,^  drückt 
ihm  seine  Befriedigung  darüber  aus,  dass  er  beim  Kaiser  sich 
gegen  gewaltthätige  Pläne  ausgesprochen,  bittet  ihn,  von  dieser 
Bemühung  nicht  ablassen  zu  wollen;  Ruhmvolleres  könne  er 
nicht  thun.  Und  nochmals  beschwört  er  ihn,  den  Kaiser  zu 
ermahnen,  den  Krieg  gegen  die  Mitbrüder  nicht  zu  beginnen, 
die  sich  ja  nicht  weigern,  auf  billige  Bedingungen  einzugehen. 
Der  Brief  ist  unter  dem  Eindrucke  der  Besorgniss  geschrieben, 
welche  die  drohende  Apostrophe  am  Schlüsse  der  ,Confutatio' 
der  katholischen  Theologen  in  Melanchthon  und  seinen  Glaubens- 
verwandten erzeugen  n^usste.  Allerdings  hiess  es,  den  Einfluss 
des  Erasmus  überschätzen,  wenn  man  erwartete,  er  werde  den 
Hetzereien  der  dominicanischen  Partei  ein  Ende  machen  können, 
und    er    selbst    widersprach    schon    2.    August    1530    in    einem 


'  Die    Streitschrift    , Contra    quosdam,    qui    se    falso    iactant   Evangelicos' : 
Opera  X.  1574  ff. 

2  Der  Brief  ab^.  Opera  III.   1298. 

3  In  seinem  Schreiben  an  Luther  Corp.  Reform.  II.    1-iü. 
*  Corp.  Reform.  I.  232. 


416  Horawitz. 

Schreiben  an  Melanchthon, '  dem  Kaiser  geschrieben  zu  haben, 
doch  ist  es  zweifellos  und  von  ihm  selbst  zugegeben,  dass  er 
sowohl  den  Cardinal  Campeggio,  als  auch  den  Bischof  von  Augs- 
burg und  einige  Andere  in  diesen  Anschauungen  ebenso  bestärkt 
habe,  wie  er  auch  Georg  von  Sachsen  stets  von  Gewalt- 
massregeln abmahnte.  Freilich  hielt  er  es  für  nothwendig, 
Melanchthon  aufzufordern,  die  zu  ermahnen,  welche  durch  ihre 
Halsstarrigkeit  und  Schmähungen  die  Fürsten  zum  Kriege  reizen. 
—  Der  Briefwechsel  zwischen  den  beiden  grossen  Philologen 
wird  nun  wieder  ein  lebendigerer^  die  conciliante  Art  Melanch- 
thon's  musste  Erasmus'  Sympathien  aufs  Neue  gewonnen  haben, 
wohl  möglich,  dass  er  ihn  für  den  hielt,  der  die  Einheit  der 
Kirche  herstellen  könnte.  Er  spricht  sich  ihm  gegenüber  sehr 
offen  aus,  Melanchthon  solle  beachten,  wie  sich  die  katholischen 
Theologen  gegen  ihn  benehmen,  dem  Papste  werde  es  gewiss 
nur  angenehm  sein,  wenn  die  Deutschen  sich  zerfleischten.  ^ 
Sehr  ernst  sieht  er  die  Lage  an,  er  fürchtet  schon  die  Prä- 
ludien des  Krieges  zu  gewahren.  Hätte  doch  Luther  seiner 
Zeit  daran  gedacht;  die  anderen  Ecclesiasten  freilich  wollten 
den  Krieg,  weil  sie  den  Sieg  erhoffen.  Geht  es  schlecht,  so 
werden  sie  sich  auf  die  Flucht  begeben.  Er  schildert  dann, 
wie  sich  Einige  danach  sehnen,  dass  er  in  Augsburg  sein 
möchte,  wie  Eck  und  die  Seinen  gegen  ihn  agitiren,  betheuert 
aber,  dass  ihn  auch  die  Angriffe  von  Bucer  und  Genossen  nicht 
dazu  bringen  werden,  zum  Kriege  zu  rathen."^ 

Wie  man  weiss,  ging  die  Gefahr  vorüber.  Ja  so  günstig 
gestalten  sich  in  Erasmus'  Vorstellung  die  Verhältnisse,  dass 
er  ein  goldenes  Zeitalter  zu  erhoffen  geneigt  war,  wenn  nur 
das  Fieber  des  Religionsstreites  geheilt  werde.  So  schreibt  er 
unter  dem  15.  März  1431  an  Georg  von  Sachsen,^  dem  er  freudigst 
dafür  dankt,  dass  er  ihn  vor  den  Fürsten  des  Reiches  so  gelobt, 
dadurch  habe  sein  Ansehen  sehr  gewonnen.  —  Der  letzte  (mir 
bekannte)    Brief   des    Ei'asmus    an    Georg  :^  vom    15.  Mai  1531 


1  Corp.  Reform.  II.    244. 

2  Corp.  Reform.  II.  268. 

3  Corp.  Reform.  II.  288. 
*  Opera  III.   1371. 

^  Opera  III.   1402. 


Erasmianu    I.  41  ( 

behandelt    Literarisches,     klagt    über    den    Tod    Pirkheimer's, 
dessen  hinterlassenes  Werk  er  ihm  empliehlt. 

So  viel  über  die  Beziehungen  des  grossen  Gelehrten  zu 
Herzog  Georg,  die  freilich  mit  den  vorliegenden  Andeutungen 
nicht  erschöpft  sind.  Neben  der  grossen  weltbewegenden  An- 
gelegenheit des  Tages  laufen  auch  zahlreiche  Anempfehlungen 
strebsamer  Jünglinge,  Nachrichten  über  Carlowitz  und  Ep- 
pendorf,  über  literarische  und  persönliche  Verhältnisse,  Auf- 
träge des  Herzoges  seiner  Leipziger  Lehrkanzeln  wegen  u.  s,  w. 
Immer  blieb  aber  das  Verhältniss  zwischen  beiden  ein  festes, 
Georg  hielt  den  Gelehrten  stets  hoch ,  Erasmus  aber  fesselten 
gewiss  die  Consequenz  und  Treue,  die  Georg  zu  allen  Zeiten 
bewies  und  die  sogar  seinem  grössten  Widersacher  imponirten. 


y. 

Auch  in  der  Correspondenz  mit  den  anderen  Männern, 
deren  Namen  in  den  anliegenden  Briefen  aufgeführt  werden, 
ist  die  bewegende  Hauptangelegenheit  die  religiöse  Frage. 

Wie  wohlgesinnt  Christoph  von  Augsburg  dem  Erasmus 
gewesen,  welche  Bedeutung  das  Verhältniss  Beider  hatte,  wurde 
früher  klar.  Als  ein  Vermittler  zwischen  dem  Augsburger 
Bischof,  wie  auch  zwischen  Bernhard,  Bischof  von  Trient,  er- 
scheint Johann  C holer,  ,praepositus  Churieusis',  auf  den 
Erasmus  sehr  viel  hielt.  Choler  war  in  den  nächsten  Beziehun- 
gen zu  Anton  Fugger,  zu  Johann  Georg  Paumgartner  und 
verschiedenen  Beamteten  der  päpstlichen  Kanzlei  zur  Zeit 
Clemens  VIL  und  Paul  HI.  Erasmus  nennt  ihn  allerdings 
einen  amicus  niuei  pectoris, '  aber  aus  seinen  Briefen,  von 
denen  Burscher  zwölf  werthvolle  herausgegeben,  -  gewinnt  man 
kein  sympathisches  Bild  des  Mannes,  der  entschieden  '  Alles 
gethan,  um  Erasmus  gegen  Luther  und  dessen  Anhang  zu 
hetzen  und  seinen  Aerger  zu  schüren.  Dabei  gewann  und  er- 
hielt er  sich  das  Vertrauen  des  Erasmus  durch  bereitwilliges 
Eingehen  auf  dessen  kleine  Bedürfnisse,  er  besorgt  z.  B. 
Zucker  und  Wein,  er  hält  Fugger's  Sympathien  und  Liberalität 


1  Opera  III.   1278. 

2  Spicilegium  II. 


418  Horawitz. 

stets  rege  und  ermüdet  nicht,  Erasmus  nach  Augsburg  einzu- 
laden. Anfänglich  spricht  auch  er  öfter  noch  die  irenistische 
Sprache  Stadion's,  dessen  Abneigung  gegen  jenen  Conserva- 
tismus,  der  gar  nichts  ändern  will,  er  schildert.  Später  freilich 
unter  den  steten  Bedrängnissen,  die  ihm  wie  so  Vielen  nur 
ein  Leben  von  heute  auf  morgen  gestatteten,  ward  seine  Stim- 
mung stets  fanatischer  und  er  ist  es  wohl  hauptsächlich,  auf 
den  das  Wort  des  Erasmus  angewendet  werden  kann,  als  er 
sich  beklagt,  mit  dem  Hyperaspistes  so  viel  Zeit  zu  verlieren: 
,Obstrinxi  fidem  meam  et  hanc  magnis  conuitiis  efflagitant 
amici,  non  ferentes  aduersariorura  insolentissimas  insultationes'.  ^ 
Erasmus  verhehlt  ihm  seine  Gesinnung  nicht;  er  beklagt  sich 
aufs  Schärfste  über  Eck,  ^  Aleander,  ■'  den  er  nun  als  seinen 
Todfeind,  der  ihn  zu  vernichten  strebe,  betrachtet.  Ja  Erasmus 
geht  so  weit,  Choler  zu  versichern,  ein  Höfling,  der  ihm  sehr 
zugethan  sei,  habe  ihm  im  Vertrauen  mitgetheilt,  die  Zusammen- 
künfte der  Fürsten  und  die  Berathungen  der  Gelehrten  seien 
nichts  als  Ceremonien,  es  werde  Alles  durch  geheime  Couriere 
des  Papstes  geführt  u.  s.  w.  Er  beklagt  sich  aber  auch,  dass 
er  überall  Feinde  habe,  den  Aleander  beim  Kaiser,  den  Bedda 
in  Paris,  den  Lee  in  England,  den  Eck  in  Deutschland,  den 
Luscinius  bei  Ferdinand,  Massen  von  Mönchen  und  Theologen 
überall.  Obwohl  die  Urtheile  der  Pariser  Facultät  so  dumm 
und  verläumderisch  seien,  würden  sie  doch  zu  dem  Zwecke 
herausgegeben,  um  den  Fürsten  sagen  zu  können:  Seht  das 
Urtheil  der  höchsten  Facultät  über  Erasmus!  —  Choler  aber 
variirt  das  Thema  stets,  dass  Erasmus  sich  von  Luther  nichts 
bieten  lassen  dürfe,  er  geht  in  der  Aufreizung  so  weit,  dass 
er  sogar  alle  Schimpfwörter  wiederholt,  die  Luther  ziemlich 
geschmacklos  gegen  Erasmus  gebrauchte  (1533).  Auch  dem 
Choler  gab  Erasmus  die  Versicherung,  man  möge  thun,  was 
man  wolle,  man  werde  ihn  nicht  zu  den  Secten  bringen, '  trotz- 
dem man  gegen  ihn  Alles  versuche.  Li  einem  anderen  Briefe^ 
beklagt  er  sich  über  Sepulueda  ,Stunica's  Nachfolger'  und  über 


1  Opera  III.  985. 

2  Opera  III.   1325. 

3  Opera  III.  817. 

*  Opera  III.  1452. 
5  Opera  III.   U89. 


Erasmiana.  I.  419 

den  bekannten  Ausspruch,  er  habe  das  Ei  gelegt;  aber  Luther 
habe  es  ausgebrütet. 

Choler  nahm  keinen  Anstand,  selbst  entschieden  zu 
schüren  '  (1534),  er  erklärt  z.  B.,  es  habe  ihn  verdrossen,  wie 
sanft  (!)  Erasmus  den  Luther  behandelt,  dessen  Petulanz  habe 
das  nicht  verdient,  am  Meisten  habe  ihn  aber  geärgert,  dass 
Erasmus  äussere,  er  habe  nie  aufgehört,  Luther  zu  lieben. 
Zum  Schlüsse  des  sehr  ordinären  Schreibens  fordert  Choler 
den  Erasmus  auf,  seinen  Stil  zu  schärfen  ,ut  aliquando  in- 
telligat  te  virum  esse,  nisi  malis  apud  Melanthonem 
causam  deprecari,  ne  quid  in  te  moliatur  Lutheri,  quod 
te  fecisse  aemuli  tui  iactant  et  calumniantur,  nescis  spermologi 
iactent!  Und  ganz  ähnlich  in  einem  späteren  Briefe  (24.  Juni 
1534).'-  Alle  Freunde  rathen  ihm,  wenn  Luther  nochmals  an- 
trete ,ne  homini  parcere  uelis,  sed  propriis  illum  suis  coloribus 
depingere',  Erasmus  möge  dafür  sorgen,  dass  Luther  einsehe, 
dass  auch  er  Feder  und  Zunge  habe. 

Erasmus  ward  durch  alles  dieses  nicht  abgestossen,  aber 
Misstrauen  erhob  sich  in  seiner  Seele,  dass  Choler  seine  Briefe 
lesen  lasse,  ein  Verdacht,  gegen  den  sich  Choler  damit  ver- 
theidigt,  dass  er  angibt,  dieselben  nur  dem  Bischof,  Paum- 
gartner  und  Fugger  mitgetheilt  zu  haben. 

Ein  von  Erasmus  warm  verehrter  Gönner  war  der  früher 
genannte  Bernhard  von  Gloess.  In  Tirol  um  1485  geboren, 
studirte  er  zu  Verona  und  Bolosrna,  wurde  Canonicus  und 
Archidiacon  zu  Trieut,  dann  päpstlicher  Protonotarius  und 
Bischof  von  Trient;  man  verwendete  ihn  auch  als  Gesandten 
Karls  V.,  1527  wurde  er  Kanzler  König  Ferdinands  L, 
1529  Cardinal  mit  dem  Titel  S.  Stephani  in  Coelio  Monte. 
Dass  er  die  Wissenschaften  imd  Gelehrten  hochgeschätzt,  zeigen 
die  Briefe  an  Nausea,  F.  Faber,  Bembo  und  Erasmus.  1539 
starb  Bernhard  als  Administrator  Brixens  erst  fünfundfünfzig- 
jährig.  3 

Den  Erasmus  lud  er  1523  zu  sich  ein,  eine  Einladung, 
die  derselbe  unter  Hinweis  auf  seine  Berufung  durch  Cle- 
mens VIL  nach  Rom,   durch  den  Kaiser  nach  Brabant,    durch 

'  Spicileg.  II.  26. 
-  Spicileg.  III.  3. 
^  Nach  Burscher  1.  c. 


420  Horawitz. 

den  König  von  Frankreich  dahin  wegen  seiner  Kränklichkeit 
ablehnt.  '  Erasmus  empfahl  dem  Bischöfe  Jünglinge  -  und 
widmete  ihm  den  Irenäus  (1526).  •'  Später  (1529)  sucht  er 
durch  Verwendung  des  Bischofs  eine  Berufung  durch  König- 
Ferdinand,  um  aus  Basel  wegzukommen.  Wieder  äussert  er 
sein  Misstrauen,  wenn  er  meint:  Ich  kann  hoffen,  dass  mein 
Abgang  frei  sein  werde,  aber  unter  jenem  Verwände  werde 
ich  sicherer  fortziehen.  ^ 

Bernhard  von  Trient  sprach  sich  gegen  Erasmus  stets 
Wühlwollend  und  freundlich  aus,  er  will  ihn  gegen  Eck  und 
andere  Zeloten  beschirmen,  ■'  seine  Briefe  sind  dem  Erasmus 
ein  , wahrer  Tröste ''  Nur  dem  Ansinnen  des  Bischofs,  sich  von 
Ferdinand  etwas  zu  erbitten,  will  Erasmus  später  (1532)  nicht 
mehr  entsprechen;  was  sollte  er  auch  erbitten?  ,Exceptis 
studiis,  quibus  immori  übet,  ad  omnem  uitae  functionem  sum 
inutilis.  Dignitas  nihil  aliud  iam  esset  mihi  quam  sarcina  equo 
collabenti;  opes  congerere  iam  decurso  uitae  spatio  nihilominus 
absurdum  sit,  quam  si  quis  confecto  itinere  augeat  uiaticum.' 
Er  wünsche  sich  nur  ein  ruhiges  Alter,  wenn  auch  nicht  ein 
fröhliches  und  blühendes,  wie  es  so  Viele  haben.  Das  Alter 
zu  vertreiben,  die  Gesundheit  herzustellen,  vermögen  weder 
Papst  noch  Kaiser,  so  zugethan  sie  mir  auch  sein  mögen.  Sie 
können  ja  nicht  einmal  den  missgünstig  Bellenden  den  Mund 
stopfen.^  Ganz  trefflich  bemerkt  Bernhard:  Erasmus  möge  sich 
damit  trösten,  quod  super  petra  ac  marmore  durissimo  funda- 
menta  ieceritis:  ut  ipsorum  conatus  ob  hanc  soliditatem  uestram 
omnino  irriti  futuri  sint.  ^  Bischof  Bernhard  gab  aber  nicht 
bloss  schöne  Worte,  sondern  war  auch  stets  bereit  zu  that- 
kräftiger  Unterstützung  des  Gelehrten;  1533  sendete  er  ihm 
150    fl.    von    Ferdinand     und    50    fl.    aus    Eigenem.      Erasmus 


'  Opera  III.  744. 

2  Opera  III.  927,  1164.   (Christoph  von  Carlowitz)  Spicileg.  V.  8. 

3  Opera  947.  Widmung  vom  27.  August  1526. 
*  Opera  1158. 

s  Spicileg.  V.  8. 
6  Opera  1438. 
■J  Opera  III.   1438. 
8  Spicileg.  V.   10. 


Krasmiana.  I.  4^1 

nennt  ihn  denn  auch  seinen  ,Patronus  incomparabilis', '  dessen 
,mirum  erga  me  Studium  non  seniel  expertus  sum'. 

Ueber  Ortuinus  Gratius,  J.  Lange,  an  die  kein  Brief  des 
Erasmus  bisher  bekannt  ist,  sowie  über  den  an  Schidlowski, 
Viglius  und  Ellenbog-  wird  bei  dem  Briefe  selbst  das  Nüthige 
gegeben  werden. 

Die  Verwirrung  in  der  chronologischen  Anordnung  der 
Briefe  in  den  bekannten  Ausgaben  ist  eine  so  ausserordentliche, 
dass  der  Herausgeber  mehrfach  Versuche  gemacht  hat,  dieselbe 
aufzuhellen.  Freilich  bekennt  er  selbst,  sind  seine  Vorarbeiten 
noch  nicht  so  weit  gediehen,  um  dieses  nicht  zu  umgehende 
Experiment  im  Grossen  jetzt  schon  unternehmen  zu  können,  er 
musste  sich  auf  einige  kleinere  Fälle  beschränken.  Eine  neue 
Biographie  des  Erasmus  aber  wird  nicht  früher  mit  Erfolg 
gearbeitet  werden  können,  bevor  nicht  Ordnung  in  dieses  Chaos 
gebracht  wurde.  Freilich  verlangt  diess  eine  ebenso  resigna- 
tionsvolle als  zeitverschlingende  Untersuchung!  Dennoch  wird 
sie  unternommen  werden  müssen,  der  Herausgeber  betrachtet 
diese  Arbeit  als  eine  seiner  nächsten  wissenschaftlichen  Auf- 
gaben, an  die  er  —  sobald  er  mehr  Müsse  haben  sollte  — 
herantreten  wird. 


1  Opera  III.  109G  F. 


422  Horawitz. 


?  I.  ?    1519.1 

Erasraus  an  Ortuinus  Gratius.  '^ 

.  .  (In)    animo    mihi  fuit  admonere "^  is  contentio- 

nibus  uerteres  ingenium ^  studia.  Nam  stilus  tuus 

sat  bonae  spei,  si  malis (in)oderato  iudicio 

duci  quam  ser(ui) '" crede  nee  b'tteris  nee ''  me 

dignis.  Alia  uia  plus  ue contentionum  nu 

seritur.     Ubi  interim  (stud)iürum   dulcedo?  dum  mor ps " 

uulueribus  contiei(mus)  .  .  .  .  si  .  .  .  pugnis  tumet  admisces  .... 

quod   negotium  (ad  te) (et)   si  bis  de  rebus  prolixam 

epistolam N.  Jacobo  Hocbstrato,    nee   dubito,    quin  .  .  . 

....  uestro  negotio  suscep(erim) gero  (?)  ego    scripsi. 

Scripsi  am(icis)simo.  Q(uan)tae  sunt  et  bic  linguae quo 

concordiam  huius  Academiae Et  i-es  itidem  erat 

in    rabiem    ex(itura)  .  .  ni  magistri  nostri  caeterique  huius  Aca- 
demiae   rem  animaduertissent,  itaque  uentum  (est  in) 

colloquium    et    facile    discussa  discordia  pax  orta  est  nunquam 


1  Die  Datirung  ist  aus  graphischen  Gründen  wohl  unmöglich,  ich  nehme 
aber  an,  dass  der  Brief  in  die  Zeit  des  Reuchlin'schen  Streites  fällt, 
Erasmus  beruft  sich  auch  auf  die  epistola  prolixa,  die  er  de  his  rebus 
an  Jacob  Hochstraten  geschrieben.  Diese  epistola  ist  aber  doch  wohl  die 
Aehnliches  behandelnde  ep.  vom  11.  August  1019,  die  in  den  Opera 
(III.  484  bis  490)  abgedruckt  ist.  Der  Brief  ist  also  nach  dem  11.  August 
und  vor  den  Iden  des  September  geschrieben. 

2  Ortuinus  de  Graes,  aus  Holtwick  in  Westphalen  geboren,  ist  aus  dem 
Dunkelmännerstreite  hinlänglich  bekannt.  (Cf.  Böcking  Hütten  Opera 
Popp.  II.  381.  Strauss  Hütten  )  Er  starb  zu  Cöln  1542.  Seine  Schriften  zählt 
Hartzheim  Bibl.  Colon,  p.  262  auf.  Erasmus  spricht  über  ihn  tun  1518 
ziemlich  von  oben  her  (Opera  III.  388)  zälilt  ilin  1519  zu  den  Ruhm- 
süchtigen, die  herostratisoh  ringen,  dass  sie  ex  una  aut  altera  quali- 
cunque  conflictatiuncula  Lob  und  Ruf  gewinnen  (Opera  III.  527).  Die 
Dunkelmännerbriefe  an  ihn  ärgerten  ihn  freilich.  Cf.  Hütten  Opera 
I.   149. 

^  Vielleicht  ,ut  a  tu(is)'  oder  ,ab  istis'  zu  ergänzen. 

*  ad  bona? 

^  seruire  illis. 

•  te  miuime(?). 
''  mortiferis? 


Erastniana.  I.  423 

uti  spero  distra(h)enda.  Quod Id.  Septembris  proximis 

J(esu)  Chr(isto)  .    .   .  (a)g-o    gratias.     Uelim    igitur    et  isthic  et 

contemtui   iit  istiusmodi  in omnium   amnestia. 

Hoc  raptini (in)citante  mincio.     Alias  pluribus 

tecntn ius  praesertim  si   seusero  te  conciliat  (...).' 

litterisque    dig'na    sunt    applicuisse  ....  fratrem    meo  nomine 
salutato. 

MD  .  .  Erasmus  Roterodamus. 

Aussen :  Honorabili  uiro  M.  Ortuino  Gratio  ut  fratri 
charissimo. 

Von  Tengnagel's  Hand:  Erasmi  Roterod  .  manus. 

Aiitograph  aus  dem  Cod.  Pal.  Vindob.  97.37.  c. 

Dieses  Autograph  des  ersten  Briefes  des  Erasmus  an  Ortuinus  Gratins, 
der  überhaupt  edirt  wird,  ist  in  dem  allerdepravirtesten  Zustande,  tiefe  Ein- 
risse haben  grosse  Theile  der  linken  Seite  des  Briefes  weggenommen,  hie 
und  da  ist  die  Schrift  völlig  verblasst,  in  der  Mitte  sind  Löcher,  auch  der 
Schlussrand  ist  mitten  durchgeschnitten.  Hie  und  da  ist  man  völlig  auf  das 
Errathen  angewiesen.  Jene  Lücken  habe  ich  mit  Punkten  bezeichnet,  die  von 
mir  gegebenen  Ergänzungen  eingeklammert.  Ich  zweifle  aber  sehr,  dass  trotz 
eingehender  und  häufiger  Beschäftigung  mit  diesem  so  arg  beschädigten  Briefe 
meine  Lesarten  oder  Rettungsversuche  die  richtigen  seien  und  muss  es  einem 
Tüchtigeren  überlassen,  den  richtigen  Sinn  überall  in  das  defecte  Schriftstück 
zu  bringen. 

Basel.  H.  25.  Mai  1522. 

Erasmus  an  Georg  von  Sachsen. 

S.  P.  Ornatissime  princeps!  Non  erat  quod  magnopere 
scriberem  Celsitudini  Tuae,  nisi  quod  praeter  spem  oblato  certo, 
qui  litteras  perferret,  tribus  uerbis  testiticari  uolui,  illius  apud 
me  memoriam  perpetuam  esse  semperque  futuram.  Atque 
utinani  detur  oppnrtunitas,  qua  re  quoque  liceat  declarare,  quod 
tua  benignitas  honiinem  haud  quaquam  ingratum  ad  aniicitiam 
prouocarit.  Excudendorum  uoluminum  nieorum  cura  me  Basi- 
leam    retraxit,^    nescio    quauto    fraetu    studiorum,    certe  magno 


'  conciliatum  esse? 

-  Erasmus  schreibt  darüber  d.   1'..  an  Pirklieimer  im  Januar  1522.   (Clericus 
III.  7(tT:  Exauditur  nunc  Paraphrasis  in  Euangelium  Joannis  Ferdinando 
Sitzungsber.  d.  pUil  -bist.  Ol.  XC.  Bd.  HI.  Hft.  28 


424  Horawitz. 

vitiic  meae  periculo.  Toties  me  repetiit  morbus,  qui  iiereor  ne 
nunquam  i-elinquat,  adeo  coepit  esse  faiiiiliaris. '  Est  autem 
oiiiniuin  grauissimiis,  calculus  renum.  Auxit  priuatum  dolorem 
publica  tcmporum  calamitas,  adeo  uideo  totum  orbem  duobus 
monarcliis  dissidentibus  inuolui  feralibus  bellis.  Nee  minus  est 
tumultuum  in  studiis,  quam  in  regionibus.  Precor  deura  opt, 
max,  ut  principum  auimos  uertat  ad  consilia  pacitica.  Mihi  in 
bis  tantis  malis  magno  solatio  fuit  Henricus  Eppendorpius, 
iuuenis  iuxta  doctus  et  humanus  cuiusque  mores  generis  nobili- 
tatem  prae  se  ferunt.  -  Agit  enim  iara  menses  aliquot  Basileae, 
optiino  cuique  g-ratissimus.  Si  quid  erit  in  quo  tua  Celsitudo 
desiderabit  officium  sui  clientis,  intellig-at  id  totum  fore  promp- 
tissimum,  quod  nostro  studio  nostraque  cura  praestari  poterit. 
Illustriss.  Celsitudinem  tuam  incolumem  ac  florentem*  diu  seruet 
Christus  Jesus.     Basileae  8.  Cal..  Junii.   Aa.   1522. 

Erasmus  Roterodamus 
Celsitudini  tiiae 
addictissimus. 
Illustriss.    Principi  ac  Domino  Domino  Georg^io  Saxoniae 
Duci,    Lantgrauio  Turingiae,    Marchioni    Mysnae,    Domino    suo 
Clementissimo. 

Aus  dem  königl.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Act.  Dr.  Martin  Luther'.s 
Lehr-  und  andere  Sachen.   15-22  bis   1549.  Loc.   10300.  Bl.   1. 


Basel.  IIL  ö.  Deeember  152-2. 

Erasmus  an  Georg  von  Sachsen. 

S.  Illustrissime  princeps!  Quoniam  tua  Celsitudo  non  re- 
spondet  litteris  ineis,  suspicor  eas  non  esse  redditas.  Nam  quo 

dicata  und  Anderes  über  seine  Beziehungfon  zu  Frobens'  Officin.  Im  März 
sciireibt  er  dem  Nicolaus  Wattenwjl:  Mittam  ad  te  l'araplu-asin  in  Mat- 
tliaeum,  .si  modo  fuerit  perfecta  ante  abitum  Glareani. 

'  Be.itändige  Klagen  über  seine  Krankheit  z.  B.  aucli  in  einem  Briefe  an 
Pirkheimer  aus  dieser  Zeit  (Clericus'  Ausgabe  7ü8). 

2  Ueber  Heinrich  Epjjcndorp  dachte  Erasmus  später  ganz  anders  als  dieser 
für  Hütten  eintrat.  C'f.  W.  Schcrer  in  d.  A.  D.  Biographie,  Strauss 
Hütten  n.  272  und  besonders  die  späteren  Briefe.  Freilich  hatte  ihn 
Georg  von  Sachsen  zu  ihm  geschickt. 


Grastniana.  I.  425 

minus  suspicari  qiieam  his  ueluti  Hberius  scriptis  offensum 
esse  tuiim  animura,  slngularis  quaedam  tua  nulli  non  prae- 
dicata  facit  luinianitas,  praesertini,  quum  luic  ipse  prouo- 
caris.  Äuget  suspicionem  hanc  meam,  Hcnricus  Eppen- 
dorpius,  qui  ueretur  ne  famulus  per  quem  miserat  sit  inter- 
ceptus,  aut  aliud  quippiam  sinistri  fati  acciderit.  Id  quod  ego 
sane  illius  causa  nollem.  Est  enim  mea  sententia  iuuenis  Omni- 
bus omnium  fortunarum  fauoribus  adprirae  dignns  tui  no- 
minis  praedicator  indefatigabilis.  Superioris  itaque  epistolae 
exemplum,  denuo  mitto,  si  forte  intercidit.  Nihil  interim  addam : 
nisi  me  toto  pectore  tuae  illustrissimae  Celsitudini  deditum 
esse,  quam  nobis  diu  felicem  ac  florentem  conseruat  Opt.  Max. 
Jesus  Christus.  Basileae  Non.  Decembris  Anno  1522 

Erasmus  Rot.  Serenitati  tuae  addictissimus  manu  mea 
subscripsi. 

lUustrissimo  principi  ac  domino  doraino  Georgio,  Saxoniae 
duci  etc. 

Aus  dem  königl.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Act.  Dr.  Martia  Luther's 
u.  s.  w.  Loc.  10300.  Bl.  3. 


Dresden.  IV.  25.  Januar  1523. 

Georg  von  Sachsen  an  Erasmus. 

Georgius,  Dei  Gratia  Dux  Saxoniae,  Landtgrauius  Thu- 
ringiae  et  Marchio  Mysnae  Erasmo  Roterodamo  Theologo  Gra- 
tiam  et  Fauorem.  Non  te  fefellit  suspicio,  doctissime  Erasme  ' 
qua  putasti  literas,  quarum  exemplum  denuo  ^  misisti  inter- 
ceptas,  autea  enim  non  fuere  •'  redditae,  sed  quid  '  in  causa 
fuerit,  nobis  non  constat,  Ceterum  quod  prouinciam  illam  scri- 
bendi  contra  Lutherum  adeo  subterfugis  et  detrectas,  nos  nihil 
nunc    miramur,    posteaquam    intclleximus,    te    in    illius    scriptis 


'  Im  Entwxirfe  des  Schreibens  loc.   10299  fehlt  das  ,docti.ssime  Erasme'. 

2  ,ad  nos'  steht  iui  Entwürfe. 

'  jsunt'  im  Entwurf. 

*  ,quid'  der  Entwurf. 

28* 


42G  Bora  Witz. 

tarn  multa  bona,  quibus  times  pleraque  etiam  christlanisslma 
offendisse  nullaque  ratione  hanc  tragoediam  melius  consopiri 
posse  censes,  quam  silentio.  Proinde  inpriraisque  '  cum  et  nos  - 
numinatim  atroci  simus  ab  ipso  afFecti  iniuria,  in  posteium  te 
ad  hoc  quod  tot  rationibus  recusas,  cohortari  cessabimus,  ne  aut 
uindictae  alicuius  cupidi  arguamur,  aut  uersus  torrentem  saxum 
uoluamus.  •'  Non  autem  putassemus,  nisi  a  te  ipso  fuissemus 
facti  certiores,  cum  et  nunc  sicuti  quoque  antea  saepius,  in 
Germania  superiori  vitam  agas,  te  linguae  illius  rudern  esse  ac 
propterea  libellos  frustra  ad  te  missos;  suspicamur^  tarnen  te 
eos  non  alia  animo,  quam  quo  missi  sunt,  suscepisse.  Bene 
uale.  Ex  arce  nostra.  Dresden  XXV^  Januarii  et  Christo  nato 
Anno  MDXXIII". 

Doctissimo  Theologo  Erasmo  Roterodamo,  Deuoto  iiostro. 

Aus  dem  königl.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Act.  Dr.  Martin  Luther's 
etc.  1522  bis  49.  Loc.   1030Ü.  Bl.   U. 

In  tergo  des  fol.  27  des  Entwurfes  findet  sich  folgendes  Schreiben 
ohne  Adresse,  das  jedenfalls  in  das  .Jahr  1524  gehört;  sollte  es  an  Erasmus 
gerichtet  sein'?^ 

Magister  Martinus  heri  ad  nos  a  tuo  nomine  attulit  literas 
nemini  adscriptas  iidem  tamen  fecit,  quod  mox  credidi  nobis 
de  te  missas,  mortem  Mosellani  *>  assereris  suprascriptionem  inter- 
cepisse.  Posteaquam  autem  easdem  perlegi,  satis  aperte  intellexi 
scriptionem  illam  nulli  alteri  quam  mihi  destinatam.  Ceterum 
quod  causaris,  nos  tibi  ad  priores  tuas  literas  nihil  respondisse, 
nescio  quo  pacto  acciderit,  ut  eo  fato  responsio  missa  sit,  quo 
ipsae  literae et  non  fuerunt  primitus  missae   nobis 


1  ,et  inprimis'  der  Entwurf. 

2  ,et'  fehlt  im  Entwurf. 

3  Cf.  Adagia  471. 

*  jCredimus'  der  Entwurf. 

^  Cf.  Clericus  III.  800.     Wohl  nur  ein  Entwurf  zu  diesem  Briefe. 

6  Petrus  Mosellanus  starb  19.  April  1524.  Cf.  O.  G.  Schmidt  Petrus 
Mosellanus  R.  75.  Der  Herzog  nennt  ihn  in  einem  Briefe  an  Erasmus 
(Clericus  III.  801)  ,summum  Lipsiensis  gymnasii  decus'.  Seine  Ver- 
dienste um  das  Studium  des  Griechischen  an  der  Leipziger  Universität 
sind  nicht  zu  unterseliHtzen,  seine  auch  in  dieser  Hinsicht  lehrreiche 
Schrift  , Oratio  de  uariarum  linguarum  cognitione  paranda.  Basel,  Frohen 
1519  ist  Herzog  Georg,  Mecoenati{!)  liberalissimo  gewidmet. 


Erasmiana.  I.  427 

redditae.    Sed  exemplmii  deniio  transmissent(!)  proinde  et  nos 
tibi  responsionis  nostrae  exemplum  raittimus. 


Basel.  V.  5.  April  1523. 

Erasmus  an  Bernhard  von  Trient. 

Salutem  plurinuim  ornatissime  praesul.  Serenissimus  prin- 
ceps  Ferdinandus  suis  ad  nie  literis  postulauit,  ut  ad  se  mitterem 
libellum  paraphrasis  in  euangelium  Joannis  ipsius  dicatatn  no- 
miui. '  Id  feci,  adiecto  libello  paraphrasis  in  Matthaeuni,  quam 
Caesari  Carolo  pridem  dedicaram.'  Visum  est  autem  Joanni 
Fabro, •'  Canonico  et  Vicario  ecclesiae  Constantiensis,  liomini 
docto  pio  et  Romano  Pontifici  quum  bis  dotibus  tum  praecipue 
ob  mirum  quoddam  Studium  restituendae  tranquillitatis  Chri- 
stianae  gratissimo,  ut  nostrum  munusculum  per  te  Serenissimo 
Principi  exbiberetur.  Sic  enim  fore  commendatius,  si  a  proba- 
tissimo  uiro  calculus  aliquis  accederet.  Quod  si  facere  digna- 
bitur  T.  R.  D.  non  illibenter  debebimus  illi,  cui  cupimus  esse 
chari  ac  proprius  noti,  quod  idem  optat  Faber,  tuae  dignitatis 
admirator  unicus  ac  praedicator  candidus.  Quam  diu  nobis 
seruet  incolumem  Christus  Optimus  Maximus. 

Basileae,  Nonis  Aprilis  Anno  1523. 

Erasmus  Rot.  E.  R.  D.  T.  addictissimus. 

Aussen:  Reuerendo  in  Christo  principi  ac  domino  P.  Bern- 
harde,  episcopo  Tridentino. 

Autogrcapli  im  Cod.  Pal.  Vindob.  9737.  c.  fol.  3. 


1  Erschien  1523  bei  Frobeii  zu  Basel  in  fol. 

'  Erschien  mit  einer  Epistola  nimcupatoria  ad  Carolum  Caesarem  1.522  zu 
Basel  bei  Proben. 

3  Johannes  Faber,  Vicar  des  Constanzer  Bischofs,  später  ein  entschiedener 
Gegner  der  Reformation,  wurde  Rath  König  Ferdinands,  starb  als  Biscliof 
von  Wien.  Briefe  des  Erasmus  an  ihn  Opera  III.  533,  960,  1089,  1809, 
sein  Brief  an  Erasmus  435,  in  dem  er  auch  des  B.  Rhenanus  und  seiner 
dicatio  des  ,Methodus  uerae  Theologiae'  erwähnt. 


428  Horawitz. 

Leipzijr.  VI.  1524. 

Georg  von  Sachsen  an  Erasmus. 

Georgius  Dei  Gratia  Dux  Saxoniae,  Lantgrauius  Thurin- 
giae  et  Marchio  Mysuae. 

8alutem  et  fauorem  doctissime  Erasme!  Accepinius  litteias 
tuas  una  cum  collatione  de  libero  arbitrio  ^  et  quoniam  super 
ea  iudieium  nostrum  expectas,  non  possumus  non  ingenue  fateri, 
quod  admodum  perplaceat  nee  dubitamus,  quin  in  laudem  et 
incrementum  reipublicae  Christianae  perpetuum  sit  cessura. 
Ceterum  qualem  apud  diuersarios  fructum  fere  nondum  satis 
constat;  tiinemus  enim  quid  aures  obdurauerint  nee  uelint  ut 
aspis  incantantis  uocem  audire  et  aiunt  quoque  nunc  ab  ipsis 
quasi  perfectam  responsionem.  Sed  salua  res  est  quod  causae 
huius  discussio  ab  ipsis  non  pendet.  Atque  ut  intelligas  ex 
animo  nos  iudicare,  mittimus  hie  ipsius  Lutheri  libellum  ,De 
Votis'2  Je  quibus  cum  et  uernacula  lingua  nefanda  scripserit, 
mirum  quot  animas  offenderit  atque  e  monasteriis  ad  prosti- 
bula  coegerit,  ut  ergo  et  illis  atque  aliis,  qui  adhuc  uota  red- 
dunt,  sed  tarnen  dubitäut,  succuratur.  Hortamur  te  summopere, 
ut  quoque  in  hoc  ueterum  et  Catholicae  Ecclesiae  sententiam 
tot  saeculis  obseruatam  defendere  atque  ab  impiis  ac  iufandis 
argutiis  uindicare  et  asserere  uelis.  Procul  dubio  enim  fautorem 
et  adiutorem  habebis  Deum  ipsum  et  omnes  boni  et  pii  tibi 
assentientur  et  in  finem  usque  perseuerabunt.  Peruersos  autem 
aut  ad  meliorem  frugem  et  resipisceutium  reuoeabis  aut  ad 
silentium  adiges.  Ceterum  respondimus  nuper  e  ^  epistolae  tuae 


1  Es  ist  nicht  ganz  klar,  ob  unter  dieser  collatio  nur  ein  Entwurf  zu  ver- 
stehen sei;  über  den  Erasmu«  das  Urtheil  des  Herzogs  wissen  wollte, 
wie  er  dies  auch  König  Heinrich  von  England  gegenüber  mit  derselben 
Schrift  gethan,  oder  ob  es  die  Sclirift  de  libero  arbitrio  selbst  gewesen. 
Ich  möchte  mich  für  die  erste  Auffassung  entscheiden,  denn  in  seinem 
Briefe  vom  4.  September  1524  (Opera  III.  «12  f.)  sagt  Erasmus:  Mitto  tuae 
Celsitudini  libellum  de  libero  arbitrio,  de  quo  uidi  pridem  tu  am  eru- 
ditissimam  epistolam. 

2  Unter  dieser  Schrift  i.«t  Luther's  im  Jahre  1022  erschienener  Tractat  de 
uotis  monasticis  zu  verstehen,  über  den  Kost  li  n  Leben  Luther's  I.  öUl  f. 
näiieres  angibt. 

3  et. 


Erasmiana.  1.  429 

de  Eppendorpio.    Desideramus    ergo    a   te   desnper   responsum. 
Bene  uale.  Lipsiae.  A  reparata  salute  Anuu  MDXXIIII."  ' 

Aus  dem  königl.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Act.  Dr.  Martin  Luther's 
Lehr  etc.  Loc.   lOoüU.  Bl.  23. 


Basel.  VII.  21.  September  (152A).'- 

Erasmus  an  Georg  von  Sachsen. 

S.  P.  lllustrissime  princeps!  Celsitudinis  tuae  literas 
22.  die  Maii  scriptas,  '  aceepi  pridie  Matthaei,  quum  iam  ad  te 
raisissem  libellum  de  libero  arbitrio  cum  epistola  mea,  quam 
supero  nunc  esse  redditam  video  et  meas  ad  te  litteras  et  tuas 
ad  me  fuisse  interceptas ;  nam  amicus  quidam  Norembergensis 
scripsit  prideni  ad  me,  Lutheranos  intereepisse  quandam  epi- 
stolam  meam  ad  te  nee  tua,  cuius  nunc  exemplar  aceepi, 
fuerat  reddita.  Nunc  ad  utramque  tuam  paucis  respondeo,  ut- 
pote  per  nuntium  usque  certum  et  prius  abeuntem  quam  se 
diceret  abiturum.  Libellos  abs  te  missos  animo  gratissimo 
aceepi,  quam  ^  hie  iam  vulgo  babebantur.  Ceterum  huius  lin- 
guae  nihil  omnino  teneo,  id  quod  doleo.  ■''  Mihi  res  est  cum 
Graecis  ac  Latinis  auctoribus.  Quod  tua  Celsitudo  optat,  ut 
mihi  fuisset  ante  triennium  ea  mens,  ut  me  seiunxissem  a  fac- 
tione  lAitherana,  idque  edito  libello  testatus  fuissem,  id  ultro 
feci  ante  annos  phtres  quinque,  quum  primum  exissent  libelli 
Lutheri  omnibus  adhuc  fauorabiles  et  idem  sexeentis  libellis 
atque    etiam    epistolis   editis    sum  testatus.     Nee  solum  seiunxi 


<  Für  die  Datirung  schiene  mir  der  Brief  Georgs  an  Erasmus  fOpera  III. 
800) ,  auf  den  sieh  vielleicht  jene  Bemerkung  ,ceterum  respoudimus 
nuper  et  epistolae  tuae  de  Eppendorpio'  anwenden  lässt,  wichtig.  Herzog 
Georg  spricht  sich  nämlich  dort  sehr  scharf  über  Eppendorf  aus,  der 
eine  ,labes  et  maeula'  seines  Landes  sei.  Daraus  würde  sich  nun  wenigstens 
so  viel  gewinnen  lassen,  dass  der  Brief  VI  jedenfalls  nach  dem  21.  Mai 
1524  anzusetzen  sein  wird. 

2  Obwohl  sicli  keine  Datirung  des  Jahres  findet,  ist,  wie  aus  der  folgenden 
Antwort  zu  entnehmen,  der  Brief  in  das  Jahr  1524  zu  setzen. 

3  Soll  man  aus  der  bestimmten  Angabe  22.  Mai  annehmen,  dass  der  bei 
Clericus  800  gedruckte  Brief  wieder  einmal  falsch  datirt  ist? 

*  Offenbar  quamquam. 
5  Cf.  Brief  IV. 


4öü  Horawitz. 

me  ab  illius  factione,  verum  etiam,  quocl  malus  est,  ab  illius 
factioiie  semper  diligentissime  abstinui,  quum  nondum  suspicari 
possem,  qualus  belluas  aleret  illa  factio,  nee  ipse  solum  abstinui, 
ueruni  quuscunque  potui  dehortatus  sum.  Quod  haetenus  nuUum 
Lutheri  dogma  peculiari  libello  rel'elli,  diutius  tacuerat  Hila- 
rius,  Alianis  orbem  oceupantibus.  Et  tamen  si  uacaret,  docerem 
manifestis  rationibus,  me  nee  debuisse  secus  facere,  quam  feci, 
nee  aliter  expedisse.  Nee  tamen  interim  sum  ueritus  in  libiis 
meis  docere,  quae  longe  discrepant  a  decretis  Lutheri.  Scripsi 
Adriane  pontifici '  de  negotio  hoc  sie  compescendo,  ut  nou 
repullulet  clamoribus  ac  libellis  in  Lutheruni  scriptis  quid  hae- 
tenus profectum  sit,  quid  censuris  et  edictis.  Quod  si  malum 
hoc  manicis  et  incendiis  et  confiscatiouibus  tollere  decretum 
est,  ad  id  mea  opera  non  est  opus.  Ego  quamquam  neque  natus 
sum,  neque  excertitatus  ad  has  pugnas  gladiatorias,  tamen  pro 
uiribus  nee  defui  ecclesiae  dei,  nee  defuturus  sum,  praesertim 
ubi  uidero,  principes  ecclesiae  hoc  agere  sinceris  affectibus,  ut 
Christi  gloriam  et  gregis  Christiani  salutem  procurent.  Quod 
si  non  uidero,  certe  a  Lutheri  factione,  ut  semper  fui,  ita  semper 
futurus  sum  alienissimus.  Bene  ualeat  tua  Celsitudo.  Basileae. 
Natali  S.  Matthaei.  Nuncio  urgente. 

Erasmus  Rot,  manu  propria  ex  tempore.  Illustriss.  prin- 
cipi  Georgio,  duci  Saxoniae,  Landtgrauio  Thuring.  Marchioni 
Misnae. 

Aus  dem  köuigl.  Hauptstaatsarehiv  zu  Dresden.  Act.  Martin  Luther's 
Lehr  etc.  Loc.  10300.  Bl.  15. 


Dresden.  VIIL  29.  November  1524. 

Georg  von  Sachsen  an  Erasmus. 

Georgius,  Dei  Gratia  Dux  Saxoniae,  Landtgrauius 
Thuringiae  et  Marchio  Mysnae. 

Salutem  et  fauorem  Doctissime  Erasme.   Dominica  a  na- 
tali S.  Simonis  et  Judae  aduenere  tuae  literae,  quibus  respondes 


'  Es  ist  der  berühmte  Brief  aus  dem  Jahre  1523  (Opera  III.  745  ff.)  gemeint, 
der  leider  unvollständig  erhalten  ist. 


Erasmiana.    I  431 

epistolae  nostrae  et  exeniplo  prioris  ad  te  iampridem  missae 
quideni,  sed  necdum  acceptae,  et  quod  Lutherani  tuas  ad  nos 
interceperint  literas,  nihil  miror.  Quid  enim  non  moliuntur,  quod 
proposito  ipsoruni  quoquo  modo  subseruiat;  sed  tanieu  si  scire- 
mus  furti  illius  auctorem,  saltem  ostenderemus  nos  moleste  ferre. 
Ceterum  quod  asseris,  te  ultro  et  ante  annos  plures  quinque  a 
factione  Lutherana  non  soluni  seiunxisse,  id  quod  nostris  opta- 
uimus  literis,  sed  semper  diligentissinie  abstinuisse  et  ut  nun- 
quam  non  fuisse  (!)  ita  futurum  alienissimum,  non  est  ut  in 
persuadeudo  uobis  labores,  facile  enim  credimus.  Nee  eo  animo 
seiunetionem  optauimus,  ut  te  factionis  illius  et  tumultuum  quos 
excitauit  aut  reum  aut  participem  argueremus,  sed  ut  ad  id 
quod  abhinc  biennium  tot  rationibus  undequaquam  perquisitis 
adeo  detrectasti  te  denuo  adhortarer,  incitarem  et  quouis  modo 
impellerem,  uidelicet  ad  uindicandam  Dei  ecclesiam  a  tot  pro- 
digiosis  et  abominandis  dogmatibus.  Quanquam  etenim  non  semel 
testatus  sis  tibi  Lutheri  effrontem  immodestiam ,  canillos  et 
scommata  ac  Lutherauorum  seditiosissimos  tumultus  maxime 
omnium  displicere  ipsosque  satis  grauibus  rationibus  reprehen- 
deris  confutarisque,  attamen  ante  emissam  illam  collationem  de 
libero  arbitrio  nihil  fuit  ad  nos  allatum,  in  quo  aperte  potuis- 
semus  cognoscere,  quod  ab  ipsius  decretis  discrepantia  et  ex 
aequo  pugnautia  docueris.  Quin  immo  non  tautum  uulgo  per- 
suasum  fuit,  te  ut  in  plurimum  re  ipsa  eidem  assentiri  nihilque 
aliud  quam  impium  illum  et  tumultuosum  traetandi  modum 
damnare,  sed  et  Lutherani  ipsi  in  hoc  gloriati  sunt  et  con- 
stanter  asser uere,  te  ab  ipsorum  parte  stare  idque  non  semel 
tibi  a  tuis  Zoilis  obiectum  et  a  te  depulsum  est.  At  nunc,  po- 
steaquam  intellexere  quod  aperte  contradixeris  et  seriam  pugnam 
exhibueris,  omni  spe  deiecti  sunt  et  animis  cecidere.  Utinam 
ergo  statim  a  prineipio  prodentibus  se  haeresibus  istam  assuni- 
psisses  prouinciam  nee  enim  adeo  factio  illa  iucubuisset.  Verum 
quia  silentii  tui  grauem  auctorem  profers  et  manifestas  polliceris 
rationes,  nihil  neglectum  arbitrabiniur,  si  adhue  in  adseruandis 
et  asserendis  votis  et  aliis,  quae  quasi  per  manus  a  maioribus 
accepimus  strenuus  propugnator  et  acerrimus  defensor  ecclesiae 
sanctisque  patribus  adsis,  nee  dubitamus  quin,  ut  Ililarius  rum- 
pendo  diutinum  silentium  Arrianam  haeresim  supressit,  ita  tu 
poteris    uincere   Lutheranam  et  pestifera  illius  paradoxa  extir- 


432  Horawitz. 

pare  profligareque.  Quid  autem  in  causa  fuerit,  quod  ad  epi- 
stolae  nostiae  calcem  nihil  responderis  et  ne  spem  quidem  feceris 
surrogandi  alicuius  Mosellano,  nobis  non  satis  constat,  nisi 
inopinatae  abitioni  ipsius  nuncii  iuiputaii  uelis. '  Rogamus  ergo, 
ut  quamprimuni  me  de  hoc  facias  certiorem.  Ac  bene  ualeas. 
Ex  Dresdeua.  Pridic  Andreae.  A  Christo  nato  MDXXIIII. 

Aus    dem    königl.    Ilauptstaatsarchiv    zu    Dresden.    Act.    Dr.    Martin 
Luther's  Lehr  etc.  Bl.  87.   Loc.   10299. 


Dresden. 


IX.  13.  Februar  1525 


Georg  von  Sachsen  an  Erasmus.  - 


Georgius  Dei  gratia  Dux  Saxoniae,  Landtgrauius 
Thuringiae  et  Marchio  Mysnae. 

Salutem  et  fauorem  doctissime  Erasme.  Ex  literis  tuis  e 
Basilea  pridie  Idus  Decembris  proxirao  ad  me  datis  comperi 
primum,  quot  a  me  acceperis  atque  ad  me  rescripseris  literas, 
deinde  omnium  argumentorum  summam  postremo  causas  non 
parum  multas,  quibus  excusas,  quod  in  re  Lutherana  nihilo 
plus  praestiteris.  Et  quod  ad  epistolarum  numerum  attinet 
uideo  tibi  adhuc  unam  deesse,  quam  proximo  misi  et  nunc 
allatam    arbitroi\     Ceterum    quod    asseris    Lutheranae    tabulae 


1  In  dem  Briefe  vom  21.  Mai  1524  hatte  der  Herzog  um  einen  Nachfolger 
des  Mosellanus  ersuclit,  der  an  der  Leipziger  Universität  das  Griechische 
übernehme,  aber  es  müsse  ein  Mann  sein,  der  von  Luther's  Partei  sich 
völlig  ferngehalten  habe.  Erasmus  sandte  denn  auch  den  Jacob  Ceratinus 
(eigentlich  Teyng  aus  Nordholland)  einen  Mann,  ,der  drei  Moseliane  im 
Griechischen  überträfe'  (Opera  «55),  dessen  Bescheidenheit  er  rühmt,  der 
aber  in  Dresden  wegen  seiner  Hinneigung  zum  Lutherthum  sich  nicht 
halten  konnte,  obwohl  Erasmus  sowohl  bei  Emser  als  bei  Pistorius  für 
ihn  plaidirte.  Es  ist  derselbe  Ceratinus,  der  im  Erfurter  Kreise  erscheint 
(cf.  Kampschulte  Univ.  Erfurt),  zu  dessen  griechischem  Lexicon  Erasmus 
die  Vorrede  schrieb,  eine  seltene  Ehre,  —  für  dessen  Placirung  er  sich 
auch  bei  Pirkheimer  verwendete  (Opera  III.  941).  Cf.  über  ihn  Mosellanus, 
Seidemann  Leipziger  Disputation  16  ff.,  dessen  Beiträge  88.  n.  Burscher's 
Spicilegia  XI.  p.   12.  XIV.  22. 

2  Antwort  auf  den  Brief  des  Erasmus  vom  12.  December  1524.  (Opera 
III.  836  ff.). 


Erasmiana.    1.  4:1)0 

initinm  mihi  quoque  placuisse  non  eo  infitiar;  uidebatur  enim  prae 
se  ferre  emendatiouem  abusuuni  et  corruptelarum,  quae  non- 
nihil  increbuerant;  at  posteaquani  hussiticas  haereses  refricare 
coepit,  prodidit  sese  Satanas  eoque  tandem  ipsuiii  adegit,  ut 
nihil  paene  integrum  in  tota  ecclesia  et  ineontaminatum  reli- 
querit,  a  Summo  Pontitice  initium  faciens  et  tandem  nihil  non 
eorum  quae  a  sanctissimis  tradita  sunt  Patribus  peruertens  con- 
spurcansque.  Et  quidem  illius  foederi  et  coniurationi  in  hoc 
institutae  nunquam  putaui  te  addictum,  sed  propter  singularem 
tuam  et  eloquentiam  et  eruditionem  cohortatus  sum,  ut  Phili- 
steum  hunc,  qui  sponsam  Christi  stuprare  et  contaminare  cona- 
retur  aggredereris  profligraresque;  id  enim  non  solum  ad  Theo- 
logos sed  etiam  ad  quosuis  Christianos  pertinere  arbitror,  magis 
autem  ad  eum  qui  profitetur  utrumque  et  maxime  omnium,  si 
ita  poUet,  ut  ceteros  anteat.  Ceterum  quod  moleste  fers  hoc 
uerbis  parum  ciuilibus  et  aliis  quam  te  deceant  a  me  factum 
non  est,  ut  in  aliquam  sinistram  partem  accipias.  Quin  immo 
non  desino  interpellare,  obsecrare  et  obtestari,  ut  spretis  Theo- 
logorum iniquis  de  te  opinionibus  et  stimulis  adhuc  perseueres 
in  tuenda  lide  Catholica;  uides  enim  hactenus  consiliis  tuis  quan- 
tumuis  prudentibus  et  circumspectis  parum  quod  profectum  et 
forte  si  nunc  calamum  in  eum  stringeres,  posses  cunctatione 
tua  reparare  neglecta  et  eo  cumulatiorem  quam  Diuus  Hilarius 
ferre  palmam,  quo  is  plures  habet,  quam  Arius  haeres,  quan- 
quam  persuasum  habeam  te  arrogantiam  minime  omnium  sec- 
tare,  sed  magis  Christi  gloriam  quaerere.  Nee  est,  quod  te 
ab  hoc  instituto  terreat  tantus  conuiciorum  cumulus  in  sanc- 
tiööimum  Papam,  inuictissimum  Caesarem  et  alios  magnatis 
proiectus  et  congestus,  iuter  quos  ego  unus  sum  uelut  8aul 
inter  prophetas.  Peccatis  etonim  nostris  omnes  nos  Israelitae  com- 
meruimus  Golia  ab  illo  contumelias,  a  quibus  nos  aliquando  uin- 
dicabit  pygmaeus  Dauid  non  annis  nee  ingenio  suo  iidens,  sed 
spem  ponens  in  Dei  gratia  illiusque  iniuriam  aegre  ferens 
inermis  armatum,  pius  impium  et  humilis  superbum  vincet. 
Et  quid  te  terret  exemplum  Ozae?  satis  enim  gcriptis  tuis  te- 
staris  te  non  solum  Christianum  quem  quoque  decet  labantem 
iuuare  arcam,  sed  et  sincerum  Theologum  et  ex  eorum  tribu 
esse  ad  quos  imprimis  et  cura  et  defensio  arcae  pertinet,  pro- 
fecto  si  Oza  de  tribu  Leuitarum  fuisset  nee  temere  arcam  bobus, 


434  Horawitz. 

sed  humeris  suis  imposuisset,  non  sie  infeliciter  ei  cessisset. 
Ceterum  de  iis,  quae  litteris  non  putasti  credenda,  nihil  habeo 
compcrtum,  sed  in  hoc  omnino  tecum  sentio,  quod  raaluni  hoc 
nostris  debeatur  iniquitatibus,  qui  carnali  uostra  sapientia  omnia 
metiri  uokimns  nullam  non  fiduciam  in  proprias  uires,  haud 
aliquani  autem  in  deum  ponentes.  Et  eerte  nisi  ipse  Lutherus 
suae  fuisset  innixus  prudentiae  et  plus  uoluisset  saper e 
quam  oportet  nunquam  ita  aberrasset  et  complures  se- 
duxisset  adeo,  ut  ne  a  concitandis  quidem  seditionibus  quas 
leges  capite  puniunt,  sibi  temperent;  diuersa  quoque  pars  parum 
quid  in  geuio  et  labore  suo  nimium  cupiditatibus  et  afFectibus 
suis  dedito  promouit.  Tempus  ergo  appetit,  ut  ad  Deum  toto 
corde  reuertamur  et  exoremus  pro  uno  qui  medium  tenere  possit 
et  omnia  in  portum  reducerCj  qualem  certe  te  esse  mihi  per- 
suasi.  Macte  ergo  uirtute  Erasine  atque  in  harena  ut  coepisti 
perseuera.  Habes  enim  Papam,  Imperatoren!  et  omnes  deuique 
Christianae  Religionis  proceres  tibi  fauentes  et  astantes,  arri- 
debitque  ipsa  spousa  Christi  et  sancta  mater  ecclesia,  qua  uidente 
et  applaudente  lanceam  confringes  et  senex  palmariura  feres  a 
Christo,  qui  pugnam  tuam  feliciter  coeptam  consumabit  et  dexter 
aderit.  Id  enim  mihi  praesagit  animus.  Ceterum  quod  longe 
dissimiles  ad  te  scribunt  epistolas  quam  ego  Pontifex^  Caesar 
Ferdinandus  et  Rex  Angliae,  in  causa  est,  quod  Oedipus  non 
sim.  Attamen  si  quid  molestiae  inde  tibi  accessit  depone  et 
animum  meum,  non  uerba  explora,  qui  in  hoc  totus  est  incli- 
natus,  ut  bene  reipublicae  Christianae  ^  nee  facile  possint  ea 
quae  nouant  et  invertunt  bene  constituta  ferro,  immo  nee  tu 
scopum  tetigisti,  quod  me  alienis  persuasionibus  et  nescio  quibus 
auctoribus  ad  te  scripsisse  autumasti.  Nemo  enim  alius  mihi 
aut  consultor  aut  instigator  adfuit.  Ignoscamus  ergo  et  boni 
consulamus  utrimque  ac  falsas  suspiciones  deponamus,  nee  ego 
unquam  accusaui  tuam  molestiam  et  ciuilitatem  a  tot  magna- 
tibus  praedicatam,  sed  hoc  semper  in  uotis  fuit,  ut  nostris  tem- 
poribus  tragoediae  huius  finem  haberemus,  idque  per  haud  uUum 
quam  te  fieri  posse  censeo^  et  moram  longiorem  abominor.  De 
successore  Mosellani  recte  scribis;  omnia  enim  a  Luthero  con- 
taminata   sunt    et    eo    redacta,    ut  uix  electi  et  iusti  constantes 


'  Hier  scheint  das  Verbüm  ausgefallen. 


Erasmiana.  I.  435 

et  perseuerantes  reperiautur.  Si  quis  tarnen  idoneus  occuret 
significa,  nondum  enim  prospectum  est.  Libellus  de  oratione 
undique  leg-itur  ing'eniumq^^e  tuum  prodit  et  testatur  te  uerum 
esse  nee  iuermera  quidem  Theologum.  Ceterum  Clithoueum 
de  uotis  non  uidi.  Tu  bene  uale  et  me  tibi  bene  uelle  certuin 
habeas.  Dresden,   Piidie  Valentini  et  Christo  nato  MDXXV". 

Aus  dem  köuigl.  Hauptstaatsarchiv  zn  Dresden.  Act.  Dr.  Martin  Luther's 
Lehr  etc.  Loc.   10299  fol.   135  ff. 


Leipzig.  X.  16.  April   1526. 

Georg  von  Sachsen  an  Erasmus. 

Salutem  et  beneuolentiam  doctissime  Erasme.  Venit  ad 
manus  nostras  iam  ante  trimestre  seruvini  arbitrium  a  Martino 
Luthero  in  te  et  tuam  diatribain  editum. '  Et  luirum  quantum 
de  eo  libro  trinmplium  duxerint  et  gloriati  sint  suae  factionis 
assertores,  persuasissimum  habentes  quod  seipsum  hac  editione 
uicerit,  nee  unquam  antea  ab  aliquo  tale  quid  emissura,  aut 
etiani  in  posternm  edi  possit,  quippe  prof'ectum  a  uero  et 
bono  spiritu,  atque  Roterodamum  non  andere  contra  hiscere, 
sed  penitus  conclusum  et  niutum  redditum.  Ceterum  nunc 
prodiit  Hyperaspistes  diatribe  decennio  absoluta/'  in  qua  eerte 
cum  summa  ciuilitate  ref'ellis  illius  calumnias  et  sycopluintias, 
tua  fortiter  defendens.  Tum  etiam  polliceris  ea  ex  quibus 
Christiaua  res  publica  olim  a  nouis  illis  et  haereticis  dogmatlbus 
uindicabitur  et  pristinae  tranquillitati  restituetur  atque  ex  mortuo ; 
id  quod  non  semel  Lutherani  optauerunt:  i'ideris  resuscitatus 
et  nobis  omnibus  uiuere.  Proinde  occurrit  id,  quod  olim  de 
Fabio  proditum  est,  cunctando  restitues  rem.'^  Maxime  eniin 
omnium  omnes  hoc  sibi  de  te  persuasere  et  certam  spem  con^ 
cepere.  Nam  Lutherani  proiectis  sagittis  arcu  diinicant.  Tu 
uero  pharetram  iaculis  adhuc  repletam  habes  et  auxiliante  dei 


'  Erschien  l.')2.5  im  December.    Cf.  Köstlin  a.  n.  O.  I.  C9ö,  II.   140. 

-  Opera  X.   12äO   sag-t  Erasmus   selbst    im  Vfirwort   zum    Hyperaspistes  I., 

dass  er  nicht  mehr  als  zehn  Tage  zur  Arbeit  gehabt. 
3  Ennius  bei  Cicero  de  senectute. 


436  Horawitz. 

Spiritu  et  ecclesia  matre  prostratiim  Achillem  iug-ulabis.  Cete- 
rum,  ne  te  cerdonuin  et  Cüriarioruni  inuidia  premat,  curabimus 
qiiod  liber  tuus  debeat  germanica  lingua  donari  atque  ab  ilHs 
intellig'i  nihilque  dubitamus,  qiiia  permiilti  non  solum  in  hoc 
dogmate  sed  et  in  omnibus  aliis  damnatis  ab  illius  sententia 
sint  discessuri,  palamque  uidebunt,  te  non  frustra  hucusque 
taeuisse.  Bene  uale  et  perge,  iit  coepisti,  animiunque  nostrum 
isto  poculo  tibi  testatum  uolumus,  et  quamuis  aliud  te  deceret 
donum.  Verum  quia  Saxo  sum,  tractant  fabrilia  fabri. '  Nosque 
tibi  bene  uelle  persuasissimum  habeas.  Datum  Lipsiae  XVP. 
Calendas  Maii  A  Christo  nato  MDXXVI°. 

Aus  dem  königl.  Hauptstaatsarcliiv  zu  Dresden.  Act.  Dr.  Martin  Luther's 
Lelir  etc.  Bl.   137.  Loc.   10299. 

Auf  Bl.   138  steht  folgender  Entwurf  von  Herzog  Georgs  eigener  Hand: 

Vidi  librum  Martini  Lutheri  in  te,  seruum  arbitrium 
appellatum,  de  quo  omnes  istius  factionis  gloriantur  nunquam 
talem  edidisse  uUum  hunc  et  alii  tanti  operis  reputarunt,  quod 
sine  spiritu  effici  non  posset  haesitantes  id  maliim  spiritum 
non  posse  periieere ,  aliqui  uero  Roterodamum  nunc  con- 
culsum  (!)  et  obmutescere  oportere  putantes ;  uidi  iam  et  tua 
condita  ut  audio  decem  dierum  opus  excussum,  in  quibus 
tu  toti  reipublicae  Christiauae  et  mihi  uiuis  occuritque  illud 
adagium  Romanum,  ubi  dicitur  de  Fabio  ,cunctando  restituit 
rem'  haec  enim  tua  cunctatio  sperantibus  multis  rem  plu- 
rimum  restituet,  nam  proiectis  sagittis  Lutherani  nunc  arcu 
dimicant,  tu  uero  repleta  pharetra  iaculis  non  cares  et  prostra- 
tum  Achillem  subito  iugulabis  auxiliante  dei  spiritu  matreque 
ecclesia  et  ne  te  cerdonum  et  coriariorum  inuidia  urgeat,  dis- 
ponemus  ut  et  legant  materna  lingua  Roterodamum  ubi  ipsius 
legerunt  Lutherum  et  ipsi  forte  iudicabunt  te  non  frostra(!) 
hucusque  taeuisse,  uale  et  perge  ut  coepisti;  poculum  tibi  mitto; 
deceret  quidem  aliud  donum,  sed  quia  ISaxo  sum,  tractant 
fabrilia  fabri. 


'  Hör.  Ep.  II.   1.   IIG.    Es  dauerte  ültrigens  lange,  bis  Erasmus  zu  seinem 
Becher  kam. 


Krasmiana.  I.  437 

Basel.  XI.  1528.» 

Erasmus  an  Georg  von  Sachsen. 

S.  Serenissime  Princeps:  quid  tua  Celsitudo  scripserit 
Henrico  Eppheudorpio  ignoro,  scripsisse  auteni  iiitelligo  ex 
litteris  Simonis  Pistorii.^  Sed  paucis  post  diebus  quam  litteras 
tuas  acceperat,  uenit  Basileam  uehementer  commotus,  ac  mihi 
iudicia  minitans,  prolatis  litteris  quibusdam,  quas  suspicabatur 
a  nie  ad  Illustriss.  Celsitudinem  tuam  fuisse  scriptas,  in  quibus 
insimulabatur,  quasi  Friburgi  partim  ob  tumultum  illic  ex- 
citatuni,  partim  ob  aes  alieuum  ab  ipso  confiatum  coactus  sit 
Basileam  concedere;  ubi  cum  pari  g-loria  se  gessisset,  rursus 
hinc  Argentoratum  comraigravit  ibique  ducem  et  propuguatorem 
impii  et  Lutherani  negotii  sese  praestitisset  (!).  Eas  sane  litteras 
iguota  manu  scriptas  nequaquam  agnoscebam^  nee  inter  meas 
schedas  reperio,  nee  arbitror  a  me  profectas.  An  Henrico 
Epphendorpio  Serenissima  tua  Sublimitas  succenseat,  me  qui- 
dem  latet  et  si  quid  succenset,  quibus  de  causis  id  faciat, 
mihi  non  liquet.  Optarim  certe  illum  tibi  suo  merito  esse  gra- 
tissimum.  Scio  me  scripsisse  Sublimitati  tuae,  ut  ingenium 
iuuenis  egregiis  dotibus  praeditum  ab  otio  luxuque  ad  honestam 
aliquam  functionem  auocares.  Similia  scripsi  proximis  niindinis 
ad  Hieronymum  Emserum,  quum  Henricus  Epphendorpius  iam 
tertium  per  epistolam  hostilia  denunciaret,  addens  hoc  me  ne- 
quaquam cupere,  ut  tua  Illustrissima  Celsitudo  ulla  in  re 
laederet  illum,  sed  ut  eadem  opera  et  ipsius  commodis  pro- 
spiceret  et  mihi  meisque  studiis  quietam  ab  illo  pai'aret.  Fre- 
quenter  autem  dedi  litteras  et  ad  Celsitudinem  tuam  lllu- 
strissimam  et  ad  aulae  tuae  ministros  praesertim  Emserum  et 
Pistorium,  nee  satis  possum  omnium  meminisse,  quae  scripsi. 
Quod  si  quibus  scriptis  aut  querelis  meis  ab  illo  factus  est 
animus  tuus  alienior,  optarim  ut  pristinum  fauorem  ac  bene- 
uolentiam  erga  tuae  benignitatis  alumnum  recipias,  praesertim 
quum  nos  inter  nos  utrinque  positis  offensionibus  ac  suspi- 
cionibus    ita    ut    Christiauis    dignura    est,    pristinam    amicitiam 

*  Der  Brief  ist  jedenfalls  nach  dem   18.  Februar  anzusetzen. 
2  Cf.  Spicilegium  XIV.   19. 


4ij8  Horawitz. 

instaurauerimiis,  post  hac  de  integro  beneuolentiae  certamen 
inituri.  Id  per  amieos  coinmnnes  uiros  enxditissimos  et  optimos 
procuratum  est:  quibus  uisum  est  hoc  in  rem  utriusque  fore, 
praesertim  meam,  qui  et  senio  et  ualetudine  et  immensis  stu- 
dioruin  laboribus  et  fori  linguaeque  minime  sum  ad  litigandum 
iiiötructus.  Ruraores  saepe  uani  sunt,  nee  raro  fallunt  suspi- 
ciones.  Quod  si  Henricus  Epphendorpins  Serenissime  tuae 
Celsitudiuis  expectationi  satisfecerit,  quod  equidem  facturum 
confido,  mihi  duplici  nomine  carus  erit  et  quod  pro  hoste  sim 
habiturus  amicum  et  quod  ei  Principi  probetur,  cui  non  semel 
meis  litteris  fuit  commendatus.  Ad  postremas  E.  C.  T.  litteras, 
perbreues  quidem  illas,  sed  tamen  amantissime  scriptas  iam 
pridem  respondi,  per  adolescentem  eximiis  ornamentis  insignem. 
Opto  Serenissimae  Celsitudini  tuae  felicitatem  perpetuam. 
Datum  Basileae  Anno  Domioi  MDXXVIII. ' 

E.  T.  Celsitudiuis  addictissimum  mancipium  Erasmus 
Rot.  mea  manu  subscripsi.  Illustrissimo  Principi  Georgio,  Duci 
Saxoniae,  Lantgrauio  Thuringiae  et  Marchioni  Mjsnae. 

Aus  dem  königl.  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden.  Act.  Dr.  Martin  Luther's 
Lehr  etc.  Loc.   10300.  Bl.  27. 


Basel.  XII.  27.  August  1528. 

Erasmus  an  Christoph  von  Schydlowitz.  ^ 

Quod  tibi  tantopere  placet  in  scriptis  meis  nonnullos 
offendit,  quibus  haec  assidua  pacis  praedicatio  uidetur  esse 
principium  sine  üne  dissidentium  sugillatio.  Quamquam  ego  nee 
omne  bellum  damno,  est  enim  interdum  necessitatis,  nee  quem- 
quam  principem  sugillo,  tametsi  negari  non  potest,  ubicunque 
bellum  est,  ibi  crimen  esse  uel  ab  hac  parte  uel  ab  altera, 
interdum  utrinque.  Ceterum  animos  causasque  principum  Deus 

'  Der  ganze  Brief  ist  sehr  versöhnlicli  gelialten,  es  ist  wie  eine  Variation 
über  das  Thema,  das  or  unter  Anderem  Melanchthon  (Corp.  Ref.  III.  86) 
in  .seinem  letzten  Schreiben  an  diesen  ausspriclit:  Nee  ia  snni,  qui  ob 
quamlibet  offensionem  ex  amico  fiam   hostis. 

-  Ciir.  V.  ScliydlowitK  (Schidlowski),  Polens  Kanzler,  wurde  von  Erasmus 
als  ein  ,nir  prudentissimus  et  integerrimus'  sehr  gerühmt  (Opera  III.  977) 


Erasmiana.  I.  439 

iudicat,  non  ego.  Epistolam  quam  istic  excuderunt  non  me- 
diocrem inuidiam  mihi  conflanit  ii07i  apnd  ipsum  Fei'dinandum 
quo  nil  aequius  sed  apud  quosdam  aulae  Ferdinandicae  proceres 
ob  unam  iioculam  quam  prorsus  illic  nescieham  esse,  qua 
Johauui  regis  cognomen  addidi,  quoniara  aliud  tum  non  habe- 
bam.  Sigismundi  regis  epistolam  humanitatis  ac  religionis 
plenam  magna  cum  animi  alacritate  recepi '  munusque  non 
absque  rubore,  quod  ego  sane  ut  non  promerebar,  ita  nee  ex- 
pectabam  et  bellorum  et  factionum  tumultus  in  dies  magis  ac 
magis  incrudescunt,  nee  ullam  uideo  spem  finiendi  mali,  ni 
proceres  Ecclesiae  cum  Monarchis  positis  priuatis  affectibus  se 
totos  diuinae  uoluntati  comraittant  et  nisi  populus  mutata  in 
melius  uita  placet  numinis  iram  ad  eiusdem  confugicns  miseri- 
cordiam.  Si  sie  obruantur  nouae  sectae,  ut  reuiuiscat  impro- 
borum  monachorum  tyrannis  aut  illorum,  qui  sub  nomine 
Romaui  pontificis  hactenus  feceruut  quicquid  collibuit,  hoc  erit 
mutare  pestem,  non  tollere.  Res  episcoporum  ac  principum 
auctoritate  temperanda  est,  ut  uincat  Christus,  triumphet  pietas 
non  hominum  improbitas.  Qua  quidem  in  re  quaeso,  ut  animum, 
quem  hactenus  praestitisti  constanter  obtineas,  nee  ad  dextram 
declinans  nee  ad  sinistram.  Opto  tuam  Celsitudinem  quam 
optime  ualere  uir  elarissime  ac  patrone  singularis. 

Datum  Basileae  VI.  Calen.  Septembr.  Anno  1528. 

Addictissimum   T.  Celsitudini  raaueipium. 

Erasmus  Roterodamus  mea  manu 

subscripsi. 

Magnificentia    tua  Herculis    instar  pro  Atlante  saepissime 
humeros    supponit,    qua    non    modo   rex  dignüs  est  uerum  ipsa 

mehrere  Briefe  an  ihn  sind  vorlianden,  die  ebenfalls  zeigen,  wie  hoch 
Erasmua  den  gebildeten  und  maassvollen  Mann  schätzte.  Seine  , Lingua' 
erklärt  er  in  dem  einen  Schreiben  (9.  September  1526.  Opera  III.  9ä4) 
habe  ihm  jetzt  erst  weniger  missfallen,  seit  sie  Sclij'dlowitz'  I'.illiginig 
erfahr.  Schydlowitz  beschenkte  ihn  reichlich ;  Erasmus  bittet,  ihn  gegen 
die  Uebelredenden  in  Schutz  nehmen  zu  wollen,  denn  die  ihm  übel  wollen, 
die  ziehen  auch  gegen  die  Wissenschaften  zu  Felde.  In  dem  anderen 
Schreiben  lobt  er  König  Sigismnnd  gar  sehr,  Iiotit,  dass  auch  dieser  sich 
um  die  Pacification  bemühen  werde  und  rühmt  den  Johannes  a  Lasco. 
(16.  Mai  1527.  Schydlowitz  starb   1533). 

>  Cf.  Opera  III.  1059.  Der  Brief  ist  datirt  vom   19.  Februar  1528. 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.   B.l.  III.  Ilft.  29 


440  Horawitz. 

mngis  tantn  rege  digna.  Tanta  est  animi  tui  moderatio  aequitas, 
prudentia,  humanitas,  eonstantia  et  quidquid  est  hwiusmodi,  ut 
i'eliqnas  longe  a  tergo  relinquas.  Ego  uel  toti  orbi  decem  Ne- 
stores  huiusmodi  tibi  siiniles  exoptarem,  satis  consultum  Rei- 
publicae  profecto  tieret. 

Clarissimo  iiiro  domino  Christophoro  de  Sebydlowitz  Ca- 
stellano  et  Capitaiio  Cracouiae  ac  Regni  Poloniae  Cancellario. 

Aus  dem   Cod.   Gotlianus  chartac.  B.  Nr.   20.  f.  52  b. 


Dill  in  gen.  XIII.  8.   October  1528. 

Christopti  von  Augsburg  an  Erasmus. 

Sabitem  p.  d.  Idibus  Septembris  literas  quas  septimo  Calen- 
das  eiusdem  mensis  ad  me  scripseras  '  accepi  et  queniadniodiim 
quotidiana  lucubrationum  tuarura  lectio  incredibili  aninium  meum 
seniper  afficit  uoluptate  ita  uix  dici  potest,  quam  me  oblectarint 
literae  tuae,  cum  a  doctrinarum  principe,  tum  ab  amico  ex 
animo  dilecto  descriptae.  Quae  de  Lutherano  narras  negotio 
sicut  nobis  notissima  ita  sunt  et  verissima,  non  modo  tbeologi, 
uerum  quidam  ex  Romani  Imperii  proceribus  ea,  quae  a  Luthe- 
ranis scribuntur,  etiam  si  cum  euangelicis  conueniant  literis, 
daranant  et  quod  animum  meum  magis  perturbat,  omnia  in 
religione  christiana  hucusque  obseruata  etsi  omni  careant  ra- 
tione  tueri  et  defendere  nituntur  et  tarnen  uerius  est  quam  quod 
egeat  probatione,  phires  humanas  constitutiones  euangelicis  esse 
admixtas  literis;,  ^quae  parum  cum  illis  conueniant.  Haec  est 
una  causa  et  meo  indicio  potentissima,  quae  non  sinit  hos 
ecclesia  tumultus  ad  pacem  et  concordiam  reduci,  omnes  quaerunt 
quae  sua  sunt  et  propriis  ducuntur  affectibus,  nemo  autem  rem 
publicara  et  christianam  considerat;  nisi  Dens  sua  immensa 
dementia  aliter  disponat  non  uideo  pacis  et  concordiae  spera 
aliquam.  Quod  aliqui  asserunt  hunc  ecclesiae  tumultum  ex 
tuis  scriptis  sumpsisse  initium,  illi  profecto  mihi  crede  doctis- 
sime  Erasme  non  amore  religionis  cuius  hostes  sunt,  nee  uir- 
tutis  reuerentia,  quam  nunquam  degustarunt,  sed  inuidia,  dolore 


1  Die  H.S.  hat  ecriseras,  das  p  ist  von  späterer  Hand  hineiugesetzt. 


Erasmiana.    I.  441 

et  iTialiuolcntia  hos  spargimt  sermones.  Magnus  est  inuidiae 
Stimulus,  superior  a  cetevis;  mao-nnm  odium  in  eos,  qui  singn- 
lari  peritia  freti  traditis  aperte  simplieiterque  praeceptis  evan- 
g-elicis  imperitos  necessario  reprehendunt.  Quid  alii  ex  tuis 
sumant  literis  nescio,  hoc  tarnen  ingenue  profiteor,  me  ex  tuis 
lucubrationibus  phis  pietatis  et  euangelicae  doctrinae  hausisse, 
quam  ex  scriptis  aliorum  quorumcunque;  tua  scripta  rae  in  nullo 
penitus  offendunt,  sed  leg-endo  efficior  quotidie  melior  atque 
instructior,  demonstrant  mihi  ueram  christianae  uitae  uiam.  Ex 
aninio  loquor  non  ex  aflfectu,  praeterea  quod  ab  aliquibus,  tan- 
quam  male  de  fide  sentias  christiana,  ex  nullis  ac  leuissimis  causis 
denunciaris,  Non  est  mirandum,  cum  hoc  genus  hominum  hanc 
tyrranidem  et  saeuitiam  ergo  bonos  et  doctos  uiros  odio  et  inuidia 
potius  quam  religionis  intuitu  semper  exercuerit,  Laurentium 
Vajlam  uirum  doctissimum  is  rationibus  iudicarunt  suspectum 
de  fide,  quia  ^  dixerat  Catholiconem,  -  Huguwicionem  et  sirailes 
nullum  uocabulum  recte  exposuisse,  nisi  quod  aut  expositum 
inuenerunt  aut  de  quo  nemo  dubitat:  tria  esse  praedicamenta, 
non  decem,  tria  esse  elementa  non  quatuor,  tres  sensus  in- 
teriores  esse,  non  quinque,  concretum  non  differe  ab  abstracto, 
nulla  esse  pura  elementa,  nisi  quae  cernimus  tangimusque,  non 
esse  mare  altius  terra,  unum  esse  transcendens  non  sex.  Vides 


'  Diese  Angabe  ist  wohl  nicht  ganz  genau,  die  Verfolgung  Valla's  richtete 
sich  liauptsächlich  gegen  seine  Dialoge  von  der  Lust  (Joh.  Vahlen 
Lorenzo  Valla.  Berlin  1870.  S.  Gff.)  und  sein  Werk  über  die  Constunti- 
uisclie  Schenkung  (ebendort  S.   25 ff.). 

-  Stadion  meint  das  ,Catholicou,  des  Joliannes  Balbi  de  Janua,  das  um  das 
Jahr  1286  beendet,  seitdem  aber  in  zahlreichen  Auflagen  erschien,  cf. 
Hain  Repertor.  nr.  2251  .  .  .  2269  Panzer  Ann.  typ.  X.  p.  430.  Das  Ca- 
tholicon  bestand  aus  fünf  Bücliern  über  Orthographie,  Accent,  Etymologie, 
die  Figuren  und  die  Prosodie,  denen  sich  ein  aus  Papias  und  Hugutio 
compilirtes  Lexicon  Latinum  anschloss.  Es  bildete  mit  den  Genannten 
ein  besonderes  Hilfsmittel  des  scholastischen  Unterrichts  im  Latein.  Diese 
Aeusserung  des  Bischofs  gemahnt  sehr  stark  an  eine  des  Erasmus  aus 
dem  Jahre  1490,  der  über  Lorenzo  Valla  bemerkt,  man  werfe  ihm  vor, 
er  habe  ausgezeichnete  Männer  zu  heftig  mitgenommen  und  dann  furttlilirt 
(Clericus  ITI.  .S):  Ego  .sane  quid  in  hos  mordacius  dixerit,  non  uideo, 
nisi  forte  eos  uiros  jtraeclaros  appellandos  putabunt,  quos  ego  barbariei 
duces  uel  praccipuos  iudico  Papiam,  Huguitionem,  Ebrardum,  Caflm- 
licon,  Joannem  Garlandum,  Isidoruni  ceterosque  indignos  etiam  qui  no- 
mineutur  etc. 

29* 


442  Bora  Witz. 

modo  excellentissime  Erasme,  quid  non  aduersus  probos  et  doctos 
uiros  illi  ting-ere,  calumniari  aut  excogitare  ausi  sunt,  ut  hos 
laesae  maiestatis  criminis  reos  denunciare  possent,  quid  autem 
tibi  tanquani  male  de  fide  sentienti  obicere  possint,  non  uideo. 
Cum  ipse  queas  non  solum  ex  doctrina,  uerum  etiam  ex  uitae 
tuae  actibus  eam  ostendere,  illi  nequeaut  ex  sua,  quorum  non 
uita  modo  turpissima  est,  uerum  etiam  fama,  ut  taceam  quosdam 
eorum  cerebrosos  esse  ac  prorsus  insanos.  Haec  ad  te  scribere 
uolui,  quo  cognoscas  ea,  quae  amicus  noster  Augustinus  Marius' 
tibi  meo  nomine  singuiücauit  (!)  non  ex  ore  tantum,  sed  ex 
intimi  animi  mei  uisceribus  procesisse.  Christus  optimus  maxi- 
mus  te  quam  diutissime  seruet  incolumem.  Datum  Dillingae 
8.  Octobris  anno  1528. 

Cristofforus  Episcopus^  Augustensis 
propria  manu. 

Prineipi  doctrinae  domino  Erasmo  Roterodamo  theologo 
amico  ex  animo  dilecto  Basileae. 

Von  anderer  Hand  aussen : 

Episcopus  Augustanus  Lutherum  tradueit  et  omnes  eins 
adhaerentes,  extollit  contra  scripta  Erasmi.  Laurentius  Valla 
cur  nonnulis  de  fide  suspectus.  8.  Octob.   1528. 

Autograph  aus  dem   Cod.  bist.  Stutgardianus  47  fol.  1  ff . 


1  Augustinus  Marius,  gebürtig  aus  Ulm,  ein  Jugendfreund  Vadian's.  einst 
Weibbiscbof  zu  Basel,  war,  wie  es  scheint,  um  1528  Hausgenosse  des 
Erasmus  (Clericus  HI.  1426),  vermittelte  die  Bekanntschaft  mit  Christoph 
von  Stadion,  wofür  ihm  Erasmus,  der  ihn  sehr  schätzte  (um  1530)  herzlicli 
dankt  (Clericus  HI.  1291).  Erasmus  riilimt  ihn  unter  Anderem  mit  den 
Worten:  habes  in  te  ipso  pharmaciam,  quo  omnes  tibi  concilias.  Marius 
war  auch  Titularbischof  vou  Salona  und  Weilibischof  in  Freisingen,  war 
durch  den  bekannten  ,1.  Faber  von  Constanz  nach  Basel  empfohlen,  wohin 
er  im  December  152.5  kam,  um  1.52G  sein  Amt  dasell>st  anzutreten.  Hier 
kam  er  in  Conflict  mit  Oekolampadius,  erwies  sich  überhaupt  als  Gegner 
der  Reformation,  der  er  aber  doch  1528  weichen  musste.  Er  begab  sich, 
wie  ich  glaube,  nach  Würzburg. 

2  Die  Hs.  hat:  Apüs,  Stadion  schreibt  aber  öfter  AEpiscopus:  AERASMVS 
4BXCELLENS. 

Es    ist    der    bei    Clericus   lll.    1.    1094.   abgedruckte  Brief  des  Erasmus 
gemeint. 


Erasmiana:    I.  AAo 

?  XIV.  30.  December  1529, 

Erasraus  an  Johannes  Choler. 

S.  P.  Qui  tuas  postrenias  reddidit  [>.o'fiyzip  erat.  Alteram 
opinor  habet  carnifex.  Huic  faraulus  duos  nummos  argenteos, 
qui  ualent  octo  rapos,  ille  perinde  quasi  fuste  percussus  in- 
dignanter  abiecit  pecuuiam.  Hoc  mihi  fuit  lucro.  Non  est  qui- 
buslibet  tidendum.  Gaudeo  fasciculum  Polyphemo  inscriptum 
incidisse  in  manus  tuas,  scio  quid  egat  Polypheinus  '  apud  epi- 
scopum  quaerit,  qui  ipsius  otio  ac  temulentia(e)  suppeditet 
sumptum.  lactat  se  apud  omnes  famulum  ac  discipulum  meum, 
quum  res  long-e  secus  habeat.  Quod  in  t'auore  desierit,  efficiam 
ut  ilhim  poeniteat,  semel  hominem  admonui  serio.  Quaerat 
alios  amicos  absque  mei  nominis  lenocinio.  Detinuit  iste  hie, 
ut  suspicor  Liuium  meum,  a  quo  audio  nescio  quae  mea  edita. 
Hoc  dissimula,  Polyphemo  bona  uerba^  praeterea  nihil  mea 
quidem  causa.  Sic  illum  amo,  ut  cuperem  esse  apud  Indos. 
Sensit  Augustensis-^  benignitatem,  in  tales  scurras,  nolim  meos 
cuicunque  irapendere.  Dissimulo  animum  meum,  nam  talibus 
rabulis  interdum  abutendum  est.  Scripsit  ad  me  Matthias 
Buschius(?)  concionator  Augustensis.  Cupio  scire  quid  hominis 
sit.  Nam  huiusmodi  dominicanorum  litteras  aliquando  delusus 
sum.  Miror  si  principes  nihil  boni  reliquerunt;  uerum  hac  de 
re  nolim  Antonium  nostrum  '  esse  anxie  sollicitum.  Bene  uale. 
11.   Cal.  Januar.  1530.    Has  litteras  ubi  legeris  concerpito. 

Erasmus  Rot.  tuus. 

Ornatissimo  uiro  D.  Joanni  Cholero  amico  suo  cumprimis 
obseruando. 

Augustae.  -^ 

Aus  dem  Cod.  Pal.  Vindobon.  9737.  f.  6. 


'  Ueber  diesen  Polyphemus  der  in  den  Briefen  des  Erasmus  sehr  häufig, 
aber  meist  wenig  ehrenvoll  erwähnt  wird,  und  der  ein  Exemplar  jener 
fluctuirenden  Elemente  gewesen  zu  sein  scheint,  wie  sie  die  Zeit,  aber 
auch  der  Humanismus  sehr  häufig  aufwies,  cf.  Steitz  Wilhelm  Nesen. 
Frankf.  a.  M.  1877.  S.  156  und  Erasmus  Cyclops  (Opera  I.  831  fi'.). 

2  me  ausgestrichen. 

3  Natürlich  ist  JStadion  gemeint. 
*  A.  Fugger. 

^  Von  Tengnagel's  Hand:  Erasmi  manu.s. 


444  Horawitz. 

Fr  ei  bürg.  XV.  13.  April  1530. 

Erasmus  an  Johannes  Choler. 

S.  P.  Quas  ex  Italia  reuersus  ad  me  dedisti  recepi, ' 
nihil  potuit  illis  accidere  gratius,  tantum  adieriint  uoluptatis 
ac  solatii.  Utinani  in  effingendo  ornatissimo  Antonio-  uel 
Apellem-^  praestare  qneam,  sed  illi  doleo  propemodum  conti- 
gisse  Clioerylum,  qua  de  le  nonnihil  attigi  proximis  literis,  quas 
huius  urbis  tabellario  publico  nuper  dedi,  qui  et  tuas  ni  fallor 
attulerat. 

Maius  dicitur  inauspicatus  pangendis  matrimoniis  unde 
prouerbium,  mense  Maio  nubunt  malae,  utinam  sit  Gennaniae 
tranquillandae  felix.  Caesar  nimium  haeret  in  Italia  ac  plus 
satis  indulgere  uidetur  animo  poutiticis,  in  cuius  gratiam  urget 
florentissimam  Italiae  ciuitatem. '  Germanieae  tragoediae  nullam 
uideo  catastrophen,  ni  deus  quispiam  inexpectatus  sese  prot'erat 
e  machina.  Si  legisti  nostram  epistolam  ad  Uulturniura^  illis 
ostendi  uiam  finiendis  hisce  tumultibus  quamquam  ea  epistola 
mihi  magnos  tumultus  excitauit  Argentorati,  quum  nee  ciuitatem 
attigerim  nee  sectam  ipsani,  sed  quosdam,  qui  iactantes  Euan- 
gelinm  sua  uita  laedunt  causam  cuius  uideri  uolunt  propugna- 
tores  nee  minus  libere  paiteni  alteram  admoneo.  Uenio  nunc 
ad  alteras  litteras  tuas.  Öi  Liuius  meus  uera  narrauit,  audisti 
miserabilem  historiam.  Uenit  huc  pridem  R,  D.  Christophorus, 
episcopus  Augustensis  non  ob  aliud,  nisi  ut  uideret  Erasuium, 
quemadmodum  aiebat.  Attulit  duo  pocula  magni  pretii  et  in 
his  ducentos  florenos.  Demiror  si  uirum  non  et  itineris  et 
benignitatis  poenitet.  Gerte  ego  nihil  illo  uidi  uel  humanius 
uel  moribus  commodioribus.  De  Italia  accedo  tuae  sententiae 
nisi  quod  huic  aliquo  migrare  libet  in  ciuitatem  frequentiorem. 
Ubi    typogi-aphi    redierint    e    mercatu    Francofordiae    statuetur 


•  Oberhalb  der  Zeile  steht  das  iu  den  Text  aufgenommene  recepi. 

2  Fugg-er. 

3  Zweimal  geschriebeu. 

^  Wie  richtig  Erasmus  urtheilte,  zeigt  die  Darstellung  bei  Rauke,  deutsclie 

Geschichte,  III.   156. 
5  Geldenhauer.   Ueber  den  Streit  mit  ihm,  cf.  Baum  Capito,  Bucer  464 flf. 


Erasmiana.   I.  445 

aliquid.  De  Aiigusta  adeunda  nihil  decerni  potest,  nisi  finitis 
comitiis.  At  quando  hoc  est?  Et  interim  an  hie  tuto  sedere 
liceat  nescio,  maxime  si  Caesar  quod  niina(n)tur  uti  coepit 
austerioribus  remediis.  Quanquam  ab  illo  non  minus  (s)ibi 
metuunt  sacerdotes  quam  a  Lutheranis. 

Antonio  nostro  tantillum  officiolum  tam  fuisse  gratum 
magnopere  gaudeo.  Datums  operam,  ut  illius  caudidissimo 
ingenio  pro  mea  uirili  respondeam.  Meretur  hoc  hominis 
eximia  probitas,   ut  etiam  gratis  ametur  ac  celebretur. 

Quoniam  mihi  uisus  sum  animaduertisse  tuum  ingenium 
non  prorsus  abhorrens  a  meo  proximis  litteris  quaedam  liberius 
effudi  in  sinum  tuum  quae  sie  interpretaberis,  ut  non  ab  ulla 
maleuolentia  sed  a  sincero  amore,  quam  in  Luscinium, '  tu(u)m, 
in  Antonium  profecta.     Bene  uale,  uir  candidissime. 

Friburgi,  13.  die  April  An.  1530. 

Erasmus  uere  tuus  manu  propria. 

Non  relegi,  ignosce  si  quid  delirauit  calamus. 

Aussen : 

Clarissimo    uiro    D.    Joanni    Cholero    praeposito  Curiensi. 

Augustae. 

Dabei  steht  wohl  von  Choler's  Hand:  Respondi  5.  Mai 
1530.  und  von  Tengnagel :    Erasmi  manus. 

Autograph  aus  dem  Cod.  Palat.  Viudob.  9737.  c.  f.  7. 


Dillingen.  XVI.  10.  April   1531. 

Christoph  von  Augsburg  an  Erasmus. 

Salutem  p.  d.  Nihil  habeo  quod  ad  te  scribam  amice 
carissime,  nisi  quod  rex  Ferdiuandus  se  contulit  ad  Bohemiam 
et  Morauiam,  animo  petendi  aduersus  iidei  Christianae  inimicum 
subsidium.  Uerum,  ut  audio,  recusant  praestare  pecuniam.  Sed 
in  euentum  quo  Thurca  eos  inuaserit,  obtulerunt  pro  Morauiae 
ac  Schlesiae  defensione  25000  bellatorum.  Narrant  pontificem 
obsedere  Ciuitatem  Senarem,  licet  sint  qui  asserant,  haue  esse 


'  Ottomarus  Luscinius  (Nachtigall),  der  bekannte  Feind  der  reforinatorischeu 
Richtung. 


446  Hor;iwitz. 

fictam  et  quod  pontifex  sub  hac  umbra  intendat  expellere  ducem 
Ferrariensein.  Dux  de  hoc  admonitus  ne  opprimatur  imperatus 
incipit  adornare  initia  belli. 

Ferdinandus  ac  sui  asseriint  Thurcam  iter  aduersus  Ger- 
maiiiam  arripuisse,  sed  mercatores  fortiter  in  contrarium  clamaut, 
aflinuaiites  Tliurcaui  hoc  anno  necquaquam  inuasurum  Germa- 
niam,  quod  inter  ista  uerius,  experiemur  in  breui  et  fortassis 
non  sine  nostro  periculo. 

Quidam  bonae  fidei  uir  retulit  mihi  Thurcam  Feidinandi 
oratoribus  sing-uificasse  (!)  pontificem,  Gallos,  Uenetos  ac  non- 
nuUoö  Germaniae  principes  ipsum  ad  inuadendum  Ferdiuandum 
sollicitasse  et  hoc  post  regis  captiuitatem. 

Idem  retulit  eisdem  oratoribus  omnia  in  consilio  Augu- 
stensi  tractata  et  conclusa  non  aliter,  quam  si  consilio  inter- 
fuisset,  inter  alia  diem  ac  mensem,  quibus  Ferdinandus  in  Ro- 
manum  regem  esset '  eligendus  designaudo  principes,  qui  eandem 
electionem  impedire  conati  fuerint;  quid  ex  talibus  fabulis  boni 
sperandum  de  re  Christiana,   non  satis  intelligo. 

Lutherani  apud  nos  multum  laborant  pro  abditione  missae, 
nee  ut  arbitror  desistent,  donec  obtinueriut.  Augustenses  hoc 
anno  amouerunt  a  senatu  socerum  Anthonii2  Fucheri,  uirum  pium 
ac  prudentem    non  ob  aliud,   quia  noluit  adhaerere  Lutheranis. 

Ista  uohii  tibi  signiticare  (!)  non  ob  aliam  causam,  nisi 
ne  Polyphemus  sine  meis  literis  ad  te  rediret.  Cui  precor 
omnem  felicitatem.    Ex  Dillingen  10.  Aprilis  anno  MDXXXI. 

Tuus  episcopus 

Aussen:  Augustensis. 

Excellcntissimo  theologo  Erasmo  Roterodamo  Amico  ex 
animo  dilecto. 

Friburgi. 

Von  anderer  Hand:   10.  April  1531. 

Turca 


T^T  i.      /.VI     1  electione  Ferdinandi 
Notra  (!)  de      .  ^ 

in  regem   liomanum 

negotio  religionis  Augustae. 
Autograph  aus  dem   Codex  Hist.  47  der  königl.  Bibliothek  zu  Stuttgart 
fol.  -jff. 


'  Die  Hs.  hat  esse. 
2  Die  Hs.  Athonii. 


Erasmianii.    I.  447 

Freiburg  im  Breisgau.  X\  IL  April  1531. 

Erasmus  an  Viglius. ' 

S.  P.  Utinam  esset  aliquid  mi  Vigli,  qiiod  hie  tibi  possim 
polliceri,  tuis  uirtutibus  dignuni.  Zasio  scripsi,  nee  enim  aliter 
colloquimur,  respoudit  chzk  yp'J  idque  praeter  morem  suuin.  Si 
quid  illi  accideret^  arbitrur  successuruin  Bonifaciuni  Ainerba- 
cbium.  Nee  ulla  uocat  hie  iiuue  professio.  De  Cannio^  noliin 
de  posthac  meaiinisse.  Excusat  se  per  litteras  atque  etiam 
incusat.  lam  sacrilicus  factus  est;  nulim  superioris  ufFensae 
uestigium  superesse  posteaquam  iam  est  alius. 

Me  uehementer  delectauit  tarn  honorificum  Alciati  ^  de  te 
testimonium.   Ego  sane  praeclarius  arbitror  a  tali  uiro  laudare, 


'  Viglius  ab  Ayta  (Zuichenius)  war  ein  Friese.  Er  wurde  am  19.  October  lüU7 
geboren,  als  Sprössling  eiues  hochadeligen  alten  Geschlechtes.  Er  studirte 
in  Löwen,  Dole  die  Rechte,  wurde  1529  zu  Valence  Doctor  legum, 
später  Professor  zu  Bourges  und  Padua,  dann  Official  des  Bischofs  zu 
Münster,  Assessor  beim  Kammergerichte  zu  Speier  (1535),  1537  au  die 
Universität  Ingolstadt  berufen,  wo  er  mit  grossem  Rulime  lehrte.  Von 
vielen  Fürsten  begehrt  und  gesucht,  wurde  er  zu  Gesandtschaften  benützt, 
war  k.  Commissär  in  der  Sache  des  Erzbischufs  von  Köln,  Hermann  von 
Wied  (cf.  Ranke  deutsche  Geschichte  IV  f.),  war  dann  geheimer  Rath  der 
Statthalterin  Marie  in  den  Niederlanden,  stieg  immer  höher  und  starb 
als  Präsident  des  Staatsrathes,  Siegelbewahrer  und  Kanzler  des  goldenen 
Vliesses  am  8.  Mai  1577  zu  Brüssel.  Ueber  seine  Schriften  cf.  Gesner 
Bibliotheca,  Franc.  Swertii  Athenae  Belgicae.  Burscher  Spicilegium  X. 
Es  existiren  mehrere  Briefe,  die  den  Verkehr  des  Viglius  mit  Erasmus 
bezeugen.  So  der  erste  schüchterne  Schülerbrief  (Opera  1156  a.  15"29), 
in  dem  Viglius  dem  Erasmus  verspricht,  ihn  gegen  dessen  Feinde  ver- 
theidigen  zu  wollen,  worauf  dieser  fein  ablehnend  antwortet:  malim  te, 
mi  Vigli,  in  Musarum  uiretis  ludere  quam  cum  Carcinis  et  Planodor[)iis 
conflictari  (1160).  Dabei  ist  aber  Erasmus  ausnehmend  artig  gegen  den 
Jüngling,  den  er  sogar  einlud  und  dem  er  in  unserem  Briefe,  in  dem 
er  ihm  freilich  die  Hoffnung  auf  eine  Berufung  nach  Freiburg  (um  1531) 
benimmt,  ein  glänzendes  Loos  propiiezeit.  Später  warnt  er  ihn  vor  dem 
Ciceroniasmus  (Opera  III.  143Ü)  und  unterrichtet  ihn  über  seine  Fehden 
und  Antipathien  (Opera  III.  1754,  1756,  1759).  Viglius  gibt  ihm  hin- 
wiederum Nachrichten  über  die  wiedertäuferische  Bewegung  und  ihren 
Ausgang  (Spicileg.  X.  6.  8.  ff.).  Cf.  das  treffliche  Buch  von  Stintzing: 
U.  Zasius  290. 

2  Die  Hs.  hat  Canio. 

^  Ueber  den  berühmten  Alciat.  Stintzing:    Zasius. 


448  Horawitz. 

quam  inaurari.  Non '  sie  potent  istis  ingenii  dotibus  deesse 
splendida  fortuna.  Sed  suum  quaeque  tempus  habent  et  ut 
Theocritus  ait:  Tic  y.v*  hipioc  ia  ok  Y'-Vve-ai  iv  /£'.[xöjv.  Bene  uale. 
Postridie  id.  Aprilis   1531.    Friburgi  Brisgauorum, 

Erasmus  Rot. 
mea  manu. 


In  Script.     Ornatissimo  Juueni  Viglio  Phiysio    apud  Bi- 


turiges. 


Adscripsit  Viglius:  Accepi  Biturigibus  anno  1531.  18.  Maii. 

An.s   der   Papenbr.   Nr.  2   der  Bibl.  Acad.  Lugd.  Bat.   durch   die  Güte 
des  Herrn  Dr.  v.  Rieu  abschriftlich  erhalten. 


Freiburg?  XVIII.  1.  November  1.5.S1. 

Erasmus  an  Johannes  Choler. 

S.  P.  Male  sit  isti  chiragrae  et  alio  demigret  ad  tali 
dignos  malo.  De  Fuggeri  animo  nihil  unquam  dubitaui.  In  hoc 
nido  hibernandum  est,  prorsus  expecto  grauem  tragoediam. 
Hieronymus  Aleander  archiepiscopus  nunc  est  apud  Caesarem 
legatus  cum  plenissima  potestate,  nee  dubito  quin  fuerit  Lu- 
tetiae et  hanc  Camarinam  mouerit  apud  Theologos,  ut  ederent 
suas  determinationes.  Eodem  tempore  adfuit  illic  Eccius;  qui 
quod  istic  subito  ceperit  ita  saeuire  in  me,  non  dubito  quin 
fecerit  Aleandri  litteris  irritatus.  Aleander  quum  ante  annos 
ferrae  nouem  adferret  bullani  aduersus  Lutherum  hoc  animo 
uenit,  ut  prius  perderet  Erasmum,  quam  quicquani  ageret  ad- 
uersus Lutherum  nee  eiusmodi  uoces  continuit.  Ac  tum  quidem 
adnisus  est  pro  uiribus,  ut  me  extingueret,  sed  non  successit. 
Nunc  irritatior  est,  quod  in  bis,  quibus  respondeo  Alberto  Pio  - 
subinde  taxatur  nemine  diplomatophoro.  Quidam  aulicus  Caesari 
ualde  familiaris  subindicauit  mihi  hos  prineipum  conuentus  et 
eruditorum  consultationes    nihil    esse    nisi   ceremonias,    eeterum 


•  Ist  doch  wohl  non  und  nicht  nos  zu  lesen,  wie  der  Text  hat. 

2  Albertus  Pius,  Fürst  von  Carpi,  Todfeind  Luther's,  gerieth  in  einen 
heftigen  literarischen  Kampf  mit  Erasmus.  Sehr  genaue  Darstellung  des 
Streites  bei  Hermann  von  der  Hardt  (Ilist.  lit.  Reformat.  p.  I.   107.  180). 


Erasmiana.  I.  44«? 

per  occultos  ueredarios  omnia  geri  ex  praescripto  pontificis. 
Plus  '  Albertus  et  Aleander  erant  una  auinia  et  iitrunque  -  plu- 
rimi  facit  pontitex.  Carolas  parat  colloquium  cum  regibus  Gallo 
et  3  Anglo.  Spirense  collegiuin  euanuit  nee  dubium  est,  quin 
haec  omnia  tiant  ex  praescripto  pontiticis,  qui  Cardinales  omnes 
conuocauit  Romam  ad  natalem  Christi.  Hac  uia  uisum  est 
sopire  orbis  dissidia.  Excursus  est  Lutetiae  liber  famosus  ac 
simpliciter  furiosus  ficto  titulo  Julii  Caesaris  Scaligeri.  '  At  ego 
illie  phrasim  Aleandri  non  minus  agnosco,  quam  noui  taciem. 
Non  sum  tarn  stupidus,  ut  non  intelligaui  quorsum  tendant 
haec  proelia.  Habeo  Aleandrum  apud  Caesarum,  Bedam  Lu- 
tetiae, Leum  in  Anglia,  Eccium  in  Germania,  Luscinium  apud 
Ferdinandum  Monachos  ac  Theologos  plerosque  ubique.  Ex- 
pectamus  exitum  fabulae,  quam  utinam  dominus  uelit  esse 
felicem.  Censuras  facultatis  Theologiae  Parisiensis  quanquam 
sunt  ineptissimae  ac  simpliciter  calunmiosae,  hoc  consilio  cura- 
rant  edendas,  ut  principibus  dicere  possint :  Ecce  iudicium 
summae  facultatis  de  Erasmo.  Luscinius  '  aestate  superiore  in- 
uisit  Galliam  et  collocutus  est  cum  Sadoleto,  episcopo  Carpen- 
toratensi.  Is  communicauit  Luscinio  quoddam  arcauum  de 
opprimendis  sectis.  Id  Luscinius  iactauit  Basileae.  8uspicor 
huius  occasione  accitum  ad  Ferdinandum.  Censuris  Theologorum 
iam  respondi.  Curabo  excudeudas.  Quanquam  ibi  nihil  est,  id 
quod  non  decies  responderira  Leo,  Bedae,  Pio  etc.  Haec  mi 
Choleri  nolim  spargi  in  uulgus,  poteris  tarnen  si  uidetur  signi- 
ficare  R.  D.  episcopo  Augustensi.  Bene  uale.  L  die  Nouembris 
153  L     Remos  salutatis  amanter,    quibus  scribam  breui  uolente 

Christo, 

Erasmus  Rot.  tuus  ex  tempore 

Ornatissimo  uiro  D.  D.  Joanni  Cholero  praeposito  Curiensi. 


Tengnagel:  Erasmi  epistola. 

Aus  dem  Cod.  Pal.  Vindob.  9737.  c.  f.  9. 


Augustae  Vindel. 


'   ,et'  ausgestrichen. 

-  ,uel'  ausgestrichen. 

3  ,rege'  ausgestrichen. 

*  Veranlassung  zu  dem  wütheuden  Ausfalle  des  Joli.  Scaliger  gab  Erasmus' 

Urtheil  über  die  Cicerouiaaer.  Cf.  Hess  Erasmus  11.  38U.  fl*. 
^  Hier  ist  etwas  ausgestricheu :  ,anno'? 


450  Horawitz. 

Dillinffen.  XTX.  2.  Januar  1532. 

Christoph  von  Augsburg  an  Erasmus. 

Salutem  p.  d.  Misit  ad  me  Cholerus  literas  a  te  ad  ipsum 
scriptas,  e  quibus  intelligo,  Theolog-os  Parisienses  nonnullas 
contra  tua  scripta  emisisse  determinationes.  Hucusqiie  non  potui 
nancisci  exeniplum,  unum  abs  te  peto,  ut  in  responsione  eos 
tractes  pro  meritis  ac  propriis  dcpingas  coloribus.  Quid  boni  in 
tantis  iidei  dissidiis  scripserint,  non  uideo.  Nee  arbitror  in  istis 
aduersum  te  caluraniis  aliud  quam  conclusiones,  illationes  ac 
corolaria  scripsisse. 

In  tuis  nouis  epistolis  folio  13'^  ad  Cutbertum  Tonstallum ' 
inter  alia  scribis  haec  uerba:  deinde  constat  temporibus  apo- 
stolorum  fuisse  synaxim,  quam  laici  inter  se  faciebant  adhibita 
precatione  et  benedictione  et  eum  panem  appellabant  corpus 
domini  et  cetera.  Sunt  quidam,  qui  de  hoc  dubitaut,  idcirco 
uelis  indicare  locum,  unde  hoc  probari  ualeat.  De  Oecolam- 
padio  uai'ii  apud  nos  sparg-untur  rumores,  nonnuUi  asserunt 
ipsum  in  tumultu  occubuisse,  alii  a  mulieribus  occisiim,  quidam 
uero  referunt  morbo  periisse,  uarietas  rumorum  praestat  in- 
dicium  nullum  horum  inniti  ueritate.  De  Pontitice  ac  Caesare 
penitus  nihil  habemus,  quid  nobis  paritura  sit  dieta  Ratis- 
ponensis  exspectabimus.  Utinam  Christus  dig-netur  interesse, 
ut  tandem  aliquid  dignum  Christiano  nomine  concludatur,  qni 
tibi  semper  assistere  dignetur.  Vale.  Ex  aedibus  uostris  Dil- 
lingae  2.  Januarii  anno  1532. 

Tuus  Episcopus  Augustensis. 

Aussen: 

Erasmo  Roterodamo  theologo  amico  suo  summo. 

Von  anderer  Hand: 

Episcopus  Augustensis. 

1.  Inuehitur    in    scripta   Theologorum    Parisiensium,    quae 
contra  Erasmum  ediderunt. 

2.  Quaedam  Erasmi  de  coena  DOMINI  uituperat. 

3.  Rumores  uarii  de  obitu  Oecolampadii. 

2.  Januarii  1532. 


1  Tonstall  Cuthbert,  Bischof  von  London,  war  ein  alter  Freund  und  Mäcenas 
des  Erasmus. 


Grasmiana.  I.  40l 

Dillingen.  XX.  4.  April  1533. 

Christoph  von  Augsburg  an  Erasmus. 

S.  p.  d.  Accepi  tuas  litteras  una  cum  symbnlo  ac  nouis 
Chrysostomi  homiliis  '  (1.)  legam  et  postea  singuificabo  (!)  iudi- 
ciuni ;  sed  quid  opus  est  iudicio,  quum  nihil  abs  te  exeat,  quin 
sit  ex  omni  parte  perfectum,  hoc  omnes  docti  palam  atte- 
staiitur  paucis  cerebrosis  theologis  ac  monachis  demptis,  qui 
quidem  per  hoc  nihil  aliud  efficiunt,  quam  quod  propriam  dete- 
ffunt  stultitiam. 

(2.)  Rumor  est,  regem  Ferdinandum  cum  suo  aduersario 
de  consensu  Turcae  concordatum,  (de)  quibus  conditionibus  adhuc 
nihil  certum  habemus,  nisi  quod  Ungaria  remaneat  penes  Fer- 
dinandum,   omni    hora    expectamus    totum   tenorem  concordiae. 

(3.)  Augustenses  iam  multo  tempore  consultarunt  de  missa 
et  imaginibus  instigantibus  eorum  predicatoribus.  Timendum  est, 
ne  expellant  missam  et  imagines  una  cum  toto  clero. 

(4.)  Nowerenberges  in  hoc  mutauerunt  missam,  quod  non 
celebrant  nisi  adsint  communicantes  ^  nee  demonstrant  sacra- 
mentum  populo  prout  antea  consueuerunt, 

(5.)  Pontifex  de  consilio  genei-ali  inducendo  scripsit  ad 
circulos  Germaniae  prout  in  cedula  tuis  introclusa  continetur, 
pari  forma  imperator  Germaniae  scripsit,  tamen  nunc  audio, 
nihil  aliud  fuisse  quam  uerba. 

(6.)  Quantum  ad  errores  Cardinalis  Caetani  (7.)  attinet, 
crederem  primam  propositionera  scilicet  licitum  uiro  fornicante 
uxore  ducere  alteram  uerissimam  per  expressum  sex  (!)  Matthaei 
11.  9.  cuius  uerba  sunt:  si  quis  dimiserit  uxorem  nisi  causa 
stupri  et  alteram  duxerit,  adulterium  committit,  ergo  si  stupri 
causa  ipsam  dimittit  et  alteram  ducit,  non  committit  adulterium. 
Non  uideo  quis  alius  sensus  possit  ex  iis  uerbis  elici,  modo 
non  obstat  Paulus  Corinth  (7.)  dum  dicit:  non  ego  sed  dominus 
.  .  .  ubi  uidetur  iubere  quod  praeter  ullam  causam  liceat  uiro 
dimittere  uxorem  et  alteram  ducere  quare  uerba  Pauli  sunt 
intelligenda  secundum  mentem  Christi  in  praeallegato  loco  Mat- 


'  J.  Chrysostomi    Homili.-ie    aliquot    ad    pietateni    siunniopere    conducentes 

nunc  priinum  versae  et  edit.  per  E.  R.  Basileae,   1533,  8. 
2  Christoph  von  Stadion  schreibt  ,comonicantes'. 


4o2  Horawitz. 

thaei  1.  9.  dicunt  iureconsulti^  quod  dictum  doctornm  sit 
intollig-enduiii  secundum  leg-eni,  qiiani  allegat  sanctus  Paulus 
ubi  supra  dum  dicit  uon  ego  sed  dominus  demonstrat 
lücum  Mattliaei  1.  9.  (8.)  ut  retulerunt  theologi.  Sequitur  igitur 
quod  secundum  eundem  locum  uerba  Pauli  sint  intelligenda  et 
Christus  '  excepit  causam  stupri  ergo  eandem  uidetur  excepisse 
et  Paulus,  pro  hoc  faciunt,  quae  tu  multum  erudite  scripsisti 
in  supputationibus  aduersus  Natalem  Bedam.  (9.) 

(10.)    Confessionem    auricularem    non    esse    institutam    a 

Christo eandem    opinionem    tenent  Canonistae    in    causa 

omni  utriusque  sexus  de  peccato  -  et  remissione  '^  ubi  Panor- 
mitanus  Gratianus  multos  refert  eandem  teneutes  opinionem. 
In  causa  ^  porro  de  peccato  •"  et  gratia ''  faciunt,  quae  tu  copiose 
pro  hac  parte  scripsisti  in  apologia  aduersus  Leum  (11.)  super 
locum  actorum  1.  9.  annunciantes  actus  suos  et  omnes  auctori- 
tates  ac  rationes  quae  pro  altera  parte  solent  adduci  parum, 
faciunt  et  nihil  probant  meo  iudicio. 

(12.)  Melius  esse  quod  orationes  dicantur  in  lingua  uulgari 
in  ecclesia  quam  lingua  Latina  crederes  uerissimum,  cum  per 
hoc  intentior  ac  maior  redderetur  auditorum  ac  interessentium 
deuotio,  nee  uerbum  Dei  ad  unam  autalteram  sermocinationem 
est  allegatum  quid  igitur  obstat,  quin  omni  lingua  possit  pro- 
nunciari. 

(13.)  Quantum  ad  coelibatum  '  clericorum  attinet  crederem 
expedire  ut  ipsis  permitteretur  matrimoni  contractus  nee  uideo 
micam  rationis  cur  id  fieri  non  debeat  aut  non  possit,  hoc 
consuluit  Panormitanus  in  eanone  ^  cum  olim  declarat  con- 
iugium  nisi  quod  ibidem  fuit  in  eodem  errore,  in  quo  nunc 
plures  sunt  uidelicet  quod  actum  saeerdotibus  non  possit  per- 
mitti   propter  uotum,  quod  sit  de  jure  diuino,  quod  tamen  meo 


'  Stadion  schreibt  ,Cristus'. 

2  Der  Codex  liat  nur  ,pe/'. 

3  Codex  ,re/'. 
*  Codex  ,c'. 

5  Siehe  Note  2. 

6  Codex  ,g"'. 

■^  Stadion  schreibt  ,celebatum'. 

8  Der  Codex  hat  nur  ,c'. 


Ernsmiana.   I.  453 

iiulic'io  nequaquain  obstat,  cum  iuramentum  non  minus  sit  de 
iure  diuino,  quam  uotum  et  tarnen  si  quis  decein  praestitisset 
iuramenta  de  non  contrahendo  et  contraheret,  ualeret  matrimo- 
nium  Omnibus  iuramentis  non  obstantibus,  hoc  modo  disponunt 
iura  Cauonica,  cur  igitur  non  idem  iuris,  si  quis  contra  uotum 
contraliat,  cum  uotum  non  raaiorem  uim  habeat  de  iure  diuino, 
quam  iuramentum  et  si  quid  ultra  habet  a  iure  positiuo  ergo  ' 
istud  ius  potest  tollere  quuui  illius  sit'-^  tollere  cuius  est  et 
condere.  Cur  igitur  non  tollit  cum  tot  praegnantes  rationes  sint 
prae  manibus ,  ut  resistentes  uix  a  calumnia  excusari  possint. 
Utrum  discordia  orta  inter  coniuges  huiusmodi  sine  spe 
remedii  sit  rationabilis  causa  dispensandi  ut  scilicet  uterque 
cum  aliis  contrahat  conjugium  consensu  accedente  non  ausim 
hoc  affirmare  propter  hoc  dictum:  quod  Deus  coniunxit  horao 
non  separet.  Illud  tarnen  mihi  uidetur  si  uire  diuino  tieri 
posset  quod  sibi  usurpat  ecclesia,  uidelicet  quod  matrimonium 
legitime  contractum  ante  subsecutam  copulam  praeter  ingressum 
unius  coniugum  religionem  dissoluit  quod  in  casu  praeposito 
idem  fieri  possit  cum  adsit  efiicacior  dissolutionis  causa.  Sed 
apud  me  non  est  sine  dubio,  an  ecclesia  matrimonium  legitime 
contractum  praeter  ingressum  vitae  genus  possit  dissoluere, 
quum  nusquam  in  literis  diuinis  reperiatur  hanc  potestatem 
ecclesia  traditam.  Haec  de  Caietani  sentio^  erroribus  quae 
tum  omnia  tuo  submitto  iudicio,  cui  precor  bonam  ualetudinem 
Datum  apud  Dillingam  4.   Aprilis.  Anno   1533. 

tuus 

CristofForus 
Episcopus  Augustensis. 

Autograph  ans  dem  Cod.  Hist.  47  der  königl.  J3ibliotliek  zu  Stuttgart. 
Fol.   7.  ff. 


'  ,et'  au.sgestrichen. 

2  Wie  oben. 

3  Stadiou  schrieb  ,sensio'. 


454  Horawitz. 

Wien.  XXI.  27,  April  1533. 

Bernardus  EpiscopuH  Tridentinus  an  Erasmus. 

Venerabilis  in  Christo,  egregie,  nobis  sincere  dilecte. 
Quod  ob  absentiam  nostram  antea  peragere  nequiuiruus,  nunc 
postremis  literis  uestris  adnioniti  pro  Glariano  '  uestro  quin- 
quaginta  florenos  et  pro  persona  uestra  triplicatum  munus  a 
Regia  Maiestate  obtinuimus.  Verum  quum  hoc  tarnen  non  con- 
tenti  fuerimus  in  praecipui  amoris  signum,  quo  uos  semper 
prosecuti  fuimus,  ultra  iHud  ex  nostris  quinquaginta  florenos 
uobis  dono  mittimus,  ut  in  totum  200  florenorum  munere  gau- 
dere  possitis,  neque  ob  id  uobis  persuasum  esse  uolumus,  Stu- 
dium nostrum  antehac  uobis  defuturum  esse,  quum  uobis  cordi 
sit,  quibuscunque  in  rebus  possimus,  ita  uobis  gratificari  uelle, 
ut  officium  nostrum  expectationi  uestrae  correspondeat.  Viennae 
die  XXVII.  Aprilis  M.  D.  XXXVII. 

Bernardus  miseratione  diuina. 

S.  R.  C.  Cardinalis  et  Episcopus  Tridentinus. 

Aussen  als  Adresse : 

Venerabili  in  Christo,  egregio,  nobis  sincere  dilecto 
Domino  Erasmo  Roterodamo  Sacrae  Theologiae  Professori. 
Friburgi. 

Aus  dem  Cod.  hist.  Stuttgardiensis  47.  Fol.  7  fi". 
Als  Note  von  anderer  Hand: 

Episcopus  Tridentinus  Erasmo  nummos  mittit  partim  sua 
liberalitate,  partim  Ferdinandi  Regis  munificentia. 

Autograph  aus  dem  Cod.  hist.  Stuttgardiensis  47.   Fol.   11. 


1   Es   ist    natürlich    Heinrich   Loriti  Glareanus    der  Freund  Zwingli's,   Rhe- 
nanus  u.  A.  gemeint.  Cf.  H.  Schreiber  H.  Glarean.   1837. 


Krasiuiiinu.    I.  405 


AXII.  s.  1.   i'l  anno.' 

Erasraus   Roterodamus  Nicoiao   Ellenbogio  -   suo   fratris   viice 

dilecto.  s.  d. 

Hieronyiuus  ad  proximuni  auctuninum  absoluetur.  Nouura 
testamentum  praecipitatum  est  uerius  quam  editum,  3  ut  in  hoc 
sane  genere  superiores  omnes  uicerimus.  Quod  nostris  nugis 
delectaris,  aino  ttium  candorcm  et  studiuiu  orga  ine  tuum  am- 
plector;  laudeni  nihil  nioror.  Hoc  gratius  fuerit,  si  Christo  me 
commendas,  a  quo  pruhari  uera  felicitas  est.  Tua  phrasis  sim- 
plex,  aperta,  puraquo  et  ingenii  simulacrum  prae  sc  ferens  me 
uehementer  delectauit.  Si  iudicabis  laborem  nostrum,  quem  in 
jioui  testanienti  editione  insumpsimus  utilem  fore  ad  rem  Chri- 
stianam,  fac  et  alios  ad  idem  inuites  Studium.  Bene  ualc, 
Nicolae  carissime. 

Aus   dem    Cod.    Ottobnr.    epist.    100   libri   soc.    pag.    168''.     Dureli    den 
Herrn  Bibliothekar  von  Ottenbenren  gütigst  übermittelt. 


1  Ans  inneren  Gründen,  vor  Allem  ans  dem  ersten  Satz  schliesse  icli,  dass 
dieser  Brief  ins  Jalir  lölO  oder  1517  gehört. 

2  Nicolans  Ellenbog  (über  ihn  vgl.  L.  Geiger  Vierteljahresschrift  für 
kathol.  Tlieologie  von  Wiedemann  1«70,  Nachtrag  ebenda  1871),  Tlieolog, 
Vertheidiger  Keuchlin's,  trat  später  gegen  die  Reformation  für  das 
Mönchsleben  ein,  als  Mönch  zu  Ottobeuern  starb  er  154.S.  Ein  Brief  des 
Mönches  voll  Devotion  gegen  Erasmus,  dessen  Herold  er  sein  wolle 
(schon  vom  30.  März  1516),  ist  abgedruckt  in  Opera  Erasmi  IH.  1.554: 
dieser  ist  oft"enl)ar  die  Antwort. 

3  Erschien  1510.  Ellenbog  bat  1.  c.  um  ein  Exemplar  des  N.  T. 


Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  111.   lllt.  30 


45G  Horawitz. 

Leyden.  .  XXIII.  2.  Anglist  152  ?» 

Erasmus  an  Johannes  Lange. 

Eximio  theologo  Joanni  Langio.  2 

S.  p.  Vir  optime,  Lei  ^  me  miseresceret,  ni  tarn  uirulenter 

se   gessisset, '    etiam   a    suis  Anglis.     Habet    et 

Hispania  Lciim  altenim.    Zuniga  quidam  ■' ''  librum  ut 

audio  satis  uirulentum  aduersus  Fabrum  ae  me.    Uetuerat  Car- 
dinalis Toletanus  "  defunctus.  Eo  mortuo  prodidit "* 


1  Ich  nehme  an,  dass  der  Brief  in  das  Jahr  1520  oder  1521  gehört,  da 
Stiinica's  Anfall  1520  erfolgte. 

2  Ich  nahm  iirsprünglich  Anstand,  in  Johannes  Lange  den  Erfurter  zu 
sehen,  der  zn  dem  mntianischen  Kreise  gehörte  und  später  so  ent- 
schieden zu  Luther  hielt.  Doch  ist  die  Beziehung  zu  Jonas  Ceratinus 
und  Andern,  die  erasmische  Begeisterung  des  ganzen  Freundeskreises, 
vgl.  Kamp  schulte  Univ.  Erfurt  I.  242.  244.  258,  sowie  das  ange- 
nommene Jahr  1520  so  vereinbar  mit  der  Annahme,  dass  Lange  von 
Erfurt  es  ist,  an  den  dieser  Brief  gerichtet  ist,  dass  ich  auch  an  dem 
Umstände  keinen  Anstoss  nahm,  dass  kein  einziger  Brief  von  Erasmus 
an  oder  von  Lange  an  diesen  vorhanden  ist.  Oder  sollte  es  der  Leipziger 
Theolog  Johannes  Lange  sein,  der  die  Disjiutation  zu  Leipzig  mit  seiner 
Rede  beschloss?     Audi  für  diese  Annahme  sprechen  einige  Grüiule. 

^  Eduard  Lee  und  dessen  literarische  Fehde  sind  zu  bekannt,  als  dass 
hier  weiter  darauf  eingegangen  werden  müsste.  Lee  starb  als  Erzbischof 
von  York  1544.  Zxi  der  obigen  Stelle  sei  nur  erwähnt,  dass  die  Angrifle 
der  Freunde  und  Anhänger  des  Erasmus,  die  eine  eigene  Sammlung 
Epist.  erudit.  uirorum  de  Lei  uirulcntia  veranlassten,  auch  von  den 
eigenen  Landsleuten  Lee's  gebilligt  wurden.  Man  betrachtete  es  als  eine 
Schande  für  England,  dass  Lee  in  diesem  Lande  geboren  sei. 

Ein  Brief  des  Johannes  Sapidus  von  Schlettstadt  an  Lee  ist  auf- 
fallend durch  die  Aehnlichkeit  der  Eingangsworte  mit  jenen  des  vor- 
liegenden Briefes. 

*  Man  würde  erwarten:  ,ita  tractatur,  dire 'tractatur',  doch  ist  es  graphiseli 
nicht  haltbar. 

^  Zuniga,  oder  wie  er  gewöhnlich  genannt  wird  Stunica  (Jac.  Lopez)  war 
einer  der  allererbittertsten  Gegner  des  Erasmus,  von  dessen  Bekämpfung 
ihn  nur  der  Cardinal  von  Toledo  —  Ximenez  —  abliielt. 

"  custodit? 

''  Ximenez  starb  8.  November  1517. 

s  ,suum  uenenum  ?'  oder  ,suam  uesaniam'. 


Erasmiana.  I.  457 

Opus  nondum  uidi.  Li  caueat,  ne  liber  ucniat  in  manus  meas. 
Nescio  quem  finem  hie  tuinultus  sit  habiturus.  Nam  omnino 
res  ad  seditionein  speetat,  a  qua  semper  abhorrui.  Si  neeesse 
est,  ut  oi'iantur  scandala,  eerte  a  ine  profusa,  deuotis  animis 
couspirant  isti  ae  summuruni  reihum  aulas  oppug-nant  ac  uereor 
ne  expug-nent.  De  Philippu  Oecolanipadio  quae  iani  cogno- 
ueraui  ex  alioruni  litteris,  utranique  epistolani  tuaui  recepi. 
Bene  ualc  uir  in  doniino  milii  colende. 
Lugduni  postridie  eal.  Augusti. 

Erasmus  ex*  animo  tuus. 

Autograpli  im  Besitze  des  Herrn  Dr.  W.  Höhne  in  Dresden,  der 
die  grosso  Güte  liiitte,  dasselbe  au  mich  zu  senden.  Leider  ist  die  Sclirift 
des,  wie  es  scheint,  in  grosser  Aufregung  geschriebenen  Briefes,  so  schlecht, 
dass  es  viele  MüIie  kostete,  das  Vorliegende  zu  entziffern.  Bei  den  drei 
Lücken  blieb  aber  ich,  sowie  eine  Zahl  sehr  kundiger  Fachleute  völlig  auf 
Vermuthungcn  beschränkt. 

Beilage. 

Herzog  Georgs  erster  Brief  an  Erasmus. 

(Bei  Seide  manu  Beiträge  zur  Keformationsgoscliichte.  2.  Heft,'  S.  69.) 
(Eigenhändige  Niederschrift.  Oline  Zeitangabe.) 

Cum  de  te  lania  ad  me  perucnit  qua  superemines  omnes 
almanos  ceterasque  uacioues  tum  sciencia  cum  doctrina  folgeas 
ita  utt  tu  prae  omnibus  lumen  mundi  merito  dici  possis  in 
dies  animus  creuit  tantum  uidere  de  quo  talia  dicuntur  ut  et 
uisus  lioc  frueretur  pabulo  quo  auditus  iam  dudum  refectus 
est,  sed  quia  oportunitas  mihi  usque  huc  data  non  est  ut  scircm 
ubi  maneres  tc  uisitare  non  ualui  nunc  autem  te  per  iuclitum 
Teodericum  de  Wertern  iurium  doctorem  subditum  et  fami- 
liärem meum  hisque  meis  inpolitis  litteris  hac  ruda  latinitate 
mea  te  uisitare  non  erubesco  hie  tibi  asseret  afiectum  sum- 
mumque  desiderium  meum  huic  credas  rogo  ne  frustra  cum 
de  te  mittas  uale  feliciter. 


1  Ist  in  Wien  in  keiner  Bibliothek  aufzutreiben,  icli  erhielt  es  aus  Dresden 
durch  die  Gefälligkeit  des  Herrn  Directors  der  Hof  bibliothek  Dr.  Förste- 
raann. 

30* 


XIII.  SITZUNG  VOM  15.  MAI  1878, 


Se.  Excellenz  der  Herr  Curator-Stellvertreter  Ritter  von 
Schmerling  theilt  mit,  dass  Se.  kais.  Holieit  der  durclilaucli- 
tigste  Herr  Curator  der  Akademie  die  feierliclie  Sitzung  am 
29.  Mai  d.  J.  mit  einer  Ansprache  eröffnen  werde. 


Se.  Excellenz  der  Herr  Curator-Stellvertreter   übermittelt 
ferner  das  , Militär-statistische  Jahrbuch  für  1874',  IL  Theil. 


Der  Vicepräsident  der  Akademie  Herr  Hofrath  von  Arneth 
überreicht  ein  Gesuch  um  eine  Subvention  behufs  der  Vollendung 
des  von  dem  verstorbenen  Legationsrathe  Alfred  Ritter  von 
Vivenot  begonnenen  Quellenwerkes,  welches  die  wichtigsten 
Acteustücke  zur  Aufhellung  der  Politik  Oesterreichs  von  1792 
bis  1801  mitzutheilen  bestimmt  war. 


Von  Herrn  Theodor  Gärtner,  Professor  an  der  k.  k.  Staats- 
unterrcalschule  im  fünften  Bezirke,  wird  ein  druckfertiges  Manu- 
script,  betitelt:  ,Die  Grediier  Mundart,  von  den  wichtigsten 
spi'achvvissenscliaftlichen  Gesichtspunkten  aus  dargestellt'  mit 
dem  Ersuchen  um  Gewährung  eines  Druckkostenbeitrages  ein- 
gesendet. 


459 

Das  w.  M.  Herr  Dr.  Pfizmaier  legt  eine  für  die  Sitzung-s- 
berichte   bestimmte  Abhandlung:    ,üer    Pulast  Josi-teru's'    vor. 


Das  c.  M.  Herr  Professor  Dr.  Benudorf  in  Wien  über- 
sendet eine  Abhandlung  des  Herrn  Dr.  Wilhelm  Klein  in  Wien, 
welche  betitelt  ist:  ,Euphroniüs.  Eine  Studie  zur  Geschichte 
der  griechischen  Malerei'  um  deren  Aufnahme  in  die  Denkschriften 
angesucht  wird. 


Von  Herrn  Dr.  J.  Strobl,  Universitäts-Professor  in 
Czernowitz,  wird  eine  Abhandlung  unter  dem  Titel:  , Berthold 
von  Regens  bürg  und  der  Schwabenspiegel'  mit  dem  Ersuchen 
um 'ihre  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte  eingesendet. 


»An  Druckschriften  wurden  vorgelegt : 

Akademie  der  Wissenschaften,  ungarische:  Ertekezesek  a  nyelv-  es  szeptu- 
domänyok  köreböl.  V.  Kötet.  No.  1—10.  Budapest,  1875/76;  8^.  — 
VII.  Kötet.  No.  1  u.  2.  Budapest,  1877;  8". 

—  —  Ertekezesek  a  törteuelmi  tudoini^nyok  köreböl.  V.  Kötet.  No.  2 — 6. 
Budapest,   187Ü— 70;  8'\  VII.  Kr.tet.  No.   2  —  4.  Budapest,   1»77 ;  S'\ 

—  —  Munuaienta  Ilungariae  historica.  I.  Abthcilung.  25.  Band.  Budapest, 
1876;  8«.  II.  Abtheilung.  Scriptores,  11.,  21.,  28.  u.  29.  Band.  Budapest, 
1877;  80.-    IV.  Abtheilung.  1.— 4.  Band.  Budapest,  1876;  8". 

—  —  Ertekezesek  a  tarsadalnii  tudoniüiiyok  köreböl.  III.  Kötet.  No.  7,  8 
u.  i).  Budapest,  1875;  8'J.  IV.  Kötet.  No.  1,  2,  3,  8  u.  9.  Budapest, 
1876—77;  8". 

Evköiiyvei.  XVI.  Kötetenek,  1.  Heft.  Budapest,  1877;  i'\ 

Arehaeologiai   Ertesitö.    IX.    Kötet.    Budapest,    1875;    8'\    X.    Kötet. 

Budapest,   1876;  8«.    XI.  Kötet.  Budapest,  1877;  8". 

—  —  Arehaeologiai  Közlemenyek.  X.  Kötet.  1.  Heft.  Budapest,  1865;  4". 
XI.  Kötet.  1.  u.  2.  Heft.    Budapest,   1877;  4«. 

—  —  Ertesftöje.  9.  Jahrgang.  Nr.  13  bis  17.  Budapest,  1875;  8«.  10.  Jahr- 
gang, Nr.  1  —  6.  Budapest,  1876;  8».  11.  Jahrgang.  Nr.  12  —  17.  Budapest, 
1S77;  8". 

_.  _  Magyarorszdgi  regeszeti  emlekek.  II.  Band.  2.  Theil.  Budapest, 
1875/76;  gr.  4». 


460 

Akademie  der  Wisseiiscliaften,  ungarische:  Nyelvtudomdnyi  közlemenyek. 
XII.  Band,  2.  Heft.  Budapest,  187G;  8».  XIII.  Band,  o  Heft.  Budapest, 
1877;  8».  XrV.  Band,  1.  Heft.  Budapest,  1878;  80. 

—  —  Nyclvemlekttir,    regi   magyar   codexek   es   iiyomtatv/inyok.    IV.   Band, 
1.  Theil.  Budapest,   187G;  8".    V.  Band,  2.  Tlieil,  Budapest,  187G;  8". 

—  —  Mouumenta  coniitialia  regni  Huugariae.  III.  Band  (1540  — löüO).  Buda- 
pest, 187G;  80.    V.  Band  (1ÖG4— 1572).  Budapest,  1877;  8". 

regui   Transilvaniae.    I.    Band    (1540— lö5G).    Budapest,  187G;  8». 

III.  Band  (157G-159G).  Budapest,  1877;  8''. 

—  _  Literarische  Berichte  aus  Ungarn;  Paul  llunfalvi.  I.  Ban<l,  1.  bis 
1.  Heft.  Budapest,   1877;  8". 

—  —  Magyarorszäg  helyrajzi  törtenete;  Jakob  Kupp.  III.  Band.  Budapest, 
1876;  80. 

—  —  Magyar-ugor  összehasonlitö  szöt/ir;  Jos.  Budenz.  ;!.  Heft.  Budapest, 
1877;  80. 

—  —  Bonfiniusnak  mint  törtenetironak  jellemzeso;  August  Hol  mär.  Buda- 
pest, 1876;  8".  —  Regi  magyar  költük  tara;  A.  Szilddy.  Budjepest, 
1877;  80.  —  Kazäui-tatär  nyelvtanulnuinyok;  B.  G.  Szeutkatolnai,. 
1.,  2.  und  3.  Heft.  Budapest,  1875,  1«76  und  1877;  80.  —  A  leveltdrakrol 
tekiutettel  a  magyar  allamleveltjir-ügyre;  E.  Jabab.  Budapest,  1877;  80. 
—  Hazai  es  külföldi  folyoiratok  magyar  tudomÄnyos  repertöriuma;  Jos. 
Sziunyei.  II.  Abtheilung,  1.  Band.  Budapest,  1876;  80.  —  Kortan. 
Gekrönte  Preisschrift;  L.  Kranz.  Budapest,  1877;  40. 

Bonn,  Universität:  Akademische  Gelegenheitsschriften  vom  Jahre  1877; 
62  Stücke;  40  und  80. 

Gesellschaft,  k.  k.  geographische,  in  Wien:  Mittheilungen.  Band  XXI 
(n.  F.  XI),  Nr.  3.  Wien,  1878;  4". 

Hintner,  Val.  Dr.:  Beiträge  zur  tirolischcu  Dialektforschung.  Wien.  1878;  8". 

Jahrbuch,  militär-statistisches  für  das  Jahr  1874.  II.  Theil.  Wien,  1878;  40. 

Mittheilungen  aus  Justus  Perthes'  geographischer  Anstalt  von  Dr.  A.  Peter- 
mann. 24.  Band,  1878.  V.  Gotha;  4o.  Ergänzungsheft  Nr.  54.  Die  Ethno- 
graphie Eusslands,  nach  A.  F.  Rittich.  Gotha;  40. 

,Revuc  politique  et  litteraire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
TEtrauger-.  VIP  Annee.  2«  Serie.  Nr.  45.  Paris,  1878;  40.' 

Society,   the  American  geographica!:   Bulletin.  1878.  Nr.  1.  New- York;    8». 

Special- Comite  der  k.  k.  Central-Commission  für  die  Anthropologisch- 
ethnographische Ausstellung:  Katalog.  Weltausstellung  1878  zu  Paris. 
Wien,  1878;  8«. 


Pfizmaier.    Der  Palast  Josi-tern's.  461 


Der  Palast  Josi-teru's. 

Von 

Dr.  A.  Pfizmaier, 

wirkl.  Mitglied  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften. 


Indem  der  Verfasser  die  den  Titel :  ,Der  Schauplatz  des 
Palastes  Josi-teru's'  führende  Fortsetzung  der  in  der  früheren 
Abhandlung:  ,Die  Zeichnung  der  zwei  Pa'  gebrachten  Erzählung 
erklärt,  fügt  er  zu  dem  in  der  Einleitung  zu  jener  Abhandlung 
Gesagten  noch  hinzu ,  dass  in  sprachlicher  Hinsicht  der  Text 
dieser  Fortsetzung  an  vielen  Stellen  den  genannten  ersten 
Theil  an  Schwierigkeit  überbietet,  was  um  so  mehr  zu  ver- 
wundern, als  man  allgemeine  Verständlichkeit  als  nothwendige 
Eigenschaft  derartiger  Werke  voraussetzen  sollte. 

Hieran  mögen  dialectische  Verschiedenheit  und  die  Ein- 
mengung unbekannter  Wörter  der  gemeinen  Sprache  haupt- 
sächlich die  Schuld  tragen,  allein  auch  die  Darstellung  im 
Ganzen  ist  eigenthümlich  dunkel,  so  dass  manche  Handlung 
erst  aus  dem  eingeschalteten ,  oft  ebenfalls  unklaren  Dialog 
errathen  werden  muss. 

In  letzterer  Beziehung  werde  zum  Verständniss  die  Bemer- 
kung vorangeschickt,  dass  Fürst  Josi-teru,  nachdem  er  auf 
dem  See  Bi-wa  eine  Lustfahrt  gemacht,  wieder  landet  und  in 
seinen  Palast  zurückkehrt,  ferner,  dass  in  dem  nächsten  Ab- 
schnitte der  für  einen  kaiserlichen  Abgesandten  sich  ausgebende 
Go-e-mon,  nachdem  er  unsichtbar  geworden,  in  dem  Flurgang 
des  Palastes,  zweien  seiner  Genossen  gegenüber,  zum  Vor- 
schein kommt. 


-±i)2  1'  fi  ziuiii  er. 

Die  Erklärung  gescliali  auf  dieselbe  Weise,  wie  in  der 
, Zeichnung  der  zwei  Pa^  Einige  neue  grammatische  Formen 
werden  bei  der  Durchsicht  des  Textes  in  die  Augen  fallen. 
Hervorzuheben  ist  die  bisweilen  beobachtete  Bildung  eines 
negativen  Zeitworts  mit  ^*^S  (ne-je),  welches  mit  nai  gleich- 
bedeutend zu  sein  scheint.  So  wakarane-je  statt  icakaranu 
, nicht  verstehen',  hijerare- ne-je  statt  kejerarenu  , nicht  um- 
gewechselt'. 

Der  Sinn  der  folgenden  Wörter  Hess  sich  durchaus  nicht 
mit  Sicherheit  ergründen,  und  erhielten  dieselben  an  den 
betreffenden  Stellen  nur  die  hier  angegebene  muthmassliche 
Erklärung : 

Siko-nasi  , Verunstaltung'. 
KtJckaru  ,es  ist  beschlossen'. 
Me-rio  ,  weiblicher  Drache'. 
Wo-rih  , männlicher  Drache'. 
Sa-mi  für  sia-mi  ,ein  halb  weltlicher  Bonze'. 
Zin-fai  , göttliche  Verehrung'.     Für  sin-hai  gehalten. 
Tatsu-hifsu  für  fehlerhafte  Schreibart  statt  tappitsu  ,grosser 
Pinsel'  gehalten. 

Ziü-kai-rb  ,ein  Gefängniss  zur  Warnung'. 
Te-gara-gui  , Essen  nach  verrichteten  Thaten'. 
Z6-ritsu  ,vermehrte  Tonweise'. 
Teppeki-dzio  ,die  Aufthürmung  eiserner  Mauern'. 
Ki-jozi-hasi  ,eine  hölzerne  Leiter,  die  man  erklimmt'. 

Abweichende  Schreibarten  chinesischer  Wörter  wurden 
gewöhnlich  nicht  besonders  erklärt.  Ein  Beispiel  von  dem 
Gebrauche  eines  einen  verschiedenen  Sinn  ausdrückenden  chi- 
nesischen Zeichens  ist  ^^H  j[^  ^H  mi-seo-in  ,kaiscrliches 
richtiges  Siegel'  statt  des  sonst  einzig  vorkommenden  ^j|n  Vm  pp 
mi-seo-in  , kaiserliches  klares  Siegel'. 


Der  Palast  Josi-tern's.  4bo 

Josi-terii  jakatn-uo-lni. 
Der  Schauplatz  des  Palastes  Josi  -  terii's. 


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Jutaka-na  toki-ni  bmi-dzi-ja  arnta-ni  siiltsu-rh  jakata-no 
kekkb  sasuga-ni  si-ga  mijako  tote  saza-nami  josuru  koto  sa-mi- 
sen  kono  fodo  mijako  simn-hara-jori  koko-je  ne-hiki-no  kei-sn 
fu-ju  fiki-fnne-ga  muro  siaku  torase  itodo  go-ki-gen  josi-teru. 

Der  in  segenvoller  Zeit  auf  dem  Gebiete  von  Omi  neu 
zum  Vorschein  gekommene  Palast  war  reizend.  Es  hiess  so- 
mit Hauptstadt  Si-ga,  und  an  die  gekräuselten  Wellen  sich 
lehnten  Harfe  und  Laute.  In  dem  inneren  Räume  des  Schlepp- 
schiffes der  um  diese  Zeit  aus  der  Hauptstadt  Sima-bara  hierher 
reisenden,  den  Preis  herabsetzenden,  stadtumwerfenden  Fu-jü 
reichte  den  mit  Wein  gefüllten  Becher  und  war  überaus  freund- 
lich Josi-teru. 

HJ  ^  Siüfsu-rai  ,zum  Vorschein  kommen'.  Aus  diesem 
Wort  wird  hier  ein  japanisches  Verbum  siütsu-rb  gebildet,  was 
sonst  nicht  beobachtet  wurde. 


464  Pfizmaier. 

^  1^  Kekkö  , reizend,  zierlich'.     Hier  wird  statt    Z]    $? 
die  Sylbe   ~Jj  ^    gebraucht. 

Ä'-^a-ist    ein  Kreis  des  Reiches  Oini    in    der  Nähe    des 
Sees  Bi-wa. 

—   Bl^  ^^  >Sa-mz-.se«,  eine  Laute. 

i^    ^  Kei-sei  , stadtumwerfend'    bezeichnet  ursprüu§;lich 
ein    schönes  Weib.     Gegenwärtig-    bezeichnet  es  eine  Buhlerin. 


3^  ^  Fu-jil  , Lotosblume'  ist  ein  Eigenname.  Später 
liudet  sich  die  Schreibart /W-^'o  (  y  ^  ^)  nnd ßi-jo {y  ^  ^  ). 
Das  letztere  ist  das  richtige. 

^y  Siaku  bedeutet:  den  mit  Wein  gefüllten  Becher  im 
Kreise  umhergehen  lassen. 

^g   Ar   Josi-terii  ist  ein  Eigenname. 


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Fn-jü-wa  kimi-ni  utsi-mukai  |  sugi-si  koro-jori  go-den-je 
iigari  o-soba-wo  fanarenu  uresi-sa-ni  fiki-kajete  o-itaioasi-i-wa  mi- 
dai-savia  do-zo  go-ki-gen  nawosarete-to. 

Fu-jü,  zu  dem  Gebieter  gewendet,  sprach:  Was  mir  bei 
der  Freude,  dass  ich,  seit  der  vergangenen  Zeit  in  euren 
Palast  gestiegen,  von  eurer  Seite  nicht  getrennt  bin,  zur  Ab- 
wechslung um  euch  leid  thut,  es  ist,  dass  eure  Gemalin  auf 
irgend   welche  Weise   in    ihrem  Gemüthe    wiederhergestellt   — 

^j|n   B^  Go-den  ,die  erhabene  Vorhalle  oder  Palast'. 

:j^|n  ^  Mi-dai-sama  ,<lie  Weise  der  hohen  Erdstufe'  oder 
mi-dai-dokoro  ,der  Ort  der  huhen  Erdstufe'  ist  eine  Benennung 
der  Geinalinnen  der  grossen   Würdenträger  und   Heerführer. 


Der  Palast  Josi-teru's. 

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465 


Wahiru-ico  uisi-hesi  josi-teru-kö  \  so-mo-zi-ga  kotoha  motsi- 
inu-ni-wa  na-kere-domo  ano  aja-no  dai-ioa  kuan-baku-ke-no 
musume-de  ari-nagava  ka-siowa  tori-oki  gun-gakn-zuki  mustime- 
no  zai-ni  wake-mo  senu  ken-ziütsu  jawara-to  bu-ke-mekasu  men- 
do-sa-ni  me-dori-iüa  kanawana-to  tozake-oi-ta-mo  kimi-je  sin-tsiü 
tHin-to  nikü-ica  aru-mai-to. 

Bei  dieser  Klage  unterbrach  sie  Fürst  Josi-teru. 

—  Es  ist  zwar  nicht  der  Fall ,  dass  ich  von  einem 
solchen  Worte  nicht  Gebrauch  mache,  doch  jene  Genialin 
Aja  ist  eine  Tochter  des  Hauses  des  Kuan-baku.  Als  ein 
Weib,  welches  das  Liederbuch  weglegt  und  an  der  Kriegs- 
kunst Freude  hat,  achtet  sie  nicht  auf  die  Güter.  Bei  der 
Verdriesslichkeit,  dass  sie  durch  Fechtkunst  und  Ringen  wie 
zu  dem  Kriegerstandc  gehörend  aussieht,  ist  sie  nicht  geeignet, 
mir  vor  die  Augen  zu  kommen.  Dass  ich  sie  entfernte  und 
an  die  Gebieterin  das  Herz  hänge,  was  wird  dabei  Plassens- 
werthes  sein  ? 


466  Pfizmaier. 

^^  Aja  ist  ein  Eig-enname, 

^^  Dai  steht  für  mi-dai  ,die  Gemalin  eines  Fürsten^ 

^  ifiT   Kaan-haku  ,der  höchste  Würdenträger'. 

W  ^  Gun-gaku  ,die  Kriegskunst'. 

^  Za«'  ^Werthsachen,  Güter'. 

^(J  Htf  Ken-ziütsit  ,die  Fechtkunst'. 

^  ^  /:Jw-ä;ö  ,das  Haus  des  Kriegers',  der  Kriegerstand. 

i^  pp  Sin-tsiü  ,in  dem  Herzen'. 


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Sake-ga  sake-nomu  ufsutsn-no  ko-zio  looii-knra  koko-je 
kosi-moto  waka-na  fcirxika  anata-je  te-wo  tsukaje  \  mi-dai  aja-no 
dai-sama  tada-ima  kare-je  on-ide-to  fi-rö-snru. 

Während  sie  beim  wirklichen  Weintriuken  in  mündlicher 
Rede  begriffen  waren ,  stellte  die  hierher  gehörende  Magd 
Waka-na  nach  der  anderen  fernen  Seite  hin  die  Hände  auf 
und  gab  bekannt:  Die  Gemalin^  die  Gemalin  Aja  tritt  eben 
jetzt  hier  ein. 

pj    _J2  Ko-zib  , mündlich'. 

^   ^E  -^*^"''^  , offenkundig  machen'. 


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Der  Palast  Josi-feru's.  467 

Josi-teru  kikti-jori  \  ja-a  jo-ga  jumsu-to  hl  kotoba-mo  viatazu 
sui-san  seu-ban  osi-te  kitara-ba  tsume-sio-no  mono-domo  en-rio-ni 
ojobazu  ßki-tate  e-to  ose  am  utsi  kaslko-jori  oku-serii  iro-naku 
aja-no  dai  tsume-sio-no  samiirai  kutsi-gutsi-ni  todomere-ba. 

Sobald  Josi-teru  dieses  hörte,  befahl  er:  Wenn  man,  ohne 
auf  das  Wort  meiner  Erlaubniss  zu  warten ,  sich  eindrängt, 
um  jeden  Preis  mit  Gewalt  herkommt,  so  sollen  die  Leute  des 
Dienstplatzes,  keinem  Bedenken  Raum  g-ebend,  sie  anhalten. 
Unterdessen  zeigte  sich  die  Gemalin  Aja  nicht  eingeschüchtert, 
und  die  Kriegsmänner  des  Dienstplatzes  hielten  sie  mit  ver- 
schiedenen Worten  zurück. 

-J-»  Jo  steht  für  loare  ,ich'. 

-|^   :^  Sui-san  ,sich  in  eine  Gesellschaft  drängen'. 

^^  .S  Sen-ban  , tausendmal  zehntausend'. 

Im,  M^  En-rio  ,ferne  Ueberlegung',  Bedenken. 
Oku  , Zaghaftigkeit'. 


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So-tsi-tatsi-ga  zon-zenu  koto  ßkajete  i-jo-to  6-j6-ni  go-za-no 
ma-tsikaku  iii-tamaje-ba  \  ja-a  jurusi-mo  naki-ni  kono  tokoro-je 
ki-tsu  kiiai  si-goku  tatte  juke  tatte  jukazu-ba  josi-teru- ga  te-wo 
oros6-ja-to. 

—  Es  ist  eine  Sache,  die  ihr  nicht  kennet.  Ziehet  euch 
zurück!  —  Hiermit  kam  sie  grossartig  ganz  nahe  zu  seinem 
Sitze  herein. 

—  Ei,  man  ist  ohne  Erlaubniss  an  diesen  Ort  gekommen. 
Es  ist  äusserst  sonderbar.  Gehet  auf  der  Stelle  fort !  Wenn  ihr 
nicht  auf  der  Stelle  fortgehet,  wird  Josi-teru  wohl  die  Hand 
herablassen. 

3^  ^  0-o-jo  ,die  grosse  Weise'.  Hier  die  Aussprache  o-jö. 


468  rfiztnaier. 

i^P  ^   Go-za  ,der  erhabene  Sitz^ 


'5  ^    Kuai- 
le  /cttai. 

i     jWundei'bar, 
,das  äusserste 

seltsam'.      Hier 
Ende',  äusserst. 

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On-fakase-ni  te-wo  kake-tamo-wo  todomuru  fu-ju  \  ijasi-i 
kono  ffii-wo  tono-sama-no  go-teo-ai  uresi-i  naka-ni-mo  kanasi-i-wa 
anata-ioo  o-soha-je  mesarenu-mo  mina  kei-sei-me-ga  waza  juje-to 
o-sage-sumi-mo  fadzukasi-i-to. 

Hierauf  legte  er  die  Hand  an  das  an  seinem  Gürtel 
befindliche  Schwert.     Fu-jü  hielt  ihn  zurück. 

—  Bei  der  Freude,  dass  mich,  die  Niedrig-e,  der  Gebieter 
seiner  Gunst  würdigt,  habe  ich  die  Trauer,  dass  Jene  nicht  an 
seine  Seite  gerufen  wird.  Durch  ihre  Verachtung,  weil  alles  dieses 
wegen  der  Sache  der  Stadtumwerfenden  ist,  bin  ich  beschämt. 

Teo-ai  ,mit  besonderer  Gunst  lieben'. 


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Der  Palast  .Tosi-teiu's.  469 

Sugu-naru  kotoha-ni  aja-no  dai  |  ija-no  so-mo-zi-7io  waza 
narazu  mina  mi  -  dzuhara  -  ga  kokoro-je-tsigai  kono  uje  waga 
kimi-no  go-ki-gen-no  iru  jh-ni  kiki-ojohi-si  sato-no  kotoha  si-nan- 
site  tahe  fu-jü-dono. 

Auf  diese  geraden  Worte  erwiederte  die  Gemalin  Aja: 
Nein,  eine  solche  Sache  ist  es  nicht,  es  ist  gegen  meine  eigene 
Ueberzeugung.  Belehret  mich  zudem  über  die  mir  zu  Ohren 
gekommenen  Worte  der  Strasse,  wie  die  Gemüthsstimmung 
meines  Gebieters  sich  äussert,  PVäulein  Fu-jü! 

ijigf  ^f  Si-nan  ,nach  Süden  zeigen',  belehren. 


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i-i-ico  dd  ma-a  nnata-ga  mnttai-nai  \  ijn  kokoro-ni  dani  kanai- 
na-ha  kotoha-ica  oroka  kei-sei-no  sio-xcake-io  Jara-mo  nokori-rib 
go-den-ziü-no  fodo  tanomi-masu-to. 

—  Ihr  habet  etwas  im  Sinne,  das  nicht  sein  kann.  Wie 
solltet  ihr  die  Reden  der  einsamen  Vorstadt  für  unerträglich 
halten  ? 

—  O  wenn  es  euch  nur  gefällig  ist,  so  bitte  ich,  ohne 
dass  ihr  etwas  auslasset,  um  Mittheilung  der  Worte,  so  wie 
sie  die  Sache  der  thörichten  Stadtumwerfenden  sind. 


470  Pfizmaier. 


f^  ^   (rio-?"  ,die  hohe  Absicht'. 
JSnmosi-i  steht  für  sabisi-i  ^einsam,  stilP. 
Y|fe  Ijr^  Den-ziu  ,überliefern  und  übergeben'. 


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Itsu-mo-ni  kawarii  kotoha-ni  josi-teru-mo  ki-gen-joht  |  kei- 
sei~no  mane-to-ioa  kori-ja  ki-ga  kawatte  omo-siro-karo  tote  mono- 
koto-ni  mi-dai-to  fti-jü-ga  rih-fo  i-sih-wo  tori-kajeru.  kono  siü-ko- 
100  toku-sin  nara  me-dori-too  jurusu-ga  do-zia. 

Bei  den  beständig  gewechselten  Worten  war  auch  Josi- 
teru  wohlgelaunt. 

—  Bei  der  Aehnlichkeit  mit  einer  Stadtumwerfendeo, 
denke  ich,  würde  der  Sinn  sich  verändern  und  man  würde 
liebenswüi'dig  sein.  Bei  dem  Umstände  tauschen  die  Gemahn  und 
Fu-jü  beiderseits  ihre  Kleider.  Wenn  man  auf  diesen  Vor- 
schlag eingeht,  erlaube  ich  euch,  vor  meine  Augen  zu  kommen. 

B^  "^    Rib-fo  , beide  Seiten^ 

:^  ^  I-sih  ,die  Kleidungsstücke'. 

^^  [rt]  Siü-kb  ,das  Vorhaben,  der  Entwurf.  Ko  u  steht 
hier  für  ka  u. 

^  i(j)   Toku-sin  ,  ein  will  igen'. 


Der  Pa 

ast  Josi-tern's. 

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471 


Äa  o-jarusi-ga  deta-kara-wa  o-kokoro-oki-nb  mi-dai-sama 
sita-ga  ijasi-i  watasi-ga  kono  ko-sode  |  nan-no  i-no  gio-i-wo 
somukanu  -  ga  nid  -go-no  tsune  tagai  -  ni  i  -fuku  -  wo  fori  -  kajete 
o-mija-dzuknje-mo  mata  ikkio-to. 

—  Da  die  Erlaubniss  gegeben  ist,  werdet,  ohne  Bedenken 
ihr,  die  ihr  die  Gemalin  gewesen,  dieses  mir^  der  Niedrigen, 
gehörende  Kleid  mit  kleinen  Aermeln  — 

—  Es  ist  etwas !  Dem  hohen  Willen  sich  nicht  widersetzen, 
ist  Gewohnheit  der  hohen  Gemalinnen.  Lasset  uns  gegenseitig  die 
Kleider  wechseln!  Eine  Palastdienerin  sein,  ist  auch  eine  Freude. 

-tr  ^^n    Nio-go    ,eine    Gemalin    des    Kaisers'.      Dieselbe 

steht  der    CH   '^   (fsiu-gü)  , Kaiserin'  im  Range  zunächst. 
^   ^B   I-fuku  ,die  Kleidung'. 
— •  Ja.  ikkib  .Unterhaltung,   Freude'. 


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31 


472  '  Pfiziriaier. 

0-ose-m  fsiiJd-so  kosi-moto-domo  fu-jü-ni  tsuld-so  sin-zo 
vaka-i  kai-toru  i-fuku  fori-kaje  kise  |  kori-ja  de-ki-ta  mi-rlai-no 
fu-jü  kei-sei-no  aja-no  dai  sono  nari-de  tote-mo-no  koto-ni  age-jo 
iri-ga  mi-tai-ga  madzn  sono  maje-ni  kuruwa-  no  aco-fn  do- 
zia-do-zia-fo. 

Bei  diesem  Befehle  schlössen  sich  die  sich  anschliessen- 
den Mägde  an  Fu-jü.  Die  Zofe  der  Buhlerin  erfasste  die 
gewechselten  Kleider  und  zog  sie  ihr  an. 

—  Dieses  ist  zu  Stande  gekommen.  Die  Gemalin  Fu-jü 
hat  die  Gestalt  der  als  Stadtumwerfende  erscheinenden  Gemalin 
Aja.  Wenn  man ,  wie  immer  es  auch  sei ,  in  das  hohe  Haus 
eintritt  und  besuchen  will ,  ist  es  die  frühere  Tänzerin  der 
Vorstadt.     So  ist  es,  so  ist  es. 

^  ^9j  Sin-zo  ^neugeputzt'  bezeichnet  eine  Buhlerin.  Sin- 
zh  in  der  gegenwärtig  ebenfalls  üblichen  Bedeutung :  ,Die  Braut 
eines  Grossen'  wird  für  *^  ^  (sin-zo)  , tiefes  Fenster'^  gehal- 
ten.    Hier  die  Aussprache  zo  n. 


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Kinii-no  gio-i  somuka-ha  ika-ga-to  [  ha-ha  ha-tsu-to  nan-fo 
kotaje-mo  aja-no  dai  o-soba-ni  i-nivasu  ßki-fune-no  mume-dzuru- 
ga  oku-men-nasi-ni  siakuri-ide   |   mbsi  mi-dai-sama-no  dai-hn 


Der  Palast  JoBi-teru's.  473 

sonna  koto-wo  wo-wo  sukan  wasi-ja  ija  ino-io  wosijerare  \  zia-to 
iüte  sono  jh-na  osore-o-oi  koto-wo  nan-to  situ. 

—  Wenn  ich  dem  Willen  des  Gebieters  zuwider  handle, 
wie  ist  dieses?  —  Jene  gab  lachend  Etwas  zur  Antwort. 

Die  als  Begleiterin  der  Gemalin  Aja  eben  anwesende 
Mume-dzuru  von  dem  SchleppschiflFe  trat  mit  zaghafter  Miene 
schluchzend  hervor. 

—  Höret,  Frau  Gemalin!  grosse  Frau!  An  einer  solchen 
Sache,  fürwahr !  würde  ich  keine  Freude  haben. 

So  gewarnt,  sagte  Jene :  So ! 

—  Was  soll  man  bei  einer  solchen,  mit  grosser  Furcht 
erfüllenden  Sache  beginnen? 

B^  ^S  ^^"""*ß^  jöin  verzagtes  Gesicht'. 

Hjj^   ^  Dai  -  bu    ,ein  Grosser'    wird  auch  auf  Frauen  an- 


p-ewendet. 

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/Sonnara  kotoba-ivu  sonniku-ka-to  ke-siki  kawaru-ni  ze-ß- 
naku  tatsi-agari-tamb  aja-no  dai  nmme-dzurii-gn  tatsi  siko-nnsi- 
wo    ze-ß-naku    maneru-mo   kimi-no   yio-i    \    ivo-ico    sukan    wasi-ja 


474  PfiziiKiier. 

ija-ija  i-na-a-to  jo-jo-ni  rio-guai-no  dan-iva  iku-e-m-mo  o-jurut>i- 
nasarete  kudasari-mase-to. 

—  Alsu  briclit  man  sein  Wort?  —  Dabei  veränderte  er 
die  Züge  und  erhob  sich  ohne  Widerspruch. 

Die  Gemalin  Aja  und  Mume-dzuru  erhoben  sich. 

—  Dass  man  die  Verunstaltung  ohne  Widerrede  nach- 
ahmt, ist  der  Wille  des  Gebieters. 

—  Fürwahr !  Meine  Freude  wäre  es  nicht ,  durchaus 
nicht.   —  Es  wurde  allmälig  ein  unüberlegtes  Gespräch. 

—  Ich  bitte  mehrfach,  erlaubet  es. 

^^  d-k  Ze-fi  , Recht  und  Unrecht'. 

Siko-nasi,  ein  sonst  unbekanntes  Wort,  welches  unten 
noch  einmal  vorkommt,  ist  offenbar  von  siko  ,hässlich'  abgeleitet 
und  bedeutet  , Verunstaltung'. 

W^  :^h   /?/o-^?/a/  , unüberlegt'. 
^^   Dan  , Gespräch'. 


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Sio-te-wn    tsnkurh    sono    icori-kara    tsiokii-si-no  o-iri-to  ofo- 
nb    ko-e   |  Ja-a  jü-kib-no    tarne    ki-dzukase-si   kono    betsu-kuan-je 


Der  Patast  .Tosi-teru's.  475 

fsiokn-si-no  ziü-rai  jo-ga  dziki-dziki  o-mo  ktkknai  saixcai-sancai 
mi-dni-no  svgata-no  fii-jb  so-tsi-de  mukbte  ai-te-ni  nare  sore-ico 
sakana-ni  ikkon  kuman  sa-sa  mina-mo  via-i're  to. 

Man  brachte  es  erst  zurecht.  In  diesem  Aug;enblicke 
ertönten  Stimmen :  Der  kaiserliche  Abgesandte  tritt  ein ! 

—  O  ich  habe  es  weg-en  der  Lustfahrt  aufbauen  hissen. 
In  dieses  besondere  Gebäude  die  Begleiter  des  Abgesandten! 
Ich  treffe  gerade  ein.  Es  ist  sonderbar  —  zum  Glück,  zum 
Glück!  Die  Gemalin  iu  der  Gestalt  Fü-j6's  stelle  sich  dort 
gegenüber.  Man  wird  dieses  als  eine  Darreichung  zu  der 
Fischspeise  einschenken.    Also  kommet  Alle  in  die  Gesellschaft ! 

^<JJ  ^  Sio-te  ,der  Anfang'. 

W]  1$   Thioku-si  ,ein  kaiserlicher  Abgesandter', 

^  Jp.  Jii-kio  , lustwandeln  und  sich  vergnügen'. 

Qjj  ^a   Bekkuan  ,ein  besonderes  grosses  Gebäude'. 

;^  ^  Zlh-rai  ,die  ankommenden  Begleiter'. 

T^    \f    Dziki-dziki  .gerade,  so  eben'. 

^  'ß  Ä7Mv?<a«  , wunderbar,  seltsam'. 

— •  iM  Ikhm    ,ein  Geschenk',    ein  Wort   für   Zählungen. 


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476 


Pf  i  zm  aier. 


Utsi-fsnrefe  iru  oku-dm-wa  siü-jen-no  kio-ga-mo  ito-take-no 
sirahe  on-rifsu  iori-dori-no  rd-ka-dzntai-m  iri-kitaru  tsioku-si 
mi-josi  teo-kei  si-rb  knni-naga  rei-gl  tadasi-ku  ide-mukni  tsioku- 
si-no  omomvki  o-ose-tsiikerare-kudasarii-hesi-to. 

Hiermit  trat  man  in  Begleitung  ein.  In  dem  inneren 
Palaste  waren  die  Gesänge  des  Weinfestes  und  der  Einklang 
der  Seide  und  des  Bambus.  Indess  die  Tonweisen  mannich- 
faltig  längs  dem  gedeckten  Gange  sich  fortpflanzten,  trat  der 
kaiserliche  Abgesandte  ein.  Mi-josi  Teo-kei  Si-rö  und  Kuni- 
naga  kamen  ihm  genau  nach  den  Regeln  der  Artigkeit  ent- 
gegen. 

—  Die  Angelegenheit  des  kaiserlichen  Abgesandten  soll 
mitgetheilt  w^erden. 

^  ^    Oku-den  ,der  innere  Palast^ 

VPi  -^  Siü-jen  ,ein  Weinfest'. 

S  "^  Kio-ka  ,rasender  Gesang^  der  Gesang  in  einem 
Schauspiele.     Hier  die  Aussprache  kio-ga. 

On-ritsu  ,die  Tonweise'. 

Ro-kn  ,ein  gedeckter  Gang'. 
^  ^  Mi-josi  ist  ein  Geschlechtsname. 
'Tis  S  ^^'5''   'die  Weise  der  Artigkeit'. 

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Knai-tsiu-jori  ni-si-ki-no  fukiiro-ni  iri-tdin  rin-si  uja-uja- 
üihi  sasage-tstitsu  tsiokn-dzib-to-no  itsi-gon-ni  \  ha-ha  hatsu-to  mi- 
josi  oja-ko-wa  fei-jnku  nase-ba  tsioku-si-no  mottai^ 


Der  Palast  Josi-tern's.  4:7  ( 

Aus  dem  Busen  eine  in  einen  brocatencn  Beutel  gelegte 
kaiserliche  Vollmacht  ehrerbietig  emporreichend,  sagte  er :  In 
dem  einzigen  Worte  der  kaiserlichen  Entsehliessung  — 

Mit  dem  Ausrufe  Ah!  legten  sich  die  beiden  Mi-josi, 
Vater  und  Sohn,  zu  Boden.  Der  kaiserliche  Abgesandte  sagte 
mit  wichtiger  Miene : 

*^   Fp   Kuai-tsiü  ,\n  dem  Busen'. 

^ro  ^  ^"^  ■  ^^  '^®^'  eingehändigte  kaiserliche  Wille ,  die 
Vollmacht'. 

Wi  ^  Tsioku-dzib  ,die  kaiserliche  Bestimmung  oder 
Kntschliessung'. 

— •  "^  Itsi-gon  ,ein  Wort'. 

2p  'f^  Fei-fnku  ,sich  zu  Boden  legend 

^  i^S  Moffai  ,eine  wichtig  thuende  Miene'. 


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deo  (jeki-rin  motte  -  no  foka- naru  jiije  adznke  -  okare  -  si  da-zeö- 
kuan-no  mi-se6-in  tsin-nd-gon  ndzi-sadn  nke-tamaivart  kajere-to- 
iio  tsioku-zio-fo. 


478  Pfizmaier. 

Dass  der  Kriegsanführer  Josi-teru  in  diesem  besonderen 
Wohnsitze  von  Si-ga  sich  vei'borgen  hält,  Tag  und  Nacht  lust- 
wandelt, überdies  den  Besuch  des  Inneren  vernachlässigt,  den 
abgeschlossenen  Vorhof  gering-schätzt ,  darüber  ist  der  kaiser- 
liche Zorn  ungewöhnlich  gross.  Desswegen  ist  es  die  kaiser- 
liche Entschliessung,  dass  das  in  Verwahrung  erhaltene  hohe 
klare  Siegel  der  grossen  richtigen  Obrigkeit  der  mittlere  Rath 
Udzi-sada  in  P^mpfang  nehme  und  zurückkehre. 

■0^  i|^  Bu-seö  ,ein  Kriegsanführer'. 

^ij  ^fe  Betsu-geo  ,die  besondere  Beschäftigung'  ist  der 
Ruhesitz  eines  hohen  Würdenträgers.  Man  sagt  gegenwärtig 
simo-ja-siki.  Hier  wird  ki  ja  u  statt  ge  u  geschrieben  und  die 
Trübung  vei'nachlässigt. 

^  ^   Tdü-ja  ,Tag  und  Nacht'. 

^^  ^  San- dal  ,der  Besuch  in  dem  Inneren',  der  Besuch 
des  kaiserlichen  Palastes. 

■^  ^   Ä7n-^e^  ,der  abgeschlossene  Vorhof '. 

•j^  Deo  , Abzweigung'  dient  wie  josi,  koto  und  andere 
Wörter  zur  Bezeichnung  des  Infinitivs. 


^  Geki-rin    ,gegen    den    Strich    stehende  Schuppen' 
bezeichnet  den  Zorn  des  Himmelssohnes. 

y^  j£  ^    Da-zed-kuan  ,das  grosse  richtige  Amt'. 

f^P  ^  ^P   Mi-seö-in    ,das    erhabene    klare   Siegel',    das 
kaiserliche  Siegel. 

Fp  ^^  ^    Tsiü-na-gon  ,ein  mittlerer  Rath'. 
^    ^    Udzi-sada  ist  ein  Eigenname. 

ji;^    Tsioku-dzib  ,die  kaiserliche  Entschliessung'.  Si  ja  u 


vurde 

hier 

für 

dzi  ja 

u   gesetzt 

und 

die 

Trübung  verna 

ässigt. 

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Der  Pillast  Josi-teru's.  479 

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Tsussinde  nobe-kere-ba  tsib-kei-ica  ivaza-to  odoroki  \  ko-iva 
zon-zi-jorazaru  tsioku-zio  josi-teru  nan-ga  juje-ni  kin-tei-wo 
karon-zi-tate-matsuran  sassuru  tokoro  nei-sia-no  zan-gen  matta 
mi-seo-in-wo  adzukari-tate-matsuru-iva  nippon  so-tsui-fn-si-no  ki- 
bo  kono  gi-wa  sibaraku  go-ju-jo-ico  negai-age-tate-matsuru-to. 

So  legte  er  sorg-fältig  dar.     Tsio-kei  erschrack  absiehtlich. 

—  Welch'  eine  unverhoffte  kaiserliche  EntSchliessung! 
Wessweg-en  sollte  Josi-teru  den  abgeschlossenen  Vorhof  g-ering- 
schätzen?  Wie  ich  vermuthe ,  sind  es  die  verläumderischen 
Worte  eines  Schmeichlers.  Dass  er  ferner  das  hohe  klare 
Siegel  in  Verwahrung  erhalten  hat,  ist  nach  dem  Vorbilde  des 
allgemein  verfolgenden  und  festnehmenden  Abgesandten  von 
Nippon.  In  dieser  Sache  bitte  ich,  dass  man  sich  eine  Weile 
Zeit  lasse. 

^  ^  Nei-sia  ,ein  Schmeichler^ 

^  ^   Zan-gen  ,ein  verläumderisches  Wort^ 

^M  ^  -fTii  ^  So-  tsui-fu-si  ,der  allgemein  verfolgende 
und  festnehmende  Abgesandte'  ist  ein  Amt,  welches  Jori-tomo 
in  seiner  Eigenschaft  als  Verwalter  sämmtlicher  Landstriche 
bekleidete. 

h^  Ki-bo  ,ein  bemessenes  Muster',  ein  Vorbild. 


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Jn-jo  ,ein  Uebriges'. 

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480  Pfizmaier. 

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M-ivo  adzi-sada  utsi-kesi-fe  |  ja-a  rin-gen  ase-no  yotosi  ide- 
ide  futa-tahi  kajeranu  kuri-koto  i-fji-naku  mi-seö-in  ai-watasi 
josi-teru  teo-tei-je-no  mbsi-ioake  tatsuru-ja  ika-ni  sa-a-sa-a-to. 

Udzi-sada  unterbrach  ihn. 

—  Ei,  die  Worte  des  Himmelssohnes  sind  gleich  dem 
8chweisse.  Sie  kommen  immer  hervor  und  kehren  nicht 
wieder  zurück.  Uebergebet  mir  ohne  Umschweife  und  Wider- 
rede das  hohe  klare  Siegel.  Verschliesst  man  die  Sache, 
welche  Josi-teru  dem  Hofe  meldet?     Wie  so?     Wie  so? 


^   Rin-gen  ,die  Worte  des  Himmelssohnes*. 
-^   1-gi  ,eine  verschiedene  Weise'. 
$^   J^    Teo-tei  ,der  Vorhof  des  Hofes'. 


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Kotoha-dzume  mi-josi-iva  hatto  to-waku-no  ivori-karn  ßto- 
nia-no  mi-su-no  utsi  \  <^-i  tsioku-tb-ica  josi-tern-no  tsvma  aja-no 
dai  Ttiosi-agtiru-de  gozari-maseo-to  tatsi-idern-  sugata-wa  oku-gata 
siko-nasi-wa  sato-ni  iro-masn  fu-jh-no  josowoi. 

Bei  dieser  Bedrängung  mit  Worten  rief  Mi-josi  Ah!  imd 
war  verwirrt.  In  diesem  Augenblicke  rief  man  durch  die 
Thürmatt«;   eines  Zimmers:    lieber  die  Antwort  für  den   Kaiser 


Der  Palast  Josi-teru's.  481 

wird  die  Gattin  Josi-teru's,  die  Gemalin  Aja,  eine  Meldung 
bringen. 

Ihre  Gestalt  trat  heraus.  Die  Gemalin  hatte  in  ihrer 
Verunstaltung  den  Putz  der  in  der  Strasse  ausschweifend  leben- 
den Fu-j6. 

■^  ^   Tb-ivakv  »Verwirrung,  Bestürzung'. 

Äjf|  ^    Tsioku-to  ,die  Antwort  für  den  Kaiser'. 

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Ko7'f-wa  o-tsioku-si-san  kai-no  mi-dziikara-ica  josi-teru-ga 
mi-dai  aja-no  dai  o-mi-siri-nasarete  kudasari-mase-to  me-mofo-mo 
saro-vi  saknra-no  iro-ka  \  fafe  nte-jaka-na-to  kaico-ni  mi-torete 
/-gi-mo  kudzururii,  fsioka-si  me-dzukni  nttori-  se-si-ga  kokoro- 
dzuki  I  site  tsioku-to-no  omomuki-wa . 

—  Dieses  ist  der  kaiserliche  Herr  Abge^^andte.  Ich  bin 
die  Gemalin  Josi-teru's,  die  Gemalin  Aja.  Lernet  mich  kennen  1 
—  Dabei  war  der  Grund  ihrer  Augen  völlig  Farbe  und  Duft 
der  Kirschblüthen. 

—  O  es  ist  schätzbar. 

Indem  er  in  ihr  Angesicht  stanzte,  brach  seine  Strenge 
zusammen.    Der  kaiserliche  Abgesandte,  die  Blicke  hinwendend. 


482  Pfizmaier. 

war  geistesabwesend.     Sich  besinnend ,   sagte  er :  Also  der  In- 
halt der  Antwort  für  den  Kaiser. 

^  I-<ji  ,ein  strenges,  gebieterisches  Aussehen'. 


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faina-a  \  nan-to  \  fai  use-masi-te  gozan-su-to  nibe-naki  kotoha-ni 
udzi-sada-ga  \  ja-a  dai-setsu-naru  mi-seo-in  useta-to  bakari-de 
koto-ga  siimo-ga  kori-ja  teo-kei  sono  fo-iva  kakaru  dai-zi  nan-to 
kokoro-je-orn  koto-zo-to. 

—  Jenes  hohe  richtige  Siegel,  wovon  die  kaiserliche  Ent- 
schliessung  spricht,  ist  uns  abhanden  gekommen. 

—  Wie  ist   dieses? 

—  Nun,  wir  haben   es  verloren. 

Bei  diesen  trockenen  Worten  sprach  Udzi-sada:  Ei,  das 
hohe  richtige  Siegel,  welches  von  grosser  Wichtigkeit  ist,  hat 
man  verloren  und  man  lässt  es  dabei  bewenden,  Teo-kei!  Wie 
verstehet  ihr  eine  solche  wichtige  Sache? 

^^  -^  Fun-zitsu  ,verlieren*. 

Nibe-naki  ,ohne  Fischleim'  bezeichnet  das  trockene  Wort. 


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Kotoha-ni  kufsi-gomoru  soha-kara  |  Ä;aÄ;w  ro-ken-no  tije-wa 
tsntsuviu-ni  ojobazu  ika-nl-mo  nani-no  mono-no  siwaza-ni-ja  fim- 
zitsu  itasi-te  ari-dokoro  sirezu  kore-io  inhsu-mo  fu-seo-no  mi- 
motsi  fö-ratsu  da-ziakxi. 

Bei  diesen  Worten  stotterte  er.  Nebenbei  sagte  er:  Da 
es  so  offenbar  ist,  kann  man  es  nicht  verheimlichen.  Wie  und 
in  Verrichtung  welcher  Sache  hat  man  es  verloren,  so  dass 
man  nicht  weiss,  wo  es  sich  befindet?  Wenn  man  dieses 
benennt,  so  ist  es  ein  ungeschicktes  Benehmen,  Fahrlässigkeit 
und  Lauheit. 

^i^  ^  Ro-ken  , offenbar'. 

^  ^  Fu-seö  , entartet,   ungeschickt^ 

^fej^  j^  Fo-rafsn  , wegwerfend,  fahrlässig^ 

*fÜ  ^  Da-ziaku  ,träg  und  schwach'. 

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Kori-ja-kori-ja  segare  damari-oro  mnkofo-ni  kakusu-jori 
araivaritru  ■  wa  nasi-to  tatoje-no  gotosi  ze-fi-ni  ojobanu  kono 
si-gi-to  jo-so-me-ni  tsuguni  tstii-sin-gawo. 


484  Pfiz  maier. 

—  Ei  doch !  Mein  Sohn  wird  schweigen.  Es  ist  wirklich 
wie  das  Gleichniss:  Was  durch  Verbergen  offenkundig  wird, 
ist  nichts.     Dieser  Sache  lässt  sich  nicht  widersprechen. 

So  redend,  als  ob  es  ihn  nichts  anginge,  hatte  er  eine 
treuherzige  Miene. 

tt  ^  Si-gi  ,eine  Weise,  ein   Umstand'. 
^  J\j)   Tsiü-dn  ,ein  redliches  Herz'. 

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Tsiokti  - si-wa    nan-no  iraje-  naku  za-wo  tatst-  Idzuru  seo- 
zoku-no    sode-wo    ßkajete   \   o-tsiokit-si-sama-ni-wa    idzu-kata-je 
wo -wo  adziikari-no  sina    fun-zitsu-no  uje  loare-wo    karonziiru 
josi  -  teru  -  (ja  furumai  tatsi  -  kakatte  so  -  mon  -  ho  nji-    yo  -  nitsi  -  no 
o-fntari. 

Der  kaiserliche  Abgesandte  verliess ,  ohne  etwas  zu  ant- 
worten ,  den  Sitz  und  trat  hinaus.  Sie  zog  den  Aermel  ihres 
Anzuges. 

—  Dem  kaiserlichen  Herrn  Abgesandten  soll  man  irgend 
wohin   — 

—  Ah !  Nebstdem  dass  man  den  anvertrauten  Gegenstand 
verloren  hat,  schätzt  man  mich  gering.  Das  Benehmen  Josi- 
teru's  werde  ich  auf  der  Stelle  an  dem  Hofe  zu  Ohren  bringen, 
und  er  hat  dazu  das   Unheil  späterer  Tage. 

Za  ,der  Sitz'. 

^   Seo-zoku  ,der  Anzug  und  Putz'. 


Der  Pillast  Josi-teru's.  -iHf) 

^    Sö-mon  ,au  dem   ITofe  zu  Ohren  brini^en^ 
0    Go-nitn  .ein  späterer  Tag^ 


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waga  kimi-no  on-tni  dai-zi  do-zo  josi-na-ni  fori-nasi-to. 

Euer  Zorn  ist  zwar  begründet,  doch  zu  einer  solchen  Zeit 
hat  mein  Gebieter  wichtig'e  Geschäfte.  Man  wird  euch  trefflich 
bewirthen. 

-j^  '^.   Dai-zi  ,eine  grosse,  wichtige  Sache'. 


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Kotoha-ni  otnote  jawaragete  j  jo-zin-ica  kakii-befsti  mi-dai-no 
tanomi  inamu-ni-wa  arane-domo  sunn-doru  ami-ni  kokoro  ara-ha 
tsi-firo-no    soko-no    uro-kuzu-mo    kokoro -nasi-to-wa    iware-mazi-to. 

Auf  diese  Worte  erheiterte  er  sein  Gesicht. 

—  Die  Bitte  der  Gemalin,  dass  von  den  übrigen  Leuten 
ein  Jeder  getrennt  sei,  will  ich  zwar  nicht  abschlagen,  doch 
wenn  das  Fischernetz  eine  Absicht  hat,  darf  nicht  gesagt 
werden,  dass  die  Fische  des  tausend  Klaftei-  tiefen  Bodens 
keine  Absicht  haben. 

^   \,  '^^-^^^  A^^  übrigen  Menschen'. 

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Komoru  kotoba-ni  tsuju  tnotsn  fu-jb  o-ose-ni  kokoro  ari 
sö-zo  fiikaki  neru  fi-no  mi-dzukara  sonn  mune  saje  jasume- 
tamawara-ha  |  sa-sure-ha  ami-ni  iru  kokoro-ka-to. 

Bei  diesen  verschlossenen  Worten  hatte  Fu-j6  Thau. 

Ein  so  tiefer  Tag',  an  dem  mau  schläft,  ist  mein  Wunsch. 
Wenn  ich  nur  Beruhigung  erhalte  — 

—  Eure  Worte  haben  einen  Sinn.  Also  hat  man  die 
Absicht,  in  das  Netz  zu  gehen? 


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kimi  toioa-bci  kogaruru  mune-no  fozo-mo  sirasen. 

So  angesprochen,  dachte  Fu-j6  nach. 

—  Ohne  dass  Blüthen  sind,     nach  einem  duftenden  Baume 
wenn  der  Gebieter  fragt,  |  der  verbrannten  Brust     Fruchtknoten 
gab'  ich   kund. 


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Fate  omo-siroki  kutsi-zusami  ko)io  uje-iva  mi-seö-in  sen-gi-no 
aida  fiaku-nitsi-no  fi-nohe  mbsi-je-sasen  \  kiku-jori  mi-josi-wa  \ 
ija  ß-nobe-wa  nari-masu-mai  ßaku-nitsi-ja  ni-ßaku-nitsi-de  ta- 
jasi(ku  sire-jb  jö-ga  nai-to. 


Der  Palast  Josi-teru's.  487 

In  der  That,  ein  lieblicher  Vortrag!  Ueberdies,  während 
man  das  hohe  richtige  Siegel  sucht,  werde  ich  einen  Aufschub 
von  hundert  Tagen  verschaffen. 

Sobald  Mi-josi  dieses  hörte,  sprach  er :  O  ein  Aufschub 
wird  nicht  stattfinden !  Man  braucht  nicht  hundert  oder  zwei- 
hundert Tage,  um  es  leicht  zu  erfahren. 


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Kotoha-ni  udzi-sada  mimi-soha-date  j  mu-m%i.  omoki  ofsi-do- 
mo  karokii  tori-fakaro-ga  o-o-jake-no  zin-sei  sono  fo-ga  si-jb-no 
fi-ivo  agurn-ica  nani-goto-zo  tnakoto-ja  nei-zin  ken-zin-ni  magb-no 
tatoje  he-he-he  ha-ha-ha-to  utsi-ioarai  mi-dai-no  setsu-naru  kokoro- 
ni  men-zi  fi-nobe-ivo  tori-nasi-mbsi-knren-to. 

Bei  diesen  Worten   neigte  Udzi-sada  das  Ohr. 

0  bei  einem  schweren  Vergehen  wird  man  leichthin  Rath 
schaffen.  Es  ist  eine  öffentliche  menschliche  Lenkung.  Wenn 
euer  Verfahren  die  Tage  opfert,  was  ist  dabei  Wirkliches? 
Das  G-leichniss  von  der  Verwechslung  des  Schmeichlers  mit 
dem  Weisen?  He  he  he!  Ha  ha  ha!  —  Er  sagte  dieses  lachend. 

—  Indem  ich  bei  dem  tugendhaften  Sinne  der  Gemalin 
Nachsicht  habe,  werde  ich  einen  Aufschub  vermitteln. 

in  i^  Zin-sei  ,die  menschliche  Lenkung'. 

SiUungsb^r.  d.   i.hil.-hist.  Cl.  XC.   Bd.  III.  llft.  3-' 


488  Pfizmaier. 

j^  ^  Si-jb  ,d\e  Art  zu  handelu'. 

'^  K    Nei-zin  ,ein  Schmeichler'. 

^  A    Ken-zin  ,em  Weiser'. 

"Ä  (Men)-zuru  ,verzeihen'. 


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tatoje  fun-zissi-tare-ba  tote  asi-kaga-no  ken-i-ico  viotte  notsi-to-mo 
iwazu  tatta-ima  sagasi-idasi-te  o-ioatasi-mbsu-to. 

Teo-kei  unterbrach  ihn. 

—  Ei,  um  diese  Sache  bitte  ich  nicht.  Gesetzt,  es  wurde 
verloren,  so  ist  vermöge  der  Macht  Asi-kag-a's  keine  Rede  da- 
von, dass  es  zu  spät  ist.  Ich  suche  es  eben  jetzt  heraus  und 
übergebe  es  euch. 

1^  ^  Ken-i  ,Macht  und  Ansehen'. 


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Der  Palast  Josi-tern's.  489 

Ije-ba  kotoha-ico  ibnkaru  fu-jb  teo-kei-iva  j  nani-goto-mo 
sessia-ga  mxme-ni-to  tsioku-si-ni  mukal  tva-da-no  fara  kogi-idete 
mire-ba  fisd-kata-no  kumo-i-ni  magafu  oki-tsii  sira-nami  j  nan-to  \ 
sono  sira-no.mi-no  tatase-jb  o-tsioku-si-sama-ni-wa  zan-zi-no  go-jo-sia. 

Ueber  diese  Worte  staunte  Fu-jö. 

Teo-kei  sprach :  Ich  führe  etwas  in  meinem  Sinne. 

Zu  dem  kaiserlichen  Abgesandten  gewendet,  sagte  er: 
Zu  der  Ebene  von  Wa-da  |  hinausrudernd,  als  ich  hinblickte,  | 
mit  dem  ew'gen,  festen  Wolkensitze  w^ar  vermengt  |  die  weisse 
Welle  an  der  Bucht. 

—  Was  bedeutet  dieses  ? 

—  Die  Art,  wie  die  weisse  Welle  sich  erhebt,  ist  für 
den  kaiserlichen  Herrn  Abgesandten  das  Bedürfniss  einer 
kurzen  Weile. 

1^  ^  Sessia  ,der  Thörichte',  ein  Pronomen  der  ersten 
Person. 

Sira-nami  ,weisse  Welle'  bezeichnet  auch  einen  Strassen- 
räuber. 

^§  ßrfe  Zan-zi  ,eine  kurze  Zeit,  eine  kleine  Weilet 

ffl   Ja  ,das  Bedürfnisse 


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o-tsioku-si-jn  kib-o-no  jo-i  mbsi-tsitken  \  sikara-ha  kore-ni  ai-matsi- 

32* 


490  Pfizmaier. 

mbsu  I  tai-za  go-men-to  feö-kei  kuni-naga  fu-jo-mo  tomo-domn 
fito-ma-no  ntsi  tsure-datte  koso  iri-ni-keru. 

—  Also  bis  dabin  wird  man  das  bobe  ricbtige  Siegel  — 

—  Wäbrend    man  es  sucbt,    wird  man  dem  kaiserlicben 
.Abgesandten  die  Bereitscbaft  der  Bewirtbung  melden. 

—  Also  warte  icb  darauf. 

—  Erlaubet,  dass  wir  uns  zurückzieben. 

Hiermit  traten  Teo-kei,    Kuni-naga   und  Fu-j6,    einander 
begleitend,  in  ein  Gemacb. 

^ü  f?|l  Ä76-Ö  .die  Bewirtbuno;^     In  Jomi  mote-nasi. 

K   ^  Jd-{  ,die  Vorbereitung'. 

^M,  ^    Tai-za  ,sieb  von  dem  Sitze  zurückzieben'. 

f^P  ^tt  ^o-men  ,bobe  Verzeibung,  Erlaubnisse 


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Ato-ni  udzi-sada  utsi-unadzitki  mi-dai-HO  soko-i  teo-kei-ga 
kotoha-no  fast  fafe  kokoro-jezu-to  maju-ni  siwa  wori-kara  kin- 
ziü  -  ga  dai  -  han  kasane  -  si  ßro  -  buta  -  wo  tsioku  -  si  -  no  maje  -  ni 
nawosi-oki  sagaru. 

Udzi-sada,  zurückbleibend,  sagte  sich :  Der  Rückgedanke 
der  Gemalin  und  der  Zweck  der  Worte  Teo-kei's,  in  der 
Tbat,  icb  begreife  es  nicbt.   —  Er  runzelte  die  Brauen. 

In  diesem  Augenblicke  stellte  ein  vertrauter  Diener  eine 
breite    Tafel,    auf    welcber    grosse    Sebüsseln    über    einander 


Der  Palast  Josi-tern's.  49  1 

geschichtet  waren,    vor  dem  kaiserlichen  Abgesandten    zurecht 
und  stieg-  hinab. 

iff   ^   Kin-ziü  .nahestehend  und  vertraut'. 

^*  W^  Dai-han  .eine  Schüssel,  in  welche  Schalen  gestellt 
sind^     Hier  wird  das  Zeichen   -rr   (dai)  gebraucht. 


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Za-siki-je  iri-kawaru  ko-no  sita  to-kitsi  nozonde  tsutomeru 
kib-ö  jaja-faruka  konata-ni  kasira-wo  sage  \  rin-zi-no  mbke-no 
seki  fu-tsutsuka-na  o-mote-nasi  o-osame-kudasara-ha  ari-gato  zon- 
zi-tate-matsur^t-to. 

In  die  Halle  trat  dafür  Ko-no  sita  T6-kitsi.  Derselbe 
blickte  hin  und  leistete  bei  der  Bewirthung  Dienste.  Dies- 
seits ziemlich  entfernt,  senkte  er  das  Haupt. 

—  Ein  eben  um  die  Zeit  erlangter  Teppich,  eine  unkluge 
Bewirthung.     Wenn  ihr  es  annehmet,  ist  man  dankbar. 

^  gi   Rin-zi  ,die  bevorstehende  Zeit'. 
j^   Seki  ,Matte,  Teppich'. 


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Kei-zuru-wo  vUi-vdjari  kumo-i-ni  maziwartt  ndzi-sada-je 
kua-iseki-fo  ijad-ki  kono  kib-6  motte  tate-tate  \  ha-ha-tsu  gio-i-no 
omomuki  osore-iri-tate-matsura  |  kori-ja-kori-ja  sono  fo-tatsi-wa 
jö'zi  ara-ha  jobi-idasn  tsugi-je  tate-tate-to. 

Mit  diesen  Worten  ehrte  er  ihn.  Jener  richtete  auf  ihn 
den  Blick. 

—  Für  den  mit  dem  Wolkensitze  verkehrenden  Udzi-sada 
veranstaltet  man  diese  nach  Art  einer  Versteinerung'  gemeine 
Bewirthung. 

—  Ha!  Ich  fürchte  die  Richtung  des  hohen  Willens. 

—  Höret  Leute !  Wenn  ich  euch  benöthige,  rufe  ich  euch 
heraus.     Tretet  in  das  nächste  Zimmer! 

^   Kei-zuru  , ehren,  hochachtend 

>^  ^  Kua-seki  ,ein  verwandelter  Stein,  eine  Ver- 
steineruiig^ 

^  ^  Jo-zi  ,das  Bedürfniss'. 


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Fikajuru  kin-zin-ico  sirizokete  sikasi-nagarn  knan-rei  mi- 
josi-ga  kokoro-wo  home-tavn  kono  tsi-so  o-kake-kudasaru-besi-to 
niziri-jotte  kaivo  ^itsi  -  nagame  \  loo-wo  sore-jo-to  tsiiku-dzukn 
inijari-te  tö-kitsi-ga  |  kori-ja  tomo-itsi-jo  minu  hixoo  su-na-je-su- 
na-je-to  kaiocnn  kotohn-wo  jü-zen-to  |  sa  hl  so-tsi-ioa. 

Er  Hess  den  vertrauten  Diener,  den  er  wegzog-,  zurück- 
treten. 

- —  Dessen  ungeachtet  wird  der  Geschäftsführer  Mi-josi, 
indem  er  einen  Sinn  hineingelegt  hat,  euch  diese  Ehre  anthun. 

Dabei  rückte  er  zu  ihm  hin  und  betrachtete  sein  An- 
gesicht. 

—  O,  er  ist  es  ! 

Aufmerksam  ihn  anblickend,  rief  T6-kitsi :  Es  ist  Torao- 
itsi!  Sehe  ich  nicht  das  Angesicht?  —  Sie  wechselten  die 
Worte  ruhig. 

—  Wie  heisset  ihr? 

^  ^§  Kuan-rei  ,ein  Leiter,  ein  Führer  der  Geschäfte'. 

ffi^  ^  Tsi-so,  eigentlich  ,dahinsprengen  und  laufen',  steht 
für  , Ehrenbezeigung',  , Festlichkeit',  , Unterhaltung'. 

/'^  ^  Jw-zeJi  ,auf  ruhige,  gelassene  Weise'. 
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Köre  saru-zia-snru-zia  nanda  saru-tn-wa  köre  ore-wo 
wasnretn-ka-to  iü  kmco  joku-joku  mite  hikkuri  !  wo-too  tsigeje- 
ne-je  saru-da-savu-da  san-siü-no  sai-ga  ga-ke-je-de  dettsi-no  zi- 
hun  asi-momasete  jatta  saru-no  suke-ga. 

—  Nun,  Saru,  Saru. 

—  Was  ist  Saru? 

—  Habt  ihr  mich  denn  vergessen?  —  Jener  blickte  ihm 
bei  diesen   Worten  genau  in   das  Angesicht  und  erschrack. 

—  O  es  ist  kein  Unterschied!  Saru,  Saru!  Der  in  der 
Schhicht  dreier  umlaufender  Jahre,  zur  Zeit,  als  er  ein  junger 
Knecht  war,  die  Füsse  reiben  machte,  Saru-no  suke. 

Tsigeje-ne  steht  für  tsigajenn  ,nicht  verschieden   sein'. 
— ■  ^  San-siü  ,drei   Umdrehungen'. 
^g   Sdi  ,ein  Jahr'. 


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IFo-uo  fo-ko  saki-no  fo-hai  do-d  agaki-jatta  tsiku-ba-no 
tomo-itsi  ware-mo  tassia-de  |  o-nnsi-mo  bu-zi-de  j  kori-ja 
medzurasi-i-to  rih-fö-ga  itsi-do-ni  joko-de  ufsi -katsurogi  \  säte 
ma-a  loari-ja  dd-sita-zo-je-to. 

—  O^  der  als  früherer  Dienstgenosse  mit  den  Füssen 
scharrte,  Tsiku-ba-no  Tomo-itsi. 

—  Du  bist  auch  gesund. 

—  Es  ist  euch  auch  nichts  zugestossen. 

—  Dieses  ist  seltsam. 

Beide  waren  zu  gleicher  Zeit  gegen  einander  ungezwungen. 

—  Also  was  ist  es  mit  dir? 


Der  Palast  Josi-teru's. 


495 


^  Fo-lio  ,der  Dienst'. 

|#  Fö-hai  , Genossen'. 
^  ^    Tassia  , stark,  gesund'. 
#f   ^  i?»-;2i  .ohne  Zufall,  wohlbehalten'. 
p^  ~^    Hio-fo  ,beide  Seiten'. 
— '  ^   Itsi-do  , einmal,  zu  gleicher  Zeit'. 


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Itvarete  tomo-itsi  siaku-ni  kafa  iitsi-tsutsti  sih-zohu-no  sode 
kar-jari  to-to  itfara  umai  koto-mo  nai  mono-da  tvare-to  seri- 
jatte  kudan-no  tatsi  maki-age-jh-to  aita  fokoro-ga  ne-da-wa  agatte 
ja-ba-na  siro-mono  jb-jb-to  fukette-mo  oja-kata-je-ica  modorarezu 


496  Pfizmaier. 

naratüo  jon'-tca  nareta  si-goto  joi-nozoki-kara  kin-tsiaku  kiri  jo- 
to  katsu  saki  ja-ziri  klri-te  nuketa  fokoro-ga  numtto-no  o-knsira 
te-no  Sita  bakori-ga  go-rokn-sen-mo  aro-ka~i. 

So  angesprochen,  zupfte,  an  der  Handtafel  die  eine  Seite 
schlagend,  Tomo-itsi  die  Aermel  seines  Anzuges. 

—  Wenn  ich  in  die  östliche  Hauptstadt  gegangen  wäre, 
gäbe  es  auch  nichts  Angenehmes.  Aus  eigenem  Antriebe  aus- 
verkaufend, that  ich  als  ob  ich  das  gedachte  Schwert  in  die 
Höhe  rollte.  Die  Preise  stiegen ,  und  die  Waaren  auf  dem 
Schiessplatze  versanken  alhnälig,  zu  den  Aeltern  wurde  nicht 
zurückgekehrt.  Indem  ich  es  lernte,  wurde  die  Sache  erlernt. 
Durch  nächtliche  Erspähungen  durchschnitt  ich  Geldtaschen, 
die  Nachträuber  durchschnitten  einstweilen  die  Schwertspitzen, 
die  Zacken  der  Pfeile  und  entschlüpften.  Die  Käuber,  welche 
unter  mir  stehen,  werden  vielleicht  fünf-  bis  sechstausend  sein. 

^  Siaku,  eine  Tafel,  welche  die  Würdenträger  ehemals 
in  der  Hand  hielten. 

W^  ^   'S'^'^-zoku  ,der  Anzug,  der  Putz^ 
^   T6-to  ,die  östliche  Hauptstadt'. 
;^  Kin-tsiaku  ,eine  Geldtasche'. 

^  ^  Jo-fö  ,ein  nächtlicher  Räuber'. 

Nusutto  steht  für  misu-to  oder  nusn-hito  , Räuber'. 


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Sori-ja  sö-to  icari-ja-a  ß-kufsi-Je  otsi-te  te-ko-neta-to  omottu- 
ga  icari-ja-a  rippa-na  nari-katatsi  tcare-ga  koto-da-kara  man- 
zara  sirazi-ja-a  arn-me-Je  \  siraka  kura-ka  fanasi-te  kikase-i'O- 
kikase-ro-to. 


Der  Palast  Josi-teru's.  497 

—  Dieses  ist  geheim.  leb  g^laubte,  du  wärest  in  den 
Zunder  gefallen  und  eingeschlafen.  Du  bist  eine  prächtige 
Gestalt.  Meine  Sachen  werden  dir  völlig  unbekannt  sein. 

—  Sei  es  weiss  oder  dunkel,  sprich  und  lasse  es  hören  ! 
Lasse  es  hören ! 

^  i^  5^  Te-ko-neru  ,als  Mörserkeule  schlafen'  kommt 
in  zwei  Wörterbüchern  vor,  wird  aber  nicht  erklärt. 


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Iwarete  tö-kitsi  sare-ba  i-jai  ore-ga  nangib  ku-gib-sife 
kokete-wa  oki-oki  inotsi  kara-garn  fo-kutsi-kara  agan-ete  mono- 
no  ko-dzi-gakure  uaka-mura-no  oj<i-no  utsi-je-wa  tajorarezu  viesi- 
taki-ni-mo  nari  dettsi-ho-kh  togure-kogurete  ziii-nen  amari  do-jara 
ko-jara    fsiu-gen    hn-ko    ko-ko-ni-mo    rei-no    siri-suwarozu    tai-gnn 


498  Pfizmaier. 

rolcii-rio    ton   nige-site   mi-no   mawavi-ico   kosiraje   wo-da-dono-je 
ari-tsui-te  ima-no  na-ica  ko-no  sita  to-kitsi-jo. 

So  angesprochen,  erwiederte  T6-kitsi:  Also!  In  Gefahr 
und  Ungemach  mich  befindend,  wenn  ich  niederstürzte,  immer 
wieder  aufstehend,  indess  es  mir  gelang,  mit  dem  blossen 
Leben  aus  dem  Zunder  mich  zu  erheben  und  nichts  dem  Hause 
des  Vaters  in  Naka-mura,  dem  Verstecke  des  kleinen  Weges, 
Hilfe  brachte,  wurde  ich  auch  ein  Koch.  Der  Dienst  als 
kleiner  Knecht  ward  erreicht,  errudert,  über  zehn  Jahre  war 
es  auf  jede  Weise  ein  untergeordneter  Dienst.  Es  war  hier 
nicht  das  gewöhnliche  Bleiben.  Höchstens  sechs  Tael  mit- 
nehmend, entfloh  ich.  Indem  ich  mich  i'ings  umher  bereit 
machte,  erhielt  ich  eine  Stelle  bei  dem  Gebieter  Wo-da,  und 
mein  jetziger  Name  ist  Ko-no  sita  T6-kitsi. 

H^  ^^  Nan-gio  ,ein  gefährlicher  WandeP. 

^  ^^  Ku-gio  ,ein  mühseliger  Wandel'. 

pfa   ^    Tsiü-gen  ,ein  Knecht,  ein  untergeordneter  Dienert 

"^ij    Rei-no  ,üblich,  gewöhnlich'. 

-^  ^  Tai-gon  ,das  grosse  Wort',  im  Grossen  gesagt, 
höchstens. 

B^  '^  To-kitsi  sind  die  Zeichen  des  hier  und  früher 
vorkommenden  Eigennamens. 

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Suri-ja-ano  ima  se-ken-de  tsi-e  samurai-samurai-to  iiwasa- 
suru  ko-no  sita  to-kitsi-to -loa  saru  icare-ga  koto-ka  |  loo-wo-i 
jai  I  ko-itsu-a  su-teki-na  siüsse-sia-a  gatta-na  sasu-ga-no  tomo- 
itsi  akirern-iüo. 


Iter  Palast  Josi-tPiu's.  499 

—  Also  Ko-no  sita  To-kitsi,    der  in  dem   Rufe  stellt,  zu 
den  verständigen  Kriegsmännern  zu  gehören,  bist  du? 

—  O  ja  wohl! 

—  Du  gleich  einem  in  der  Welt  überaus  ausgezeichneten 
Manne !     Selbst  ein  Mann  wie  Tomo-itsi  staunt  darüber. 

jg:  PJ   Se-ken  ,m  der  Welt^ 

Hj   "fy^    Siilsse    ,aus    der    Welt    hervortreten ,     sich    aus- 


zeichnen. 

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Ha -ha -ha  nani-wo  iu-zo-i  vippon-wo  maru-dori-ni  site 
te-gara-ga  roku-ziü-jo-siü  tatsu-no  sireta  kono  kuvai-wo  rissin-to- 
wa  nahurii-na-naburu-na  s6-site  ware-ga  ima-no  na-wa  \  nani 
ore-gn  to-zoku-no  teo-hon  isi-gaioa  go-e-mon-to. 

—  Ha,  es  bedeutet  etwas.  Dass  ich,  Nippon  ganz  auf 
mich  nehmend,  zu  dieser  Rangstufe,  indess  die  Thaten  in  den 
sechzig  Landstrichen  bekannt  sind,  mich  erhoben  habe,  dar- 
über scherze  nicht.     Also  dein  gegenwärtiger  Name? 

—  Nun,  ich  bin  der  Räuberanführer   Isi-gawa  Go-e-mon. 


Siü  ,ein  Landstricii'. 

^   Rissin  ,sic]i  erheben,  sich  emporbi'ingen'. 
ß^  2b    Teo-bon  ,ein  Anführer,  ein  Häuptling'. 


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Ki-i-te  ko-no  sita  utsi-emi-te  \  suri-ja  ware-gn  isi-gawa  go- 
e-mon-ka  mu-mu  son-nara  mi-bu-mura-de  jnki-bta  to-tsi  an- 
nai-no  bu-kotsu-no  samiirai-td  |  tsioku-si-no  tvori-kara  \  saru-jo  | 
tomo-jo  kori-ja-a  fanaseru  fai-to. 

Dieses  hörend,  lächelte  Ko-no  sita. 

—  Also  bist  du  Isi-gawa  Go-e-mon?  Ei,  dann  bin  ich 
dir  bei  dem  Dorfe  Mi-bu  begegnet.  Es  waren  den  Weg  auf 
dem  Gebiete  zeigende  unbeholfene  Kriegsmänner. 

—  Zur  Zeit,    als    ich  ein  kaiserlicher  Abgesandter  war? 

—  So  ist  es ! 

—  Begleiter!  Dieses  wurde  besprochen. 

-f-  ^  To-tsi  ,Erde  und  Land'. 

#f  »a*   Bn-kotsu  ,ohne  Knochen',  roh,  unbeiiolfen. 


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Futari-to-mo  kami-simo  seo-zoku  sono  mama-ni  ne-farahai- 
tsufsu  tsuknho-dznje  \  ija  midzn-no  nagare-to  fito-no  mi-no  iije 
kore-fodo  icakarane-je  mono-wa  ne-je  \  sare-ha  o-nusi-mo  ore-nio 
kan-nan  kti-rb  sira-to  kura-to-ioa  iü  mono-no  atta  tokoro-ga  ku- 
ge-to  dai-mib  sb-site  o-nusi-wa  do-slte  hu-ke-je  ari-tsui-ta-je. 

Beide,  in  dem  Aufputze  der  oberen  und  unteren  Kleider 
bleibend,  waren,  indem  sie  liegend  krochen,  hing-ekauert. 

—  Ei.  der  Lauf  des  Wassers.  In  Bezug  auf  Mensehen 
ist  es  keine  Sache,  die  in  solchem  Maasse  unverständlich  wäre. 

—  Indessen  hat  es  für  dich  und  mich  Widerwärtigkeit 
und  Ungemach,  weisse  und  dunkle  Sachen  gegeben,  Fürsten- 
häuser und  Lehensfürsten.  Also  bist  du  irgendwo  bei  dem 
Kriegerstande  untergekommen. 

^  ^  'Sßo-zoku  ,der  Anzug,  der  Aufputzt 

^^  H^  Kan-nan  ,Widerwärtigkeit'. 

^  ^  K%i-ro  ^Beschwerde,  Ungemach'. 

^  ^  Ku-ge  ,ein  Fürstenhaus'. 

y^  -^  Dai-mib  ,der  grosse  Name',  ein  Lehensfürst. 

^  ^  Bu-ke  ,der  Stand  der  Krieger'. 

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5()2  Pfizmaier. 

Sa-a  ki-i-te  kure  fiakken  amari-'nio  fo-kö-site  joku-joku-no 
kofo  -  de  ima  -  mo  Uta  wh  -  gon  roku-  rih  -ga  moto  -de-to  nari  mi - no 
osamari-wa   kimatta  mono-no  kono  juku-saki-toa   ivakara-ne-je-to. 

—  So  höre!  Nachdem  ich  mehr  als  hundert  Häusern 
gedient,  ist  es  ein  Hauptgeld  von  sechs  Tael  Goldes,  das  ich 
in  der  That  jetzt  gebraucht  habe.  Mit  meiner  Ordnung  ist  es 
auf  das  Aeusserste  gekommen.  Wie  die  Sachen  in  der  Zu- 
kunft sein  werden,  begreife  ich  nicht. 

^  Ken  ,em  Vordach^,  ein  Wort  für  Zählungen  von 
Häusern. 

^  ^   Wb-gon  ,gelbes  Gold'. 


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Ije-ha  konata-no  go-e-mon-ga  \  sikasi  o-nusi-no  koto-da-kara 
nani-ka-ni  tsukete  mike-me-wa  arii-me-je  nan-zo  medzurasi-i  moke- 
gutsi-ga  aru  nara-ha  kikasete  kure-ro-to. 

Auf  diese  Worte  erwiederte  seinerseits  Go-e-mon :  Es 
wird  jedoch  geschehen ,  dass  bei  deiner  Sache  irgendwie  ein 
Ausweg  und  ein  Entschlüpfen  ist.  Wenn  etwa  eine  kostbare 
Erwerbung  vorhanden  ist,  so  lass  es  hören. 

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Der  Palnst  Josi-tem's. 


503 


Iri-n-o  JciJd  \  so  tu  Jcofo  narn  teo-rJo  ikn  icare-mo  seJckaku 
si-konde  kita  si-goto  loh-cjnn  san-ften-mai  narn  joi  saka-te  jo-no 
ifsu-no  iwazn-to  fnjahi  motte  ikanu-ka-i. 

Dieses  hörend,  erwiederte  Jener:  Wenn  es  sich  so  ver- 
hält, g-elit  es  eben  recht.  Es  war  meine  Verrichtung,  dass  ich 
mühevoll  etwas  hereingebracht  habe.  Wenn  es  dreitausend 
Stücke  g-elben  Goldes  sind  ,  ist  es  ein  gutes  Trinkgeld.  Soll 
man  es  nicht,  damit  es  nicht  vier  oder  fünf  heisse,  schnell 
herbrinsren? 

^JX  ^  Sekkaku  ,die  Hörner  brechen',  sorgfältig  oder  mit 
Mühe. 

^  ^    Wh-gon  ,gelbes  Gold'. 


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(    ^    y     {     >-     iy    -^    7 

Ba-ka-wo  iü-naje  kore-zia-a  tnada-mada  kajerare-neje  | 
naze-naze. 

—    Sprich    keinen    Unsinn.     Ist    dieses    noch    nicht    um- 
gewechselt? 


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warum  ? 

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Fate-kh  moto-de-wo  irete  kita-kara-ioa  motto  o-oki-va  ni- 
goto-ni  si-tai-wa  sari-to-wa  zib-bii-ni  te-atsni  kon-zih  fu-soku  nara 
sono  kane-de  ware-ni  uru  mono-ga  am  katoanu-ka-i. 

—  Da  du  auf  diese  Weise  ein  Handgeld  hereingebracht 
hast,    willst   du    damit    ein    äusserst    grosses  Geschäft  machen. 

SitznngBber.  d.  phil.-bist.  Cl.  XC.  Btl.  HI.  Hft.  33 


504  Pf  i  7.111  ai  er. 

p]s  ist  daher  sehr  wichtig.  Wenn  du  im  Gemüthe  unzufrieden 
bist ,  verkaufe  ich  dir  etwas  für  dieses  Geld.  Kaufst  du  es 
nicht? 

-^  J^   Zio-hu    ,ein   Mann',    als  Adverbium:  stark,  sehr. 

^g  »^  Kon-zih  ,das  Gemüth'. 

yK    Ä   Fti-sok^i  , unzufrieden'. 


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Mti-mu  siro-mono-ni  jotte  kni-mo  seö  |  dori-ja  tirb-ka-to 
oM-nawori  fito-ma-ni  mvkai.  i-gi-tsukiiroi  \  ja-n  fo-kifsi-ga  ke-rai 
jö-i-no  ßto-sina  zi-zan-itase-to  kekkaru  faje-to  iitsi-ioarh. 

—  Nun,  je  nach  der  Waare  werde  ich  es  kaufen. 

—  Ha,  werde  ich  es  verkaufen? 

Wieder  aufstehend,  kehrte  er  sich  zu  einem  Zimmer  und 
nahm  eine  gebieterische  Miene  an. 

—  Es  ist  beschlossen ,  dass  man  einen  von  dem  Haus- 
g-enossen  To-kitsi  bereit  gehaltenen  Gegenstand  wegbringe. 
—  Dabei  lachte  er. 

JS£  '^   I-gi  ,ein  strenges,  gebieterisches  Aussehen'. 

^  >d^  Ke-rai  ,ein  Hausgenosse'. 

ffl   ^  Jö-i  ,die  Bereitschaft'. 

•f^  :^  iJzi'san    , herbringen'.     Hier   zi-zan    geschrieben. 

^^  Kefsti  ,beschliessen,  bestimmen'. 

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i^ai^o  kotajete  fifo-nia-jori  kakai-de  tde-taru  fudzi-tsndznra 
en-gawa-ni  sasi-oke-ba  tö-kitsi  kin-ziü-wo  toivozakefe  |  säte  kore- 
zia  fn-so-o-na  sina  nare-do  ki-ni  ittara  uro-ka-i  dori-ja  urb-ka-to. 

Man  antwortete  Ja!  und  aus  einem  Zimmer  ward  ein 
Koffer  von  Färberröthe  herausgetragen.  Man  stellte  ihn  auf 
den  Flurgang.     To-kitsi  entfernte  die  vertrauten  Diener. 

—  Also  hier  ist  es.  Es  ist  zwar  ein  unpassender  Gegen- 
stand, doch  wenn  es  dir  gefällt,  werde  ich  es  wohl  verkaufen. 
Nun,   soll  ich  es  verkaufen? 

3^  i^^  Jffl   Fu-so-6  ,nicht  passend'. 


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san  ftase-to  kekkani  fnjp.-to  ntsi-tvarh  j  fatto  kotajete  kni-te  id.e- 
taru  fiizi-fsudznrn  to-kitsi  kin-zih-wo  fotoo-znke  |  säte  kore-zia-ga 

fti-sb'ö-na  fiiru-gi-zia-ga  ki-ni  itta  nara  urb-kaje-to. 

33* 


506  Pfizmaier. 

Wieder  aufstellend,  kehrte  er  sich  zu  einem  Zimmer. 

—  Es  ist  beschlossen,    dass  man  das  von  To  kitsi  bereit 
Gehaltene  wegbringe.  —  Dabei  lachte  er. 

Man  antwortete  Ja!    und  herausgeschafft  wurde  ein  Koffer 
von  Färberröthe.     To-kitsi  entfernte  die  vertrauten  Diener. 

—  Hier  diese  unpassenden  alten  Kleider,  wenn  sie  euch 
g-efallen  haben,  werde  ich  sie  wohl  verkaufen. 

ifr  ^  Fnru-gi  ,alte  Kleider^ 


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Jb-su  ari-ge-na  itsi-gon-ni  \  dore  aratamete  mi-jh-ka-i-fo 
futa  ßki-akure-ba  ki-rui-m  arade  loaga  ko-no  go-ra-itsi  kawo 
miru-jori  te-bajak^i  futa  sikkuri  sasii-ga  go-e-mon  gikkuri  mune- 
wo  suje-taru  tsudzura-no  nje  \  nan-to  san-sen-mai-ni-wa  jasni 
mono- de  arh-gci-na. 

Bei  diesen  Worten,  welche  eine  Bewandtuiss  hatten,  sagte 
Jener :  Wohl !  Ich  werde  sie  nochmals  ansehen. 

Als  er  den  Deckel  aufzog,  waren  es  keine  Kleidungsstücke, 
sondern  er  sah  das  Angesicht  seines  Sohnes  Go-ra-itsi.  Er 
schlug  sogleich  mit  rascher  Hand  den  Deckel  zu.  Selbst 
Go-e-inon  war  erschrocken  und  hatte  die  Brust  über  den  Koffer 
gelegt. 


Der  Palast  Josi-teru's.  507 

—   Dreitausend  Stücke  wird  doch  wohlfeil  sein. 

^  -^  Jo'Su  ,die  Weise,  der  Umstand*. 

— ■  ^^  Itsi-gon  ,ein  Wort*. 

'^  ^(  Ki-rui  , Kleidungsstücke*. 


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Wo -wo  id-kai-ni  naranu  furu-gi  jahurenu  titsi-ni  hatte 
okb-to  sio-zoku-no  sode  makuri  fe-ni  futoki  kokoro-wo  foso-hiki- 
mo  gi-ri-no  ven-ziaku  sasu-ga-no  isi-gaica  i-se-sato-se  go-sii  ko-no 
sita-ga  karamu  kotoha-no  fa-gai-zime. 

—  O,  es  ist  kein  erster  Kauf!  So  lange  die  alten  Kleider 
nicht  zerrissen  sind ,  kaufe  ich  sie  und  werde  sie  niederlegen. 
Er  schlug  die  Aermel  des  Anzuges  zurück,  in  der  Hand, 
o  starkes  Herz !  das  dünne  Seil  und  die  angemessene  Trag- 
stange. Selbst  für  I-se-sato-sei  in  Isi-gawa  bestimmte  er  die 
Zeit.     Ko-no  sita  schloss  die  Flügel  der  bindenden  Worte. 

^g  ^1  Gi-ri  ,das  Ordnungsmcässige,  Angemessene*. 
i^  ^  Ren-ziaku    ,ein  Tragband    oder  eine  Tragstange*. 
Go-su  ,eine  Zeit  bestimmen*. 


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508 


Pfiimaier. 

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0-tsioku-si  I  siü-ziü-no  mote-nasi  o-sara-ha  sara-ha  sagata- 
loa  kwno-i-no  uje  minu  wasi  jü-jii-to  site  tatsi-idzuru  mi-su-no 
fima  moru  fuje-no  ne-ni  tswete  kikojurv,  gaku-sa-no  sira-he  toki- 
ni  ajasi~ja  rib-nin-ga  tai-seru  tatsi-ni  ko-e  atte  tö-to-to  site  nari- 
ßbiku. 

—  Der  kaiserliche  Abg-esandte  — 

—  Allerlei  Unterhaltung-!  Ich  sage  euch  Lebewohl! 
Lebet  wohl! 

Mit  der  Haltung-  des  über  dem  Wolkensitze  unsichtbaren 
Adlers  erhob  er  sich  gelassen  und  trat  hinaus.  Von  dem  durch 
die  Thürmatte  dringenden  Tone  der  Flöten  begleitet,  hörte  man 
den  Einklang  der  Musik.  Um  die  Zeit  wiederhallte  sonderbarer 
Weise  ein  lauter  Ton  von  den  Schwertern,  mit  welchen  die 
beiden  Menschen  umgürtet  waren. 

M"  \^    /Siü-ziü  , mehrerlei,  allerhand'. 

jik  \^    ]-»    Ju-jü-to  , ruhig,  gemächlich'. 

M  i^    Gaku-sa  ,das  Aufführen  von  Musik'. 

^  Tai-mru  ,umgürten'. 

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Fate  kokoro-jenu  ima  kikoje-taru  ano  faje-ni  tai-se-si  tsurugi- 
no  natüo  idasu-wa-to. . 


Dfi  Palast  Josi-teru's.  509 

—  In  der  That,  es  ist  unbegreiflich,  was  man  jetzt  ge- 
hört hat.  Zu  der  Flöte  den  Ton  des  Schwertes,  das  man  an 
dem  Gürtel  trägt,  hervorschicken.   — 

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Ibukaru  konata-ni-mo  fiije-ica  rib-no  gin-ziiru  ko-e  tsiokxi- 
si-no  ohi-taru  tsurtigi  made  tomo-ni  ne-ico  nasu  do-ki-no  gattai 
suri-ja  xitagai-mo  naki  me-rio  so-tsi-ga  hai-tori  sio-dzi-se-si  jo-na. 

Man  verwunderte  sich.  Bei  dem  Tone  der  Drachen, 
welchen  diesseits  die  Flöte  austimnite,  gab  eben  das  Schwert, 
mit  welchem  der  kaiserliche  Abgesandte  umgürtet  war,  einen 
Ton  von  sich,  es  war  der  Einklang  derselben  Stimmung. 

—  Es  ist  also  ohne  Zweifel  der  weibliche  Drache.  .  Er 
hat  ihn  durch  Raub  sich  angeeignet. 

fl  Bio  ,Drache^' 

gA.  Gin-zuru  , summen,  hersingen^ 

[^   ^  Do-ki  , dieselbe  Luft,  derselbe  Geist'. 

^  -^  Gattai  ,der  vereinte  Stoff,  der  Einklang^ 

Me-    öji  vio  ,der  weibliche  Drache'. 

Ä  :^fe  So-td  Jene  Gegend^ 

]&)t"  J^  Sio-dzi  ,was  man  erfasst,  der  Besitz'. 


1  Es  musS  angenommen  werden,  dass  rio  ,Drache'  eine  gewisse  Stimmung 
der  Tonwerkzeuge  ist,  und  dass  auch  die  hier  erwähnten  zwei  Schwerter 
eine  solche  Stimmung  hatten,  wobei  ein  Unterschied  zwisclien  me-rio 
,weiblicher  Drache'  und  wo-rio  ,männlicher  Drache'  gemacht  wird.  Ucbrigens 
kommt  keines  dieser  drei  Wörter  in  einem  der  benützten  Wörterbücher  vor. 


510 


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Ho-lio-wo  sasii-ga-no  ko-no  sita  joku  sittavi  nandzi-ga  tai- 
se-si  sono  katana-vio  tomo-ni  ne-wo  nasu  ima-no  ki-doku  sate- 
wa  wo-rio-no  tsurugi  naru-ka. 

—  Oh!  Selbst  Ko-no  sita  wusste  es  gut.  Auch  das  Schwert, 
mit  welchem  du  umg-ürtet  bist,  gibt  zugleich  einen  Ton  von 
sich.  Es  ist  jetzt  seltsam  und  einzig.  Also  ist  es  das  Schwert 
des  männlichen  Drachen? 

-pHf  ;J^  Ki-doku  , seltsam  und  einzig^ 

Wo-   b||  rib  ,der  männliche  Drache'. 

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y  y    -    b-  y   ^   y  7  A    ^- 

Ho-ho-ico  iü-ni-ja  ojohu  asi-kaga  rni-dai-no  me-rih-no  mei- 
ken  gattai-suiu-wa  ima  kono  toki  me-rib-mani  uke-torb-ka  \  i-i-ja 
nandzi-ga  wo-rib-maru  kottsi-je  watase. 

—  O!  Es  lässt  sich  sagen.  Indem  das  berühmte  Schwert 
des  weiblichen  Drach.en  der  fortlaufenden  Zeitalter  Asi-kaga's 
im  Einklang,  wird  man  jetzt  um  diese  Zeit  das  Rund  des  weib- 
lichen  Drachen  in  Empfang  nehmen? 

—  Ei,  bringe  mir  dein  Rund  des  weiblichen  Drachen! 

S   4^  Riti-dai  ,die  fortlaufenden  Zeitalter'. 
-^  ^J   Mei-ken  ,ein  berühmtes  Schwert'. 


Iier  Palast  Josi-teru's.  511 


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Nani-wo  ko-siakii-na-to  tsume-jori-jori  so-fo  itsi-do-ni  nuki' 
fanase-ba  saki-midare-twu  ki-kusa-no  kua-gih  knzasi-ni  si'moto 
tsiri-fuse-tari  loori-kara  si-ra  kuni-naga-ga  amata-no  kumi-kome- 
si  tsurete  ■  tsiirngl-no  td-zoku  sore  mesi-tore. 

—  Man  sagt  etwas  Ungereimtes. 

Indem  er  es  immer  hindrängte,  zog  er  zu  beiden  Seiten 
mit  einem  Male  das  Schwert  heraus.  An  dem  Schirme  der 
zerrissenen  und  verwirrten  Blumengestalten  der  Bäume  und 
Pflanzen  lagen  die  Zweige  zerstreut  da.  -  In  diesem  Augen- 
blicke erschien  Si-ra  kuni-naga  mit  vielen  Begleitern,  die  er 
hereinbrachte,  und  rief:  Nehmet  den  Räuber  des  Schwertes  fest! 

^^  ~fc"   S6-fd  , beide  Seiten*. 

— ■  ^  Itsi-do  ,ein  Mal^ 

!^  ^  Kua-qio  ,die  Gestalt  der  Blumen^ 


^  Was  hier  unter  ,Ruurl'  g'emeint  wirrl,  lässt  sieh  uiclit  bestimnion.  Der 
Ausdruck  feiilt  in  der  in  dem  Jcitai-setsu-yö  entlialtencu  Zeichnung:  des 
Schwertes. 

-  Die  Rede  ist  wahrscheinlich  von  den  Verzierungen  des  Schwertes. 


512  Pfiziuaier. 

^'  V  ^  ^   )\   1?  ^   y   T  y   7*  y 

Ha-ha-a  fatto  itsi-do-ni  jari-busuma  go-e-mon  sono  mama 
tatsi  nuki-Jaizasi  ta-sei-ico  asiro  sono  fima-ni  kutsi-ni  ziii-mon-wo 
j6-ziütsu-ni  sugata-ica  sono  mama  kije-usere-ba  arasi-ko-domo  kawo 
mi-awase  kore-wa  dö-da-to  ho-zen-tari. 

Ha,  Ha!  —  Mit  einem  JMale  an  der  gesprengten  Dunst- 
decke das  Schwert  ziehend  und  sich  schützend ,  beschäftigte 
Go-e-mou  einstweilen  die  Menge.  Unterdessen  nahm  er  eine 
Schrift  der  Beschwörung  in  den  Mund,  und  durch  ungeheuer- 
liche Kunst  war  seine  Gestalt  verschwunden.  Die  starken 
Männer  blickten  einander  in  das  An2:esicht. 

—  Wie  ist  dieses?  —  Sie  waren  erstaunt. 

-^  ^^  Ta-sei  , grosse  Kraft',  eine  grosse  Menge. 
^  ^T  Ziü-mon  ,eine  Schrift  der  Beschwörung^ 
i^  l^j  Jö-ziütsu  , ungeheuerliche  Kunst'. 
4«^  ^^  ßo-zen  ^verwundert,  ausser  sich'. 

ir   ?^   :2.  ^   h  y   i-   u    p   ^   y 

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Der  Palast  Josi-tem's.  513 

Mi-su-no  idsi-jori  aja-no  dal  si-zm-no  jb-su  tikagb  tokoro 
tsiohu-si-to  Hatte  iri-kiwu  tö-zoku  tatuje  swjata-ica  kijuru-to-tno 
ten-mei  itsu-ka  nogaru-heki. 

Hinter  der  Thürmatte  wurden  von  der  Gemalin  Aja  die 
Umstände  vom  Anfang  bis  zu  Ende  erspäht. 

—  Ein  Räuber,  der  sich  zu  einem  kaiserlichen  Ab- 
gesandten gemacht  hat ,  kommt  herein.  Gesetzt  auch ,  seine 
Gestalt  ist  verschwunden,  kann  er  eines  Tages  dem  Befehle 
des  Himmels  entkommen? 

io  ^  «Si-zm  ,Anfang  und  Ende', 

^  ^   Ten-mei  ,der  Befehl  des  Himmels',  das  Schicksal. 


-f^^     Y    ^    ^    y"    y 

Nin-ziütsu-ico  motte  sio-nin-no  me-wo  kuramasu-to-mo  fisn- 
josi-ga  manako-iva  mei-kio. 

—  Mag  er  auch  durch  Älenschenkunst  das  Auge  aller 
Menschen  blenden,  das  Auge  Fisa-josi's  ist  ein  heller  Spiegel. 

A    |i|tf  Niu-ziütsii  , Menschenkunst'. 

^  ^   Sio-ni)i  ,alle  Menschen'. 

-^  ^  Fisa-josi  ist  ein  Eigenname,  der  an  einer  späteren 

Stelle  des  Buches  noch  zweimal  vorkommt. 

H^  ^^  Mei-kio  ,ein  heller  Spiegel'. 

^   -^    h    PI   )t   )^   2>   y   Ä   ^ 

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514 


Ffizmaier. 


Ho-ho  han-ri-wo  mi-nuku  sonata-no  mei-satsu  sasi-dzu-no 
töri  fakarb-tare-bn  kuni-naga-ica  si-mon-too  katame-tori  nigasanu 
jb  kokoro-je-tari-to. 

—  O,  es  ist  seine  klare  Erforschung,  wobei  er  zehn- 
tausend Ki  mit  den  Blicken  durchdringt.  Da  der  Inhalt  der 
Weisung  erwogen  ist,  hat  es  Kuni-naga  verstanden,  dass  er 
die  vier  Thore  fest    verschliesst  und  ihn  nicht  entfliehen  lässt. 

^^  J|_  Ban-ri  , zehntausend  Ri^ 

0^  ^  Mei-satsu  ,die  helle  Erforschung'. 

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Ose-ni  I  fatto  kum-naga-iva  mono-domo  tsvdzuke-to  issan-ni 
kumi-ko  fiki-tsure  kaker i-jukii. 

Bei    diesem   Befehle    sagte   Kuni-naga:   Ja!  —   Mit  dem 
Rufe:    Leute,    schliesset    euch    an!    sprengte    er,    von    seinen 
Genossen  begleitet,  in  schnellem  Laufe  davon. 
Issan  , schnell   sich  zerstreuen'. 


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Ato  utsi-mi-jan  aja-no  dai  koro-mo  tasogare  icaga  sa-mi- 
ga  zin-fai-no  koku-gim  hnn-zi-ioa  to-kitsi. 

Die  Gemalin  Aja  blickte  ihnen  nach. 

—  Es  ist  um  die  Abenddcämmerung,  für  unseren  Bouzen 
die  bestimmte  Zeit  der  göttlichen  Verehrung.  Bei  allen  Dingen, 
To-kitsi! 

U^  ?S  Äa-wi  ,ein  Bonze,  der  das  Haupthaar  nicht  ganz 
geschoren  hat'.      Hier  sa-mi  geschrieben. 


Dpi-  Palast  Josi-tPrn's.  515 

jjj(|l  ^  Zin  -  hni  ,die  göttlicho  Verehrung',      Hier  zin  -fai 
geschrieben. 

^l]  Bß  Koku-gen  ,die  bestimmte  Zeit'. 

^  Ban-zi  , zehntausend  Dinge',  alle  Dinge. 


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Madzu    iraserare-maseo    fukaki  te-fadzu-wo  ßto-ma-no  ufsi 
fiki-wnkarete-zo     iri-ai-no    kane-de    möke-vo    oku-go-ten    a-nai-ni 
tsurete  sidzu-sidzu-to  tsio-kei  itsi-mi-no  dai-ni-mib  ke-u-ni  zed-zite 
foro-ei  ki-gen  ajwmase-kitari. 

—  Es  wird  früher  eingetreten  werden.  Ein  wichtiges  Vor- 
haben ! 

In  einem  Zimmer  sich  trennend  und  bei  der  Einführung 
in  den  bei  der  Glocke  des  Sonnenunterganges  vorgerichteten 
inneren  Palast  begleitend,  kam  in  Ruhe  Tsio-kei,  sich  auf  die 
Seltenheit  der  Ernennung  zum  vertrauten  grossen  Zugesellten 
zu  Gute  thuend,  in  halbtrunkener  Laune  dahergeschritten. 

^  f^n  1^   Oku-go-ten  ,der  innere  Palast'. 

^  fe  An-nai  ,die  Einführung  in  ein  Haus'.  Hier  a-nai 
geschrieben, 

-^   g|^  Dai-ni   ,der   grosse    als   Zweiter  Zugesellte',    die 

älteste  Obrigkeit   des  Sammelhauses  des  grossen  Vorgesetzten. 

^  Mlh  ,der  Befehl',  die  Ernennung. 


516  Pfizmaior. 

^  "^  Kp.-u  ,was  selten  voi-lianden  ist'. 

^  Z/'o-zurii    ,sich    auf   Etwas  zu  Gute  thun^    Hier  zed- 
zuru  gesell  rieben. 


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Aruzi  josi-teru-ko-gn  zin-fni-no  kih-ni  zib-zife  jo-hnka  vi  ade 
o-fige-no  tsiri-to  siü-jen-no  seki  t.^i-s6  tappitsu  knkotsi-jokn. 

—  Der  Gebieter,  Fürst  Josi-teru^  die  Freude  der  g-ött- 
lichen  Verehrung  sich  zu  Nutzen  machend,  hat  bis  tief  in  die 
Nacht,  um  sich  gütlich  zu  thun,  den  Teppich  des  Weinfestes, 
eine  Unterhaltung  in  grossem   Style,  er  fühlt  sich  wohl. 

)|jft  ^£  Zin  -  hai  ,die  göttliche  Verehrung'.  Hier  wieder 
zin-fai  geschrieben. 

J^  Kio  ,Lustbarkeit,  Freude'.     Hier  iti  ja  w  geschrieben. 

^k  Zio-ziiru  ,sich  auf  Etwas  zu  Gute  thun,  sich  zu 
Nutzen  machen'. 

O-fige-no  ,der  Staub  seines  Bartes'  bezieht  sich  auf  das 
Sprichwort  fi,ge-no  tsiri-ioo  faro  oder  toru  ,den  Staub  des  Bartes 
wegkehren  oder  wegnehmen',  d.  i.  Jemandem  schmeicheln. 

*^  Sin-jen  ,ein  Weinfest'. 
Seki  ,eine  Matte,  ein  Teppich'. 
■^    Tsi-so  ,Fest.lichkeit,  Unterhaltung'. 
-4c  ^^   Tappiisv  ,ein  grosser  Pinsel'. 


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ppr  Paln<t  Joci-toru's. 


517 


Kunii-foka-no  san-hai  tsi)i-mi  hu-hon-vo  knzv-mo  aolo-mike 
zih-gn  hifsi-ico  age-faru  ziü-kai-ro. 

—  Es  sind  die  Seltenheiten  der  Berg'e  und  des  Meeres 
ausserhalb  der  Thorwarte,  die  Zahlen  der  neun  Darreichun- 
gen. Es  ist  ein  Gefängniss  zur  Warnung,  dass  man  den  Sieg 
der  grossen  Trinker  erhoben  hat. 

^^  Kuan  ,eine  Thorwarte', 
jjj  j^  San-kai  ,Berge  und  Meere^ 
^  ttt   Tsin-mi  ,ein  seltener  Geschmack'. 
-j\^  iM    Kn-kon    ,neun    Darreichungen',     ein    Ausdruck, 
welcher  den  Wein  bezeichnet. 

^  ^Öt  -^'^*"^'^^*  ,eine  Warnung  erhalten'. 
^   Rh  ,ein  Gefängniss'. 

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Mei-sm-no  koto  nara  e-do  itsi-kawa-no  masu-zaka-ja  is.ieo- 
mo  tri-seo-mo  san-seö-mo  mada-mada  o-oki-na  jone-no  maftii-garn 
gaku-ted-no  fnna-hu-tai  fö-hi-no  t/ini-ta  /nkn-suke-ja  takarn-no 
ifsi-kaioari  mn-na-da  tsndztdcu  kami-ja-no  kiku-zake.-ka. 

—  Wenn  es  sich  um  guten  Wein  handelt,  so  sind  in 
dem  Gantang -Weinhause  von  Itsi-gawa  in  Je-do  ein  Gantang, 
zwei  Gantang,  drei  Gantang  noch  immer  grosse  Gantang  Reis. 
Lob  von  Seite  des  Tanzbodens  der  Eckstrasse  erntete  wohl 
anstatt  des  Marktes  der  Kostbarkeiten  des  Hauses  Fuku-suke 
der  Goldbluraenwein  des  mit  Ma-na-da  zusammenhängenden 
Hauses  Kami-ja. 

r:^  y^   Mei-siü  , berühmter,  vorzüglicher  Wein'. 


ölo  Pfizmaier. 

-^    Galxu  ,eine  Ecke^ 

^^  ^^  Bu-tai  ,eme  Erdstufe  des  Tanzest 

j^  ^^  Fö-hi  , Lobpreisung'. 

>^  Y^  Kiku-zake  ^Goldblumenwein'. 

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Ija-ija  ware-ra-iva  fidari-jori  koromo-ioo  ki-se-si  ama-kusari 
itsi-no  tani-ni  viei-hutsu-na  atsu-mori  soba-no  utsi-tate-de  sei-rb 
kasanete  te-gara-gui. 

—  O  in  Ama-kusari,  wo  wir  von  links  die  Kleider  an- 
zogen ,  in  Itsi  -  no  tani ,  gerade  neben  Atsu  -  mori ,  •  welches 
berühmte  Sachen  besitzt,  hatten  wir  in  dem  ßrunnensöller 
nochmals  das  Thatenessen. 

^  ^  Mei-bntsu  ,eine  berühmte  Sachet 

ih  ^^  Sei-rö  ,ein  Brunnensöller'^,  eine  Art  Festungswerk. 

Te-gara-gui,  durch  , Essen  nach  verrichteten  Thaten'  zu 
erklären. 


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Ija-mo    ivare-ßto    tomo-ni    muisu-masi-kn    ifamanu    fara-no 
mote-nasi-ni  atari  fakken  o-o-arasi. 

—  Ja,  als  ich  und  Andere  freundschaftlich  die  Bewirthung, 
bei  welcher  der  Bauch  nicht  schmerzte,    veranstalteten,  erhob 


'  Itsi    110  taiii  befindet  sicli   in  dem   Reieiie  Si'tsii,   Kreis  Ja-ta-fe,  ebenda- 
selbst auch  die  Pagode  Atsu-mori.     Ama-kusari  wurde  nicht  aufgefunden. 


Der  Palast  Josi-trrn's.  519 

sich    vor    uus,    in    einem  Umfange   von  acht  Ken,  ein  grosser 

Sturm. 


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Koto-nara  sessia-wa  kutsi-afari  fara-hnto-motsi-iüo  tsuvie- 
konde  te-ni  ase  nigiri  motsi-ni  tsuki. 

—  Ich  besonders,  als  ich  vor  dem  Munde  einen  Weiss- 
fischkuchen  hereinpresste,  haftete  ich,  mit  der  Hand  Seh  weiss 
eingreifend,  an  dem  Kuchen, 

i|fj  ^  Sessia  ,der  Thörichte',  ein  Pronomen  der  zweiten 
Person. 


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Kore-to  mhsan-mo  kumi-rei  mi-josi-dono-no  o-fakaral  |  ono- 
ono  kata-mo  sa-zo-kasi  man-fuku      itasi-te  gozaru-to. 

—  Wir   werden    es    so  sagen,    es  ist  die  Anordnung  des 
Geschäftsleiters,  des  Herrn  Mi-josi. 

—  Möge   also  ein  Jeder  zehntausendfaches  Glück  haben. 

—  Wir  thuen  es. 

^^  -^  Kuan-7'ei  , besorgen  und  leiten'. 

/j    jjjg  Man-fuku  ,zehntausendfaches  Glück'. 

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Rata-te  ild  konata-je  Jd-kakaru  ^oori-kara-ni  saki-ni  tattarn 
rokkuku-ga  ehosi-ga  nvgete  hikkuri-vasi  \  fate  mnun-ni-mo  smoa- 
razu  mige-taru  ehosi  sori-ja  sadame-sl  zen-ßb  navan. 

Auf  einer  Seite  gehend,  wollte  er  hierher  kommen.  In 
diesem  Augenblicke  fiel  ihm  die  nach  vorn  stehende  sechs- 
eckige Mütze  ab.     Er  war  erschrocken. 

—  Ei,  ohne  dass  etwas  im  Wege  steht,  ist  die  Mütze 
abgefallen.     Dieses  wird  ein  bestimmtes  Vorzeiclien  sein. 

-^  -^   Rokkakii  ^sechseckige 

"^  ^  Zen-ßo  ,ein  Vorzeichen^ 


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Ko-wa  naze-de  gozaru-na-to  tadznne-ni  kitsa-kaioa  susumi- 
ide  I  migete-mo  nigasanu  ge-ko-no  mu-ri-zi-i  sassatsu  mn-tei 
doron-io  naru  sirasede  gana  gozarb. 

—  Warum  ist  dieses?  —  Bei  dieser  P^-age  trat  Kitsu- 
ka^^:a  vor. 

—  Den  Entschlüpfenden  nicht  cntilieheD  lässt  die  un- 
geregelte Raschheit  des  Nüchternen.  Der  stark  Betrunkene  — 
o,  dass  man  es  nicht  zu  wissen  gemacht  hätte!  wird  duselig 
geworden  sein. 

^   jll    Kit.sH-kaira  ist  ein  Geschlechtsname. 

~\\  Jß  Ge-ko  ,em  massiger  Mann,  ein  Nüchterner'. 

ff^  ^  Mu-ri-zi-i  ,ohne  Ordnung  oder  Regel'. 

@§  HT  ^^'-'■fßi  ,sti^i-lv  betrunken e    So  viel  als  Jn-tsuhwe. 


rter  Palast  Josi-ti^iirs.  521 


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Ija-ija  sa-jo-de  cjozarami  san-hai  nonda  vje-no  Icoto  ato-wa 
(jc-san-no  toare  nare-ha  sähe  sa-fodo-ni-mo  omoi-ja  senu  mono 
kotsi-ja  damari  ho-ge-sau-a-no  fa-tda-mo  vii-no  tasinami  '  ika-sama 
sa  jo-ka. 

—  Ei,  so  ist  es  nicht.  Nachdem  ich  drei  Becher  getrunken 
habe,  denke  ich,  da  ich  es  bin,  der  von  dem  Bei'ge  herabsteigt, 
nicht  so  sehr  an  den  Wein.  Ich  schweige  und  gebrauche  nach 
dem  Blätterliede  des  Sumpfes  B6-ge  '  Vorsicht. 

—  In^viefern  ist  es  so? 

~T\   ijjj   Ge-san  ,von  dem  Berge  lierabsteigen^ 
^  ^  Fa-uta  ,ein  Blätterlied'^,  ein  Volkslied. 

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Tsure-datsi-tsutsii-mo  en-saki-no  katatsi  araioasu  isudzura- 
wo  mite  \  kore-kore  oiw-ono  go-ran-nasare  ge-ge-no  ge-ge-ra-ga 
motsi-afsnkh  |  jakata-ni.  nijaioanu  ajasi-i  utsiuca-to. 


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'  lieber    dieses    Lied    und    den    geuaunteu    Sumpf   konnte    nichts    erfahren 
werden. 

34* 


i')22  Pf  i  zitiaier. 

Während  sie  sich  mit  einander  erlioben,  sahen  sie  einen 
Koffer,  welcher  die  Gestalt  der  Vorderseite  des  Vurhauses 
zeigte. 

—  Sehe  ein  Jeder  her!  Das  Unterste  des  Untersten  hat 
man  im  Gebrauche. 

—  Ein  für  einen  Palast  unpassendes,  sonderbares  Geräth! 
(En)-saki  ,die  Vorderseite  des  Vorhauses'. 
^    Go-ran  ,das  Sehen',  als  Ehrenausdruck. 


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Tame-Uu  sucjame-tsu  |  /afe  mnrasaki  siki-hu-ga  fu-ze-vo 
afo  sono  mono-gatari-ico  kaki-nose-si  ßna-no  tsudzura-gn  sore 
narade  \  imikasi-hanasi-no  sita-kiri-suzume  |  fari-hun  ko-ja-no 
Sita  mono-ka  \  ßjon-na  fokoro-je  iü  kasi-to. 

Sie  blickten  bald  offen,  bald  mit  halbg-eschlossenen  Augen 
in  die  Ferne. 

—  In  der  That,  eine  Spur  von  dem  Geiste  JVIurasaki 
Siki-bu's.  Es  ist  nicht  der  Küchleinkoffer,  der  in  ihi-er  Er- 
zählung  durch    die  Schrift  eingetragen  wurde. 

—  Der  in  einer  alten  Erzählung  vorkommende  Sperling, 
dem  die  Zunge  abgeschnitten  war. 

—  Vielleicht  der  unter  der  Hütte  von  Fari-bun.  ^ 

—  Es  ist  eine  seltsame  Erscheinung,  darf  man  sagen. 

^    j\J    ^    Mnrasaki   sikl-hu  ist   die  Tochter    ^    fl^ 

Tame-toki's,    Statthalters    von    Jetzi-zen,    und    Verfasserin    des 
Gen-zi-mono-gatari. 


'  Der  Name  fari-hun  ko-ja  ist  deui  Verfasser  nirgends  vorgekommen. 


Der  Talast  Josi-tern's.  523 

^  tra  jF?f-.:(.i  ,die  Leidenschaft,    der  Geist'.     Hier  fn-ze 


geschrieben. 

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Jlei-mei  aore-to  ugokasn  tsudzura  ari-si  katatsi-ica  fatsi- 
matsi-ni  kumo  kiri  kakure  mo-io-to  mljene-ha  mei-mei  utsi-odoroki  \ 
kori-ja  dö-zia  ima-made  ari-si  tsudzura-iva  idznre-je  Jcua  mijenu-to. 

Ein  Jeder  sagte:  So.  —  Die  vorhandene  Gestalt  des 
Koffers,  den  etwas  in  Bewegung  setzte,  verbai-g  sich  plötzlich 
in  Wolken  und  Nebel,  erschien  trüb  und  ward  unsichtbar. 
Alle  erschracken. 

—  Wie  ist  dieses?  Der  Koffer,  der  bis  jetzt  da  gewesen, 
wohin  ist  er  entschwunden? 

:^    \^    Mei-mei  ,NaDQe  um  Name',  jeder  Einzelne. 

J^  JH  31d-r6  ,trüb,  umwölkt',  ursprünglich  vom  Mond- 
licht gesagt. 

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o24  Pfizniaier. 

Atsu-ke-ni  torare  tada  hö-zun-taru  nono  wori-kara  tsiü-tvo 
hura-hura  tobi-juku  tsudzura  jo-jo-ni  ine-wo  tsukete  ja-a  rokkaku- 
dono  are  mi-tamaje-to  iwarete  ono-ono  utsi-awomuki  \  a-a  tsudzura- 
ga  tsiü-ico  aruku-ica-arukii-iva  ko-ioa-ko-wa  ika-ni-to. 

Von  Hitze  ergriffen,  waren  sie  nun  ausser  sich.  In  diesem 
Augenblicke  flog  der  Koffer  schwankend  durch  die  Luft  daher. 
Sie  hefteten  auf  ihn  aUmälig-  die  Blicke. 

—  Ah,  es  mag  ein  sechseckiger  Palast  sein.    Sehet! 
Bei  diesen  Worten  blickte  ein  Jeder  in  die  Höhe. 

—  Ah,  der  Koffer  wandelt  durch  die  Luft,  er  wandelt! 
Dieses,  dieses  wie  ist  es? 

ptl    Tsiü  ,die  Mitte',  das  Leere,  die  Luft. 


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Mi-aguru  utsi  sugata  cvaivasu  goe-mon-ga  gan-ka-ni  mi- 
jari-te  nikkori  icarai  |  tsi-isa-na  ja-ro-de  me-ni  mijeniL-ka  ko-e-ni 
hikkuri  mi-aguru  ko-kit,  \  ha-kn  ei  he-he  Jia-ha-ha-to  utsi-ioarai 
kumo-ma-wo  jü-Jit  nori-juku. 

Während  sie  emporblickten,  zeigte  Go-e-mon  seine  Ge- 
stalt. Er  blickte  auf  die  unter  seinen  Augen  Betindlichon  und 
lachte. 

—  Als  eine  kleine  Zierpuppe  erscheine  ich  nicht  vor 
euren  Augen? 

Als  sie,  bei  dem  Ton  dieser  Stimme  erschrocken,  empor- 
blickten, erschallte  es  aus  dem  leeren  Räume:  Narren!  He 
he !  Ha  ha  ha ! 


So  unter  Gelächter  stieg  er  zwischen  den  Wolken  langsam 


weiter, 


Der  Palast  Jusi-tiTu's. 


525 


|R^  ~T\  Gaa-lca  ,untei-  den  Äugend 

^P   ]IP  Ja-i'o  hat  hier  die  Bedeutung  ,Zierpuppe^ 

]#■  ^  Ko-kü  ,(lcr  leere  Raum'. 

j\^    \^  Jü-jü  jhmgsain,  gemächliche 

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Nin-ziutsu  suijata  mijene-ba  awo-ku-ijc-tatsi  ki-)ito  taniasi- 
i-mo  ten-do-si  sono  mama  fo-sin  nasi-te  kern. 

Durch  Menschenkunst  ward  seine  Gestalt  unsichtbar. 
Die  unerfahrenen  Leute  der  Fürstenhäuser  hatten  Geist  und 
Seele  umgedreht  und  machten  sich  wie  früher  unbestimmte 
Gedanken. 

A    :|/jtj  Nhi-ziütsH   , Menschenkunst'. 

<^^    Kti-ye  ,die  Häuser  der  Fürsten'. 
M  ||h    Ten-du  , Umdrehung  und  Bewegung'. 
^  i^  Fb-sin  ,das  Herz   oder  die  Gedanken    freilassen'. 
Hier  fo-u-sin  geschrieben. 


flä  ^  Md-ka-no  ^  ha. 

Der    Schauplatz  des  Fliirgaiigs. 

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Ma-(joto-goto-ni  siki-narabii  fana-to  mi-magb  kiJcu-to-dai 
ßru-wo  azamuku  hakari  -  idte  atari-mo  kagajaku  kin-den-ivo 
osorenu  dai-tan  fu-teki-no  go-e-mon  narai-ohoje-si  nin-ziiitsu-nite 
sugata  mijene-ba  tare  alte  togamuru  fito-mo  naga-ro-ka  en-no 
sita-jori  zi-teo-no  asi-gara  kore-mo  ukagb. 

Den  in  einem  Masse ,  dass  in  einem  jeden  Zimmer  die 
Goldblumenleuchter,  die  man  für  in  Reihen  ausgebreitete  Blumen 
ansah,  den  Tag  verspotteten,  vor  ihm  schimmernden  goldenen 
PaJast  nicht  fürchtend,  hatte  sich  der  kühne,  furchtlose  Go-e-mon 
durch  die  von  ihm  erlernte  Menscheukunst  unsichtbar  gemacht. 
Welcher  Mensch  sollte  ihn  beanständen  ?  In  dem  langen  Flur- 
gang,   unter  dem  Vorhause,    spähte  auch  der  Knecht  Asi-gara. 

^  Kiku  ,die  Goldblume^ 

»J^  ^^   To-dai  ,ein  Leuchter'. 

^  ^  Kin-den  ,ein  goldener  Palast'. 

■y^  B^  Dai-tan  , grosse  Galle',  kühn. 

^  '1^  Fu-teki  , furchtlos'. 

yV  ^^  Nin-ziütsu  , Menschenkunst'. 

Jg[5  ^  Rh-ka  ,ein  Flurgang'. 

:^  Ell  ,ein  Vorhaus'. 

^  ~y  Zi-tto  ,ein  Diener,  ein  Knecht'. 

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Za-siki  saki  sore-to  mim-jori  \  asi-gava-asi-gara  kin-zo- 
kin-zh  I  ja-a  tasika  ima-no-iva  kasira-no  ko-e-da-ga-to  atari  kijoro- 
kijoro  u-san-gawo  |  wo-ico  mijenu  fatsu  koko-ni  ivu-to  in -wo 
fodoke-ba  arawaruru  kin-zb-wa  sasi-jotte  \  loo-ico  kasira  sakki- 
kara  kosi-kake-ni  matte  ite-mo  oto-ioa  sezu  moku-romi-wa  ivare- 
wa  sia  senu-ka-to. 

Vor  dem  Sitzzimmer,  sobald  er  sah,  dass  es  dieses  sei, 
rief  er:  Asi-gara!  Asi-gara!  Kin-zö!  Kin-zo! 

—  O,  es  ist  gewiss  jetzt  die  Stimme  des  Anführers !  — 
Hierbei  spähte  er  umher  und  bekundete  in  seinem  Gesichte 
Misstrauen. 

—  O,  ich  war  nicht  zu  sehen.  Ich  bin  eben  erst  hier. 
—    Dabei    löste    er    das    Siegel.     Kin-z6    zeigte    sich   und  trat 

hinzu. 

—  Der  Anführer  hat  schon  früher  auf  dem  Sitze  ge- 
wartet. Es  wurde  verabredet,  dass  wir  kein  Geräusch  machen. 
Thust  du  es  nicht? 

^  ä^  Kin-zo  ist  ein  Eigenname. 
J^  #Jr    U-san  ,misstrauisch'. 
^<J]  Fatsu  ,der  Anfangt 
^P   In  ,ein  Siegelt 

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528  rtizinaier. 

Ncika-no  kutsi-kava  kono  (/e-ja-je  sa-sa  fiikcrb-zia  aru-mai' 
ka  I  ija  fukeranit  j  ko-iva  mata  naze-iia  wo-ico  naze-to-toa  kui- 
da-koi-da-to. 

Mit  vertraulichen  Worten  sagte  Jener:  Wird  es  denn  l'iir 
dieses  untere  Haus  nicht  tiefe  Nacht  werden  ? 

—  Es  ist  nicht  tiefe  Nacht. 

—  Warum  ist  dieses  auch? 

—  Warum?     Es  ist  innig,  es  ist  innig. 


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Ije-ha  kin-zo  \  lieii  oja-kata-no  ßsasi-i  mono-tu  hl  ma-mo 
atari-je  kokoro-oku  <jo-e-mon-ioa  jb-jo-to  '  ore-gci  kove-made  neu 
kaketa  koto  ne-je  zai  jari-kake-ni-ja-a  kono  jakata-wa  ngohinu 
sib-ne  zia-ma-ni  narit  kono  tsudzura  dai-zi-no  zo-ritsu  saki-je 
kajere. 

Hierauf  erwiederte  Kin-zö:  Es  heisst,  der  Vater  sei  hinge 
Zeit  nicht  gesehen  worden.  Go  -  e  -  mon  ,  der  Austand  nimmt, 
ihm  unter  die  Augen  zu  treten,  ist  beinahe  — 

—  Ich  liabe  bis  jetzt  keine  Aufmerksamkeit  geschenkt. 
Etwa  wie  für  eine  Zeichenfahue  und  ein  Lanzengestell  habe 
ich  für  diesen  Palast  einen  unwandelbaren  Sinn.  Dieser  zu 
einem  Hindcrniss  werdende  Koflfer  kehre  zu  dem  wichtigen 
Vorgebirge  der  vermehrten  Tonweisen  zurück. 


Der  Palast  Jüsi-tcru'ö. 

^  Neu  kakerii  ,die  Gedanken  anhängen'. 

J©   Zai  ,einc  Zeichenfahne'. 

>^  ^^  Sib-ne  ,die  Wurzel  des  Gemüthes'. 

^  /^  Zia-ma  ,ein  Hinderniss'. 

^  ^  Zö-ritsu  ^vermehrte  Tonweise'.' 


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Wo-wo  nomi-konda-to  asi-gara-ga  kata-kara  kake-uke-toru 
ren-ziaku-no  fimo  ßki-simete  jvkan-to  se-si-ga  tatsi-domari  \  ija 
jukarenu-jukarenu  kono  jakata-no  si-fo  fappo-ioa  kona-san-ivo 
nigasanu  jo-i-no  te-kuhari  kore-sa  otte-ioa  issun-mo. 

—  O,  ich  habe  gut  verstanden. 

—  Das  Band  der  Tragstange,  die  er  von  der  Schulter 
Asi-gara's  sich  angehängt  hatte ,  zusammenziehend ,  wollte  er 
fortgehen  vmd  blieb  stehen. 

—  Man  kann  nicht  fortgehen !  Man  kann  nicht  fortgehen ! 
In    diesem  Palaste    sind    von    vier  Seiten,  von  acht  Seiten  die 


'  Das  auf  diese  Zeichen  •/.uriickgefiihrte  Wort  ist  sonst  nicht  vorgekonnnen, 
weshalb  aucli  die  Richtigkeit  der  Erklärung  zweifelhaft  ist,  Ebcusu 
bleibt  Lesung  und  Erklärung  der  Worte  ve-je  ::ai  nugewiss,  wobei  über- 
dicss  zu  bemerken,  dass  in  der  in  dem  IJuchi:  angewendeten  Firakana- 
schrift  das  Zeichen  ^  Je  und  die  Verbindung  y'  kou  immer  gleiche 
Gestalt  haben. 


530  Pfizmaiei. 

Vorkehrungen  so  verthcilt,  dass  man  ein  Reismehl  und  Pulver 
nicht  entfliehen  lässt.     Die  Verfülgcr  werden  nicht  einen  Zoll  — 

^  ^  Ren-ziaku  ,eine  Tragstange^ 

ptj  Hb  y^  Hb    Si  -j'o  fapiJO    ,vier    Seiten ,    acht  Seiten', 
alle  Seiten. 

jJ8;j^  Wt  Kona-san  , Reismehl  und  Pulver',  Reispulver. 

ffl   W  .7o-i  , Vorbereitung,  Vorkehrung'. 


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Joi-wa  kuro-gane-no  ami-wo  farh-to-mo  nan-doki  knjerb-tc- 
mo  ma-ma-na  go-e-mon  simesi  dai-zi-no  siro-mono-uo  mofsi-juku 
sakl-no  jd-zin-ni-iva-to  kuai-tsiü-jori  tori-idasi  sono  mama  ivatasu 
ikkuan-ni. 

—  Man  mag  in  der  Nacht  ein  eisernes  Netz  spannen, 
man  mag  zu  irgend  welcher  Stunde  zurückkehren,  es  gibt  für 
die  Zwischenzeit  eine  Weisung  Go-e-mon's.  Damit  man  die 
wichtige  Waare  foi'tbringe,  hat  man  früher  Vorsicht  gebraucht. 

Hiermit  nahm  er  aus  dem  Busen  eine  Rolle  und  übergab 
sie  so  wie  sie  war. 

K  i^  Jö-zin  , Aufmerksamkeit,  Vorsicht'. 

•JM  pb   Kuai-isiü  ,in  dem  Busen'. 

— '  j^  Ikkuan  ,eine  Rolle'. 


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531 


Kori-ja  nan-de  gozan-sii  \  kore-ga  siinawatsi  sinohi-no  den- 
sio  köre  soje  soranzi  fada-ni  tsiikere-ba  su-man-no  naka-de-vio 
ke-si  fodo-mo  me-ni  kakaranu  dai-zi-no  sikkari-to  adziikuta- 
zo-jo-to. 

—  Was  ist  dieses? 

—  Dieses  ist  eine  geheime  überlieferte  Schrift.  Wenn 
man  sie  nur  hersag't  oder  auf  den  blossen  Leib  legt,  so  ver- 
wandelt man  sich  selbst  in  der  Mitte  von  mehreren  Zehntauseu- 
den  und  fällt  nicht  in  die  Augen.  Man  hat  es  als  etwas 
Wichtiges,  Zuverlässiges  hinterlegt. 

Den-sio  ,eine   überlieferte  Schrift^ 

Su-vifin  , mehrere  Zehntausende'. 

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lü-ni  kiu-zb  iso-iso-io  köre  saje  are-ha  dai-zih-hii  s/kasi 
ato-ni  nnkotte  kona-san-no  mosi  mi-no  uje-to  nnru  foki-ioa. 

Hierauf  erwiederte  Kin-zo  hastig:  Wenn  dieses  nur  der 
Fall  ist,  so  bin  ich  ganz  geborgen.  Jedoch  ihr  bleibet  zurück, 
und  wenn  Reismehl  und  Pulver  auf  euch  Bezug  haben  wird.  — 

-4--  ^  J^   Dai-zib-hu  ,ganz  gesund,  ganz  kräftig'. 


532 


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Ki- dzukai-siiru-na  (jo-e-mon-wa  ziiitsu-wa  nbte-mo  kono 
tsurugi  su-man-no  teki-de-mo  tatta  fito-nade  teppeki-dzio-de-mo 
fiimi-jnhiiru  inotsi-ni  kajefe-mo  iai-setsu-na  sono  tsudztira  to-tsiii- 
de  ki-jozi-hasi  am  toki-ica  kujande  kajerazu  fada-mi  fanasanv 
imi-ziütsu  nare-do  sibaraku  ware-je  adziikuru-mo  tsudzura-no  bii- 
zi-wo  07n6  juje  fajaku  jnke. 

—  Sei  unbesorgt.  Bei  Go-e-mon  berührt  ohne  Kunst  dieses 
Schwert  mehrere  zehntausend  Feinde  nur  einmal,  er  zertritt 
die  Aufthürmung  eiserner  Mauern.  Kämen  jene  auch  in's  Leben 
zurück,  wenn  sein  wichtiger  Koffer  auf  dem  Wege  eine  Leiter 
zum  Klimmen  hat,  reut  es  sie,  und  sie  kehren  nicht  zurück. 
Obgleich  es  eine  Menschenkunst  ist,  welche  man  nicht  von  dem 
blossen  Leibe  trennt,  hinterlege  ich  sie  bei  dir  für  eine  Weile. 
Weil  man  auf  die  Sicherheit  des  Koffers  denkt,  gehe  schnell  fort. 

Ziütsii  ,die  Kunst'. 

Teki  ,Feind^ 

^  Tcppeki  ,eiue  eiserne  Mauer',  ein  Wort,  das  sonst 


nirgends  vorkommt. 


Der  I\ila-;l  Josil.'iu's 


533 


^  Den,  dzio  ,cine  Aufschichtung'.  ' 

"Ac    fff   Tai-setsu  ^Wichtigkeit^ 

^    ^   7b-^6-m  ,auf  dem  Wege'. 

Ki-jodzi-hasi  mag  ,eine  hölzerne  Leiter,  die  man  erklimmt' 
bedeuten.  Das  Wort  kommt  sonst  nirgends  vor,  und  ist  dessen 
Lesung  auch  ungewiss.  Dzi  (  ^)  und  zi  (^)  werden  häufig 
mit  einander  verwechselt. 

ÖE   ^  Bu-zi  .ohne  Zufall',  wohlbehalten,  sicher. 

^     -     :?^    >    :;7^     i-     ^y    7\ 

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Wo-ico  gatfen-fo   asi-gara-ioa   tohu-ga   gotohu-ni  ulefe  jiiJcu. 
—  O  ich  verstehe!    —  Mit  diesen  ^Vorteu  eilte  Asi-gara 
wie  im  Fluge  hinaus. 


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Mo  kore-knra-wa  ipi^on-datn-to  mi-jani  kasiko-no  en-dznfai 
ukagai  fiso-fiso  mi-kami-no  ßakii-auke  \  wn-ico  kasira  koko-ni 
i-jan-sita-ka  \  kore-to  atari-je  kokoro-ico  ktihari  \  wan'-ja  fiaku- 
suke  mada  fukerane-je-ka. 

—  O,  von  nun  an  bin  ich  allein ! 

Bei  diesen  Worten  blickte  er  hin.  lilngs  der  anderen 
Seite  des  Vorhauses  spähend,  sagte  Fiaku-suke  von  Mi-kami 
heimlich:  Ist  der  Anführer  hier  gewesen? 

—  He!  —  Jener  theilte  die  Aufmerksamkeit. 

—  Ich  bin  Fiaku-suke.   Ist  es  noch  nicht  tiefe  Naclit? 


'  Die  Riclitigkeit  der  Erklärung-  des  Ausdniekcs  leppfkidzio  ist  zweifelhaft. 


534  Pfizmaier. 

— '   ^    IlL   JpJ^'^^^-f^fi^^i  ,allein  dastehend' 
En-dzntai  jläng's  dem  Vorliause'. 


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Sa-tsnki  fiikero-fo-tvfi  omotta-ga  tahara-no  jama-je  iri-nagara 
mu-de-de  knjeru-mo  kiman-gn  warusa-ni  ko-dziikai  si-goto-wo 
si-jan-sita-to  sasi-idasu  too-gon-dzidsumi  zirori-to  mi-jari  \  sori- 
ja-a  nnn-da-to. 

—  Ich  dachte,  dass  es  tiefe  Nacht  im  fünften  Monate 
des  Jahres  sein  werde,  und  indem  ich  in  das  Gebirge  der 
Schätze  trat,  verrichtete  ich  bei  dem  äusserst  schlimmen  Um- 
stände, dass  ich  mit  leeren  Händen  zurückkehrte,  die  Geschäfte 
eines  kleinen  Dieners.  —  Dabei  nahm  er  einen  Pack  gelben 
Goldes  hervor. 

Jener,  es  anstarrend,  sprach:  Was  ist  dieses? 

Uffi   -^  Mu-de  ,die  Hand  ohne  etwas',    eine   leere  Hand. 
Wird  auch  durch   |^  -^  , blosse  Hand'  ausgedrückt. 
W7j-gon  ,gelbes  Gold'. 


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Der  Palast  Josi-tern*s.  OOO 

In-ni  fiakn-suke  |  sib-siii  doi-mih-me-ra-gn  ken-zib-no  wh-gov 
fiak\i-mai  juhi-gake-no  da-tsin  tsni  dzio-ro  makasi-fe  kifa  »av- 
zo-no  fasi-w  »arb-ka-to. 

Fiaku-suke  erwiederte :  Ich  kam,  indem  ich  die  durch  die 
uichtswürdigeu  im  Range  beförderten  grossen  Fürsten  als  ein 
Geschenk  dargereichten  hundert  Stücke  gelben  Goldes  als 
Pferdelohn  des  Antrittes  der  Reise  mit  der  Giesskanne  aus- 
ffiessen  Hess.    Was  für  eine  Summe  wird  es  sein? 

:&.  j[^  Sib-sm  ,zu  einem  höheren  Range  befördern'. 

^     h  Ken-zib  ,als  ein  Geschenk   darreichend 

jg^   ;|^  Da-tsiv  ,die  Miethe  für  Pferde^ 

Y    y|^   Zib-ro    ,eine  Giesskanne'.    Sonst   auch  zio-ro  und 


dzio-ro  geschrieben. 

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Zui-hun  ware-mo  nvke-me-iva  ne-jn  mi-nognsi-te-wa   doro-ho 
med-n.-ni  tsnkirn-de  arb  sono  mama-ni  nwffe  jvki  mitsi-de  zia-mdh 
nara  suiete  simnje  \  mada  sono  uje-ni  köre  kb-fo. 

—  Ich  habe  wohl  keine  Ausgaben.  Wenn  ich  es  über- 
sehe, werde  ich  am  Ende  den  Namen  eines  Diebes  haben. 
Bringe  es,  so  wie  es  ■  ist,  fort.  Wenn  auf  dem  Wege  ein 
Hinderniss  entsteht,  wirf  es  weg. 

—  Es  wird  noch  darüber  —  O   so ! 
j^   ^  Zui-hun  , ziemlich'. 

^   ^  Meo-ri  ,die  Beschaffenheit  des  Namens'. 

^   j]^  Zla-ma  ,ein  Hinderniss'. 

Sitzungsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  III.  Hft.  35 


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536  Pfiz  maicr. 

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Mimi-ni  kutsi  Jose  sasajnke-ha  go-e-mon-iün  nnadzui-te  \  ww- 
vin  stiri-ja  niwn-ioo  f&date-si  sen-kio-kaku  fei-zen-no  i-do-no  utsi- 
wa  jakata-no  nra-te-je  nvke-nutsi-to-va. 

Er  flüsterte  ilnn  dieses  in  das  Ohr.  Go-e-mon  nickte  mit 
dem  Haupte. 

—  Nun  denn !  Bei  dem  von  dem  Vorhofe  g;etrennten 
Söller  der  Gränze  der  Unsterblichen,  innerhalb  des  Brunnens 
vor  dem  Vorhofe  befindet  sich  ein  Weg",  durch  den  mau  nach 
der  Aussenseite  des  Palastes  entschlüpft. 

fPj  ■^  Wi  'S'e??-Ä;/r)-/<;aÄ;?t  ,der  Söller  der  Gränze  der  Un- 
sterblichen ^ 

j^   ^  Tei-zen  ,vor  dem  Vorhofe'. 


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Ika-ni-m.o  mi-josi  tsib-kei-je  itsi-mi-no  monn-ga  te-dnfe-ioo-ba 
sngu-sama  kiki-forv  kon-ja-no  fataraki. 

—  Es  handelt  sich  irgendwie  um  Mi-josi  Tsio-kei.  Von 
dem  Anschlag-e  des  vertrauten  Mannes  habe  ich  geraden  Weges 
durch  Hören  erfahren.   Das  Unternehmen  der  heutig-en  Nacht  — 

-^  J^  Kon-ja  , diese  Nacht'. 

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Der  Palast  Josi-tern's.  037 

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Appare  ßaku-suke  sono  fö-iva  asi-yara-cja  ninonde  kita  en-no 
sita-kara  saki-je  fuke-ro  |  gatten-da-to  fa-ira  nuke-mitsi  sasi-asi- 
site-zo  isoyi-juku. 

—  Ei  Fiaku-suke !  Verschwinde  von  dem  Fusse  des  Vor- 
hauses, durch  welches  Asi-g'ara  heimlich  gekommen,  nach 
vorwärts. 

—  Ich  verstehe.  —  Den  Weg-,  durch  den  man  entschlüpfen 
konnte,  einschlagend,  eilte  er  mit  leisen  Schritten  davon. 

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Rh-ka  tsudzuki-no  mi.-na-no  fima  more-kikoje-nuru  tsuma- 
oto-ni  koto-aara  taje-narii  mei-ko-no  kaivori-ni  sin-ni  sumi-wataH 
go-e-mon-mo  tittori-to  fate  siwo-rasi-i  ano. 

Indess  bei  den  Saiteuklängen,  die  durch  die  an  den  Flur- 
gang stossende  Thürmatte  gehört  wurden,  bei  dem  Dufte  der 
besonders  ausgezeichneten  Räucherwerke  Herz  und  Ohr  er- 
quickt wurden,  war  auch  Go-e-mon  träumerisch. 

—  In  der  That,  es  ist  lieblich! 

r^  ^  Mei-kb  ,berühmter  Wohlgeruch^ 

'la^  -^  Sin-ni  ,Herz  und  Ohr'. 


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Oo8  Pfizmaier. 

Tsimia-oiu  slrabe-no  ito-je  motsiire-joru  sino-bu  tajori-ica 
ran-zia-iio  Iccmori  ui;-ja-no  nl-si-kl-ioa  aja-no  dai. 

An  die  Fäden  der  Tonweise  der  Saitenkläno-e  verwickelt  war: 
Die  Hilfe  des  Sino-bu  ist  |  der  Luttblume  Moschus  mit  seinem 
Dufte.     Des  Gemaches    GoldstofF   ist   |    die    hohe  Gemalin  Aja. 

^  -^  Sino-bu,,  sonst  sino-bu-zuri  ,das  Geriebene  von 
Sino-bu'  genannt,    ist  eine   gewisse  Färbung-    der  Kleiderstoffe. 

^  S^  Ran-zia  , Moschus  der  Luftblume'  ist  eine  Art 
Weihrauch. 


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^-a  koi-Jcaze-ga  mi-nl  shnu  itje-to  itsu-ka  sozoro-ni  kb-ran-je 
motarete  kiki-iru  koto-no  ne-ni  kokoro-mo  sora-ja  sora-daki-no 
ka-wo  siru-be-ni-to  sinobi-Juku. 

—  Ach  überdiess  dass  der  Wind  der  Liebe  in  den  Leib 
dringt,  ist  bei  den  Tönen  der  Harfe,  die,  indess  ich  unab- 
sichtlich an  das  Gitter  gelehnt  bin,  zu  dem  Olire  gelangen, 
das  Herz  auch  unäclit?  Ich  mache  den  Wohlgeruch  des  in 
der  Luft  brennenden  Weihrauchs  zum   Führer. 

Hiermit  ging  er  heimlich  fort. 

U  Kd-nin  ,eiu  Gitter*.    Hier  statt  ko-n   die  Schreib- 


art  ka-u. 

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Der  Palast  Josi-teru'e.  539 

Konata-no  ijo-teu-no  kasiko-jori  sinohi-de-tatsi-no  kosi-tnoto- 
ga    tagai-ni    sore-to  jovl-tsudo'i  \  sakki-dono-de-ica    gozaraim-ka 
ico-ico  asa-ka-sama  o-jaka-me  go-kurb-ni  zon-zi-vuisuru. 

Von    der   anderen    Seite    des    diesseitigen    hohen  Palastes 
traten  die  im  Geheimen    austretenden  Mägde  eben    zusammen. 

—  Ist  es  nieht  der  vordere  Palast? 

—  O  Frau  Asa-ka !  Euer  Dienst  macht  euch  Beschwerde. 


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Mi-dai-sama-no  o-sasi-dza  juj'e  jakata-wo  manioru  sinobi-no 
de-tatsi  \  kimi-ivo  iikagb  kuse-mono  am  juje  sinobi-jotte  karame- 
kure-jo  o-ge-dzi-ico  komwi-kure-wo  ai-dza-ni  koiio  jaku-me. 

—  Wegen  der  Weisung-  der  hohen  Gemalin  ist  der  heim- 
liche Austritt,   wobei  man  das  Gebäude  bewacht. 

—  Weil  hier  ein  Bösewicht  ist,  der  den  Gebieter  be- 
obachtet, erhielt  man  den  Aultrag,  heranzuschleichen  und  ihn 
zu  binden.    In   Uebereinstimmung-  hiermit  ist  dieser  Dienst. 

j^    |§j  Ai-dzu  jgegenseitige  Bemessung^ 

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540  Pfizmaier.    Der  Palast  Josi-teru's. 

Wataktisi  tote-mo  sono  tövi  jakatn-je  iri-kuru  sio-dai-mio 
go-sin-zio  ma-tsikaka  ukn<jaje-h(i  tare-kare-no  Jö-sia-naku  karame- 
toran-to  kanete-no  kei-jaku. 

—  Ich  thue  jedenfalls  desgleichen.  Als  man  die  Schlaf- 
stätte der  grossen  Fürsten,  welche  in  das  Gebäude  kommen, 
in  der  Nähe  beobachtete,  wurde  im  Voraus  die  Verabredung 
getroffen,  dass  man  alles,  ohne  irgend  Jemanden  zurückzulassen, 
binden  und  festuehuKin  werde. 

^   -^  i^  Sio-dai-mio  ,die  grossen  Fürsten^ 

t[^   fiJX  '^'*'*"^*^  A^^  Schlafstätte'. 

^   ^  Jö-sia  , Zurücksetzung,  Ausnahme^ 

^   "^  Kei-jaku  ,Verabredung^ 


XIV.  SITZUNG  VOM  22.  MAI  1878. 


Der  mährische  L  an  desausschuss  übersendet  den 
8.  Band  der  in  seinem  Auftrage  von  Dr.  B.  Dudik  heraus- 
gegebenen , Allgemeinen  Geschichte  Mährens'. 

Ferner  übermittelt  Se.  Excellenz  Herr  Vicomte  de  Porto 
Seguro,  kais.  brasil.  Gesandter  in  Wien,  die  zweite  Auflage 
seines  Werkes:  ,Historia  geral  do  BraziP. 


Von  Herrn  Dr.  Ferdinand  Kalte  n  brunner  in  Graz 
wird  ein  erster  Reisebericht:  ,Ueber  den  Vorrath  an  Papst- 
urkunden in  Italien*  eingesendet. 


Das  w.  M.  Herr  Regierungsrath  Dr.  C.  Ritter  von  Höfler  in 
Prag  legt  eine  für  die  Denkschriften  bestimmte  Abhandlung:  ,Zur 
Kritik  und  Quellenkunde  der  ersten  Regierungsjahre  Karls  V.' vor. 


Das  w.  M.  Herr  TTofrath  Tomaschek  überreicht  eine 
Abhandlung  von  Herrn  Dr.  August  Sauer,  gegenwärtig  in 
Berlin,  welche  betitelt  ist:  ,üeber  den  fünffüssigen  lanibus 
vor  Lessing's  Nathan'  und  um  deren  Aufnahme  in  die  Sitzungs- 
berichte ersucht  wird. 


Das  w.  M.  Herr  Professor  Hartel  legt  eine  für  die 
Sitzungsberichte  bestimmte  Abhandlung  unter  dem  Titel: , Studien 
über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen  I.'  vor. 


542 

Herr  Professor  Dr.  Richard  von  Muth  aus  Wr.-Neustadt 
legt:  , Untersuchungen  und  Excurse  zur  Geschichte  und  Kritik 
der  deutschen  Heldensage  und  Volksepik'  vor  mit  der  Bitte 
um  ihre  Aufnahme  in  die  Sitzungsberichte. 


An  Druckschriften  wurden  vorgelegt: 

Acad^mi  e  Impi'rialp.  tlos  Sciences  de  St-Pet.ers))ourg':  Bulletin.  Tome  XXIV. 
N»  4  et  dernier  (Fenilles  29—36).  St-Petersbonrg,   1878;  gr.  4«. 

—  Memoires.  Tome  XXV,  No.   1.    Ueber    Pluralbezeichnungen  im  Tibetani- 
schen von  A.  Schiefner.    St-Petersbourg,   1877;  gr.  4". 

—  Royale  de  Belgique:  Bulletin.  47*=  Annee,  2*^  Serie,  Tome  4ü.  Nr.  .3. 
Bruxelles;  8». 

Akademie  der  Wis.senschaften,  königl,  baierische,  zu  München:  Sitzungs- 
berichte der  ])hilosophischen,  philologischen  und  historischen  Classe.  1878. 
Heft  I.    München,   1878;  8". 

Cornu,  .1.:  Phonologie  du  Bagnard.  Paris,  1877;  8".  —  Una  Panera  de  revi 
fribordzey.  Nogent-le-Rotrou,   1877;  8". 

Dudik,  B.  Dr.:    Mährens  allgem.  Geschichte.    VIII.  Band,  Brunn,  1878;  8». 

Hamburg:  Stadtbibliothek.  Schriften  von   1876/77.  68  Stücke;  4». 

Jena,    Universität:    Akademische  Gelegenheitsschriften.    45  Stücke.  4"  u.  8". 

Porto  Seguro,  Visconde  de:  Historia  geral  do  Brazil  antes  da  sua  Separa^äo 
e  Independencia  de  Portugal.  Tomo  I  et  IT.  Rio  de  Janeiro ;  4". 

,Revue  politique  et  litteraire'  et  ,Revue  scientifique  de  la  France  et  de 
l'Etranger'.  VIl''  Annee,  2«  Serie.  Nr.  46.  Paris,   1878:  4'1 

Societfi  Italiana  di  Antropologia,  Etnologia  e  Psicologia  comparata:  Archivio. 
Vol.  VHP  fascicolo  1°.  Firenze,   1878;  8«. 

Societe  Hollandaise  des  Sciences  ä  Harlem  :  Verhandelingen  rakende  den 
natuurlijken  en  geopenbaarden  Godsdienst.  Nieuwe  Serie;  zesde  Deel. 
Haarlem,   1877;  8». 

Verein  für  hessische  Geschichte  und  Landeskunde:    Zeitschrift.  Neue  Folge. 
VI.  Band,  Heft  4.  Kassd,  1877;  8".  VII.  Band.  Kassel,   1877;  8«. 
—   —  Statuten,   1875  ;   12".   —    Mittheiluugen  und  die  Glieder  des  Vereines. 
Jahrgang  1876.  I.  und  IV.  Vierteljahrs-Heft.    Jahrgang  1877.  I.  Viertel- 
jahrs-Heft;  12".    —    Verzeichniss  der  Büchersammlung.  Kassel,  1877;  8". 


1 


Hartel.    Stadien  über  attisches  Staitsrecht  und  Urknndenwesen.  I.  543 


Studien    über   attisches   Staatsrecht   und 

ürkundenwesen. 

I. 

Von 

Wilhelm  Hartel, 

wirkl.  Mitgliede  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften. 


VA'er  die  paar  Hunderte  attischer  Psephisnien  aus  der  Zeit 
nach  dem  Archontat  Euklids  (Ol.  94,  2  =  403/2  v.  Chr.)  durch- 
liest, wird  nicht  verkennen,  dass  dieselben  zwar  nach  festen 
Formularen  concipirt  sind,  aber  sich  auch  nicht  des  Eindrucks 
erwehren  können,  dass  in  der  Anwendung  derselben  eine 
gewisse  Willkür  und  auch  Flüchtigkeit  herrsche,  indem  dasselbe 
Decret  sich  hier  vollständiger,  dort  bei  einem  ganz  gleichartigen 
Gegenstand  um  einen  oder  einige  Bestandtheile  gekürzt  zeigt 
und  diese  Bestandtheile  bald  so,  bald  anders  geordnet  er- 
scheinen. Bald  wird,  indem  wir  von  den  unzweifelhaften  Raths- 
Psephismen  absehen,  in  ihnen  nur  des  Demos  als  des  be- 
schliessenden  Factors  gedacht,  obwohl  das  verfassungsmässige 
Zustandekommen  des  Decrets  auf  dem  Wege  des  Probuleuma 
keinem  Zweifel  unterliegen  kann,  bald  wieder  ganz  besonders 
nur  die  Ingerenz  des  Rathes  betont  oder  auch  nur  ausschliesslich 
von  dem  gesprochen,  was  der  Rath  beschloss,  obwohl  aus  der 
Aufzeichnung  des  Beschlusses  schon  erhellt,  dass  derselbe  die 
Genelimiguno-  des  Demos  erhalten  habe.  Sollten  hierin  nichts 
als  Willkür  und  Zufälligkeiten  zu  erkennen  sein? 

Die  leicht  zu  überblickende  Zusammenstellung  zuver- 
lässigster Texte,  welche  wir  dem  Corpus  der  Berliner  Akademie 
verdanken,  fordert  nicht  ohne  Aussicht  auf  Erfolg  zu  der 
Untersuchung  auf,  ob  und  in  welchem  Umfang  in  den  attischen 
Staatsui-kunden  feste  Formulare  erkennbar  sind,  ob  diese  ver- 
schiedeneu Typen  mit  ihren  Varianten  nichts  weiter  als  belang- 
lose Zufälligkeiten    sind,    die  sich  durch  den  raschen  Wechsel 


544  Hartel. 

« 

der  functionirenden  Beamten,  einen  gewissen  Widerwillen  gegen 
Strenge  der  Form  oder  den  Mangel  an  strengen  Formen,  durch 
die  Flüchtigkeit  des  Expedits  oder  der  Stein  Schreiber  erklären, 
ob  nicht  ihre  Varietäten  durch  den  meritorischen  Inhalt  der 
Beschlüsse  und  die  davon  abhängige  Art  der  parlamentarischen 
Behandlung  bedingt  sind,  ob  nicht  von  da  aus  ein  Einblick  in 
das  attische  Kanzlei-  und  Archivwesen  und,  was  wichtiger  ist, 
in  den  Verkehr  der  Behörden  und  ihre  staatsrechtliche  vStellung, 
welche  uns  die  zerstückte  und  getrübte  Ueberlieferung  des 
Alterthums  über  diese  Dinge  versagt,  gewonnen  werden  könne. 

Die  Antwort  auf  diese  Fragen  suchen  die  folgenden 
Studien  zu  geben  oder  wenigstens  vorzubereiten.  Ihr  eigent- 
licher Gegenstand  sind  die  nacheuklidischen  Staatsurkunden ; 
doch  ist  es  nicht  möglich,  Bedeutung  und  Entwickelung  ihrer 
Formen  unabhängig  von  den  Psephismen  des  5.  Jahrhunderts, 
aus  welchen  sie  zusehends  nach  und  nach  herauswuchsen,  zu 
begreifen.  Es  sind  demnach  auch  jene,  so  weit  es  unerlässlich 
oder  nützlich  schien,  mitherangezogen  worden. 

Die  reichsten  Protokolle  der  voreuklidischen  Staatsurkunden 
haben  folgende  Bestandtheile,  welche  ich  im  Laufe  dieser  Unter- 
suchung der  Kürze  halber  mit  den  ihnen  vorgesetzten  Zeichen 
benennen  werde: 

a  =  Namen  des  Archonten,  c  csTva  ^px^v. 

h  =  Namen  des  Schreibers  der  prytanirenden  Phyle  (später 
des  jährigen  Rathsschreibers),  o  oeTva  £Ypa[j.p.aT£usv. 

c  =  Sanctionirungsformel,  sSo^sv  1f^  ßou)v9]  xat  -w  ct^\)m). 

d  =  Namen  der  prytanirenden  Phyle,    -^  oeTva   sTrpuTavsusv. 

e  =  Namen    des    Präsidenten    der  Versammlung,    c  oeTva 

f  =  Namen  des  Antragstellers,  c  SsTva  sTzev. 
Der  erste  Bestandtheil  (a)  kann  nicht  als  ein  nothwendiger 
bezeichnet  werden,  wohl  aber  sind  dies  die  anderen,  indem 
zwar  die  trümmerhafte  Ueberlieferung  uns  selten  alle  vollständig 
erhalten  hat,  das  nachweisbare  Fehlen  aber  eines  in  dem 
ursprünglichen  Concept  auf  ganz  bestimmte  Veranlassung  zurück- 
geht. Die  nothwendigen  fünf  Bestandtheile  stehen  in  einer 
unverrückbaren  Ordnung,  c  db  e  f,  deren  Princip  später  gesucht 
werden  soll ;  ihre  grammatische  Verbindung  ist  asyndetisch, 
innerhalb  dieses  Gefüges  ist  jeder  Zusatz,  wie  das  Demotikon 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  uud  Urkundenwesen.  I.  545 

oder  der  Vatername  bei  hef,  Bezeichnung'  der  Zahl  bei  d 
verpönt.  Als  Beispiel  diene  das  wohl  erhaltene  Präscript  von 
CIA.  I  nr.  32: 

"Ecc^ev  Tfj  ßou/^Y]  v-xl  TW  By^iaw  •   Ke/.po-lc   £7:pu-cav£'je  •   Mvf,ai9eO(; 

£Ypa;j.[j.äT£'je  •   E'j-£{Öy;?  £';:£3TiT£'.  •  Ka/v/a'a;  £i7:£. 
Dieses    Formular    cdbef  tritt   uns   mehr    wenig;er    vollständig 
erhalten  in  folgenden  Decreten  entgegen: 

CIA.  I  und  Snpplenienta  voK  I:  nr.  9  {--^f)-  16  {cdbe-). 
21  {cdebf).  22\  27"  (6  fehlt).  32.  37,  1  uud  2.  38,  1  (cdbe-). 
40,  1.2  und  3.  42,2  {cd--).  56  (cd--).  60(c-6e-).  65(c(^i--). 
68  {cd-ef).  12  (cd--).  76  (c-6?-).  AÖr^va-.ov  VI  128.  Thukyd. 
IV  118. 

Unter  diesen  Protokollen  zeigt  nur  eines  eine  kleine  Ab- 
weichung in  der  Abfolge  der  Bestandtheile  nr.  21.  Nur  einmal 
nr.  27"  fehlt  ein  nothwendiges  Glied  b,  wofür  später  die  Gründe 
entwickelt  werden  sollen. 

Der  Zweck  dieses  Protokoll-Formulars  kann  unmöglich 
der  gewesen  sein,  die  Inschriften  zu  datiren;  denn  dieser 
würde  weder  durch  die  Anordnung  noch  durch  die  Auswahl 
der  Bestandtheile  gefördert.  Die  Sanctionirungsformel  wäre 
dann  gleichgültig,  d  und  b  würden  ein  und  dasselbe  bezeichnen 
müssen,  indem  im  5.  Jahrhundert  und  noch  einige  Decennien 
nach  Euklid  mit  der  prytanirenden  Phyle  der  Schreiber  wechselte, 
und  eine  klare,  gemeinverständliche  Zeitbestimmung  wäre  das 
doch  nicht,  indem  mau  nicht  voraussetzen  kann,  dass  die 
Athener  die  Namen  der  Kathsschreiber  oder  den  Wechsel  der 
Phylen  auch  nur  von  wenigen  Jahren  im  Kopf  gehabt  haben, 
uud  wir  uns  nicht  wohl  kalendarische  Hilfsmittel  zu  diesem 
Zwecke  in  ihren  Händen  deuken  können.  Wo  möglich  noch 
schlimmer  steht  es  mit  dem  Namen  des  Präsidenten,  der  den 
Tag  des  kaum  zu  ermittelnden  Monates  des  unbezeichneten 
Jahres  bedeuten  müsste,  wenn  man  in  dem  Formular  nur  den 
Datirungszweck  erblicken  wollte. 

Die  Athener  selbst  haben  das  nicht  darin  gesucht,  sondern 
nachdem  oder  wu  sie  die  Datiriing  für  nothwendig  hielten, 
dieselbe  dem  Furmular  cdbef  vorausgesetzt  und  als  einen 
selbständigen  Theil  des  Protokolles  durch  grössere  Schrift  oder 
einen  Absatz  oder  durch  beides  deutlich  hervortreten  lassen  {Vg\. 
ni-.  4Ü.  59,  1.  61.  62.  63.  67.  69;  vgl.  Böckh  zum  CIG.  I  p.  112). 


546  Hartcl. 

Zur  Bezeichnung  des  Jahres  bedienten  sie  sich  des  Namens  des 
Archonten  in  der  Regel  in  Verbindung  mit  der  Präposition  i~i, 
also  i~\  Toj  ceTvoc  ä'pyovToq  (nr.  33.  33".  4G.  59,  1.  69),  seltener 
in  der  Form  c  csTva  r,pye  (nr.  61.  62.  63).  Mit  diesem  Mittel 
der  Jahresbezeichnung  findet  sich  zweimal  ein  anderes  ver- 
bunden, nämlich  die  Nennung  des  ersten  Rathsschreibers,  d.  i. 
des  Schreibers  der  ersten  prytanirenden  Phyle,  nr.  33  ['EttI 
'Ajjcejoo'j;  xpyynoc  /.  [at  ty;c  ßouAvj?  ^  Kp'.T'.ajc-/]?  ■zrpwTo;  i^(pOL[).[j.  [aTSue, 
und  ebenso  33",  wo  nur  TrpwToc,  vielleicht  nicht  aus  blossem 
Versehen,  fehlt  (vgl,  über  den  izp&xzc  Ypap.iJ.aTSjv;  Böckh  zu  CIG.  I 
nr.  74  und  nr.  81,  Staatsh.  I  258,  II  3  und  5,  Chvonol.  epigr. 
Stud.  S.  37).  Es  lässt  sich  zeigen,  dass  diese  Formel  in  Decreteu 
des  5.  Jahrhunderts  häufiger  zur  Datirung  verwendet  wurde, 
als  man  nach  diesen  zwei  Beispielen  zu  glauben  geneigt  sein 
könnte.  So  lesen  wir  nr.  37,  2  <do'jo'.7:'7:oc  sT-s  •  c-icr' [r,«:'.  ttöjaect'. 
(fopo?  [exa/ÖY)  £7cl  tJ-^i;  ßouA'^c  ^  nXeicTTtJac  Trpwio?  [e'(pa]\j.ijA- 
T£U£  £TCt  Sxpatoxj  [Xsou?]  äp^ovioc  /.tX.,  in  der  Urkunde  322, 
Z.  4  [xaojc  dvsvpa'i/av  Ip^a  xoD  vsw,  w?  /.axsXxßov  r/ovxa,  y.axa  xb 
(]y'/^[9'.(7][J.a  xou  o-/;[j,oü,  S  'E-tY^v-^?  sS'^rev,  s^eipYacjj.sva  xotl  r,ijJ.ep-^0L^  i-Ki 
Aio[x]X£ouc  ä'p/ovxoc,  KExpoxioo?  Tupuxav£uouG"/;;  TCpwxY)?,  £7:1 
x^q  ßouX^<;  ^  N'.j^o^avrji;  Mapaöwv.o;  •Kpü)XO(;  SYpa|j.[xax£Uff£v, 
in  dem  Psephisma  des  Demophantos  in  Andokides'  Rede  r.tpl 
xwv  ij.jGx.  §  96 :  cOO^£  x^  ^ouXfi  /.al  xto  o-/5;xw,  Atavxl?  e-piixavs-js, 
KXeo-^fvn^q  £Ypa[j.iAax£U£,  Bor^öbc;  £7:£ffxaT£'..  xäSc  A-^[jioavxo;  !Juv£Ypxj£v. 
ä.p)(j.i  yjpövoq  xoüSe  xou  <j^Y3Ci'c[ji.axoi;  -^  ßo'jX'/^,  oi  r,t'nT/,b^<.0K  (ol)  Xayynzc 
xw  y.ua[xw,  ox£  KX£OY£vr,q  Trpwxoc;  £Ypa[Ji.!Ji.ax£j£v,  Der  Redner 
wird  also  dieses  Psephisma  in  einer  mit  nr.  33  identischen 
Form  vor  sich  gehabt  haben. 

Am  häufigsten  und  als  etwas  ganz  Gebräuchliches  tritt 
uns  aber  diese  Art  der  Jahresbezeichnung  in  den  Schatzurkunden 
und  allen  anderen  Rechnungsakten  entgegen,  indem  hiebei  wie 
in  den  mitgetheilten  Belegen  bald  der  Namen  des  Archonten, 
bald  der  des  Schreibers  vorausgeht  und  letzterer  bald  allein  (?>), 
bald  mit  dem  Demotikon  versehen  (/>')  —  nur  einmal  gesellt 
sich  zum  Demotikon  der  Vatername  nr.  179  erscheint.  So 
finden  wir: 

ab  nr.  140.    179"  lat.  A.  Supplem.  p.  32    179"  laf.  B.   180. 
181.  182.  183.  273,  Z.  16  und  25.  314.  318,  Z.  1  und  7. 

ah'  nr.   179.  188.    273,  Z.  36.    322. 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  uud  Urkandenwesen.  I.  ö47 

ha  nr.  37,  Z.  47.    260  (a  in  abweichender  Form  Ti^yj.  Se 
AÖYjvaioi;  'AptaTi'wv).    273,  Z.  2  und  25.    301. 

J'a  ur.  176.  194. 
Weit  seltener  wird  der  erste  Ratlisschreiber  ohne  den  Archonten 
zur  Bezeichnung  des  Jahres  verwendet  und  zwar  in  den  Rech- 
nung-en  der  Voi'steher  öffentlicher  Bauten,  so  nr.  299  (6').  303. 
304  frg.  c  (p.  160).  306  frg.  d.  308.  309  frg.  e.  315.  Dass 
aber  auch  Psephismen  nach  ihm  allein  datirt  wurden,  darf  man 
vielleicht  aus  nr.  31  Z.  14  ff.  ßo-/;0£Tv  zb.\q,  rShi'.c,  |  w;  ocp^oay.  /.(x-zk 

-aq  ^'JYYpac/ä? ,    a['i   It:!  .  .  | j-ro'j  Ypaij.[xaT£'jovTOc  £ysvov[to  Trspl 

T  (öv  TriXsJwv  Twv  i::!  0pr/.-r;;  schliessen.  Ein  inschriftlicher  Beleg 
ist  dafür  nicht  aufzubringen.  Alles  zusammengefasst  erwachte 
also  das  Bedürfniss  bei  den  Athenern,  ihre  öffentlichen  Decrete 
zu  datiren,  spät,  etwa  zu  Anfang  des  peloponnesischen  Krieges 
uud  gelangte  erst  nach  und  nach  zu  festen  Formen  und  con- 
sequenter  Befriedigung. 

Aber  lebhafter  fast,  wenn  die  Zahl  der  erhaltenen  Fälle 
einen  solchen  Schluss  gestattet,  als  das  Bedürfniss  der  Datirung 
machte  sich  ein  anderes  geltend,  die  besondere  Bezeichnung 
des  Schreibers,  welchem  in  den  Decreten  selbst  der  Auftrag, 
sie  auf  Stein  schreiben  und  an  bestimmtem  Orte  aufstellen  zu 
lassen,  gegeben  wird.  Auch  dieser  neue  Bestandtheil  wird  dem 
Formular  cdbef  vorausgeschickt,  nicht  selten  mit  dem  Namen 
des  Archonten  zusammen  und  wie  dieser  durch  grössere  Schrift 
und  Absatz  ausgezeichnet.  Fast  nirgends  aber  erscheint  an 
dieser  Stelle  der  Namen  des  Schreibers  blank  wie  ausnahmslos 
im  Innern  des  Formulars,  sondern  mit  seinen  Attributen 
ausgestattet,  und  zwar  entweder  mit  dem  Namen  des  Vaters 
und  dem  Demotikon  (45  IIpoy.Asr;;  'Axapßou  Eüor;u[j,£'j;  b(pix[).\j.i-.e'Jt, 
46  und  wohl  auch  20,  58)  oder  dem  Demotikon  (59,  1 
A6,j(j)v  £7.  Kr^owv  £Yp.,  61  l'.i^(rr,xzq  <l>p£äpp'.o;) ;  nur  einmal  steht 
der  Vatername  allein  (40  <I>a(v;-7:o;  ^pjviys'j),  während  in 
einigen  Fällen  die  trümmerhafte  Erhaltung  nur  so  viel  sicher 
erkennen  lässt,  dass  nicht  der  blosse  Namen  aufgeschrieben 
war  (22^.  63j  oder  für  sich  keinen  Schluss  auf  die  Existenz 
eines  oder  beider  Attribute  gestattet  (8.  22".  22^  46'.  62. 
67.  70.  71.  73.  75.  96).  Auf  33  und  33»  steht  der  blosse 
Namen,  aber  die  Form  der  Aufschrift  ist  wie  bemerkt  eine 
singulare. 


548  Hartel. 

Dieser  auf  inschriftlicher  Ueberlieferung-  fassenden  Reg-el 
widersprechen  einige  Thatsachen  litterarischer  Ueberlieferung, 
ohne  sie  zu  entkräften.  Athenaeus  VI  234  e  führt  nach  Polemou 
aus  einem  Psephisma  des  Alkibiades  den  Schreiber  mit  dem 
blossen  Vaternamen  ohne  Deraotikon  an  :  ev  K'jvojapYci  [xev  ojv  h 
TW  'Hpay-Xsitp  cty^Xt^  liq  ecxiv,  h  ^  '!jr,tfia\xx  jjiv  'AXx'.ß'.aoou,  Ypa[/i;,a- 
xeuq  §£  Sts^ävo?  0ouy,uoioou.  Ein  durch  so  viele  Hände  gegan- 
gener Text  ist  ein  schlechter  Zeuge  für  seine  originale  Fassung; 
Polemon  wird  ein  Präscript  wie  das  der  Inschriften  45  und 
46  vor  sich  gehabt  haben.  Ein  anderes,  auf  Caecilius  und 
weiter  auf  Krateros  zurückgehendes  Psephisma  (vgl.  C.  Curtius 
im  Philol,  XXIV  112)  lautet  in  der  pseudoplutarchischen  Vita 
der  X  Redner  p.  833  d  (p.  233  West.):  6-r^s'.(j[j,a  i-l  Qtcr.ii).T.z'j 
äpXOVToc,  ko  ob  z\  X  'f.'j.xtiJ^^rflX'i^  y.aÖ'  :  s3o;£V  'Avtisöivta  y.p'.er,va'., 
0  Kcy.'iXtoc  TiapaTEÖc'.Ta'.  •  £oo;£  ir^  H2'-'"''^f(,  '^-^  '^%<q  TrpjTavc'la; ,  Ar^i^iviy.o; 
'AXw-ey.-^Ösv  svpojij.jxxTeue,  4>'.A6(7TpaTo;  UaAAYjvs-jc  e-esTäxs:,  "Avopwv 
v.-t.  Dass  dasselbe  nicht  vom  Steine  abgeschrieben  sein  kann, 
ergibt  die  auf  voreuklidischen  Decreten  unerhörte  Angabe  des 
Tages  der  Prytanie  nicht  minder  als  die  ebenso  auffällige 
Auslassung  des  Namens  der  prytanirenden  Phyle.  Krateros 
wird  also  dieses  Psephisma  dem  Staatsarchiv,  welches  die 
bequemste  und  ergiebigste  Quelle  seiner  'ir,5'.c[xxTiov  cjvavwYr^ 
sein  musste  (vgl.  C.  Curtius  Bas  Metroon  in  Athen  als  Staats- 
archiv S.  22),  entlehnt  und  dem  Aktenfascikel  den  Tag 
der  Rathsversammlung  und  die  Demotika  des  Schreibers  und 
des  Epistaten  entnommen  haben.  Das  öffentlich  aufgestellte 
Exemplar  dieses  Decretes  aber  war  in  der  Form  aU  -\-  cdhe  f 
abgefasst. 

Zur  besonderen  Nennung  der  Schreiber  an  der  Spitze 
der  Decrete  möchte  man  am  liebsten  die  Veranlassung  darin 
suchen,  dass  nicht  immer  jener  Schreiber,  unter  dessen  Amtirung 
ein  Decret  zu  Stande  kam,  auch  die  Aufschreibung  besorgte. 
In  der  That  sind  die  Namen  an  der  Spitze  und  in  dem  engeren 
Protokoll  (cdhef)  verschiedene,  wie  33.  33''.  40,  nur  dass  in 
nr.  40  der  Schreiber  des  nicht  erhaltenen  vierten  Decretes, 
welches  die  Aufstellung  dieses  und  der  drei  vorausgehenden 
verordnet  haben  muss,  mit  dem  an  der  Spitze  stehenden  Oai- 
vt-zo;  identisch  gewesen  sein  wird  (vgl.  Kirchhoff  lieber  die 
Chronologie    der    attischen    Volksheschlüsse   für   Methont,   in    den 


Stadien  über  attisches  Staatsrecht  und  ürkunJenwesen.  1 .  049 

Abh.  d.  Bfii-l.  Ak.  1862  S.  559),  während  in  nr.  33  und  33",  wie 
bemerkt,  der  zpwTo;  Ypa[j.ixaT£'Jc  KptTiaor;;  zu  keinem  anderen 
Zwecke  als  um  zu  datiren  vorgesetzt  ist.  Weit  häufiger  sind 
es  dieselben  22'=(?).  45.  58.  59.  61.  71;  wodurch  Böckh's  Ver- 
muthung,  dass  das  Gegentheil  als  die  Kegel  vorausgesetzt  werden 
solle  {Epigr.  chrnnol.  Stud.  S.  42),  nicht  bestätigt  wird. ;  in 
anderen  Fällen  ist  dies  nicht  zu  entscheiden,  wie  8.  20.  22\ 
46.  46".  62.  63.  70.  73.  75.  96.  Dass  dieser  neue  Zuwachs 
nicht  der  Datirung  halber  gemacht  wurde,  dafür  spricht  von 
seiner  geringen  Eignung  für  diese  Aufgabe  abgesehen  vielleicht 
auch  die  Fassung,  wie  46  FIpoy.AYjc  Wxäpßou  E'jtov'j[x3bc  £Ypa[jt;xxT£ue. 
'Et:'.  'AptGT'lojvoc  ap/ov-oc,  und  wechselnde  vStellung,  wo  er  mit  dem 
Archontennamen  zusammen  auftritt  Qxx  nr.  46.  61.  62.  63,  nU 
nr.  59,  1.  67?),  besonders  aber,  dass  er  so  häufig  allein  steht. 
Was  sollte  in  solchem  Falle  die  an  sich  kaum  verständliche 
Bezeichnung  des  nicht  einmal  mit  dem  Monat  sich  deckenden 
Jahrestheiles,  welcher  die  Functionsdauer  des  Schreibers  und 
seijier  Phyle  darstellt?  Auch  ist,  wie  aus  zahlreichen  Stellen  der 
Rechnungsakten  erhellt,  dem  officiellen  Stil  des  5.  Jahrhunderts 
die  Verwendung  der  numerirten  Phyle,  wie  nr.  188,  Z.  3  'Et:!  ■xt^z, 
A'.avTisoc  TCpwTT^c  7:p'jTav£'jO'jsY]c ,  Z.  5  'E-t  T^g  M-^rßoz  osuTspa?  -puxa- 
v£'j0jc-r;c,  Z.  7  'E-i  r^c  Ohrrßoc  Tpi'r^c  zpuTavs-jousv;;,  in  dieser  Be- 
deutung durchaus  geläufig.  Jedenfalls  aber  wird  die  besondere 
Bezeichnung  des  Schreibers  nicht  eine  blosse  Spielerei  gewesen, 
sondern  zu  einem  Zwecke  erfolgt  sein,  welchem  der  Schreiber- 
name im  Innern  des  Protokolles  nicht  oder  nicht  völlig  zu  genügen 
schien.  Es  wird  später  für  die  Urkunden  der  nacheuklidischen 
Zeit  nachgewiesen  werden,  dass  die  Ueberschrift  des  Schreibers 
sie  legalisirte  und  als  öffentliche  beglaubigte,  und  dieselbe  Be- 
deutung dürfte  auch  der  Schreiberaufschrift  in  den  Decreten  des 
5.  Jahrhunderts  zuzuerkennen  sein.  Für  nr.  40  steht  dies  nach 
dem  eben  bemerkten  ausser  Frage.  Der  Schreiber  bezeichnet 
sich  dadurch  gleichsam  als  denjenigen,  welcher  eine  Urkunde 
im  Auftrage  und  Namen  des  Staates  gestiftet,  wie  hie  und  da 
auf  privaten  Urkunden  der  Stifter  seinen  Namen  an  die  Spitze 
setzt,  so  CIA.  II  nr.  403.  482,  und  wie  334  (vielleicht  auch  321) 
der  -ix\v.aLC  cTpa-'.wT'.y.wv  als  Aufsteller  dieses  Steines  zu  betrachten 
sein  düi'fte.  Aus  demselben  Grunde  nimmt  der  kurzlebige 
r/avpacpEÜ;  um  Ol.  115  diese  Stelle  für  sich  in  Anspruch. 


550  Hartel. 

Wie  nun  h  aus  dem  engeren  Protokoll  in  leicht  variirter 
Form  an  der  Spitze  wiederholt  wurde/  so  drang-  auch  von  da 
das  Stück  a  in  das  engere  Protokoll,  sich  der  grammatischen 
Form  der  anderen  Bestandtheile  anbequemend  (o  BeTva  r^p/s), 
ohne  aber  hier,  ganz  wie  jenes  h  an  der  Spitze,  eine  feste 
Stellung  zu  gewinnen.  Durch  diese  Erweiterungen  und  Ein- 
fügungen entstanden  eine  Reihe  von  Variationen  des  ursprüng- 
lichen Formulars,  welche  mit  ihren  Belegen  hier  zusammen- 
gestellt sind,  wobei  mit  h'  der  mit  einem  oder  mehreren 
Attributen  versehene  Namen    des  Schreibers    bezeichnet   wird : 

1)  a  ~\-  cdhef      nr.  69  (erhalten  nur  a  -{-  c-he-). 

2)  b'-]-  cdhef  S.  22' (h-hcdbe-).  22' {h?-j-c-b-f). 

40,1.  46\  71.  96.  10{h-^d-e-). 

3)  ab  +  cdbef  33.  33\  67  {a?  -\- h  -{-  cd--). 
A)  b'a  -\-  cdbef           61.  63  (&a+ c--e-). 

5)  cdbeaf         51,   1   (vgl.  Supplem.  p.   17). 

6)  b'  -\- cdbeaf        20  {b -^  cd-- a-).  45.  58  (/ fehlt). 

7)  ab'  -]-  cdbeaf         59,  1. 

8)  b'a  +  cdbeaf         46. 

9)  b' a  -\-  cdbaef         62    (erhalten    nur    ha  -j ha--). 

Was  die  abweichende  Stellung  von  a  in  nr.  C)2  betrifft,  kann 
auf  CIA.  II  nr.  l'',  1  und  2  aus  Ol.  94,  2  verwiesen  werden. 
Eine  neue  Form  würde  Kirchhoff's  nicht  minder  scharfsinnige, 
aber  weniger  sichere  Herstellung  von  76''  {cdehaf)  ergeben. 
Von  Attributen  des  Schreibers  an  der  Spitze  ist  zwar  nichts 
auf  8.  46\  62.  71.  70.  96  erhalten,  aber  solche  nach  der  aus 
den  Formularen  leicht  zu  abstrahirenden  Regel,  von  welcher 
3)  keine  Ausnahme  bildet,  vorauszusetzen.  Die  Zuweisung  aber 
aller  dieser  Belege  ist  nicht  eine  ganz  sichere.  So  können 
46\  70.  71.  96  auch  zu  3),  96  auch  zu  6),  63  zu  8)  oder"  9), 
67  zu  7),  sowie  vielleicht  auch  die  eine  und  andere  der  oben 
dem  Grund-Formular  zugewiesenen  Inschriften  zu  5)  gehören. 
Reste  von  Präscripten  bieten  noch  22^  {b'  -f  -).  47  (--/;--). 
55  (c?  -  -  -/).  73  (6  +  -  -).  75  {b  +  -  -).  76«  (c  -  -).  80  (-  -  r7?  -  -). 
84,  2  {-dbl-).  'AO/,va'.cv  VI  129  (-&  -f  -db--).  In  dem  unter  6) 
eingereihten  Titel  nr.  58  erscheinen  hinter  //  noch  zwei  Buch- 
staben Ol  ([«!>] (XiTT-oc  ...  £00 I  [£]YpaiJ.;j.aT£U£v  Oi 

).    R.  Schoell  ergänzte  demnach  die  ersten  beiden  Zeilen 

[<^]^A'--o;  .  .  .  io'j  A[to[j.££uc]  (vel  Af£y.£X££u;])    [£jYpxiJ,ixaT£'j£v  0\[rrß'..], 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urbundenwesen.  I.  ööl 

Modnrch  allerdings  das  Präscript  einen  ganz  singulären  Zug 
erhält;  aber  es  ist  schwer  etwas  besseres  zu  iinden  und  das 
Präscript  zeichnet  sich  noch  durch  eine  weitere,  durch  kein 
Beispiel  einer  vor-  oder  nacheuklidischen  Inschrift  belegbare 
Singularität,  das  Fehlen  von  f,  aus,  worüber  Schoell  treffend 
bemerkt :  ,Porro  illud  in  decreti  praescrijyfis  singulare  ac  praeter 
nsum  constantem  accidit  quod  omittitur  nomen  rogatoris  (o  SeTva 
tlr^t).  Neqite  causa  longe  repetenda.  Nempe  rogatoris  loco  ipsi 
7'JYY?3tc.r;c  fxierant  a  qidbus  decreti  verba  initium  capinnt,  quorum 
sententia  aliqua  ctim  senatu  communicata  iam  senatus  pojmlique 
sufragiis  rata  fit^.  (Vgl.  Schoell's  Abhandlung  de  extraordinariis 
quibusdam  magistratibus  Atheniensium  in  den  Commentat.  pkil.  in 
honorem  Theodori  Mommseni  p.  459). 

Das  ursprüngliche  Formular  der  voreuklidischen  Decrete 
und  seine  Varianten  blieben  noch  eine  Zeit  nach  Euklid 
unverändert  im  Gebrauch.    So  finden  wir  im  CIA.  II: 

cdbef     3.  5.  11.  24  (c  nicht    erhalten).  25  (vgl. 
Foucart  Revue  archeol.  1878  S.  »119  ff.). 
29.   31   (e  nicht  erhalten). 
cdbeaf  13.  21.  26  (a  nicht  erhalten).  128. 
cdbaef  9  (c  nicht  erhalten). 
a  -\-  cdbef      14:  (erhalten  nur  a-\-  -dbe-).  105  (c  fehlt). 
ab"  -\-  cdbef      78  {ef  nicht  erhalten). 
ab"  +  cadbef   U\ 
Wir  können  annehmen,  dass  dieser  Gebrauch  sich  bis  Ol.  101, 
also    etwa  drei  Decennien    nach  Euklid    erhielt;    denn    nr.   128 
stammt  aus  dem  5.   Jahrhundert,    und    wie    uns   hier  die  späte 
Abschrift  eines  älteren  Decretes  vorliegt,   so  vielleicht  auch  in 
78    und   der   unvollständig    erhaltenen  Inschrift  77  (6?c(ie--). 
74  betrifft    ispi,   105    einen    ötaatsvertrag;    in   Decreten  beider 
Art    conservirte    sich    am    liebsten  das    Alterthümliche.      Nicht 
mit  einem  Mal  aber  gab  man    das  alte  Formular  auf,    sondei-n 
allniälig    und   wir  können    den  Gang    dieser  Weiter-  und  Neu- 
bildungen   ziemlich    genau    verfolgen.      Sie    vollziehen    sich    in 
einer    doppelten    Richtung,     indem    man    1)    die    Bestandtheile 
des  alten  Formulars  mit  Beibehaltung  ihrer  Abfolge  im  Grossen 
und    Ganzen    in    eine    dem    stilistischen    Geschmack    der    Zeit, 
welchem    die    einfache    Nennung    des    Schreibers,    Präsidenten 

Sitzangsber.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  Ul.  Hft.  36 


552  Hartel. 

und  Antragstellers  nicht  mehr  jo-enüg-te,  entsprechendere  Form 
kleidete,  2)  indem  man  überdies  zum  Zwecke  einer  möglichst 
genauen  üatirung  und  Charakterisirung  der  Decrete  neue 
Bestandtheile  aufnahm,  die  alten  näher  ausführte  und  eine 
neue  Ordnung  herstellte. 

Wir  wollen,  bevor  wir  an  die  Katalogisirung  der  bezüg- 
lichen Protokolle  gehen,  auf  diese  Erweiterungen  und  Bereiche- 
rungen vorher  noch  einen  Blick  werfen.  Bei  der  Betrachtung 
der  voreuklidischen  Decrete  fanden  wir,  dass  der  Schreiber- 
name, wenn  er  dem  engeren  Protokoll  als  Aufschrift  voraus- 
ging, in  der  Regel  ein  oder  zwei  Attribute  erhielt  und  zwar 
das  Demotikon  oder  den  Vaternamen  nebst  dem  Demotikon; 
nur  einmal  erschien  bloss  der  Vatername.  Diese  auf  den 
Schreiber  allein  in  seiner  Stellung  ausserhalb  des  engeren  Pro- 
tokolls (cdbef)  beschränkte  Auszeichnung  erstreckte  sich  auf 
den  nacheuklidischen  Urkunden  auf  alle  Bestandtheile,  welchen 
Platz  sie  auch  einnehmen  mochten,  die  für  dieselbe  zugänglich 
waren  hef,  nicht  auf  a;  denn  nur  auf  späten  Inschriften  zu- 
meist und  ganz  ausnahmsweise  tritt  zu  dem  Namen  des  Archon- 
ten  eine  nähere  Bestimmung  und  zwar: 

25    EußouA{oY;c  "KkeuGvnoq  ^px[e].  Vgl.  Revue  archeolog.  1878 

p.  119 
22     [KjaXXiac  'AyvcX^Oev 

316  'EttI  Nr/.iou  ap'/ovToc   ['Otpuvejtoc 

317  ['EtcI  Niyiou  ap"/ovTo;]   'OTpuv£[w(; 

392     ['EttI  toü  oev/Qc  oipyo^noq  tou  [xetja  <l>avap(p(3r,v 
461     'Ette  liaMvoc,  oip-/p'noc  tou  [XcTa  noAuy./v£t-[ov 
475     'EtI  Aiovjciou  apxovTS?  tou  [xstoc  üapaixovov 
489"  'EttI  A'jcavopou  tsO  Attoa-oc'-ooc  ap-/ovToc 

AOv'aiov  VI  490    ['E-i äp/ovic;  toü  ;j.£T]a  AY]jj.-/;Tpiov. 

Weitere  litterarische  Belege  stellt  Böckh  zum  CIG.  I  nr.  113 
S.  156  zusammen.  Diese  Bestimmung  war  zum  Zwecke  der 
Unterscheidung  gleichnamiger  Archonten  ebenso  nothwendig  wie 
jene,  welche  nach  Köhler's  Auffassung  den  Archonten  als  arcJion 
svffectus  charakterisirte,  nothwendig  gewesen  sein  wird;  es  sind 
zwei  Fälle  der  Art  bekannt:  299"  ['Et:!  —  tjoowpo-j  äpyynoq  S£UT£[pov] 
und  299  'Ezl  Nr/.icu  äpxovTo;  'j(jT£[pov.  Vgl.  über  nr.  316  und 
317  Kirchhoff  im  Hermes  II  165  und  gegen  Köhler's  Auffassung 


Studien  iilior  atiisches  Staatsrecht  und   l'rkuiidenneBen.  I.  DDÖ 

des    0£ut£pov   und    ucxspov  Droysen   Gesch.    des  HeUevismvs    IP  2 
H.  391  ff. 

Auch  auf  den  nacheuklidisclien  Urkunden  erscheint  der 
Vatername  als  eiuzig-es  Attribut  nur  vereinzelt;  ich  kenne  ausser 
489''  nur  folgende  Beleg-e : 

1)  181    [ff I   nl'jOoowpou    £Ypa[/[j.äT£'je.     Die   Inschrift 

enthält,  AA^ie  später  wahrscheinlich  gemacht  werden  wird,    eine 
nicht  officielle  Abschrift  der  Originalurkunde. 

2)  221  [t]wv  Tpoi2p(ov  £7:£(|iiQS'.^£  [5  o£Tva  \\p\'.cv.~7:o'j'  sSo^cV  y.xX. 
Die  Inschrift  stammt  aus  der  Lenoruiant'schen  Fabrik  und  ist 
bereits  von  Köhler  als  suspect  erkannt:  nh  usu  constanti  eius 
aetatis  cni  fragmentum,  si  genninum.  est  non  potest  noii  adscribi 
recedif,  quod  et  demoticum  proedri  vs.  5  desideratur  nee  eius 
qui  rogationem,  tulit  demotico  spatia  siqypehint.  Ja  noch  mehr, 
wie  wir  gleich  sehen  werden :  der  Antragsteller  musste  mit 
Demotikon  und  Vaternamen  ausgestattet  sein. 

3)  431,  2  (Z.  34)  "E-/.(pavtc;  [E]'j[ o]u  [£k£v].  Die  In- 
schrift trägt  noch  anderweitige  Spuren  grösster  Nachlässigkeit 
an  sich:  so  fehlt  Z.  32  /.al  cu[ji,-ps£$pot;  Z.  28  und  vermuthlich 
auch  Z.  2  begegnen  Abkürzungen  an  dem  Demotikon  Ku[Ga]0-/;v. 
und  R'jca9['ir;va'..],  welche,  wie  später  gezeigt  werden  wird,  zwar 
nicht  ohne  Beleg,  aber  doch  höchst  befremdend  sind. 

Ein  weiteres  Beispiel  bot  die  von  Foucart  im  Bidleiin  de 
corresp.  hellen.  1877  p.  389  restituirte  Inschrift,  indem  dort  der 
neben  dem  Rathsschreiber  auftretende  avaYpaffi£'j^  in  Z.  2  mit 
dem  blossen  Vaternamen  erschien  —  —  —  iv.oq  Nauxp(To[L(  ava- 
Ypa3/£Üc],  woran  Foucart,  der  sonst  solchen  formellen  Eigenthüm- 
iichkeiten  mit  aller  Sorgfalt  gerecht  zu  werden  bemüht  ist, 
keinen  Anstoss  nahm;  Kumanudis'  Edition  der  Inschrift  befreite 
die  Zeile  von  dieser  Unregelmässigkeit,  indem  sie  bei  ihm  lautet: 
'AvaYP^9^'-J?  'Ap7£vty,oq  ?^'o'jy.piTou  Aafj.'ir-pc'j;  ( AOr^vocov  VI  158).  Uebrigens 
bleibt  sich  der  officielle  Stil  guter  Zeit  consequent.  Nicht  bloss 
in  diesen  Urkunden,  sondern  wo  immer  er  einen  athenischen 
Bürger  nennt,  nennt  er  ihn  mit  seinem  Demotikon  oder  mit 
diesem  und  dem  Namen  des  Vaters,    nie  mit    letzterem    allein. 

Schreiber,  Präsident  und  Anti'agsteller  erhielten  nicht  auf 
einmal  noch  auf  gleiche  Weise  ihre  Attribute;  sie  traten  nach 
und  nach  in  ihren  Besitz.  Ein  näheres  Anrecht  aus  alter  Zeit 
hatte  zunächst  der  Rathsschreiber  auf  dieselben  und  wir  finden 

36* 


554  Hartel. 

ausser  den  bereits  aufgezählten  Inschriften,  welche  das  alte 
Formular  in  seiner  Reinheit  repräsentiren,  nur  wenige,  wo  der 
Schreiber  mit  seinem  blanken  Namen  aufgeführt  wird;  es 
sind  1",  2.  17''.  27.  55.  Sonst  hat  überall  der  Schreiber  sein 
Demotikon  (ich  bezeichne  dies  durch  h')  oder  Demotikon  und 
Vaternamen  (ich  bezeichne  dies  durch  b").  Die  Fälle  der 
ersten  Art  sind  selten,  nämlich:  nr.  P,  1.  2.  23.  'AOi^vacov  VI 
S.  269  aus  Ol.  101,  2  nr.  52.  52^  52^  1.  'AO^va-ov  V  516  aus 
Ol.  104,  2  nr.  66.  73,  1.  2.  76.  105^  125.  191  und  'AOr^v. 
VI  158.  Davon  gehören  52.  52^  52'=  in  ein  Jahr  Ol.  103, 
1  =  368/7  V.  Chr.;  ebenso  die  beiden  an  letzter  Stelle  genannten 
und  zwar  in  Ol.  115,  1  =  320/19  v.  Chr.  Dieselben  haben 
das  Eigenthümliche,  dass  neben  dem  ypaiJ-jj.a'ceüc  der  ävavpa^su; 
erscheint  und  dieser  wenigstens  an  der  Spitze  der  Inschrift 
stehend ,  mit  Vaternamen  und  Demotikon  ausgezeichnet  ist. 
—  66  mag,  nachdem  durch  66*^  eine  kürzere  Namensform  des 
Schreibers  festgestellt  ist,  Vaternamen  und  Demotikon  gehabt 
haben.  Was  aber  73,  1.  2  betrifft,  so  stammt  das  erste  Decret 
aus  den  ersten  Jahren  nach  Euklid  und  kann  ganz  wohl  die 
Form  des  jüngeren  beeinflusst  haben ;  in  dem  älteren  wird 
Eukles,  in  dem  jüngeren  Philokles,  vermuthlich  Eukles'  Sohn, 
das  Heroldsamt  verliehen  (vgl.  Kirchhoff  im  Hermes  I  15  ff.). 
In  125  steht  b'  aus  Versehen  (vgl.  124.  126).  In  nr.  109  aus 
Ol.  108,  2  3=  347/6  v.  Chr.  wurde  sogar  der  vom  Steinschreiber 
übersehene  Vatername  des  Schreibers  zwischen  den  Zeilen  nach- 
träglich eingefügt.  Jedenfalls  wird  man,  wie  die  Dinge  jetzt 
liegen,  in  dem  mit  dem  blossen  Demotikon  versehenen  Namen 
des  Schreibers  ein  wenn  auch  nicht  untrügliches,  so  doch  un- 
verächtliches Indicium  höheren  Alters  erblicken  dürfen,  eine 
Erinnerung  an  jene  Zeit,  wo  es  von  Bedeutung  war,  den 
Schreiber  durch  sein  Demotikon  näher  zu  kennzeichnen.  Das 
war  aber  die  Zeit  vor  363  v.  Chr.,  als  die  Person  des  Schreibers 
mit  jeder  Phyle  wechselte  und  das  Amt  noch  nicht  ein  jähriges 
war.  Denn  man  scheint,  worauf  nach  Böckh  zum  CIG.  I  nr.  81 
jüngst  wieder  Foucart  aufmerksam  machte  {Revue  archeol.  1878 
S.  120),  den  Schreiber  einer  anderen  als  der  herrschenden  Phyle 
entnommen,  d.  h.  aus  den  nicht  prytanirenden  Buleuten  erloost 
zu  haben,  wenn  man  aus  acht  zu  solcher  Beobachtung  allein 
geeigneten  Inschriften  P,  Z.  20.  8.  14".  17.  17\  23.  50.  52^  Reviie 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  ürtnndenwesen.  I.  05o 

arch.  a.  a.  O.  119,  wornacli  allerdings  die  Phyle  des  Schreibers 
und  die  herrschende  Phyle  nicht  identisch  sind,  einen  solchen 
Öchluss  ziehen  darf,  und  dies  zu  constatircn  mag  Veranlassung 
gewesen  sein,  dem  Schreiber  sein  Demotikou  beizufügen,  wie  aus 
keinem  anderen  Grunde  dem  Prcäsidenten  zuerst  sein  Demotikon 
beigefügt  wurde,  bis  Schreiber  und  Präsident  die  inzwischen 
immer  mehr  üblich  gewordene  volle  Titulatur  empfingen. 

Der  Vorsitzende  der  Versammlung  wird  in  dem  nach- 
euklidischen Decreten  in  derselben  Weise  wie  auf  den  älteren 
mit  c  IvMx  hzzzvixti  bezeichnet.  Daneben  tritt  aber  sehr  bald  die 
Form  Twv  ^poscpwv  i-vhrt'j^iCv)  o  osTva  auf,  welche  wir  zum  ersten 
Mal  auf  17"  aus  Ol.  lÖO,  3  =  378/7  v.  Chr.  (Z.  6  [twv  Tzjpcdopcov 

i^:-J)^T^o\C,v)  navTap£-o;[? ]  isuc;)  nachweisen  können.  Wir  geben 

ihr  zum  Unterschiede  von  e  das  Zeichen  e.  Es  bleiben  dann 
eine  Zeitlang,  die  sich  jetzt  mit  Rücksicht  auf  diese  jüngst 
gefundene  Inschrift  nach  der  einen  Seite  genauer,  als  M. H.E.Meier 
{de  epistatis  Atheniensimn  Halle  1855  S.  5)  und  von  Velsen 
fMonatsber.  der  Berl.  Akad.  1856  S.  117)  dies  zu  thun  in  der 
Lage  waren,  bestimmen  lässt  —  nach  dem  vorliegenden  Material 
ist  die  letzte  datirte  Inschrift  mit  6  BsTva  l^eataTsi  nr,  109  aus 
Ol.  108,  2  =  347/6,  130  gehört  derselben  Zeit,  128  ist  Copie 
eines  voreuklidischen  Decretes  —  beide  Formen  in  Gebrauch, 
nur  dass  e  als  die  alterthümlichere  auf  jenen  Inschriften  zu- 
meist sich  findet,  deren  Protokolle  nach  dem  alten  Formular 
cdbef  concipirt  sind.  e  und  i  bezeichnen  also  in  diesen 
Urkunden  sachlich  dasselbe.  Vor  Euklid  hatte  e  eine  andere  Be- 
deutung, wie  Böckh  [Epigr.  chronol.  Stud.  S.  46  ff.)  überzeugend 
darthat,  der  seine  Meinung  in  folgender  Weise  zusammenfasst: 
,Bis  zu  Eukleides  oder  noch  etwas  später  [was  jetzt  durch 
nr.  P  Z.  2  und  21  aus  Ol.  94,  2  sehr  wahrscheinlich  geworden] 
kam  die  Epipsephisis  den  Prytanen,  zunächst  dem  aus  ihrer 
Mitte  bestellten  Epistates,  der  auch  selbst  vorzugsweise  Prytanis 
genannt  wird,  zu;  nachher  ging  die  Epipsephisis  auf  die 
nectribulen  Proedren  und  zwar  von  der  Zeit  ihrer  Einführung 
ab,  über;  von  dem  Epistates  dieser  Proedren  wurde  nun  eine 
Zeitlang  die  alte  Formel  6  SeTva  iTuecra-cs'.  in  den  Präscripten 
gebraucht,  wie  sie  vorher  vom  Epistates  der  Prytanen,  der 
selber  Prytanis  war,  gebraucht  worden  war;  denn  das  Geschäft 
des  Letzteren,    um    dessenwillen    er    mit  jener  Formel    in    den 


556  Hartel. 

Präscripten  genannt  wurde,    war  eben   auf  den  Ersteren  über- 
gegangen.   Alluiälig  aber  vertauschte  man  die  alte  Formel  mit 
der   anderen    twv   Trposopwv   eT:e>^z{Cvj  b  seTva.    Eine  Zeitlang  ge- 
brauchte man  willkürlich  die  eine  oder  die  andere,  bis  die  ältere 
in  den  Präscripten  zur  Bezeichnung  des  sTi'.d^rjoi^ojv  ganz  erloscht 
Für  unsere  weiteren  Untersuchungen  und  das  richtige  Verständ- 
niss   des   nacheuklidischen  Urkundenformulars  in  einem   seiner 
wesentlichsten  Punkte  ist  diese  nicht  anzufechtende  Thatsache, 
dass  eine  alte  Formel  für  eine  moderne  Einrichtung,  welche  eine 
vollkommen  zutreffende  neue  Bezeichnung  gefunden  hatte,  neben 
dieser  und  somit  in  einem  von  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung 
abweichenden  Sinne  in  Gebrauch  bleiben  konnte,  von  aufschluss- 
reicher Wichtigkeit.    Das  Jahr  der  Einrichtung  werden  wir  an 
einer  späteren  Stelle  dieser  Untersuchungen  zu  bestimmen  suchen. 
Die  Form  e  erhielt  sich  dann  eine  Zeitlang  in  ausschliess- 
licher Geltung,    erfuhr  aber  seit  Ol.   115,  2  =  319/18  v.  Chr. 
durch  den  Zusatz  y.al  (jU[j.i:pzEopo'.  eine  Erweiterung.    Zuerst  be- 
gegnet diese  erweiterte  Fassung  xwv  Trpoeopwv  STrcti^r^^i'C'V  ö  od^x  %a\ 
cu|i,TrpÖ£cpoi  auf  nr.  187,  dann  193,  wozu  Köhler  bemerkt:  (titulus) 
Ol.  115,  2  non  videtur  esse  antiquior,  siquidem  jjraescripta  liahent 
additamenium  y.at  aui^.Trpceopoi,  quo  titidi  ante  OL  115,  2  scrvpti 
qui  adhuc  innotuerunt  carent  07nnes  (vgl.  v.  Velsen  a.  a.  O.  119  f., 
Köhler  im  Hermes  III  160  und  Böckh  zu  GIG.  I  nr.  105  und 
Epigr.  chronoL  Stud.  54  ff,).    Von  nr.  222  ab  erscheint  dieselbe 
regelmässig;   nur   230,  1   (aus   der  Zeit  vor  Ol.   115,  2),  ferner 
431,  2   und   vielleicht   431,   1    fehlt    der   Zusatz    /.xX  c7U(;,TCps£Bpoi ; 
aus   dem  gleichen  Grunde  setzt  Köhler    nr.  492   zwischen  350 
und   320   V.  Chr.     Ueberdies    fehlt    der    ganze    Bestandtheil    z 
nur  323    und    477'',    während    e    in    Urkunden    mit  Präscripten 
älteren    Formulars    dreimal,     8.    49    und   75,     vermisst    wird. 
Einige  Male    werden   sämmtliche   c7U[j.Trp6copot  mit   ihren  Demos- 
namen verzeichnet  230,2.    236.  244.  245.  252^  336.  343.  371. 
'AOY^vatcv    VI    271.      In    den    Buchstabenresten    des    Präscriptes 
der    Inschrift    V   aus    Ol.    95,   2  =  399/8   v.    Chr.     erblickt 
Foucart  ein  ähnliches  Verzeichniss  von  Collegen   des  Epistates 
(a.  a.  O.  221).     Gegen  Böckh  (a.  a.  O.   S.  52)  verdient  es  be- 
merkt zu   werden,    dass   der  Artikel   ol   vor  au[j,TCpöc8pot   in  alter 
und    jüngerer    Zeit    so    gut    wie    ausgeschlossen    ist;    erhalten 
wenigstens   ist   derselbe  nur  einmal  auf  nr.  222,  Z.  3  KÖTzjps'.o; 


Studien  über  iittisches  Staatsrecht  und  ürkandenwesen.  I.  557 

■mX  ol  cup,-p6cc[po'..  Ferner,  wo  ein  Verzeichniss  der  c'j\>.-^itl^oi 
beig-egeben  ist,  steht  auix-posopoi  asyndetisch  ohne  y.y.i  230,  2. 
'Id'o.  244;  nur  371  und  '.\OY-va'.cv  VI  276  steht  y.ai.  Demnach  ist 
die  Ergänzung  von  -/.ai  auf  245.  252^  336.  343  zweifelhaft. 

e  nun  und  e  haben  von  den  oben  S.  551  verzeichneten 
Protokollen  nach  dem  reinen  alten  Formular  und  von  nr.  23 
[h'  -\-  cdeh'f)  und  vielleicht  77  abgesehen,  auf  allen  lückenlos 
überlieferten  Inschriften  das  Demotikon  an  ihrer  Seite,  wodurch 
das  Präsidium  als  ein  verfassungsgemässes,  d.  h.  ausserhalb  der 
prytanirenden  Phyle  stehendes  verbürgt  war.  Mit  diesem  Zusatz 
begnügt  es  sich  noch  lange,  nachdem  h  und  /  bereits  mit  der 
vollen  Titulatur,  mit  Demotikon  und  Vaternamen  ausgestattet 
waren.  Dazu  gelangt  es  erst  fest  von  Ol.  116,  3  =  314/3  v.  Chr. 
ab  (vgl.  234.  238.  238"  u.  s.  w.j.  Allerdings  scheint  e  auf  zwei 
älteren  Inschriften  82"  und  107  Demotikon  und  Vaternamen  ge- 
habt zu  haben,  wie  die  Buchstabenzahl  der  Lücken  zu  glauben 
zwingt;  107  ist  damit  noch  nicht  alle  Schwierigkeit  behoben,  in- 
dem man  eine  ganz  ungewöhnliche,  so  viel  ich  weiss  nur  durch  ein 
Beispiel  CIA.  I  nr.  243  bestätigte  Stellung  des  Vaternamens  hinter 
dem  Demotikon  zulassen  müsste  (s.  Köhler  z.  d.  Inschr.).  Hing-egen 
ist  413  (und  409"?  468?)  für  beide  Attribute  nicht  Raum  genug.  Des- 
halb ist  auch  die  Köhler'sche  Restitution  e"  in  der  Inschrift  52  aus 
Ol.  103, 1  anzufechten,  worauf  später  zurückzukommen  sein  wird. 

Endlich  und  zwar  zuerst  Ol.  106,  4  =  353/2  v.  Chr. 
gelangt  der  Antragsteller  (/)  in  den  Besitz  seiner  Attribute 
(vgl.  nr.  75.  107.  108  u.  s.  w.  Foucart  Covrespond.  hellen.  1877 
p.  389j,  behauptet  aber  dieselben  von  350  v.  Chr.  fortan. 
Dadurch  wird  die  von  Professor  Kumanudis  gegebene  Ergänzung 
einer  jüngst  g'cfundenen  und  im  'AöiQvaiov  VI  269  publicirten 
Inschrift  aus  Ol.  101,  2  =  375/4  v.  Chr.,  welche  für  den 
Bestandtheil  /  einige  und  zwanzig  Stellen  ausspart,  also  Vater- 
namen und  Demotikon  voraussetzt,  nicht  empfohlen.  Es  steht 
übrigens  nichts  im  Wege,  den  blossen  Namen  6  oeTva  sIttsv  zu 
restituiren.  Es  ist  bezeichnend,  dass  kein  Fall  bekannt  ist,  wo 
derselbe  bloss  das  Demotikon  zur  Seite  hätte;  denn  auch  die 
so  ergänzte  Inschrift  im  AOr^vatcv  VI  481  lässt  sich  leicht  mit 
der  Regel  in  Einklang  bringen.  Diese  Titulatur  ist  dem- 
nach nicht  wohl  aus  dem  Bedürfniss  einer  staatsrechtlichen 
Charakteristik    erwachsen,     wie    die    des    Schreibers    und    des 


558  Hartel. 

Präsidenten,  sondern  weit  eher  mochte  man  ein  Gefühl  stili- 
stischer Symmetrie  nicht  verletzen,  indem  man  zugleich  den 
Träger  der  bedeutendsten  Rolle  in  diesem  Zusammenspiel  der 
Gewalten  nicht  schhmkweg  nennen  wollte,  während  man  den 
Rathsschreiber  und  den  Vorsitzenden  titulirte.  Dass  aber  in  der 
That  diese  Titulatur  zu  dieser  Zeit  als  eine  Auszeichnung 
empfunden  wurde,  kann  das  Rathspsephisma  nr.  114  (B  Z.  1 — 6) 
aus  Ol.  109,  2  =  343/2  v.  Chr.  lehren,  welches  beschliesst 
£XtYp[a(];ai  Be  tb  <]^-rfi^\Q\).'y.   TÖSe  (?)    -/.a'-Toli?   ßouXjsuTä?    Tcaxpoöev    y.ott 

Tou   ov^[j,[ou  ot J  ecp'  ÜYt[£';]a   t^<;   ßouA-^q  xai  toü  'hr\\>.o\)  [sOuaav]. 

Vgl.  nr.  341,   Z.  18.  ' 

Aber  auch  noch  andere  Bestandtheile  des  alten  Formulars 
erfuhren  eine  Erweiterung  oder  nähere  Ausführung.  So  hat 
die  auf  Volksbeschlüssen  stehende  Sanctionirungsformel  c  die 
doppelte  Form  soo^e  tw  o-^,aw  und  eoo^e  ■zf^  ßo/A^  7,al  iw  o-/^[J.cp, 
während  die  gleichen  Decrete  des  5.  Jahrhunderts  nur  letztere 
kennen.  Diesen  Unterschied,  welcher  uns  später  ausschliesslich 
beschäftigen  soll,  wollen  wir  vor  der  Hand  nicht  näher  verfolgen, 
noch    in    dem   Verzeichniss    der   Formulare    besonders    uotiren. 

Eine  kleine  Veränderung  an  der  Bezeichnung  der  pryta- 
nirenden  Phyle  {d)  machte  dieselbe  zu  einem  passenden  Mittel 
der  Datirung,  was  sie  ohne  dieselbe  nicht  sein  konnte.  Man 
setzte  ihr  die  Zahl  bei,  welche  besagte  als  die  wie  vielte  sie 
in  der  Reihe  der  Phylen  innerhalb  dieses  Jahres  zur  Regierung 
gelangte.  Dass  dies  wenn  auch  nicht  in  den  publicirten  Proto- 
kollen der  Volksbeschlüsse  schon  in  der  Zeit  vor  Euklid  durchaus 
üblich  war,  können  der  Wortlaut  der  oben  mitgetheilten  Inschrift 
CIA.  I  322  Key.poTTiBoq  TupuiaveuoiiaY)?  r^püvqc,  und  zahlreiche  Dati- 
rungen  in  allen  Rechnungsakten  lehren.  Wir  wollen  den  Bestand- 
theil  d,  wo  er  diesen  Beisatz  hat  durch  d'  bezeichnen.  Uebrigens 
gehöi't  dieser  Bestandtheil  neben  a  und  /  zu  den  unerlässlichsten 
der  vor-  wie  nacheuklidischen  Protokolle. 

Zu  den  sechs  Bestandtheilen  des  alten  Protokolls,  von 
denen  also  bis  auf  den  Namen  des  Archonten  [ci)  jeder  Modi- 
ficationen  erfuhr,  gesellten  sich  im  Laufe  der  Zeit  mehre 
neue,  und  zwar  zunächst 

g  =  der  Tag  der  Prytanie, 

h  =  der  Tag  des  Monats,  an  welchem  die  beschliessende 
Versammlung  stattfand. 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  559 

Der  Tag  der  Prjtanie  begegnet  zuerst  auf  nr.  52  aus  Ol.  103, 1 
=  368/7,  dann  auf  54  aus  Ol.  104,  2  =  363/2  und  auf  dem 
thessalischen  Bundesvertrag  aus  Ol.  104,  4  =  361/0,  welchen 
Kumanudis  im  'AOy;vatov  V  424  und  Köhler  in  den  Mittheil, 
d.  d.  arch.  Inst.  II  197  edirten,  und  gelangt  nach  und  nach 
zu  regelmässiger  Aufnahme  und  fester  Stellung.  Erst  ein 
Meuscheualter  später  gesellt  sich  h  zu  (j,  zuerst  auf  nr.  121  aus 
Ol.  110,  3  =  338/7.  Beide  behaupten  sich  von  336  v.  Chr.  ab 
und  zwar  in  unabänderlicher  Ordnung  hg  als  regelmässige 
Bestandtheile  des  Protokolls.  Ein  Jahr  vorher  zeigt  sich  noch 
Schwanken.  Wir  besitzen  aus  Ol.  110,  A  =■  337/6  v.  Chr. 
zwei  in  derselben  Ekklesie  durchgegangene  Beschlüsse,  wie 
aus  der  Identität  des  Vorsitzenden  zu  entnehmen,  125  und  126; 
aber  nur  der  erstere  hat  hg^  der  zweite  hat  hg  so  wenig  wie 
die  anderen  von  demselben  Rathsschreiber  concipirten  Decrete 
dieses  Jahres,   124  und  127. 

Ferner  wird  einige  Jahre  darauf,  zuerst  nr,  173  aus  Ol.  112, 1 
=  332/1  (vgl.  175.  177.  179.  182  u.  s.  w.),  noch  eine  weitere 
Bestimmung  in  die  Protokolle  aufgenommen, 

i  =  die  Bezeichnung  der  Versammlung    (ßouXY^,    i%v.KT,a<.<x) 
und    des    Versammlungsortes    (ßouAT]    iv    ßouXeuTYjpiw, 
ey.yCKr,<7<.oi.  ev  Osärpa)  u.  dgl.), 
und  als  letztes  Stück  auf  einigen  wenigen  Inschriften  spätester  Zeit 

k  =  die  Bezeichnung    der  Gattung    des  Decretes    (ßouXyjf;, 

um  von  einigen  ephemeren  Veränderungen  und  Zuthaten  hier 
noch  abzusehen.  Bei  i  wiederholt  sich  im  ersten  Jahr  der  Anwen- 
dung dieselbe  Beobachtung  wie  bei  hg.  Wir  haben  drei  Beschlüsse 
derselben  Versammlung,  wie  aus  der  Identität  des  Präsidenten 
und  dem  gleichen  Datum  (hg)  hervorgeht,  erhalten,  nr.  173,  174 
und  den  jüngst  von  Kumanudis  im  'AO-/^va'.ov  VI  131  publicirten.  In 
dem  Protokolle  des  ersten  ist  der  Versammlungsort  notirt,  exy.XY]{7'!a 
[ijv  [EIstpa'.cT);  in  jenen  der  beiden  anderen  fehlt  diese  Angabe. 
Als  Beispiel  des  vollen  Formulars  mag  das  fast  makellos 
erhaltene  Präscript  der  Inschrift  nr,  247  aus  Ol,  118,  3  =  306/5 
V.  Chr.  dienen : 

0£C'.  I  'E'TTi  Kopcißo'j  öipyo'/xoq  It:!  x\f,q  Ov/eiioq  hv/,iXTr,q  Tuputa- 
v£  (ac,  V.  llx[}.o'.\oq  OcOYEitovo  q  'Pajxvoja'.o?  £Ypa[j.ixäT£uev  •  Mouvj- 
•/iwvo?  £V£'.  7.3.\  V£a  £(j.ßc;A([X(i),   £vaT£'.  y.at  £?7.oc:t|£^  x^?  irpuTavc'laq  • 


560  Hartel. 

h.YXr,zloi.j  [  -röiv    •rrpoecpwv    £7t£'jiv^«i!^£v    IT'jjO'.'äzoc    IIuöiojvo?    Mapa- 
Owv'.ojrc]  y.al  s'Ji^.Ttpösopoi  •   sBo^sv  tw  i  cr^ixw  ■  ^TpaToy.Ar,;  EjO'jC'<^^[ji,o'j 

Die  mit  Rücksieht  auf  die  Ausstattung  und  die  Anzahl 
der  ßestandtheile  ziemlich  bunte  Mannigtaltig'keit  der  Formulare 
wird  nicht  wenig  erhöht  durch  die  auf  den  ersten  Blick  regellose 
Abfolge  derselben,  die  erst  um  Ol.  110  definitiv  beseitigt  ist. 
Gleichwohl  lassen  sich  in  dieser  Regellosigkeit  einige  leitende 
Gedanken  und  eine  Entwickehmg  nach  einem  bestimmten  Ziele 
hin  erkennen.  Eine  Katalogisirung  der  uns  mit  leidlich  voll- 
ständigen Protokollen  erhaltenen  Inschriften  wird  dies  klar 
machen.  Indem  dadurch  zugleich  die  vorher  aufgestellten  Be- 
hauptungen über  die  Form  der  einzelnen  Bestandtheile  belegt 
und  näher  ausgeführt  werden  sollen,  bediene  ich  mich  der 
gewählten  Zeichen  für  die  einzelnen  Bestandtheile  und  meine 
mit  b'  e  und  s',  dass  b  e  und  e  ihr  Demotikon,  mit  b"  e"  £"/", 
dass  beef  Demotikon  und  Vaternamen  neben  sich  haben. 
d'  bedeutet  die  mit  Nummer  versehene  Prytanie.  In  jedem 
der  vorzuführenden  Formulare  konnte  aus  Nachlässigkeit  oder 
auch  aus  besonderem,  später  zu  suchendem  Anlass  das  eine  und 
andere  Stück  schon  im  ursprünglichen  Concept  ausgeschlossen 
gewesen  sein.  Ich  habe  dies  durch  ein  in  Klammer  gesetztes 
,es  fehlt'  vermerkt.  Weit  häufiger  ist  aber  der  Fall,  dass 
durch  Zertrümmerung  oder  Beschädigung  der  Steine  einzelne 
Bestandtheile  für  uns  verloren  gingen,  die  aber,  wie  eine  ge- 
nauere Untersuchung  der  Raumverhältnisse  ergibt,  ursprünglich 
an  ihrem  Platze  standen.  Ich  habe  dies  durch  ein  in  Klammer 
gesetztes  , nicht  erhalten'  bezeichnet.  Consequent  hätte  diese 
mangelhafte  Erhaltung  auch  bei  den  Attributen  der  Bestand- 
theile beef  angedeutet  werden  sollen.  Doch  konnte  im  Interesse 
der  Einfachheit  der  Zeichenbilder  davon  Abstand  genommen 
werden,  da,  was  die  Berücksichtigung  dieses  Punktes  verlangt, 
bereits  zur  Sprache  kam  und  noch  kommen  wird  und  Zweifel- 
haftes oder  Singuläres  auch  kurz  notirt  ist.  Aus  demselben 
Grunde  blieben  vorläufig  die  vor  oder  nach  den  ersten  Stücken 
des  Protokolles  gesetzten  Titel  einzelner  Decrete  wie  ffuixp-a/ja, 
■::po;evia  toü  SeTvo?  u.   dgl.  unvermerkt. 

In  den  ersten  Decennien  also  nach  Euklid  gebrauchte  man 
das  alte  Formular  c  dbef  völlig  unverändert  (die  Fälle  sind  oben 


Studipn  über  attisches  Staatsrecht  und  Urtundenwesen.  I.  561 

S.  551  gesammelt)  5  daneben  gab  man,  indem  man  die  Abfolge  der 
Bestandtheile  ganz  oder  fast  ganz  unangetastet  Hess,  dem  einen 
und  anderen  die  neue  Form,  wie  die  folgenden  Beispiele  zeigen: 

cdh'e'f  73,  1.2. 

cdb"e'f  28.  30. 

cdh'ae'f  l^  1.2. 

a  ^  cdhe'f  \%  2  (/  nicht  erhalten). 

a-\-cdh"e'f  bT. 

a  +  cdb"ef"  107  (vielleicht  e"f).    108  (a  und  b 

nicht  erhalten).   109. 
a  -\-  cdU'e'ijf  Aör^va-.cv   V   424    (Mitth.    d.  d.  arch. 

Inst.  II  197). 
b'-\-cdeb'f  23. 

b"  -\-  cbef  27  (vielleicht  stand  «c^'im  Eingang). 

h"a  +  cdbt'f  17^ 

Wie  a  und  b  oder  ba  (ab),  so  schickte  man  dem  eigentlichen 
Formular  cdbef  eine  andere  Art  unvollständiger  Datirungs- 
clausel  voraus,  nämlich  a  d : 

ad'  -\-  cdbe'f  55. 

ad   -\-  cdb"ef  57  itnd  vielleicht  72  (mit  /",  d  nicht 

erhalten). 
ad'  ^  cdb"e'f  63.  56  (ef  nicht  erhalten).  105"  (e'f 

nicht  erhalten  und  b'  statt  b"). 
Dieselbe    gewann   an  wünschenswerther  Präcision,    indem    man 
zu  d'  den  Tag  der  Prytanie  g  und  den  Monatstag  h  hinzusetzte: 
ad'  gs.'  b'  cf"     116. 
b"^ad'gecf  66^ 

a  +  cdgs'b"/"         117    (mit    ungewöhnlicher    Stellung 

des  i'-(p!x\).iJ.!X-e'jt  wie  169j. 
ad'hgce'f"       120  ?  ? 

Man  darf  sich  wundern,  dass  die  rationellste  Datirung 
« d'  g  nicht  durchdrang,  was  wohl  seine  Ursache  gehabt  haben 
mag.  Statt  dessen  setzte  sich  immer  mehr  af^'i"  an  der  Spitze 
der  Protokolle  fest  und  diese  drei  Bestandtheile  wurden  auch 
in  eine  engere  grammatische  Verbindung  gebracht,  welche  uns 
schon  auf  nr.  8  aus  Ol.  96,  3  =  394/3  begegnet  ('Ext  EüßouXiBo'j 
ä'pyovto;  izl  T^q  HavBtovi'ooc  ixir;;  TrpD-avsuoiicr];  [dafür  sonst  Trp'JTa- 
veiac],  ri  FIXäTtov  iNas/apouc  <t>A!j£l);  iYpaixjxäTcje).    Wenn    man   nun 


562  Hartel. 

das  volle  alte  Formular  cdhef  beibehalten  hätte,  so  würde 
nicht  bloss  wie  in  den  eben  mitgetheilten  Fällen  d,  sondern 
d  und  b  zweimal  haben  gesetzt  werden  müssen,  was  um  so 
weniger  erträglich  schien,  als  die  nun  einmal  festgewachsenen 
Attribute  von  h  kein  geringer  Ballast  waren.  Zudem  sind  die 
Schreibernamen,  wo  sie  doppelt  gesetzt  und  erkennbar  sind, 
nicht  wie  auf  einigen  voreuklidischen  Decreten  verschieden, 
sondern  identisch:  14^  17\  23.  27.  50.  78.  Schon  die  an  letzter 
Stelle  mitgetheilten  Formulare  können  zeigen,  wie  man  das 
Präscript  zu  entlasten  bemüht  war  und  wie  durch  die  Heraus- 
nahme alter  Stücke  und  das  Eindringen  neuer,  die  eine  feste 
Stelle  erst  erringen  mussten,  das  alte  Schema  aus  den  Fugen 
ging.  Die  folgenden  Formen  veranschaulichen,  wie  sich  alhnälig 
wieder  ein  festes  Gefüge  im  Eingang  ad'  b  und  am  Schlüsse 
e  (c)  c/  bildete,  in  deren  Mitte  die  neu  hinzukommenden  Be- 
standtheile  Aufnahme  fanden  und  wie  endlich  ein  Typus  durch 
Jahrhunderte  hindurch  eine  ausschliessliche  und  unbestrittene 
Herrschaft  behauptet. 

a  d'b"  cde  b"f         50. 

ab"d'cef  17. 

adh'e'cf  52"=,  1.   76  (a  nicht  erhalten)..  110  (d  nicht 

erhalten,  c  fehlt).  'AOiQvaiov  V  516  aus 
Ol.  104,  2. 

ad'h'e'cf  AOv^vatov  VI  269  aus  Ol.  101,  2  (/nicht 

erhalten). 

ad'b"e"cf  82^ 

ad'h'e'f  52\ 

a  d'  b"  e'f"  AÖT^vaiov  VI  152  (Rh.  Mus.  XXXIII  418) 

aus  Ol.  108,  2. 

ad'b"cf  8. 

b"^ad'b"cf  49. 

ad'b'cf"  75. 

ad'Vz'cf  51     (c   fehlt    oder    ist    nicht    erhalten). 

66(?).  67  (a  nicht  erhalten).  68,  2  (a 
fehlt,  cf  nicht  erhalten).  69. 

ad'h'gcef  52  (nach  Köhler  e." c f). 

ad'b"gcef  54. 

ad'b"gecf  62.  70. 

ad'  b"  ge  cf"  111. 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  nnd  Urknncienwesen    I.  563 

ad'h"hqt'cf"        121.    124  {hgc  fehlen).  125  (c  fehlt,  h' 

statt  h").  126  {hg  fehlen).  127  {hgc 
fehlen).  132  (/nicht  erhalten).  168,1.2 
(6 Ä^r fehlen).  169  (sc/  nicht  erhalten). 
174,2.  Aer.va-.ov  VI  131  (aus  Ol.  112,1 
wie  nr.  174).  175"^  {h  fehlt).  176.  178. 
180.  181.  221  {gf  nicht  erhalten). 
222  {ahc  nicht  erhalten). 

ad'V'hgit'cf"      173.   175.  177  (sc/ nicht  erhalten).  179 

(c  fehlt).  182.  183,  1  (c  fehlt).  183,  2 
(/sc/ nicht  erhalten,  wenn  nicht  c  wie 
in  183,  1  schon  ursprünglich  fehlte). 
186,  2.  188  (c/  nicht  erhalten).  191 
und  'AOY^vaiov  VI  158  {i  fehlt;  in  beiden 
h'  statt  h"  und  avavpaseuc).  230,  1  {ad 
nicht  erhalten).  231,  1  (/  nicht  er- 
halten), ^er-va-.cv  VI  134. 

ad'h"hgit"cf"     234  {hc  fehlen).   236  (c  fehlt?).  237  {hc 

fehlen).  238  {g  fehlt).  238''  (c  fehlt). 
246  (ec/  nicht  erhalten).  247.  249" {ade 
nicht  erhalten).  252"  (/  nicht  erhalten). 
255(/ nicht  erhalten).  256".  257 (/nicht 
erhalten).  259.  260  {a  nicht  erhalten). 
262.  263.  264.  269,  2.  270.  278.  280. 
297.  299  (ec/  nicht  erhalten).  299"  (6 
fehlt,  dafür  der  avaypaipcj^  zwischen  a 
und  d;  cf  nicht  erhalten).  300  (/>  fehlt). 
301.  302  {cih"d"i).  303.  304.  305.  306. 
307,  1.  2.  308.  :\Or,va'.ov  VI  271  (aus 
Ol.  123,2).  311.  312.  313  {adhhg  nicht 
erhalten).  314.  315  {g  fehlt).  316.  317. 
319  [a  nicht  erhalten.  />  fehlt).  320" (sc/ 
nicht  erhalten).  322  {aif  nicht  erhal- 
ten). 323  (i£  fehlen)«-  325  {hi  nicht  er- 
halten). 330.  332  {h  fehlt).  334.  336 
(/  nicht  erhalten).  343  {h  fehlt,  icf 
nicht  erhalten).  352"  (9  fehlt).  371  (^/ 
nicht  erhalten,  c  fehlt?).  372.  373  {cf 
nicht    erhalten).    373",  2.    377     381. 


564  Hartel. 

384.  385.  389  {adh  nicht  erhalten; 
s.  Böckh  Epigr.  chronol.  Sind.  p.  87). 
390,  1.  391,  2.  392,  2.  406  (c/  nicht 
erhalten).  408.  409*'  {adcf  nicht  er- 
halten). 416  (i  mit  [fj  •^o-av  at]  apya'.pscia'. 
xaTx  ty;v  [xavT[£iav).  420,  1  und  2.  421.  2 
{h  f  nicht  erhalten).  431,  1  (/  nicht 
erhalten).  431,  2.  432  [hi  nicht  er- 
halten, c  fehlt?).  433  (c  nicht  erhalten). 
434  {a  nicht  erhalten).  435.  436.  437 
(a  nicht  erhalten).  439  [g  fehlt).  454 
(a  nicht  erhalten).  459.  460  {li  i  nicht 
erhalten).  461  (/nicht  erhalten). 465, 2. 
467,1.2.  468  {ah  nicht  erhalten). 
469,  1.  2.  470,  1.  2.  4.  5.  471,  1.  2. 
472  («  nicht  erhalten).  475.  477 
{gi  nicht  erhalten).  477''  (&£  fehlen). 
482,  1  {Ic  fehlen).  489^  492  (at^j/ 
nicht  erhalten,  /.al  TJ[j,TCpÖ£Bpot  fehlt). 
493  (/  nicht  erhalten).  —  IXO/^vatov  VI 
S.  133  igif  nicht  erhalten).  S.  386 
(c  scheint  zu  fehlen).  S.  489  (c  /  nicht 
erhalten).  S.  490  (sc/  nicht  erhalten, 
zwischen  h  und  A  21  Stellen  Raum). 
Ehrendecret  des  Philosophen  Zeno  aus 
Ol.  130,  1  bei  Diogenes  L.  VII  10  (h 
und  c  fehlen). 
ad'b"khgie"cf"  403.  407.  413  [hgk?).  417.  440  (c  fehlt). 

Vgl.  481.  'Aer,va'.ovVI271  (c  fehlt).  Dazu 

käme   noch   Köhler's  Restitution  389. 

Vgl.  Köhler  zu  403,  wo  441  irrig  für 

440  steht. 

408  weicht  von  diesem  Formulare  ab,  indem  auf  h"  folgt 

dvTrfpa^eu?  AY)[xoy.pÄr/)?    \r,\}.o-/.pd-o'j    Kuoa6r;va'.£u;;    und    h    doppelt    in 

folgender    Weise    bezeichnet    wird :    'EXa<^-^ßoAtwvo[;]    hiTv.    [j.£t' 

£'.y.aoac  /.ät'   apy^ovxa,  y.axa  Ocbv   [o]£  [Mjsjv'./'.[w]vo;  c[a)3J£[/.a|T£'   (vgl. 

Köhler  zu  d.  Inschr.);  nr.  433.  437.  471.  472  (vgl.  320")  zeigen  Ä 

in    derselben    Form    (vgl.   Köhler    zu  437).     Auch   in   der    von 

Kumanudis    im    'A6r,vatcv  VI    386    publicirten    Inschrift    scheint 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  nnd  rrVunilenwesen.  I.  5bo 

Z.  2  y.ÄTä  tbjv  Oibv  i  .  ,  .  auf  eine  solelie  di)ppelte  Datirmig  zu 
deuten,  wenn  diesetbe  ein  Volksdecret  enthielt;  doch  l'aio;  t,t:o 
TO  'bitOisiJ.0L  O'.acsu  T-.vb;  y^  9'ja^«;  'Q  sy^jj.oj  bemerkt  Kumanudis.  Ein 
interessantes  Beispiel  aus  dem  4.  Jahrhixndert  v.  Chr.  bietet 
aber  das  Belobungsdecret    eines  Priesters,    welches  Kumanudis 

a.    a.    O.    S.    134    edii-te :     pEzl    apJ/ovTo;,    kpctto?   Se 

AvBpo|[7.Aeoui:  iv.  Kspajj.jswv,  szi  f^c  'Avtio/(ooc  CY^[c:r,;  irpu-avciaj;  y.TÄ., 
womit  man  aus  römischer  Zeit  nicht  etwa  Z.  2  der  von  Pitta- 
kis  {l'ancienne  Athenes  p.  493)  mitgetheilten  Inschrift  i-\  Aaxwvo^ 
äp/cvTc;;  y.al  kpsoj;  ApoJs[c'j  jtxtsj  vergleichen  darf,  indem  nach 
K.  Keil's  NacliAveis  dieselbe  Person  das  Archoutat  und  das 
Priesterthum  des  Drusus  verwaltete  (vg-1.  Rhein.  Mus.  XVIII  64), 
eher  die  Weihiuschrift,  welche  Philios  im  'AOr,vaiov  V  !S.  319 
nr.  44  publicirte,  \KG-/.'Kr{r.>.^  y.oi'.  T-f-iia  y.a';  ^z'^t.zxiü  Kafcapt  iiv, 
ä'p/ovToc  y.al  Upewc  Apo'jGCj  •j-xto-j  ^r^'^.zyji^ojz  'Aw-^v-ew;,  kpswc  oiä  ßicu 
Zr,'/io'ioc  Taij.vojsioj  (vgl.  Kumanudis  ebend.  VI  146).  Dass  unsere 
Inschrift  nicht  etwa  gemissbraucht  werde,  um  eine  Nachricht 
Plutarchs  in  der  Vita  des  Demetrius  10  S.  893  zu  retten,  ist 
nach  Kirchhoff's  überzeugender  Untersuchung  über  die  Dati- 
rung  nach  Priestern  der  Soteren  kaum  zu  befürchten  (Hermes 
11  161  jBF.).  Derselbe  bemerkt  a.  a.  O.  S.  171 :  ,Nichts  ist 
gewöhnlicher  und  auch  natürlicher,  als  dass  Inschriftensteine, 
welche  im  Temenos  eines  Tempels  aufgestellt  waren,  entweder 
allein  oder  nebenher  nach  den  Priestern  oder  den  Prieste- 
rinnen der  Gottheiten  datirt  wurden,  denen  der  Tempel  ge- 
hörte'. Und  damit  ist,  wie  ich  meine,  die  bis  jetzt  singulare 
Datirung  unseres  Decretes  erklärt,  auf  dessen  Abfassung  die 
attische  Staatskanzlei  ebensowenig  wie  auf  andere  derselben 
Gattung  Einfluss  genommen  haben  mag.  Unter  diesen  Um- 
ständen verdient  selbst  eine  Kleinigkeit  wie  die  Schreibung 
£::e'iY^5'32v,  auf  welche  als  eine  ganz  ausnahmsweise  bereits  Ku- 
manudis aufmerksam  machte,  Beachtung.  Ich  vermag  im  Augen- 
blick nur  ein  Beispiel  namhaft  zu  machen,  CIA.  II  nr.  117 
Frg.  a  Z.  3;  325  Z.  5  steht  ir.vi>-f,o'.c':vK  Auch  in  dem  Ehren- 
decret  Zeno's  bei  Diogenes  L.  VII   10  steht  der  Aorist. 

Nicht  weniger  singulär  ist  461,  wo  gleichfalls  zwischen  h 
und  h  eine  behördliche  Person  erwähnt  erscheint,  die  in  irgend 
einer  Weise  mit  der  Protokollirung  oder  Aufzeichnung  der 
Beschlüsse  zu  thun    gehabt    haben    dürfte:    f,  'K-'.^xvr,;  'K-'.savcj 


566  Hartel. 

Aa|j.7rupsuc;    £Ypx[;j.ij.xT£'j£'/   •  —  • ]    KaAA-apaTOU   Ize'.p'.z'jq 

7päiJ-;j.aTa  xäZe  s [j.sv  •  riuavo'i^'.äivo;  ey.xr]  b-rajjivoj  v.ta.  Vgl. 

Böckh  Clironol.  epigr.  Sfud.  S.  83  ff.  481,  1  hat  bei  einem  im 
übrigen  defecten  Protokoll  {akhif")  hinter   a  den  Namen    toD 

£■7:1  xa  ItXt.  G-poL-r,-;o'j :    'Ezl   [ J  O'J   xpyynoz  ■  cTpxr^voüvxo;  izl 

Tou;  OTiAi-aq  MvaG[£OJ  toj]  Mva!:[£0'j  B£p£]v'.7.(cou.  Hingegen  geht  334 
dem  Namen  des  Archonten  als  Aufschrift  mit  grösseren  Buch- 
staben voraus  Tap-ia;  twv  CTpa-ia)[T'.y,wv]  EJp'jy.Atior,;  M'.y.i'wvo;  [Kr^si- 
ci£j;J  und  dasselbe  vermuthet  Köhler  für  321.  —  Auf  die  Ur- 
kunden mit  dem  ava^paosuc  an  der  Spitze,  welche  einem  kurzen, 
durch  unser  Material  aber  nicht  näher  zu  umgrenzenden  Zeit- 
raun"!  um  Ol.  115,  1  und  2  angehören,  machte  ich  bei  der  Auf- 
zählung schon  aufmerksam;  es  sind  191.  192.  226.  299''  und 
das  von  Kumanudis  Aöv-va-.ov  VI  158  publicirte,  in  dasselbe 
Jahr  wie  191  gehörige  Decret.    Vgl.  Köhler  zu  227  und  299\ 

Der  Vollständigkeit  halber  mögen  hier  noch  1)  jene 
Decrete  zusammengestellt  werden,  welchen  mehre  Bestandtheile 
der  regelmässigen  Formulare  fehlen,  die  also  schon  ursprünglich 
aus  irgend  welchem  Grunde  mangelhaft  concipirt  waren,  2)  die- 
jenigen, in  welchen  in  Folge  defecter  Erhaltung  nur  wenige 
Bestandtheile  der  ursprünglichen  Protokolle  erhalten  sind.  In 
Klammer  sind  die  erhaltenen  Stücke  beigefügt: 

1)  52^  2  (a  4-  c/).  114  (/").  119,  2  (c/").  190,  2 
{hge'cf").  230,  2  {hgb'  [oder  h"]  ie  [oder  £"]  mit  Verzeichniss 
der  c'j'^.T.pöaopci  f" ;  c  scheint  zu  fehlen).  240  (acf").  Ehren- 
decret  des  Lykurgos  aus  Ol.  118,  2  in  der  Vita  d.  X  Redn.  852  a 
=  S.  278  West.  {ad'f").  249  {ad! f").  302^  2  (/").  329,  2 
{d'f").  390,  2  {hg[i\^"cf").  401  (ahif").  Mr-va-.ov  V  522  aus 
Ol.  158,  2  {ahicf").  444  (/").  445  (/").  446  (/").  469,  3  (/"). 
470,3(/").  478,  1.2.3  (/").  480,2  (/").  481,  1  {a  mit  dem 
cTpaTY)YÖ?  kTzl  xouq  oTjAda;  Ichif").  482,  2  und  4  (/"j.  488,  2  (/"). 
Wie  man  sieht,  erklärt  sich  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  der  Defect 
daraus,  dass  den  betreffenden  Decreten  andere  vorausgingen. 
Ohne  Präscript  sind  481,2.3.    482,3.    487. 

2)22[b'a--).  •d-d^b'i-).  34,2(a?--).  53  (a  d' 6"  c  - -> 
60(6"--).  65(--c/j.  i^^'iti--).  68,  l(--c/),  68, 2  (c^' 6"  £' -  - ; 
a  fehlt).  ll{ad'h"--).  ll{h"lcde--).  IS  (ab"  cdb- -).  79 
(6"ac--).  80  (a 6"--).  81  (a 6"--).  S2{b"--).  83  (c--).  104 
(6"a--).    122   {ad'b"--).    123   {^ad'b"--).     129   (ac--).    130 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  unii  (Trbandenwe^en.  1.  567 

{-ch'>e-).  131  (-h?-f).  135"  (--.9 e'/').  135"=  (arf'Ä--).  107. 
{[a]c[f]).  171  (--£'/').  180-  (---c/").  185  {ad'h"h--).  187 
{--^cf").  192  und  226  (ad'---  voraus  geht  der  oLvxypoLot\j:;). 
193  (--Ägrs'/";  also  0  fehlt).  199(r/--).  201  (--/s'c/'j.  231,2 
(ad'h"h?-t?-).     241  («6"/??/?--;  also  c/  fehlt?).     242  (a--). 

244  ([a]c?'6"A^■s'  undVerzeichniss  der  (TJix-pisopci--;  also  g  fehlt). 

245  (- [(i']  6"  Ä  ^  [i]  s  und  Verzeichniss  der  a'Jix::p:£Bpoi--).  248 
(arf'6"— ).  256{ad'h"h--).  261  {ad' h"--).  26b  (—g[i]e"cf"). 
266(— /").  267und268(— £"c/").  271  (—/').  279(a£Z'— ). 
280*-  (--h?  i  £"?/").     310,  2  (a  (^'  /»" - -).     314"  (a  d' -  -).     321 

(ad'b"---).    337  (a ).    3^2  ([a]d' b"  hg--).     344  und  345 

{ad'h"h--).  3^b\-b"kg?^"cr).  346(--r/fe-£-).  347  (--£-/"). 
348  (--£-/').  350  und  357  (---/").  373",  1  (--^-c"c/"). 
399  (a-b-g-e-).  409  {--ecf).  413  {-- g-ke' cf").  418 
(ac^'6"-— ).  421,1  (---£?  c/").  430{-d'b"h-i-).  453(--Ä-/). 
453"  (---/").  457  (---c/").  458  («cZ' //'---).  462  (- d' b" h  - -). 
463  (-  (^'  //'  ?•£--;  also  h  g  fehlen).  477"=  {a--hg?i-  -).  479,  2 
(.db"h--z--).  489(---£c/).  490(ari'r---).  494(-d'-t-). 
499  (a  (^  6?  -  -).  Aör.vaicv  VI  S.  385  (a-c-  -)  aus  Ol.  95, 1.  8.  385 
(acZfe--)  aus  Ol.  101,  2.  S.  480  (cd--).  S.  137  (--c/).  368 
(ad'---).      S.  387  (--cf).      Ebend.  (ad'V'i---  hg  fehlen?). 

•Dieser  Katalog  von  ürkundenformularen  lässt  bei  aller 
Mannigfaltigkeit  nicht  verkennen,  dass  ihm  einige  wenige  Typen 
zu  Grunde  liegen.  Alle  älteren  sind  Erweiterungen  oder  Va- 
rianten des  Grundschemas  cdbef.  Die  jüngeren  sind  aus 
dem  Schema  adbecf  herausgewachsen  und  die  dazwischen 
liegenden  Formulare  geben  ein  Bild  dieser  successiven  Ent- 
wickelung  und  Vervollständigung,  Auf  den  ersten  Blick  scheint 
es  rein  zufällig,  nach  welchem  Formular  der  Schreiber  gegriffen 
habe.  Aber  manche  Judicien  beschränken  diesen  Zufall  und 
lassen  eine  gewisse  Ueberlegung  erkennen,  wie  wenn  in  den 
ersten  Decennien  nach  Euklid  die  Rathspsephismen  mit  ent- 
schiedener Vorliebe  den  älteren  Stil  zeigen,  T^-kunden  inter- 
nationalen Charakters  noch  später  daran  festhalten  oder  wenn 
Agatharchos  des  Agatharchos  Sohn  aus  Oe,  Schreiber  im  Jahre 
Molon's  Ol.  104,  3  =  362/1 ,  sich  in  seinen  Urkunden  von 
der  alten  Formel  cdbef  nur  in  soweit  eine  Abweichung 
erlaubt,  als  er  ihr  a  oder  ad  vorausschickt  (vgl.  nr.  56.  57.  57"). 
Wenn    sogar   ein    zwischen  Ol.   106   und   111    aufgeschriebenes 

SitzungBbor.  d.  phil.-hist.  Ol.  XC.  Bd.  III.  Hft.  37 


568  Hartel. 

.  Decret  nr.  128  eine  dei'  ältesten  Formen  aufweist,  so  wirft 
eine  Bemerkung  Köhler's  Licht  auf  dasselbe,  wonach  wir  es 
wahrscheinlich  nur  mit  der  Reproduction  eines  Ol.  92,  3  =  410/9 
V.  Chr.  gefassten  Beschlusses  zu  thun  haben.  Und  so  lässt  sich 
noch  mancher  individuelle  Aufschluss  verheissende  Zug  auf- 
spüren. Doch  liegt  es  nicht  in  meiner  Absicht,  diese  Unter- 
suchung, für  welche  noch  andere  Vorarbeiten  nöthig  sind,  nun 
in  die  Hand  zu  nehmen.  Hier  sollen  zunächst  die  Unterschiede 
vor-  und  nacheuklidischer  Formulare  und  die  Eigenthüralich- 
keiten  der  letzteren  schärfer  präcisirt  und  geprüft  werden. 

Wie  bereits  bemerkt,  zeigen  uns  die  älteren  Formulare 
die  Verbindung  der  beiden  Bestandtheile  a  d  im  Eingange  in 
keinem  Falle ;  die  späteren  hingegen  sämmtlich  bis  auf  die 
Inschrift  17  {ah" d' ce  f),  welche  die  Bundesurkunde  von  Ol.  100,3 
=  378/7  enthält  und  nr.  117  {acdgz'h" f"),  in  welcher  ein 
anderer  Ol.  110,  1  =:=  340/39  mit  Tenedos  geschlossener 
Staatsvertrag  niedergelegt  ist.  Ein  dritter  Fall  302,  wo  die 
Köhler'sche  Restitution  im  Eingang  a  h"  d'  ergeben  würde,  ist 
sehr  zweifelhafter  Art,  wie  Köhler  selbst  bemerkt.  Jene  beiden 
aber  tragen  den  Charakter  von  Uebergangs-  oder  alterthümeln- 
den  Mischformen  an  sich;  die  letztere  nennt  die  Prytanie  ohne 
Nummer,  wohl  aber  den  Tag  der  Prytanie,  die  erstere  setzt  ah  wie 
dies  auf  den  älteren  Urkunden  üblich  voraus,  fügt  aber  dann  die 
Phyle  mit  i~\  und  die  Nummer  nach  neuem  Stile  an.  In  beiden 
steht  die  Sanctionirungsclausel  unmittelbar  hinter  dem  Datum. 
Wie  zäh  Urkunden,  die  für  den  Austausch  mit  fremden  Staaten 
und  internationalen  Verkehr  bestimmt  waren,  das  alte  solenne 
Concept  festhielten,  werden  wir  noch  später  an  anderen  Er- 
scheinungen bestätigt  finden.  Als  aber  vorübergehend  neben 
dem  Rathsschreiber  eine  neue  Behörde ,  der  avjiYpai-s'JC  creirt 
wurde  und  in  den  Präscripten  eine  Stelle  erhalten  musste,  da 
wurde  noch  einmal  die  feste  Verbindung  ad  durch  das  sich 
zwischen  sie  eindrängende  neue  Stück  zerrissen  299""  (['Et:;  —  '.]o- 

cwpou   ä'p/ovToc  0£Ü-s[pov,    «vaYpajcpitoc    oe  'ETCixoupou  toO 

(jiou,  ezl  Tr,;  lIavS'.o[v'!ooc  'iv.~r,c  Trpj'j-ravsi'ac  -f-  hgie"),  während  auf 
den  anderen  hieher  gehörigen  Urki;nden  der  avaYpa(pe6c,  wie  der 
Schreiber  auf  den  voreuklidischen,  an  der  Spitze  steht. 

Was  aber  konnte  bestimmend  sein,  dass  man  die  alte  für 
den  Zweck  der  Datirung  allerdings  kaum  praktische  Aufschrift 


Studien  fiber  attisvhee  Staatsrecht  und  Urknndenwesen.  I.  569 

ah  oder  ha  aufgab  und  eine  neue  n  cV h  schuf?  Man  möchte 
geneigt  sein ,  diese  Veränderung  mit  der  Umwandlung  der 
auf  die  Zeit  einer  Prytanie  beschränkten  Amtsdauer  des 
Schreibers  in  eine  jährige,  welche  nach  den  Inschriften  nr.  50, 
52",  52'"  einerseits,  nr.  54,  55  und  'AG-^-vatov  V  516  andererseits 
zwischen  367  und  363  v.  Chr.  anzusetzen  ist  (vgl.  Köhler  im 
Hermes  VIT  und  CIA.  II  p.  402  zu  52"^,  Foucart  Remie  archeol. 
1878,  S.  120),  in  Zusammenhang  zu  bringen  und  meinen,  dass 
man  die  Bezeichnung  des  Jahres  durch  den  Archonten  und  den 
Schreiber  dieses  Jahres  als  etwas  für  die  Datirung  Ueberflüssiges 
aufgab  und  wie  billig  an  dem  Archonten  allein  festhielt,  dem 
man  zur  Bestimmung  des  Monats  die  prytanirende  Phyle  ge- 
sellte. Allein  mit  a  d'  ist  fast  untrennbar  h  zusammengewachsen 
und  die  Formel  ad'  b  hatte  sich  längst  vor  dieser  Veränderung 
festgesetzt,  indem  wir  sie  schon  von  Ol.  96,  3  =  394/3  v.  Chr. 
bis  Ol.  103,  1  =  368/7  nachweisen  können  (vgl.  nr.  8.  17.  49. 
50.  51)  f  ja  die  grammatische  Form  selbst  (z.  B.  nr.  8  'Ett' 
EüßouXtco'j  ä'pyovTO(;  s-l  xf,c  DavStoviSoc  vAvr,c  -pu-avs'JoucY;?,  fj  ÜAaTwv 
N'.y.cyapc'jr  <I>A'J£uc  B'{pa\i\)A'zt'jz)  kann  lehren,  dass  dies  zu  einer 
Zeit  geschah,  wo  der  Schreiber  mit  der  prytanirenden  Phyle 
ein-  und  abtrat.  Da  diese  Form  einmal  fest  geworden  war, 
Hess  mau  unverändert  das  f,  6  BsTv«  £Ypaii.tj,äT£j£  stehen,  obwohl 
der  jährige  Beamte  Schreiber  wie  der  ersten,  für  die  er  be- 
stellt wurde,  so  der  übrigen  Phylen  des  Jahres  war,  so  wenig 
man  sofort  seinen  alten  Titel  ^■;p<x'^\i.(XT:thc,  Tr,c  ßouX^c  mit  einem 
neuen,  seiner  veränderten  Stellung  entsprechenderen  vertauschte. 
Daraus  geht  zugleich  weiter  unwiderleglich  hervor,  dass  der 
dritte  Bestandtheil  h  gar  nicht  dem  Zweck  der  Datirung  dienen 
sollte,  so  wie  in  dem  alten  Schema  cdhef  weder  h  noch  d 
noch  d  b  noch  das  dem  Formular  vorausgesetzte  b  diese  Aufgabe 
hatten.  Der  Schreiber  war  vielmehr  das  Executivorgan  des 
Rathes  und  seiner  beglaubigenden  Unterschrift  bedurfte  jedwede 
Urkunde  zu  ihrer  Rechtsgültigkeit  (vgl.  Köhler  im  Hermes 
II  29).  Das  unmittelbar  auf  die  Datirung  folgende  h  vertritt 
also  gewissermassen  die  in  dem  alten  Formular  an  der  Spitze 
stehende  Sanctioniiiingsformel  c. 

Daran  wird  man  festhalten  dürfen,  obwohl  die  Stellung 
des  jährig  gewordenen  Rathsschreibers  (fpap.iJ.aTiu;  ty;;  ßouX^;) 
oder  wie  er  später  mit  voller  klingenden  Titeln  hiess,  Raths- 

37* 


570  Hartel 

und  Staatsschreiber  (Ypa;xjjiar£l»c  x^^  ßouA'^?  xal  toü  3r^|j.oj)  oder 
Staatsschreiber  (Ypa!j.;j.aT£'j;  tou  oTQp,o'j),  und  seine  Betheiligung 
an  der  Ausfertigung  der  Psephismen  nicht  dieselbe  blieb.  Zu 
derselben  Zeit  ungefähr  schon,  da  sein  Amt  jährig  geworden  war, 
linden  wir  an  seiner  Seite  einen  Collegen  (nr.  61  Z.  15  und  18), 
dessen  Titel  6  yP^M-I^-^^'^'-'?  ^  ^«"^^  ^pytaveiav  deutlich  verräth,  dass 
derselbe  mit  den  einzelnen  Prytanien  wechselte  (zuerst  als 
Aufschreiber  nr.  115''.  191.  124  aus  Ol.  110,  4\  und  mit  welchem 
er  sich  in  das  Geschäft  der  Aufschreibung  und  öffentlichen 
Aufstellung  der  Decrete  in  der  Art  theilte,  dass  bald  dieser 
bald  jener  damit  vom  Volke  beauftragt  wurde,  während  ihm 
nach  wie  vor  die  Anfertigung  der  Protokolle  der  Raths-  und 
Volksversammlungen  und  die  Oberaufsicht  über  das  Kanzlei- 
und  Archivwesen  zugekommen  sein  wird.  Nur  vorübergehend 
scheinen  diese  wichtigsten  Geschäfte  ganz  oder  zum  Theil 
in  die  Hand  seines  jüngeren  Collegen,  des  Prytanienschreibers 
übergegangen  zu  sein,  als  man  einen  neuen  Beamten,  den 
avavpaosjc  creirt  hatte,  der  nun  vielleicht  ausschliesslich  mit 
der  Aufschreibung  der  Urkunden  betraut  werden  sollte  (vgl. 
nr.  226 — 229  und  'AOv^vxtov  VI  133)  ;  denn  in  den  beiden  in 
das  gleiche  Jahr  Ol.  115,  1  :=  320/19,  aber  in  verschiedene 
Prytanien  desselben  fallenden  Decreten  nr.  191  und  'A6y;va'.ov 
VI  158  erscheinen  verschiedene  Schreiber  (szi  r^;  'Av[T'.oy](oo; 
Tii[X7rt[-r;];  Trp'jTavsiac,  -^[i  N'.]y.:o-/;;j.oc  Ava[5]A'j[7]T'.o;  £Ypa[iJ.[xäT]£'Jc  — 
ii:\  vlr,c  'Epv/J)rßoc  Srjiipar  Tzpuiavciac,  £'.  (-)-^po![X£vr,;  Kr,9'.cr;£lic  i^pay- 
(jLaT£'j£) ;  bald  darauf  aber  lassen  sich  wieder  jährige  Beamte  in 
dieser  Function  nachweisen,  so  für  Ol.  118,  3.  119,  1.  2.  3.  (Vgl. 
nr.  246.  247.  248—255.  256.  2b6\  257—259  bis  264—269.  270). 
Eine  bleibende  Verschiebung  der  Competenzen  hat  also  nicht 
stattgefunden.  Das  Geschäft  des  Aufschreibens  aber  war  nie- 
mals fixe  Obliegenheit  ein  und  desselben  Beamten.  Wo  wir 
also  im  Folgenden  vom  Rathsschreiber  sprechen,  ist  der  in 
den  Protokollen  figurirende,  eigentliche  Rathsschreiber  gemeint. 
Die  nähere  Ausführung  und  Begründung  der  hier  kurz  skizzirten 
Ansicht  über  den  Rathsschreiber  wird  an  einer  späteren  Stelle 
dieser  Untersuchungen,  wo  über  das  Aufschreiben  der  Urkunden 
im  Zusammenhang  zu  handeln  sein  wird,  gegeben  werden. 

Zur  Datirung  aber  war  der  blosse  Name  der  Prytanie  noch 
nicht  geeignet;   er  wurde   es  erst  durch   den    Zusatz   der  Zahl, 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Drkundenwesen.  I.  571 

als  die  wie  vieJte  diese  Phyle  im  Laufe  dieses  Jahres  zur  Führung 
der  Geschäfte  kam ;  denn  damit  war  trotz  der  Uugeurdnet- 
heit  des  attischen  Kalenders  ungefähr  der  Monat,  in  welchem 
die  Entscheidung  gefallen  war,  auf  das  genaueste  aber  der  Ort, 
wo  der  Beschluss  in  dem  der  Obhut  des  Schreibers  anvertrauten 
Archiv  niedergelegt  war,  bestimmt.  Diese  Zahl  erscheint  dem- 
nach als  das  Wesentliche  des  zweiten  Bestandtheiles  und  darf 
niemals  fehlen.  Ich  kenne  nur  einen  dieser  Beobachtung  wider- 
sprechenden Fall  nr.  57  (['Ezt  MjiXwvc;  äp-/j:vTo;  e[-t]  zr,c  'Ep£[/OjY;( 
Bc[;  -pjiavcixr]  ),  wo  die  Ergänzung  der  Zahl  sich  durch  die 
Raum  Verhältnisse  verbietet,  ihre  Auslassung  aber,  wovon  ein 
anderes  Decret  derselben  Prytanie  nr.  56  überzeugen  kann, 
auf  einem  Versehen  des  Steinschreibers  beruhen  wird ;  denn 
die  vier  für  adb'e'cf  beigebrachten  Beispiele  (52'',  1.  76.  110 
und  die  Inschr.  im  "AÖY^vaicv  V  516),  wo  die  Nummer  der  Pry- 
tanie fehlt,  gehören  nicht  hieher;  denn  ihr  Formular  zeigt  in 
der  Aneinanderreihung  der  Bestandtheile  den  modernen,  in  der 
Form  der  einzelnen  alten  Stil.  So  lautet  z.  B.  52':  [Najatvjsvr,; 
■^pysv,  A'avTt?  £Tip'j|[Taveu£Jv,  Msc/ocKuSaOrjva'.eüc  i[-)'p7.[).iJ.i]~fjtv/\p<.üVJK- 

Koq  'Epyj.\s.\hc  £';:£aT[ätci.  |  [eocjciv  ^:f^  ßcuAYJ   y.at    tw    ct;|j.(|)  |  -  cp[ 

z.]iT:vK  Die  prytanirende  Phyle  hat  niemals  in  dieser  Form  r, 
ceTva  ezpuiävEJc,  sondern  nur  in  der  Form  £7::  t^;  BeTvoc;  zpjTaveia; 
die  Nummer  beigeschrieben. 

Ueberdies  gehört  d  in  vor-  und  nacheuklidischer  Zeit,  in 
Protokollen  des  alten  und  modernen  Formulars  zu  den  unent- 
behrlichsten Bestandtheilen  und  wird  demnach  wie  a  und  / 
äusserst  selten,  auf  öffentlichen  Urkunden  ohne  besondere  Ver- 
anlassung nie  vermisst  (vgl.  Carl  Curtius  im  Philol.  XXIV  89); 
denn  ni'.  27  (b"  -^chef)  ist  zu  vermuthen,  dass  vor  //'  ursprüng- 
lich der  Namen  des  Archonten  und  der  Phyle  gestanden  habe.  — 
nr.  25,  2  Z.  13  (b[e]f)  ist  ein  zweites  Decret,  das  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  in  derselben  Prytanie  zu  Stande  gekommen 
war,  wie  das  vorausgehende  [eiusdem  fortasse  prytaniae  bemerkt 
Köhler).  —  Dieselbe  Bewandtniss  hat  es  mit  nr.  119,  2  {cf"). 
190,  2  (hg-'cf").  302",  2  /  (vermuthlich  wie  119,  2  ein 
Amendejnent  enthaltend)  und  390,  2  (Ji  g\;i]^"  <^f")-  I^nd  so 
gelten  auch  für  die  anderen  oben  zusammengestellten  Decrete, 
welche  von  den  Bestandtheilen  des  Präscriptes  nur  den  letzten 
aufweisen,  indem  ihnen  ein  Decret  mit  vollem  Protokoll  voraus- 


572  Hartel. 

ging,  die  Bestandtheile  dieses  als  gemeinsam  und  -war  ihre 
Wiedeiholung  erlässlicli  (vgl.  Böckh  Chronol.  epigr.  Stud.  S.  36). 
—  Auch  52'^,  2  Z.  35  ff.  kann,  obwohl  ein  ein  Jahr  vorher 
beschlossenes  Psephisma  enthaltend,  mit  seinen  unvollstän- 
digen Präscripten  (acf)  als  entschuldigt  gelten,  indem  dieses 
Psephisma  gleichsam  als  eine  Beilage  des  vorausgehen  (Jen  be- 
handelt wurde.  —  Demnach  erregt  derselbe  Defect  in  230,  2 
{hgb'  i^'  f",  der  zweite  Beschluss  gehört  in  ein  anderes  Jahr  wie 
der  erste),  240  (acf),  401  (ahif),  'Aer.va-.ov  V  522  (aÄic/") 
481  (akhif")  für  sich  schon  den  ernsten  Verdacht,  dass  die 
athenische  Kanzlei  mit  der  Abfassung  und  Aufstellung  dieser 
Inschriften  nichts  zu  thun  hatte  und  Unkenntniss  oder  Flüchtig- 
keit privater  Aufsteller  dafür  verantwortlich  zu  machen  sei,  ein 
Verdacht,  der  noch  durch  andere  Indicien  zur  vollen  Gewiss- 
heit gebracht  werden  wird. 


Die  Bedeutung,  welche  der  Unterschrift  des  Schreibers 
beigelegt  wurde,  Hesse  sich  an  einem  interessanten  Beispiel 
darthun,  wenn  nur  sein  ofticieller  Ursprung  sicher  stünde.  Auf 
der  Inschrift  nr.  230  folgt  auf  ein  erstes  Decret,  in  welchem 
alle  wesentlichen  Stücke  des  regulären  Protokolles  erkennbar 
sind  ad'h"hgiecf"  unmittelbar  ein  zweites,  dessen  Protokoll 
Frg.  b  Z.  b  ff.,  was  sonst  wie  wir  sahen  auf  das  strengste 
festgehalten  wird,  die  Datirung  a  d'  fallen  liess,  aber  die  Er- 
wähnung des  Schreibers  doch  nicht  aufgab,  sondern  lieber  an 
ganz  ungewöhnlicher  Stelle  hgb"  ie'f"  anbrachte.  Man  könnte 
durch  die  mit  kleineren  Buchstaben  angefügte  4.  Zeile  des 
Frg.  b  sich  zunächst  veranlasst  sehen  zu  glauben,  dass  Raum- 
mangel zu  dieser  Kürzung  drängte.  Aber  der  eben  beobachtete 
Usus  für  ein  zweites  auf  demselben  Steine  stehendes  Decret 
die  Datirung  des  erstem  so  weit  wie  möglich  gelten  zu  lassen 
(vgl.  119,  2  cf,  190,  2  hge'cf",  390,  2  hgit'cf")  unterstützt 
solche  Vermuthung  nicht ,  Hesse  aber  die  ungewöhnliche 
Einfügung  um  so  bedeutungsvoller  erscheinen,  wenn  nur  die 
beiden  leider  sehr  fragmentarisch  erhaltenen  Decrete  in  das- 
selbe Jahr  gehörten,  wie  sie  auf  dieselbe  Person  (Archippos) 
sich  beziehen.  Nun  bemerkt  aber  Köhler  sehr  richtig  p.  98 : 
Atque  Rangabis  quidem  duo  decreta  quae  duobits  fragmentis  con- 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  573 

tinentiir  etiam  eiusdem  anni  fuisse  sihi  jjeisuosit,  de  qna  re  aliter 
sentiendnm  esse  puto ;  neqne  enim  intellego  quomodo  praescripta 
alterius  decreti  ita  restitui  possint  ut  et  lacuna  expleatur  et  non 
evadat  annus  intercalaris,  qiium  p?'ms  decretum  non  possit  non 
spectave  ad  annum  communem.  Ergo  duo  decreta  diversorum 
annorum  esse  censendum  est  et  prius  quidem  anni  communis^ 
alterum  anni  intercalaris.  Man  mag  sich  versucht  fühlen,  diese 
Behauptung  nocli  durch  ein  weiteres  Arg-umeut  zu  stützen. 
In  dem  Fragment  des  ersten  Decretes  ist  b"  bis  auf  vier  Buch- 
staben sicher  herzustellen:  f;  Mvr,<j'9'.A0!:  Mvy^cu)[vc;  ....  evpxix- 
[j.äJTS'jcv.  In  dem  Fragment  des  zweiten  Decretes  erkennt  man 
von  b  nur  den  Rest  des  Demotikons  Z.  7  [-  -]v£j;  ivpai^ixot- 
[t£j£v  -- .,  der  schon  allein  hinreicht  die  Lücke  hinter  Mvi^acovo; 
zu  füllen.  Für  die  nothwendige  Ergänzung,  welche  man  immer 
nehme,  bleibt  mithin  kein  Raum ;  denn  die  .Stellenzahl  der 
Zeilen  ist  in  beiden  Decreten  die  gleiche  31.  Dies  führte  auf 
verschiedene  Schreibernamen  und  Jahre,  wenn  man  nicht  besser 
an  eine  auf  dieser  Inschrift  nicht  unmögliche  Abkürzung  des 
Demotikons  glauben  müsste,  worüber  später  zu  sprechen  sein 
wird.  Wichtiger  und  für  die  verschiedene  Zeit  der  Decrete 
beweisend  ist  der  Umstand,  dass  i '  im  zweiten  den  Zusatz  y.ai 
cjixrpicopc.  hat,  £'  im  ersten  ihn  aber  entbehrt.  Dass  dieselben 
also  in  verschiedene  Jahre  gehören,  kann  keinem  Zweifel  unter- 
liegen. Jedoch  auch  unter  diesen  Verhältnissen  verliert  das  Pro- 
tokoll des  zweiten  Decretes  nichts  an  Interesse  für  unsere  Frage. 
Dasselbe  leidet  dann  allerdings  an  einem  bei  einer  Urkunde 
officiellen  Ursprungs  höchst  befremdenden  Mangel,  wie  ja  auch 
noch  ein  anderer  wichtiger  Bestandtheil  c  zu  fehlen  scheint.  Aber 
man  wird  in  seiner  Fassung  um  so  mehr  eine  Bestätigung  dafür 
eiblicken,  dass  wer  immer  sie  concipirte  b  für  unentbehrlicher 
als  ad  hielt,  lieber  die  Datirungs-  als  die  Legalisirungsclausel 
aufgab,  wenn  beide  nicht  anzubringen  waren.  Bevor  wir  aber 
vorschnell  entscheiden,  gilt  es  sich  mit  der  Thatsache  ausein- 
ander zu  setzen,  dass  in  nicht  wenigen  Fällen  das  Fehlen  des 
Bestandtheiles  b  in  den  Präscripten  nachzuweisen  ist.  Wir 
wollen  demnach  zum  Zwecke  einer  genaueren  Prüfung  das  in 
der  früheren  Uebersicht  der  Formulare  zerstreute  JMaterial  hier 
zusammenstellen.  Die  Inschriften,  in  deren  Präscripten  der 
Schreiber  nicht  aufgezeichnet  war,  sind  folgende : 


574  Hartel. 

nr.  52^2.  77.  119,2.  120.  135^?  168,  1  und  2.  175\ 
190,  2.  234.  237.  240  (=  Vita  d.  X  Redner  S.  852j. 
249.  299".  300.  319.  329,  2.  332.  343.  390,  2.  4Ul. 
477".  481,  1.  482,  1.  AOr.va-.sv  V  522.  Ehrendecret 
Zeno's  bei  Diogenes  L.  VII   10. 

Von  diesen  25  Fällen  sind  zunächst  vier  bei  Seite  zu 
stellen,  in  welchen  die  Unvollständig-keit  der  Präscripte  und 
das  Fehlen  des  b  seine  Entschuldigung  oder  Erklärung  in  dem 
unmittelbar  vorausgehenden  Decret  mit  vollständigem  Proto- 
koll findet:  119,  2  (c/").  190,  2  {hgt'cf").  329,  2  {ä'f"). 
390,  2    (hyie"  cf")-j    von    besonderer  Beschaflfenheit   ist  b2%2. 

Was  77  betrifft,  so  habe  ich  bereits  oben  die  Vermuthung 
geäussert,  dass  in  [nG]A'jx.X?;; ]ai$''i?  vor  den  sicher  erkenn- 
baren Bestandtheilen  cde  der  Namen  des  Schreibers  zu  sehen 
sei.  Auch  sind  diese  Reste  wie  sonst  die  an  die  Spitze  gestellten 
Namen  der  Schreiber  mit  grösseren  Buchstaben  geschrieben. 
Auf  der  ersten  Zeile  stand  das  solenne  0£o(.  Jedenfalls  ist 
dies  aber  ein  Protokoll  alten  Stils  und  demnach  anzunehmen, 
dass  cdebf  auf  dem  Steine  gestanden. 

240  (acf"),  249  (ad'f"),  401  {ahif")  geben  durch  die 
grosse  UnVollständigkeit  ihrer  Protokolle  den  deutlichsten 
Beweis,  dass  sie  nicht  auf  officieller  Aufzeichnung  beruhen. 
Füi-  240  ist  dies  auch  längst  von  C.  Curtius  in  seiner  gründ- 
lichen Untersuchung  dieser  Inschrift  (im  Philologus  XXIV 
83  ff.)  erkannt  worden  und  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen, 
dass  auch  die  uns  in  dem  Leben  der  X  Redner  S.  852  er- 
haltene Abschrift  desselben  Ehrendecretes  mit  gleich  unvoll- 
ständigem Präscript  ad' f"  nicht  nach  dem  von  Staatswegen 
errichteten  Denkmal  erfolgte,  sondern  in  letzter  Reihe  auf  eine 
Inschriftensammlung  zurückgeht,  welche  das  Archiv  als  Quelle 
benutzte.  In  401  verräth  sich  dies  auch  schon  im  Wortlaut 
des  Decretes  durch  den  sprachlichen  Ausdruck  und  einige 
Abweichungen  von  dem  regulären  Formular  der  späteren 
Bürgerrechtsdiplome,  wie  es  uns  in  395.  427.  428.  429.  455 
vorliegt  5  ich  verweise  nur  auf  sisosOac  ci  aÜKo  -/.al  zoXiTciav 
co/.i|ji,ac6£VT'.  £v  TW  c'./.aaTr,pu.)  y.aTa  ti'jc  vifjioyc  statt  BscöjOa'.  und 
xaTÖc  xbv  v6|j,ov5  ferner  ist  in  xobc  ok  OeaixiÖSTa;,  ötäv  y.al  üz  ^Xr^pw- 
5tv  Sty.acn^p'.ov  zlc  vn.  y.al  •Trsvcay.oci's'Ji;  o-.y.aaTä;,  t\Q:c{x^[v.-)  ty;v  ssy.i- 
\i.'XQ'\x>   7'jvv£(;j.avTa:    7.y).    ;:jvz'.    zsp";    aÜTiO    ty;v    'V?;siv    sowohl 


Studien  über  uttisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  OiO 

x«;  u);  als  auch  die  Verbindung  cojva-.  xxa.  mit  ÖiSjxcOäxz;  singuläi', 
cjvvet'ij.czv-a;  aber  singulär  und  unbeliolten.  Ob  die  Aufzeichnung 
am  Schhiöse  des  Decretes  verordnet  war  oder  nicht,  lässt  sich 
nicht  sagen.  Auf  die  Nichtbezeichnung  der  prytanircnden  Phyle 
in  240  und  401  und  ihre  Bedeutung  wurde  bereits  früher  auf- 
merksam gemacht  (S.  572). 

Ist  die  nicht  ofticielle  Aufzeichnung  dieser  Decrete  dem- 
nach höchst  wahrscheinlich,  so  steht  sie  bei  zwei  anderen  mit 
gleich  defecten  Protokollen 

481  {akhif")  und  482,  1  {ad'hgit'f) 
durch  den  Wortlaut  der  Urkunden  selbst  fest,  indem  der  Rath 
beschliesst  481  Z.  41  {i'z\-/.t'/M^f,o^y.'.  toT;  ssr^ßo'.;)  Iv.  Zi  y,y.\  ^T^ca». 
cty;/.y;v  'iyzjcTt  -ric  sajTwv  ovijxaTa  y.al  ta  TCcpl  tojtwv  'iTfOi^hOL-za.  (dies 
bezieht  sich  auf  das  erste  und  zweite  Decret)  und  Z.  '6Q  (e;£lvat) 
ävavpä'J/at  8s  tccs  tb  '}r,9i7[j.a  p.exä  twv  «aXcov  v.-  ty;v  auTY;v  aT'»}XY;v 
(das  bezieht  sich  auf  das  dritte  Decret),  und  so  auch  482  nicht 
ein  Beamter  mit  der  Obsorge  der  Aufzeichnung  betraut  wird. 
Wie  auf  älteren  Inschriften  der  Namen  des  Rathsschreibers  an 
der  iSpitze  steht  und  dieselben  dadurch  als  öffentliche  Stiftungen 
bezeugt  werden,  so  steht  hier  als  derjenige,  der  die  Inschrift  ver- 
anlasst und  die  Kosten  getragen  hat:  -öjc.c  -waiso;;  Dy;f)iV  ü-sp  twv 
[cuvssY-ßojjv  äv£Ör,y.£v.  Ferner  sind  dieselben  und  ausser  ihnen  nur 
487  einzig  in  ihrer  Art,  indem  sie  Decrete  enthalten  —  auf 
der  ersten  Inschrift  ist  das  zweite  und  dritte,  auf  der  zweiten 
das  dritte  von  dieser  Beschaffenheit  — ,  welche  der  Protokolle 
gänzlich  bis  auf  den  Namen  des  Antragstellers,  der  doch  sonst 
wenigstens  solchen  an  zweiter,  dritter  oder  vierter  Stelle  stehen- 
den Ephebendecroteu  vorgesetzt  zu  werden  pflegt,  entbehren. 
Aber  wenn  man  diese  Argumente  nicht  für  genug  beweisend 
halten  sollte,  dass  mit  der  Aufschreibung  dieser  Urkunden  eine 
der  hergebrachten,  strengen  Formen  unkundige  Hand  zu  thun 
hatte,  so  müsste  wenigstens  zugegeben  werden,  dass  sie  der- 
selben entwohnt  war;  denn  es  bleibt  zu  beachten,  dass  481 
und  482  in  die  zweite  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr. 
gehören  und  was  Köhler  über  beide  bemerkt  8.  295:  scilicet  in 
hoc  titulo  et  in  titulo  482,  quem  inter  annos  41  et  30  a.  Chr. 
exaratum  esse  ojiortef,  vestigia  quaedam  depiehendere  licet  siatus 
verum  piiblicarum.  a  temporihus  antlqidorihns  diversi.  In  ntroqne 
titulo  rosmetne  et  ephebis   honoies    dectrnunttir  )ion  iam   a  sin(tti( 


576  Hartel. 

et  popnlo,  sed  a  senatu  solo;  in  ntroque  pronuntiatwnes  coro- 
narum  non  iam  pnietoribus  demandantur  et  quaestori  aerarii  mili- 
taris,  sed  praetori  et  praeconi  senatus  Äreopagitarum.  In  titulo 
481  praetevi^a  nomen  tgu  stcI  xä  ÖTiXa  sTpaTr,YOj  cum  nomine  archon- 
tis  pi-aescriptnm  est,  idem  magistratus  rogationes  de  coUaudandis 
ephehis  et  cosmeta  tiderat,  worauf  im  Laufe  dieser  Untersuchungen 
noch  öfter  zu  verweisen  sein  wird.  Dieselben  werden  aber 
auch  ausser  Frage  stellen,  dass  die  uns  erhaltenen  Epheben- 
Inschriften  sämmtlich  nicht  als  streng  officielle  Aufzeichnungen 
zu  betrachten  sind. 

Ohne  Bedenken  sehe  ich  ein  privates  Denkmal  in  der 
von  Kumanudis  im  'Ä6'/;va'.ov  V  522  publicirten  Inschrift  aus  dem 
Archontat  des  Hagnotheos,  aus  welchem  auch  nr.  458  herrührt, 
dessen  Zeit  in  die  Mitte  oder  das  letzte  Drittel  des  2.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  fällt,  wofür  ich  auf  Köhler  zu  nr.  458  verweise. 
Wenn  der  gelehrte  Herausgeber  mit  Berufung  auf  den  Schrift- 
charakter das  Decret  einer  früheren  Zeit  zuweist,  kann  ich  nicht 
widersprechen ;  wenn  er  aber  weiter  meint,  dass  die  Erwähnung 
eines  Psephisma  des  bekannten  Stratokies  in  Z.  21  dies  fordere^ 
so  halte  ich  es  nicht  nur  für  möglich,  sondern  für  höchst  wahr- 
scheinlich, dass  damit  nicht  auf  einen  Beschluss  zu  Gunsten  des 
in  unserer  Inschrift  geehrten  Telesias,  sondern  eines  Vorfahren 
desselben  berufen  wird.  Die  Inschrift  bietet  nun  abgesehen  von 
dem  höchst  unvollständigen  Protokoll  iahicf")  des  Auffälligen 
genug.  Sie  hat  ein  Aetoma  mit  einer  auf  den  Theseus-Mythos 
bezüglichen  Darstellung.  Unter  derselben  und  vor  dem  Text 
sind  in  ungewöhnlicher  Weise  vier  die  Summarien  der  nachfol- 
genden Decrete,  deren  erstes  und  das  nur  zum  Theil  übrig  ist, 
enthaltende  Kränze  ausgemeisselt.  Der  dritte  und  vierte  bezieht 
sich  auf  Auszeichnungen,  welche  h  l%\j.oq  h  Tpour^vitov  dem  Telesias 
verliehen  hatte.  Wir  haben  es  also  mit  einer  wahren  Orden- 
niederlage zu  thun,  für  deren  Errichtung  und  Ausstattung  weder 
im  Ganzen  noch  im  Detail  die  athenische  Kanzlei  verantwortlich 
gemacht  werden  kann.  Das  Denkmal  hat  ohne  Zweifel  Telesias 
auf  seine  Kosten  errichten  und  in  dem  Heiligthum,  dessen  Priester 
er  war  (y;  ßouAy;  y.al  h  o^[jloc  Ispsa  vsvdixevov  liest  man  im  ersten 
Kranz),  aufstellen  lassen. 

In  späte  Zeit  (1.  Jahrhundert  v.  Chr.)  gehört  auch  477'' 
(ad' hgicf"),    die  Belobung  des  Asklepios-Priesters  Protagoras 


Stadien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  Ö7  l 

enthaltend  ;  auch  wird  die  Aufzeichnung  und  Aufstellung  im 
Heiligthum  des  Gottes  zwar  verordnet,  aber  nicht  einem' 
öffentlichen  Beamten  übertragen.  Der  TaiMÄC  twv  cxpaTtio- 
T'.y.wv,  auf  welchen  die  Kosten  angewiesen  werden,  hat  damit  nichts 
weiter  zu  thun.  Es  heisst  Z.  20:  avaYpx'}«'.  Ik  to  'W,5'.a[j.a  av  cti^ay) 
Aiövvr;  7.x.  aTr;'ai  iv  tw  toj  A5/,Ar,7i'.ou  '.spw,  "cbv  es  Tajj.(av  -wv  cxpaTuo- 
Tiy.wv  [Acpi^at  TÖ  Y£vc;.;.£vov  ävaAio[j,a  eic  r);v  äva^pa^-i^v  r?,;  cr/jAr,;.  Die 
ungeübte  oder  unkundige  Hand  des  Aufschreibers  verräth  sich 
aber  noch  durch  einen  anderen  Defect.  Es  fehlt  das  Pi'äsi- 
dium.  Das  fehlt,  wie  bemerkt,  sonst  noch  in  einem  Raths- 
decret  8  und  zwei  Volksbeschlüssen  49  und  75.  In  späteren 
Urkunden  ist  dies  nur  einmal  323  der  Fall. 

Privaten  Charakters,  sind  M'ie  bereits  Köhler  erkannte 
(Hermes  V  351  ff.),  weiter  die  beiden  wohl  erhaltenen  Decrete 
168,  1  und  2,  deren  mangelhafte  Präscripten  ad't'cf"  für  jene 
Zeit  —  die  Inschrift  gehört  in  Ol.  111,  4  =  333/2  —  höchst 
befremdend  wären.  Auch  enthalten  sie  keine  Verfügung  über 
die  Aufstellung.  Die  Inschrift  ist  im  Piraeus  gefunden  worden 
und  sie  war  wohl  von  den  kitischen  Kaufleuten  im  Heilig- 
thume  der  Aphrodite  aufgestellt  worden,  dessen  Gründung  damit 
genehmigt  worden  war.  Wir  werden  später  sehen,  dass  bei  der 
Aufzeichnung  des  ersten  Decretes  ein  grober  staatsrechtlicher 
Irrthum  sich  eingeschlichen  hat,  der  mit  nicht  minderer  Sicher- 
heit darauf  führt,  dass  der  Rathsschreiber  mit  der  Aufzeichnung 
und  Aufstellung  beider  Decrete  nichts  zu  thun  hatte.  Das  Fehlen 
seiner  Unterschrift  wird  mithin  nichts  weniger  als  zufällig  sein. 

Gegen  diese  Auffassung  aber  lässt  sich  nicht  ohne  den 
Schein  vollster  Berechtigung  einwenden,  dass  in  einem  Falle,  wo 
die  private  Aufschreibung  einer  Urkunde  keinem  Zweifel  unter- 
liegt (nr.  403),  worüber  später  noch  genauer  zu  handeln  sein 
wird,  der  Schreiber  nicht  fehlt  und  in  Fällen,  wo  die  Auf- 
schreibung nicht  vom  Rathsschreiber,  sondern  einem  anderen 
Beamten,  dem  ava^passjc,  besorgt  worden  sein  muss,  welchem 
sie  ausdrücklich  227.  228.  229.  'AÖova-.sv  VI  133  übertragen  wird, 
dieser  avavpassj;  in  den  Präscripten  genannt,  aber  daneben  doch 
der  Schreiber  nicht  übergangen  wurde,  nämlich  in  der  von  Kuma- 
nudis  im  'Afty-vaisv  VI  158  publicirten,  in  die  zweite  Prytanie 
des  Jahres  Ol.  115,  1  =  320/19  v.  Chr.  gehörigen  Inschrift, 
deren    erste  Zeilen   lauten :    ^\vaYp2^e'jc  Wpyir.v.o:  Nojy.piTij  A?.;;.-- 


578  Hartel. 

t[pc'J]c  I  'E-l  NsxiyjJiS'J  xpyo^noq  i7:\  zr;c  'Epv/ßr,\i'ioq  oeuTspac  ::puTa- 
veiac,  V.  Qr,pa.iJ.vrr,z  K'^sisisjc  i7pa;/i;.äTcj£  /.ta.,  und  in  nr.  191  aus 
demselben  Jahre,  deren  erste  Zeilen  sich  nun  so  mit  Sicherheit 
ergänzen  lassen:  191  'Ava^passbc  'A[pxev'.7.cc  N5]jy.p[{T  c]'j  Aa\).r.-ps.\jq. 
['EtcI  Nsa'jyjxGU  ä'p/[c|v]Toc  £7:1  xf,q  ''Av\-:<.oy]izoq  7:£|j,-T[r, ;  Tijp'jTavsiac, 
^[i  NtJy.io'/jiJ.or  'Ava[9]|AÜ[c]Tio;  £Ypa[;x[ji,äT]£'jc[vJ  xta.  ;  denn  192  ist 
in  dem  zerstörten  Protokoll  ausser  demselben  ävaYpa^£jc  nur  a 
und  d'  noch  zu  errathen,  und  auch  nicht  mehr  von  den  Prä- 
scripten   auf   226    ('Ezl    ävaYpa[9£w; •     ItiI    A'::]oAAooa)p[oj 

apycvTc;  i-zl  x-^?  —  i'oci;  csJxaTr,;  7:p[jTav£(a(;  -  -)  erkennbar.  Dass 
der  ävTivpa^sjc  in  408  mit  dem  ava^pac-sü;  nichts  zu  thun  habe 
und  nur  die  unrichtige  Ergänzung  avxiYp]a5£a  in  229  ihn  mit 
der  Errichtung  der  Stele  beauftragt  erscheinen  Hess  (vgl.  Köhler 
im  Hermes  V  342),  braucht  kaum  bemerkt  zu  werden,  wenn  wir 
auch  über  den  ävaYpa^Ej;  nichts  weiter  wissen,  als  dass  ihm  die 
Anfschreibung  der  Urkunden  oblag  —  so  heisst  es  190  in  der 
Motivirung  der  dem  avaypJ'Y-"'?  Kallikratides  des  Kallikratides 
Sohn  dem  Steirier  decretirten  Auszeichnung  i7:v.ir,  b  äva^pa^sl»? 
KaAA'.y.pÄTi^r;;  y.aAöc  y.a't  o-.y.atwc  h:\\j.t\).tKr{r:a.'.  r?;;  avavpasv-c  TWYYpaix- 
[xaxwv  y,al  al  TcpuTaveÜxi  a'jxbv  £(jx£ifava)y.aGt  y.xA.  —  und  dass  er  nur 
wenige  Jahre  (Ol.  115,  \.  2  =  320—18)  fungirt  haben  dürfte. 
Man  scheint  zu  derselben  Zeit,  als  mit  dem  Präsidium  der  Ver- 
sammlungen eine  Veränderung  vor  sich  ging,  worauf  uns  die, 
wie  S.  555  dargelegt  wurde,  von  da  ab  regelmässige  Erwähnung 
der  aufjL'TrpösBpo'.  führt,  einen  neuen  jährigen  Beamten  des  Rathes 
creirt  zu  haben,  der  einen  Theil  der  Geschäfte  des  damals  neben 
dem  jährigen  Rathsschreiber  fungirenden  Prytanienschreibers 
übernahm  5  denn  wir  fanden  in  verschiedenen  Prytanieen  des 
Jahres  Ol.  115,  1  denselben  äva^paoEj;;,  während  wie  auf  den  Ur- 
kunden vor  363  V.  Gh.  die  Schreiber  wechselten  (S.  570),  ferner  ist 
das  obige  Decret  des  Kallikratides  vom  letzten  Tage  des  Jahres 
datirt  (^Ly.'.pccop'.cüvo;  £vy)  y.al  via,  x£xapx£'.  y.ai  xpiaxo^xt)  x^;;  Trp'jxavcia;) 
und  auf  die  erfolgte  Belobung  der  Prytanieen  dieses  Jahres 
wird  berufen.  Seine  Wirksamkeit  war  von  kurzer  Dauer;  denn 
nirgends  findet  sich  sonst  eine  Spur  desselben  als  auf  299'', 
welche  wohl  in  derselben  Zeit  aufgezeichnet  sein  dürfte.  Das 
Präscript  dieser  Inschrift  {ad' hgi^"  -)  zeigt  aber,  dass  hier 
der  ävaYpa^cjq  den  Ypa|ji[xax£'j;  verdrängte :  ['£-•.  -  ijoowpou  apyovxo; 
0£6xi[pov,    ava7pa]^£'a)c    ot    'K-'.xo'jpc'j    xoO    c(c'j  ,    £~l    x^^ 


Studinn  über  attiscbps  Staatsrecht  und  UrlcutiflcnwpsPn.  I.  o79 

IIj;vi'.c[v(c:c  iy^vr,z  ~p]'jTT/v.xc  •  Mo'jvjy'.wv[cc  y.TA.  Nur  war  es  niclit 
der  jcährige  Rathsschreiber,  sondern  sein  anderer  College,  6  Ypaij.- 
[xxts'jc  6  y.aTa  zpjTjivi'av.  der  hier  vom  ava^passj;  verdrängt  wurde 
und  in  den  beiden  anderen  Inschriften  ('AOr^vatov  VI  158  und 
nr.  191)  neben  ihm  seinen  Platz  behauptet.  Diesen  Schreiber 
zu  nennen  hielt  man  einmal  für  überflüssig,  weil  er  es  nicht 
war,  von  dem  die  Aufzeichnung  des  Decretes  ausging,  ein  an- 
deres Mal  geschah  es  in  sehr  bezeichnender  Weise  so,  dass  man 
ihm  nicht  die  beiden  üblichen  Attribute,  sondern  nur  das  eine 
derselben,  das  Demotikon,  gönnte.  Dass  also  in  der  Inschrift 
299''  der  Schreiber  fehlt,  ist  begreiflich ;  dass  die  beiden  anderen 
und  403,  die  nicht  von  Staatswegen  gesetzt  wurde,  ihn  dennoch 
in  ihren  Protokollen  führen,  weder  unerklärlich  noch  der  vor- 
getragenen Ansicht  von  der  Bedeutung  dieses  Bestandtheiles  der 
Präscripte  widersprechend ;  denn  es  begreift  sich  leicht,  dass 
der  avavpacs'jc  oder  ein  privater  Concipist,  wenn  er  nur  in  der  Lage 
war,  seine  Decrete  mit  der  herrschenden  Norm  in  Einklang  zu 
bringen  suchte  und  den  Schreiber  beifügte;  aber  es  ist  kaum  anzu- 
nehmen, dass  die  Rathsschreiber  in  den  von  ihnen  ausgefertigten, 
für  die  Publication  bestimmten  Decreten  so  häutig  die  legalisi- 
rende  Beisetzung  ihrer  Namen  sollten  vernachlässigt  haben.  Der 
Namen  des  Schreibers  verbürgt  also  noch  nicht  mit  voller  Sicher 
heit,  dass  die  öffentliche  Aufstellung  und  Aufschreibung  eines 
Psephisma  beschlossen  wurde  und  von  Staatswegen  erfolgte ;  wohl 
aber  lässt  sein  Fehlen  nicht  leicht  zweifeln,  dass  er,  während 
dessen  Amtirung  ein  Beschluss  fertig  wurde,  mit  der  Aufzeich- 
nung nichts  zu  thun  hatte,  dass  dieselbe,  wenn  sie  nicht  dem 
Schi-eiber  einer  anderen  Prytanie  oder  eines  anderen  Jahres  von 
Staatswegen  übertragen  war,  auf  privatem  Wege  geschah.  Der 
Umstand  abei-,  dass  jener  ,Aufschreiber'  von  ephemerer  Dauer 
und  doch  wohl  untergeordneter  Stellung  mit  vollem  Titel  an  der 
Spitze  vor  oder  neben  dem  Archon  figuriren  durfte,  kann  be- 
weisen, dass  wir  den  Schreiber  an  der  Spitze  der  älteren 
Decrete  richtig  nicht  als  ein  Stück  des  Datums,  sondern  als 
Vollstrecker  des  staatlichen  Willens  gedeutet  haben.  In  dem  jün- 
geren Formular  änderte  sich  in  den  Präscripten  seine  Stelle, 
aber  nicht  seine  Bedeutung. 

Wer   wird    nach    diesen    Erfahrungen    und  Betrachtungen 
noch  zweifeln  wollen,   dass  das  Fehlen  des  Schreibers  in    l'db" 


580  Hartel. 

{ad'h--\  175"  (ad'hgE'cf'X  234  {ad'hgii'f"),  237  {ad'hgit'f"), 
den  nicht  ofüciellen  (Jharakter  der  Aufzeichnung  verbürgt. 
Leider  lässt  sich  aus  dem  Text  der  Decrete,  der  nicht  erhalten 
ist,  kein  Argument  dafür  gewinnen.  Wohl  aber  fehlt  es  an  ande- 
ren Indicien  nicht.  Auf  dem  Ehrendenkmal  175**,  das  sich  wohl 
Tr;ßojX2c  I,8J6o'j  üb;  Körjcc  auf  seine  Kosten  setzen  liess,  wie 
Lachares  für  ein  ähnlich  ausgeschmücktes  Denkmal  die  Kosten 
der  Herstellung  nach  nr.  70  Z,  18  zu  tragen  hatte,  {Lapis 
ornahis  fuit  anaglypho,  cnius  nunc  pars  inferior  superest.  A  dextra 
conspicitur  Minerva,  ad  hanc  accedit  vir  pateram  tenens^  pone 
virum  repraesentati  fuisse  videntur  duo  eqiii  Köhler),  war  die  In- 
schrift wenn  nicht  Nebensache  ohne  Zweifel  von  jenem  besorgt 
worden,  dem  die  Herstellung  des  Denkmals  übertragen  worden 
war.  In  234  aber  und  237  fehlt  ein  anderer  wichtiger  Bestand- 
theil  der  Protokolle,  die  Sanctionirungsformel  (c).  In  234  befrem- 
den weiter  zwei  in  diesen  Texten  sehr  seltene  Abkürzungen 
Z.  8  'ApisToy-parr,;  ApiJTOcrjjxou  Otv.  xal  cujXTrposopo'.uud  Z.  10  0pa<7- 
uxAyjc  Na'jaiy.paTOj;  Öpiac..  sTttsv.  Wenigstens  lassen  sich  für  die- 
selben nur  wenige  Belege  aus  attischen  Psephismen  beibringen 
und  es  verlohnt  die  Mühe,  hier  auf  die  Sache  näher  einzugehen. 
Wir  finden  mehrere  Abkürzungen  der  Art  in  einer  Inschrift 
gleich  suspecten  Charakters,  von  der  wir  bei  dieser  Besprechung 
ausgingen  230,  und  einer  zweiten,  die  sich  durch  ihre  Unsoi-gfalt 
auszeichnet,  431.  In  230  lesen  wir  Frg.  a  Z.  5  Aavtt.  für  Aa/.- 
•A.iaBr,c,  K'jsa.  für  Kjcaövjvatsjc,  welches  Demotikon  Frg.  h  Z.  11 
mit  doppelter  Endung  ausgeschrieben  steht  KuBaör^vateueuc;  ferner 
wird,  wie  ich  früher  (S.  573)  vermuthete,  Frg.  a.  Z.  1  das  ab- 
gekürzte Demotikon  des  Schreibers  gestanden  haben.  In  431 
Z.  2  wird  ergänzt  Kuoa]6[-^va'..  t(psLiJ.ij.x]xz<jEv  und  Z.  28  Kj[5a]9v;v. 
£Ypa(jL[j.a-c£jsv  überliefert.  Es  ist  dieselbe  Inschrift,  welche  in  den 
Präscripten  des  zweiten  Decretes  -/.at  aufj-zpcEopot  Z.  32  ausliess 
(s.  oben  S.  556)  und  Z.  34  den  Antragsteller  mit  dem  blossen 
Vaternamen  ohne  Demotikon  nannte  (s.  S.  553);  titulus  satis 
negligenter  incisus  et  litterarum  mumerns  in  singulis  versibns  valde 
diversus  ßiif  bemerkt  Köhler.  Eine  gleiche  Abkürzung  des 
Demotikons  gestattete  sich  auch  einmal  eine  sonst  correcte  In- 
schrift, nr.  62  Z.  6  [AiöJti[[j,]o;  Oivat.-  Bocs  vf\  ßcu[X^]  y.al  tw  BY^[iji,a)], 
aber  wie  es  scheint  um  ein  Versehen  gut  zu  machen;  denn 
Köhler  bemerkt:  titulus  aiov/ji^h'/  disjpositus  praeter  versum  6  qui 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  Ool 

Iitteris  minus  diductis  exarntus  est.  Es  war  nämlich  für  die  be- 
treffende Zeile  die  Sanctionirmigsforniel  BoSs  tm  or,\i.i>}  vom  Stein- 
schreiber in  Aussicht  genommen,  wodurch  dieselbe  auf  27  Stellen, 
den  anderen  Zeilen  entsprechend,  gekommen  wäre.  Die  Ein- 
setzung der  längeren  Formel  ISo^s  tt,  ßo'jAf,  y.at  -ro)  3r,[Ji.(i)  brachte 
ihr  um  12  Stellen  mehr,  für  die  zum  Theil  duich  gedrängtere 
Schrift  und  die  ungewöhnliche  Abkürzung  ü'.va'..  Platz  geschaffen 
wurde.  Ein  anderes  Beispiel  bietet  nr.  193,  Z.  4,  wo  Köhler 
ergänzte  \r,iJ.ior,c  \-t][iJ.io'j  Ilaiav.]  sItcsv  ;  Böckh  CIG.  I  nr.  96  hatte 
edirt  \r,'^.y.or,z  AY;[ixäBou  Aaxi.]  si-jisv^  ex  more  eins  aetatis  wie  er 
bemerkt  decurtnto  denii  nomine,  etenim  etsi  non  par  uhivis  litte- 
rarnm  numerics  est,  nee  cTO'.y^r,csv  scnptnm  hoc  decretum  videtur, 
tarnen  plenwn  nonien  AAKIAAH^  nimis  longiim  est.  Den  Irrthum 
über  die  Zugehörigkeit  dieser  Familie  zum  Gau  der  Lakiaden 
berichtigte  Böckh  selbst  in  den  Ui-k.  üb.  d.  Seewesen  S.  234. 
Dass  das  Demotikon  llaiavtsjc  in  der  That  nicht  ausgeschrieben 
war,  wird  demnach  nicht  zu  bezweifeln  sein.  Leider  ist  uns 
von  dem  Ehrendecret  des  Eurjlochos  und  Akesander  nicht  so 
viel  erhalten,  um  sagen  zu  können,  ob  es  von  Staatswegen  aus- 
gefertigt und  aufgestellt  worden  war  oder  ob  der  Stein  wie 
andere  zahlreiche  Proxeniedecrete,  zu  welcher  Gattung  er 
gehören  dürfte ,  nur  eine  private  Abschrift  des  Beschlusses 
enthielt.  Letzteres  wird  durch  den  Mangel  eines  wichtigen  Be- 
standtheiles  des  Protokolles,  der  Sanctionirungsformel  (c),  wahr- 
scheinlich. 

Ihre  eigentliche  Stelle  innerhalb  der  Psephismen -Texte 
haben  die  Abkürzungen  zunächst  der  Demotika  in  Personen- 
verzeichnissen, wie  von  Gesandten,  Eidabnehmern,  Steuer- 
trägern, Triei'archen  u.  dgl.  m.,  indem  das  Individuum  nicht 
durch  die  Zufügung  des  Vaternamens,  sondern  des  demotischen 
als  völlig  bezeichnet  galt  und  dieser  trotz  starker  Abkürzung 
hinreichend  erkennbar  blieb.  So  finden  wir  in  dem  Verzeichniss 
der  Eidabnehmer  nr.  64,  welche  Inschrift  von  Köhler  in  den 
Mittheil.  d.  d.  arch.  Inst.  II  209  ff.  durch  einen  neuen  Fund 
ergänzt  und  von  Foucart  Revue  ardieol.  1878  S.  228  in  einigen 
dieses  Verzeichniss  betreffenden  Punkten  berichtigt  und  erklärt 

wurde,  Mdvwv  floTa  *   tl>'.A07_ap-^c  'Pa[j."   [ 1  '  |    E\r,y.zQv.c,r^z  WspiV.'.. 

neben  Ais/.X^?  'AAwzey.-^Osv  zum  Schluss;  in  einem  gleichen   Ver- 
zeichniss nr.  14''  Z.  14  [.  .  .  .]-/.ay;;  'Ep/t.,   15    [ a]pr,:   Wxrx. ;   in 


582  llartel. 

einem  Verzeiclmiss  der  Steuerträs^er  nr.  334  'Ep/i.  ^V.py.t.  l\.r,o'.c. 
Kr/y.G'..  Wptaai.  TstOpx.  'A<pio.  Eipsc.  u.  a. ;  daneben  aber  auch  schon 
Frg.  d  col.  2  Z.  10  ^(ocjißio;  IcoTz,  col.  1  Z.  29  Auxo^v  oiXccc. 
Allerdings  kann  es  bei  diesem  Decret  frag-lich  sein,  ob  wir  die 
()ri!2;inahirkunde  vor  uns  haben  oder  eine  Abschrift,  welche  der 
an  dei'  Spitze  stehende  Ta|j,{a;  (7TpaTiwTty.(7Jv  K'jp'jy.As(or,c  M'.y.iwvo; 
Kriaicjiz'jq  sich  besorgte.  Endlich  liefern  die  Ephebenverzeich- 
nisse,  allerdings  nicht  alle,  Belege,  wie  nr.  324.  330.  338.  340. 
467  (vgl.  hingegen  nr.  465.  470.  481.  482). 

Weiter  finden  sich  die  gekürzten  Demotika  in  den  Prä- 
scripten der  Schatzmeisterurkunden,  wofür  es  genügen  mag  auf 
Kirchhoff  Ueber  die  Uebergahurkimde  der  Schatzmeister  der  Athene 
vom  Jahre  OL  10.9,  1  (Abh.  d.  Berl.  Akad.  1868  S.  3  und 
besonders  den  Anhang  vS.  24)  zu  verweisen. 

Am  zahlreichsten  erscheinen,  um  von  kleineren  Aufschriften 
zu  praktischen  Zwecken  abzusehen,  die  Abbreviaturen  in  den 
Urkunden  über  das  Seewesen  des  attischen  Staates,  welche  zu 
der  Exactheit  attischer  Psephismen  einen  scharfen  Gegensatz 
bilden,  und  sie  stehen  hier  mit  der  Nachlässigkeit,  Flüchtigkeit, 
Unerfahrenheit,  welche  die  Aufschreiber  derselben  auszeichnet, 
in  einem  durchaus  entsprechenden  Verhältniss  (vgl.  Böckh  Ur- 
kunden üb.  d.  Seewesen  Cap.  II  bes.  S.  15  und  den  aus  diesen 
Urkunden  zumeist  schöpfenden  Index  siglorum  ex  netate  ante 
dominationem  Eomanam.  S.  354  ff.  in  Franz's  Elementa  epigra- 
phices  graecae).  Aber  dieselben  beschränken  sich  nicht  mehr 
auf  die  Demotika,  sondern  treten  bei  allen  häufiger  vorkom- 
menden Worten,  namentlich  technischer  Art  auf.  So  lesen  wir 
Urk,  II  Z.  39  Tpiv^.  41  xpiYjpap.,  (womit  sich  CIA.  I  nr.  447 
col.  1  *J>(»)y.(ü)v  xpt-^.  col.  3  nuBoGwpot;  (püXapy.  vergleichen  lässt), 
und  allenthalben  9pav{(TiO£(;),  9aXa[jL({ai),  a36xt([j,oc\  6pt'äv^($£CToi)  und 
anderes  der  Art.  Dass  die  gekürzten  Demotika  von  da  aus  in 
die  diesen  Urkunden  als  Beilagen  einverleibten  Psephismen 
Eingang  gefunden,  wie  Urk.  XVI  Z.  104  ff.  nGA6£uy,Toc  KaXAi- 
y.paTOu;  'Eaxtato*  105  ^oy-KOMOoq  toj  ^[j,'.y.'jöo'j  KuSaOr;,,  kann  nicht 
wundern.  Reiche  Belege  ähnlicher  Abkürzungen  bieten  endlich 
die  von  Professor  Kumanudis  im  'Aöy^vatov  VI  476  ff.  publicirten 
Inschriften,  wie  N£oxToA(e;xou),  tl>iXY^([j,ovo^),  [Io!j£i(3i'r7:o!j),  0£TT(äAoD). 
Dieselben  sind  von  Köhler  in  den  Mitth.  d.  arch  Inst.  III  103  ff. 
einer  eingehenden  Untersuchung  untei'zogen  und  die  ganze  Masse 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Ürkundenwesen.  I.  583 

dieser  Aktenstücke  in  zwei  Gruppen  zerlegt  worden ;  die  erste 
enthält  Listen  der  Sieger  an  den  grossen  Dionysien,  die  auf  der 
Burg  aufgestellt  waren.  ,Von  den  erhaltenen  Aufzeichnungen 
ist  keine  älter  als  das  4.  Jahrhundert.  Erst  als  die  Blüthe  der 
dionysischen  E'estfeiern  der  Vergangenheit  angehörte,  fühlte  man 
das  Bedürfniss  bleibende  Denkmäler  jener  Agonen  aufzurichten, 
welche  einst  die  lebhafteste  Theilnahme  von  ganz  Hellas  begleitet 
hatte.  Daran  dass  die  Aufstellung  von  Staatswegen  erfolgt 
sei,  sehe  ich  keinen  Grund  zu  zweifeln,  wenn  auch  die  Mög- 
lichkeit zugegeben  werden  muss,  dass  ein  reicher  Privater 
einmal  auf  seine  Kosten  einen  solchen  Stein  aufstellen  Hess' 
(S.  111).  Ganz  anderer  Art  ist  die  andere  Gruppe  inschrift- 
licher Denkmäler,  , welche  nach  Jahren  geordnete  Listen  der 
im  dionysischen  Theater  vorgekommenen  dramatischen  Auf- 
führungen, mit  griechischem  Ausdruck  also  Didaskalieen  ent- 
hielten. Den  bekannten  Fundstellen  nach  zu  schliessen  waren 
diese  Denkmäler  in  dem  Bezirk  des  Dionysos,  zu  welchem  das 
Theater  gehörte,  aufgestellt'  (S.  112).  Auf  diesen  Lischriften 
nun  finden  sich  die  bezeichneten  Abkürzungen,  so  wie  zahl- 
reiche andere  mehr   technischer  Art,    wie  t.ckt,  =  zciTjTai,   jtto  = 

'JTiCy.p'.r^^,    •J'TTS   =   GxSXpi'vSTS,    CaiUp'.  =   GXVJpr/M^    OcU   r=   0£UT£pC;,    Tp;   = 

TpiTo;,  welche  nicht  minder  wie  die  Notirung  des  Ausfalls  dra- 
matischer Aufführungen  diese  Steine  als  Reste  des  Theater- 
archivs oder  der  Theaterchronik  erscheinen  lassen,  deren  Auf- 
zeichnung der  Vorstand  des  Tempelbezirkes  mit  einer  von  der 
peinlichen  Strenge  und  Sorgfalt,  welche  alle  Staatsurkunden 
auszeichnet,  abweichenden  Lässigkeit  gemacht  haben  wird. 

Ich  kehre  nach  diesem  Excurs  zu  den  Inschriften  zurück, 
welche  dazu  Veranlassung  gaben ,  indem  ich  wahrscheinlich 
gemacht  zu  haben  meine,  dass  die  Abkürzungen  auf  der  durch 
das  Fehlen  des  Rathsschreibers  ausgezeichneten  Inschrift  234 
auf  eine  andere  Hand  als  die  seinige  führen,  dass  ihre  Auf- 
zeichnung nicht  durch  ein  Organ  der  Staatskanzlei  erfolgte  oder 
controlirt  wurde.  Und  dasselbe  wird  von  der  Inschi-ift  230  zu 
gelten  haben,  welche  uns  überdies  durch  die  ganz  abweichende 
Stellung  des  Schreibers  in  den  Präscripten  des  zweiten  Decretes 
nicht  minder  als  den  muthmasslichen  Abgang  der  Sanctionirungs- 
formel  (c)  befremdete  (hf/h"  ief").  Auf  derselben  kommen  aber 
noch  andere  ludicien  hinzu,  die  an  dem  privaten  Charakter  ihrer 

Sitzungsber.  d.  plill.-bist.  Cl.  XC.  IUI.  HI.  Ilft.  38 


584 


H;irtel. 


Aufzeichnung  keinen  Zweifel  übrig  lassen.  Auch  sie  ist  mit  einer 
bildlichen  Darstellung-,  deren  Herstellung-  wohl  weder  in  einem 
andern  Falle  noch  in  diesem  der  Staat  auf  sich  nahm,  geschmückt, 
von  der  Reste  erhalten  sind.  Vor  derselben  müssen,  wie  Köhler 
richtig  sah,  der  Archon  und  die  Prytanie  des  ersten  Decretes 
ihre  Stelle  gehabt  haben.  Das  zweite,  wie  S.  572  gezeigt  wurde, 
einem  andern  Jahre  angehörige  Decret  ermangelt  aber  der  Dati- 
rung  gänzlich.  Wie  schwer  dieser  Defect  wiegt,  konnte  die  oben 
(S.  566)  gegebene  Zusammenstellung  zweiter  Decrete  mit  ge- 
kürzten Protokollen  zeigen,  welche,  wenn  nicht  aus  demselben 
Jahre  wie  das  erste  Decret  herrührend,  den  Archonten  nicht 
fahren  lassen,  wie  ja  das  auch  durchaus  begreiflich  ist.  Endlich 
ist  zwischen  das  erste  und  zweite  Decret  eine  Bestimmung  mit 
kleineren  Lettern  eingezwängt,  welche  sich  auf  die  im  ersten 
Decret  ausgesprochene  Bürgerrechtsverleihung  bezieht  -  -]  v  spa- 
xpiixq  Ycvecöat  TrAp^Jv  -  -,  von  der  Art  wie  397  in  den  bezüglichen 
Antrag  selbst  aufgenommen  wurde,  deren  Sinn  sich  durch  115'', 
Z.  20  -;pä'l)xabai  oe  autbv  or,iJ.o'j  7.y.['.  |  o'jjXrjc  '/.a\  tspxxpiocz,  r,c  av  ßo6A-/;T[a  t 
wv  ot  vc[xo'.  Xevo'jff'.v  erschliesst.  Augenscheinlich  ist  sie  durch 
Amendement  hinzugekommen,  für  die  Amendementsclausel  aber 
hat  die  Zeile  unmöglich  Platz,  so  dass  man  auch  dadurch  an 
einen  Flüchtigkeitsfehler  und  seine  nachträgliche  theilweise  Ver- 
besserung zu  denken  sich  bemüssigt  fühlt. 

Ich  bin  weit  entfernt  den  Rathsschreiber  oder  die  unter 
seiner  Controle  arbeit^enden  Organe  für  unfehlbar  und  es  für 
unmöglich  zu  halten,  dass  nicht  auch  das  eine  oder  andere 
Mal  ein  defectes  Protokoll  aus  ihrer  Kanzlei  hervorging.  Aber 
die  Concurrenz  von  Defecten  und  Umständen,  wie  sie  bei 
Besprechung  der  bisherigen  Inschriften  sich  ungesucht  geltend 
machten,  enthält  eine  nicht  geringe  Beweiskraft.  Und  so  möchte 
ich  auch  nicht  Bedenken  tragen  die  Inschrift  237,  wo  neben 
dem  Schreiber  die  Sanctionirungsformel  (c)  fehlt^  in  eine  Kate- 
gorie mit  den  anderen  zu  stellen. 

Hingegen  wird  es  allein  von  der  durch  die  vorausgehende 
Untersuchung  gewonnenen  Ueberzeugung  abhangen,  ob  man  die 
Rathsschreiber  oder  die  privaten  Aufsteller  dafür  verantwortlich 
machen  will,  wenn  in  drei  Inschriften  mit  sonst  vollständigen 
Protokollen 

300  und  319  {ad' hgiz" cf"),  343  (ad'hgiz"--) 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  585 

der  Schreiber  fehlt,  zumal  in  der  ersten  ausdrücklich  ver- 
ordnet wird  avÄYpa-j/ai  es  to$£  to  'W,5i(j|j.a  tov  -^py.ij.ij.xiix  xbv  /.a-ca 
Trp'jxavsiav  sv  avr^sX,  X'.6{v£'.  y.al  cr^ca-.  ev  a-ApozcXe;.  Zu  diesem  Irr- 
thum  würde  sich  allerdings  ein  zweiter  gesellen,  wenn  Köhler 
in  dem  Summarium  richtig  \ri  ßojAv^]  6  o-Tjixo;  ergänzt  hätte, 
während,  wie  später  nachgewiesen  werden  wird,  es  correct  nur 
6  o^fAc;,  entsprechend  dem  Bo^e  tw  Sy;[jl(i)  in  dem  Protokolle,  heissen 
durfte;  doch  ist  die  Ergänzung  zweifelhaft  und  nicht  durch  die 
Symmetrie  der  Anordnung  gefordert.  Vollständig  bis  auf  b  und 
c  ist  auch  das  Ehrendecret  des  Philosophen  Zeno  bei  Diogenes 
L.  VII  10  (ad' hfjie'f")'^  doch  stammt  die  uns  überlieferte 
Abschrift  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  dem  Archiv,  aus 
dessen  Akten  die  lückenlose  Zusammenstellung  eines  Präscriptes 
nur  kundiger  Hand  glücken  mochte.  Was  aber  das  bei  Köhler 
in  folgender  Weise  hergestellte  Protokoll  der  Inschrift  120  betrifi't 

a  d'  h  gctf 
so  trage  ich  Bedenken,  in  demselben  einen  gesicherten  Beleg 
für  das  Fehlen  des  Schreibers  anzuerkennen,  indem  dieses  For- 
mular ohne  Beispiel  ist  und  namentlich  czf  für  die  Zeit  der 
Inschrift  (Ol.  110,  1  ==  340/39)  Befremden  erregt.  Unmöglich 
wäre  es  nicht  aus  den  erhaltenen  Buchstabenresten  ein  Formular 
ad' cgh' z  f"  zu  reconstruiren.  Erinnert  mag  aber  werden, 
dass  auch  eine  andere  Inschrift  dieses  Jahres  117  eine  ganz 
singulare  Form  des  Protokolles  aufweist. 

Am  schwersten  müsste  aber  derselbe  Irrthum  wiegen  und 
könnte  unsere  Ansicht  über  die  Bedeutung  der  Ueberschrift 
des  Schreibers  ernstlich  erschüttern,  wenn  es  nicht  gelänge  das 
Fehlen   des  h  in  einer  Vertragsurkunde 

332  {ad  hgW'cf") 
aufzuklären,  mit  deren  Aufschreibuns:  und  Aufstellung?  an  be- 
sonders  feierlichem  Orte  der  Schreiber  der  Prytanie  beauftragt 
wird.  Doch  lässt  die  Beschaffenheit  des  Textes,  so  scheint  es, 
an  der  Zufälligkeit  des  Defectes  keinen  Zweifel.  Hinter  ad' 
nämlich,  die  nicht  etwa  abgetrennt  und  mit  grösseren  Lettern 
voranstehen,  ist  eine  ganze  Zeile  bis  auf  neun  Stellen  frei- 
gelassen, offenbar  zur  nachträglichen  Aufnahme  von  h  bestimmt. 
Der  kundige  Steinschreiber  mag  in  diesem  Falle  erkannt  haben, 
dass  die  ihm  in  die  Hand  gegebene  Vorlage  dieser  Vervollständi- 
gung bedurfte,  um  für  legalisirt  zu  gelten,  und  Hess  genügenden 

38* 


58G  Iliirt.'l 

Raum  die  Lücke  auszufüllen.  Mit  diesen  Erwägungen  müssten 
wir  uns  zufrieden  geben,  wenn  uns  die  letzten  Zeilen  der  In- 
schrift, welche  die  Aufschreibung  verordnen,  nicht  erhalten 
wären,  die  also  lauten  Z.  42  ff. : 

y.al  avaYpa'i>a['.  aü-cr^v  xbv  vpj- 
a,a(JLaT£a  tov  /.aiä  7:p'JTavs(av  iv  sTr^Xr,  yy.'/.7,[f^  y.ol'.  cT^sat  i]- 
V  ä/.pozcXc'.  zapa  ibv  vso)  r^?  'AOr^vä;  tv-c  no[Aaoo;  •  6[j.öayA  es] 
[la]  apysTa  toT?  -irpsaijss'.  y.-rX. 

Daraus  geht  unwiderleglich  hervor,  dass  die  uns  erhaltene 
Steinschrift  mit  dem  von  Staatswegen  errichteten  Denkmal 
nichts  zu  thun  hat;  ja  wenn  man  bemerkt,  dass  für  die  be- 
schlossene, ungleich  kostspieligere  Publikation  auf  Erz  keine 
Gelder  angewiesen  werden,  könnte  sogar  der  Verdacht  rege 
werden,  dass  unsere  Abschrift  diese  Bestimmung  absichtlich 
übergangen  habe.  Ich  will  mich  nicht  in  Vermuthungen  er- 
schöpfen, wann,  zu  welchem  Zwecke  und  von  wem  unser 
Steindenkmal  gestiftet  wurde.  Sicherlich  erfolgte  die  Stiftung 
nicht  von  Staatswegen.  Sollte  unter  diesen  Umständen  das 
Fehlen  der  legalisirenden  Unterschrift  noch  zufällig  sein  und 
nicht  vielmehr  aus  gutem  Grunde  die  Absicht  des  verständigen 
Steinschreibers,  wenn  eine  solche  richtig  vermuthet  wurde, 
unerfüllt  geblieben  sein? 

Unter  besonderen  Umständen  konnte  die  Legalisirung  gar 
nicht  von  demjenigen  Schreiber,  unter  dessen  Mitwirkung  ein 
Beschluss  in  der  Ekklesie  gefasst  und  im  Archiv  niedergelegt 
worden  war,  ausgehen,  wenn  z.  B.  das  Volk  erst  später,  in 
einem  anderen  Jahr  die  Aufzeichnung  beschloss.  Ein  solcher 
Fall  liegt  uns  in 

52^  2  (acf) 

aus  Ol.  103,  1  =  368/7  vor.  In  dem  unmittelbar  vorhergehenden, 
aus  Ol.  102,  4  =  369/8  v.  Chr.  datirten  und  vollständig  protokol- 
lirten  Beschluss  (ad'h'ecf)  war  bestimmt  worden  Z.  20:  ava- 
^(py.'liy.>.  ok  7.X'.  xb  'WiV.ciJ.x  ei;  ty;v  auTr;v  Grr,\qv  ö  aTrEy.pivaTO  6  5-^;;.oc  toT; 
■TrpEsßsci  ToT;  M'jT'.A-/;va{o)v  tou  iuxt.  'kpoixa  und  zwar  ward  dies  dem 
Yp3!|j,;xaTEu;  Triq  ßcjAyj;  dieses  Jahi-es  mit  Namen  Moschos  auf- 
getragen. Das  zweite  Decret  ist  diese  Antwort  und  es  ist  unter 
diesen  Umständen  genügend  durch  das  Protokoll  des  ersten 
beglaubigt  und  seine  Präscripten  enthalten  alles  Wesentliche 
ac/,    d.    i.    das    Datum,    die    erfolgte    Sanctionirung    und    den 


Stiidieu  über  uttisches  Staatsrecht  und  Urkuiideiiwcseu.   1.  587 

üjheber  des  Autras>-s,  ohne  welclieii  ein  solclicr  g-ar  nicht  gedacht 
wei-den  kann.  Die  Hiuzug-abe  des  Mza/o:  KjcaOr,va'.£'j;  i';py.[).'^).i-:vje 
hätte  ohne  weitere  Beifüg-img  des  voijähi-igen  Sclireibers  irre 
führen  müssen;  die  Beifügung  dieses  allein  ohne  de  aber  war 
bei  der  Bedeutung-,  welche  man  mit  h  damals  zu  verbinden 
gewohnt  war,  ohne  Missverständniss  nicht  möglich,  da  er  selbst 
ja  mit  der  Ausfolgung  und  Aufschreibung  dieser  Urkunde  gar 
nichts  zu  thun  hatte,  sondern  Moschos.  Durch  das  gekürzte 
Präscript  wurde  das  zweite  Decret  so  recht  eigentlich  als  eine 
Beilage  des  ersten,  von  dem  es  auch  räumlich  durch  einige 
Zeilen  Spatium  getrennt  ist,  hingestellt. 

Auch  im  5.  Jahrhundert  v.  Chr.  unterliess  man  es  in  einem 
ähnlichen  Falle  lieber,  den  Schreiber  zu  nennen,  unter  dessen 
Prytanie  ein  Beschluss  zu  Stande  gekommen  war,  während  ein 
anderer  die  Aufschreibung  besorgte.  Denn  kaum  in  anderer 
Weise  dürfte  das  Fehlen  des  Namens  des  Schreibers  nebst 
dem  des  Archonten  in  den  Präscripten  der  Bundcsurkuude  mit 
(^halkis  aus  Perikleischer  Zeit  —  Kumanudis  setzt  sie  kurz  nach 
Ol.  83,  4  —  CIA.  I  nr.  21"  Supplem.  p.  10  zu  erklären  sein. 
Dasselbe  ist,  wie  bereits  Köhler  bemerkte  (Mittheilungon  des 
deutschen  archäologischen  Institutes  in  Athen  I  187)  und  die 
obige  Zusammenstellung  bestätigt  hat,  für  jene  Zeit  beispiellos 
und  in  einer  Urkunde  von  solcher  Bedeutung  doppelt  be- 
fremdend. Seiner  Vermuthung  aber,  dass  der  Name  auf  der 
Leiste  der  verlorenen  Reliefplatte  gestanden  habe,  vermag  ich 
nicht  beizustimmen.  Das  Präscript  also  lautet :  Birsv  -•?;[;  liJcjXfj 
y.y.\  -0)  c-<;;/(j).  W'/X'.oylc  i[T.pu-]  avcJs,  Apav.[jv]Tto-/;;  £7:3fJTaTii,  \'.ö^;Yr,TOq 
;(•::£  •  |  -/.y-'y.  -yot  [xjbv  cpy.ov  hiJ.iay.'.  'AOr,vai(.)v  TjYjv  ßo'JAY;v  7.ai  to'j? 
y:/.y.z-i.z  -/.ta.  Es  folgt  die  Eidesformel  der  Athener  und  Chal- 
kidier,  welche  bis  Z.  39  reicht.  Von  Z.  40  —  69  folgt  in 
einem  deutlich  abgetrennten  Absatz  ein  weiteres  Decret,  von 
Antikles  beantragt,  welches  sich  auf  die  äusseren  Modalitäten 
der  Eidesabnahme,  einige  andere  athenisch-chalkidische  Ange- 
legenheiten und  die  Aufschreibung  des  Beschlusses  bezieht, 
—  Z.  40  ff:  AvTi'/.Ar^c  si-s  •  avsO-^  tj/y]  ty)  'AOy;vai(ov  ■TTOisTsOa'.  -cbv  opy.ov 
'AOr,va'!;'jr  y.y.:  XaXy.ioiac  v.y.^y.'zzp  'KpcTptcDtJi  itj^rjOtGaTO  £  c-^[j.o; 
;  l\Or,va{(.}v.  ztmi  s'  xv  xix'/Kzxy.  Yr;vr,Ta'.,  iz'.txsAdcOwv  oi  CTparr^Yoi  /.tX. 
Z.  57  Tb  o£  <\-rff.Q\i.y.  Tios  y.x'.  tiv  'ipy.z-^i  avavpd'ia'.  'A6-/;vr,!Jt  \ik't  -rbv 
vpaiJ-tj-aTSÄ    T?;:     '^^zSiSr^z     iz-.r^nr^    '/jJi'.'rr,     /S.'.     7.y.-'J)ivrj.<.     Iz    tSl'.'i    /.-'/,. 


588 


Hartel. 


Daran  schliesst  sich  nach  sechs  Stellen  freien  Raum  Z.  70 — 79 
ein  Amendement  zu  dem  Antrag  des  Antikles :  'ÄpyicTpaxo;  ske  • 
Ta  ij.h  (ZA/.a  y.aOaTEp  Ävc'.y.A-^c  •  xa;  oe  euOivac  XaXy.tOcuat  xaxa  ccwv 
auxoiv  £?vat  iv  XaA/.iO'.  xaftaTrsp  'A6'r^v/;civ  'AOr^vatcr  7:/>y;v  ou^riq  '*-<^'- 
6avaxo'j  y.al  ax'.jj.ia;.  r.z^i  ce  xouxcov  £<pcctv  sTva-.  'AOYjva'Ce  sc  r/)v  rikiixlm 
xy;v  TÖiv  Oeqj.oOcXwv  y.axa  xb  'i/v^cp'.cij.a  xoij  ot^jj-o-j. 

Das  Amendement  handelt  von  der  Gerichtsbarkeit,  von 
der  aber  in  dem  uns  erhaltenen  Antrag-  des  Antikles  keine  Rede 
ist.  Davon  muss  aber  nach  der  Fassung  des  Amendements  und 
der  Analogie  zahlreicher  anderer  Zusatzanträge,  welche  später 
zusammengestellt  werden  sollen,  nothwendig  vorher  die  Rede 
gewesen  sein.  Aus  der  Verweisung  auf  das  '}y-5'.s|j,x  xij  ov-[xoj  hat 
bereits  Kumanudis  auf  den  Verlust  eines  Decretes  geschlossen. 
,Das  angezogene  Psephisma'  sagt  Köhler  S.  193  ,muss  sich  auf 
den  vorliegenden  Fall  bezogen  haben,  da  sonst  eine  nähere 
Bestimmung  nach  Zeit  oder  Inhalt  nicht  fehlen  könnte.  Danach 
war  also  den  uns  vorliegenden  Beschlüssen  ein  anderer  Volks- 
beschluss  über  die  Friedensbedingungen  vorausgegangen, 
wie  dies  auch  bereits  Professor  Kumanudis  mit  sicherem  Tacte 
aus  der  Fassung  der  Inschrift  geschlossen  hat.^  Auch  Kirchhoff 
pflichtet  bei  Stcpplem.  p.  11.  In  ähnlicher  Weise  bezieht  sich 
das  Amendement  in  CIA.  II  nr.  331  mit  den  Worten  y.xxä  xb 
Tipsxcpov  '^•q<i'.aij.a  auf  den  vorausgehenden  Hauptantrag.  Daraus 
aber  und  aus  der  Fassung  der  ersten  Zeile  des  Amendements 
geht  weiter  hervor,  dass  auch  dieser  verlorene  Antrag  Antikles 
zum  Urheber  hatte,  und  dass  darin  die  Competenz  der  athe- 
nischen Gerichte  normirt  worden  war.  Wenn  man  dies  festhält, 
ist  die  Beziehung  der  Präscripten  und  ihre  mangelhafte  Be- 
schaffenheit leicht  zu  begreifen. 

Köhler  trennt  die  Verhandlungen  über  die  Friedensbedin- 
gungen, deren  Resultat  jener  verlorene  Antrag  war,  von  der 
Verhandlung  über  die  Eidesformel,  um  die  sich  die  erhaltenen 
Beschlüsse  drehen,  eine  Trennung,  die  sich  auch  sonst  nach- 
weisen lässt.  Nach  den  ausgeschriebenen  Worten  fährt  er  fort: 
,Die  Feststellung  der  Eidesformeln  war  ein  Geschäft  für  sich, 
was  nicht  ausschliesst,  dass  bei  dieser  Gelegenheit,  vielleicht  auf 
Betrieb  der  chalkidischen  Unterhändler,  über  einige  Friedens- 
bedingungen nachträgliche  Declarationen  zur  Sicherstellung  der 
Rechte  der  Chalkidier  abgegeben  \vurden\    Nicht  anders  äussert 


Studien  über  attisches  Staatfirecht  und  Uikiiudenweseu.  I.  589 

sich  Kirchhoif  a.  a.  O. :  In  liia  (praeficriptisj  nun  tavi  archontis 
quam  scrihae  nomen  untissinn  ojf'ensioui  est.  Suspicari  igitur  licet 
cum  Kumanude,  alt  er  um  illud  decretum  prius  factum,  cuius 
vs.  76  mentio  inicitur,  in  alia  tabula  seorsum  exaratum  nostraeque 
a  sinistra  adpositnm  olim  fxiisse;  quod  decretum,  quum  eadem 
Antiochidis  jyri/tania  sed  alio  die  factum  esset  scribaeque  nomen 
haberet  praescriptum,  non  erat  cur  in  alterius  decreti  poste- 
rioris  praescriptis  id  nomen  repeteretur  necessario,  erat  cur 
episfafae  nomen  diserte  commemoraretur,  quo  dies  scilicet  sifpii- 
ficaretur  a  prior is  decreti  die  diver sus.  Ich  habe  mich  nicht  von 
der  Richtig-keit  dieser  Vermuthiing  überzeugen  können:  zwar  will 
ich  nicht  gegen  die  aufgestellte  Beziehung  der  Präscripteu  an- 
führen, dass  ja,  wenn  die  des  verlorenen  üecretes  bis  auf  den 
durch  den  Präsidenten  bezeichneten  Versammlungstag  mit  den 
des  erhaltenen  identisch  waren,  dann  auch  die  Wiederholung  von 
d  ('AvT'.o/l;  £7:pjTavcUc)  unterbleiben  konnte;  denn  w^as  mtigHch 
war  und  wofür  früher  Belege  gegeben  wurden,  war  nicht  auch 
in  allen  Fällen  nothwendig  und  wir  werden  auch  das  weniger 
wahrscheinliche  nicht  ablehnen,  wenn  andere  Umstände  dafür 
sprechen.  Aber  es  muss  Befremden  erregen,  dass  die  Eidesformel 
nicht  von  Antikles,  sondern  von  Diognetos  beantragt  wird, 
und  doch  bezeichnet  sich  Antikles  deutlich  genug  in  Z.  40  —  42 
als  jenen,  der  diese  Eidesformel  in  Antrag  gebracht  und  er 
bezeichnet  weiter  seinen  Antrag  und  die  Eidesformel  als  ein 
untrennbares  Ganze:  xb  oe  'Vrff.z[}.y.  -zZz  y.al  xbv  opy.ov  avav?«'^^'- 
"AÖr/zr,!'.  ;/£v  xbv  '[Z'j.\).\}.7.-iv.  ir^t  .jO'jX"^;  ;  denn  ich  kann  Tbv  Spy.cv  in 
diesen  Worten  nur  von  Z.  1 — -o9  der  Inschrift,  nicht  aber  von 
dem  grösser  geschriebenen  llOPKO-  am  Schluss  derselben  ver- 
stehen, so  bestechend  auf  den  ersten  Blick  KirchhofF's  Deutung 
dieses  Wortes  erscheint:  denique  quod  in  vacua  lapidis  parte 
his  siibicitur  grandioribtis  litteris  exaratum  vocabidum  cpxo?,  iuris- 
iurandi  id  formulae  loco  est,  quae  una  cum  decreto  lapidi  ut  in- 
cideretur  supra  vs.  ö7  seq.  praeceptum  est.  Nur  wer  mit  attischem 
Brauch  unbekannt  ist,  könnte  sich  daran  stossen,  dass  eine 
solche  Kleinigkeit  wie  die  Aufschrift  durch  Volksbeschluss  aus- 
drücklich geregelt  würde. 

Antikles  hat  sich  an  der  betreffenden  Stelle  etwas  kurz, 
aber  ganz  wie  der  Antragsteller  CIA.  I  nr.  20  Z.  11  xvxYpa-ya'. 
ce  -rb  'VffO<.z\j.'j.  xizi  y.y.'.   tcv    bp/.sv,    61"    Z.    27    ava^pa-^av-ar    -.z'jz    ~i 


590  Hartel. 

cpy.ojc  7.yX  ikq  cjkvOv/.x;  und  CIA.  II  nr.  17''  Z.  15  ava^pa-ia-.  scty^ay; 
A'.Oiv/)  /.al  cr^^a'.  V\Ör,v/;c'.  !/3v  vt  axcsTriXci,  iv  o£  \aA-/.'3'.  sv  to)  Ispo) 
ty;;  l\0-^va(a;  -rbv  cpy.ov  y.at  läc  cjv6r,y.a;  (vgl.  AOr/V.  V51G  Z.  17),  aus- 
g-edrückt;  er  hätte  sagen  können:  ib  oe  'y/;c;'.7|j.o!  xios  avavpä'^a-.  y.al 
-bv  cpy.ov  cv  'Epcxp'.cDG'.  e'J;-/;9'c-aT0  o  cy;;/o;  c  'AOr^va-wv,  wie  er  es  einige 
Zeilen  vorher  gethan  TroicTsOa-.  -rbv  cpy.ov  'AOY;vaiou;  y.al  Xa/atosac  y.a- 
iiir.z^  'EpöTp'.sus:  £(};-/;s((jaTO  o  oy;[xo;  6  l\0-/;va{ojv.  Mit  einem 
Worte,  der  Z.  2—39  aufgeschriebene  Eid  ist  der  Eretrier-Eid, 
welchen  nicht  Antikles,  sondern  Diognetos  concipirt  und  Antikles 
nur  bis  auf  die  Einsetzung  der  Chalkidier  an  Stelle  der  Eretrier 
unverändert  zu  wiederholen  und  auf  dieseStele  zu  setzen  beantragt 
hatte,  und  die  in  Zeile  1  und  2  erhaltenen  Präscripte  beziehen  sich 
demnach  nicht  auf  das  Psephisma  des  Antikles,  sondern  auf 
das  von  Diognetos  herrührende,  welches  vor  Monaten  zu  Stande 
gekommen  sein  konnte.  Was  also  auf  unserer  Inschrift  voraus- 
ging- und  für  uns  verloren  ist,  war  ein  Theil  des  Antikleischen 
Antrages,  in  Avelchem  auch  die  Bestimmungen  über  das  Gerichts- 
wesen ihre  Stelle  hatten  und  in  welchem  zum  Schluss  beantragt 
wurde,  dass  die  für  die  Eretrier,  welche  kurz  vorher  und  unter 
gleichen  Bedingungen  sich  Athen  unterworfen  hatten ,  fertig 
gestellte  Eidesformel  in  Anwendung  zu  kommen  habe.  Anstatt 
nun  diese  als  Beilage  des  Antrages  zu  behandeln  und  wie  dies 
sonst  geschehen  mochte,  am  Schluss  des  Ganzen  anzufügen, 
z.  B.  CIA.  II  52°  mit  dem  ein  Jahr  früher  beschlossenen  Pse- 
phisma, einverleibte  er  sie  bis  auf  den  Schreiber  mit  allen 
wesentlichen  Theilen  ihres  Protokolles  versehen  (cdef)  seinem 
Antrage  selbst,  und  wer  die  Aufschreibung  besorgte,  bezeichnete 
dies  deutlich  genug  durch  den  sonst  ganz  ungewöhnlichen  zwei- 
zeiligen freien  Raum  nach  der  Eidesformel  und  Antikles  selber 
durch  die  W^orte,  mit  denen  er  seinen  eigenen  Antrag  wieder 
aufnimmt  und  fortsetzt  Z.  40:  'Avcr/.X-^;  £•.•;:£•  aYaÖr;  tj/y;  tyj  tojv 
AOr,va{ojv,  -jroie'icrOat  xbv  cpy.ov  A6r;vaic'j;  y.al  Xa/a'.oea^  ■/.y.iyir^z^  'Eps- 
Tp'.suat  hhrff.zaxo  b  cri\ioc,  b  'AO-r;vauov  otmc,  o'  av  xiyKcxy.  Yr/vr^xat,  £•::'.- 
[j,£AC(70(ov  ot  c-par^7c(-  o  v.vtc  ot  ecopy.wtjcjc:  y.x'h.  Denn  wer  so  spricht, 
kann  nur  seinen  eigenen  Antrag  aufnehmen  und  zu  Ende  bringen. 
An  eine  Vertheilung  auf  zwei  Antragsteller  ist,  ganz  abgesehen 
von  den  früheren  Gründen,  schon  deshalb  nicht  zu  denken, 
weil  dann  der  erhaltene  zweite  Theil  in  die  Form  eines 
Amendements    gekleidet    sein    müsste    und   es    ihm   nicht   wohl 


Studien  ülier  attisches  Staatsrecht  und  Urkuiuienwescn.  1.  591 

zukäme,  für  die  Aufzeichnung-  des  Gunzeu  Vorsorge  zu  trefFen. 
Bis  auf  den  Gebrauch  des  Präsens  vergleichbar  ist  Alkibiadcs' 
Antrag-  61^  Z.  26  ff. 

Wenn  die  Beziehungen  dieser  Beschlüsse  richtig  erkannt 
sind,  so  folgt  daraus,  dass  das  Felden  des  Schreibers  nicht 
zufällig,  sondern  begründet  ist,  und  unsere  Anschauung  von  der 
Bedeutung  des  Bestandtheiles  h  in  den  Präscripten  wird  nur 
bestätigt.  Er  ist  nur  auf  jenen  Decreten  unerlässlich,  in  welchen 
ihm  oder  seinem  Collegen  der  Auftrag  der  Aufzeichnung  und 
Aufstellung-  ertheilt  wird,  und  beglaubigt  die  Richtigkeit  der 
Wiedergabe  eines  Beschlusses.  Die  Legalität  desselben  ist 
durch  cdef,  ja  selbst  durch  cf,  wie  CIA.  II  nr.  52'',  2  lehrte, 
genügend  bezeugt.  In  unserem  Falle  konnte  dies  nicht  der 
Schreiber  der  prytanirenden  Phyle  Antiochis  thun,  sondern  nur 
derjenige,  w^elchem  das  avavpa'i/xt  des  Antikleischen  Psephisma 
übertragen  wurde,  wahrscheinlich  jener  der  unmittelbar  folgenden 
oder  einer  späteren.  Der  Namen  des  Schreibers  verbürgt  also 
einerseits  die  von  der  competenten  Körperschaft  ausgegangene 
Verfügung  der  ofliciellen  Aufzeichnung  und  Aufstellung  ihres 
I^eschlusses,  so  wie  die  correcte  Ausführung  dieser  Anordnung, 
für  welche  er  die  Verantwortung  zu  tragen  hatte.  Käme  ihm 
nicht  diese  schwerwiegende  Bedeutung  allein  oder  in  erster 
Linie  zu,  sondern  hätte  er  die  Aufgabe  gehabt  zu  datiren,  welche 
neben  dem  Archontenuamen  und  neben  der  Bezeichnung  der 
Prytanie  von  ihm  nur  überflüssig  oder  schlechter  erfüllt  werden 
konnte,  dann  müsste  man  staunen,  dass  er  auf  den  öffentlichen 
Urkunden  eben  so  regelmässig  erscheint,  wie  er  auf  privaten 
fast  regelmässig  fehlt. 

Wenn  dem  aber  so  ist,  dann  wird  man  vielleicht  fragen, 
weshalb  der  Schreiber  in  dem  neuen  Formular  jene  Stelle,  die 
er  im  alten  cdbef  besass,  nicht  behauptete.  Wenn  sich  dieser 
Zweifel  auch  erst  durch  eine  genaue  Untersuchung  der  Func- 
tionen des  Secretariats  in  der  Zeit  vor  und  nach  Euklid  voll- 
ständig beheben  Hesse,  welche  sich  nicht  so  nebenbei  abtliun 
lässt,  so  wird  doch  ein  genügender  Grund  für  die  betreffende 
Veränderung  aus  der  Erkenntniss  des  verschiedenen  Priiicipes 
in  der  Anordnung  der  Bestandtheile  des  älteren  und  jüngeren 
Formulars  gewonnen  werden  können.  Im  älteren  Formular  sind 
die  Bestandtheile  nach  einem  meritorischen,    im  jüngeren  nach 


592  Haitel. 

einem  archivalischen  Gesichtspunkt  geordnet :  dort  folgen  die 
Factoren  welche  zur  Perfectionirung  eines  Beschlusses  mitgewirkt 
haben,  nach  dem  Grade  ihrer  Competenz  und  Betheiligung  an 
der  Arbeit.  Vorangeht  wie  billig  Rath  und  Volk  'doo^i  xfi  ßouX-?] 
y.ai  T(T)  or([j.(;),  die  Träger  der  höchsten  Gewalt.  Es  folgt  die  pryta- 
nirende  Phyle,  welche  die  Vorarbeiten  und  Verhandlungen, 
die  jede  Massregel  erheischte,  bevor  sie  vor  den  Demos  kam, 
ausführte  und  leitete;  Hand  und  Kopf  derselben  war  mehr  als 
der  täglich  wechselnde  Epistates  ihr  bleibender  Schreiber, 
dessen  Functionsdauer  man  sicherlich  um  der  Continuität  der 
Geschäftsführung  und  der  dadurch  gegebenen  Vortheile  willen 
später  sogar  zu  einer  jährigen  machte.  Die  Formulirung,  Proto- 
kollirung  der  Anträge,  die  Aufbewahrung  und  öffentliche  Auf- 
zeichnung der  Beschlüsse  war  sein  besonderes  Geschäft,  das 
ihm  für  das  einzelne  Decret  eine  grössere  Bedeutung  verleiht 
als  dem  ephemeren  Leiter  der  Debatte  und  Abstimmung  zu- 
kommt. Auf  diese  festen  Elemente  cdb  folgen  die  fluctuiren- 
deu,  der  Präsident,  welcher  den  unfertigen  Beschluss  vor 
die  Ekklesie  brachte,  die  Debatte  leitete,  die  Abstimmung 
vornahm  und  endlich  der  von  dem  Antrag  untrennbare  Antrag- 
steller. 

Von  diesem  Gesichtspunkt  betrachtet,  erscheinen  die 
Bestandtheile  des  jüngeren  Formulars  bunt  durcheinander 
gewürfelt,  aber  sie  ordnen  sich  einfach  und  folgerichtig  anein- 
ander, sobald  wir  in  ihnen  die  Etiketten  der  Haupt-  und 
Unterabtheilungen  des  Archivs  und  der  in  ihm  niedergelegten 
Schriftstücke  erkennen.  Die  Akten  eines  Archontenjahres 
waren  also  nach  der  Aufeinanderfolge  der  prytanirenden  Phylen 
geordnet.  Wie  a  und  d  die  Zeit,  so  fixirten  sie  den  Ort  eines 
Beschlusses.  Mit  d  verband  sich  nothwendig  b,  so  lange  der 
Schreiber  mit  jeder  Phyle  wechselte  und  demnach  die  Unter- 
schriften der  zehn  Fächer  d^b\  d'^b'^,  d'^b'^,  d^b^  usw.  sein 
mussten,  behielt  aber  diesen  einmal  eingenommenen  Platz,  nach- 
dem er  die  Schreibergeschäfte  durch  alle  Prytanien  des  Jahres 
besorgte,  wenn  auch  nicht  in  den  Fachüberschriften,  so  wenig- 
stens in  den  Präscripten.  Im  Archiv  mochte  die  einmalige 
Nennung  im  Jahresanfang  genügen  und  daraus  dürfte  es  sich 
erklären,  dass  Abschriften  einzelner  Beschlüsse  zum  Zwecke 
privater  Aufschreibung  die  Bezeichnung    des  Schreibers  häufig 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkuiidenwesen.  I.  593 

vermissen  lassen.  Inneihalb  der  Phylcnfächer  gab  es  wohl 
mehrere  Unterabtheiluugen ,  von  denen  wir  zwei  durch  ihre 
Ueberschriften  kennen ;  ßouX-^q  'lr,oiQ'i).x-x  war  die  Ueberschrift 
der  einen,  qt,ij.o\)  ''hrff.r:\).-).\y.  die  der  anderen.  Innerhalb  dieser 
Unterabtheilung-en  war  die  Folge  der  Akten  eine  streng  chro- 
nologische. Daher  denn  jedes  Aktenstück  eine  specielle  Signatur 
erhielt.  Die  Aktenstücke  der  beiden  uns  bekannten  Unter- 
abtheilungen waren  fortlaufende  Protokolle  der  Raths-  und 
Volksversammlungen,  an  welche  sich  auf  die  Anträge  bezüg- 
liche Beilagen  anschliessen  konnten,  und  so  bestand  demnach 
die  Signatur  eines  jeden  aus  Monatstag  (Ä)  und  wo  dies  er- 
forderlich schien,  Tag  der  Frytanie  {ß),  Art  der  Versammlung 
und  Versammlungslocal  («'),  sowie  dem  Präsidenten  und  seinen 
Collegen,  seitdem  es  !7U!j.-pssop;'.  gab,  woher  denn  auch  genauer 
abgefasste  Aktenauszüge  —  230,  2.  236.  244.  245.  252\  336. 
343.  371.  'AÖr^vaccv  VI  271  —  selbst  das  Verzeichniss  der  cufj.- 
r.^bto^oi  entnommen  haben.  Ueblich  war  das  durchaus  nicht 
und  wir  dürfen,  so  lange  uns  nicht  eine  vollständig  erhaltene 
Inschrift  mit  dem  Verzeichniss  im  Protokoll  eines  besseren  be- 
lehrt, vermuthen,  dass  die  Präscripten  mit  diesem  genauen  bis 
auf  die  Namen  der  Symproedren  sich  erstreckenden  Aktenaus- 
zuge  nicht  officiellen  Ursprunges  sind,  sondern  dass  wir  sie  dem 
um  die  kanzlistische  Praxis  des  Secretariats  wenig  bekümmerten 
oder  wenig  wissenden  Privatfleiss  zu  verdanken  haben,  wie  ein 
Aktenauszug  solcher  Art,  welcher  dem  von  Kumanudis  im  'AOr,- 
va-.ov  VI  271  publicirten  Decrete  zu  Grunde  liegt,  und  ein  an- 
derer von  gleich  simpler  Genauigkeit,  welchen  sich  der  wackere 
Eukles,  um  dem  Hpw;  larpi;  durch  eine  Aufschrift  seine  Ver- 
ehrung zu  bezeugen,  anfertigen  Hess,  sogar  den  Plural  der  Fach- 
überschrift o-^[j.cj  'i/r,cpi!:[j,aTa  recipirten,  obwohl  nur  ein  Psephisma 
den  Akten  entnommen  wurde  (vgl.  nr.  403  und  was  an  späterer 
Stelle  über  diese  Inschrift  gesagt  werden  wird).  Wenigstens 
ist  es  sehr  compromittirend,  dass  mehrere  Inschriften  mit  dem 
Namensverzeichniss  der  suix-pösopoi  als  nicht  ofticiell  erkannt 
wurden,  so  230,  2.  343.  AOy;va'.ov  VI  271,  worüber  wir  eben  aus- 
führlich gehandelt.  Auch  236  und  371  sind  dessen  verdächtig, 
indem  ihren  Protokollen  ein  so  wichtiger  Bestandtheil  wie  die 
Sanctionirungsformel  (c)  mangelt.  Indessen  ist  es  gerathener 
ein    definitives   Urtheil  über   die  Beschaffenheit    der    mit  Sym- 


594  IIu,itel. 

proedren -Verzeichnissen  versehenen  Protokolle  aufzusparen,  bis 
eine  neue  vollständig-  erhaltene  Inschrift  dieser  Ai-t  vielleicht 
besseren  Aufschluss  bring-t.  Jedenfalls  stammen  diese  Ver- 
zeichnisse aus  den  Sitzungsprotokollen  der  einzelnen  Versamm- 
lungen, in  welchen  weiter  nach  der  Reihenfolge  der  Verhand- 
lung und  Abstimmung  die  einzelnen  Anträge  eingetragen  waren. 
(Ueber  die  Einrichtung  des  Archivs  vgl.  Böckli  Kl.  SchriftcM 
IV  293  ff.,  C.  Curtius  jDa.s-  iMetroon  S.  23  Anm.  164.) 

Woher  aber  stammte  c,  die  Sanctionirungsformel?  Diese 
Frage  könnte  als  eine  müssige  erscheinen,  indem  ja  das  Ab- 
stimmungsresidtat  wenn  etwas  bemerkt  sein  musste.  Aber  die 
Sanctionirungsformel  besagt  nicht  die  blosse  Annahme,  sondern 
enthält  genauere,  die  Natur  der  Beschlüsse  charakterisirende 
Merkmale,  welche  kaum  ohne  weiteres  aus  den  Protokollen,  nicht 
ohne  Kenntniss  der  staatsrechtlichen  Verhältnisse  in  jedem 
Falle  leicht  und  sicher  zu  gewinnen  war.  Sie  hat  nämlich  in 
den  nacheuklidischen  Decreten  nicht  mehr  eine  und  dieselbe 
Form  £oo;£  ifi  ßcuAr^  y.al  tw  o-^[j.<o,  wie  auf  den  Urkunden  des 
5.  Jahrhunderts,  sondern  sie  tritt  uns  in  dreifacher  Form 
entgegen.  Das  ist  eine  ihrer  wichtigsten  und  instructivsten 
Eigenthümlichkeiten,  welche  die  eingehendste  Untersuchung- 
verdient. 

Bevor  wu*  aber  daran  gehen,  die  drei  verschiedenen  Cha- 
rakteristiken zu  erörtern  und  ihre  consequente  Anwendung  zu 
erweisen,  wird  es  angezeigt  sein,  jene  Präscripten  zusammen- 
zustellen, in  welchen  dieser  wichtige  Bestaudtheil  fehlt,  indem 
dadurch  zahlreiche  Umstände  und  Veranlassungen  für  die 
unrichtige  Anwendung  seiner  streng  geschiedenen  Formen 
werden  erkannt  werden  können.  Die  in  Betracht  kommenden 
Inschriften  sind: 

51.  Ö2\  105.  HO.  114.  120.  124.  125.  127.  179.  183.  193. 

222.  230,  2.  234.  236.  237.  238^  249.  249^  280\  329,  2. 

345".   371.   401.   432.   440.    481,  1.    482,  1.    :\fJY^va:ov   VI 

S.  152.  S.  271.  8.  386.  Zeno's  Ehrendecret  bei  Diogenes 

L.  VII  10. 
Unter  diesen  33  Inschriften    erscheinen  sieben  bereits  in  ihrer 
Qualität   privater  Aufzeichnungen    nachgewiesen,    nämlich  230. 
234.    237.    249.    401.    481.   482,    indcni    ihre    Präscripten    des 
Schreibers  entbehren,  dessen  Namen  die  ofiicielle  Aufschreibung 


Studien  ülier  attisches  Staatsrecht  und  ürliundenwesen.  I.  595 

zwar  niclit  in  allen  Fällen  verbürgt,  aber  wo  er  fehlt  mit 
grösster  Wahrscheinlichkeit  ausschliesst.  Dass  die  das  Ehren- 
decret  der  Söhne  Leukons  enthaltende  Inschrift  'AOy;v.  VI  152 
nicht  das  athenische  Staatsexemplar  ist,  wird  später  nach- 
gewiesen werden.  Bei  2oG.  371,  'AOr^vatov  VI  S.  271,  welche 
Verzeichnisse  der  c7U[j.7:pc£cpo'.  haben,  ist  das  Gleiche,  wenn 
auch  nicht  mit  voller  Sicherheit,  zu  vermuthen.  In  einigen 
anderen  ist  c  zufällig  übergangen  oder  nach  den  erhaltenen 
Buchstabenresten  der  Präscripte  noch  herstellbar.  So  vermissen 
wir  nr.  51  {ad'h"tf)  hinter  s  den  Bestandtheil  c,  aber  hinter 
dem  Demotikon  des  Vorsitzenden,  wenn  es  sechs  Stellen  ein- 
nahm, waren  in  derselben  fünfton  Zeile  noch  25  freigelassen 
worden,  die  für  das  vermisste  Bo^sv  -?)  ßcuAvi  xal  tw  otjij.o)  gerade 
genügten.  Wenn  ich  Köhler's  Worte  richtig  verstehe,  dass  der 
Stein  Z.  5  nur  zu  Anfang,  wo  das  Demotikon  stand,  zerstört 
sei  (Mittheilungen  des  deutschen  arch.  Inst,  in  Athen  I  lo.,), 
wird  anzunehmen  sein,  dass  hier  der  Steinschreiber  freien  Raum 
gelassen  hatte,  um  den  Bestandtheil  c,  den  seine  Vorlage  zufällig 
nicht  haben  mochte,  den  er  aber  für  unerlässlich  hielt,  später 
nachzutragen.  Nach  dem  Wortlaut  des  Decretes  konnte  er 
schwanken,  ob  Bo;;  xy]  ßouXf,  oder  ty]  ßouXY]  y.al  xw  ov^(j.(o  zu  setzen 
sei.  Die  gleiche  Erscheinung  zeigt  die  Inschrift  im  'Aör^vatov  VI 
386,  und  wir  haben  einen  analogen  Fall  mit  h  auf  der  Inschrift 
332  kurz  vorher  zu  beobachten  Gelegenheit  gehabt  (S.  585). 
Auch  in  249*^  und  345''  erscheint,  wie  der  Text  uns  vorliegt, 
allerdings  keine  Spur  von  c.  aber  aus  der  Abbildung  ist  ersicht- 
lich, dass  zwischen  Z.  5  und  G  eine  ganze  Linie  frei  geblieben 
und  darauf  auch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  Izozvi  iw  cr,[j,(i) 
eingegraben  war.  Nicht  selten  eben  steht  in  Inschriften  dieser 
Bestandtheil  auf  einer  Zeile  für  sich  mit  freiem  Raum  vorne  und 
hinten  (308.  330.  334.  403.  420,  1.  2.  431,  1.  2.  4G0.  475;  vgl. 
Böckh  Chronol.  epigr.  Sfud.  S.  34),  wie  ich  überzeugt  bin,  nicht 
um  ihn  vor  den  anderen  Stücken  des  Protokolles  auszuzeichnen 
und  hervorzuheben,  sondern  weil  der  dem  Steinschreiber  in 
die  Hand  gegebene  Aktenauszug,  den  oft  ein  untergeordneter 
Kairzlist  angefertigt  haben  mag,  ihn  hie  und  da,  indem  er  nicht 
ohne  nähere  Einsicht  in  die  Verhandlung  leicht  festzustellen  war, 
vielleicht  auch,  weil  er  sich  aus  dem  Wortlaut  des  Decretes  von 
selbst  zu  ergeben  schien,    übergangen  hatte.    Den  erfahreneren 


596  Ilartel. 

Steinmetz  führte  ja  ein  mechanisches  Abzählen  der  Stücke  leicht 
auf  den  Defect,  der  Wortlaut  der  Decrete  ebenso  oft  auf  die 
richtige,  wie  auf  die  falsche  Ergänzung.  Ein  sicheres  Zeugniss 
für  die  nachträgliche  Verbesserung  der  Formel  soo^s  tw  OTtiJ.M 
in  ioo;£  r?;  ßojX-?;  v.al  t(o  or,'^.(<^  hat  die  Besprechung  .der  Inschrift 
62  oben  (S.  580)  ergeben. 

Auf  nr.  183  {ad' h" hgit  f")  ist  es  möglich,  an  Stelle  von 
ief  am  Schluss  des  Präscriptes  czf  herzustellen  und  zwar  c 
in  der  Form  loo^s  tw  Sy'/Ixw,  die  mit  Rücksicht  auf  den  Wort- 
laut des  Beschlusses  allein  richtig  ist,  wie  sich  später  zeigen 
wird;  denn  das  jetzt  ergänzte  iy,yXr,GioL  y.upiy.  hat  die  gleiche 
Stellenzahl  wie  ioo^e  tw  or,\j.u),  und  selbst  eine  kleine  Unregel- 
mässigkeit der  33stelligen  Zeile,  wie  sie  durch  Bo;£v  hervor- 
gerufen würde,  wäre  nicht  unzulässig,  ja  auch  diese  noch  durch 
die  eine  Stelle  cedirende  Schreibung  •irpuTxveac  vermeidbar  (vgl. 
TTputavia?  186).  Ferner  stammt  die  Inschrift  höchst  wahrscheinlich 
aus  Ol.  112,  1  =  332/1,  also  aus  einer  Zeit,  wo  man  erst  den 
Bestandtheil  i  (i7.vX-ridoi.,  iyyXrflia  xupia)  den  Protokollen  einzu- 
fügen begann,  daher  derselbe  noch  nicht  regelmässig  erscheint, 
wie  er  z.  B.  nr.  174,  2  aus  Ol.  112,  1,  nr.  176  und  178  aus 
Ol.  112,  3  und  4  vermisst  wird.  Bedenklich  aber  bleibt  die 
Abfolge  czf  an  Stelle  der  regelmässigen  sc/;  denn  wohl  haben 
wir  oben  mehre  Belege  für  ce/,  aber  auch  nicht  einen  sicheren 
für  czf  aufbringen  können  (vgl,  S.  585). 

In  222  gestatten  die  Raumverhältnisse  das  defecte  Proto- 
koll {--V'-g-z"  -f")  mit  allen  ßestandtheilen  zu  restituiren 
ad' h" hgiz" cf",  obwohl  sich  aus  den  wenigen  Trümmern  des 
Decretes  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen  lässt,  ob  zooze  tw  or,[j.{o 
oder  £00^2  tyj  ßouX-f]  7.al  tw  o-/j[7,w  ursprünglich  geschrieben  war. 
Der  Umstand,  dass  keine  Spur  auf  die  probuleumatische  Formel 
führt,  über  die  gleich  ausführlich  zu  handeln  sein  wird,  macht 
mir  die  erste  Form  sehr  wahrscheinlich.  —  Sicher  hingegen 
ist  432  £oo^£v  TW  or,[i.a)  vor  f"  einzustellen. 

Anders  liegt  die  Sache  bei  329,  2  (d'f"),  wo  wir  es  mit 
einem  Rathspsephisma  zu  thun  haben.  Hier  gilt  die  durch  zahl- 
reiche andere  auf  einem  Stein  vereinigte  Psephismen  dieser  Art 
zu  bestätigende  Beobachtung,  dass  man  sich  in  solchen  Fällen 
die  ausführliche  Form  des  Protokolls  gern  eiliess,  die  man  bei 
einem  für  sich  bestehenden  Decret  nicht  vernachlässigen  durfte, 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  597 

weil  die  Bedeutung  des  einzelnen  Decretes  nicht  wie  die  der 
vereinigten  durch  das  Ensemble  oder  den  Aufstellungsort  und 
eine  gemeinsame  Aufschrift  ohne  weiteres  klar  war.  So  erklärt 
es  sich,  dass  die  ausführlichen  Rathspsephismen  auf  dem  Weih- 
geschenk des  Rathes  nr.  114  aus  Ol.  109,  2  =  343/2  von  den 
Bestandtheilen  des  Präscriptes  nur  /  haben.  Und  mit  blossem 
/  begnügen  sich  die  zweiten  und  folgenden  Decrete  der  grossen 
allerdings  nicht  ofticiellen  Ephebeu-Inschriften,  die  S.  566  zu- 
sammengestellt sind.  Die  Rathspsephismen  481,  2.  3.  482,  3  und 
487  haben  nicht  einmal  /, 

Ein  Rathspsephisma  ist  a,\ich  A40  (ad' b" kg Jiit" f").  Dass 
aber  Bo^e  t^  ßouXr]  vermisst  wird,  darf  deshalb  weniger  befrem- 
den, weil  die  Gattung  des  Beschlusses  schon  Z.  3  durch  ä;  = 
ßo'jAv;;  '>r;c'.c;j.a,  wie  in  481,  1  {cikhif"),  genügend  charakterisirt 
erschien,  und  aus  einem  gleichen  Grunde  erklärt  sich  das  Fehlen 
von  Bc;s  tw  or,i^.w  in  124.  127  und  vermuthlich  179;  denn  in 
den  beiden  ersten  Fällen  folgt  wie  234  unmittelbar  auf  /  im 
Eingang  des  Antrags  öcYaOr,  rj/r;  tfj  twv  'AGr^vaiwv  csos/Oai  xw 
C7^|j.(o,  179  aber  weisen  die  Buchstabenreste  'hrizi  an  gleicher 
Stelle  auf  e-i-rj^icjöa-.  ■zf^  ßsyAr,.  Es  ist  übrigens  ein  merkwürdiger 
Zufall,  dass  Demades  der  Antragsteller  von  124  und  127  ist  und 
dass  sich  noch  ein  drittes  Mal  ein  Psephisma  dieses  Redners  193, 
dasselbe,  in  welchem  früher  (S.  581)  eine  jener  in  den  Präscripten 
sehr  verdächtigen  Abkürzungen  des  Demotikons  constatirt  wurde, 
durch  den  gleichen  Defect  auszeichnet;  doch  vorschnell  daraus 
etwas  zu  folgern,  können  die  andern  Anträge  desselben  174, 
178  und  l\ör,v.  VI  158  abhalten.  Mehr  verdient  ein  anderer 
Mangel  an  124  hervorgehoben  zu  werden,  der  auch  127  zu- 
treffen dürfte;  124  nämlich  entbehrt  der  auf  Proxenie-Decreten 
öffentlicher  Aufstellung  unentbehrlichen  Aufschrift  r^^oivtis.  toü 
otiuzz  oder  toj  livioz  -rrpocevoj,  über  welche  an  einer  späteren 
Stelle  eingehender  zu  handeln  sein  wird.  Wir  werden  auch 
sehen,  dass  die  Aufstellung  solcher  Decrete  den  Betreffenden 
häufig  überlassen  blieb  oder  von  ihnen  gerne  eine  weitere  Ab- 
schrift angefertigt  wurde.  So  ist  auch  237  vermuthlich  ein  Pro- 
xenie-Decret,  das  durch  das  Fehlen  von  h  und  c  seinen  nicht 
officiellen  Ursprung  verbürgt.  280''  fiel  c  vielleicht  einer  Spielerei 
zum  Opfer,  indem  die  Präscripten  in  den  Giebel  des  Steines, 
wie    auch    theilweise    auf  279,    welche   Inschrift    aus    derselben 


598  Hartcl. 

Zeit  herrührt,  zusammengedrängt  sind;  indessen  ist  es  durchaus 
nicht  sicher,  dass  c  Ivier  wirklich  gefehlt  habe. 

Es  bleiben  somit  52'\  105.  110.  Mr,v7.'.ow  VI  152.  125. 
183,  1.  2?  19o.  238''  übrig,  wo  das  Fehlen  von  c  unaufgeklärt 
bleibt.  Aber  es  ist  zu  erwägen,  dass  im  Eingang  des  einen 
und  anderen  dieser  Decrete  osodyOai  {i'lr,dz()y.'.)  tv^  ßojA-i}  oder  o£- 
oiyßy.'.  T<p  cy;;j.(.)  nicht  gefehlt  haben  wird  und  dass  der  Akten- 
auszug die  in  solchem  Falle  selbstverständliche  Ergänzung 
unterlassen  oder  auch  dem  Steinschreiber  überlassen  haben  kann, 
welcher  die  Lücke  übersah,  wie  er  sie  in  anderen  später  nach- 
zuweisenden Fällen  falsch  ergänzte.  In  den  vier  ersten  Fällen, 
welche  das  Schema  adhef  und  in  einzelnen  Bestandtheilen 
noch  den  älteren  Stil  des  Formulars  cdhef  n\Q\\v  weniger  genau 
darstellen,  weiss  ich  nicht,  ob  nicht  nach  dem  Muster  von  14'' 
{ah"  -\-  cadbef)  eigentlich  cadhef  beabsichtigt  war;  auf  dem 
Ehreudecret  der  Sühne  Leukons  ist  zwischen  der  Aufschrift 
und  den  Präscripten  leerer  Raum  in  der  Breite  von  etwa  acht 
Zeilen,  wo  c  nebst  den  Kränzen  Platz  hatte.  Uebrigens  zeigt 
ein  in  derselben  Ekklesie  perfect  gewordenes  Volksdecret  109 
das  Formular  acdb" e'f"  und  110  stammt  aus  demselben  Jahi-. 
Drei  davon  beziehen  sich  auf  Verträge,  wie  auch  14''.  In  105 
kann  die  ungewöhuliche  Einfügung  eines  Verzeichnisses  von 
Gresandteu  zwischen  a  und  d  zum  Ausfall  von  c  beigetragen 
haben.  Auf  110  wäre  auch  die  Herstellung  eines  Formulars 
n  -\-  cdbef  nicht  unmöglich.  Doch  wir  eilen  zum  Schluss  dieser 
Untersuchung. 

Unter  den  sechs  Bestandtheilen,  welche  schon  die  ältesten 
Inschriften  vollzählig  aufweisen,  scheint  c,  wodurch  die  Sanctio- 
nirung  eines  Beschlusses  von  Seiten  der  verfassungsmässigen 
Gewalten  bezeugt  wird,  einer  der  wichtigsten.  Gleichwohl  fehlt 
er  häufiger  als  ein  anderer  derselben,  ohne  dass  dieser  Mangel 
durchw^eg  völlig  überzeugend  entschuldigt  oder  erklärt  werden 
kann,  selbst  wenn  man  alle  meine  Zweifel  an  der  Verlässlich- 
keit  der  Restitution  der  in  diesem  Punkte  defecten  Protokolle 
theilen  sollte,  was  ich  kaum  erwarten  darf.  Dass  er  gerade 
nicht  selten  in  solchen  vermisst  wird,  welche  durch  den  Abgang 
von  h  privaten  UrsjDrung  verrathen,  verdient  alle  Beachtung, 
nicht  mindere,  dass  einige  Mal  der  Steinschreiber  freien  Raum 
für   seine  nachträgliche  Einfügung    gelassen    zu   haben  scheint. 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  ürkundenwesen.  I.  599 

Beides  weist  darauf  hin,  dass  c  aus  den  Akten  nicht  so  leicht 
wie  die  anderen  Bestandtheile  zu  gewinnen  war.  Eine  Bestä- 
tigung dafür  Hegt  auch  in  dem  Ehrendecret  des  Philosophen 
Zeno  bei  Diogenes  L.  VII  10,  welches  wie  oben  vermuthet 
worden  ist,  den  Akten  des  Metroou  entnommen  wurde.  Auch 
sein  Protokoll  lässt  ausser  h  die  Sanctionirungsformel  vermissen. 
Jedenfalls  werden  wir,  durch  diese  Erfahrungen  gewarnt 
und  aufmerksam  gemacht,  auf  vereinzelte  Trrthümer  in  der 
Anwendung  der  Formen  von  c  gefasst  sein  müssen,  aber  durch 
sie  uns  nicht  abschrecken  lassen,  die  strenge  Regel  zu  suchen, 
welche  ihre  Anwendung  bestimmt.  Ein  TIeberblick  über  das 
gesammte  Urkundenmaterial  verspricht  ja,  wenn  anders  feste 
Normen  zu  Grunde  liegen,  die  Fehler  zufälligen  Irrens  leicht 
und  sicher  zu  eliminiren. 


Bisher  hat  man  unter  den  Decreten  nur  Raths-  und  Volks- 
decrete  unterschieden.  Die  drei  Formen  von  c  führen  auf  eine 
dritte  dazwischen  liegende  Gattung.  Wir  können  dieselben 
danach  in  drei  Arten  theilen,  in  Raths-Psephismen,  pro- 
buleumatische  Decrete,  wie  ich  diese  mit  Verwerthung 
eines  in  den  demosthenischen  Studien  II  S.  416  [54]  erklärten 
terminus  technicus  nennen  möchte,  und  Volksdecrete.  Das 
charakteristische  Merkmal  der  ersten  ist  c  in  der  Form  Bo^e 
TT,  ßouXf^,  das  der  zweiten  c  in  der  Form  llo%t  xf,  ßo-jAf,  xa».  -rw 
B7;p.(i),  das  der  dritten  c  in  der  Form  i'ooSs  t<o  li•^\l.^^}.  Einen 
theilweisen  Ersatz  für  die  mit  den  Anfängen  der  Inschriften 
so  häutig  vernichteten  Protokolle  und  die  damit  verlorenen 
Charakteristiken  der  Beschlüsse  können  uns  einigermassen  die 
am  Eingange  der  Anträge  oder  auf  die  Motivirungen  folgenden 
Formeln  zizöyßx'.  xf,  ßo/Af,  oder  ~m  s-/;;j.w,  noch  besser  aber  jene 
kurzen  den  Decreten  in  der  Regel  nachgestellten  Auszüge  oder 
Summarien  bieten,  in  welchen  derjenige,  welcher  den  Beschluss 
gefasst  hat  und  für  welchen  er  gefasst  wurde,  kurz  bezeichnet 
werden.  Dem  Bo;£  if,  ßouXf^  in  den  Präscripten  und  dem  damit 
gleichwerthigen  osoi/Oa-.  t^  ßouAY]  vor  dem  unmittelbar  folgen- 
den Antrag  entspricht,  wo  beides  erhalten  ist,  regelmässig  r,  ßojXi^ 
in'den  Sun)inarien ;  dem   Bo;c  tw  S-/^[ji.w,  das  von  äeSdyÖa'.  tüj  St^hw 

Sitznngsber.  d,  phil.-hist.  Cl.  XC.  Bd.  HI.  Htt.  •  ^'J 


600  Hartel. 

begleitet  zu  sein  pflegt,  6  c^jj-oc;  dem  'ioozz  Tf^  ßc'J^fi  xal  toj  Br^wp 
'f)  ßo-jX-};  y.a;  5  8^|J.cc,  im  Eingang  der  Decrete  aber  auch  BöBiyÖai 
T^  ßouXri  wie  in  den  Kathspsephismen,  nur  dass  sich  zwischen 
dieses  und  den  Beschhiss  eine  längere  Formel  einschiebt.  Aus- 
nahmen von  dieser  Regel  beruhen  theils  auf  unrichtiger  Ergän- 
zung, theils  begegnen  sie  in  nicht  ofiiciellen  Aufschreibungen 
und  erst  in  jener  späten  Zeit,  in  welcher  man  Strenge  der  Form 
und  Klarheit  staatsrechtlicher  Vorstellungen  vergeblich  sucht. 
Wir  werden  auf  diese  Ausnahmen  an  späterer  Stelle  zu  sprechen 
kommen.  Die  Thatsachen  aber,  welche  dieses  Zusammenstimmen 
der  Indicien  erweisen,  wird  die  folgende  Zusammenstellung  der 
Decrete  mittheilen.  Nur  sollen,  um  diese  zu  vereinfachen,  vor- 
erst die  am  leichtesten  erkennbaren  Rathspsephismen  ausge- 
schieden werden. 

Ich  setze  bei  jenen  Rathspsephismen,  welche  nicht  durch 
das  Charakteristicum  in  den  Präscripten  scoEsv  xf^  ßouXfj  oder 
durch  die  Beifügung  von  ßcuX-^<;  d/'/^tpicf^a  oder  des  Locales  der 
Versammlung  ßo'jAr;  ev  ßouXeur/jpiw,  ev  tw  0'/;ic(a)iiusw.  als  solche 
erkennbar  sind,  sondern  nur  durch  BeSo/öa'.  t^  ßouXr,  im  Ein- 
gang ein  0  in  Klammern  bei  oder  mache  kurz  auf  andere 
bezeichnende  Indicien  aufmerksam,  wo  dies  nothwendig  er- 
scheint. Die  bloss  durch  r,  ßouAv^  in  den  Summarien  charakteri- 
sirten  haben  ein  Sternchen.  Es  enthalten  also  folgende  In- 
schriften 

Rathspsephismen. 

l'=,2.  3.  8.  23.  29.  73,1.  74  (o).  114.  166*.  179.  221 
(Fälschung).  258  (o  und  y)  ßouAir^  in  dem  Summarium).  329,  1 
(o).  329, 2  (aus  dem  Inhalt  und  der  Datirung  iz:  r?;; 
cws£/.xr/;c  TTpuiaveia;  erkennbar^  vgl.  Köhler  im  Herm.  V  331 
und  im  CIA.  II  zu  nr.  454).  339*.  372.  375*.  390,2. 
391,  1*.  2.  393*  (Aufstellung  ev  tw  zpuTaw/.o)).  394  (Auf- 
stellung £v  TW  xpuTav'.7.(T)).  400*.  404  (c).  409\  427*.  431,2*. 
440.  441  (o;  Aufstellung  in  dem  xA-ripwfriptov,  worüber 
Köhler  im  Hermes  V  342).  454*.  457.  466  (z).  475. 
477^  481, 1. 2  (2).  3  (o).  482,  1.  2  (5).  3  (o).  4  (c).  487  (5). 
489\  535  (o).  'AOr.va-.cv  VI  S.  270  (die  Kosten  werden  auf 
den  ~oi.ijJ.xc  t^c  ßo-jAv^c  angewiesen).  S.  387.  S.  490.  Revue 
archeol.  1878.  S.  119  (vgl.  nr.  25).  —  In  den  Summarien  kommt 


Stadien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urknndenwesen.  I.  601 

hestätis-eud  H  BOVAII  hinzu  in  258.    390,  2.    391,  2.    420. 

440.  481.  482. 

Die  Inschrift  440  sollte  nicht  hier  stehen,  da  es  Z.  16 
heisst  (»[YaOcT  vjy^et.  osSö/Oat  t(T)  ^r,[).(o  i~\oLVfhai.  ibv  Ta[jL'!av  'AzJoX- 
Xi[o](i)[pov  y.-rX.,  denn  das  ist  die  untrüg'liche  Charakteristik  der 
Volksdecrete.  Aber  es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass 
api'aOsT  vjyj.i  oecöyOat  -^  ßouX^  zu  ergänzen  ist  und  das  Decret 
von  mir  richtig-  unter  die  Rathspsephismen  eingereiht  wurde. 
—  166  ist  die  Unterschrift  H  BOYA.H  entweder  mangelhaft, 
also  zu  ergänzen  durch  c  or,\).o^,  oder  es  bezog  sich  dieselbe  als 
Aufschrift  auf  ein  folgendes  Rathspsephisma.  Das  Decret,  von 
dem  uns  der  Schluss  erhalten  ist,  kann,  wie  die  Aufstellung 
h  ay.poTOXs:  und  die  Kostenanweisung  desselben  ix  toW  -aolxx 
'|'^p'C[xaTa  avaXi(7/.o[;.£vtov  tw  othjm)  zeigen,  nur  ein  Volksbeschluss 
gewesen  sei. 

Diese  Rathspsephismen  nun  unterscheiden  sich  von  den 
Decreten  der  Ekklesie  in  den  bezeichneten  Punkten,  formell 
aber  weiter  durch  nichts,  Ihre  Protokolle  haben  dieselben 
Bestandtheile  nach  den  bei  den  Volksdecreten  nach  und  nach 
in  Anwendung  gekommenen  Formularen  geordnet,  nur  dass 
sie  etwas  zäher  an  dem  Alten  zu  hangen  scheinen ;  denn  von 
8  (ad'b"cf)  abgesehen  zeigen  die  uns  aus  den  ersten  fünfzig 
Jahren  nach  Euklid  erhaltenen  sämmtlich  den  älteren  Stil  des 
5.  Jahrhunderts,  so 

cdbef       3.  25.  29.  Reime  archeoL   1878.   S.   119. 
cdh'e'f  73,  1. 
a-^  cdbef     74. 
a-i- cdbef     r,2. 

b'^cdeb'f  23. 
Von  Ol.  106  bis  Ol.  113,4  =  356  bis  325  v.  Chr.  haben  wir 
keine  Rathspsephismen  mit  Protokollen.  Von  da  an  aber  sind 
sie  nach  dem  allein  herrschenden  jüngeren  Formular  concipirt 
(ad' b"  hgiz[t"]c  f").  Wie  in  den  Decreten  der  Ekklesie  treten 
an  die  Stelle  des  Epistates  die  -pdeopo'.,  zuerst  tojv  -ocEcptov  ir.i- 
<^ri<^v>  b  oeTva  (nur  179  aus  Ol.  113,  4  =  325/4;  denn  221  ist 
eine  Fälschung  und  431,  2  ist  ml  cJixxpiiopoi  inthümlich  weg- 
geblieben), seit  Ol.  115,  2  r=  319/18  Tüiv  xpoiopwv  ir.t<lrt<'^\Cvt  b 
ccTva  y.al  sj|j.-pisopot  (372.  390,2.  391,2.  409^  475.  482,1.  489"). 
Der  Tag    des  Monats    und    der   Prytanie    ist    durchweg  notirt, 

39* 


602  Hartel. 

nur  481  steht  der  Tag  des  Monats  allein.  Besonders  genau 
wird  die  Versammlung-  nebst  dem  Ort,  wo  sie  stattfand,  vermerkt, 
niemals  mit  ^ojay^  allein,  während  das  blosse  £xxXY;a(a  in  den  Volks- 
decreten  nicht  selten  vorkommt,  so:  JicjA-r;  h  ßouAsuTiQpia)  179.  390,2. 
391,2.  440(?).  A09\  475.  477'\  489\  ^Aör.va-.ov  VI  S.'387.  S.  490, 
ßsuXr;  £v  TW  'Easucivio)  372,  £v  xw  &r,ae'.(x)  ßouAv;  481,  ßouXr,  £[ji.ßou- 
XeuTYjpto)  y.ai  h.  tcj  ßouXcUTYjpi'ou  ev  im  'EXsu^tvito  431,2,  ßo'jXr;  iv  xw 
Sszxpü)  -^  [j.sxayösTffa  iy.  xoi)  n3:vaÖr;vxVy.c3ij  a-xaoioj  482.  Die  Stelle  von 
eSo^e  xfi  ßouXfj  in  den  Protokollen  vertritt  ßouX^q  '}-/;s'.a[j.3:  440, 
ßouX^c  6Y;5(a[;Laxa  481.  Nur  zwei  Decrete  sind,  so  viel  ich  bis 
jetzt  sehe,  trotz  £Oo;£v  x'^  ßoyXf,  xa;  xw  S-/^[ji.to  Rathspsephismen, 
nr.  11  und  30,  zwei  andere  168,  1  und  403  sind  trotz  £§o^£  xij 
ßouXrj  probuleumatische  Decrete.  Dieselben  werden  noch  genauer 
zu  prüfen  sein. 

Dieser  durch  die  mitgetheilten  inschriftlichen  Thatsachen 
verbürgte  durchgängige  Parallelismus  der  Einrichtungen  des 
Käthes  und  der  Ekklesie,  der,  was  das  Präsidium  der  Raths- 
sitzungen  und  seine  jedesmalige  Ausloosung  betrifft,  merkwürdig 
genug  erscheint,  wird  in  diesem  auffälligsten  Punkte  gerade 
durch  Pollux  VIII  96  bestätigt:  y.al  öxa^i  o\  7:puxav£ic  xov  o7J[jlov 
^1  xy;v  ßouXr,v  cuva'cwatv,  ouxo?  (sc.  £7:tc;xaxrjc)  £^  £y.aaxY;c  s'jXyjc 
TTpceSpov  hy.  -/'hr^poi,  [JL5vr,v  xrjv  ■j:puxav£6c'j7av  xouic.  Der  Rath  ist  neben 
der  Ekklesie,  wenn  auch  staatsrechtlich  betrachtet,  nicht  eine 
Art  Oberhaus  neben  dem  Unterhaus,  so  doch  nach  seiner 
Geschäftsordnung  und  Organisation  ein  Parlament  neben  dem 
andern.  Die  inschriftlich  nachgewiesene  Existenz  der  g'j\i- 
TCpceBpoi  der  Bule  und  die  Art  ihrer  Ausloosung  führt  nothwendig 
auf  die  Annahme  von  Plenarsitzungen  des  Rathes,  in  welchen 
die  bezüglichen  Decrete  debattirt  und  beschlossen  wurden.  Wenn 
in  einem  derselben  das  sicherste  Merkzeichen^  das  sie  haben, 
Bo;£v  xff  ßcuX'^,  verloren,  die  anderen  aber  nicht  vorhanden  wären 
oder  wenn  man  ein  Recht  hätte  anzunehmen,  dass  auch  der  Raths- 
beschluss  als  Urkunde  des  erst  in  der  Ekklesie  perfect  gewordenen 
Volksbeschlusses  ausgestellt  werden  durfte,  dann  könnte  man  nur 
aus  dem  Inhalt  der  Beschlüsse  und  der  staatsrechtlichen  Competenz 
der  Behörden  die  Entscheidung  fällen,  ob  eine  solche  Inschrift 
ein  Psephisma  des  Rathes  oder  der  Ekklesie  enthalte.  Indessen 
hat  man  zu  einer  solchen  Annahme  kein  Recht,  indem  nicht  die 
attische  Staatskanzlei,  sondern  vielmehr  die  Nachlässigkeit  oder 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urknndenwesen.  I.  603 

Unwissenheit  privater  Personen  in  übrigens  ganz  vereinzelten 
Fällen  Entscheidungen  der  Ekklesie  das  Kennzeichen  der  Raths- 
beschlüsse  vorsetzte,  und  fast  nie  fehlt  es  an  allen  Indicien 
zugleich,  ein  Decret  nicht  als  Rathspsephisma  zu  erkennen. 

Während  die  Volksdecrete  sich,  abgesehen  von  ihrem 
Inhalt  vor  den  Rathspsephismen  äusserlich  nur  durch  das 
Merkmal  sSo^e  tw  OY;ii.tp  und  die  damit  häufig  verbundene,  an 
der  Spitze  des  Beschlusses  stehende  oder  auf  die  Motivirung 
desselben  folgende  Einleitungsformel  liciyßx'.  (i-iz-^^isOa'.)  tw  SY^fAto 
unterscheiden,  tragen  die  probuleumatischen  Decrete  noch  ein 
weiteres  Kennzeichen  an  sich,  die  probuleumatische  Formel, 
welche  ohne  Berücksichtigung  ihrer  kleinen,  aber  nicht  durch- 
aus bedeutungslosen  Varianten  also  lautet: 

i<l>r,(iia(iy.'.  ty;  ßouXr,  toI»;  zpciopo-jc,  c'i  ä'v  Xä/wc.v  7rpo£Cpc'j£iv  elq 
TY)v  Trpcor^v  i-/,-Kkrp'.Ti  (TCpcaaYÄYctv  tsv  oeTva  xa'i)  '/[jpT,\}.ix-i<:ai  'irept 
TOÜTWv,  Yva)irr;v  os  ^uixßäXXeffOa'.  t^?  ßouX'^c  sie  ibv  or;[xcv,  ov.  BoxsT 
■er,  ßc'jXYi, 
woran  sich  nun  der  Inhalt  des  vom  Rathe  zu  stellenden  An- 
trages reiht.  Die  aus  einer  Untersuchung  des  gesammten 
inschriftlichen  Materials  gewonnene  Thatsache,  dass  das  Cha- 
rakteristicum  llocvi  xr^  ßojXt)  /.al  tw  ck^ij-w  fast  ausschliesslicher 
Trabant  der  probuleumatischen  Formel  ist,  so  dass  man,  eine 
einzige  leicht  und  sicher  erkennbare  Art  von  Beschlüssen  älterer 
Zeit  ausgenommen ,  bei  fragmentarischer  Erhaltung  einer  In- 
schrift von  dem  Vorhandensein  des  einen  Stückes  mit  vollster 
Zuverlässigkeit  auf  das  andere  schliessen  kann,  dass  hingegen 
mit  dem  Merkmal  loozt  tw  B-i^p-w  die  probuleumatische  Formel  in 
keinem  Decret  officiellen  Charakters  und  guter  Zeit  sich  zusam- 
menfindet, ist  ein  Resultat,  welches  ganz  unabhängig  von  der 
Bedeutung  und  Richtigkeit  der  daraus  zu  ziehenden  Folgerun- 
gen staatsrechtlicher  Art  von  Seiten  der  Inschriftenkritik  vollste 
Berücksichtigung  in  Anspruch  nehmen  darf. 

Ich  stelle  zum  Beweise  dieser  Sätze  hier  I.  die  Nummern 
jener  Inschriften  zusammen,  welche  nach  dem  charakteristischen 
Merkmal  in  den  Präscripten  als  Volksdecrete  anzusehen  sind, 
dann  II.  die  probuleumatischen  Decrete^  und  zwar  a)  die 
vollständig  erhaltenen,  welche  neben  dem  charakteristischen 
Merkmal  in  den  Präscripten  die  probuleumatische  Formel 
aufweisen,    b)  jene  wo    der    trümmerhafte    Zustand    der  Steine 


604  Hartel. 

nur  so  viel  zu  behaupten  gestattet,  dass  auf  das  erhaltene 
Kennzeichen  sco^ev  vfi  ßouXvj  xal  to)  o-q\jA<)  in  den  Präscripteu  die 
probuleuniatische  Formel  gefolgt,  oder  c)  der  erhaltenen  probu- 
leumatischen  Formel  das  charakteristische  Kennzeichen  vor- 
ausgegangen sein  kann.  Um  das  Material  für  diese  Unter- 
suchung ungeschmälert  zu  verwerthen,  habe  ich  zugleich  jene 
Inschriften  mit  in  Rechnung  gezogen,  deren  fehlende  Präscripte 
durch  die  hie  und  da  voraus-  oder  nachgestellten  Summarien 
H  B0V4H  0  AHMO:^  oder  0  AIIMO^:  und  durch  den  Zusatz 
^z.'Böyßai  (£'];Y;^(!j6ai)  tw  oirii.».([)  ersetzt  werden  und  die,  wenn  sie 
vollständig  wären,  i'oo^sv  ty]  ßouXfj  y.al  xo)  h-qij.o)  einerseits,  anderer- 
seits soo^cv  T(;)  ov;[xw  bieten  würden.  Doch  da  diese  Summarien 
nicht  Jedermann  zuverlässig  erscheinen  könnten,  habe  ich  die 
betreffenden  Inschriften,  wo  c  nur  auf  Grund  der  Summarien 
vorausgesetzt  wird,  durch  ein  Sternchen  *  ausgezeichnet,  so  wie 
jenen  Volksdecreten  o  in  Klammern  beigesetzt,  welche  nur  durch 
ihre  Ocsö/Oa-.  (£'|y](p{(;6ai)  tw  3y]|wp  sich  als  solche  zu  erkennen 
geben  und  auf  ein  einmal  vorhandenes  eBo^sv  tw  Sy^ixw  schliessen 
lassen.  Die  Nummern  jener  Volksdecrete,  welche  soo^sv  xw  OYj[j.a) 
und  oeocyßcci  tw  ov^jj-w  zusammen  erhalten  haben,  sind  fett  ge- 
druckt. In  einigen  Fällen  ist  von  den  Decreten,  auf  welche 
sich  die  vorhandenen  Summarien  beziehen,  nichts  erhalten. 

I   Volksdecrete. 

14  (S).  14".  15  (S).  19  (B).  28.  39  (o).  48  (B).  58.  65.  67.  68. 
69.  82''  (o).  108.  115"*.  116.  117.  119.  120  (?).  121.  124  (B). 
127  (3).  142  (3).  143  (3).  145  (B).  149*  (?).  157*.  159"  (B). 
165*.  167.  168,2.  171  (3).  173.  174.  175.  176.  178.  180". 
181.  182.  186,2.  187.  191.  195(3).  201.  203(3).  230,  1. 
231, 1.  232.  233  (3).  234  (B).  238.  240.  243  (3).  247.  249  (3). 
251  (B).  256".  259.  260.  262.  263.  264.  265.  268.  269,  2. 
278.  282  (B).  283  (3).  291  (3).  297.  298*.  300.  301.  302. 
302"  (3).  307, 1.  307,  2.  310,  1  (3).  311.  312.  313.  313". 
323.  324*.  328  (3).  329*.  331  (B).  332.  350  (B).  360  (o). 
381.  384.  390,  1.  392,  2.  408.  413.  414(3).  417.  420,  1. 
420,  2.  425  (3).  431,  1.  432  (3).  448*.  459.  460.  472. 
478,  1  (3).  488  (B).  489.  493.  509  (B).  'AOr-vatov  VI  S.  131. 
S.    134.     S.    158.    S.   269.      Decret  Zeno's    bei   Diogenes 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I.  605 

L.  VII  10  (5).  —  Zu  £'cj;ev  tw  ct^ij^  und  ozczyßxi  -m  o-/i[jaü 
kommt  0  AHMOZ  in  den  Summarien  bestätigend  hinzu 
121.  159^  300  (yj  ßouX^  ist  unrichtig  ergänzt).  311.  390,  1. 
420,  1.  2. 

II.  Probuleumatische  Decrete. 

a)  mit   £§o;£    t^  ßoyX^   xal  xm    o-fnuo    und  der    probuleumatischen 

Formel: 

17^  49.  50.  52',  1.  54.  55.  6i^.  66^  73,  2.  76.  82^  107. 
126.  llö\  180.  190.  305.  316.  319.  325.  331*.  338*. 
373",  1.  2.  377.  407.  421,  1.  423*.  434.  444*.  445*. 
446*.  454.  465,  2.  468.  469,  1.  2.  3.  471,  1.  2.  477^  Mr,- 
vatcv  V  S.  522  (?).  —  Mit  Bo^t  xf,  ßouX^  -/.ai  t<o  o-qjM 
in  den  Präscripten  stimmt  überdies  in  den  Summarien 
H  ßOlAH  0  AHMO:-  316.  454.  465,2.  469,  1.  2.  471,  1.  2. 
477^     'AeY;va'.ov  V  S.  522. 

b)  mit    der    erhaltenen    probuleumatischen  Formel   und   zu  er- 

gänzendem eBo^ev  tyj  ßouA^  y.ai  tw  Btq[J.w  : 
40.  47.  51.  87.  91.  95.  96.  97.  141.  148.  186, 1.  206.  212. 
252.  253.  254.  273\  279^  287.  309.  318.  319.  320.  335. 
341.  Sb2\  363.  374.  376.  380.  382.  383.  387.  388.  395. 
397.  401.  402.  405\  415.  427.  428.  429.  438.  442.  455. 
465.  467,  2.  469,  3.  478,  2.  3.  480  (vgl.  479, 1).  480,  2  486. 
490.  500.  511.  518.  534.  542.  544.  —  'Aev-vaiov  VI  S.  135. 
S.  136.  S.  137.  S.  481  (nr.  3).  S.  486  (nr.  4).  S.  271 
(c  fehlt  in  dem  sonst  vollständigen  Präscript).  —  Die 
Ergänzung  wird  in  einigen  schon  unter  a)  vermerkten 
Fällen  durch  H  BOVAH  0  AHMO^  in  den  Summarien  be- 
stätigt: 331.  338.  423.  444.  445.  446. 

c)  mit  erhaltenem  Bj^ev  ir;  ßoy/.r,  y.ai  ko  cr^xw  und  zu  ergänzen- 

der probuleumatischen  Formel: 

5.  13.  21.  26.  31.   53.  56.  63.  75.  77.  78.  79.  10b\  111. 

130.   267.   270.  280.  303   304.  306.  308.   314.   317.  322. 

330.   336.   389.  416.  421,  2  (?).  433.  435.  436.  437.  439. 

477.   492.   A6y;vai=v  VI  S.  371  (ur.  3). 

In  einigen  wenigen  Fällen  verweisen  wie  bemerkt  die  vor- 
handenen Summarien  auf  Decrete  zurück,  die  nicht  oder  von 
denen  nicht  so  viel  erhalten  ist,  dass  man  eine  Spur  der  anderen 
Charakteristiken  zu  erkennen  vermöchte  und  beruhen  zudem  auf 


606  Hartel. 

mehr  weniger  unsicherer  Ergänzung:  151  ['H  ßojXy;  '0]  Byjijlc;. 
Der  Charakter  des  vorausgehenden  Decretes  ist  nicht  bestimm- 
bar —  166  'H  ßo'jXv;.  Es  ist  zu  ergänzen  '()  or^ij.oq.  Denn  wenn 
die  vorausgehenden  Zeilen  C7r^7a|[i  h  ay.poTciXst,  v.z  Se  t-/jv 
avaYpa(p->;v  t^]?  jrr/A-/;!;  ooüva[[t  tov  laiJ.iav  tcu  o-^|;,ou  .  cpa/j/ai;  iy.  xjwv 
•/.arä  'yr/^i!ji;.|[aTa  avaAiG7.ciJ.£vojv  zm  ot^jj-w  /.xX.^  woran  kein  Zweifel 
sein  kann,  richtig  hergestellt  sind,  dann  konnten  diese  nicht  zu 
einem  Rathspsephisma  gehören.  —  209  ['0  or,\).oq  'IT]  ßouAv-.  Die 
Ergänzung  ist  völlig  sicher,  indem  der  erhaltene  Rest  des  In- 
haltes des  Decretes  die  Competenz  der  Ekklesie  nothwendig 
voraussetzt.  —  219  |Tbv  oeTva]  OivaTov  [-/j  ßouA-*^  y.]al  o  otiIxoc.  Vom 
Decrete  ist  nichts  erhalten.  —  326  [H  ßoJuXfv^].  'O  3-^|ji,oi;.  Für 
die  Evidenz  der  Ergänzung  spricht  die  vorausgehende  gleich- 
artige Inschrift  (Belobung  des  Priesters  des  Zeus  Soter),  welche 
£oo^£  T^  ßouXfj  xai  T(T)  ordAtp  in  den  Präscripten  sowie  die  pro- 
buleumatische  Formel  aufweist.  —  330.  Auf  dieser  ganz  frag- 
mentarischen Epheben-Inschrift  muss  nicht  nothwendig  Frg.  b — e, 
Z.  30  ['H]  ßojA-/^  [y.al  b  ^]fiiJ.oz  [ibv  a]y.cvTic[r/;v]  auf  das  probu- 
leumatische  Decret,  dessen  Protokoll  mit  soo^sv  vq  ßouXf,  y.al  to) 
or,iJAi>  Frg.  rt,  Z.  1 — 7  erhalten  ist,  bezogen  werden,  ebensowenig 
das  Frg.  b — e,  Z.  4  stehende  Summarium  o  crjij.cq  Tobq  £<pr,ßojc.  — 
Das  gleiche  gilt  von  338,  Z.  16  [b  5-^[xoc;  -cbv  |  y.o(j|r^r}]v  j  xov 
Betva  I y.Aiou?  |  [E'j](ovj|jia.  —  340.  Das  zu  dem  dreimal  wieder- 
holten •/)  ßojAY^  5  oi^[j.o?  gehörige  Decret  ist  nicht  erhalten.  — 
367  ['H  ßcuA-r^.  5  5]-^[xoc.  Die  Ergänzung  wäre  sicher,  wenn  Z.  4  in 
[Ti;p]o(7aYaY£Tv  ein  Rest  der  probuleumatischen  Formel  zu  erkennen 
wäre;  diese  müsste  aber  dann  unvollständig  angewendet  worden 
sein,  indem  für  den  fehlenden  Theil  derselben  xbv  oihy.  y.xl 
yprjjjLaxba'.  ■:x£pl  xoüxwv.  '("^IJ-'Q"'  ^£  ^'j;/ßaAA£cOat  xxA.  kein  Raum  ist. 
Dies  so  wie  die  Zeilengrösse,  welche  eine  symmetrische  Ver- 
theilung  der  Worte  v;  ßouAr^  b  z-qj-oc  nicht  gestattet,  spricht 
dafür,  dass  nur  0  AHMOIS  auf  dem  Steine  stand.  —  369.  Es 
ist  nur  ¥  erhalten ;  die  Ergänzung  'H  [ßo'jAv;  '0  of([ji.o;]  ist  wahr- 
scheinlich, weil  T,  ßojAr,  allein  unmöglich  ist  wegen  des  noch 
erkennbaren  Inhalts  des  Decretes.  —  391  geht  das  linke  und 
rechte  Summarium  auf  das  folgende  Rathsdecret,  das  mittlere 
Z.  4  b  S['^ixo(;]  I  xou[c  7:pjjxav[£i;|  auf  das  vorausgehende  Volks- 
decret,  dessen  Schlusszeilen  erhalten  sind.  Vgl.  431,  1.  2  und 
440.      Dass    in    diesen    Beh^bungsdecreten    für    Prytanen    und 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  nrd  Urknndenwesen.  I.  607 

Beamte  des  Käthes,  welche  auf  einem  Steine  vereinigt  zu 
werden  pfleg-en,  das  der  Prytanen  stets  ein  Volksdecret  sei, 
ist  bereits  von  Köhler  (im  Hermes  V  333)  bemerkt  worden. 
—  420,  Z.  57  geht  das  rechte  Summarium  auf  das'  voraus- 
gehende Volksdecret,  das  linke  yj  ßouAY;  |  5  c^iao?  |  toIic  -xTox;  | 
-:(yjc  iXiUÖe  pou;  xal  xbv  |  SiSäaxaXov  |  auTw[v  -  -  auf  ein  nicht  er- 
haltenes probuleumatisches  Decret.  —  451  'H  ßouXr^  |  ö  B^[j.oi;  \ 
BÜTTay.cv  nüppo'j  |  Aaijxzpeoc.  Von  dem  Decret  sind  nur  die  Schluss- 
zeilen erhalten. 

In  einigen  wenigen  Fällen  widersprechen  die  Summarien 
der  regelrichtigen  Anwendung  oder  scheinen  es:  159''  beziehen 
sich  '0  5v;;j.2c  und  'H  ßcuAy;  nicht  auf  das  vorausgehende  Volks- 
decret; dagegen  spricht  die  Stellung  und  Trennung,  indem 
b  cTiiJ.oq  in  einem  imd  -^  ßo'jAv;  in  einem  anderen  Kranze  stehen. 
Vielmehr  gehört  o  o-qj.oq  zu  dem  vorausgehenden  Volksdecret,  rj 
ßouXrj  zu  einem  verlorenen  Rathspsephisma,  —  425  widerspricht 
'H  ßojXr;  [-  Oayjipav  der  im  Decret  vorgenommenen  Ergänzung 
Z.  2  CcScyOa'.  t(o  By^ixw.  Aber  nichts  verböte  $co:/6at  t-^  ßouA9) 
einzusetzen,  wenn  sich  das  Summarium  auf  das  vorausgehende 
Decret  und  nicht  auf  ein  anderes  verlorenes  bezöge.  Das  ist 
aber  durchaus  wahrscheinlich,  da  in  dem  erhaltenen  die  Pry- 
tanen belobt  werden,  das  Summarium  aber  auf  eine  bestimmte 
Persönlichkeit,  den  Ta;xia;  oder  Ypaij.p-aTSj;  derselben,  sich  zu 
beziehen  scheint.  Die  Belobungsdecrete  der  Beamten  der  Pry- 
tanen sind  aber  in  der  Regel  Rathspsephismen.  —  454.  Das 
mittlere  Summarium  geht  auf  das  verlorene  Belobungsdecret 
der  Prytanen  ['0  s-^;j.c;  |  ts]'jc  j  [tsjJtx  [vJs'.c  und  an  seiner  Her- 
stellung ist  nicht  zu  zweifeln.  Das  rechte  aber  'H  {ic[Ar,  \  'A[toX]  - 
Ao[^a]|v[-^v]  n£pYa'cY;6i[v],  in  welchem  für  die  Einfügung  von  5 
zT,iioc  kein  Raum  ist,  muss  auf  das  folgende  probuleumatische 
Decret  bezogen  werden,  in  welchem  der  Schreiber  Apollophanes 
und  der  xy-iüoc:  belobt  werden.  Wir  werden  also  hier  einen  Fehler 
anzuerkennen  haben,  der  aber  in  dieser  Art  von  Urkunden,  wie 
sich  noch  zeigen  wird,  am  wenigsten  befremden  kann.  —  465, 
Z.  59  lautet  das  dritte  Summarium  6  c"^[iJ.o;  xoj'j;  £9r,[ßoj;  |  y.alj 
Tov  %o[7[rr,rr,v],  an  dessen  richtiger  Herstellung  niclit  zu  zweifeln 
ist.  Dasselbe  gehört,  wie  leicht  zu  erkennen  ist,  zu  dem  nicht 
erhaltenen  Decret  der  Gemeinde  Salamis.  Auf  anderen  In- 
schriften steht  genauer  o  s^p.o;  b  iaAaiJ.'.v(wv   to'j;    i^r^ßouc   y.al   xbv 


608  Hartel. 

y.oGi^/OT-'iv,  wie  467  Z.  58.  470  Z.  83;  ungenau  wie  465  ist  471 
Z.  100.  Wo  uns  aber  das  salarainische  Decret  erhalten  ist,  hat 
es  probuleumatische  Form,  so  469,  75  fF.  470,  53  ff.,  wie  auch 
das  einzige,  ausserhalb  der  Epheben-Inschriften  auf  uns  ge- 
kommene Decret  derselben  Kleruchie  594.  Es  kann  sein,  dass 
mit  Rücksicht  auf  die  fremde  Gemeinde,  deren  Decrete  hier 
mit  athenischen  vereinigt  waren,  der  Ausdruck  6  cy;[j.o;  gewählt 
wurde.  —  467  sind  die  Summarien  rj  ßouXr]  -/.od  b  o^jaos;  insoweit 
correct  und  verständlich,  als  sich  das  zweite  und  das  dritte  auf 
das  erste  und  zweite  Decret,  welche  beide  die  probuleumatische 
Formel  aufweisen,  beziehen ;  aber  in  ihren  Präscripten  steht 
unrichtig  £5o;ev  xm  ori\).t,),  und  auch  die  die  Belobung  der  Meister 
enthaltenden  Summarien  Z.  148  ff.  sind  im  Widerspruch  mit  dem 
Charakter  des  ersten  Decretes,  auf  welches  sie  sich  beziehen.  — 
469  ist  das  erste  Summarium  Z.  44  6  5^[j-o;  -bv  ■Aoc[rr,[Triv]  |  0£5- 
Xaptv  y.xX.  gegen  die  Regel,  die  drei  anderen  entsprechen.  Wahr- 
scheinlich aber  ging  vor  denselben  eines  unter  den  Händen  des 
Steinschreibers  verloren ;  unter  dieser  Voraussetzung  erhielte 
man  folgende  symmetrische  Anordnung: 

['H  ßouX-rj]  '0  ofiij.oc  'H  ßouAYi        ['H  ßouX]t)  '0   B-?iiJ,[o;] 

[tov  x,0!7[j/r(-r)v]    xbv  y.o(7[;/^[rf,v]    5  3'^[j.oc  [tov  y.oz^ij:r,Tr,v    xbv  /.3ajj,r,TY;v 

[öeoy^apiv]  0£3-/apiv  toIi.;  e<fi,{io'jq  [0£i/api]v  [öeiyajpiv 

und  1  +  2  sowie  4  -)-  5  bezögen  sich  auf  das  zweite  Decret 
Z.  49 — 74,  das  mittlere  dritte  aber  auf  das  erste  Z.  1 — 43. 
—  470.  Es  gilt  dasselbe,  was  über  467  bemerkt  wurde.  Den 
correcten  Summarien  (1.  2)  -q  ßouX-l]  y.al  5  c-^i^-o;  entspricht  das 
falsche  Merkmal  in  den  Präscripten  der  beiden  ersten  Decrete 
eSo^ev  TW  oriiJ.o).  Die  probuleumatische  Formel  bestätigt  die  Richtig- 
keit der  Summarien.  —  471  ist  Alles  in  Ordnung,  wenn  man 
das  vierte  Summarium  ['0  o]-?;[xo;;  tov  y.oc7irr,Tr(V  |  A'.sv'j(jio[v]  auf 
das  verlorene  Decret  der  SaJaminier  bezieht.  Die  vorausgehenden 
Urkunden  zeigen  alle  Merkmale  probuleumatischer  Decrete  und 
damit  stimmen  die  übrigen  Summarien  sämmtlich.  —  473 
halte  ich  die  Ergänzung  ['H  ßo/At;  6]  Qf,\j.oz  \  ibv  as£TY;v  I  DsBiea  | 
ey.  Kepajj.ewv  wegen  der  Raumverhältnisse  für  richtig.  Das  dazu 
gehörige  Decret  ist  nicht  erhalten.  Die  auf  die  Meister  der 
Epheben  bezüglichen  Summarien  sind,  wie  das  hier  der  Fall 
gewesen  sein  mag,  nicht  unmittelbar  hinter  dem  Decret  an- 
gebracht,   zu    welchem    sie    gehören,    sondern    hinter  den  Ver- 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Drkundenwesen.  I.  609 

zeichnissen  der  Epheben  angefügt  wie  330,  Z.  30.  338,  Z.  37. 
340,  Z.  6  (?).  467,  Z.  148  ff.  469,  Z.  128  ff.  »470,  Z.  119  ff. 
482,  Z.  125  ff.  Dieselben  stehen  mit  dem  Charakter  des  De- 
cretes,  wo  dasselbe  erhalten  ist,  bis  auf  467,  Z.  148  ff.  in 
Einklang.  —  481  und  482  zeigen  flagranten  Widerspruch 
zwischen  den  Decreten  und  den  Summarien.  Denn  diese  späten 
Ephebendecrete  sind,  neben  anderen  ein  unverkennbares  Zeichen 
grosser  innerer  Veränderungen,  Rathspsephismen ;  gleichwohl 
steht  auf  dem  ersten  481,  Z.  71  zuerst  richtig  r,  ßouAr;  |  tbv  j 
y.ocixYjT/^v ,    dann    falsch    5    3-?;;xoc  |  xbv  |  v,0GiJ:r,vr,^/    und    482,    Z.    75 

neben  ['H   ßouAJr,  |  TO'jq  |  ^f^  ßoj?    das   unrichtige  '0    3-^[j.[o(;] , 

wenn  nicht  auch  dieses  auf  das  nicht  erhaltene  salaminische 
Decret  zu  beziehen  ist.  —  Wir  werden  daraus  nur  die  Lehre 
ziehen,  dass  in  diesen  späten  Inschriften  Correctheit  der 
staatsrechtlichen  Terminologie  nicht  erwartet  werden  darf.  Als 
Resultat  aber  dieser  Betrachtung  kann  hingestellt  werden,  dass 
die  Summarien  durch  eine  die  Präscripten  überbietende  Cor- 
rectheit des  Ausdruckes  sich  empfehlen  und  weil  ihre  strenge 
Unterscheidung  sonst  unbegreiflich  wäre,  Zeugenschaft  ablegen 
für  den  wesentlichen  Unterschied,  der  zwischen  probuleuma- 
tischen  und  Volksdecreten  bestanden  haben  muss. 

Eine  grössere  Zahl  von  Ausnahmen  bieten  die  Präscripte 
selbst,  indem  in  mehreren  Fällen  wenigstens  nach  den  uns 
vorliegenden  Texten  der  Inschriften  einerseits  auf  'iiozi  t(o  cr,[)M 
und  CöoiyOai  tw  c-^jm  die  probuleumatische  Formel  folgt,  anderer- 
seits auf  score  xf,  {icS/Jf]  y.al  w  or^ixo)  dieselbe  nicht  folgt.  Dass 
von  dem  Steinschreiber  irrthümlich  die  eine  Form  von  c  mit 
der  anderen  vertauscht  wurde,  wäre  zwar  eine  mögliche, 
durch  ähnliche  Thatsachen  der  inschriftlichen  Ueberliefenmg, 
welche  zum  Theil  bereits  bemerkt  wurden,  zum  Theil  noch  zur 
Sprache  kommen  werden,  zu  rechtfertigende  Erklärung.  Wer 
könnte  sich  nach  den  obigen  Betrachtungen  über  die  Bestand- 
theile  der  Protokolle  gegen  die  Annahme  sträuben,  dass, 
wenn  die  Aktenauszüge,  welche  dem  Steinschreiber  in  die 
Hand  gegeben  wurden,  defect  waren  und  einen  oder  selbst 
mehrere  wesentliche  Bestaudtheile  entbehrten,  dieser  nun,  so 
gut  er  es  vermochte,  die  Lücken  füllte  und  beide  gleich  ge- 
läutige Formeln  socHsv  xm  oy^iaw  und  £Oc;£v  vf,  ßojAf,  xal  xo)  or,\xi^ 
mit  einander  vertauschte,  oder  dass  der  der  Unterstützung  und 


610  Hartel. 

Controle  des  öffentlichen  Beamten  entbehrende  Privatmann,  der 
einen  Stein  setzen  liess,  die  Aufschrift  nach  Gutdünken  und 
ohne  die  Exactheit  der  von  Staatswegen  angefertigten  Inschriften 
concipirte?  Dass  gerade  der  Bestandtheil  c  so  gerne  der  Sitz 
von  Fehlern  wurde,  damit  möchte  man  sich  um  so  eher  zufrieden 
geben,  als  sich  uns  die  Unsicherheit  seiner  Ergänzung  hie  und  da 
in  der  vorsorglichen  Freilassung  einer  Zeile  zur  nachträglichen 
Einfügung  zu  verrathen  schien.  Ja  manche  Judicien  könnten 
selbst  darauf  führen,  dass  Inschriftenköpfe,  wie  wir  Aktenköpfe 
Vordrucken  lassen,  in  Reserve  gearbeitet  wurden ;  sollte  ja  nach 
ausdrücklicher  Verfügung  die  Aufschreibung  und  Aufstellung 
mancher  Urkunden  in  der  Frist  von  zehn,  ja  auch  fünf  Tagen 
erfolgen.  Indessen  eine  genauere  Betrachtung  der  Abweichungen 
von  der  Regel  wird  lehren,  dass  wir  es  nur  in  einigen  Fällen 
mit  wirklichen  Fehlern  zu  thun  haben,  deren  überraschend 
geringe  Zahl  gegenüber  der  mannigfachen  Gelegenheit  zu  irren 
nicht  zu  begreifen  wäre,  wenn  nicht  ein  schwer  wiegender  und 
für  den  Kundigen  auch  schwer  zu  übersehender  Unterschied  der 
Decretc  durch  die  verschiedene  Form  des  Merkmals  zu  be- 
zeichnen gewesen  wäre.  Die  anderen  Ausnahmen  aber  sind  von 
solcher  Beschaffenheit,  dass  sie  die  Regel  nur  bestätigen  und, 
weil  aus  ganz  individuellen  Veranlassungen  hervorgegangen,  uns 
in  die  Behandlung  öffentlicher  Angelegenheiten  und  in  die  staats- 
rechtlichen Anschauungen  der  Athener  einen  tieferen  Einblick 
gewähren  als  die  Regel  selbst.  Ich  beginne  mit  jenen  Urkunden, 
welche,  durch  ecoSc  tw  o-qj.M  oder  ozoiyßai  (i'^v^^iaOai)  iw  M^iiu)  als 
Volksdecrete  charakterisirt,  dennoch  die  probuleumatische  Formel 
aufweisen. 


Zunächst  sind  sechs  Fälle,  die  auf  unrichtiger  Ergänzung 
beruhen,  auszuscheiden : 

1)  nr.  348.  Die  sehr  trümmerhaft  erhaltene  Inschrift,  deren 
Zeilenmass  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  lässt,  bezieht 
sich  vermuthlich  auf  die  Belobung  eines  Mannes,  der  sich  um 
die  Sicherheit  und  die  Verproviantirung  der  Stadt  Verdienste 
erworben  hatte.  Die  Präscripten  fehlen.  Z.  19.  20  ist  ein  Rest 
der  probuleumatischen  Formel  erkennbar,  welchen  Köhler  so 
ergänzt: 


'Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  ürkundenwesen.  I.  611 

av   Aaxwff['.  -po£Op£'j£'.v],   Z.  21    [y.a-xj  tov  v6[[jlov]. 

2)  359  ist  von  älmlichev  Beschafienheit  und  Erlialtuug 
wie  die  vorausgehende  Inschrift.     Die  Präscripten  fehlen. 

Z.  6  ff.  [ —  CTCw;  oäv  oOv  xa'  o  S-^[j.o;  savjipb;  sl  /äp'.Ta;  a['::o- 
C'.So'j?  sy.äaTC'.?  a^ijc;  tcöv  susJpYsctöiv,  a.-^x^v.  [vr/ti  Oioi'/Oai  to» 
o-(';[j.(i)  tob;  rposjopo'j;  o'i  (äv  [Xa/cojiv  zpoeopcüsiv  £v  tw  or,[JLw  st? 
TYjjv   [z]pu)r^[v   £y.y,XY;(7(av  y.-X. 

3)  386  ist  von  ähnlicher  Beschaffenheit  und  Erhaltung. 
Die  Präscripten  fehlen, 

Z.   11    ff.   OT.iin;    av    oüv    [-    c   S^|ji.o;  cpai'vYjTJc*.  —  twv]    y-T®"^5T(j)v 

a.rAav9pa)7:a)v    [ c],    ÜYaOsT    Tuy^et    3co6y^[03(i   tTo  3y^(ji.w   xoIk; 

Tcpos^po'j;  o'i  avj   Aaywa'.v  [T:po£B]p£[u£iv  y.-X. 
Titulus   littevis  minutis   et  atoiyr^Sbv    dispositis  exaratus  esse 
dicitur,  hoc  quidem  vix  rede  Köhler, 

4)  421.  Zwei  trümmerhaft  überlieferte  Decrete,  in  welchen 
Miltiades  für  gewisse  Leistungen  aT£A£ta  verliehen  und  der  Weg 
für  eine  weitere  vom  Volk  zu  erbittende  Gnade  eröffnet  wird. 
Das  erste  lautet: 

Z.    2  ff,     [ —  £co;£vJ    T£T    ßoupAcT    y.ai    xm    or,\>.M  '  b    0£Tva ] 

M£AiT£u;  [£?u£v]  —  Z.  10 — 12  — V  ettiteaeTv  aYaÖ£"i  T[6y£i 
0£2:yOa'.  ko  3r, [j.w  xohc  AayjvTxc  ■rpoiopouc  £?]i;  'r,v  iiutoüjav 
£y.y.X'/;[7iav  yp-r; [xaticai  -spi  toutwv,  Yvu),y.-/;v  ok  ;'j]p.ßx"AX£jG3!i  T^q 
ßouA^q  [ei;  tov  S^[j,ov,  Z.  13  [M]'.>vT'.äo£i  ZwiAcj  Mapa6[wv'wJ, 
Z.  14  [r?;;]  £v  KspxjjLSty.to  [ji.'.y.pa.:  ^^[oa;] ,  Z.  15  — ä'.]  31 
xJTw   aT£A£iav  Xüiv  £[?caYO[j.£Vü)v],    Z.  16  --TW  c:'jvypr,aa';0(a'.)  y.a; 

Tot;,    Z.    17.    18    [£?vai    SJI    aütw    y.aOiT;    £7:-/;yy^X[a£tc to 

£up£G6at  ■/.«[  aAAO  ayÄÖcv  zapa]  tqü  or,[j,cu. 

Daran  schliesst  sich  das  zweite  Decret,    offenbar  mit  der 

Z.   17.   18    des  vorausgehenden  Decretes  in  Aussicht  gestellten 

Verleihung,  das  wegen  der  in  den  Präscripten  vorgenomn)euen 

•Ergänzung    [Bo^ev    rr,    ßouA-^    y.al    ~m     or,\>.td]     noch     später    zur 

Sprache  kommen  muss. 

5)  438''.  Ein  trümmerhaft  überliefertes  Ehrendecret  aus 
der  Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  dir.  Die  Präscripten   fehlen. 

Z.  14  ot.'(!xht['.  v'jyti  csosyOai  xTp  cr^iAW  xou;  AayövJTa;  Trpoiopjj; 
£ic  Tr;[v  £::ioj(jav  £y.y,Ar,a{av  yp-r;[j.aTi'5at  •:r£pt]  tojtiov,  -p'***!^''!'''  31 
5['j[i.ijaAA£i6Ä'.  rr,;  ßouA-?;;  tlz  xbv  3r,iji.sv  örtj  zo/.v.  xii  ßo'jAET 
£[7tatv£(;Ä'. y.ai  cT£cpÄ]vcÖ5ai  y.TA, 


G12  Hartel. 

6)  'Aö/jvatov  VI  133.  Ein  Bürj^errechtsdiplom,  dessen  Zelt 
sich  auf  Grund  der  Erwilhnung  des  avxypoc<fE{)q  Z.  18  um  Ol. 
115,1  =  320/19  V.  Chr.  ansetzen  lässt.  Z.  3  ff.  ergänzt  Pro- 
fessor Kumanudis  in  folgender  Weise: 

[ ayaOsT  t6]- 

3  /£t,   hzo[6y^ay.i  tw  dr,ixt>),  Touq  Tupoiopouc  o'i;  ocv  Xj- 

äydiavf  ';cp[o£Bp£6£iv   £?;;  ty;v  TCptbr/;v   £xy.X"/;(jiav] 

■::poGaY«T^^[''        -----        -j 

7rpb(;  Tov   o-^[ji,ov   [xal  7pY)[xaT{aai  7C£pl  auxwv,  Y'^wi^-j- 

Tjv  o£  ^u[j,ßaXX£c-6a[t  tv;*;  ßouX-^g  xtX. 
Dazu  bemerkt  derselbe  mit  Rücksicht  auf  die  von  ihm  richtig 
ermittelten  Ergänzungen  dieser  und  der  folgenden  Zeilen : 
Y(v£Tat  oy;Xov,  otc  sy-olgtoc,  CTiyoc,  üyi  :rox£  ava  38  Ypa[j.|j,aTa,  xXr,v 
i'cax;  £vb<;  c7Ti)^ou,  tou  7',  öaxt?  37  (j,6vov,  cpoc(v£Tat,  e^X^j  «AAa 
Toüxo  Sev  cr-^[j,aiv£t  X0X6. 

In  keiner  der  sechs  Inschriften  steht  irgend  etwas  im 
Wege  die  der  Regel  entsprechende  Ergänzung  C£o6-/0at  t^  ßouA^ 
vorzunehmen.  Denn  ausser  der  letzten  ist  keine  derselben 
genau  cTot/r^oov  mit  fester  Stellenzahl  geschrieben;  von  38G 
wurde  es  behauptet,  aber  von  Köhler  nicht  bestätigt.  Und 
wenn  sie  es  wären,  so  müsste  die  Differenz  um  eine  Stelle, 
welche  ßouX-^t  bei  der  Schreibung  mit  ou  gegenüber  3-^[xon  mehr 
hat,  lieber  auf  eine  bei  den  auf  das  strengste  cTor/'/)3cv  ge- 
schriebenen Inschriften  nicht  ungewöhnliche  Unregelmässigkeit 
innerhalb  der  Zeilen  oder  am  Zeilenende  zurückgeführt,  als 
eine  derartige  Abweichung,  wie  sie  die  Ergänzung  o£o5)r6at  tw 
ov^[jL(o  mit  sich  bringt,  zugestanden  werden.  In  der  an  letzter 
Stelle  mitgetheilten  Inschrift  aber  bringt  die  Einsetzung  des 
richtigen  ßouXr^t  die  dritte  Zeile  auf  38  Stellen  und  befreit 
sie  von  der  kleinen  Unregelmässigkeit,  welche  sich  mit  Ku- 
manudis' Ergänzung  einschlich.  Ueber  derartige  Unregelmässig- 
keiten vgl.  übrigens  CIA.  I  nr.  8,  Z.  12.  22^  Z.  13  (Kirch- 
hoff Supplem.  S.  8).  II  nr.  121,  Z.  16.  23.  35.  37.  162,  Z.  18. 
312  u.  s.  w.  und  die  Bemerkungen  Böckh's  Staafsh.  11-35,  Kircli- 
hoff's  im  Philol  XIV  577,  in  den  Abh.  d.  Berl.  Ak.  1864  S.  49, 
Köhler's  im  Hermes  II  24.  27,  V  18.  344.  348,  R.  SchölI's 
ebend.   VI    31. 

Dieselbe  unrichtige  Ergänzung  ist  auch  noch  an  einer  an- 
deren  Stelle    vorgenommen    worden,    in    einem    unzweifelhaften 


i 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  ürltundenwesen.  I.  G13 

Rathspsepliisma,    in    welchem   der  Rath  seinen  Txjv.fa;  und  Ypxp.- 
[j,aT£u;  belobt,  nr.  440,  Z.  5  fF.: 

'Ettc  EuTToXei^.ou  ap-/ovT[o!;  et:!  xf^q  —  i'5o;  -  -  c  '^p'^]- 
Tavctaq,  fj  ixpaxiviy.o;   1 2iTpaTOviy.o'j  'A|j,a^avT£'j;  £YP*]~ 

[jL[j.aT£U£v  •  ßouA'^;  tj/-r^i5ts[j,[a  -  -  wvo; i  tsxa]- 

[[^.Jivo'j,   £[y.]T£'.  xr,c  7:p'JTav£[iag  •  ßo'jXy;   iv •  twv] 

TTposopwv   i'ze'lir,<i{Ctv  Uot. 

10  [y.al  c7U[jL'::pi]£[cp]ct  •  [TjY)A£c;[avr,; £-.]- 

[ttcV  •  eTTcts-})  0'.  TrpuJTävctc  x[f,z  —  i'^oq  <fukr,q  e^atve]- 
[cavTc.;  y.ai  cT£sa]va)[c|avT[s;  «Trocpaivouct  r?)  ßouArj  xbv  ta]- 
[[At'av  Sv  sTXovTO   £^]   £auTU)[v  'ATCoAXöotopov  y,ai  xbv  Y?3:iJ-[Ji.3:T£a] 

[ xä;  G'ja]ta[(;]  'C£Ouy.£[vai  Tracac  xac  y.aO'^y.ouaa;  u-£p] 

[r?;;  ßo'jAy;^  xal  to]ü  crjxou,  £7:[ii/£;/£Ar^s6a'.  §£  y.al  tcov  «AAtov] 
[xaAw?  y.al  9t]A[o]Tip.[a)c]  •  a[Ya6£T  rj"/£t  BcCoyOai  tw  i'/^lJ.';)  i'^j- 
[atvio-at  xbv  Tafxi'av  'A':rjoAA6[o](o[pov  y.TA. 
Die  starken  Ergänzungen  stehen  durch  die  gleichartigen  De- 
crete  nr.  431  und  454  völlig  sicher,  bis  auf  jenes  c£oö/Oa'.  tm 
cr,\jM)^  wofür  nr.  431  das  Richtige  an  die  Hand  geben  konnte; 
denn  dort  steht  Z.  40  ff . : 

[- -  ayalfifj    t[Ü'/£;    C£02/J6ai    xti  ßouX£'i,    £7:aiv£[c]at    tbv   Ta|i/.']av 

[l[aTpoy.Ar,v [lioJuvtEa  y.al  tbv  Ypa[jL[x[aT]£a  'A7:oAA09av['riv  'AttoaJ- 

A05[avou?  Kr,TTi]ov  y.tX. 
Denn  beide  sind  als  Rathsdecrete,  440  durch  den  Zusatz  in  -den 
Präscripten  ßouA-^c  <]^r(Cptc[ji.a,  beide  durch  die  Summarien,  nr.  431 
überdies  noch  durch  die  theil weise  erhaltenen  weiteren  Zusätze 
in  den  Präscripten  Z.  30  ßouXv)  £[v  ß]ou[A£'jTY;pi(o  y.al  ey.]  toü  ßoo- 
A£UT-/;p{c'j  £v  TM  'Ea£[u]siv((|)  uud  [£Oci]^£[v  teT  ß]ouA£T  charakterisirt. 
Hingegen  ist  nr.  454  ein  probuleumatisches  Decret  mit  allen 
wesentlichen  Merkmalen  (Z.  11  i-Av.\r,ziy.  v.jpiy.  iv  t(o  0£aTpo), 
Z.  13  [£oo;j£v  r^  ßcuA'^  y.al  tw  o-(][j.o),  Z.  22  ciozyjixi  x^  ßs'jAf,  xob; 
Xaydvxac  TrpoiBpsj;  /.XA.)  eines  solchen.  Wenn  dasselbe  wirklich 
nicht  mehr  enthielt  als  nr.  431  und  440,  so  liefert  es  ein  be- 
achten swerthes  Symptom  für  die  Vermischung  der  staatsrecht- 
lichen Competenzen  des  Rathes  und  der  Ekklesie,  worauf 
schon  Köhler  kurz  aufmerksam  machte:  in  reliqids  eiusdem 
generis  monumentis  senafus  soliis  decernit  honores  quaestoris  et 
scnhae  prytanum. 

Hingegen  gehört  Bo^v/  x(o  cy-ij.«.)  dem  ursprünglichen  Con- 
cept  auf  folgenden  Inschriften  an : 


614  Hartel. 

7)  467.  In  der  wohl  erhaltenen  Ephebeninschrift  hat  das 
erste  auf  die  Belobung  der  Epheben  und  ihrer  Lehrer,  so  wie 
das  zweite  auf  die  Belobung-  des  Kosraeten  bezügliche  Decret 
in  den  Protokollen  i'oo;£v  tm  5y-[;.w,  beide  aber  die  gleichlautende 
volle  probuleumatische  Formel  otoöyßxi  t^  ßsuA-i^  touc  hayövxa: 
-^rposBpou;  xt/..  Z.  44  ff.  und  Z.  96  ff.  Zu  beachten  ist,  dass  in 
dem  ersten  Decret  i'oocsv  tw  Zr,iJ.M  Z.  4  durch  ein  Spatium  von 
drei  Buchstaben  von  dem  vorausgehenden,  durch  ein  Spatium 
von  vier  Buchstaben  von  dem  nachfolgenden  Wort  getrennt 
ist.  In  dem  zweiten  Decret  aber  ist  soo^sv  xw  By^[;.w  Z.  69  von 
dem  vorausgehenden  tjJiJ.Trpssopo'.  durch  einen  leeren  Raum  von 
15  Buchstaben  geschieden  und  hinter  ihm  ist  die  Zeile  bis  zu 
Ende  auf  einen  Raum  für  etwa  28  Buchstaben  unausgefüUt. 
Es  würde  daraufhin  die  Annahme  nicht  unmöglich  erscheinen, 
dass  die  nachträgliche  Einfügung  eines  unwissenden  Stein- 
schreibers den  Irrthum  verschuldete,  und  dies  um  so  weniger 
als,  wie  S.  608  bereits  bemerkt  wurde,  zwar  nicht  die  Z.  148  ff"., 
wohl  aber  die  unmittelbar  am  Schluss  des  ersten  Decretes  bei- 
gefügten Summarien  (2  und  3)  die  richtige  Signatur  'H  ßojXr, 
y.at  6  S-^p-oc  touc  £'f</ßou;  und  r,  ßouX'};  y.xl  c  or,\j.oz  ibv  •/.0(7iJ.r,rr,v  Ti'[j.(i)va 
BouTa5r,v  aufweisen.  Auch  ist  nicht  zu  übersehen ,  dass  im 
zweiten  Decrete  schliesslich  zu  Gunsten  des  Kosmeten  be- 
antragt wird  Z.  102:  sTvai  Ss  auTto  [y.al  aXXo  aYaObv]  eiiphdy.'.  -[apa 
t]ou  5'/^[j.ou  ctou  av  Bov,^  oi^ioq  sTva'. ;  denn  es  ist  dies  ein  weiteres 
unter  gewissen  Umständen,  die  später  im  Zusammenhange  er- 
örtert werden  sollen,  ziemlich  sicheres  Kennzeichen  probuleu- 
matischer  Decrete.  Aber  es  bleibt  zu  bedenken,  dass  die  Inschrift 
dem  Anfang  des  ersten  Jahrhunderts  v.  Chr.  angehört,  also  einer 
Zeit,  in  welcher  die  Grenzen  der  Competenzen  zwischen  Volk 
und  Rath  allgemach  zu  schwinden  beginnen  (s,  o.  S.  575)  und 
was  von  richtig  angewandten  Formeln  sich  noch  observiren  lässt, 
nicht  auf  lebendigem  Gebrauch,  sondern  auf  zäher  Tradition 
beruht;  ferner,  dass,  wie  die  uns  vorliegende  Verbindung,  der 
Ephebendecrete  nicht  von  Staatswegen  veranstaltet  wurde,  so 
auch  die  Aufzeichnung  der  einzelnen  nicht  von  einem  öffent- 
lichen Beamten  überwacht  worden  sein  wird,  und  diese  mithin 
nicht  jene  Correctheit  bis  in's  Detail  verbürgen  können,  welche 
wir  von  eigentlichen  Staatsurkunden  zu  fordern  berechtigt  sind 
und  an  ihnen  auch  nicht  vermissen.    Dieselben  Fehler  wieder- 


Studien  über  attisclxes  Staatsrecht  uinl  UrVnndenwesen.  I.  Gl 5 

holen    sicli    in    dem    ersten  und  zweiten   Decrete    der  jüng-eren 
Ephebeninschrift 

8)  470.  Aber  auch  hier  wird  das  falsche  'izoze  tco  or^^i^.o) 
in  den  Präscripten  durch  r,  ßcuAY]  c  Br;[xo;  in  den  Sununarien 
einigermassen  berichtigt. 

9)  315  Z.  1  ff.: 

[E-]\  M£V£7.A£C'Jc  äpyovTs;  ez;  rr,:  Ilavo'.ovio  [c;]  o[Y]o=r,c  Trp'JTa- 
vsiac,  ft  öcÖGwpo;  AuctOsou  |  [Tpty.opjüj'.o;  i'(poi.[>.[jAxejVK  'AvOiJxr,- 
p'.wvc;  I  [v/i:  y.Jal  via  •  iv.v.Wr^ziy.  •  twv  ::pc£op(.)v  £::£'W,9  [u£  .... 
o](i)poc  Sxjct.[j.3.yzj  E'jwvjp.cli;  y.al  c7'j|[v-p:£op]o'.  '  £Ooq£v  tw 
SY;,ato  •  KxAAisTpaTo  [c  FAajjy.ojvoc  Kpw'TriB-/;:  5T7:£v  • ':r£pl  ojv  a'r^av- 
Y£A  [Xo'jJtv  ojl  £7:'.[j.cAr('cai  töjv  [rjsrr;piiov  •j'irEp  r^  [c  Ouci'a;]  :^7  i'Ojsav 
£v  ToT[c  7rp]bc  'ÄYpav  [i.'j!:rr,p|[{oi;],   äy^iÖs^  U)y^£t  B£ocy_0at  tcT  ßo'jAsT 

TOu|[c    '::p]o£B[po]'JC    S'l    av     Aäy(OCtV     7:pO£Op£'J£'.V     £V     T(i):[l     cy^[/.(«)     £1]? 

Tr,v    iTT'.oijjav    iy.y.Ar^siav    -poc:3:Ya|[Y£T]v    aüropjc]    7rp[b|q   tbv  o^[ji.ov 
y.al  /pY;;j.xT{sa'.,    Yli"'^'^!-''''"*]'''   ^^    ;'j[x[,'i]a/>A£sOx'.    r^;    ßs'JA'^i?    ^i;   tov 
oy;  [[J.ov],   '6v.  'boY.eX  TcT  ßcjAiT,   xic  [;,£v  itY^Öic  0£y£sO[a'.]  ty]v  ßouATjv 
y.al  Tov  o^;j.ov   a  ©aaiv  Y^Y^viva  [i  ijv  toT;  '.£poI;  y.T/.. 
Es  folgt  dann  die  Belobung  der  Epimeleten  der  Mysterien  und 
die  Verordnung  der  Aufstellung  dieses  Ehrendecretes  im  Eleu- 
sinion.    Was  das  Jahr   des   Archon   Menekles  betrifft,    so  setzt 
ihn  Dittenberger  im  Hermes  II  299  ff.  Ol.  124,  2  =  283  2  oder 
124,  3  =  282/1  V.  Chr.,  womit  Köhler  S.  141   zu  nr.  316  über- 
einstimmt.   Derselben  Zeit  gehört  ein  Decret,  welches  an  den 
gleichen  Fehlern  leidet: 

10)  352^  (S.  426),  Z.  1  ff.: 

K~'.  A'.OY^'-'fOvoc  äpyovTo;  stcI  Tr^c  \T,[j:r,zz'. xooz  oo)Oty.y.rr,c  TpjTav£(a;, 
•fj  öccooxo;  (:)£05rA0'j   Ki'.p'.äsr,;  syP^I-'-I-''^'^^'-'^''  "  ^"/-'poc'Op'.wvo;;  b'(o6v. 
[>.tz'   c'.y.äoar  •  iy.Y.KTfZ'.y.  y,'jp'!a  •  twv  7:po£opojv    i7:i'lir,o\.'^vf    A'.iswpoc 
'K-'.yapou  Kozpstoc   y.a;  7j;j.T:pc£o[p]o'.  •  £oo;£v  tö>  or,iJA<):    !Ay.p2- 
T'.;j.oc    Aia/Jo'j  'ly.ap'.£'jc    £{-£v  •  £-£'.M^  zaTp'.iv  £7T'.v  toT;  latpoT;  cao'. 
or,;j.ccr'.S'jO'J(Jcv    Ojc-.v    -(o  \\TAKrtTM<)    xal   t£T  'VY'.£''a  See  toj  iv'.ayxo'j 
■jT.ip  -z  ajTwv  y.al  twv   7(o;j.äT(ov  wv   £>ca7Tc;'.    '.asavio,    aYaO£'i  x'jx£'. 
Itoiyßy.'.    Til   ßo'JAsT,   toj;  zpoEopoj;  i'i  av  hiyMzv/  zlz  v'r,'/  £-to'j(jav 
£y.y.Ar(7'!av  ypr,i/ax'!7a'.  -£pl  tjjkov   sv   •.£pou,  Y''t»>M'''i''  ^s  xta. 
Man    kann    bei   diesem    Alter  beider  Decrete    nicht    wohl 
annehmen,   dass  das  volle  Bewusstsein  der  Bedeutung  der  ver- 
schiedenen  staatsrechtlichen  Formeln  nicht  mehr  lebendig  war. 
Da  auch  die  öffentliche  Aufstellung  des  ersten  der  beiden  Decrete 

Sitiuugsber.  d.  pliil.-liist,  Cl.  XC.  Bd.  lU.   Htt.  "t^ 


616  nartel. 

wenigstens  durch  den  Prytanienschreiber  nach  dem  Wortlaut 
desselben  feststeht,  Aväre  man  geneigt  an  einen  Fehler  des  Ab- 
schreibers zu  denken,  der  r^  ßouXfj  xal  ausliess,  was  man  diesem 
um  so  eher  zutrauen  wird,  wenn  derselbe  noch  für  eine  zweite 
Lücke  in  dem  Protokoll  verantwortlich  zu  machen  ist,  indem 
der  Tag  der  Prytanie  hinter  dem  Monatstag  übersprungen  wurde. 
Allein  diese  zweite  Lücke  findet  sich  in  beiden  Decreten.  Es 
wäre  ein  merkwürdiges  Spiel  des  Zufalls,  dass  bei  gleichartigen 
Decreten,  welche  an  jenem  grösseren  Fehler  leiden,  dieselbe 
Schreibersünde  sich  sollte  eingeschlichen  haben.  Nun  ist  seit- 
dem die  Beifügung  des  Monatstages  (h)  üblich  geworden,  der 
Tag  der  Prytanie  (g)  ein  so  regelmässiger  und  nothwendiger 
Zusatz  des  Protokolles,  dass  nur  drei  Li  Schriften  mit  vollstän- 
digen Präscripten  ihn  nicht  haben ,  238.  244.  439 ;  denn  in 
231,2.  241.  280"  ist  die  Ergänzung  unsicher,  401  ahif  und 
481,1  (akhif)  sind  die  Präscripten  von  Haus  aus  ganz  un- 
vollständig. Und  von  diesen  drei  ist  mindestens  244  noch  in 
anderer  Hinsicht,  wie  wir  früher  sahen  (S.  593),  privaten  Ursprungs 
verdächtig.  Wir  wollen  uns  mit  den  bescheidensten  Folgerungen 
aus  diesen  Thatsachen  begnügen,  dass  Decrete  von  so  zweifel- 
hafter Exactheit  nicht  geeignet  sind,  eine  sonst  wohlbezeugte 
Thatsache  irgendwie  zu  erschüttern  und  etwa  zu  beweisen,  dass 
auch  mitunter  Bo^sv  xw  oriixo)  in  den  Präscripten  der  probuleu- 
matischen  Formel  vorausgehen  konnte. 

Es  wird  wohl  kein  Zufall  sein,  dass  die  meisten  Defecte 
und  Mängel  selbst  solcher  Urkunden,  deren  Ausfertigung  einem 
Rathsschreiber  oblag,  auf  Inschriften  getroifen  werden.  Avelche 
Belobungsdecrete  von  Priestern,  Aerzten,  Prytanen  enthalten 
und  die  nicht  avif  dem  feierlichsten  und  öffentlichsten  Platze 
Athens,  auf  der  Burg,  sondern  an  der  Oeöentlichkeit  mehr 
entrückten  Orten,  in  Tempelbezirken,  im  Eleusinion,  Asklepieion 
oder  sonst  wo  aufgestellt  werden  sollten. 

Coniplicirter  sind  die  Verhältnisse,  welche  die  abweichende 
Formulirung 

11)  der  Inschrift  409  erklären.     Sie  lautet  Z.   1  iF. : 

[twv  "irposopcov    eTcsd/'/^i/tuSv  6  othy. /.jal    Gu^iJ.-Tzpztzpo'.  '  looSsv 

Tw]    0'/]ix(o[i  •  c    ocTva    —  ]paT3'j    Aa[j.[';:Tp£u;    eiTTSv  •  üj-sp    <ov    o'( 
TE    c^xpxTrf^[o\    AiY0'j]c7'.v    7.at    b    c-?;j;.o[c    £'i;v]j''.(7-a]i     (?)     •rrpsjßiiav 
a c!  ToTc  £U£pYiT[ '/]pv.ixq  'Tzxps.cyr,  —  otmq]  (3cv  y.upt«'. 


& 


Studien  über  uttisclies  Staatsrecht  iiml  Urkuntlenwesen.  I.  (31  i 

od  c(ji)p[cal  (i)7'.v|,    yi'(y.(ifi  rJy-f]   o£[oc)(oa'.  -f,  ßsj'JAr,  toIi;  7:poi[opo'jq 
oTt'.Vcc]    «v  Aay_o)7tv   7:po[£ops6s'.v    slq]   ty;v    syaXr^aiav    ["/pr,[j.aTiffai] 

CTt  o[ci/.£'i  rfi  ßouAYj,    s-rrJÄ'.vs^a!   Ms tcj   llxpi3!v[bv   /.ai 

-jvaüxo'j    [  .  -  —  y.y.\ ]    llaptavbv    /,[at Jojto'j    'O/.jv- 

[O'.ov  xai Najoopd'xou 

Einiges  Licht  fällt  auf  dieselbe  durch  die  Inschrift  126, 
auf  welche  wir  genauer  an  einer  späteren  Stelle  zurückkommen. 
Hier  nur  so  viel.  In  beiden  Fällen  war  nämlich  ein  Volks- 
beschluss  vorausgegang-en,  welcher  den  Kath,  vielleicht  unter 
gewissen  Voraussetzungen,  die  sich  inzwischen  erfüllt  hatten, 
ermächtigte,  einen  Antrag  zur  Verhandlung  und  Abstimmung 
vor  das  Volk  zu  bringen,  was  nur  in  der  Form  eines  probu- 
leumatischen  Decretes  gesciiehen  konnte.  Auf  jenen  Volks- 
beschluss  bezieht  sich  I2(i  unverkennbar  schon  durch  die  sonst 
ganz  unerhörte  Form  von  c :  'ioozi  t(o  c-/^|ji.(;)  xat  ty]  ßojAf,.  Dieselbe 
Foi'mel  ist  in  unserer  Inschrift  wegen  der  Raumverhältnisse 
kaum  herzustellen ;  aber  es  scheint,  dass  mit  soocs  T(o  oV;ij.'>)  hier 
dasselbe  wie  dort  durch  die  ungewöhnliche  Stellung  ausgedrückt, 
dass  dadurch  auf  den  vorausgegangenen  Volksbeschluss  hinge- 
wiesen werden  sollte.  Uebrigens  ist  die  Inschrift  in  einem  anderen 
Punkte  einzig  mangelhaft:  es  heisst  in  der  probuleumatischen 
Formel    zlc   ty;v    iv.v.Kr^'j'.y.v   statt  s'.c  Tr,v   stt'.oDsxv   iY:/.\r,ciyM. 

Eine     unter     keinen     der     bezeichneten     Gesichtspunkte 
fallende  Ausnahme,    die  zunächst  als  solche  anerkannt  werden 
zu  müssen  scheint,  bietet 
12)  331  Z.   1  ff.: 

Ty.[jJ.xz  7-:pa'na)[x'.'/.oüv] 
FJjpj7.\zior,z  Mr/.twvoc  [K-^jötcisuc]. 

['Ej::';  A'.o;j.£oovToc   äp-/ovTcr   a::!  vr,z  [ coq  otY.irqc  -pj- 

■jTaviia;,  f,  (l^opjzvJ.rr,:  'Apiaxoi)Avo'j  A[ r;paiJ.[j.ä]- 

[-rsj'jsv  '  'KAasr^ßoA'.wvo;  ivs;  y.xl  via  i[j\yto'/J.[JM i  tj- 

[f,q]   Tzp'jzot.'/ziac,  •  iv.y.'kr^v.y.  ■  twv  ■::po£opo)v  £['aS'Vf,c.'.!^£v ]- 

.  .  xToc  TcAsaivoj  'Ep-/'.s[u:  y.]x;  z'j\\).~pbilpy.\  ' 

£  0  0  ;  £  V  T  0)  oi,  II.  (i)  • 
|9£]iir^;j.oc  Tt;j.oy,A£0'j;  MzpzOwv.o;  £'-£[v  •  ztm:  av  xpr,;AäT(i)v] 
JTcJsp'.crOIvTcov   £/£[  0  '.y.[>.'.Oiq  ii,£p('C£'.v  Tic   [o£cix£va,  Tvx  y.xia  to]- 
[v  y,]Ä-x/>0'.-cv  -/p:v;v  toü  ivia'JTO'j  s'jvy.[o[J.'.uOro':'.v  ci  £X  Y^;?] 
[y,Jap-ol  ;a£t'   a^^aAS'lac  •  a7aO£T  tj/£'.   z.z[oiyj)-x'.  rr,   ßouAS^J 

40* 


618  Ilartel. 

[t]c'j;  \ot:/övx'j.z  TTposopouc  £t?  ty)v   £'ä'.oij[c-av   iy.'/Xrfliy.v  -/p-rjix]- 
[aJTiiai  ■rrspt  toütwv,  y''''*>H-'1^  ce  gj\x'^£kkz\ai)ci.\  xr^q  ßouX^<;,   5n] 
Bo/.e'i  T^  ßouAcT,  Tob;  ßouXoijivoi);  xwfv  tioAitwv  xal  twv   aX]- 
A(i)v  TÖv  O'.xouvTtov  £v  TY)  TcsXci  £TCioicd[vai  £1;;  TYjv  c(orr)p(a]- 
V  T^i;  TOA£W?  %ca  TYjV  ouAaxrjV   tyj;  x^P'''?  £[7uaYY2rAac6ai   tcT  ß]- 
ouXcT  •5^  Trpbc  touc  o-tpar^vouc  a'jroYpä(J>a[s6at  ivVo;;  [j//]vbc  Mo]- 

UVl/UOVC?'    [XY]    £^£(7X0)    OS    [/.TjOcvl    £7r'.OCijV3:[l    7:A£CV  H  H    opa}([j.äjv] 
[JL'/jo'    TAaTTOV     F'    y.TA. 

Es  folgt  noch  die  Verheissiing  von  Belohnungen;,  die  Verfügung 
über  Aufzeichnung  des  Beschlusses  und  der  Namen  derer, 
welche  einen  Beitrag  geleistet  und  über  die  Aufstellung,  dann 
heisst  es 

Z.   27  xb  Be  d^7][a;iqj-a  t6o£,   £7:£[0y;] 

7U£pt  TTOpou  /pr^p-aTtov  £ct1v   aTpaT[a)Tty.w[v,  £ivat  a7:av  dz,  (fu]- 

XaxYjv  T^?  y(i')pa?. 

OtSe    £Tr£oa)y.av    Eiq    tyjv  c(j)[r/;p{av  t^;  7:6]- 
\zis)q  y.al  r})V  ®u7^ay.Y;v  x-^<;   [xt»>p*?  ■''-3:i;3(  xb] 
'>/^cpiffp.a  xou  ov^[j-ou. 
Dann  folgt  das  Verzeichniss  der  Zeichner  und  der  gezeichneten 
Summen. 

Man  entschliesst  sich  ungern  dazu,  einen  so  schweren 
Fehler  im  Protokoll  eines  Decrets,  dessen  Aufzeichnung  aus- 
drücklich dem  Staatsschreiber  übertragen  wird,  anzuerkennen, 
und  auf  Flüchtigkeit  oder  Unkenntniss  zurückzuführen.  Allein 
dass  selbst  officielle  Concepte  hie  und  da  die  Sanctionirungs- 
formel  nicht  aufgenommen  haben,  sahen  wir  früher  und  ver- 
mutheten,  dass  der  intelligentere,  den  Defect  bemerkende  Stein- 
schreiber in  einem  solchen  Falle  eine  Zeile  zur  Ergänzung  frei 
Hess.  Auch  hier  occupirt  £oo^£  xö»  oi^\JM  eine  ganze  Zeile  und 
könnte  mithin  der  Steinschreiber  ohne  weitere  Unterstützung 
oder  Berathung  die  Lücke  nach  Gutdünken  ergänzt  haben,  etwa 
nach  Z.  30  ff.:  otoe  ETceSo)/.^/^  —  [y.axa  xb|  (l>7^9'.c-ixa  xoj  o-/j[j,ou. 
Uebrigens  möchte  man  vermuthen,  dass  der  Schlusssatz  des 
Psephisma's  Z.  27,  welcher  nicht  etwa  die  ausschliessliche  Ver- 
wendung der  gezeichneten  Summen  für  Zwecke  der  Landesver- 
theidigung  bestimmte,  sondern  dem  Beschluss  eine  ganz  be- 
sondere, mit  unseren  Mitteln  leider  nicht  mehr  festzustellende 
Bedeutung  und  Prärogative  verlieh,  erst  nachträglich  durch 
Amendement  hinzugekommen  sei,  so  dass  wir  nur  einen  Auszug 


Stadien  über  attisches   Staatsrecht  und   Drknndenwesen.  I.  619 

der  ursprüno'Hchen  Fassung  vor  uns  liiittcn,  wenn  diese  Be- 
stininmng-  nur  nicht  überall,  wo  sie  sich  findet,  am  »Schluss 
angebracht  wäre  (vgl.  nr.  225.  595  und  andere  Belege  bei 
Böckh  Staatsh.  12  398'',  Urkunden  über  Seewesen  S.  467,  540). 
Aber  ein  anderer  Umstand  lässt  es  doch  fraglich  erscheinen, 
ob  der  Staatsschreiber  für  die  verfehlte  Sanctionirungsformel 
verantwortlich  zu  machen  sei  und  ob  wir  die  Originalurkunde 
und  nicht  vielmehr  ein  Apographum,  welches  der  TajjL'!«;  sxpaT'.w- 
T'.y.div  Ehp'jySAeio-qq  hatte  anfertigen  und  aufstellen  lassen,  besitzen. 
Denn  wie  will  man,  wenn  dieser  nicht  der  Aufsteller  war,  es 
erklären,  dass  er  an  der  Spitze  der  Inschrift  mit  grösseren 
Lettern  figurirt?  (Vgl.  oben  S.  549). 

Es  beruhen  also  von  den  Ausnahmen,  dass  auf  ioo^e  xo) 
cr,ij,w  die  probuleumatische  Formel  folgt,  sechs  auf  unrichtiger 
Ergänzung  neuerer  Herausgeber  (1.  2.  3.  4.  5.  6),  vier  auf  einem 
Versehen,  sei  es  des  Steinschreibers  oder  des  ursprünglichen 
Conceptes,  welches  bei  zweien  durch  die  Summarien  so  gut 
wie  aufgehoben  (7.  8),  bei  zweien  durch  einen  anderen  Mangel 
des  Präscriptes  als  solches  verbürgt  wird  (9.  10),  in  einem  Fall 
scheint  score  tw  ct'jm  durch  die  das  Probuleuma  veraidassende 
Initiative  des  Demos  hervorgerufen  zu  sein  (11).  Nur  ein 
Fall  bleibt  ohne  concurrirende  Umstände  als  Verletzung  der 
Regel  übrig  (12),  wenn  die  Inschrift  wirklich  das  vom  Staats- 
schreiber besorgte  Exemplar  der  Urkunde  enthält. 


Wir  haben  weiter  noch  zwei  Ausnahmen  der  Art  zu  ver- 
zeichnen, dass  in  den  Präscripten  statt  koo;£  t-^  ßs'-»/-'?]  v-«'-  '"i> 
ir,[j.M  das  Merkmal  Bo^t  ifi  ßojAfi  steht,  obwohl  beide  Urkunden 
in  der  probuleumatischen  Formel  das  untrügliche  Zeichen 
probuleumatischer  Decrete  an  sich  tragen.  Denn  auf  434  steht 
nichts  im  Wege  der  probuleumatischen  Formel  entsprechend 
zu  ergänzen  Bo;e  zzX  ßo'jX[£T  /.y).  -o»  c-z^y-o)].  Beide  sind  auch 
insofern  mit  einander  verwandt,  als  sie  Cultusangelegenheiten 
betreffen.  Die  bezüglichen  Inschriften  sind  168  und  403. 
Die  erstere  enthält  ein  probuleumatisches  und  ein  Volksdecret; 
beide  beziehen  sich  auf  ein  Gesuch  der  im  Piraeeus  ansässigen 
Kaufleute   aus  Kition    um  Errichtung  eines  lleiligthumes  ihrer 


620  Hartel. 

Aphrodite,  worüber  bereits  des  Näheren  in  den  demosthenischen 
Studien  II  430  ff.  [68]  gehandelt  worden  ist.  Das  probuleu- 
matische  Decret  lautet: 

0£Oi.  'EtcI  ]Nty.o/,paTOu?  ap-/ovToc  ext  vr^q  A.l-^d'Boq  Tzpunr^q  izpu- 
xavsia?  •  Twv  ■HfosBpojv  izt<l)T,zi'Cz'/  Qsi^Ckoq  *I>-r)YOU(7to;  '  £Oo^£v 
T^  fjo'j'hfi  '  'AvtiBoTOt;  'AT^oAXooojpou  ^L'jTraAr^Ti'.oc  sittev  -spl  ojv 
As^oudiv  Ol  K'.v.ti:  rspc  r^c  '.opujetwt;  -f|  'AspooiTYj  xou  Ispoü, 
l'^'/j^fcOa'.  TcT  ßGuAcI  Touq  TrpccBpou?  Ol  av  Aa)^o)[!j]iv  •;:pO£op£'j£iv  v.q 
xrjV  Tupwx"/;'/  £-/,y.Xr,ciav  -pCffaYaYsTv  czutouc  y.al  '/pr^jj.axi'jai,  Yvw[r/;v 
§£  HuvßäXXiGÖai  T^?  ßo'JAr^c  £i?  tov  o-?;[aov  oti  OQv.zi  t^  ßouAcT, 
ay.o6c7avTa  tov  o"^[j.ov  twv  KiiiEioiv  7U£pi  xrjq  lopuasio)«;  toü  i£poij  /.al 
aXXou  'AOr^vaiwv  tou  ßouXojjLsvou  ßo'jX£U!7a(70ai  o  ti  av  auxw  oo/,;! 
apiffxov  £ivai. 

Die  zweite  regelwidrige  Urkunde  findet  sich  in  dem 
jAktenfascikeP,  das  sich  auf  den  r^piyiq  laipoc  bezieht  und  von 
Gustav  Hirschfeld  im  Hermes  VIII  350  ff.  edirt  und  erklärt 
wurde,  dessen  Text  nun  in  revidirter  Gestalt  mit  Benützung 
von  Kumauudis'  Ausgabe  ('A6Y]vaiov  III  262  ff.j  im  CIA.  II 
nr.  403  vorliegt.  Köhler  setzt  es  an  das  Ende  des  3.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.,  Hirschfeld  hält  es  für  etwas  jünger,  Kuma- 
nudis  für  älter.  Dasselbe  umfasst  drei  Aktenstücke  1)  ein 
Decret,  durch  welches  mit  Bezugnahme  auf  eine  Verhandlung 
des  Priesters  dieses  Heros  vor  dem  Rath  in  Anregung  gebracht 
wird,  aus  den  im  Heiligthum  des  r,puiq  laipö?  vorhandenen  Weih- 
gegenständen und  Geldstücken  dem  Heros  eine  Oinochoe  zu 
giessen,  2)  eine  Verzeichnung  der  betreffenden  Gaben,  3)  die 
Rechnungsablage,  woraus  ersichtlich  wird,  dass  es  sich  im 
Ganzen  um  die  Bagatelle  von  um  etwas  über  230  Drachmen 
handelte.  Uns  interessirt  hier  nur  das  erste  Decret,  welches  mit 
Köhler's  Ergänzungen  lautet: 

Hpo)  laTpjj) 

EüxA'^;  Euv6[j,o'j 

KEspaAYjOcv 

av£6"/;/.£v 

e£o[';j- 

5  'EtcI  öpacuqjwvTO?  ap-/ovTOc  [etci  Tr;c  IlavBi]- 
ovi'^oq  exTr;«;  -puTaVii'xc,  y;   [6   osTva  — j- 
Tou  Daiaviclti;  i-^paii.iJ.i':e\^je^  •  ornwj  'ir^j- 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  uml  Urkundenwcseu.  I.  (521 

s-c'jjj.aTa  •   iMaqj,ay.T7;p'.wvoc  -  -   -  -, 
r/.T£t  -/.at  osy.aTS'.  rf,:  ~p'j-:[x^/tioLq  •  iy.xXr,]- 
10  c(a  y.upi'a  ev  tw  Osaxfpjo)  •  t[wv  7:pciopwvj 
£TCc'><;cp'.'C3v  KAcC[j,a/oc  Aa 

<7'.oq  y,<x\  G'j[).7:p6z.opo'.' 

SCO^cV    T£l    iiOUA[ilJ- 

'E|xt:£o{wv    lvj!;,r//vOU   Ivjwv[uix£'j;  cI-£v]  • 
•jTzsp  wv  r>jv  ■rrpiscscv  7:£[7:ci-/;-ai   6  kpc'jd 
Tou  rjpMzq  TO'j  -aTpoü  0?o[-  -  oTMq  &^/  k]-     . 
y.  Twv  T'JTTwv  TO)V  ava/.£t[[/£vwv   £v  T(o   i£po)j 
7,at  TO'J  äpYup'io'j  ■AXTOiG\y.vjoi.a()ff  avx]- 
0[r,];;.a  tÖ)  0£ro  (o)?vo/5[-^    _    _      _      _|^ 
[äY3:]0£T  .-ux£'.  o£oo[yj)a'.  T£t  ,jOua£T  toü;J 
[XaxjivTac  7:po£o[pc'j;  zlc  rr^v   ETi'.oCisav] 
[£y,y.]Ar,cr';av  /pr,;xa[-:'!c7a;  -£pl  toutwv,  vvu)]- 
[|j.-r,v]   oe  ;'jij.ßä>.X£7[0a'.  r^«;  ßouA^q  £?(;  xbv   oj- 
[•^[j.ov]   5t'.   ooly.JiT  -[r,  ßo'JÄf,,  £A£C70ä'.  ibv] 
|c-?;];;.sv   [$ü]o  ;x£[v   avopa;   i;  !Äp£'j7i:aYtTä>vj, 
[-:]p£T^  o£  £r  ca'JTcTj[v  y.T/.. 
Diese  Commissioii,    so    heisst   es    weiter,    soll    die  Aiifeitiüiui": 
des  Weihgescheukes  und  der  Aufsuhrit't  besorg-en,  dann  Rech- 
nung' legen  (Z.  39  a  oh  av  oaovo!xv;co)o-iv,  asviv  xaiaßaA^aOat  aÜToü?) 
und  dem  Gotte  ein  Opfer  darbringen.    Zum  Schlüsse  wird  das 
Wahlresultat   mitgetheilt,    über   die  Aufzeichnung-  des  De- 
cretes  aber  nichts  verfügt. 

Aus  diesem  Mangel  schon  ist  zu  entnehmen,  dass  das  uns 
vorliegende  Decret  nicht  ofticiellen  Ursprungs  ist,  sondern 
privat.  Wie  G.  Hirschfeld  bereits  richtig  erkannt  hat,  wird 
der  in  der  zweiten  Zeile  genannte  Eukles  auf  seine  Kosten 
die  Inschrift  gesetzt  haben.  Man  könnte  dagegen  nur  geltend 
machen,  dass  in  den  Präscripten  die  Erwähnung  des  Schreibers 
Z.  66  nicht  fehlt  und  mithin  die  Urkunde  legalisirt  zu  sein 
scheint.  Auf  diesen  Einwand  enthält  die  frühere  Untersuchung 
S.  577  die  Antwort.  Der  Schreiber  ist  hier  nichts  als  eine 
Signatur  des  attischen  Archivs ;  für  die  naive  Wiedergabe 
dieser  Signaturen  fühlen  wir  uns  dem  simplen  Copisten  zu 
besonderem  Danke  verpflichtet,  indem  derselbe  sogar  die  Auf- 
schrift cy;;xo'j  '}r,s's[j.a-3:  in  unveränderter  Form  aufnahm,  obwohl 
ja  nur   ein  Volksbeschlnss    den   Akten   entiioiniiicn   wurde;.     Er 


622  Hartel. 

mag-  vielleicht  in  rlieser  irrig-en  Meinung  dadurch  bestärkt  worden 
sein,  dass  ausser  dem  einen  Volksbeschluss  mehrere  Beilagen, 
die  diesem  angeschlossen  waren,  auf  denselben  Stein  kommen 
sollten. 

Dass  nun  das  Merkmal  soo^s  t^  ^ouay)  der  beiden  Decrete 
auf  einem  groben  Irrthum,  gleichgiltig  ob  des  Copisten  oder 
des  Steinschreibers  beruht,  lässt  sich  nr.  403  aus  den  Prä- 
scripten selbst  in  willkommener  Weise  unwidersprechlich  dar- 
thun.  Ich  verweise  nicht  auf  den  Bestandtheil  k  (orjp.ou  'ir(9t(j[j,aTa), 
in  welchem  das  entscheidende  Wort  o-(]p.oi)  auf  Ergänzung  beruht ; 
aber  der  Bestandtheil  i  {h^-^krfia  y.upia  bi  xm  Ösätpo))  bezeugt, 
dass  dieser  probuleumatische  Antrag  in  jener  Volksversamm- 
lung, welche  durch  das  Protokoll  datirt  wird,  zur  Verhandlung 
und  Annahme  kam.  "Eoo;e  xr^  ßouX^  steht  also  hier  nicht  blos 
mit  der  probuleumatischen  Formel,  sondern  mit  den  Prä- 
scripten selbst  in  nicht  wegzudeutendem  Widerspruch. 

Ebenso  wenig  Bedeutung  kommt  dem  gleichen  Irrthum  in 
168  zu;  denn  nicht  minder  zuverlässliche  Indicien  sprechen  für 
die  private  Aufzeichnung  und  Aufstellung  auch  dieser  Urkunde. 
Es  wird  nämlich  nicht  blos  über  die  Aufstellung  derselben 
nichts,  weder  von  Staatswegen  noch  überhaupt  beschlossen, 
sondern  es  fehlt  auch  die  Legalisirungsclausel  o  osTva  s^pai^- 
\}.ä.xtxiV)  und  die  Präscripten  liegen  in  einer  officiellen  Akten- 
stücken dieser  Zeit  (Ol.  111,  4  =  333/2  v.  Chr.)  fremden  Kürze 
vor  {ad' e  cf").  Unter  solchen  Umständen  wird  man  einige 
sprachliche  Vulgarismen,  deren  in  den  wenigen  Zeilen  des 
probuleumatischen  Decretes  drei  begegnen  ^zweimal  Bpüaeito? 
und  KtTisi'wv),  während  das  Volksdecret  168,  2  sich  davon  frei 
hält  imd  correct  Kcxteiov  schreibt,  nicht  als  bloss  zufällig  anzu- 
sehen geneigt  sein;  denn  st  für  e  tritt,  von  115''  abgesehen, 
doch  nur  sehr  sporadisch  auf,  so  ßatjiXsÜa  263  (vgl.  Köhler's 
Bemerkung  zu  d,  Inschr.  und  zu  nr.  269),  7pa[j.[xax£'to:  277,  hpiiMc, 
'AOv^v.  VI  134  Z.  1,  ilevpacii'ojc  Conze  im  Anzeiger  der  Akademie 
nr.  IV  V.  J.  1877,  'Alaizioyc  ['A'Ka'.iMq  Kumanudis)  nr.  1053  der 
'ETCtYpacal  iTrixüjj.ßict,  Octojvxa'.  nr.  119  Z.  14,  y.siwvTai  573  Z.  10, 
£?av  115''  Z.  30  und  47,  s'.auTcv  115''  Z.  13,  um  von  der  häufigen 
Form  3(op£ia  CIA.  I  nr.  8.  25,  II  1"  Z.  23,  115  Z.  3,  115" 
Z.  2,  121  Z.  20?  311  Z.  51,  M-^vatov  VI  152  Z.  20.  23  abzu- 
sehen, in  welcher  eine  alte,    richtige  Bildung   zu    erkennen  ist 


Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  ürkundenwesen.  I.  623 

(vgl.  A.  Schaefer  Rh.  Mus.  XXXTTI  422  und  A.  Naiick  Melanges 
Greco-Romains  tires  du  Bnlletin  de  V Acadernie  de  <'St.  Petersbourg 
tom.  IV  1878.  S.  404,  Anm.   10). 

Wer  wird  bei  solcher  Sachlage  behaupten  wollen,  in  looit 
-fj  ßoüX'^  lieg-e  nicht  ein  Irrthum  des  Conecptes,  sondern  ein 
richtiges  Merkmal,  welches  die  Präscripten  des  Decretes  auf 
die  Kathssitzung,  in  welcher  es  beantragt  wurde,  zu  be- 
ziehen zwinge?  Auch  wenn  durch  meine  frühere  Behandlung 
desselben  nicht  erwiesen  wäre,  dass  der  zu  den  Upa  y.al  Ic\cl 
gehörige  Gegenstand,  auf  welchen  sich  die  Beschlüsse  beziehen, 
nicht  sofort  in  einer  Volksversajuniluno-  verhandelt  und  ent- 
schieden  werden  konnte,  sondern  dass  derselbe  in  einer  voraus- 
gehenden Ekklesie  förmlich  eingebracht  und  procheirotonirt 
werden  musste,  selbst  dann  wäre  es  unzulässig  anzunehmen, 
dass  über  eine  solche  interne  Angelegenheit  des  Rathes,  wofür 
dieselbe  unter  solcher  Voraussetzung  doch  nur  gelten  könnte, 
eine  eigene  Urkunde  aufgesetzt  und  in  einem  Formular  conci- 
pirt  worden  sei,  dessen  Wortlaut  schon  (7vco;rf,v  os  ;'j[xßaAA£!;9ai 
ty;c  ßc'jXv;«;  t\q  t'ov  o'^jj.ov)  darauf  hinweist,  dass  sie  nur  durch 
die  Zustimmung  der  Ekklesie  rechtskräftig  werden  konnte. 
Wir  hätten  dann  wenigstens  ein  gewöhnliches  Rathspsephisnia 
ohne  die  probuleumatische  Formel  zu  erwarten. 

Es  kann  mithin  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  beiden 
mit  dem  unrichtigen  Merkmal  sco^e  x^  ßo'/AY]  ausgestatteten  Pse- 
phismen  probuleumatische  Anträge  sind,  wie  die  zahlreichen 
anderen  mit  dem  richtigen  Charakteristicum  looqvi  x^  ßouXf,  y.a: 
To)  or,[j,w,  und  dass  sie  in  derselben  Weise  in  der  Ekklesie  ein- 
gebracht und  behandelt  wurden  wie  diese.  Der  Aktenauszug, 
welchen  in  dem  einen  Falle  Eukles,  in  dem  anderen  die  kiti- 
schen Kaufleute  in  die  Hände  bekamen,  enthielt  die  Sanctio- 
nirungsclausel  nicht ;  beide  ergänzten  aus  der  probuleumatischen 
Formel  i-Lr^cpisOat  (osoiyOai)  -r^  ß^'jX-?;  xouc  -K^oiop-jz  /.ta.,  was  auf 
der  Hand  zu  liegen  und  KjS  durch  den  Gegensatz  des  unmittel- 
bar folgenden  Volksdecretes  geradezu  gefordert  sciiien,  Bo^sv 
r?]  ßo'jX'^, 

Es  erübrigt  noch  die  Besprechung  jener  Fälle,  wo  die  in 
den  Präscripten  erhaltene  Signatur  sco^sv  -r^  ßo'j/.vi  y.ai  xö)  oy^imo 
ein  probuleumatisches  Decret  erwarten  lässt,  während  Fassung 
und  Inhalt  desselben  zeigen,    dass  in    ihm   ein   in   der  Ekklesie 


D<&4  llartel.    Studien  über  attisches  Staatsrecht  und  Urkundenwesen.  I. 

perfect  gewordener  Volksbescliluss  formulirt  vorliegt  und  die 
probuleumatische  Formel  notliwendig  ausgeschlossen  war.  Die 
Zahl  dieser  Ausnahmen  ist  eine  überraschend  kleine,  über- 
raschend deshalb,  weil  man  erwartet,  dass  wenigstens  die  Pro- 
tokolle der  Ekklesie  rückblickend  mit  einem  zoozzv  xf^  ßouArj  y.al 
xw  or,\jM  auch  des  Antheils,  den  der  Rath  an  der  Einbringung 
und  Formulirung  der  Anträge  gehabt  hatte,  gedenken  und  so 
gleichsam  die  passirten  Instanzen  resumiren,  zumal  bei  allen 
wichtigeren  Verhandlungen,  nicht  bloss  bei  Staatsverträgen,  die 
Hauptarbeit  ohne  Zweifel  von  der  Bule  geleistet  wurde.  Wenn 
man  bemerkt,  mit  welcher  Sparsamkeit  und  in  wie  ganz  ein- 
zigen Fällen  man  dieser  Rücksicht  Rechnung  zu  tragen  sich 
entschloss,  ist  es  fast,  als  habe  man  durch  Vermeidung  dieser 
Gleichstellung  von  Rath  und  Demos  dort,  wo  eine  Willens- 
meinung des  souveränen  Volkes  zum  Ausdruck  kam,  der  Vor- 
stellung einer  staatsrechtlich  äquivalenten  Stellung  vorbeugen 
wollen.  So  ging  man  von  der  Regel  nur  ab  in  besonders  feier- 
lichen Verträgen  mit  auswärtigen  Staaten  und  Gemeinden,  in 
Ehrendecreten  angesehener  Fremden,  von  denen  Abschriften 
auch  auswärts  aufgestellt  wurden.  Ob  aber  dabei  allein  oder 
in  erster  Linie  die  Absicht  waltete,  durch  zoozt  xf,  ßcJAY)  y.al  xw 
0Tt[j.(>)  die  gesammten  Gewalten  des  athenischen  Staates  zu  prä- 
sentiren  oder  ob  nicht  andere  Umstände  veranlassend  waren, 
diesen  Volksdecreten  das  Merkmal  'iooczv  xyj  ßouAf^  /.al  xö)  o-qj.M 
vorzusetzen,  welches  damals  ausschliesslich  probuleumatischen 
Decreteu  zukam,  werden  wir  erst  nach  Vorführung  und  Prüfung 
der  einzelnen  Fälle  vmtersuchen  können. 


Sauer.    Ueber  ilen  fünffftssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  625 


üeber  den  fÜJiffiissigon  lambus  vor  Lossiügs 

Nathan. 

Von 

Dr.   August  Sauer. 


1.    Gottsched.     2.    Bodmer,    "Wieland,    Klopstoek.     .3.    Die    beiden    Schlegel. 

4.  Cronegk  und  J.  G.  Jacobi.     ä.  Lessiug  und  seine  Scliule.     (>.  Herder  und 

Esclienburg.     7.  Kleine  Dramatiker. 

Ziarucke  hat  in  seinem  Programm  , Ueber  den  fünf- 
füssigen  lambus' '  eine  Gesehiehte  desselben  in  der  deutsehen 
Poesie  von  seinem  ersten  Auftreten  bis  zu  Goethe  in  grossen 
Zügen  geliefert,  Lessing's  Vers  im  Nathan  und  Schiller's 
iambische  Dramen  ausführlich  besprochen:  die  allmälige  Ent- 
wickelung  dieses  Verses  seit  den  vierziger  Jahren  des  vergan- 
genen Jahrhunderts  nur  angedeutet.  Die  nähere  Untersuchung 
ergab  eine  Fülle  einzureihenden  Materiales  und  den  historischen 
Zusammenhang  der  einzelnen  Versuche.  Vieles  Unbedeutende 
musste  besprochen,  manches  in  sonstiger  Beziehung  minder 
Wichtige  ausführlich  behandelt  werden.  Dass  bei  einer  der- 
artigen Durchforschung  einer  ganzen  Periode,  wobei  ein  syste- 
matisches Vorgehen  kaum  möglich  ist,  dem  Zufalle  noch  I\ranches 
zu  entdecken  übrig  bleibt,  ist  leicht  zu  ersehen:  aber  auch 
von  dem  Nachgewiesenen  war  nicht  alles  zugänglich  und  der 
Abschnitt  über  Gottsched  ist  dadurch  minder  vollständig 
geworden,    als    beabsichtigt    war.     Einzelne    fünffüssige   Verse, 


Leipzig  1865.  Vgl.  ferner  Berichte  über  die  Verliandlungen  der  sächs. 
Gesellsch.  d.  Wiss.  zu  Leipzig,  philos.-hist.  Klasse  22.  Band  1870: 
Zarncke,  Miscellaneen  geriuanist.  Inhalts,  S.  Zur  Geschiclite  des  fünf- 
füssigen  lambus  S.  20<S  ff.;  und  Dr.  Gustav  Daune  hl,  Geschichte  des 
reimlosen  fünffüssigen  iambisclien  Verses  (rrogranim  des  fiirstl.  Gymu. 
zu  Rudolstadt,   1870). 


626  Sauer. 

welche  unter  anderen  läng-eren  oder  kürzeren  zerstreut  sich  in 
reimlosen  Gedichten  finden,  habe  ich  nicht  berücksichtigt;  aus 
diesem  Grunde  auch  die  Öing-spiele  und  Melodramen  nicht  heran- 
gezogen: die  einzige  Ausnahme,  die  bei  Wieland  gemacht 
wurde,  rechtfertigt  sich  von  selbst.  Wo  Wiederholung  überflüssig 
schien,  habe  ich  auf  Zarncke  verwiesen;  die  Termini  sind  die- 
selben, die  er  gebraucht;  nur  der  Begriff  des  Hiatus  ist  seither 
durch  Prof.  Scherer's  Untersuchung  genau  festgestellt  worden.' 
Die  grösseren  Zahlen  sind  in  runder  Summe  aufgeführt,  die 
kleineren  durften  nach  mehrmaliger  Prüfung  als  genau  an- 
gesehen werden;  wo  absolute  Vollständigkeit  in  Aufzählungen 
angestrebt  wurde,  ist  dies  ausdrücklich  bemerkt. 

1.  Gottsched. 

In  dem  Briefwechsel,  welcher  sich  im  Jahre  1738  zwischen 
Gottsched  und  dem  Grafen  E.  Chr.  von  Manteuffel  über 
die  Zulässigkeit  , ungereimter'^  Verse  im  Deutschen  entspann,  ist 
eine  Aeusserung  Gottsched's  sehr  wichtig,  indem  uns  dieselbe 
den  Standpunkt  genau  bezeichnet,  den  er  sein  ganzes  Leben 
innegehalten  hat;  er  gibt  zu,  dass  die  gereimten  Verse  den 
Ohren  besser  gefallen  als  ungereimte.  ,Aber  ich  bin  auch 
niemals  der  Meinung  gewesen,  dass  man  im  Deutschen  alle 
Reime  abschaffen  solle.  Nur  Uebersetzungen  der  alten  und 
ausländischen  Poeten,  worin  ohnedies  so  viel  Zwang  ist,  sollten 
von  Rechtswegen  dieses  Vorrecht  haben,  ohne  Reime  zu  er- 
scheinen, bis  etwa  die  Ohren  der  Deutschen  diese  Art  gewohnt 
würden,  und  irgend  einmal  ein  grosser  Dichter  aufstände,  der 
Geschicke,  Feuer  und  Herz  genug  hätte,  ein  Heldengedichte 
oder  ein  Trauerspiel  ohne  Reime  zu  machen'  (Danzel,  Gottsched 
und  seine  Zeit  S.  29).  Es  ist  derselbe  Gedanke,  den  er  schon 
1730  in  der  Critischen  Dichtkunst  (S.  312)  ausspricht:  ,Wie  ein 
Milton  in  Engelland  ein  ganz  Heldengedicht  ohne  alle  Reime  hat 
schreiben  können,  welches  itzt  bei  der  ganzen  Nation  Beifall 
findet:  so  wäre  es  ja  auch  im  deutschen  nicht  unmöglich,  dass 
ein  grosser  Geist  etwas  neues  in  Schwang  brächte'. 


'  lieber   den   Hiatus   in    der    neueren    deutschen   Metrik:    Commentationes 
philologae  in  honorem  Theodori  Mommseni   (Berolini  1877)  S.  213 — 226. 


Ueber  den  fünffüssigen  lainbus  vor  Lessing's  Nathan.  627 

Dieser  grosse  Geist  und  g-rosse  Dichter  war  Gottsched 
nicht:  er  hat  aber  tlieoretisch  die  reimlosen  Verse  und  speciell 
die  reimlosen  iambischen  Verse  immer  vertreten  und  auch  einige 
Versuche  in  denselben  hinterlassen. 

In  der  Critischen  Dichtkunst  (S.  315)  führt  er  unter  den 
Vortheilen  der  ungereimten  Verse  auch  den  an,  dass  wir  in 
Schauspielen  dann  bald  glücklicher  werden  würden,  als  wir  noch 
zur  Zeit  sind.  Er  meint.  , Tragödien  und  Comödien  können  und 
sollen  von  rechtswegen  in  einer  leichten  Art  von  Versen  ge- 
schrieben sein,  damit  sie  von  der  gemeinen  Sprache  nicht  merk- 
lich unterschieden,  und  doch  einigermassen  zierlicher  als  der 
tägliche  Umgang  der  Leute  sein  mögend  Ein  Seitenhieb  gegen 
die  Oper  fällt  ab,  auch  klingen  ihm  die  Keime  zu  studiert  und 
erinnern  ihn  ohne  Unterlass,  dass  er  nur  in  der  Comödie  sei; 
dann  lobt  er  die  Engländer:  ,In  diesem  Stücke  haben  die  heu- 
tigen Engländer  auch  vor  den  Franzosen  den  Vorzug,  indem 
sie  nach  dem  Exempel  der  Alten  in  vielen  ihrer  besten  Tra- 
gödien nur  ungereimte  Verse  brauchen,  da  hingegen  diese  lauter 
reimende  Helden  aufs  Theatrum  stellen-.  , Sollte  ich  es  einmal 
wagen'  —  so  schliesst  er  —  ,ein  Trauerspiel  zu  machen,  so 
will  ich  es  versuchen,  inwieweit  man  hierinn  wider  den  Strom 
schwimmen  könnet  Ganz  ähnlich  sind  die  Worte,  welche  er 
in  der  Grundlegung  einer  deutschen  Sprachkunst  (3.  Auflage 
1752  S.  617)  gebraucht;  besonders  weist  er  hier  auf  die  Ver- 
w^endung  dieser  Verse  im  Lustspiele  hin  und  wünscht,  dass 
bald  ein  glücklicher  Dichter  diesen  neuen  Lorbeerkranz  sich 
erwerben  möge.  In  einer  Anmerkung  fügt  er  aber  hinzu:  ,Die 
ganze  Schwierigkeit  ist  nur,  die  Comoedianten  zu  bereden,  dass 
sie  reimlose  Stücke  aufführen.  Da  sie  aber  auch  prosaische 
Lustspiele  auswendig  lernen  können:  so  würde  sichs  auch  mit 
reimlosen  Versen  wohl  thun  lassen'. 

In  allen  diesen  angeführten  Stelion  hat  Gottsched  ebenso 
sehr  oder  vielleicht  noch  mehr  den  reimlosen  Alexandi'iner  als 
den  fünffüssigen  Jambus  im  Auge.  Wenigstens  ist  die  in  der  letzt- 
erwähnten Anmerkung  genannte  Uebersetzung  des  Agamemnon 
von  Thomson  eine  1750  zu  Göttingen  erschienene  in  reimlosen 
Alexandrinern.  In  den  Critischen  Beiträgen  (1.  Band  1730 
S.  99  f.)  wiederholt  er  seine  Ansicht,  dass  im  Trauerspiele  und 
überhaupt    in    den    theatralischen  Gedichten   das  verdriessliche 


628 


S  a  11  e  r. 


Reimen  abgeschafft  werden  solle,  und  theilt  dann  ein  Bruch- 
stück einer  Uebersetzung  des  Cato  von  Addison  mit  (1.  Act, 
1.  Scene  3G  Verse)  in  reimlosen  Alexandrinern:  alle  stumpf 
bis  auf  einen  Vers.  Diese  Probe  setzt  er  nun,  weil  er  Enjam- 
bement und  Caesur  anwendet,  dem  Verse  der  Mi  1  ton  Über- 
setzung aus  dem  Jahre  1682  entgegen. 

Es  ist  nothwendig,  dass  wir  diese  kurz  betrachten.  ,Das 
verhistigte  Paradejp,  ....  in  unser  gemein  Teutsch  übergetragen 
und  verleget  durch  E.  G.  V.  B.',  Zerbst  1682,  war  schon  zu 
Anfang  des  vergangenen  Jahrhunderts  ein  seltenes  Buch  ge- 
worden: J.  U.  König,  der  selbst  ein  Exemplar  zur  Verfügung 
gehabt  haben  muss,  bemüht  sich  vergeblich,  für  Bodmer  eines 
aufzutreiben.  ^ 

Der  Verfasser  nennt  sich  am  Schlüsse  der  Widmung  Ernst 
Gottlieb  von  Berge.  Goedeke  (S.  503)  und  Zarncke  (S.  19) 
glaubten  aus  einigen  Worten  der  Vorrede  schliessen  zu  müssen, 
dass  Berge  eine  ihm  bereits  vorliegende  Uebersetzung  fort- 
gesetzt und  vollendet  habe;  er  spricht  nämlicli  in  der  Vorrede 
von  dem  englischen  Werke,  ^welches,  so  bald  nur  in  seiner 
Sprache  es  durchlesen,  mich  alsofort  veranlasst,  auf  gleich- 
massige  Art,  wie  es  unlängst  zuvor  von  dem  berühmten  Herrn 
Theodoro  Haaken,  fürnehmen  Mitglied  der  Curiösen  König- 
lichen Gesellschaft  allbereit  angefangen,  vollends  überzutragen 
und  durch  den  Druck  ans  Licht  zu  bringend  Er  muss  also  eine 
iambische  Uebersetzung  von  Th.  Haacke  gekannt  haben;  weiter 
besagen  diese  Worte  nichts:  innere  Gründe  lassen  sich  aber 
nicht  dafür  geltend  machen,  dass  er  jene  Uebersetzung  zu  Grunde 
legte;  Sprache  und  Stil,  sowie  die  Behandlung  des  Verses  zeigen 
nirgends  erhebliche  Unterschiede:  auch  die  Methode  des  Ueber- 
tragens  ist  dieselbe.  Die  Uebersetzung  von  Th.  Haacke,  der 
überdies  damals  noch  am  Leben  war,  scheint  niemals  gedruckt 
worden  zu  sein,  wie  auch  Koberstein  2,  93  richtig  vernmthet. 
Was  A.  Brandl  aus  dem  von  ihm  in  der  Anglia  veröffentlichten 
Briefe  Königs  an  Bodmer  geurtheilt  hat,  beruht  auf  einem 
Irrtum.  König  spricht  deutlich  von  ,dor  Milton'schen  Ueber- 
setzung', von  welcher  er  im  voraufgehendon  Briefe  (Litterarische 


'  Brief  an  Bödme r    vom    8U.  April   172ö.   Anglia  Zeitschrift  für  englische 
Philol.   1,  4G1. 


üebor  ilen  fünffüssigen  I^mbns  vor  Lessing's  Nathan.  629 

Pamphlete  S.  40)  Bodiner  Kachiiclit  gegeben  und  welclie  dieser 
inzwisclien  von  ihm  wahrscheinlich  zur  Leetüre  begehrt  hatte; 
überdies  gebraucht  König  in  dem  darauffolgenden  Schreiben 
(B.  H.  Brockes  von  A.  Brandl  S.  141)  von  der  Berge'schen 
Uebersetzuug  fast  wörtlich  dieselben  Ausdrücke,  so  dass  auch 
dadurch  die  Identität  des  besprochenen  Buches  gesichert  ist. 
Berge's  Uebersetzung,  welche  Gottsched  und  Bodmer 
kennen  lernten,  will  ich  kui'z  charakterisieren.  Er  ahmt  den 
Vers  Milton's  nach;  seine  Verse  sind  iambische  Fünffüssler, 
vier-  und  sechsfüssige  Verse  werden  selten  eingemischt;  unter 
den  784  Versen  des  ersten  Buches  sind  nur  zwei  Sechsfüssler 
S.  11  und  20  und  ein  vierfüssiger  17;  im  zweiten  Gesänge 
unter  1054  Versen  drei  sechsfüssige  86,  37,  57  und  sechs  vier- 
füssige  39,  48,  49,  51,  56,  62;  im  dritten  Gesänge  unter  926 
Versen  je  drei  vier-  und  sechsfüssige;  die  Mehrzahl  der  Verse 
ist  stumpf,  im  dritten  Gesänge  z.  B.  nur  183  Verse  unter 
926  klingend;  es  finden  sich  Verse  mit  trochäischem  An- 
fange: 74  ,Ihres  Verstands';  auf  Vermeidung  des  Hiatus  wird 
kein  Gewicht  gelegt;  besonders  roh  zeigt  sich  aber  der  Ueber- 
setzer  in  seinen  Synkopen  und  Apokopen,  welche  an  die  Zeit 
vor  Opitz  erinnern;  abr,  odr,  wiedr,  übr,  allr  werden  sehr  oft 
einsilbig  gebraucht,  auch  im  Versausgang;  daran  schliessen  sich 
Worte  wie  Kummr,  Gliedr,  eitl,  Schwefl,  Felsn,  drobn;  G'blas, 
Ung'stüm;  auch  Verbalformen  bahnt'n,  fass'n;  zu  vor  dem  In- 
finitiv wird  auch  verkürzt  z'entledigen,  z'erregen;  mit  grösster 
Freiheit  ist  das  Enjambement  verwendet;  doch  imterlasse  ich 
es,  Beispiele  dafür  zu  verzeichnen.  Die  Uebersetzung  ist  im 
Ganzen  schwerfällig,  im  Einzelnen  oft  dunkel  und  unvei'ständ- 
lich:  darin  mag  auch  der  Grund  der  geringen  Verbreitung  ge- 
legen haben.  ]3odmer  sagt  von  ihr:'  ,Ich  finde  nicht,  dass 
sie  einiges  Aufsehen  erhalten  habe.  Auch  war  das  Original 
darinnen  ganz  verfinstert,  es  war  ein  Gerippe  alles  Lebens,  des 
Lichtes  und  der  Farben  beraubet';  ebenso  Gottsched,  Critische 
Beiträge  1,  98:  ,Der  ehrliche  üebersetzer  hat  wohl  eine  gute 
Meinung  gehabt,  aber  nicht  Kräfte  genug  besessen,  seine  Er- 
findung im  deutschen  angenehm  zu  machen'. 


'  Johann  Milton's  verlohnies  Paradies  übers,    von  Botlmer,    Zürich    17'jlr, 
1,  Vorrede  33. 


630  Sauer. 

Was  aber  Gottsched  diesen  Vers  besonders  verhasst 
machte,  war  der  freie  Gebrauch  von  Caesur  und  Enjambement; 
dagegen  eifert  er  in  seinen  sämmtlichen  theoretischen  Schriften 
in  der  kritischen  Dichtkunst  S.  319  f.,  in  der  Deutschen  Sprach- 
kunst S.  606.  An  der  ersten  Stelle  sagt  er  sogar:  ,Was  einige 
Stümper  unter  uns  anlanget,  die  in  einigen  Gedichten  sich 
einer  italienischen  Freiheit  anmassen,  und  sonderlich  in  den 
fünffüssigen  Versen  den  Abschnitt  bald  nach  der  vierten,  bald 
nach  der  sechsten  Silbe,  bald  auch  wohl  gar  nicht  gemacht 
haben,  so  überlässt  man  dieselben  ihrem  Eigensinne  und  dem 
Gespötte  der  Schüler,  die  den  Uebelklang  solcher  Zeilen  sogleich 
wahrnehmend  Die  Stelle  kann  sich  ebenso  gut  auf  gereimte 
als  auf  reimlose  Verse  beziehen;  es  ist  mir  aber,  obgleich  ich 
in  Berlin  Alles,  was  in  Betracht  kommen  kann,  durchgesehen 
habe,  nicht  gelungen,  zu  constatieren,  wen  Gottsched  dabei 
im  Auge  hatte.  Doch  glaube  ich,  dass  gereimte  Gedichte  gemeint 
sein  müssen;  denn  als  er  in  den  Critischen  Beiträgen  1732  (1,  98) 
zusammenstellt,  was  seit  1682  an  reimlosen  iambischen  Versen 
erschienen  ist,  führt  er  nur  S  eck  endo  rf's  Luc  an  Übersetzung 
an,  die  1695  gedruckt  wurde,  und  die  wenigen  Bruchstücke  in 
den  , Discoursen  der  Mahlern^  welche  wir  unten  betrachten 
werden:  beide  Versuche  in  reimlosen  Alexandrinern  mit  regel- 
mässiger Caesur  nach  der  sechsten  Silbe. 

Von  Gottsched's  eigenen  reimlosen  Versuchen  kenne  ich 
ausser  der  erwähnten  Uebersetzung  aus  Cato  nur  folgende:  In 
der  deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig  eigenen  Schriften  steht  im 
zweiten  Bande  1734  ein  Gedicht  an  Herrn  M.  von  Steinwehr 
(137 — 141)  in  sechsfüssigen  Versen  mit  Caesur  nach  der  sechsten 
Silbe,  alle  stumpf;  und  eines  an  Herrn  M.  Schellhof  er  n  über 
den  frühen  Tod  seiner  einzigen  Jungfer  Schwester  [219 — 281)  79 
fünffüssige  Verse  mit  der  Caesur  nach  der  vierten  Silbe,  alle 
klingend,  ohne  Enjambement  und  ganz  hiatusrein;  von  dem 
letzteren  Gedichte  2'ibt  Zarucke  eine  Probe.  In  der  Vorrede 
entschuldigt  sich  Gottsched,  dass  er  versucht  habe,  ,in  wie 
weit  man  den  Ekel  der  Ohren  bei  ungereimten  Zeilen  durch 
ein  reines  Silbenmass  und  andre  innerliche  poetische  Zierrathe 
überwinden  könne'.  In  Betreff  des  Ausganges  sagt  er,  dass  er 
in  dem  ersten  vStücke  ,mit  Fleiss  lauter  männliche  Endungen 
gebrauchet,  um  die  lambus  seuarios  der  Griechen  und  Lateiner 


tJeber  den  fünffiissigen   lambus  vor  Lpssing's  Natlian.  631 

uaclizuahmen,  die  sich  allezeit  mit  einer  lang-on  Silbe  schliessen'. 
Dass  er  in  dem  zweiten  Stücke  nur  weiblichen  Auso-anfr  ver- 
wendete,  begründet  er  damit,  ,weil  ich  die  zärtliche  Art  der 
lateinischen  Hendecasyllaben  gerne  im  Deutschen  ausdrücken, 
und  zu  dem  Ende  auch  hier  lauter  eilfsilbichte  Verse  brauchen 
wollte,  als  welche  mir  dazu  überaus  bequem  schienen;  ob  ich 
gleich  das  übrige  Silbenmass  der  Lateiner  in  solchem  Masse 
nicht  beobachten  konntet  In  den  Critischen  Beiträg;en  2  (1733), 
155  stellt  er  einem  Stücke  der  Seckendorf 'sehen  Lucan Über- 
setzung- eine  eigene  Uebertrag-ung  dieser  Stelle  g-egenüber  in 
demselben  Versmasse  nur  ohne  Enjambement;  überdies  klarer 
und  verständlicher  ohne  der  Sprache  so  viel  Gewalt  anzuthun. 
Nach  der  deutschen  Sprachkunst  S.  606  imd  nach  den  Critischen 
Beiträgen  1,  98  stehen  auch  in  seiner  Zeitschrift:  ,Der  Bieder- 
mann^ und  in  ,Der  deutschen  G-esellschaft  in  Leipzig  gesam- 
melten Reden  und  Gedichten'  bei  der  Aufnahme  des  Freiherrn 
von  Seckendorf  reimlose  Gedichte  von  Gottsched,  welche  mir 
aber  nicht  zugänglich  sind. 

Gewiss  hatte  Gottsched  volles  Recht  in  ,dem  Neuesten 
aus  der  anmuthigen  Gelehrsamkeit'  1752,  2,  210  zu  sagen:  ,Ich 
bin  vielleicht  mit  einer  von  den  ersten  gewesen,  welche  die 
reimlosen  Verse  zu  gewissen  Arten  von  Gedichten  eifrig  an- 
gepriesen haben'. 

2.  Bodmer,  Wielaiul,  Klopstock. 

Bodmer  zeigte  vom  Beginn  seiner  litterarischen  Thätig- 
keit  an  grosse  Vorliebe  für  den  reimlosen  Vers;  in  den  , Dis- 
coursen der  Mahlern'  (Zürich,  1721 — 1723j  ist  der  siebente 
Discours  des  zweiten  Theiles  (2.  S.  49 — 56)  gegen  die  Reime 
gerichtet  und  die  an  den  verschiedensten  Stellen  eingestreuten 
poetischen    Proben    zeigen   alle    reimlose   Alexandriner. '     Dass 


»  2,  33—35:  74  Zeilen  (Der  Maler  der  Sitten,  Zürich  174Ü.  1,40-4'J  fast 
ganz  umgearbeitet);  Widmung  (2,  589—590);  3,  38—39  (fehlt  in  der 
2.  Aufl.);  ;3,  179—181  (1,  188-190,  etwas  verändert);  S,  183—184  (1, 
190—192);  4,  123—124  (2,  157—160).  Nur  in  der  zweiten  Auflage  174Ü 
stehen  1,  294-295;  1,  ;367;  2,  157—100;  1,  5«9  — 590.  Der  Pndelhnnd. 
eine  Erzählung,  ist  in  gereimten  fünffüs.sigen  lamben  mit  freier  Caesur 
abgefasst  (Der  Maler  der  Sitten  2,  604— üll),  denen  nur  aecha  sechsfüssige 
beigemischt  sind. 

Sitznngsber.  d.  phil.-hist.  Cl.  XC.  B.l.  IM.  Hit.  41 


632  Saüor. 

aber  Bodmer  bald  darauf  den  reimlosen  Fünffüssler  anwen- 
dete, und  zwar  in  einem  Drama,  beweisen  ein  paar  Briefe  von 
J.  V.  König  an  Bodmer  aus  dem  Anfange  des  Jahres  1725. 
Am  30.  April  sendet  er  ihm  Bruchstücke  aus  der  Milton'schen 
Uebersetzung-  von  1682,  , damit  Sie  sehen  können,  wie  der  Ueber- 
setzer  nicht  nur  ohne  Reimen,  sondern  so  gar  schon  in  fünf- 
füssigen  Versen  und  auch  ohne  regulairen  Abschnitt,  überdies  mit 
Herüberwerfung  des  Verstands  aus  einem  Verse  in  den  andern 
geschrieben,  eben  wie  Sie  mir  eine  Probe  in  Ihrem  Drama: 
Marc-Anton  gegeben*.  •  Und  am  15.  Mai  schreibt  er,  2  dass 
sein  sonst  so  schönes  Drama  Marc- Anton  zu  keinem  Singspiel 
gebraucht  werden  könnte,  ,weil  die  Recitative  zu  lang  sind,  und 
zu  wenig  Arien  hinein  kommen  könnten;  ungeacht  diese  Piece 
in  ihrer  ganzen  Einrichtung,  Caracteren,  Ausdrückungen  und 
Gedanken  unverbesserlich.  Aber,  da  Sie  gar  keinen  Abschnitt 
in  ihren  fünffüssigen  Versen  beobachtet,  auch  die  Reime  dariun 
weggelassen,  so  ist  es  mir  damit,  wie  mit  Bergens  übersetztem 
Paradiess  ergangen,  dass  es  nemlich  fast  kein  Mensch,  wegen 
üngewohnheit  von  dergleichen  Schreib -Art,  lesen  könnend 
Meines  Wissens  wurde  dieses  Drama  niemals  gedruckt;  ^  es 
liegt  aber  hier  der  erste  Versuch  des  vorigen  Jahrhunderts  vor, 
den  reimlosen  Fünffüssler  im  Drama  zu  verwenden. 

Dadurch  verliert  eine  andere  ßriefstelle,  welche  Zarncke 
anführt,^  bedeutend  an  Werth;  1741  theilte  C.  F.  Drollinger 
Bodmer  seine  Gredanken  über  den  fünffüssigen  lambus  mit  und 
schickte  ihm  das  Gedicht  ,Ueber  die  Tyrannej  der  deutschen 
Dichtkunst',^   zu   welchem    er    durch    Pope''   angeregt   war;   es 


1  Anglia  1,  461. 

2  B.  H.  Blockes  von  A.  Brandl  S.  141. 

^  Nachforschungen,  welche  Herr  Oberbihl.  Dr.  J.  Horner  für  mich  in  der 
Züricher  Stadt-Bibliothek  anstellen  Hess,  ergaben  ein  negatives  Resultat. 

*  Miscellaneen,  S.  208  f. 

^  Drollinger's  Gedichte,  lierausg.  v.  J.  J.  Spreng,  Frankfurt  1745,  S.  296 
bis  297  mit  folgender  Anmerkung:  ,Tst  eine  Nachahmung  des  Englischen 
Vers-  und  Zahlmasses;  Wer  sich  nach  solchem  richten  wollte,  könnte, 
um  mehrerer  Lieblichkeit  willen,  den  Abwechsel  der  steigenden  und 
fallenden  Verse  (d.  i.  stumpfer  und  klingender  vgl.  Koberstein  2,  94 
Aum.   11)  beibehalten'. 

6  In  der  Bibl.  d.  seh.  W.  4  (1758)  500  f.  und  620  f.  finden  sich  Auszüge 
aus    dem   englischen  Werke:    An   Essay   on   the  Writings  and  Genius  of 


Ueber  den  fünffüssigen  I;iml)ns  vor  Lessing's  Nathan.  633 

besteht  aus  fünffüssigen,  jedoch  gereimten  lamben,  die  alle 
stumpf  sind;  die  Caesur  ist  frei,  steht  aber  gewohnheitsraässig 
häufig  nach  der  vierten  Silbe.  Drollinger  gesteht  nun  in  dem 
Briefe,  dass  der  Versuch  ihm  , selber  nicht  klingen  will'  und 
sucht  Gründe  dafür:  , Vielleicht  ist  mein  Ohr  durch  die  Gewohn- 
heit verderbt.  Vielleicht  auch  schickt  sich  die  deutsche  Sprache 
wirklich  nicht  so  wohl  zu  dieser  Versart  als  die  enalische^ 
Dasjenige,  was  in  diesem  Versuche  auf  Bodmer  Einfluss 
gehabt  haben  kann,  ist  die  freiere  Caesur,  welche  Drollinger 
selbst  in  andern  gleichzeitigen  iambischen  Gedichten  wieder 
aufgab. ' 

Die  ersten,  wirklich  gedruckten  fünffüssigen  lamben 
Bodmer's  finden  wir  in  den  ,Erzählungen  aus  Thomson's  Enff- 
lischen',  d.  h,  aus  den  Jahreszeiten,  welche  er  im  Anhango  zu 
Thirsis  und  Damon's  freundschaftlichen  Liedern,  Zürich  1745, 
mittheilte;  auch  unter  den  Liedern  selbst,  die  von  Pyra  und 
Lange  herrühren  und  welche  Bodmer  veröflFcntlichte,  sind 
reimlose  fünffüssige  lamben  eingestreut;  ^  so  besteht  das  erste 
Gedicht  von  Lange  , Dämon  empfängt  von  Horatz  die  Lesbische 
Leier'  in  siebenzeiligen  Strophen  aus  solchen  Versen;  die 
zweite  und  sechste  Zeile  jeder  Strophe  sind  stumpf,  die  an- 
deren klingend  (in  der  vorletzten  Strophe  ist  statt  der  zweiten 
die  dritte  Zeile  stumpf;  in  der  letzten  Strophe  ist  auch  die 
sechste  Zeile  klingend).  Die  Caesur  ist  oft  nach  der  vierten 
Silbe.    Auf  Vermeidung  des  Hiatus  wird  kein  Gewicht  gelegt. 


Pope.  London  1756;  die  in  demselben  eitierten  Verse  ans  Pope  sind  in 
reimlosen  fünffüssigen  lamben  mit  freier  Caesur  übersetzt.  Die  Aufsätze 
sind  der  erste  mit  E,  der  zweite  mit  M  unterzeichnet. 

'  Der  Deutschen  Gesellschaft  in  Leipzig  eigene  Schriften  und  Uebersetzun- 
geu,  Leipzig,  3.  Bd.  1739,  S.  36ü  Fabel,  367  f.  Sinngedichte.  (Gedichte  2, 
140—141;  131.) 

2  Am  12.  April  1745  schrieb  Bodmer  an  Hagedorn  (dessen  poetische 
Werke  5,  188):  ,Dieser  Lange  schreibt  einen  nachdrücklichen  und  leb- 
haften Vers,  wovon  ich  etwas  gesehen  habe'  und  tlieilt  eine  Strophe  aus 
,Die  Kunstricliter'  mit  (Horatzische  Oden  S.  153).  Er  schliesst:  ,Dieser 
Lange  soll  Horazens  Oden  in  dergleichen  Versen  übersetzet  haben ;  es 
gieng  ihm  aber  damit  ebenso,  wie  dem  Pyra  mit  der  Aeneis.  Man  ver- 
langte, dass  er  den  göttlichen  Gedanken  Horazens  den  letzten  Naclidruck 
mit  den  Reimen  gäbe;  ehe  er  sich  aber  zu  dieser  Niedrigkeit  entschliessen 
wollte,  hat  er  die  Arbeit  lieber  unterdrückt'. 

41* 


634  '  f;  aller. 

Aus  lauter  fünffüssio-en  lamben  besteht  auch  das  Gedicht  S.  56 
,Die  Kunstricliter'  von  Lange:  sechszeilig-e  Strophen,  die  Verse 
abwechselnd  stumpf  und  klingend.  Bei  der  zweiten  Auflage 
der  Lieder,  welche  Lange  1749  veranstaltete,  blieb  diese  Ode 
weg,  wurde  aber  unter  seinen  Horazischen  Oden  (Halle  1747, 
S.  151 — 155)  gedruckt.  Auch  auf  die  letztgenannte  Sammlung 
müssen  wir  rasch  einen  Blick  werfen;  sie  enthält  eine  ganze 
Reihe  von  Gedichten,  aus  vier-,  sechs-  oder  achtzeiligen  Strophen 
iambischer  Fünffüssler.  Ihre  Bedeutung  ist  keine  grosse:  sie 
haben  von  den  englischen  Versen  nur  die  freiere  Caesur  ent- 
lehnt; Enjambement  findet  sich  nicht  oder  fast  nicht;  die  Verse 
theilen  sich  in  stumpfe  und  klingende,  doch  so,  dass  die  letz- 
teren oft  überwiegen.  Ich  hebe  nur  einige  hervor:  50 — 51  ,Auf 
den  Hr.  v.  Kleist'  (darin  ein  Vers  mit  trochäischem  Rhythmus: 
,Doch  gleich  sah  ich  dich,  wie  Du  mich  lächelnd  nahmst', 
in  welchem  aber  nach  dem  Druckfehlerverzeichnisse  ,doch' 
getilgt  werden  muss);  91 — 93  ,Die  rechte  Grösse,  oder  das  Lob 
der  Schweizer'  (darin  92  ein  vierfüssiger  Vers:  ,Und  lacht  der 
aufgebrachten  Lästrung');  99 — 100  ,An  den  Horatz.  Im  Jahr 
1739';  106 — 108  ,Auf  den  Hrn.  von  Krosigk'  (darin  ein  Vier- 
füssler  S.  106  ,Ihn  seines  treuen  Freunds  erinnre';  , erinnere', 
weil  männliche  Endung  erforderlich  ist)  und  ,An  den  König. 
Im  Jahre  1744'. 

Ueber  seine  eigenen  Uebersetzungen  hat  sich  Bodmer 
in  der  Vorrede  zu  den  freundschaftlichen  Liedern  ausgesprochen 
und  auch  die  Versart  berührt:  ,Er  hat  ohne  Reime  übersetzet, 
damit  er  durch  dieselben  nicht  von  den  Hauptquellen  abgezogen 
und  auf  Irrwege  geführt  würde.  Er  hat  die  Pausen  in  dem 
Verse  auf  keine  gewisse  Silbe  gesetzet,  damit  sich  die  Ge- 
danken des  Urhebers  mit  ihrem  eigenen  Schwünge  desto  natür- 
licher in  den  Vers  einspannen  Hessen.  Er  hat  den  sechzehn- 
silbigten  Vers  für  eben  so  langsam  als  lange  gehalten,  und  auch 
den  zwölfsilbigten  sich  nur  wenige  mahl  erlaubt'.  Bodmer 
gebraucht  freie  Caesur  '  und  lässt  stumpfe  und  klingende  Verse 
wechseln,  so  dass  diese  in  der  Ueberzahl  bleiben. 


•An  Hagedorn  schreibt  Bodmer  12.  April  1745  (Hagedorn's  Werke  5, 
185  f.):  ,In  Popes  neunzehnten  Briefe  an  Walsh  werden  Sie  Gedanken 
über  den  Abschnitt  im  zehnsilbigen  Verse  antreöen ,  welche  mit  den 
meinigen  ganz  genau  übereinstimmen'. 


üeber  den  funffüssigen  lamtns  vor  Lessing's  Nathan.  635 

Lavinia  hat  157  Verse,  davon  sind  97  klingend;  14  Sechs- 
füssler;  Hiatus  wird  vermieden:  S.  75  ,Hatt'  ehdem  Freund': 
an';  77  ,der  mild'  und  reiche';  auch  die  falsche  Form  78  ,Sein' 
alte  Wittib';  dagegen  Hiatus:  81  ,harte  Arbeit'.  Beispiele  des 
freieren  Enjambements  wären:  7(5  ,mit  solchem  ruhigen  |  und 
heitern';  78  , seine  Häuser  und  Länder';  ein  zusammengesetztes 
"Wort  im  weiblichen  Ausgange:  78  ,Feldmann'. 

Dämon  hat  unter  68  Versen  21  stumpfe:  8  sechsfüssige; 
Hiatus  wird  vermieden:  82  , Zweig'  er';  85  ,Sass  in  sein  Hertz 
und  machet  ihn';  Enjambement:  84  ,von  den  nakten  |  und 
glänzend  weissen  Gliedern';  82  ,mit  Amoretten  |  und  Musi- 
doren';  85  ,so  starke  Züge  |  der  Schönheit  und  der  Liebe'. 

Geladen  und  Amalia,  66  Verse,  28  stumpf,  4  sechs- 
füssige, ein  vierfüssiger:  S.  86  ,Von  ungewohnten  Seufzern 
schwer';  Hiatus:  87  , schöne  Unschuld';  88  ,Der  Traürende  auf; 
unregelmässige  Betonung:  88  ,Wer  kan  izt  den  Liebhaber  recht 
abschildern'.  In  der  zweiten  Auflage  der  Lieder  wurden  die 
Erzählungen  unverändert  abgedruckt.  ' 

Wahrscheinlich  gleichzeitig  mit  diesen  Uebersetzungen 
fällt  auch  ein  anderes  kleines  Bruchstück  aus  den  Jahreszeiten, 
das  aber  erst  1749  in  den  Neuen  Gritischen  Briefen  (S.  360: 
19  Zeilen)  veröffentlicht  wurde. 

1746  übersetzte  Bodmer  in  einem  zur  Ostermesse  ge- 
schriebenen Briefe  an  Hagedorn  (dessen  Werke  5,  204ff.) 
eine  Stelle  aus  Akensides  ,The  Pleasures  of  Imagination'  in 
reimlosen  funffüssigen  lamben,  38  Verse,  davon  2"^  klingend; 
Gaesur  ist  frei,  Enjambement  massig  gebraucht.  Ein  Vers  ist 
sechsfüssig  (S.  205)  ,Dem  allgemeinen  Gut.  Sie  stimmten  mit 
dem  Plan',  einer  vierfüssig  (S.  206)  ,Von  Ewigkeit  verwahret 
lagen',  doch  ist  er  abgebrochen.  Hiatus  findet  sich  zweimal 
(S.206):  ,jede  ihren'  und  , Eine  Ordnung'.  Unregelmässig  betont 
erscheint  S.  205  ,Die  Epochen',  S.  206  ,inildthätig';  Synkope 
tritt  ein  S.  206  , Durch  seinen  göttlich  furchtbarn  Hauch  erwärmt'. 

1  Meier  schreibt  von  Halle  den  14.  November  174:5  an  Lange  (Lange's 
Sammlung  2,  196  f.) :  ,I(;li  freue  mich  über  den  starken  Abgang  der 
freundsch.  Lieder  ungemein  ....  Wie  gefällt  Ihnen  aber  der  Anhang, 
den  Hr.  Bodmer  aus  dem  Englischen  übersetzt  hat?  Icli  weiss  nicht, 
ob  mein  Geschmack  zu  zärtlich  ist,  so  viel  aber  weiss  ich,  dass  ich  den- 
selben nicht  noch  einmal   lesen  kann'. 


636  Sauer. 

Anfügen  will  ich  die  Erwähnung"  dreier  Verse  über 
Gottsched's  Uebersetzung-  von  Bayle's  Wörterbuch,  welche 
sich  in  einem  Briefe  an  Sulz  er,  December  1747,  vorfinden 
(Briefe  der  Schweizer  S.  72).  Ein  Vers  ist  weiblich;  Hiatus 
vermieden:    , sollt'  ein^ 

1747  folgte  , Alexander  Popens  Duncias^,  in  unserer  Vers- 
art '  übersetzt,  1237  Verse,  von  denen  ein  Drittel  stumpf  ist; 
41  sechsfüssige  und  ein  vierfüssiger  (S.  7,  V.  187  , Stets  aus- 
gerecket  sein,  der  Beigen^)  sind  eingestreut;  nur  zwei  Hiaten 
sind  mir  aufgestossen;  11,  ,307  , Erschütterte  ein^;  22,  326 
, kletterte  auf';  daher  viele  Apokopen;  2,  54:  ,die  Stärk'  ein'; 
3,  81  ,die  Epope'  umarmet';  3,  87  ,frücht'  und*^;  8,  213  ,Lehr' 
unfi'uchtbar';  8,  231  ,die  römischen  Gans'  all'.  Von  Vers  zu 
Vers  zählte  ich  46mal  Hiatus.  Auch  Synkopen  finden  sich 
ziemlich  zahlreich:  2,  50  ,bese]gende';  3,  66  ,hitzigs';  12,  9 
,Augs';  12,  12  ,närrsch';  31,  91  ,sendt';  er  verwendet  Formen 
wie  1,  18  ,befestgen';  29,  36  ,vorge';  29,  46  ,küuftgen'  32,  127 
,andre';  36,  140  ,predgen',  auch  im  weiblichen  Ausgange,  in 
welchem  er  jeden  schwereren  Fall  vermeidet;  nur  ganz  am 
Ende  des  dritten  Gesanges  schreibt  er  39,  314  , sitzt  er';  40, 
330  jNachwelt';  40,339  ,Stadtrath'  an  dieser  Versstelle.  Wort- 
und  Satzbetonung  wird  manchmal  arg  geschädigt:  8,  214  , Bei- 
spiele'; 10,  276, Vorreden';   11,  296  und  14,58  ,Kunstrichter'; 


'  Ueber  dieselbe  urtheilt  Hagedorn  in  einem  Briefe  an  Bodmer  vom 
13.  April  1748  (Stäudlin,  S.  68  f.):  ,Die  deutsche  Duucias  fordert  schon 
grössere  Kenner  und  Deutsche,  welchen  auch  der  englische  Hendecasilla- 
bus,  den  Sie  mir  zu  einer  Erzählung  vorschlagen,  nicht  zuwider  ist,  und 
die  reimfreien  Verse  nicht  blosserdings  den  anacreontischen  Oden  er- 
lauben wollen.  Hier  ist  es  so  wahr  als  seltsam,  dass  Dichter,  die  noch 
immer  ihre  Gedanken  gereimt  haben.  Andern  und  sich  selbst  nicht  zu- 
trauen, dass  sie  so  glücklich  und  gefällig  ohne  die  klingenden  Fesseln 
des  Reims  sich  ausdrücken,  als  nach  Ablegung  derselben.  So  vei'mögend 
und  mechanisch  ist  die  lange  Gewohnheit!'  Bodmer  widerholt  dies 
Bild,  wenn  er  an  Hagedorn  schreibt  (10.  September  1748  Hagedorn's 
Werke  o,  209) :  , Meine  Duncias  soll  an  dem  Schriftsteller  k  la  Mode 
einen  Misvergnügten  gefunden  haben,  vermuthlich  nur  die  Uebersetzung 
und  der  Mangel  am  Reime.  Er  mag  Einer  von  denen  sein,  die  sich  nicht 
getrauen,  dass  sie  nach  Ablegung  der  Fesseln  so  hurtig  springen  können, 
als  in  denselben.  Ich  wollte  den  eilfsilbigen  Vers  in  keinem  grossen 
oder  ernsthaften  Gedichte  gebrauchen,  seitdem  ich  die  Tüchtigkeit  der 
Hexameter,  die  Kleist  und  Klopstock  gebi-auchen,  erkannt  habe'. 


•  lieber  den  fünffnssigen  lanibus  vor  Lessing'B  Nathan.  637 

24,  389  ,Mohnkränz';  25,  415  ,Vorrecht^;  34,  192  ,Und  die  Nacht 
scheusslich  macht^;  Enjambement  ist  nicht  sehr  häutig,  auch 
darin  wird  er  gegen  den  Schhiss  kühner;  die  stcärksten  Fälle 
wären:  10,  23G  ,aus  seiner  sanften,  |  aus  seiner  milden  Hand'; 
29,  31  f.  ,an  seinen  breiten  Schultern  |  und  langen  Ohren  nicht, 
nicht  an  dem  Gürtel  |  und  Kleide 

In  den  Neuen  Critischen  Briefen  1749  sind  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  reimlose  Verse  eingefügt,  meistens  fünf- 
füssige  lamben,  alle  mit  freier  Caesur;  S.  46  (28  Verse,  8  stumpf, 
im  klingenden  Ausgange  , Aufruhr',  ,um  sich';  Enjambement 
einmal  stärker  ,das  Gewölbe  |  des  Himmels');  163  Uebersetzung 
eines  italienischen  Sonettes  (darin  die  Betonung:  muthwillig  und 
hartnäckig);  179  —  182  eine  Erzählung:  ,Der  Körbgenmacher' (118 
Verse,  52  stumpf;  ein  sechsfüssiger  ,Sie  hatte  recht,  und  recht 
die  Körbgenmacherin');  184 — 185  ,Die  genezte  Frau'  (29  Verse; 
Betonung:  , hingehen';  kaltsinnig);  398  (34  Verse);  449  Ueber- 
setzung  aus  einem  Gedichte  von  Young  (50  Zeilen;  , gesundstes 
Blut');  361 — 365  führt  er  ein  Bruchstück  aus  einer  poetischen 
gereimten  Lehrschrift  in  Alexandrinern  an  und  unmittelbar 
daran  fügt  er  eine  poetische  Darstellung  derselben  Gedanken 
in  reimlosen  Fünffüsslern,  um  den  Unterschied  in  Stil  und 
Vers  klar  zu  machen  (80  Verse,  18  stumpf;  ,Fusstritte';  JJnd- 
würmer';  ,seegrüuen';  ,aufwärtsam').  Ich  greife  zwei  charak- 
teristische Beispiele  heraus;  in  Alexandrinern  (S.  361): 

Durchwandle,  mein  Gesang,  die  Reiche  der  Natur, 
Geh  ihre  Schätze  durch,  beraube  Berg  und  Flur, 
Bei'aube  Luft  und  Flut  der  hellsten  Fracht  des  Schönen, 
Dein  liebenswürdig  Werk  mit  ilirem  Schmuck  zu  krönen. 

Diese  Stelle  lautet  in  lamben  (S,  363): 

Durchstreife,  mein  Gesang,  die  weite  Welt, 
Und  sammle  die  von  ihren  schönsten  Gaben, 
Was  die  beblümte  Flur  nur  glänzends  hat, 
Den  Schmuck  der  Flut,  und  der  zerflossnen  Luft 
Dein  holdes  Mahlerstück  damit  zu  zieren. 

Die  zwei  Verse  (S.  362): 

O  wende  dich  nach  mir,  holdselge  junge  Dirne, 
Und  neige  gegen  mich  die  ungefälschte  Stirne. 

lauten  in  der  anderen  Fassung  (S.  364): 

O  wende  deinen  holden  Tritt  hierher. 
Hierher,  Holdselige,  die  glatte  Stirne. 


638  Sauer. 

,Was  für  eine  Menge  schildernder  kleinen  Züge  wird  in 
dieser  Ausbildung  hinzugesetzt';  —  ruft  Bodmer  in  Bezug  auf 
die  fünffüssigen  reimlosen  Verse  aus  —  ,wie  viel  feiner  sind 
die  Umstünde  in  den  Bildern  gewählt,  und  wie  viel  genauer 
bestimmt:  ....  bemerken  Sie  ferner,  ob  die  Verbindung 
der  Säze,  die  hier  gewiss  runder  und  periodischer  ist,  nicht 
zugleich  poetische!"  und  anmuthiger  sei,  als  eine  Rede,  die  wie 
ein  Polypus  in  zwanzig  Theile  geschnitten  wird,  und  genug 
zu  arbeiten  hat,  Kopf  und  Schwanz  zu  gewinnen.' 

In  den  Neuen  Critischen  Briefen  spricht  sich  Bodmer 
auch  über  den  Hiatus  aus;  der  67.  Brief  hat  im  Register  den 
Titel:  , Fürspruch  für  die  Anstösse  der  Selbstlaute  im  Verse' 
(S.459 — 462).  Er  ist  gegen  die  ängstliche  Vermeidung  des  Hiatus; 
,die  Abbeissung  des  kurzen  e  beleidigt  das  Ohr  zuweilen  viel 
mehr  als  dieses  Anstossen.  Die  Klage  ist  allzu  ängstlich,  dass 
es  Schmerzen  in  Hals  und  Ohren  verursache,  wenn  es  an  einen 
Selbststimmer  anprellt.  Man  muss  die  Ohren,  die  so  schwach 
sind,  dass  sie  dieses  nicht  vertragen  können,  durch  kräftige 
Arzneien  stärken  lassen'.  Als  Gründe  für  seine  Ansicht  führt  er 
auch  an,  dass  in  den  classischen  Sprachen  Hiatus  nicht  immer 
vermieden  sei;  ferner  dass  man  jene  Hiaten  aus  deutschen  Versen 
nicht  entfernen  kann,  welche  im  Innern  der  Worte  vorhanden 
sind,  welche  z.  B.  durch  das  Antreten  der  , Vorstecksilben  be 
und  ge  an  vocalisch  anlautende  Worte  entstehen'  (wohlgeartet, 
beehret,  geimpfet,  geopfert,  beurtheilen);  , haben  die  Ohren  nicht 
dieselbe  Empfindung,  wenn  ein  Hiatus  von  einem  Worte  ent- 
steht, den  sie  haben,  wenn  er  von  zweien  verursacht  wird?' 
,Es  ist  wahr',  —  so  schliesst  er  den  Brief  —  , diese  Anstösse 
könnten  durch  eine  kleine  Sorgfalt  vermieden  werden,  und  es 
scheint  nur  eine  Nachlässigkeit  zu  sein,  wenn  man  dergleichen 
stehen  lässt.  Aber  gesezt,  dass  der  Hiatus  eben  nicht  mit  allem 
Fleisse  gesucht  werden  müsse,  verräth  man  nicht  eine  gewisse 
kleinmüthige  Furchtsamkeit,  wenn  man  vor  Ton  und  Schalle 
sich  mit  dem  Kreuze  zeichnet  und  segnet?' 

Bodmer  selbst  hat  aber  merkwürdiger  Weise  sehr  grosse 
Sorgfalt  auf  Vermeidung  des  Hiatus  verwendet;  die  Betrach- 
tung seiner  umfangreicheren  Uebersetzungen  hat  dies  bereits 
bewiesen.  In  allen  erwähnten  fünffüssigen  Versen  der  Neuen 
Critischen  Briefe    habe    ich    keinen    einzigen   bemerkt;    in   den 


TTeber  den  fünffüssigen  lunibus  vor  Lessing's  Nathan.  Gov 

Alexandrinern  einen  Fall  (oOl)  ^Ktinige  in'.  Er  wagte  es  wahr- 
scheinlich   nicht,    seine  Theorie    in    der  Praxis   durchzuführen. 

Der  verlorene  ,Marc  Anton'  war  wohl  Bodnier's  erstes 
Drama  und  das  einzige  auf  viele  Jahre  hinaus;  seine  Ansicht, 
dass  die  Reime  im  Drama  verwerf  bar  seien,  hielt  er  aufrecht; 
in  dem  , Mahler  der  Sitten'  1746  sagt  er  einmal  (1,  oli)):  ,ist 
es  nicht  ungereimt  das  Geklingel  der  Reime  in  verliebten 
Stücken,  in  Heldengedichten,  in  Trauerspielen  anzubringen?' 
In  den  Critischen  Briefen  aus  demselben  Jahre  handelt  der 
sechste  Abschnitt  des  ersten  Briefes  (60 — 6<j)  ,Von  der  Eigen- 
schaft der  tragischen  Schreibart';  da  bespricht  er  die  Vorzüge 
des  Verses  und  der  Prosa  für  das  Drama,  entscheidet  sich  aber 
doch  für  den  ersteren,  mit  dem  ausdrücklichen  Vorbehalt  ,ohne 
Reimet  Auch  hier  sehen  wir  ihn  in  seiner  späteren  ausge- 
breiteten Praxis  einen  anderen  Weg  einschlagen.  Alle  Bo  dm  er- 
sehen Dramen,  so  weit  sie  bis  jetzt  daraufhin  angesehen  wurden, 
sind  in  Prosa  geschrieben;  zu  den  bei  Zarncke  (S.  29,  Aumerk.) 
angeführten,  kann  ich  noch  als  gewiss  prosaisch  hinzufügen  das 
Schäferspiel  Cimon  '  (Schirach's  Magazin  der  Critik  II,  2,  101  bis 
123)  1773,  Der  Hungerthurm  in  Pisa  1769,  Wilhelm  Teil  1775, 
Brutus  und  Cassius  Tod  1782.  Nur  eine  Parodie  macht  eine 
scheinbare  Ausnahme  ,Atreus  und  Thyest,  ein  Trauerspiel  in 
fünf  Akten  von  Weissen,  Itzo  zum  besten  der  Logen  und  des 
Parterre  charakterisirt,  humanisirt,  dialogirt'  (Neue  theatralische 
Werke  1,  137 — 311)  1768;  es  ist  das  Stück  Weisse's  durch 
prosaische  Reden  unterbrochen;  die  Vergleichung  ergab,  dass 
die  Verse  Weisse's  wörtlich  herübergenommen  sind;  die  weni- 
gen Zusätze  oder  Weglassungen  Bodmer's  erlauben  auf  die 
Art  seiner  Versilication  durchaus  keinen  Schluss. 

Bodmer's  Bedeutung  für  die  Entwicklung  unserer  Vers- 
art ist  eine  grosse;  hauptsächlich  dadurch,  dass  Wieland,  wie 
er  selbst  gesteht,  durch  die  Uebersetzungen  aus  Thomson  an- 
geregt wurde,  dieselbe  zu  verwenden;    auch    die  Uebersetzung 


Es  ist  1746  entstanden,  IT-IT  bereits  fertig  und  Bodmer  wünscht  es  von 
Gleim  oder  Kleist  versificiert  zu  selien  (Briefe  der  Scliweizer  S.  43  f.). 
30.  März  ITIS  sehreibt  Sulzer  an  Gleim  (ebenda  S.  8'_')  ,Herr  JJodmer 
hat  mir  eine  neue  Ausgabe  des  Cimons  geschickt;  wird  sich  denn  Nie- 
mand an  die  Ausarbeitung  dieses  so  schönen  Stücks  niaclien?'  Sie  sclieint 
nicht  begonnen  worden  sein. 


640  Sauer. 

der  Duncias  wurde  viel  g-elesen;  in  E.  Chr.  von  Kleist's  CoUec- 
taneen,  zum  Beispiel,  die  mir  handschriftlich  vorlieg-en,  befinden 
sich  viele  Stellen  daraus  abgeschrieben,  die  einzigen  Citate  in 
fünffüssig'en  lamben.  Jedenfalls  theilt  sich  Bodmer  mit  Gott- 
sched in  das  Verdienst,  die  Einführung  unseres  späteren 
classischen  Versmasses  ang-ebahnt  zu  haben. 

Wenn  wir  im  Jahre  17.58  in  der  Schweiz  eine  reimlose 
iambische  Uebersetzung  von  neun  englischen  Trauerspielen 
linden:  ,Neue  Probstücke  der  Englischen  Schaubühne,  aus  der 
Ursprache  übersetzet  von  einem  Liebhaber  des  guten  Geschmacks^ 
(drei  Theile,  Basel),  so  dürfen  wir  gewiss  Bodmer's  Einfluss 
vermuthen;  man  muss  nur  bedauern,  dass  der  anonyme  Ueber- 
setzer  nicht  mehr  Fleiss  und  Sorgfalt  angewendet,  und  dass 
daher  ein  so  umfangreiches  Werk  so  roh  und  unvollkommen 
werden  musste.  In  der  Vorrede  rechtfertigt  er  seinen  Ent- 
schluss,  dieselbe  Versart  zu  wählen,  in  der  die  Originale  ge- 
schrieben sind,  und  ergeht  sich  dann  in  einigen  stark  an 
Bodmer  anklingenden  Sätzen  gegen  den  Reim:  , Vielleicht 
würden  es  einige  meiner  Leser  lieber  gesehen  haben,  wenn 
ich  Reimverse  geschmiedet  hätte.  Ein  solcher  verwegener 
Streich  kam  mir  niemals  zu  Sinne.  Die  Engländer  haben  den 
Gedanken  -  mordenden  und  Ohren  -  folternden  Reimen  aus 
ihren  theatralischen  Gedichten  grösstentheils,  und  mit  gutem 
Fuge,  verbannt.  Ihre  Schauspielschreiber  wollen  sich  nicht  mit 
einem  zusammenklappenden  Tone  plagen,  welchen  doch  der 
gute  Schauspieler  geflissentlich  verbeisset,  und  ihn  hören  zu 
lassen,  für  eine  Schande  und  Ungeschick  hält^ 

Die  übersetzten  Dramen  sind  folgende;  Romeo  und  Juliet; 
Cato  von  Addison;  Die  Rache  und  Busiris  von  Young;  Oedipus 
von  Dryden  und  Lee;  Die  Wayse  von  Otway;  Almeria  oder 
die  trauernde  Braut  von  Congreve;  Elfrida  von  Mason,  und 
Kalista  oder  die  schöne  Reuerinn  von  Nikolaus  Rowe,  welche 
in  Summa  die  stattliche  Reihe  von  beinahe  20.000  Versen  reprä- 
sentieren. Darunter  ein  Vers  von  einem  Fusse  (3,  212);  8  zwei- 
füssige  (2,  251,  308,  361,  383,  385,  426;  3,  34,  50);  11  drei- 
füssige  (2,  104,  287,  372,  413,  447;  3,  18,  51,  81,  86,  276, 
284);  17  vierfüssige  (1,  82,  83,  312,  338,  349;  2,  38,  96,  257, 
337;  3,  60,  63,  145,  177,  181,  189,  234,  265);  11  sechsfüssige 


lieber  «Ion  fünffüssigen  lumbus  vor  Lessing's  Nathan.  641 

(1,  51,  70,  93,  96,  122,  247;  2,  199,  209,  280;  3,  44,  137); 
ferner  übersetzt  er  die  g-ereimten  Verse  der  Originale  am  Schlüsse 
der  Aufzüge  durch  gereimte  regelmässige  Alexandriner,  im 
Oedipus  auch  den  Orakelspruch;  im  ganzen  96  Verse. 

Dieses  verhältnissmässig-  günstige  Resultat  darf  uns  nicht 
Wunder  nehmen;  unser  Verfasser  kann  leicht  fünffüssig-e  Verse 
bilden,  wenn  er  sich  alle  erdenkbaren  Freiheiten  in  Bezug  auf 
den  Versausgang  und  die  Verwendung  von  Anapästen  gestattet. 
Ja  es  ist  bei  einigen  sechsfüssigen  Versen  im  ersten  Bande 
sogar  fraglich,  ob  mau  sie  nicht  lieber  mit  Anapästen  als  fünf- 
füssige  lesen  soll;  ebenso  kann  man  bei  einer  ganzen  Anzahl 
von  Versen  schwanken,  ob  man  sie  stumpf  mit  Anapästen  im 
Inneren  oder  klingend  mit  einer  schweren  Silbe  im  Ausgange 
lesen  soll.  Alle  Wörter  können  bei  ihm  im  weiblichen  Vers- 
ende stehen;  es  lässt  sich  keine  Grenze  des  erlaubten  und 
unerlaubten  festsetzen;  ich  erwähne  einige  der  schwersten 
zweifellosen  Fälle  2,  199  ,Farb'  lobt^;  209  ,Müh'  macht^;  2,  153 
,Lust  lässt^;  1,  86  ,überaus  schön';  1,  134  ,Sohn  schickt';  3, 
158  , eingesperrt  lebt';  3,  162  , Kunst  zeigt';  3,  199  ,Grab  lagst'; 
3,  228  , genüg  alt';  3,  248  ,Schuld  stirbt';  3,  255  ,Freund  nennst'; 
3,  266  ,Herz  stark';  1,  334  ,von  mir  floh';    1,  429  ,drei  Uhr'. 

Ebenso  genügt  es  für  die  Verwendung  des  Anapästs  in 
der  Mitte  des  Verses  aus  der  Fülle  der  Beispiele  einige  heraus- 
zugreifen: zunächst  schreibt  er  Worte  wie  , Feuer,  Ungeheuer, 
Trauer,  trauern,  dauern'  etc.  sehr  oft  zweisilbig,  verwendet  sie 
aber  einsilbig  im  Verse.  2,  26  ,Es  trauert,  weil  Theben  trauert. 
Du  bliebest  selbst';  2,  147  ,weit  dauerhaftre  Gläser';  es  ist 
bei  der  grossen  Anzahl  der  Fälle  kaum  erlaubt,  hier  überall 
zu  elidieren;  ähnlich  gebraucht  er  ,oder'  1,  243  ,zu  retten  oder 
zu  sterben';  in  anderen  Fällen  ist  Elision  überhaupt  nicht 
möglich:  1,  307  ,Zu  ihren  Füssen.  Ist  dieses  wohl  gethan'; 
3,  8  , Versprach  ich  —  Was?  mein  Elend?  Du  weisst  es  schön'; 
2,  4  ,Mit  Pest  und  Seuchen.  Die  Seuche  steckt  nicht  nur'; 
2,  402  ,In  der  Verbannung  selbsten  in  der  Verbannung';  Eigen- 
namen wie  , Romeo',  ,Pörtius'  werden  zweisilbig  verwendet;  der 
erste  Name  auch  dreisilbig  2,  397  ,0  Römeo,  Röraeö'.  Im 
Anfange  des  Verses  kommen  Anapäste  nicht  vor,  wohl  aber 
Trochäen,  1,  158,  159,  162,  168  , Väter';  1,  160  ,über';  1,  231 
.jeder';    1,    206    , Himmel';    3,    55    , Schrieb    es';    einige    Verse 


642  Sauer. 

müssen  ganz  mit  tiochäischem Rhythmus  gelesen  werden;  1,  304 
,Und  —  ich  zweifle  noch!  Dies  ist  so  viel';  1,  339  ,Sie  be- 
reitet sich  auf  das  gemeine  Beste'. 

Trotz  dieser  Freiheiten  muss  der  Uebersetzer  sehr  oft 
zur  Einschiebung  eines  e  in  die  Flexionssilben  seine  Zuflucht 
nehmen,  um  den  Vers  auszufüllen.  ,Schwesteren,  Eiteren, 
äderen',  besonders  im  Dativ  Pluralis:  , Blätteren,  Geisteren, 
Götteren,  Weiberen,  Volkeren,  Kinderen,  Sommeren,  Kräuteren'; 
im  Infinitiv:  ,veränderen,  zögeren,  bewunderen,  aufmunteren'; 
im  Particip:  ,donnerend,  zitterend,  verlängeret,  erbitteret';  auch 
jgesteren'  (2,  286,  292)  für  , gestern'  findet  sich. 

Endlich  die  Betonung.  Die  Auswahl  wird  schwer:  3,  252 
,Bei  den  sprachlösen  Heiligen  zu  wohnen';  2,  27  ,Bei  den 
Glücksfällen';  1,  33  ,wie  man  den,  so  man  hasst,  in  den  Irr- 
gängen'; 1,  97  ,Erbärmlicher,  erschrecklicher  Anblick'  (oder 
ist  dieser  Vers  dactylisch  zu  lesen?);  1,  309  ,melir  als  ich 
lebendig  ertragen  könnte'. 

Nach  alle  dem  darf  es  uns  nicht  Wunder  nehmen,  dass 
der  Uebersetzer  von  der  Regel,  dass  Hiatus  vermieden  werden 
müsse,  keine  Ahnung  hat;  unter  den  360  Versen  des  ersten 
Actes  von  Romeo  und  Julie  habe  ich  35  Fälle  gezählt;  dann 
aber  auch  das  Zählen  aufgegeben. 

Caesur  und  Enjambement  wird  ganz  frei  gebraucht.  Bei- 
spiele für  das  letztere  anzuführen,  unterlasse  ich.  Als  Probe 
der  sehr  seltenen  Uebersetzungen  will  ich  zweierlei  anführen. 
Aus  dem  Cato  (1,  222)  folgende  Rede  Cato's  IV  7,  welche  mit 
der  Uebersetzung  Gottsched's,  seiner  Frau  und  Brawes  in 
Cap.  III  verglichen  werden  mag. 

Meine  Freunde ! 
Was  trauert  ihr  so?  Geht  eines  Manns  Verlust 
Euch  so  zu  Herzen?    Rom  begeliret  Thräneu. 
Die  Meisterinn  der  Welt,  des  Reiches  Sitz, 
Der  Helden  Amme,  unsrer  Götter  Lust, 
Die  der  Tyrannen  Stolz  erniedrigte, 
Und  die  den  Völkern  ilire  Freilieit  gab, 
Rom  ist  nicht  mehr.     O  Freiheit!  und  du  Tugend! 
Und  du,  mein  Vaterland ! 

Ferner  kann  man  den  ersten  Act  der  trauernden  Braut 
von  Congreve  zusammenstellen  mit  der  Uebersetzung  von  Joh. 
El.  Schlegel  (vgl.  unten);  letzterer  kürzte  bedeutend;  der  Act 


Ueber  iloii  t'ünfliUsi^on  Tniiilius  vor  I,o';sin?;'.s  Xatlian.  ()43 

hat  bei  ilim  nur  349,  in  unserer  Uebersotznng  440  Verse;   ich 
führe  zum   Vergleiche  zwei  Stellen   an:  Schlegel  583: 

Ich  traure  (Irmii,  und  will  es  stets  betrauern. 
Nie  leg  ich  dies  betrübte  Kleid  von  mir. 
Nie  will  ich  die  geschvvollnen  Augen  trocknen 
Nie  Fried  und  Trost  in  meinem  Herzen  sehn 
Weil  ich  noch  leb"  und  an  Alfunso  denke. 

3,  10  Ich  will  trauten 

Und  ewig-  trauren.     Eine  sclnvarze  Kleidung 
Wird  mich  stets  decken ;  nimmer  werde  ich 
Die  weinend  aufgeachwollnen  Augen  trocknen ; 
So  lang  ich  lebe,  und  Alphonso  mir 
Zu  Sinne  liegt. 

Schlegel  584: 

In  goldnen  Fesseln  schwitzt  an  seinem  Wagen 
Der  beste  Kern  der  Helden  Afrikens 
Sie  murren  noch  vor  Zorn,  und  fressen  knirschend 
Den  Staub  in  sich,  den  sein  Triumph   erregt. 

3,   14.  Kriegeshäupter  schwitzen 

Bei  seines  Wagens  Rädern,  und  sie  lecken, 

Sie  kauen,  grimmig  mit  den  Zähnen  knirschend. 

Den  Staub  den  sein  Triumph  erreget  hat.  > 

Wieland  verwendete  den  lambus  zuerst  in  seinen  , Er- 
zählungen', welche  im  J\Iai  1752  gedichtet  sind-  und  in  diesem 
Jahre  zu  Heilbronn  erschienen. 

Diese  Erzählungen  bilden  eine  Hauptgrundlage  für  die 
Einführung  unseres  Versmasses  in  Deutschland;  hier  war  das- 
selbe zum  ersten  Male  in  einem  grösseren  Originalwerke  an- 
gewendet, und  mit  einer  Schönheit,  Reinheit  und  rhythmischen 
Vollendung,  welche  Staunen  erregen  muss. 

In  Bezug  auf  die  Verslänge  ist  er  viel  genauer  als  Bodmer; 
unter  den  3200  Zeilen  der  er.sten  Auflage  ist  ein  einziger  sechs- 
füssiger  Vers,  der  auch  in   die  anderen  Auflagen  übergegangen 


'  Die  Recensinn  in  der  liibl.  d.  s<'li.  W.  (j,  Ol  sagt  von  dieser  Ueber- 
setzung:  ,Sie  ist  in  fünfTüssigen,  ungereimten  Versen;  in  Versen!  das  ist 
freilich  ein  Verdienst  mehr!  —  aber  sie  sind  bisweilen  so  holpricht.  die 
Harmonie  und  der  Abschnitt  so  verabsäumt,  kurz  so  schweizerisch,  dass 
wir  eine  wolklingende  Prosa  diesen  Versen  weit  vorziehen  würden*. 

2  Poetische  Schriften   1772,  1,   195. 


644  Sauer. 

ist,  S.32:  ,Was  vor  Empfindungen,  Avas  vor  Begeisterung',  während 
zwei  Zeilen  später  ,ßewundrung'  im  Versende  steht;  ferner 
sechs  vierfüssige:  11  ,Sank  er  an  ihren  Mund,  sank  sie'  (ebenso 
Poetische  Schriften  1762,  1,  209;  1770,  1,  237);  47  ,Umflossen; 
dennoch  blieb  die  Schönheit'  (1762,  1,  236  , Umflossen;  dennoch 
bleibt  die  ächte  Schönheit';  ebenso  1770,  1,  263);  53  ,Uiid  duften- 
dem Jasmin  gewölbet'  (ebenso  1762,  1,  241;  doch  1770,  1,  267 
,Und  blühender  Acacia  gewölbet');  86  , Entehret  hatte  zu  ver- 
mehren' (ebenso  1762,  1,  268),  107  ,Mit  offner  Zärtlichkeit 
besprachen');  1762,  1,  245  ,Mit  unverhaltuer  Zärtlichkeit  be- 
sprachen'); 115  ,Der  Herr  der  Schickungen  erlaubet'  (ebenso 
1762,  1,  291;  1770,  1,  294).  Er  mischt  stumpfe  und  klingende 
Verse,  die  letzteren  überwiegen;  von  den  437  Versen  der  ersten 
Erzählung  Balsora  sind  150  stumpf,  von  den  552  der  zweiten 
Zemin  und  Gulhindj  160;  selten  gebraucht  er  Composita  im 
weiblichen  Verschluss  ,30  Granatbaum;  46  Einöd';  103  Sand- 
korn; 107  Aushauch;  114  Schutzgeist;  54  zuflohn;  59  nach- 
ahmt; 60  dahinreisst;  96  vorzieht;  110  herwinkt';  noch  seltener 
zwei  Worte:  ,59  vertobt  ist;  73  gethan  hat;  75  fliehst  du;  94 
erstaunt  sie;   122  fühl  ichs;  115  war  es;   118  versezt  sind'. 

Den  Hiatus  beobachtet  Wieland  hier  wenig,  er  schreibt 
wol  auch  bei  Gelegenheit  einmal  119  , welch  ein'  Erscheinung', 
scheut  auch  härtere  Apokopen  gerade  nicht,  dennoch  habe  ich 
fast  80  Fälle  des  Hiatus  gezählt;  die  der  ersten  Erzählung  will 
ich  rasch  aufführen  3  , Jünglinge,  ein';  4  , Menge  übrig';  5  , weise 
Elim';  6  ,grausame  und';  7  ,alle  Adern';  8  , deine  Arme';  9 
, gleiche  Ehre';  11  ,in  seine  ofne  Arme';  12  , himmlische,  euch'; 
12  ,Wege  aus';  13  ,himmlische  Erscheinung';  15  , seine  Ai'me'; 
also  zwölf  Fälle;  von  Vers  zu  Vers  habe  ich  in  derselben  Er- 
zählung 17  Beispiele  dafür  gefunden.  Apokopen  und  Synkopen 
ziemlich  häutig;  ,39  Ausflüss';  54  Wonn';  97  Wünsch';  ebenda 
Todesbäch';  110  Mien';  8  ermüdten  (1762,  l,  206;  1770,  1,  233 
entnervten);  23  bildt;  30  schwindt;  50  traur'gen;  63  blühende; 
66  unerforschlichs;  75  entbehrlichs;  110  empfindbarn;  115 
glühnden;  122  manchfaltig'.  123  ist  zu  lesen:  ,0  heiliger  Gedank 
der  izt  mein  Herz'  statt  Gedanke ;  111  ,und  etwa  unempfund'- 
nen  Genien',  statt  ,unempfundenen';  denn  Anapäste  ver- 
meidet Wieland  durchaus.  In  den  späteren  Auflagen  sind 
beide  Stellen  ganz  geändert.    Einige  unregelmässige  Betonungen 


Ueber  den  fünffüssif^en  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  045 

seien  verzeichnet:  31  ,des  sich  selbst  unergründlichen  Ge- 
müthes^;  39  ,so  sprach  er  segnete  sie';  49  , warum';  50  ,mit- 
sterben';  53  ^tiefsinnig';  63  ,Lastthieren';  73  ,demüthigtV;  78 
jOder  bist  du  es  (Satzbetonung-  wäre:  oder  bist  du  es);  76 
,anziehuden';  119  ,Blunnchter  Weste';  123  ,aufbraüsen'.  In  Be- 
tonung der  Eigennamen  schwankt  er.  S.  5  findet  sich  ,Ibraliim' 
und  ebenda  , Ibrahim'. 

Caesur  und  Enjambement  sind  frei  gehandhabt;  letzteres 
aber  noch  nicht  mit  jener  grossen  Kühnheit,  die  aus  den  ge- 
reimten Erzählungen  Wieland's  bekannt  ist.  Es  finden  sich 
also  Fälle,  wie  4  ,vom  höfischen  Gepränge  |  der  Klippe';  11 
,rait  staunenden  |  und  von  Empfindung  unterbrochnen  Worten'; 
25  ,in  ihrer  Mutter  |  Umarmungen';  93  ,frei  von  lüsternen  | 
Aufwallungen  der  wünschenden  Begierden',  aber  keine  Verse, 
in  denen  der  Artikel  oder  die  Präposition  das  letzte  Wort  bildet. 

Die  Perioden  in  den  Erzählungen  sind  meistens  ganz  kurz : 
in  der  ersten  ,Balsora'  haben  die  längsten  nur  sieben  imd  acht 
Zeilen.  Ganz  vereinzelt  steht  eine  Periode  von  27  Zeilen:  S.  36 
,Sie  bebt  unschuldig  blöd'  —  37  ,und  sprach  mit  ruhigfrohem 
Anblick'.  In  den  vielen  Monologen,  die  sich  vorwiegend  in 
rhetorischen  Fragen  bewegen,  bedingen  nach  meiner  Ansicht 
nicht  alle,  aber  immer  einige  Fragezeichen,  Periodenschluss. 
Von  den  übrigen  längeren  Perioden  wären  zu  verzeichnen: 
18  Zeilen:  50  ,So  klagt  er'  —  51  ,Von  ihrer  unglückseligen 
Sympathie';  16  Zeilen:  48  ,Ach!  eine  Marmorsäule'  —  49  ,zu 
sich  reisset';  15  Zeilen:  54  , Verborgner  Schluss  —  ver-. 
seh  wunden';  66  ,So  wie  der  Geist'  —  67  , umflattert';  122  ,Die 
Abendröthe  —  schwimmet';  14  Zeilen:  113  ,Ich  sinne  nach' 
—  114  , entgegeneilen  fühlte';  116  ,Sie  fand  bald'  —  117  ,des 
Weges';  13  Zeilen:  64  , Einst  da  er  —  heruntersah';  78  ,lJnd 
wundert  sich  —  unterlag';  105  ,In  seiner  Bildung'  —  106  ,zu 
geniessen';  112  ,So  seufzt  ich'  —  113  , zeiget';  12  Zeilen:  38 
,Die  Seelen  wallen  schon  —  lieben  können';  58  ,Er  kam  in 
Cherubinischer  Gestalt  —  führt' ;  67  ,Die  schlafeinladende  — 
enthielt',  76  ,Noch  spricht  der  Unzufriedne'  —  77  ,tiefer';  S3 
•,Wie  dich,  eh  du  die  niedre  Erde  ziertest  —  Schiumier';  104 
,Du  goldne  Zeit  —  noch  übrig  waren'.  Die  Perioden  von  11,  10 
und  9  Zeilen  sind  bereits  so  häufig,  dass  Beispiele  überflüssig 
wären,  die  kürzeren  von  8  bis  3  Zeilen  bilden  die  grösste  Anzahl. 


(146  P  a  ti  p  r. 

Die  zweite  Auflag-c  der  Erzählungen  1762  ist  von  rein 
metrischen  Gesiclitspnnkten  ans  keine  verbesserte  zu  nennen; 
abgesehen  von  vielen  Einzelheiten  ist  der  Rhythmus  gar  mancher 
klangvollen  Periode  zu  Gunsten  einer  sachlichen  Aenderung 
zerstört. 

Was  einmal  die  Länge  der  Verse  betrifft,  so  findet  sich 
S.  212  unter  neu  hinzugekommenen  Versen  ein  dreifüssiger: 
,Und  euers  Glückes  werth';  die  Zahl  der  vierfüssigen  ist  fast 
gleich  geblieben;  folgende  drei  nämlich  sind  hier  hergestellt:  203 
,Der  Perser  spricht.  Sie  lieben  sich'  (wo  1752,  5  noch  der 
Zusatz  stand  ,so  redlich');  211  ,ihr  schöner  Geist;  ihr  reines 
Herz'  (1770,  1,  239  ,ihr  unbeflecktes  Herz');  248  ,Empfing  er 
aus  der  Hand  des  Glückes'  (1752,  63  ,aus  der  vollen  Hand'); 
dagegen  236  und  245  zwei  frühere  vierfüssige  Verse  auf  regel- 
mässige Fünffüssler  gebracht  worden.  Zu  dem  einen  Sechs- 
füssler  der  ersten  Auflage  kommt  hier  eine  ganze  Reihe;  215 
,Der  Unempfindliche,  der  Böse,  dem  der  Himmel';  216  ,Er 
pflegte  vieler  selbst,  wenn  er  in  ihrer  Bildung'  (1752,  22  ,Viel 
pflegt  er  selbst');  ebenda  , Schon  an  der  Brust  goss  er  in  seine 
Zärtlichkeit'  (1770,  1,  244  ,in  seine  Triebe');  217;  232  ,Ihr 
Aug  enthüllte  gleich  dem  ersten  Blick  die  Seele'  (1752,  43 
,Ihr  Aug  verrieth  dem  ersten  Blick  die  Seele');  234  , Ein  Raub 
des  siegenden,  doch  nie  beglückten  Lasters'  (1752,  45  ,Ein 
Raub  des  Lasters,  das  izt  triumphirte');  235  ,Er  hatte  nie  geliebt. 
Sein  grosses  edles  Herz'  (1770,  1,  262  ,Sein  grosses  Herz'); 
237  ,Izt  ein  Verbrechen  sein,  das  mir  die  Pflicht  verbeut? 
Die  allerreinste  Liebe  soll  ich  tödten  — '  (1770,  1,  264  ,Izt 
ein  Verbrechen  sein,  das  mir  die  Pflicht  |  Verbeut?  —  Die 
reinste  Liebe  soll  ich  tödten?');  243  ,Und  du,  den  die  Natur 
vielleicht  mir  zugedacht'  (1752,  55  ,Und  du  vielleicht  einmal 
mir  zugedachter');  248  ,Die  Menschen  lebten  damals  ohne  andre 
Bande'  (1752,  63  , ohne  Bande');  267  , Der  Anblick  ändert  ihres 
ganzen  Schicksals  Lauf  (1752,  85  ,Der  Anblick  ändert  auf 
einmal  die  Scene') ;  270  ,Doch  wie?  —  Kaum  wagt  mein  Herz 
den  schrecklichen  |  Gedanken  — '  (1752,  89  ,Doch  wie?  — 
Kaum  wagts  mein  furchtsam  starrend  Herz  |  dich,  schrecklicher" 
Gedank,  herauszudenken  — ');  272;  288;  295  (2);  297  (3). 

Hiatus  scheint  manchmal  absichtlich  weggeschafft  zu  sein: 
201  jzween  Freunde,  die  sich  zärtlich  liebten'  (1752,  3  ,zvveen 


Uelier  ilcn  fruifffissipfcn  lamljns  vor  Lfissing's  Nathan.  047 

Jünglinge,  ein  zärtlich  Paar');  202  ,von  dieser  Anzahl  übrig' 
{1102,  3  ,von  dieser  Menge  übrig');  201)  ,nnd  sinnet  Mittel 
aus'  (1752,  12  ,und  sinnt  die  Wege  aus');  230  ,ihr  Auge  das 
umsonst  |  verbergen  will,  was  ihre  Seele  leidet'  (1752,  47  ,Bei 
den  im  Auge  ausgedruckten  Leiden');  205  ,der  Städte  schwel- 
gerischen Schimmer'  (1 752,  83  ,der  Städte  ekelhaften  Schimmer'); 
209  ,Der  Ros'  und  Nelken  eine  bessere  Kraft'  (87  ,Ros  und 
Nelke  eine')  doch  legt  er  auf  die  Vermeidung  desselben  auch 
hier  kein  besonderes  Gewicht,  schafft  vielmehr  durch  andere 
Aenderungen  oder  Zusätze  wieder  neue  Hiate. 

Anapäste  mischt  er  auch  hier  nicht  ein;  der  einzige 
Fall  bedarf  der  Besserung.  211  ,ambrosiasche  Gerüche'  muss 
ein  Druckfehler  sein;  es  ist  nun  nicht  zu  schreiben  ,ambro- 
sialsche',  wie  1752,  13  an  dieser  Stelle  mit  einem  aus  Bodmer 
stammenden  Ausdrucke  steht  ,ambrosialsche  Düfte*^;  ferner  wie 
280  (1752,  109)  ,mit  ambrosialschen  Flügeln'  und  273  (1752, 
92)  , gleich  den  ambrosialischen  Gefilden',  sondern  , ambrosische', 
wie  die  dritte  Auflage  (1770,   1,  238)  beweist. 

Im  Uebrigen  ist  die  Behandlung  des  Verses  dieselbe  und 
das  muss  auch  von  der  dritten  Auflage  1770  gesagt  werden; 
die  obige  Zusammenstellung  hat  bereits  Beispiele  aus  der  dritten 
Auflage  mit  einbezogen;  es  wären  einige  Stellen  nachzutragen, 
in  denen  neue  sechsfüssige  Verse  geschaffen  werden;  245  ,Er 
will,  die  Liebe  soll  ihr  Glück  elysisch  machen'  (,Er  will' 
fehlt  1702,  1,  217);  201  (vgl.  mit  1702,  1,  234);  205  ,Als  ich 
—  o  lohntest  du  auch  nur  mit  einem  Blick'  (,Als  ich'  fehlt 
1702,  1,  238),  208  f.  (vgl.  mit  1702,  1,  242);  272  (vgl.  mit 
1702,  1,  245);  310  ,Die  dich  so  sehr  entzückt!  Zwar  fühl  ich 
nichts  dabei'  (,dabel'  fehlt  1702,  1,  285);  311  ,üie  Gegenwart 
der  Gottheit  —  |  allein  bezaubernder,  als  alle  andre  Freuden' 
(1702,  1,  280  ,DIe  Gegenwart  der  Gottheit  j  doch  noch  stärker, 
bezaubernder  als  alle  andre  Freuden').  Wie  im  letzteren  Falle 
ein  Drelfüssler  neu  entsteht,  so  in  andern  Fällen  vicrfüssige 
Verse.  207  ,eln  irdisches  Elysien'  (1702,  240  ,Elysien  gewesen'); 
ebenda  ,Er  nähert  sich.  Doch  wie  bestürzt  |  bebt  er  zurück, 
da  er  Serenen  einsam'  (1702,  1,  241  ,Er  nähert  sich.  Doch 
wie  bestürzt  bebt  er  |  zurück,  da  er  die  göttliche  Serena');  275 
,Und  braucht  dazu  nicht  Ueberfluss'  ( 17()2,  l,  248  ,Zohars 
Ueberfluss'). 

Sitzuiigsber.  d.   phil.-hiBt.  Ol.  XC.  BJ.  III.  Hft.  ■42 


648  Sauer. 

Schon  in  der  zweiten  Auflage  macht  sich  gelegentlich 
eine  Abneigung-  gegen  Betonungen  geltend,  wie  1752  (7)  ,Die 
Unglückselige^,  was  1762  (205)  geändert  ist  in  ,die  unglücksel'ge 
Schöne';  diese  Abneigung  verstärkt  sich  jetzt  z,  B.  1762  (225) 
, Allmächtige  Begierden  senken?  —  Nein!  — '  1770(252)  ,A11- 
mächt'ge  Wünsche  senken?  —  Nein!  —  Gewiss!';  1762  (234) 
jKaum  durch  die  göttliche  Religion'  1770  (261)  ,Kaura  durch 
die  Allmacht  der  Religion';  vielleicht  lässt  sich  auch  folgende 
Aenderung  aus  der  Rücksicht  auf  die  Betonung  erklären:  1752 
(236)  , Rührt  sein  zartfühlendes  Gemüth  zu  stark'  1770  (263) 
,Wie  rührt  dies  alles  sein  empfindlich  Herz'. 

Von  den  übrigen  zahlreichen  Aenderungen  dieser  Auf- 
lage dürften  sich  aus  metrischen  Gründen  wenige  erklären 
lassen;  das  stoffliche  Interesse  überwiegt. 

1754  erschienen  zu  Zürich  Wieland's  Erinnerungen  an 
eine  Freundin  in  unserer  Versart;  375  Verse,  darunter  22 
Vier-  und  6  Sechsfüssler,  14mal  Hiatus  (dagegen  S.  15  ,das 
schön'  und  gute');  freie  Caesur  und  freies  Enjambement;  im 
weiblichen  Ausgang  nur  einmal  zwei  Worte  6  , gedacht  hat'; 
in  der  zweiten  Auflage  (Poetische  Schriften  1762,  3,  83 — 94) 
findet  sich  92  ein  dreifüssiger  Vers  ,Ein  Engel  überfiele';  einige 
der  frühei'en  Vierfüssler  sind  auf  regelmässige  Fünffüssler 
gebracht,  so  1754  (11)  ,Der  Wiz,  o  Freundin,  ist  der  Seele' 
1762  (90)  ,ist  für  die  Seele';  1754  (11)  ,als  einen  aufgeblasuen 
Witzling;  I  der  ewig  spricht  und  niemals  denket',  1762  (3,  91) 
,als  einen  leeren  aufgeblähten  Wizling,  |  der  stets  entscheidend 
spricht,  und  niemals  denket';  1754  (15)  ,in  seiner  albernen 
Entzückung';  1762  (94),  in  seiner  oft  geheuchelten  Entzückung'; 
der  Sechsfüssler  1754  (11)  ,Nie  hat  vom  stolzen  Aug  herab 
ein  tadelnd  Lächeln'  ist  geändert  1762  (90)  ,Nie  hat  vom 
stolzen  Aug  ein  höhnisch  Lächeln';  hingegen  der  regelmässige 
Vers  1754  (9)  ,Oft  hat  die  männliche  zu  glühnde  Tugend'  zu 
einem  Sechsfüssler  gemacht,  1762  (89)  ,zu  feuervolle'.  Im 
Ganzen  hat  er  jetzt  nur  330  Verse,  darunter  14  vier-  und  6 
sechsfüssige.  Die  sonstige  Behandlung  des  Verses  ist  gleich 
geblieben.  In  die  Poetischen  Schriften  1770  (3,  83 — 96)  ist 
das  Gedicht  ohne  jegliche  Veränderung  aufgenommen  worden. 
In  dem  Vorbericht  bemerkt  Wieland  dazu,  dass  es  durch  die 
Reime    unstreitig    viel    gewonnen  hätte,  dass  er  damals,  als  es 


Uel)er  den  ffinffüssigcn  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  649 

geschrieben    wurde,    sich    unvermerkt   von    einer    grossen    Ab- 
neiguno"  eejj'en  die  Reime  habe  anstecken  lassen. 

Wieland's  sp.ätere  Erzählungen  sind  sämnitlich  in  Reimen 
geschrieben;  nur  einmal  kehrt  er  zu  unserer  Versart  zurück  in 
der  Erzählung:  Geron,  der  Adelich,  die  im  Januar-  und 
Februarhefte  des  deutschen  Merkur  1777  erschien.  Er  be- 
gründete die  Verwendung  dieser  Versart,  indem  er  hervorhob, 
dass  sie  ihm  , besser  zu  der  Würde  des  Sujets  zu  stimmen  und 
den  Eindruck,  den  es  bei  der  simpelsten  Erzählung  machen 
muss,  zu  begünstigen  geschickter  schien,  als  die  vierfüssigen 
lamben,  die  der  komischen  Erzälüung  angemessener  sind*. 

Die  Eizühluug  hat  1200  Verse,  von  denen  fast  ein  Viertel 
sechsfüssig  sind;  ausserdem  finden  sich  2G  Vierfüssler  (109  in 
dem  Verse  ,Ihrs  sehr,  denn  weil  der  Schwestern  Burg'  ist 
vielleicht  zu  lesen  ,der  zwoen  Schwestern',  wie  zweimal  vorher 
steht,  wodurch  der  Vers  fünffüssig  würde;  doch  hat  Wieland 
später  denselben  nicht  gebessert),  fünf  Dreifüssler  (10,  14,  106, 
125,  129),  sechs  Zweifüssler  (13,  IG,  107,  108,  124,  127)  und 
fünf  Siebenfüssler  (108,  118,  120,  123,  126):  einige  Verse 
müssen  mit  trochäischem  Rhythmus  gelesen  werden:  10  ,Bei 
der  Hand  ihn,  schaun  ihn  an,  und  ruhn*;  13  , Immer  dunkler, 
tiefer  gehts  hinab*;  107  , Höflichkeit,  und  täuschet  sich  mit 
Namen';  mit  schwebender  Betonung  im  Anfange  16  , Pfleg- 
vaters Sohn';  unregelmässig  ist  der  Vers  14  .Des  einen,  Geron, 
der  Alte  hiess'  (später  geändert  in  ,Des  einen,  Geron,  hiess 
der  andere');  12  ist  ,einz'gen'  statt  , einzigen'  zu  schreiben,  wie 
13  ,seergen*  etc.;  starke  Verkürzungen  sind  4  ,o'r'  für  ,oder' 
und  11  ,ha'n'  für  ,]ia]jen',  106  ,sein's;  Hiatus  wird  nicht  ver- 
mieden; ich  habe  34  Fälle  gezählt;  z.  B.  121  , keine  Andre 
in';  ibid.  ,alle  andre';  ibid.  , Schönste  aller';  ibid.  ,kein'  andre 
ist'.  Dass  Caesur  und  Enjambement  ganz  frei  behandelt  sind, 
bedarf  keiner  weiteren  Ausführung. 

Hinweisen  will  ich  hier  auf  zwei  Erzählungen  im  Deutschen 
]\Ierkur,  welche  den  fünffüssigen  reimlosen  lambus  nach  Wie- 
land's Art  zeigen;  ,Dic  Wahl  des  Herkules'.  Nach  dem  Eng- 
lischen eines  Ungenannten  von  Bertuch  (August  1773,  S.  158 
bis  167)  230  Verse,  darunter  zwei  vierfüssige,  158,  162,  und 
,Palmira.  P^ine  Erzählung'  mit  Q.  unterzeichnet  (September 
1774,  S.  287—294),  150  Verse,  von  denen  ein  Drittel  sechsfüssig 


G50  Sauer. 

ist;  cinig-e  Verse  haben  Anapcästo  im  Innern:  288  ,Des 
Frühling-s  ihre  niedlichen  Köpfchen  aus';  ibid.  ,Üann  hüpften 
der  Scherz,  die  leichten  flüchtigen  Stunden'. 

Im  Sommer  des  Jahres  1757  verfertigte  Wieland  nach 
einem  eng'lischen  Stücke  von  Nicolaus  Rowe  sein  Trauerspiel 
Lady  Johanna  Gray;  die  erste  Vorstellung  durch  die  Acker- 
mann'sche  Gesellschaft  in  Zürich  bestimmte  ihn,  Avie  er  selbst 
im  Vorberichte  gesteht,  die  letzte  Hand  an  das  Werk  zu  legen 
und  es  drucken  zu  lassen.     Es  erschien   1758  in  Zürich.  ' 

Unter  den  mehr  als  2000  Versen  sind  1350  klingend;  es 
finden  sich  1(J5  Vier-,  17  Drei-,  7  Zwei-  und  3  Siebenfüssler 
in  der  ersten  Ausgabe;  oft  folgen  mehrere  vier-  und  sechs- 
füssig-e  Verse  auf  einander. 

Etliche  Verse  bedürfen  der  Besserung;  S.  7  ist  zu  lesen 
,Und  Edward  aus  den  Au'n  des  Lichts  herabsteigt'  statt 
,Auen';  ein  Compositum  wie  , herabsteigt'  an  dieser  Versstelle 
ist  nicht  auffallend  (vgl.  4  ,aufgieng';  41  , herabstieg';  32,  107 
jzurückliess';  83  , aufsah';  ferner  12  ,Sach' !  O  Guilford'  statt 
, Sache'  (vgl.  42  ,Sach  entnervet');  35  , erklärt'?  Er  wär^  statt 
, erklärte'  (vgl.  85  , weint'  und');  ,Seit'!  Maria'  statt  ,Seite'; 
36  ,Zeüg'!  Erlaube'  statt  , Zeuge';  65  ,Gefäng'nen  von'  statt 
, Gefangenen'  (vgl.  92  , Gefangnen');  70  ,führ  ich  diesen'  statt 
, fühle';  78  , durchs  Feii'r  gereinigt'  statt  , Feuer';  endlich  wohl 
auch  9  ,Das  Flehen  der  Unschuld!  Es  steigt'  statt  ,Flehn';- 
(vgl.  20  jglorreichen';  32  , arbeitend';  76  , anbetend'). 

In  einigen  Versen  müssen  aber  Anapäste  angenommen 
werden:  7  ,Zu  athmen  begann';  8  , auf  den  sterbenden  Lippen'; 
22  ,Die  beiden  Indien   schreckt'. 

Auf  Vermeidung  der  Hiate  ist  kein  Gewicht  gelegt;  es 
kommen  manchmal  deren  zwei  in  demselben  Verse  vor,  so  18 
,In  meine  Absicht  ein!  —  O  welche  Aussicht';  86  ,Und  deine 
Antwort  brachte  —  (3  mein  Kind';    es    findet   sich  35  , Kirche 


1  Im  vierten  Bande  fler  Bibl.  d.  seh.  W.  steht  eine  lange  Reeension, 
worin  es  S.  7SG  heisst:  ,Die  Sclircibart  ist  für  die  Declamation  überaus 
bequem.  Das  Metrum  ist  frei  abwecliselnd,  die  Perioden  harmonisch 
und  dentlicli  und  der  Vortrag  edel,  blühend,  doeli  nicht  zu  sehr  ge- 
scliniüekt';  ein  Lob,  welches  Lessi  ng  im  63.  Litteraturbriefe  keineswegs 
, unterschreiben'  wollte.     Werke  (Ilempel  9,  223). 

2  Zarucke  S.  30. 


Ueber  den  fünt'füssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  601 

alle';  78  ,Kirclie  auszusöhnen';  dagegen  77  , Kirch'  auf.  Im 
Ganzen  habe  ich  37  Fälle  gezählt,  von  denen  nur  einige  durch 
starke  Interpunction  zu  entschuldigen  wären.  Gegen  Ende 
scheint  Wieland  darin  genauer  gewesen  zu  sein,  da  im  letzten 
Acte,  wenn  mir  keiner  entgangen,  nur  ein  einziger  vorhanden 
ist,  98  , Schönste  aller'.  Hiatus  von  Vers  zu  Vers  habe  ich 
55  Mal  gefunden. 

Einige  stärkere  Fälle  des  Enjambement  wären  hervor- 
zuheben, so  Trennung  der  Präposition  vom  Substantiv,  92 
,ohne  meine  |  Bewilligung';  oder  um  von  seinem  Inünitiv:  96 
,Um  nimmer  |  getrennt  zu  werden';  oder  die  Vergleichungs- 
partikel abgelöst  94  ,Als  wie  j  von  FuriSn  gejagt';  oder  die 
Adverbialpräposition  vom  Verbum  abgerissen;  97  , schlich  | 
sich  eine  Stunde  nach  der  andern  weg'. 

Oft  finden  sich  im  klingenden  Ausgange  componierte 
Wörter  verwendet;  ausser  den  eben  angeführten  erwähne  ich 
noch  37  , Nachwelt';  46  , Vorsicht';  51  , Ausgang';  dann  här- 
tere Fälle,  wie  6  , Wohlklang';  38  , Blutdurst';  46  ,Rach- 
sucht';  51  , Schlachtfeld';  auch  zwei  Worte  gebraucht  er  8 
.vollbracht  ist';  25  ,gesagt  hat';  59  ,rein  war';  80  ,Lass  mich'. 

Der  Text  der  Johanna  Gray  ist  in  den  späteren  x\uf- 
lagen  1762  und  1770  wohl  geändert,  ohne  dass  aber  dem  Verse 
grössere  Aufmerksamkeit  zugewendet  wäre. 

1762  erschien  Wieland's  Uebersetzung  von  Shakespeare's 
Sommernachtstraum  unter  dem  Titel:  Ein  Johaunis-Nacht- 
Traum,  '   welche  ebenfalls  in  diesem  Versmasse  geschrieben  ist. 

Die  stumpfen  Verse  sind  nur  in  etwas  geringerer  Anzahl 
gegenüber  den  klingenden;  die  Fünffüssler  überwiegen  der 
Zahl  nach;  aber  unter  den  beiläufig  1470  iambischeu  Versen 
finden  sich  7  Zwei-,  18  Drei-,  75  Xiev-,  106  Sechs-  und 
2  Siebenfüssler.  Die  Unterbrechuug  durch  die  Prosa  und  die 
lyrischen  Stellen  erschwert  die  Zählung.  Hier  finden  sich  Ana- 
päste  in  grösserer  Anzahl  als  in  der  Johanna  Gray  im  Vers- 
eingange S.  76  , Helena  ich  liebe  dich';  in  der  Mitte  sehr  oft, 
z.  B.  4  ,Demetrius!  dieser'  und  so  immer  bei  den  Worten 
Demetrius,  Hermia,  Helena;  4  ^mitternächtlichen  Spielen';  6 
,würdiger  Edelmann';  ebenda  , würdiger  anzusehen';  7   .traurige 


'  Shakespear,  Theatralische  Werke.   1  Kand.  Zürich. 


652  Sauer. 

Hymnen'^5  ebenda  ^irdischer  glueklieli';  11  , Stadien  von';  40 
jihre  Flüg-el';  93  ,aber  holder  Puck';  101  ,liier  und  lass  uns 
folgen';  77  , Hinweg  du  K,aze,  du  Klette  du  nichts\vürdig-s  Ding'. 
Trochäen  dagegen  nur  im  Verseingange:  11  , Flüchtig';  ebenda 
jWünsche';  40  , Andre';  74  , Himmlisch';  79  , Puppe';  ebenda 
,Gelten';  83  ,König';  97  , Schlafend';  100  ^Einziger';  109  ,Lustig'. 

Hiatus  wird  selten  vermieden,  z.  B. :  3  ,vier  Tag'  in'; 
30  ,Ros',  und';  46  ,der  Reiff'  erreicht';  64  ,Sonn'  ist';  73  ,unsre 
Hand'  und  Stimm'  und'.  Im  Ganzen  habe  ich  47  Fälle  von 
Hiatus  gezählt,  oft  dicht  hinter  einander.  13  , Deine  Augen'; 
ebenda  , Stimme  als';  oder  65  ,Erschlagne  ausseh'n';  ebenda 
, keine  Otter';  ebenda  , deine  ist';  sogar  in  derselben  Zeile  25 
,alle  ihre  Elfen'. 

Hier  linden  sich  ferner  die  ersten  Reime  in  den  fünf- 
füssigen  lamben  des  Dramas,  die  erst  Schiller  weitergebildet 
hat.  Je  ein  Reimpaar  14;  37;  42;  45;  64;  66-^  67;  je  zwei 
Reimpaare  13;  16;  ein  Reimpaar  68. 

Das  Enjambement  ist  der  Lady  Johanna  Gray  gegenüber 
freier  gehandhabt;  oft  sind  Präpositionen  von  ihrem  Substantiv 
getrennt:  4  ,über  |  mein  Kind';  15  , durch  |  die  Tliore';  32 
^zwischen  ]  dem  Erdball  und  dem  kalten  Monde';  29  ,In  j  den 
über  uns  erzürnten  Bach';  36  ,Mit  |  rundei'  Aufrichtigkeit';  39 
,In  I  der  Liebe  reichstem  Buch';  72  ,Auf  |  deine  Gefahr';  74 
,an  unserm  Geschlecht';  79  ,mit  ihrer  |  Person,  mit  ihrer  langen 
aufgeschossenen  |  Person';  101  ,mit  |  getheilten  Augen';  Con- 
junctionen  stehen  am  Ende  des  Verses:  34  ,Bis  |  Titania 
schlafend  liegt';  70  , sobald  |  du  deine  Hand  erhebst'.  Die 
Caesur    ist  in  beiden  Dramen  Wieland's  ganz  frei  behandelt. 

Wieland's  Singspiele  müssen  wenigstens  erwähnt  werden, 
weil  in  ihnen  ganze  Reihen  reimloser  fünffüssiger  lamben  in 
den  Gesprächsscenen  eingeschoben  sind,  so  in  der  Alceste 
(Leipzig  1773)  S.  7 — 8;  22 — 25  und  besonders  53—54;  in  der 
Wahl  des  Hercules  (deutscher  Merkur  1773,  3,  133  —  157) 
S.  145  f.;  in  dem  ürtheil  des  Midas  (deutscher  Merkur  1775, 
1,  1 — 19)  7  f.  In  dem  Lustspiele  Pandora  (deutscher  Merkur 
1779,  3)  sind  ganze  Scenen  in  unserm  Versmasse,  so  finden 
sich  S.  4—8  fast  100  iambische  Fünffüssler,  ebenso  44 — 48, 
wo  zwar  Merkur  zu  Prometheus  sagt:  , Vetter  Prometheus, 
wenn    die    böse   Laune,    die    dich    in  lamben    sprechen    macht, 


ücber  dcu  füiiffussit;oii  laiiibus  vor  Lessiiig's  Nathan.  653 

dir  auilers  Freiheit  Ulsöt,  Vcrniialf  zu  Lüruii,  so  liürc  iiii";  aber 
trotzdem  selber  in  lainbeii  spricht. 


Weiter  als  Wieland  in  der  freien  Behandlung  des  lanibus 
geht  Klopstock  in  seinen  beiden  biblischen  Dramen  Salomo 
und  David. 

Klopstock  nimmt  zuerst  auf  den  ftinffüssigen  lambus, 
der  ihm  bei  Milton  schon  früh  entgegengetreten  war,  Rück- 
sicht in  der  Abhandlung:  Von  der  Nachahmung  des  griechischen 
Silbenmasses  im  Deutschen  vor  dem  zweiten  Bande  des  Messias 
175G.  Er  sagt  dort:  ,Der  zehnsylbigte  Vers  hat  viel  Vorzüge 
vor  dem  zwölfsylbigten.  Er  ist  an  sich  selbst  klingender,  und 
überdies  kann  man  seinen  Abschnitt  verändern.  Er  ist  der 
Vers  der  Engländer,  der  Italiener,  und  auch  einiger  Franzosen. 
Selbst  Milton  und  Glover  haben  ihn  gebraucht.  Er  scheint 
aber  gleichwohl  für  die  Epopee  zu  kurz,  und  dies  doch  nicht 
so  sehr  in  der  englischen,  als  in  der  deutschen  Sprache^  Am 
Ende  der  Abhandlung  spricht  er  von  der  Art  und  Weise,  wie 
man  sich  die  Kunst,  Gedichte  zu  lesen,  aneignen  soll  und  da 
heisst  es  auch:  ,Dann  gingen  Avir  zu  dem  Lehrgedichte,  oder 
dem  Trauerspiele  fort.  Hier  würden  wir  linden,  dass  auch 
die  sorgfältigste  Reinigkeit  der  lamben  den  Fehler  ,  der  Ein- 
tönigkeit nicht  ersetzen  konnte,  und  dass  so  gar  lamben  von 
genauerer  Ausarbeitung,  durch  die  immer  wiederkommende 
kurze  und  lange  Sylbe  unvermerkt  verführt,  von  der  eigent- 
lichen Aussprache  mehr  abwichen,  als  selbst  diejenigen  Hexa- 
meter, die  mit  weniger  Sorgfalt  gearbeitet  sind'.  , Sorgfältige 
Reinigkeit'  und  ^.genaue  Ausarbeitung'  hat  er  in  seinen  lamben 
nicht  angestrebt;  vielmehr  sagt  er  selbst  in  der  Vorrede  zum 
Salomo:  ,Fünffüssige  Verse  wechseln  mit  sechsfüssigen  ab, 
doch  so,  dass  jene  die  herrschenden  bleiben.  Den  iambischen 
Vers  unterbricht  bisweilen  ein  trochäischer,  derjenige,  den  die 
Alten  Hendecasyllabus  nannten.  Der  Anapäst  nimmt  die  Stelle 
des  lambus  da  ein,  wo  es  die  nothwendige  Abwechselung  oder 
der  Inhalt  zu  erfordern  schien.  Und  aus  eben  diesen  Ursachen 
wird  der  Vers  manchmal  durch  den  lonikus,  den  dritten  Päon 
oder  auch  durch  den  Pyrrhichius  geschlossen.  Ich  hätte  mir 
vielleicht  mehr  Abwechslung  erlauben  dürfen;    allein   icii  habe 


654  S  ;ui  e  r. 

es    diesem  Stücke    angemessner   g-efunden,    mich  auf  die  ange- 
führte Weise  einzuschränken'. 

Der  Salomo'  hat  2280  Verse,  über  die  Hälfte  klingend; 
137  Sechsfüssler  und  drei  Vierfüssler:  S.  8  ,Nenns,  wie  du 
willst,  das  zu  verhcelen';  153  ,Mit  ihm.  Verkündigt  ward,  da 
uns';  109  ,üu  Weichling?  siehst  du  nicht,  wie  tief.  Beiläufig 
300  Verse  sind  unter  zwei  oder  mehrere  Personen  getheilt,  da 
oft  die  Reden  in  der  Mitte  des  Verses  beginnen.  Die  Zahl 
der  trochäisch  beginnenden  Verse  lässt  sich  genau  nicht  fest- 
stellen, ebenso  lassen  sich  die  einzelnen  Unregelmässigkeiten 
im  Innern  der  Verse  schwer  gruppieren;  ich  will  daher  aus  der 
grossen  Maasse,  wenige  Beispiele  auswählen.  Trochäische  Verse: 
26  ,Gott  der  Götter!  verzeihs,  wenn  ich  nicht  würdig';  35 
,Das  da?  Gott  nur  kanns;  Ich  weiss  es  wohl';  112  , Kehrt  die 
Urnen  herum,  damit  der  König';  133  ,Ganz  der  Götzen  Gewalt 
von  ihm  gelassen';  lOG  ,Um  mein  glühendes  Bild,  den  Knaben- 
mörder'. Verse  mit  Anapästen  im  Innern:  73  , Ergreifen  im- 
gestüm  hinunter  mich  stürzen';  77  ,Ihr  Mütter!  .  .  Jetzo  ge- 
kränzt, und  lebend,  und  blühend';  'JO  ,Das  Thier  und  seinen 
Knecht  ins  Verderben  hinab'.  Im  Ganzen  habe  ich  bei  200 
Verse  gezählt,  welche  eine  der  in  der  Vorrede  erwähnten  Frei- 
heiten an  sich  tragen. 

Hiatus  wird  strenge  vermieden:  25  ,Wüst';  in';  26  ,sagt', 
ist';  38  ,Tenn'  es';  78  ,Schon'  unser';  84  ,Thrän'  erfleht';  105 
,der  Fragen  ....  ein',  im';  107  ,Höll!  Er';  109  ,Todesdünst' 
in';  151  ,Asch'  auf;  153  ,Ohn'  Antwort'.  Wenn  ich  nichts 
übersehen  habe,  so  ist  nur  ein  einziger  Hiatus  vorhanden: 
102  ,Was  kümmere  ihn  der  Pfeil  Jeroboams'.  Ja  es  scheint 
sogar,  dass  Klopstock  den  Zusammenstoss  des  geschwächten 
e  mit  folgendem  ä  vermeidet:  11  ,Hütt'  hinab';  18  ,reist'  hinab'; 
37  ,  Altar'  herunter';  73  ,In  seine  Tief  hinab';  94  ,nenn'  herauf; 
107  ,Zur  diamantnen  Pfort'  hinunter';  109  ,Zur  Höll  hinab'; 
159  ,air  herauf.  Hiatus  von  Vors  zu  Vers  habe  ich  über 
dreissig  Mal  gezählt. 

Er  gestattet  sich  viele  Verkürzungen:  114  und  öfter 
,gnung';  27  ,ewigs',  ,anders';  123  ,Da  's';  125  ,wie  dunkel  's 
um  ihn  ist';  127  ,wollt  's';  129  ,Vielfältigs'. 


'  Salomo,  ein  Trauerspiel  von  Klopstock.  Magdeburg  1764. 


üeber  den  fünffüssigen  lambns  vor  Lessing'g  Nathan.  655 

Im  klingenden  Ausgange  koninicn  bei  Klupstuek  zu- 
sammengesetzte und  zwei  einsilbige  Wörter  vor,  z.B.:  5  , Ab- 
grund'; 30  ,Oelberg';  33  , Ehrfurcht';  6S  ^Selbstmord';  89  ,Un- 
schuld';  95  ^zurückgehn';  9  ,gar  nicht';  48  ,fern  her';  112  ,doch 
noch';  123  , nicht  mehr'. 

Wie  er  über  die  Caesur  in  der  Vorrede  gar  nichts  sagt, 
ist  sie  auch  vollständig  willkürlich  bei  ihm  behandelt.  Nur 
wenige  Beispiele  für  das  ganz  freie  Enjambement  will  ich 
anführen:  8  ,Ich  tieng  |  Nur  an';  10  ,sein  edler  |  Zu  sanfter 
Freund';  13  ,Das  Leben  jenseit  |  Des  Grabs';  17  ,Bis  zu  der 
schrecklichen  j  Entschuldigung';  50  ,Ohne  noch  Einmal  |  Eine 
Mutter  zu  seyn';  56  ,um  Abschied  |  Von  mir  zu  nehmen';  133 
,ob  du  noch  |  Mich  kennst'. 

Die  zweite  Auflage  des  Salomo,  Magdeburg  17G6,  weicht 
von  der  ersten  ganz  wenig  ab.  In  den  ersten  zwei  Acten 
habe  ich  neun  unbedeutende  Veränderungen  bemerkt,  welche 
auf  den  Vers  fast  gar  keinen  Einfluss  haben. 

Die  neue  vermehrte  Auflage,  Magdeburg  1771,  verdient 
den  zweiten  Titel  durchaus  nicht;  es  ist  kein  Vers  hinzu  ge- 
kommen, wohl  aber  fehlen  drei  Verse. 

Kaum  irgend  eine  Aenderung  scheint  des  Verses  wegen 
gemacht  zu  sein.  Denn  13  , Zurücke.  Er'  ist  Hiatus  geschaffen 
worden,  während  es  in  der  ersten  Ausgabe  hiess  , Zurück'.  Er', 
ebenso  44  , Erwarte  es'  statt  des  früheren  , Erwart  es'  (76); 
oder  sollten  dies  Druckfehler  der  neuen  Auflage  seinV  48  ist 
durch  Auslassung  des  Wortes  , keine'  (84)  ein  vierfüssiger  Vers 
entstanden,  ebenso  98  ein  zweifüssiger  durch  Weglassung  der 
Worte  ,0  Gott  der  Götter!  du'  (161).  Wenn  für  früheres 
jÄltsten'  (149  und  162)  jetzt  , Ältesten'  (91  und  99),  oder  für 
,härtste'  (165)  jetzt  , härteste'  (101),  oder  für  ,gnung'  (156, 
zweimal)  jetzt  , genug'  (95),  oder  für  ,ein  einzigs  Wort'  (95) 
jetzt  ,ein  einzig  Wort'  (54)  gesetzt  wird,  so  scheut  er  doch 
andererseits  neu  entstehende  Härten  nicht;  frülier  ,feyerlich' 
(25)  jetzt  ,feyrlich'  (16);  früher  ,Der  es'  (45)  jetzt  ,Der  's' 
(26);  früher  ,hast'  (119)  jetzt  ,hasts'  (71).  Die  Ausbeute  ist 
gering  und  lohnt  fürwahr  die  Mühe  des  Vergleichens  nicht. 

Die  Recension  in  der  Bibl.  d.  seh.  W.  (12,  284)  beurtheilt 
die  Sprache  im  Salomo  ziemlich  richtig:  , Sollen  wir  noch  etwas 
von  der  Sprache  und  den  Versen  sagen?  Wir  hätten  zuweilen 


65G 


S>  ;i  u  e  r. 


jüue  njitürlicher  und  riclitiger,  diese  wuhlkliugender  g-e\vüiisclit. 
Die  Wurtluyuug  ist  nicht  selten  Lart  und  ungewölinlieli,  und 
der  Leser  niuss  sich  iu  der  That  erst  über  den  Anstoss,  den 
er  daran  nehmen  kann,  liiuwegsetzeu,  um  das  Stück  durch- 
zuh'sen^  Aehulich  ist  auch  die  Recensiuu  iu  der  Allgcni.  d. 
liibl.  o  (17G6)  65  von  J.  N.  Meiuhardt. 

Ganz  auf  dieselbe  Weise  wie  im  Salomo  behandelt  Klup- 
stöck  den  Vers  in  seinem  zweiten  iambischeu  Trauerspiele 
David  (Hamburg  1772),  über  welches  daher  einige  Bemer- 
kungen genügen. 

Unter  den  2150  Versen  lindeu  sich  gegen  160  Sechs- 
füssler  und  3  Vierfüsslcr:  20  ,Auch  jetzo  noch?  Lies!  Hundert 
Tausend';  85  ,So  viel  Rechtschatne  mir  einst  Helfer'';  125 
, Nicht  mehr.  Er  tödtet  schon!  AVas  willst  du*.  Hiatus  wird 
vermieden^  z.  B.:  7  ^Kriegsdrommet'  au';  8  , Stamm'  am';  10 
jSonn'  euch';  21  ,sondr'  ich';  35  ,opfr'  ich';  59  ,beyd'  in';  60 
,voll  Dürr'  umher';  78  ,Thräu'  ist';  115  ,Zung'  aussprechen'; 
111)  ,ohu'  ihn';  132  , durch  Irr'  und  Nacht';  der  76  stehen  ge- 
bliebene Hiatus :  , weinte  ich'  ist  im  Druckfehlerverzeichniss 
getilgt:  , weinet  ich"';  wenn  ich  nichts  übersehen  habe,  bleiben 
nur  folgende  Fälle  übrig:  39  , werde?  Ach';  134  ,der  ganze 
Altar'. 

Auch  hier  meine  ich  gefunden  zu  haben,  dass  Klopstock 
die  geschwächten  e  vor  h  vermeidet;  wenn  mir  nichts  ent- 
gangen ist,  so  ist  nur  in  folgenden  Stellen  das  e  vorhanden: 
43  , leise,  hörtest';  114  ,die  Sterbedrüse  hängt';  128  , Wolke 
hebt';  131  , Verhüllte  heut';  während  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  Fälle  das  e  getilgt  ist:  12  ,Eir  hinab';  23  ,unweis' 
hab';  24  ,Geh'  hin';  54  ,die  Sonn'  heut';  80  ,zum  Grab'  hin- 
unter'; 94  ,wär'.  Hör';  114  ,Sonn'  heut';  119  , Erwach'  Husai'; 
121  ,nah  heran';  134  ,Donnerliamm'  herunter';-  138  ,Ln  Staub', 
hinauf;   138  ,send'  hinauf';   126  ,mit  lautem  Weh'  herauf. 

Häutige  Synkopen  und  Apokopeu  führen  manche  Härten 
herbei:  4  ,du  's';  ebenda  ,Und  's';  7  , lautsten';  9  ,droh'nd'; 
35  , Worin  's  auch  war';  37  ,Der  's  wagt';  58  , Kriegs';  87 
,Aus  ist  's  mit  ihr!  's  ist  aus!';  115  , sobald  's  begann';  124 
, fleht    s';   126  , Begann  's,    begann  's  mit  Wuth'. 

Endlich  seien  noch  einige  charakteristische  Beispiele  für 
die  Behandlung  des  Enjambements  notiert:  9  , eines  frommen  | 


Ueber  den  fünt'füssigeu  luiiibus  vor  Lessiug's  Nathan.  6o7 

uud  strengten  Mauus';  Vi  ,-bcvor  |  er  wicdcrkiuuu';  ol  ,\v'ni  viel  | 
des  Blutö^;  32  ,vom  8utt  |  der  Frucht';  34  ,aus  dem  Unstern 
Ernst,  und  diesem  |  zurück  gehultneu  Zorn';  35  ,Du  hast  |  g-e- 
wählt';  38  ,Die  laug'  erwartete;  zuletzt  mit  Zorn  |  verlang-te 
Zählung';  o\)  ,eins  |  der  Völker;  49  ,voll  |  Bekümmernis';  55 
,des  Herrn  |  Gericht';  57  ,ein  solcher,  |  so  blutiger,  noch  nie 
von  mir  geführter  |  Krieg';  Ü5  , gleich  |  des  Blitzes  scjmellem 
Falle';  99  ,er  sank  |  zurück';  125  , zwischen  Himmel  |  uud 
Erde';  127  ^Zwischen  dir,  o  iSohn  |  und  deinem  tödtenden  Ver- 
derber'. 

Ueber  den  Vers  des  David  schreibt  Hart  mann  an  Bodmer 
von  Tübingen  9,  December  1772  (Stäudlin,  S.  210):  ,Ganz 
ist  dieser  David  Klopstock's  nicht  würdig;  aber  der  schöne 
lambe  und  andere  nicht  gemeine  Schönheiten  nuichen  mir  ihn 
unschätzbar,  und  am  27,  desselben  Monats  meint  er  (ebenda 
Ö.  284) :  ,Kann  ein  lambe  nicht  wirklich  in  seinem  Gange  schön 
und  richtig,  uud  doch  leer  an  grossen  Gedanken  sein?  Ich 
sage  nochmal,  dass  ich  in  Klopstock's  David  sehr  viel  \V'ul- 
laut  des  lamben  tinde,  wenn  schon  bisweilen  ein  leerer  lambe 
mit  einläuft'.  Wahrscheinlich  hatte  Bodmer  das  erste  Urtheil 
Hartmann's  eingeschränkt. 

Klopstock's  Ansicht,  dass  mau  im  Deutschen  keine  reinen 
lamben  machen  könne,  hatte  ihn  abgehalten,  denselben  zu  seinem 
Messias  zu  verwenden  (Gramer,  Klopstock  1,  137):  diese  An- 
sicht behielt  er  bei.  Als  er  von  Bürger's  Iliasübersetzuug  in 
lamben  erfuhr,  sprach  er  sich  gegen  das  Versmass  aus.  ,"\V'^enu', 
sagte  er,  ,die  Caesur  richtig  beobachtet  ist,  so  werden  die  Verse 
monoton  und  behalten  die  homerische  ]\Iannigfaltigkeit  nicht; 
ist  es  nicht,  so  wird  das  Gehör  beleidigt"  (Briefe  von  und  an 
Bürger  1,  103).  Als  ihm  aber  dann  C.  F.  Gramer  ein  Stück 
derselben  vorlas,  spendete  er  ihr  vollen  Beifall. 

Mit  Klopstock's  Technik  müssen  die  wenigen  fünffüssigen 
lamben  in  Verbindung  gebracht  werden,  welche  Gersten  berg 
dichtete;  sie  linden  sich  in  seiner  Uebersetzung  der  Braut  von 
Beaumont  und  Fletcher  '  und  er  äussert  sich  über  sie  in  dem 
vorgedruckten  Schreiben  au  Weisse  (S.   12  f.)   wie  folgt:  ,Sie 


1  Kopenhagen  und  Leipzig  176.0. 


658 


ba  uer. 


werden  wol  keine  Reelitfertiijiino-  von  mir  erwarten,  dass  ich 
mein  Original  in  deutscher  Prosa  zurückgebe,  da  es  doch 
grösstentheilö  in  reimlosen  füntYüssigen  Versen  geschrieben  ist. 
Unsere  Hendekasyllaben  sind  ausserordentlich  schwer  in  der 
Bearbeitung-,  wenn  sie  der  Vollkommenheit  einigermassen  nahe 
kommen  sollen;  fallen  sie  dagegen  zu  kurz,  so  halte  ich  sie 
dem  Ohre  für  weit  unangenehmer,  als  eine  schöne  Prosa.  Im 
Drama  wenigstens  schicken  sie  sich  nur  für  lange  Monologen, 
lange  poetische  Tiraden;  sobald  sie  aber  dem  Dialog  und  der 
Simplicität  des  Umganges  angemessen  werden  sollen,  sind  sie 
unerträglich Hagedorn  selbst  würde  sich  im  drama- 
tischen Gedichte  bei  so  vielen  Schwierigkeiten  nicht  im  Tone 
haben  erhalten  können.  Den  besten  Ausweg  scheint  mir  Klop- 
stock  in  seinem  Salomo  gefunden  zu  haben;  ich  besorge  aber 
sehr,  dass  man  noch  immer  viel  Zwang  und  Mattigkeit  darinnen 
antreffen  werde.  Sie  werden  in  meinem  engländischen  Trauer- 
spiele eine  poetische  Maskerade  finden,  die  ich  in  Hendeca- 
syllaben  übersetzt  habe,  weil  jene  Schwierigkeiten  dabei  weg- 
fielen, da  sie  sich  dem  dichterischen  Schwünge  mehr  näherte, 
wiewol  ich  sie  für  nichts  weniger,  als  für  schön  halte.  Im 
Originale  ist  sie  gereimt'.  Diese  Maskerade  nun  (S.  39 — 47) 
besteht  mit  Ausnahme  der  Gesänge  aus  140  reimlosen  iambi- 
schen  Versen,  von  denen  beiläufig  60  klingend  sind.  Hiatus 
ist,  wie  sonst  von  Gerstenberg, '  auch  hier  vermieden  (S.  44 
,Meer'  und').  Des  Enjambements  bedient  er  sich  nur  selten, 
dagegen  finden  sich  andere  Unregelmässigkeiten;  vier  Verse 
sind  Sechsfüssler:  S.  39  ,Hör,  helle  Cynthia,  mir  zu.  Ich  bin 
die  Nacht';  40  ,Lass  ihre  sanften  Lieder  uns  den  Glücklichen'; 
41  ,Hier  eine  schönre  Scene,  hier  den  Liebenden'  und  ,Dies 
majestätsche  Schauspiel  nicht  genug?  O  nun';  4(3  steht  ein 
Vers  ,Für  diesmal!  Dank!  Dank  und  Lob  euch  allen',  welcher 
dm-ch  die  Conjectur  ,diesesmal'  kaum  gebessert  werden  könnte. 
Im  Versschluss  verwendet  Gerstenberg  einige  Male  Com- 
posita:  S.  39  , Antlitz';  41  , Wollust',  , Aufzug',  Syncopiert  muss 
werden  in  dem  Verse  (S.  42)  ,Sei  hier  verschwenderisch,  und 
ich  will  dir  danken',  wo  ,verschwendrisch'  zu  lesen  ist.  In 
seinen    übrigen   Werken    bedient    sich    Gerstenberg    unseres 


'  Vgl.  Werner  ,  Ztittclail'i  für  die  öpteireidiisehcn  Gjniuii.-icn  1878,  S.  532. 


Ueber  den  fünffüssigen  lamhus  vor  Lessing's  Nathan.  659 

Versinasscs    hie    und    da   in  Verbindung  mit  anderen,  so  z.   B. 
im  ,Skuldeu'';  allein  diese  Verse  kommen  nicht  in  Betracht. 

Hier  dürfte  der  richtige  Ort  sein,  G.  K.  Pfeffel's  Be- 
nüiluingen  für  den  lainbus  kurz  zu  erwähnen.  Auch  er  suchte 
dem  Vers  mehr  Leben  zu  verleihen,  und  schlug  vor,  die  iam- 
bischen  Füsse  mit  amphibrachyschen  abwechseln  zu  lassen. 
Nach  der  Recension  in  der  N.  Bibl.  d.  seh.  W.  ö,  G2  steht 
in  dem  1766  erschienenen  zweiten  Bande  von  Pfeffel's  thea- 
tralischen Belustigungen,  die  ich  nicht  kenne,  eine  Probe  dieses 
Versmasses;  nämlich  die  Uebersetzung  einiger  Stellen  aus 
Saviguj^'s  sterbendem  Socrates;  die  in  der  Recension  mit- 
getheilten  Verse  sind  stumpf  und  klingend,  mit  freier  Caesur 
und  ohne  Enjambement;  die  beiden  Verse:  ,Du,  der  mein  Herz 
erforscht,  erhöre  mein  Flehen,  |  Und  lass  die  Tage  meines 
'irrdischen  Lebens'  mögen  ein  Beispiel  seiner  Versification  geben. 
Der  Recensent  erklärt  sich  mit  derselben  nicht  ganz  ein- 
verstanden. 

Im  Jahre  1764  Hess  Johann  Heinrich  Steffens,'  Rector 
in  Celle,  derselbe,  der  die  Emilia  Galotti  ins  Lateinische 
übersetzte,  zwei  Versuche  in  fünffüssigen  lamben  erscheinen. 
Die  Brüder  nach  dem  Terenz,  ein  Lustspiel  in  fünf  Acten 
und  eine  Versification  des  Philotas.  Das  erstgenannte  Drama 
scheint  mir  das  ältere  zu  sein,  weil  er  sich  in  demselben  noch 


'  Zu  den  bei  Goedeke  S.  552  und  616  angeführten  Dramen  von  ihm  kommen 
noch  folgende :  Der  junge  Mensch  auf  der  Probe,  Lstsp.  nach  Destouches. 
Zelle  1704;  Die  Menschlichkeit  oder  Schildrung  der  Dürftigkeit.  Nach  d. 
Franz.  Zelle  1704;  Die  Brüder,  ein  Lstsjj.  nach  dem  Terenz,  ver.si6cirt 
von  J.  H.  St.  Zelle  1704;  Philotas,  ein  Trsj).  Nach  dem  Original  ver- 
sificirt.  Zelle  1704;  Der  Schatz,  Lst.sp.  in  1  Aufz.  Zelle  1704;  Thomas 
Jones,  Lstsp.  von  5  Aufz.,  nach  Fielding,  Zelle  1700;  Der  Geldtopf,  Lstsp. 
von  1  Aufz.  nebst  dem  latein.  Text,  aus  der  Aulularia  des  Plautus 
zusammengezogen,  Zelle  1705;  Das  Unerwartete  im  Heiratheu,  oder  die 
Frau  mit  zweenen  Männern  zugleich,  Nactispiel,  Zelle  1765;  Beverley 
oder  der  Spieler,  bürg.  Trsp.  nach  Mocjre,  Wien  1705  (wahrscheinlich 
zuerst  in  Zelle  erschienen;  auch  von  der  Ciiristin  Gabiuio  —  Goedoke 
Nr.  4  —  existiert  ein  Druck  Wien  1707);  Kleveland,  Tr.sp.  Zelle  1768; 
Das  Schnupftuch  oder  der  Mohr  vi.u  Venedig,  Othello,  Schsp.  nach 
Shakespeare.  Frk.  u.  Lpzg.   1770. 


GGO  Sauer. 

nicht  jene    colossalen    Freiheiten    erlaubt,    die    er    im    Philotas 
anwendet. 

Die  Rn'ider,  1550  Verse,  die  Mehrzahl  klingend,  ein  drei- 
füssiger  (S.  12)  ,Wie?  nichts?  geh  hin  zum  Teufel',  18  vier- 
füssige,  3o  scchsfüssige.  Trochäischen  Rhythmus  zeigen  fol- 
gende Verse:  21  ,i)ass  der  Kerl  nicht  aufgehalten  werde';  32 
,üeber  dem  er  dient  in  ihrem  Hause';  46  , Scheust  du  dich 
mir  den  Entwurf  zu  sagen';  49  , Schickt  man  sich  und  alles  ist 
vergeben';  54  , Meiner  Treu!  wenn  lerntet  ihr  die  Sprache'; 
schwebende  Betonung  muss  angenommen  werden,  36  ,Unsichtbar', 
GC)  , Gutwillig';  doch  finden  sich  auch  im  Inneren  des  Verses 
Betonungen  wie  10  und  oft  ,heirathen';  11  ,anrühren';  31 
.gleichgültig';  45  , einwenden';  49  , Grossväter';  57  ,auffa]irend'; 
Anapäste  finden  sich  im  Anfange  des  Verses  gar  nicht,  im 
Innern  ganz  vereinzelt;  Enjambement  fast  gar  nicht;  die  Caesur 
ist  frei  gehandhabt.     Hiatus  habe  ich  18mal  gezählt. 

Die  Versification  des  Philotas  beträgt  beiläufig  1000  Verse; 
etwas  weniger  als  ein  Diittel  derselben  sind  stumpf;  etwa  20 
Vierfüssler  und  30  Sechsfüssler  finden  sich;  aber  ein  grosser 
Theil  der  Verse  fängt  trochäisch  oder  anapästisch  an ;  und  auch 
in  der  Mitte  sind  Trochäen  und  Anapäste  nicht  selten,  wieder- 
holen sich  sogar  in  einer  und  derselben  Zeile,  so  dass  Muster- 
verse vorkommen,  wie  sie  sogar  bei  Klop stock  selten  sind: 
S.  35  ,Und  o  mächtiger  Vater  der  Götter  und  Menschen';  39 
,Und  verwundet  gefangen  aber  nicht  wieder';  8  , Entzückende 
Träume  des  Siegs  und  der  Ehre';  3  ,In  den  schrecklichsten 
unter  den  Ti-äumen  der  Menschheit';  32  , Stifter  des  Friedens 
bei  zwistigen  Vätern  gewesen',  welche  vollständig  daktylischen 
Rhythmus  zeigen. 

Hiatus  wird  zu  vermeiden  gesucht:  z.  B.  5  ,die  geringst' 
ersparen';  14  ,die  Söhn'  einander'; '29  ,verändr'  ihn';  32  , meine 
Roll'  einfältig';  dagegen  sind  folgende  zwei  Fälle  zu  ver- 
zeichnen: 24  jRede  • —  aber';  34  ,wehe  ihm';  zu  bessern  ist 
wol  in  dem  folgenden  Verse:  34  ,Wie  freute  ich  mich  auf 
jedes  Thaies  Krümmung',  , freut''  aus  ,freute',  wodurch  der 
Hiatus  vermieden  wird. 

In  dem  Verse  34  ,Denn  auch  ein  Weib  kann  mit  Er- 
staunen   hören'    ist    nach    ,kann'   das  Wort  ,man'  zu  ergänzen; 


U<;bcr  rlcn  fiinffüRsigen  Iarnl)u=i  vor  Lessing's  Nathan.  6(51 

ilcnii  iin  Original  lautet  die  .Stelle:  ,Ach!  -  Auch  ein  Weib 
kann  man  mit  Erstaunen  hören'. 

Enjambement  findet  selten  statt;  die  Caesur  ist  frei. 
40  Verse  sind  unter  zwei,  (5  Verse  unter  drei,  1  Vers  unter 
vier  Personen  g-etheilt;  von  dem  fünften  Auftritte  reicht  der 
Vers  in  den  sechsten  hinüber. 

[Hier  will  ich  einen  Odendichter  anführen,  den  ich  sonst 
nicht  unterzubringen  weiss:  Jakob  Wilhelm  Blaufuss.  Er  ver- 
öffentlichte 1755  , Versuche  in  der  Diclitkunst'  (Jena).  Er  ver- 
sucht sich  auch  im  reimlosen  Fünffüssler  durch  die  ,Ode  bey 
dem  Abschiede  des  Herrn  M.  Taddel  aus  Rostock,  und  des 
Herrn  Krauss,  aus  Rotenburg,  aus  einer  Privat- Gesellschaft' 
(S.  94 — 99):  zwölf  zehnzeilige  Strophen  mit  weiblichen  und 
männlichen  Endungen.  Caesur  steht  nach  der  vierten  Silbe. 
Enjambement  vermieden,  ebenso  der  Hiatus  (S.  96  , Gross  und'). 
Synkope  und  Apokope  tritt  ein:  96  ,Daur',  ,irdschen',  ,weg- 
pröphezeyhn',  97  ,samtnen',  99  ,vorm'.  Die  Betonung  sehr  oft 
unrichtig:  S.  94  , selbst  Wöhlthaten  beseufzet';  95  , Unruh',  ,das 
einzige';  96  .bildete',  ,weniger';  97  , Treulosigkeit',  ,bebenden 
Damokles';  98  , rednerisch,  gross,  wie  er  ist,  gemahlt'  u.  a.  m.] 

3.  Die  beiden  Sclilegel. 

Johann  Elias  Schlegel  hatte  sich  in  seinem  1740  er- 
schienenen  Schreiben  über  die  Koniiidie  in  Versen  '  a-ee'en  die 
Verwendung  des  fünffüssigen  lambiis  ausgesprochen:  ,Sowoiil 
die  Italiener  als  Engländer  haben  zu  ihren  reimlosen  Versen 
fünffüssige  lamben  gebraucht,  und  zwar  jene  mit  lauter  weib- 
lichen, diese  mit  lauter  männlichen  Endungen.  Aber  zu  diesen 
sind  unsere  Ohren  jedoch  zu  zärtlich  und  zu  jenen  ist  unsere 
Aussprache  nicht  fliessend  genug.  Ja  es  scheint,  als  ob  wir 
nicht  einmal  ein  langes  Gedicht  in  dieser  Versart  ertragen 
könnten'.  In  derselben  Abhandlung  meint  er  auch,  ,dass  uns 
bei  der  jetzt  gebräuchlichen  Art  des  Abschnittes  in  den  sechs- 
füssigen  lamben  allezeit  der  Reim  unentbehrlich  sein  würde'. 
Diese  Behauptung  hält  er  doch  1747  aufrecht,  denn  am  15.  April 
dieses  Jahres    schreibt   er  an  Bodmer    von  Copenhagen  aus:- 


1  Kritische  Beiträge  24.  Stü'k;  Werke  3  (17G4),  88. 
-  Stäudliu's  Sammlung  S.  51. 


062  Sauer. 

,Was  die  Reime  betrifft,  so  ist  niemand,  welcher  mehr  wünschte 
als  ich,  dass  mau  das  Wesen  eines  Verses  nicht  in  diesem 
Klange  suchte:  Gleichwohl  linde  ich,  dass  ich  noch  immer 
Ursache  habe,  dasjenige  davon  zu  halten,  was  ich  in  meiner 
Abhandlung  für  die  gereimte  Comödie,  die  in  den  ,Critischen 
Beiträgen'  stehet,  davon  gesagt  habe.  Ich  finde,  dass  der  Mangel 
des  Reims  nicht  das  einzige  ist,  was  ich  wider  die  reimlosen 
Verse,  auf  den  Fuss,  wie  sie  bisher  gemacht  worden  sind, 
einzuwenden  habe.  Wenn  ich  eine  männliche  Endung  darin 
erwarte,  bekomme  ich  eine  weibliche  zu  hören,  wenn  ich  glaube, 
dass  ich  am  Ende  des  Verses  bin,  bin  ich  in  der  Mitte  des- 
selben. Und  die  lateinischen  Metra  sind  wegen  der  Verschie- 
denheit der  pedum  gar  nicht  im  Deutschen  brauchbar,  weil 
die  ganze  lateinische  und  griechische  Poesie  nicht  auf  den 
Accent,  sondern  auf  moram  der  Silben  gegründet  ist,  zwei 
Dinge,  welche  ganz  verschieden  sind'. 

Schlegel  bedient  sich  daher  des  reimlosen  Alexandriners 
—  des  Uebergangsmetrums  zum  Fünffüssler  — ,  von  dem  er 
Bodmern  in  dem  soeben  citierten  Briefe  eine  Probe  mittheilt. 
In  diesem  Versmasse  mit  stets  weiblicher  Caesur  nach  der 
fünften  oder  siebenten  Silbe  ist  das  Nachspiel  Die  entführte 
Dose'  geschrieben,  welches  vor  dem  Geschäftigen  Müssig- 
gänger,  -  also  vor  1741  entstand  und  in  Leipzig  mit  grossem 
Beifall  aufgeführt  wurde,  ^  ferner  das  kleine  Bruchstück  der 
Tragicomodie  Der  Gärtnerköuig.  ^ 

Von  dem  ersten  Stücke  sind  nur  der  erste,  achte  und 
neunte  Auftritt,  im  Ganzen  180  Verse,  von  dem  zweiten  nur 
16  Verse  ^  mitgetheilt,  alle  stumpf.  Hiatus  findet  sich  an  drei 
Stellen,  jedesmal  in  der  Caesur:  S.  630  ,Dose!  ]  Einmal;  631 
, Stelle.  I  Auf  (beide  Male  starke  Interpunction  und  der  Vers 
an  dieser  Stelle  zwischen  zwei  Sprechende  getheilt) ;  632  ,Arme  | 

1  Werke  2  (1762),  617—6:35. 

2  Werke  2,  47. 

3  Werke  2,  621. 

*  Stäudlin'i?  Sammlung  S.  51,  Werke  2,  636.  Vgl.  Schlegel'.-}  Brief  vom 
8.  October  1746  an  Bodmer  (Stäudlin's  Sammlnng  S.  39). 

^  In  dem  Briefe  vom  15.  April  1747  an  Bodmer  sagt  er  davon  ausdrücklich: 
,E.s  i.st  dieses  ein  Versuch,  den  ich  vielleicht  niemals  wagen  werde  aus- 
zuführen'. 


Ueber  den  fünffüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  663 

oder'.  Ein  Vers  dürfte  zu  bessern  sein,  da  alle  übrigen  voll- 
kommen reg-elmässig  sind:  634  ,So  mags  denn  hingebn.  Meine 
Dose  setz  ich  darauf',  wo  , drauf  zu  lesen  sein  wird  (vgl.  632, 
634  ,raus';  633  ,dran'). 

Ein  Jahr  vor  seinem  Tode  begann  er  dennoch  den  fünf- 
füssigen  lambus  zu  verwenden.  Am  6.  September  1748  schreibt 
er  von  Soroe  aus  an  Bodmer.  i  ,Ich  hatte  erst  in  diesem 
Jahre  angefangen  The  iVFourning  Bride  des  Congreve,  doch 
mit  einigen  Veränderungen  auf  das  deutsche  Theater  in  reim- 
losen Versen  zu  bringen.  Ich  fand  nichts  besser  für  das  Gehör 
als  die  Verse  selbst  nach  englischer  Art,  wenn  man  sich  nur 
die  Mühe  geben  will,  die  Endungen  der  Verse  mit  weiblicher 
und  männlicher  abzuwechseln  ....  Ich  glaube,  die  Welt  wird 
nicht  daran  verlieren,  wenn  ich  auch  nicht  die  Zeit  haben 
sollte,  es  zu  Ende  zu  bringen.  Denn  ich  habe  nicht  mehr  als 
den  ersten  Act  und  etliche  Scenen  vom  andern  fertig'.  Mehr 
entstand  auch  nicht  davon*  diese  Bruchstücke  aber  wurden 
unter  dem  Titel  Die  Braut  in  Trauer  1762  in  den  gesammelten 
Werken  gedruckt.  2  Er  hat  stark  gekürzt.  In  dem  Briefe  theilt 
er  aus  dem  Gedächtnisse  einige  Verse  mit,  die  von  den  in  den 
Werken  gedruckten  theilweise  abweichen ;  darunter  die  erste 
Rede  vollständiger  als  in  den  Werken.  Das  Erhaltene  beträgt 
450  Verse,  regelmässig  abwechselnd  mit  stumpfem  und  klin- 
gendem Ausgange.  Nur  an  einigen  Stellen  folgen  zwei  stumpfe 
oder  zwei  klingende  Verse  aufeinander  579  ,noch  Leid'  (wo 
, Leiden'  zu  schreiben  ist,  wie  S.  592  und  wie  auch  in  dem 
Briefe  geschrieben  ist);  586  ,welchen,  Treue,  bestimmt,  will'; 
592  ,Bande,  Ketten'  und  ebenda  ,Güte,  Reden';  593  endet  der 
letzte  Vers  des  ersten  Actes:  ,beständig'  und  der  erste  Vers 
des  zweiten  Actes  594  , Schrecken';  597  ,lebt,  zurück'. 

Die  Caesur  steht,  wie.  beim  Alexandriner,  noch  häufig 
gewohnheitsmässig  nach  der  vierten  Silbe.  Enjambement  ist 
selten  und  dann  recht  vorsichtig  angewendet;  Hiatus  durchweg 
vermieden;  nur  von  Vers  zu  Vers  finden  sich  13  Fälle,  von  denen 
8  durch  starke  Interpunction  geschieden  sind.  Einmal  findet  sich 
im  weiblichen  Ausgange  ein  componiertes  Wort:  595  , Anblick'. 


1  Litterarische  Pamphlete  (Zürich   1781)   128  f. 

2  Werke  2,  569—598. 

Sitzungsber.  d.  pbil.-liist.  Cl.  XC.   Bd.  111.  Illt.  43 


GG4  Sauer. 

Der  Naclilass  Job.  Elids  Schlegel's  war  an  dessen  Bruder- 
Job.  Heinrich  g'clangt  und  offenbar  war  es  das  eben  besprocbene 
Fragment,  welcbes  diesen  bestimmte,  Thomson's  Werke  in 
fünffüssigen  lamben  zu  übersetzen;  in  der  Vorrede  zu  Sopbo- 
nisba  hat  er  m^oI  zunächst  nur  diese  Arbeit  im  Auge,  wenn 
er  seine  Behandlung  des  Verses  auseinandersetzt  mit  freier 
Caesur  und  Abwechskuig  der  stumpfen  und  klingenden  Verse 
und  in  der  Vorrede  zu  den  Trauerspielen  1764,  wo  das  Frag- 
ment bereits  gedruckt  vorlag,  bezieht  er  sich  wieder  auf  das- 
selbe. ^ 

Joh.  Heinr.  Schlegel's  erster  Versuch,  die  Uebersetzung 
von  Thomson's  Sophonisba,^  erschien  1758,  in  demselben 
Jahre  mit  Wieland's  Johanna  Gray.  Unter  den  2380  Versen 
sind  über  ein  Drittel  stumpf;  in  den  Ausgängen  der  klingenden 
Verse  finden  sich  oft  zusammengesetzte  Wörter:  , hingab,  herbei- 
kömmt, einhergehn,  verabscheut,  einzog,  hervorstiegst,  nach- 
stellt, anweht,  auflöst,  verunziert';  auch  zwei  Worte  verwendet 
er  und  nicht  nur  die  enklitischen  ich,  du,  er,  ist,  hat,  sondern 
es  finden  sich  auch  Fälle  wie:  ,kann  nicht';  ,ist  zwar*;  , nicht. 
Doch';  ,dort  sein'. 

In  Bezug  auf  die  Länge  ist  er  ziemlich  genau;  doch  finden 
sich  ein  Zweifüssler  S.  76  ,Das  übrige';  2  Dreifüssler:  60  ,Von 
ihren  Handlungen';  81  , Selbst  auf  ihr  Haupt  gebracht';  9  Vier- 
füssler  S.  4,  12,  46,  49,  52,  53,  54,  57,  89;  24  Sechsfüssler 
S.  4,  5,  9,  11,  13,  15,  22  (2),  23,  24,  33  (2),  34,  35,  41,  43, 
46,  47,  48,  52,  59,  73,  74,  77. 

Hiatus  wird  durch  Apokope  weggeschafft:  S.  4  ,der  Krön 
und';  ebenda  ,Lieb'.  Er';  29  ,Scen'  ist';  41  ,Bitt'  ist';  auch  die 
falschen  Formen:  S.  65  ,ihr'  unselge  Liebe';  75  ,Die  lang'  Er- 
fahrung'. Doch  sind  folgende  Fälle  stehen  geblieben:  S.  12 
,andre  Art';  23  ,ihre  Eltern';  ibid.  ,beyde,  und';  24  , Freude 
und';  34  ,kalte  unbeseelte';  48  , eigne  üppige';  52  ,Die  vorge 
Ehe';  54  , seine  Eifersucht';  57  , schimpfliche  und';  59  , Nie- 
drige, Undankbare';  72  , Hitze  aus';  73  , Liebe.  Alles';   78  ,alle 

'  Zarncke  27. 

2  Jacob  Thomson's  Sophonisba,  ein  Trauerspiel,  ans  dem  Eng-lischen  über- 
setzt von  Johann  Heinrieh  Sclilegeln,  Leipzig  1758.  Auch  Weisse  hat 
die  Sophonisba  übersetzt  (Selbstbiograpliie  S.  16). 


Ueber  ilen  fünffüssigen  lambns  vor  Lessing's  Nuthan.  665 

alle^;  79  , ermattete,  und';  92  ,(ler  heilge  Aug-enblick';  92  ,ekle 
Erde';  94  ,\väre.  Ich^  Von  Vers  zu  Vers  habe  ich  117  Fälle 
gezcählt. 

Einmal  miiss  Ana23äst  angenommen  werden:  16  ,Zu  thun 
unmöglich.  Das  alles  rührt  mich  nicht';  dagegen  muss  ge- 
schrieben werden:  12  ,Die  mir  zu  Füssen  liegt,  kann  dies 
vereint'  statt  ,lieget';  einer  kleinen  Besserung  bedürfen  folgende 
zwei  Verse:  84  ,Zum  Hohne?  Wispert  das  nicht  Strafe  zu'  statt 
jHohn'  und  88  ,0,  das  verwirret  mich.  Der  Knechtschaft  Rutho' 
statt  , verwirrt'.  Als  unregelmässige  Betonung  ist  hervorzuheben: 
20  , Gleich  den  Göttinen,  Pallas  öder  Jimo',  welchen  Vers  man 
vielleicht  mit  trochäischem  Eingange  lesen  muss,  und  35  ,Zu 
Liebkosungen  sich  herablässt,  seufzt'.  Das  Enjambement  ist 
ziemlich  frei  gehandhabt.  Die  Receusion  in  der  Bibl.  d.  seh.  W. 
(1759,  S.  117)  lobt  die  Versification  und  empfiehlt  im  Anschluss 
daran  den  fünffüssigen  Jambus  für  das  Drama. 

1760  Hess  Schlegel  Thomson's  Agamemnon  und  Co- 
riolan  nachfolgen. ' 

Im  Agamemnon  2200  Verse,  davon  700  stumpf;  ein 
Zweifüssler:  61  .Erhielt,  erzog';  drei  Dreifüssler:  30  ,Ich  liebe 
Clytemnestren';  44  ,In  deinen  Adern  kühlen';  75  ,Und  fühlt 
den  bängsten  Harm';  vier  Vierfüssler:  31  ,Den  Gram  zu  lin- 
dern —  Agamemnon';  82  ,Sehr  unrecht.  Schien  ich  dir  denn 
fähig';  83  ,Muth,  Redlichkeit,  Verstand  und  Vorsicht';  95  ,Und 
zu  geduldig!  —  Wohl,  so  sterbet!';  und  dreizehn  Sechsfüssler. 

Hiatus  wird  vermieden,  so  S.  32  ,Ehr'  erfüllet';  und  viele 
falsche  Formen:  19  ,Dein'  Iphigenia';  34  ,mein'  Electra';  50 
jdein'  angebohrne  Hoheit';  58  ,lang'  Entfernung';  62  ,mein'  un- 
verdiente Güte';  73  ,kein'  Ehre';  83  ,dein'  ehrwürdge  Tugend'; 
90  ,ein'  ewge  Trennung' ;    stehen    geblieben   ist  Hiatus  nur  an 


'  Agamemnon  und  Coriolan,  zwei  Trauer.spiele  aus  dem  Engli.scheu  Jacob 
Thomson's,  Kopenhagen  und  Leipzig  17G0.  Der  Agamemnon  war  1750 
in  einer  reimlosen  Alexandrinerübersetzung  in  Güttingen  erscliienen. 
Lessing  begann  im  Gegensatze  zu  derselben  seine  Prosaiibersetzung 
(Werke,  Henipel  11  b,  019  ti'.).  Eine  andere  Ueber.sotzung  in  Prosa  er- 
schien 17G0,  Frankfurt  und  Leijizig  (Carlsrulier  Hey  trüge  zu  den  sdilhicn 
Wissenschaften,  I.  Bd.,  IV.  Stück,  S.  283—376).  Der  Coriolan  ist  in 
Prosa  übersetzt  von  .1.  F.  C.  im  VIL  Bande  der  Neuen  Erweiterungen 
d.  E.  u.  d.  V.   175G,  S.  285-355. 

43* 


ÖÖ6  Sanor. 

drei  Stellen:   10  , zarte  Ehre';  34  , andre  Ipliigenia';  82  , Liebende 
entzweit'. 

Als  auffallende  Betonung  wäre  zu  verzeichnen:  15  , Selbst- 
rettung'; 22  und  58  ,Cycladen';  29  Treulose';  zu  bessern  wären 
die  Verse:  15  ,Ich  mich  hinwerfen  kann?  —  Misdeut'  mich 
nicht'  statt  ,misdeute'  (vgl.  35  ,beneid  ihn');  26  ^Gut.  Lass 
mir  Ruh'.  Verlasst  mich  itzt  ein  wenig'  statt  ,Ruhe'  (vgl.  13 
,Müh'  und');  52  ,Du  kennest  ihn  vielleicht.  Sie  griffen  plötz- 
lich' statt  , kennst';  90  ,Ich  hab',  Aegisthus,  dieses  noch  bisher' 
statt  jhabe'. 

Viele  componierte  Wörter  im  klingenden  Ausgange:  , Nord- 
ost, Fallstrick,  Schandfleck,  Leitstern,  zunahm,  nachhieng,  nach- 
liess,  hinsehn,  aufthut,  anblickt,  brandmarkt,  ausgoss,  daher- 
wankt,  herablässt,  vornahm,  hindurchstrahlt';  auch  zwei  Worte: 
,kund  thun';  ,sein  kann';  ,thun  willst';  ,vermuth  ichs';  , ent- 
seelt seist'. 

Die  stärksten  Fälle  des  Enjambements  wären:  18  ,ohne 
niedrige  gedankenlose  |  und  blinde  Liebe';  ebenda  ,Um  Helenens 
Entführung  |  zu  züchtigen';  97  ,Es  fliehn  auch  weinend  |  die 
Lares  weg';  50  ,wohin  |  dein  bittend  Auge  sieht';  29  ,den 
König,  ja  |  den  Führer'. 

Coriolan  hat  über  1900  Verse,  von  denen  680  stumpf 
endigen;  in  Bezug  auf  die  Länge  ist  er  genauer;  es  finden  sich 
nur  drei  Dreifüssler:  154  ,Und  wunderbar  verwandelt';  185 
, Schon  genug  entkräftet  hat';  222  ,So  gegen  die  Vernunft'; 
zwei  Vierfüssler:  150  .,Zehnfachen  Tod,  den  Tod  der  Ehre'; 
229  ,Noch  willst  du  nicht?  Du  nimmst  die  Rettung';  ein  Sechs- 
füssler:  160  ,Du  warst  sein  Gast  in  Rom.  Drum,  Titus, 
konntest  du'. 

Hiatus  wird  strenge  vermieden:  es  scheint  keiner  über- 
sehen zu  sein;  auch  hier  finden  sich  die  falschen  Formen,  wie 
201  ,Mein' Ehr' und';  205  ,Dein' Ehre';  217  ,ihr'  eigne  Sache'; 
218  ,dein'  erste  Jugend';  173  ,eiu'  halbe  Nacht'.  Einer  kleinen 
Besserung  bedürfen  zwei  Verse:  164  ,Wie  es  o  Herrscher,  Dir 
gefällt,  mein  Loos';  ,Dir'  fehlt  im  Texte;  190  ,Mir  zu  ver- 
trau'n  und  mich  für  ihre  Sache'  statt  ,vertrauen'  (vgl.  185 
jgnug').  In  Bezug  auf  den  klingenden  Ausgang  seien  nur  einige 
vorkommende  starke  Fälle  erwähnt:  147  , hinaufzog';  149  , hinein- 
drang'; 179,  aufhub';  225,  misfällt' ;  210  ,austheilt';  214  , zurück- 


Ueber  flen  fünffüssigen  lambus  vor  Lessiog's  Nathan.  667 

rückziehst';  158  ,gut  schien';  175  , hindurch  gehn';  221  ,thim 
soll';  222  ,Tyrann  wirst';  226  ,g-edämpft  Wcard';  182,  211  ,frei 
sein';   187  ,von  nun  an';  187  ,Preis  gibt';  192  , emporschwingt'. 

1764  Hess  Schlegel  einen  Samniolband  englischer  Ueber- 
setzungen  erscheinen/  in  denen  er  den  fünffüssigen  lambus 
in  cähnlicher  Weise  behandelt.  In  dem  ersten  Trauerspiele 
Eduard  und  Eleonora  von  Thomson  ist  er  in  Bezug  auf 
die  Länge  sehr  genau;  unter  den  beiläufig  1730  Versen  finden 
sich  nur  zwei  Sechs-  und  ein  Siebenfüssler:  S.  58  , Beginnt  ein 
wenig  aufzulodern.  —  Eduard';  denn  , Eduard*  ist  immer  drei- 
silbig zu  lesen,  vgl.  13,  15,  16  etc.;  63  ,Um  eine  Sterbende, 
um  eine  solche  Fürstin';  64  , Betrogene  Daraxa!  Thörichte! 
wird  künftig  wohl'.  Die  Mehrzahl  der  Verse,  über  1180,  sind 
weiblich;  der  klingende  Ausgang  ist  ebenso  frei  behandelt 
wie  früher. 

Hiatus  wird  sehr  sorgfältig  vermieden ;  z.  B.  S.  1 1  ,Hülf ' 
entzogen';  18  ,Sonn'  entflammt';  73  ,Seer  entzückt';  59  ,Mein 
Nam'  ist';  35  ,Söhn'  und';  37  ,Gelübd'  erfülle'.  Auch  die 
falschen  Formen  finden  sich  hier  wieder:  45  ,Mein'  erste 
Sorge';  53  ,Ein'  unsichtbare  Macht'  (zweimal);  56  ,ein'  andre' 
(auch  49  ,ihr'  frische  Thränen').  Stehen  geblieben  sind  folgende 
Fälle:  45  , Balsamische  Erquickung';  51  ,die  hohe  glänzende 
Eleonora'  (dagegen  85  ,die  theure,  wahre  Leonora  lebt!');  63 
, Sterbende  um';  65  ,die  unvergleichliche  Eleonora'.  Hiatus  von 
Vers  zu  Vers  habe  ich  77mal  gezählt.  Zu  bessern'  ist  der 
Vers  57:  , Eleonora!  erheb  die  holden  Augen',  wenn  man  ,Eleo- 
nor''  schreibt,  wie  65  ,Eleonor'  ist'.  Ferner  78  ,Vom  Raube 
lebet  ihr,  Raub  war  der  Stifter'  statt  ,lebt';  dagegen  17  ,Er 
schätzet  ihren  Ruhm,  als  für  Eins  mit  seinem'  scheint  mir  un- 
verbesserlich zu  sein.  Zu  erwähnen  ist  die  Betonung  , Unauf- 
haltsam' 69. 

Das  zweite  Stück  ist  Tancred  und  Sigismunda,^ 
ebenfalls  von  Thomson.    Es  hat  2680  Verse,    die  weiblichen 


'  Trauerspiele    aus    dem    Englischen    übersetzt    durch    J.    H.    Schlegel, 

Kopenhagen  und  Leipzig  1764. 
2  Lessing  begann  dieses  Stück  in  Prosa  zu  übersetzen.  Werke  (Hempel) 

IIb,  576  ff.     Giseke   in    fünffüssigen    lainben;    s.  unten.     Ferner    steht 

eine    Uebersetzung     im    zweiten    Bande    der    Carlsruher    Beiträge    1760 

(S.  236—344  des  III.  Stückes). 


668  Sauer. 

überwiegen:  1760;  im  weiblichen  Ausgange  kommen  aucli 
starke  Fälle  vor,  wie  ,betraut  ward';  , Gefühl  liegt';  ,es  sei 
auch';  ,wol  kennt'.  In  Bezug  auf  die  Länge  ist  auch  diese 
Tragödie  sehr  genau:  zwei  Zweifüssler  116  ,Doch  sieh,  sie 
kömmt';  180  ,Wo  ist  mein  Vater';  ein  Dreifüssler:  117  , Einst 
so  beseligte^;  zwei  Sechsfüssler:  117  , Durch  dich  mehr  nun 
Monarch,  durch  dich,  weil  ich  durch  dich',  wo  vielleicht  das 
zweite  , durch  dich'  zu  streichen  ist;  200  ,0  edelmüthiger!  mich 
tödtet  deine  Treue'. 

Hiatus  wird  zu  vermeiden  gesucht:  170  ,Der  schauer- 
voir  Altar';  ,der  Jahr'  und';  auch  die  falschen  Formen:  102 
,Deiu'  ihm  verwandte  Tugend';  148  ,mein'  ewge  Schmach'; 
doch  113  ,Nur  Avenige  erreichen';  ibid.  .Nur  wenige  ersteigen' ; 
120  , mordete  ihr';  150  ,Die  theuerste  einsamen'.  Hiatus  von 
Vers  zu  Vers  habe  ich  95mal  gezählt. 

Zu  bessern  wäre :  S.  102  ,gemässiget'  statt  , gemässigt' ; 
110  ,Gräul'  statt  ,Gräuel'  (vgl.  184;  205  ,0  Gräul,  o  Gräul'); 
122  ,trügrische'  statt  , trügerische';  146  , befählest'  statt  ,befahlst*; 
147  , armseliger'  statt  , armseiger';  158  , eigenen'  statt  .eignen'; 
159  ,Höre'  statt  ,Hör'. 

Trochäischen  Rhythmus  hat  der  Vers  209  , Winke  nicht 
mir  zu,  zu  leben!  Denn  wie  könnte'  [jWink*^  zu  lesen?];  für 
folgende  zwei  Verse  weiss  ich  keine  Besserung:  162  ,An  ihm, 
Tankredeu,  der  Treu  und  Liebe'  (sollte  ,Tancred' •  zu  lesen 
und  dei-  Vers  vierfüssig  sein?);  98  ,Auf  ewig  aus  ist,  auf  ewig, 
ganz  erloschen'  (vielleicht  ,ist'  zu  streichen?). 

Das  dritte  Stück  Die  Brüder  von  Young  ist  im  Ganzen^ 
besonders    aber    in    den    letzten  zwei  Acten  flüchtig  gearbeitet. 

In  Bezug  auf  die  Länge  ist  Schlegel  hier  weniger 
genau,  als  in  den  beiden  vorhergehenden  Dramen.  Unter 
2415  Versen,  von  denen  915  stumpf  sind,  finden  sich  zwei 
Zweifüssler  236,  306;  vier  Dreifüssler  287,  315  (2),  330;  acht 
Vierfüssler  332,  247,  264,  287,  292,  302,  309,  325;  vierzehn 
Sechsfüssler,  erst  im  vierten  und  fünften  Acte,  291,  299,  305, 
306  (3),  308  (2),  311,  327,  328,  329,  331  (2).  Dazu  kommt 
noch  der  Vers  302  ,0b  minder  gleich  gerührt.  Verzeihen,  oder 
Herr?',  wo  im  Texte  ,Verzeih'n'  geschrieben  ist.  Besserung 
bedürfen  noch  einige  andere  Verse.  Es  ist  zu  lesen  231  ,reiztet' 
statt  ,reizetet' ;  242  , Erobert  —  Schweigest  du  noch,  schweigest 


üebcr  den  fiinffüssiiien  Tambus  vor  Lessing's  Nathan.  669 

du',  während  das  erste  Mal  , Schweigest'  im  Texte  steht ;  259  ,ab- 
hau'n'  statt  ,abhauen';  267  ,Der  ältre  Perseus'  statt  ,ultere'; 
281  ,ich  hab'  statt  ,habe';  288  ,Du  hattest'  statt  ,hattst';  293 
, Erbarme'   statt  , Erbarm'';  296  .Durchbohret'  statt  ,Durchbohrt'. 

Mit  trochäischem  Rhythmus  ist  der  Vers  342  zu  lesen 
,Und  daher  durchdring-t  sein  Reiz  dein  Herz',  während  ich 
folgenden  Vers  kaum  zu  bessern  weiss  234  ,Zween  Triebe  be- 
sitzen meine  Seele'. 

Hiatus  wird  durch  Apokope  weggeschafft:  229  ,Söhn' 
ergeh'','  244  ,die  Arm'  entgegen';  245  , Deine  Wünsch'  erlerne'; 
268  jflöss'.  Er';  332  ,von  Seen'  in  Scene';  auch  die  falschen 
Formen:  215  ,Die  schön'  Erixena';  249  ,mein'  einige'  Geliebte'; 
250  ,Dein'  eigne  Rechte';  267  , welch'  Erfahrung';  328  ,0  mein' 
Erixena'.  Dagegen  blieb  Hiatus  stehen:  230  Fremdlinge.  O', 
wo  allerdings  nach  der  Interpunction  ein  neuer  Auftritt  be- 
ginnt: 235  , Blicke  ab';  241  ,Du  Eigensinnige!  ich';  242  ,der 
oberste  im';  243  , Waise,  als';  247  ,der  g-rosse  Alexander'; 
260  ,eure  Ehrfurcht';  274  ,höchste  Ehre';  286  ,glaubte.  —  O 
Erixena';  300  ,Der  Könige  entsetzt';  307  , mütterliche  Erde'; 
320  , zitterte;  ich';  329  ,neue  Adern'. 

x\lso  auch  in  dieser  Beziehung  zeigt  sich  hier  grössere 
Flüchtigkeit.  Von  Vers  zu  Vers  habe  ich  93  Fälle  von  Hiatus 
gezählt. 

In  der  Vorrede  zu  diesen  drei  Uebersetzungen  'konnte 
Schlegel  bereits  sagen:  ,Das  Silbenmass,  dessen  ich  mich 
in  der  Uebersetzung  bediene,  gewinnt  in  Deutschland  mehr 
und  mehr  Beifall' ;  und  gewiss  hat  er  durch  die  Uebersetzung 
von  sechs  grossen  Dramen  gern  gelesener  Dichter  viel  zur 
Verbreitung  desselben  beigetragen ,  wenn  auch  keine  Auf- 
führung der  Stücke  nachzuweisen  ist,  worauf  man  eigentlich 
schliessen  müsste  nach  seinen  Worten,  dass  ,man  die  vorzüg- 
liche Bequemlichkeit  desselben  zur  Declamation  erkennt'.  - 


1  Schlegel  gebraucht  das  Wort  mit  andern  Zeitgenossen  statt  ,einzig', 
vgl.  290  ,Die  einge  Speise' ;  Deutsches  Wörterbuch  3,  207. 

2  Die  Recension  in  der  Bibl.  d.  seh.  W.  (1765,  S.  76)  meint,  es  würde 
vielleicht  das  beste  Mittel  sein,  dass  die  deutschen  Schauspieler  ihre 
Rollen  mit  Verstand  lernen  müssten,  wenn  sie  nicht  immer  die  gleiche 
Caesur  und  die  lieben  Reime  hätten,  auf  den  sie  unterwegs  liegen  bleiben. 
Vgl.  Allg.  d.  Bibl.   1   (17Ü.5),  S.  299. 


670  Sauer. 

4.  Cl'onegk  iiiid  J.  (J.  Jacobi. 

Eine  fast  vereinzelte  Stellung  nimmt  ein  kleiner  Versuch 
in  fünffüssigen  lamben  von  Cronegk  ein:  das  Fragment  eines 
Lustspieles  Der  ehrliche  Mann,  der  sich  schämet  es  zu  seyn/ 
Aveil  er  lauter  klingende  Verse  verwendet,  Uz  bespricht  das- 
selbe in  der  Vorrede  und  scheint  es  in  die  Zeit  von  1754  bis 
1756  zu  setzen;  er  entschuldigt  die  Aufnahme  dieser  Verse 
mit  folgenden  Worten:  ,Wir  haben  die  vorhandenen  Scenen 
diesem  Bande  eingerückt,  weil  er  in  dem  Sylbeumasse  die 
gewöhnliche  Bahn  verlassen  hat.  Er  brachte  es  nicht  zu 
Ende,  vielleicht,  weil  er  von  der  komischen  Bühne  Abschied 
genommen  hatte.  Er  glaubte,  dasS  kein  Dichter  in  Lust-  und 
Trauerspielen  es  zu  einer  gleichen  Vollkommenheit  bringen 
könnte'. 

Unter  den  51  Versen  linden  sich  ein  sechsfüssiger  378 
,Ich  muss  mich  nach  den  andern  richten.  Wie  verdrüsslich' 
und  ein  vierfüssiger  380  ,Ich  dachte  dich,  geputzt  zum  Aus- 
gehn';  in  dem  Verse  378  ,Doch  warum  trank  ich  ihn?  —  Ich 
Thor,  ich  opferte'  ist  eher  ,opfre'  als  mit  Zarncke  , opfert' 
zu  emendieren. 

Alle  Verse  enden  klingend,  nur  zwei  (379  , sitzt  hier  zu 
Haus',  und  bethet  —  Ha,  ha,  hey!'  und  ebenda  ,Du  willst 
noch  nach  Herrnhut.  Nimm  mich  mit  dir!')  sind  stumpf;  in 
dem  letzten  Verse  ist  die  Betonung  , Herrnhut'  auffallend,  wie 
das  dreimal  wiederkehrende  , geistliche'  379  und  380. 

Im  weiblichen  Ausgange  finden  sich  zusammengesetzte 
Wörter  verwendet:  379  ,Holzschnitt',  , vorstellt';  380  , Andacht', 
,Ausgehn';  sogar  zwei  Worte:  379  ,That  nicht'.  Zu  bessern  ist 
der  Vers:  379  ,Du  hast  es  oft  gelesen  —  Lass  sehen!',  wenn  mau 
, lasse  sehen'  liest,  was  trotz  des  zweimal  vorhergegangenen 
parallelen  ,Lass  sehen'  möglich  ist.  Hiatus  wird  vermieden: 
379  ,zu  Haus'  und';  von  Vers  zu  Vers  finden  sich  zwei  Fälle 
desselben;  das  Enjambement  ist  ziemlich  frei  gehandhabt:  377 
,Ich  stehle  |  mich  von  Gesellschaften  hinweg,  um  einsam  |  mir 
selber  nachzudenken';  377  f.  ,Ach  wie  wehe  |  thut  mir  der 
Kopf;  379  ,Sieh,  welche  Minen  j  macht  er  nicht  jetzt'. 

•  Werke  (Leipzig  1760)   l,  377—380;  Zarncke  S.  25  f. 


Uober  (Ion  tunffüssigen  lamltus  vor  Lessing's  N;itlian.  671 

Bei  Beantwortung  der  Frage,  woher  'Cronegk  die  An- 
regung empfieng,  nur  weibliche  Verse  zu  bilden,  liegt  es 
nahe,  an  eine  Beeinflussung  durch  Gottsched's  fünftussige 
Verse  zu  denken,  die,  wie  wir  sahen,  durchaus  weiblich  sind; 
er  hätte  sich  dann  nur  in  Betreff  der  Caesur,  die  Gottsched 
immer  nach  der  vierten  Silbe  setzt,  Freiheiten  erlaubt.  Wahr- 
scheinlich aber  kam  eine  directe  Anlehnung  an  den  italienischen 
tunffüssigen  lambus,  an  den  Endecasillabo  hinzu,  der  immer 
weiblichen  Ausgang  zeigt.  Cronegk  verstand  italienisch;  auf 
seiner  Reise  nach  Italien  trat  er  mit  Goldoni  und  Maffei  in 
persönliche  Beziehung;  '  aus  Tasso  ist  der  Stoff  seines  Trauer- 
spieles Olint  und  Sophronia  genommen  und  aus  Metastasio 
hat  er  frei  übersetzt.^  Es  läge  hier  eine  frühe  Einwirkung  des 
italienischen  lambus  vor,  der  dann  später  auf  Hein  sc  und 
Goethe  seinen  mächtigen  Einfluss  ausübte. 

Ein  Gedicht  von  Cronegk  An  einen  Baum  ^  ist  in  ge- 
reimten tunffüssigen  lamben  geschrieben,  abwechselnd  stumpf 
und  klingend. 

Reimlose  Verse  nach  dem  Italienischen  habe  ich  ausser- 
dem nur  ein  einziges  Mal  gefunden  bei  J.  G.  Jacobi,  der  in 
seinen  Düsseldorf  1764  erschienenen  Poetischen  Versuchen 
(S.  55 — 58)  die  ,Uebersetzung  einer  Stelle  aus  der  Comödie 
des  Dante  im  33.  Gesang  der  Hölle',  und  zwar  die  Ugolino- 
Episode  in  unserem  Versmass  veröffentlichte.  Es  sind  54  Verse, 
alle  bis  auf  sechs  weiblich;  im  klingenden  Ausgang  liebt  er 
zwei  Worte  zu  verwenden:  56  ,sah  ich',  ,ist  dir',  , Nacht  drauf; 
57  ,überwand  mich';  58  , verschlangst  uns',  , starb  er'.  Die  Verse 
haben  freie  Caesur,  kein  Enjambement  und  sind  bis  auf  den 
einen  Fall  56  .keine  Antwort'  hiatusrein. 


;' 


5.  Lessing  und  seine  Schule. 

In  meinem  Buche  ,J.  W.  v.  Brawe,  der  Schüler  Lessings' 
(Quellen  und  Forschungen  XXX)  habe  ich  Anhang  III  nach- 
zuweisen   versucht,    dass  Lessing   in    der  , zweiten  Hälfte   des 


'  Werke  1,  Vorrede. 
2  Ibid.  2,  338—342. 


672  Saner. 

sechsten  Decenniunis  den  {'ilnffüssig(!n  lambus  zu  verwenden 
begann;  icli  habe  den  Vers  ip  den  drei  Fragmenten  Kleonnis, 
Fatinie  und  Das  Horoscop  mit  den  im  Nathan  genau  verglichen, 
habe  den  Vers  mit  stumpfem  Ausgang  als  charakteristisch  für 
Lessing  nachgewiesen  und  den  Kleonnis  aus  äusseren  und 
inneren  Gründen  in  die  Zeit  von  1756 — 1758  gesetzt. 

Trotz  seinem  grossen  Interesse  an  dieser  Versart  dauert 
CS  noch  fast  fünfundzwanzig  Jahre,  bis  er  ein  Werk  in  fünf- 
füssigen  Limben  in  die  Welt  sendet,  und  seine  Versuche  blieben 
unvollendet  im  Pulte.  Aber  er  hatte  dazu  seine  guten  Gründe. 
Im  40.  Litteraturbriefe  (17.  Mai  1759)  meint  er,  ^  , unmerklich' 
müsse  sich  das  Ohr  an  eine  neue  Versart  gewöhnen,  , allein  ein 
neues  Metrum  aus  Gründen  anpreisen  wollen  und  von  dem 
möglichen  Gebrauche  desselben  Muster  geben,  die  ausser  diesem 
neuen  Metro  selbst  nichts  vorzügliches  haben,  das  heisst  plump 
zu  Werke  gehend  Weil  nun  kein  bedeutendes  nationales  Werk, 
wie  Milton's  Epos  vorhanden  war,  auf  welches  er  im  Beginn 
dieses  Briefes  hinwies  und  er  selbst  bald  wieder  von  anderen 
Interessen  eingenommen  war,  so  suchte  er  seine  Freunde  für 
dieses  Versmass  zu  begeistern,  und  wirklich  gelang  es  diesen, 
einige  Dichtungen  zu  schaffen,  deren  innere  Schönheit,  nach 
Lessing's  Wunsch,  die  ungewohnte  Versart  so  lange  vertraten, 
,bis  sich  das  Ohr  unmerklich  an  sie  gewöhnt  und  in  dem,  was  es 
anfangs  nur  duldete,    endlich   auch  Wohlklang  entdeckt'  hatte. 

Im  Drama  folgten  Brawe,  Gleim  und  Weisse  Lessing's 
Anregung,  und  in  kleineren  erzählenden  Dichtungen  wie  in 
der  Epopöe  suchte  Kleist  Lessing's  Versmass  zu  verwenden. 
Brawe's  Vers  in  seinem  1757 — 1758  entstandenen  und  1768 
gedruckten  Trauerspiele  Brutus  habe  ich  an  dem  erwähnten 
Orte  eingehend  erörtert;  bei  ihm,  wie  bei  anderen  finden  wir 
nur  stumpfen  Vers,  der  gleichsam  das  Erkennungszeichen  der 
Lessing'schen  Schule  bildet. 

Gleim  sah  die  Schönheit  unseres  Versmasses  auch  sehr 
bald  ein,  er  schrieb  am  29.  April  1747  an  Bodmer:'''  ,Die 
Erzählung  des  Hippomedons  in  den  , Malern  der  Sitten'  habe 


»    Werke  (Hempel)  9,   137. 
2  Briefe  der  Schweizer,  S.  49. 


üetier  den  fünffübsigen  lanibus  vor  Lessing's  Nathan.  673 

ich  schon  oft  den  besten  Kennern  empfohlen.  Die  Versart, 
welche  er  gewählt  hat,  ist  die  einzige,  in  welcher  man 
Fontainens  Naivetät  erreichen  könnte.  Sie  kommt  der  natür- 
lichen Sprache  näher;  sie  leidet  läng-ere  Worte,  sie  läuft  in 
eins  fort  und  ist  nicht  so  monotonisch.  Ich  gestehe,  dass  ich 
im  Stande  sein  möchte,  zur  Aufnahme  dieses  Silbenmasses 
und  der  damit  verknüpften  freiem  Art  zu  denken,  etwas  bei- 
zutragen. Aber  ich  bin  genöthigt,  meine  bessern  Absichten 
weiter  hinaus  zu  setzen,  um  vortheilhaftere  desto  leichter  zu 
erreichen'. 

Die  ersten,  meines  Wissens  noch  ungedruckten  iambischen 
Fünffüssler  nun,  welche  ich  von  ihm  kenne,  huden  sich  in 
einem  undatierten  Briefe  an  Kleist,  der  aus  inneren  Gründen 
in  das  Jahr  1745  gesetzt  werden  muss.  Die  elf  Verse  sind 
in  der  Manier  Lange's,  ohne  Enjambement  mit  freier  Caesur: 
alle  stumpf;  mag  dieses  Zufall  sein  oder  nicht,  mit  dem  späteren 
Gleim'schen  stumpfen  lambus  glaube  ich  kaum  einen  Zu- 
sammenhang annehmen  zu  dürfen.  Er  verwendete  ihn  erst 
wieder  in  dem  Gedichte:  ,An  die  Kriegsmuse  nach  der  Nieder- 
lage der  Russen  bei  Zorndorf.  Den  15.  August  1758'  (sämmtl. 
Werke  4,  63 — 78),  welches  Lessing,  nachdem  er  im  fünf- 
zehnten Litteraturbriefe  Bruchstücke  davon  hatte  drucken  lassen, 
1759  im  Format  der  Kriegslieder  einzeln  herausgab.  Der  Vers 
zeigt  durchwegs  stumpfen  Ausgang  und  freie  Caesur.  Unter 
den  258  Versen  sind  ein  sechsfüssiger  64  ,Wie?  oder  hörst 
du  lieber,  andrer  Fabius'  und  zwei  vierfüssige  69  ,Das  einen 
Helden  zu  tragen,  stolz',  70  ,Der  Freundschaft  Thränen  zollte! 
Kam';  ausser  dem  eben  angeführten  Anapäst  , Helden  zu  tragen' 
ist  ein  zweiter  65  ,Friederich  ist'  zu  verzeichnen.  Hiatus  wird 
zu  vermeiden  gestrebt;  es  findet  sich  die  falsche  Form  69 
,Ein'  arme  fromme  Witwe';  nur  einen  Fall  bemerkte  ich  76 
, heftete  auf. 

Bald  nach  dem  Erscheinen  von  Lessing's  Philotas  be- 
ginnt er  nun  denselben  in  fünffüssigen  lamben  zu  überarbeiten; 
schon  am  15.  April  1759  schickt  er  ihn  an  Lessing  im  Manu- 
script  zur  Beurtheilung,  erst  im  Januar  des  folgenden  Jahres 
theilt  er  ihn  den  Braunschweiger  Freunden  mit  und  verlangt 
zu  wissen,  ,ob  der  tragische  Ausdruck  und  der  Vers  der  Eng- 
länder   einigermassen   getroffen    sei';    er  will   ihn  der  Herzogin 


6^4  Sauer. 

von  Braunscliwei^  widmen;  aber  ,Gcärtner  niüsste  dann  machen, 
dass  ihr  die  Verse  nicht  anstössig  wären'.  '  Ebert  lässt  ihm 
am  5.  Februar  17G0  durch  Zachariae  sag-en,  dass  er  ,den 
Englischen  Vers  recht  sehr  gut'  in  seiner  Clewalt  habe  und 
theilt  ihm  später  ausführliche  Bemerkungen  in  Betreff  des 
Verses  mit,  welche  Gleim  grösstentheils  berücksichtigte.  ^  So 
umgearbeitet  gab  ihn  I^essing  selbst  unter  folgendem  Titel 
heraus:  ,Philotas.  Ein  Trauerspiel.  Von  dem  Verfasser  der 
preussischen  Kriegeslieder  verciticirt.  ^  Berlin,  bey  Christian 
Friedrich  Voss  1760.  An  der  regierenden  Herzogin  von  Braun- 
schweig königliche  Hoheit'.  48  S.  8". 

Trotz  Ebert's  Tadel,  dass  sämmtliche  Verse  stumpf  seien 
und  trotz  seiner  Mahnung  an  Gleim:  ,Auch  die  besten  Eng- 
lischen Tragödienschreiber  mischen  häutig  weibliche  Verse  mit 
ein  ....  In  unserer  Sprache  ist  es  noch  viel  unvermeidlicher', 
sind  doch  auch  im  Drucke  alle  490  Verse  bis  auf  einen 
stumpf. 

Zwei  Sechsfüssler  und  ein  Vierfüssler,  die  im  Entwürfe 
standen,  sind  nach  Ebert's  Bemerkungen  verbessert;  ein  Vier- 
füssler findet  sich  im  Druck:  S.  46  ,Was  kümmert  mich  dein 
Gold?  Es  ist';  ferner  sind  zwei  aufeinanderfolgende  Verse  un- 
regelmässig: 12  f.  ,Man  muss  dich  lieben  und  bewundern  |  nur 
fürchten  nicht.    Das  meinst  du.    Ha!  Meinst  du  das'?' 

Hiatus  ist  ziemlich  sorgfältig  vermieden;  einer,  der  im 
Manuscripte  stand,  ist  im  Drucke  verbessert.  8.  33  lautete 
der  Vers:  , Aufopfern  wollt',  ihn  noch  zu  retten,  hin'  früher 
, Zustopfen  wollte,  ihn  zu  retten,  hin';  Ebert  bemerkte  dazu: 
, Einen  solchen  Hiatus  habe  ich  schon  vergeben;  —  aber 
zwei  —  das  ist  zu  viel.  —  Man  sollte  sie  meiden,  wenn  es 
auch  nur  um  des  bösen  Exempels  wäre,  und  weil  die  besten 
Poeten    unserer    Sprache    sie    immer    so    sorgfältig    vermieden 


'  Briefe  von  Lessing  etc.,  mitgetheilt  von  H.  Pröhle.  Neue  Jahrbücher 
f.  Phil,  und  Päd.  1876,  S.  264. 

2  Ebenda  S.  360. 

3  jvercificirt'  ein  Druckfehler  auf  allen  Kxemplaren,  welchen  Lessing  in 
dem  Exemplare,  das  er  an  Gleim  schickte,  verbesserte,  woraus  höchst 
wahrscheinlich  die  in  Körte's  Leben  Gleini's,  S.  114  Anm.,  aufbewahrte 
Fabel  entstand,  L  es  sing  habe  in  demselben  das  Wort  ,versificirt'  in 
jverificirt'  geändert.  Danzel,  Lessing  1,  410  gibt  den  Titel  ungenau  an. 


Ucbcr  den  iünfrüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  670 

haben'.  ^  Im  Drucke  stehen  geblieben  ist  19  ,Als  eine  Thräne! 
Etwas  Linderung-';  23  ,Wir  wurden  Könige.  O  wären  wir'; 
34  , hätte,  einen'.  Dagegen  9  ,wund',  ach';  33  , macht'.  Und'; 
38  , Fried'  und';  43  ,Ehr',  und'.  42  Verse  sind  unter  zwei, 
8  Verse  unter  drei  Personen  getheilt;  Enjambement  ziemlich 
häufig;  von  schwereren  Fällen  etwa  nur  13  ,so  |  gesinnt'. 

1766  hatte  Gleim  auch  Klopstock's  Tod  Adams ^  in 
fünffüssige  Jamben  umgearbeitet,  der  Vers  ist  gerade  so  wie  im 
Philotas  behandelt.  Unter  den  958  Versen  finden  sich  ein  Ein- 
füssler:  S.  59  ,Und  Henaus';  drei  Dreifüssler:  47  ,Vor  Gott 
war  ich  vergangen!';  54  ,Will"  er  nun  immer  schlafen';  63  ,Hast 
keine  Mutter  mehr';  zwei  Vierfüssler:  21  , Sollst  sterben?  Sollst 
verwesen?  0';  26  Schon  ängstlich  jammernd  hin  und  her';  acht 
Sechsfüssler:  13;  16  (zwei);  23;  28;  S.  42,  wo  ,Kain'  zweisilbig 
zu  lesen  ist;  64;  70.  Die  Ausgänge  sind  durchwegs  stumpf; 
ausser  den  oben  angeführten  S.  59,  47  und  54  finden  sich  nur 
noch  zwei  Verse  mit  klingendem  Ausgange:  2  ,Die  Enkelinnen 
alle  kommen  werden';  3  ,Mit  allen  seinen  väterlichen  Freuden'. 

Hiatus  wird  im  Ganzen  vermieden:  6  ,Seer  ist';  8  ,Hütt' 
und';  12  ,air  um';  34  , deiner  Tag',  Adam';  doch  finden  sich 
folgende  Fälle;  5  , Seine  Augen';  12  , meine  Eva';  32  , Söhne? 
Abel';  45  ,welche  stumme  Angst';  49  , meine  arme';  26  muss 
der  Hiatus  weggeschafft  werden  in  dem  Verse:  ,Wie  werde 
ich  ihre  Wehmuth,  ihren  Gram'.  Die  Caesar  wird  frei,  das 
Enjambement  massig  behandelt;  100  Verse  sind  unter  mehrere 
Personen  getheilt. 

Gleim  blieb  diesem  Versmasse  treu,  ohne  sich  grössere 
Freiheiten  in  demselben  zu  erlauben;  seine  Gedichtsammlung: 
Halladat  oder  das  rothe  Buch  1774  ist  in  stumpfen  reimlosen 
lamben  geschrieben.  Im  Ganzen  1560  Verse,  darunter  13  vier- 
füssige  (S.  13,  14,  15,  18,  19,  27,  28,  33,  36,  37,  40,  67,  74) 
und  17  sechsfüssige  (6,  10,  13,  20,  24,  27  [2],  32  [2j,  38,  49,  .50, 
52,  56,  64,  83,  86);  die  zwei  klingenden  Versschlüsse  37  , lenkest' 
und  87  , bereuen'    sind    im   Druckfehlerverzeichuiss    in    , lenkst'- 


'  A.  a.  O.  S.  361. 

2  Der  Tod  Adams.  Ein  Trauerspiel.  Von  Herrn  Klopstock.  In  Verse  ge- 
setzt von  dem  Verfas.ser  der  preussischen  Kriegeslieder.  Berlin  17üü. 
Schon  17G3  war  eine  englische  Uebersetzung  in  fiinffüssigen  lamben  er- 
schienen (Bibl.  d.  seh.  W.   11,  192). 


G76  Sauer. 

und  jbereun'  gebessert;  unregelmässig  als  vierfüssiger  klingen- 
der Vers  ist  der  folgende  aufzufassen:  65  ,Die  Trösterinn  ge- 
nannt. Still  sagt'  ich'.  Die  Unregelmässigkeit  ist  durch  Weg- 
schafifung  des  Hiatus  entstanden,  der  sonst  strenge  vermieden 
ist;  wenn  ich  nichts  übersehen  habe,  findet  sich  nur  der  eine, 
durch  Interpunction  gemilderte  Fall  85  ,Arme!  Ach!'.  Das 
Enjambement  ist  sehr  kühn  gehandhabt  z.  B.  6  ,rein,  |  wie 
fliessender  Cristall';  28  ,Tag  für  Tag';  36  ,ein  viel  ]  Gelieb- 
teres'.  Ganz  ebenso  behandelt  er  den  Vers  in  zwei  Gedichten 
im  deutschen  Mercur  1775.  An  den  Panka-Bach  (Juli  S.  5  f.; 
28  Verse)  und  Ein  Herzensgespräch  (October  S.  3 — 5;  67  Verse), 
welche  später  dem  dritten  Theile  des  Halladat  o.  0.  u.  J. 
(Flalberstadt  1781)  eingefügt  wurden;  auch  andere  Gedichte 
dieser  Sammlung  mögen  noch  in  den  Siebziger  Jahren  ent- 
standen sein;  ich  verzeichne  ferner  noch  Gedichte  mit  stumpfen 
iambischen  Fünffüsslern :  Werke  5,  255 — 258  An  Herder.  Bei 
Uebersendung  seines  Büchleins;  6,  178  — 184  Der  gute  Mann 
24.  September  1774;  6,  252-255  Andenken  an  E.  Chr.  v.  Kleist. 
Den  25.  August  1774;  6,  289—292  An  die  Weisesten  des  Volks. 
Als  der  Minister  Germershausen  gestorben  war;  7,  98 — 99  Nr.  50 
beginnend:  , Hoch  st  wunderbar  in  unsern  Augen  wars'. 

Im  Almanach  der  deutschen  Musen  auf  das  Jahr  1778 
steht  S.  176 — 180  das  Gedicht  Der  gute  Mann,  114  stumpfe 
reimlose  Jamben  ganz  in  der  Weise  des  Halladat.  Ein  Vier- 
füssler  S.  176  , Dacht's  noch,  und  meistentheils  fand  er'. 

Auch  Weisse  hat  zwei  Dramen  in  fünffüssigen  lamben 
geschrieben :  Die  Befreyung  von  Theben  und  Atreus  und  Thyest, 
Er  sagt  in  der  Vorrede  über  das  erstere:  in  demselben  ,hat 
ei-  einen,  wo  nicht  neuen,  doch  weniger  gewöhnlichen  Weg 
durch  das  fünffüssige  Sylbenmass  und  die  Weglassung  der 
Reime  gewählet.  Die  besten  unserer  Kunstrichter  haben  schon 
längst  die  deutschen  Schriftsteller  darzu  aufgemuntert,  und  mehr 
als  zu  gegründete  Ursachen  angegeben,  als  dass  man  ihnen 
nicht  längst  hätte  folgen  sollen'. 

In  der  Befreiung  von  Theben,  welche  im  dritten  Bande 
des  Beitrages  zum  deutschen  Theater  1764  zuerst  gedruckt 
wurde,  wendet  er  nur  stumpfe  Verse  an.  Daher  tinden  sich 
viele    Synkopen    und    Apokopen   im  Versausgange:   ,128    Erd'; 


Ueber  ficn  funffÜFiigen  I;imlms  vor  Lo^siiiy's  Nathan.  (^)77 

145  Vaterlands:  146  flöh';  162  befrein;  177  streun;  187  zielin, 
ei-höhn;  212  deins^  (doch  auch  im  Inlaut  233  ,ruhigs^).  126  , fallen' 
steht  in  einem  vierfüssigen,  also  darin  schon  unregelmässigen 
Verse;  133  gehört  das  Wort  , Verräther'  zum  folgenden  Satze, 
wodurch  beide  Verse  regelmässige  Fünffüssler  werden.  203  ist 
,Tropheen'  zweisilbig  zu  lesen^  wie  233  ,den  Thron  und  die 
Tropheen  des  Siegs  erbaut'. 

Unter  den  2220  Versen  finden  sich  ein  Dreifüssler  214 
,Mein  letzt  Vermächtnis  sein';  siebzehn  Vierfüssler  (126,  130, 
135  [2],  138,  144,  149,  156,  168,  185,  196,  197,  216,  223, 
231,  241  [2J),  sechs  Sechsfüssler  (132,  146,  189,  201,  209, 
240)  und  wol  auch  der  Vers  231  ,Und  Sparta  zittere!  Du 
aber,  edler  Freund'  statt  ,zittre'.  Zu  bessern  wäre  ausserdem 
der  Vers  150  ,So  wie  Du  aucli  mein  Stolz,  mein  Glücke  mir 
bist',  Avo  , Glück'  zu  lesen  ist. 

Hiatus  wird  vermieden:  125  ,Ijieb'  und';  131  ,ohn'  Unter- 
lass';  149  ^Seel';  ich';  154  ,Funk'  erwacht';  162  ,Sonn'  ins'; 
178  ,unsre  Dolch'  in';  doch  finden  sich  folgende  Fälle:  137 
,Der  letzte  —  einerley';  144  ,Der  listige  Entwurf;  167  ,Ich 
zittre  —  ach';  176  ,Der  jähe  Uebergang';  178  , einige:  um- 
kränzten'; 192  ,Das  träge  Opferthier';  201  , seine  Antwort'; 
218  ,der  steife  Ernst';  222  ,die  meinige  erkauft',  234  ,unsre 
übrigen' ;  238  ,ich  zittre ,  ah' ;  240  , leuchte  —  ah' ;  241 
,Söhne?  O'. 

Die  Caesur  ist  ziemlich  häufig  nach  der  vierten  Silbe  ; 
in  den  übrigen  Versen  wechselt  sie  beliebig.  Einige  wenige 
Fälle  des  freieren  Enjambements  seien  aufgeführt:  140  ,um  | 
Mit  Hülf  uns  beyzustehn';  165  ,so  bald  |  Du  dich  gerächt?' 
132  ,so  ist  I  Dies  ganz  die  Antwort';  137  ,mehr  |  Als  alles?'; 
139  ,die  |  Uns  Theben  wieder  gibt';  149  ,als  ob  ich  noch  |  Ein 
Säugling  war';  151  ,zum  Untergang  |  Von  Lacedämon';  154 
,wie  kann  sie  der  |  Zerbrechen';  165  ,zwey,  drey  bis  vier  , 
Spartaner' ;  135  , durch  |  Verschiedne  Thor'. 

Schon  in  der  zweiten  Auflage  des  Beitrages  zum  deutschen 
Theater,  welche  Zarncke  allein  kennt,  '  hat  Weisse  klingende 
Verse  eingemischt;  in  der  Sammlung  der  Trauerspiele  erschien 
die  Befreiung    von   Theben    im    dritten    Theile    1776,    verkürzt 

1  S.  31, 


678  Sauer. 

und  umgearbeitet;  es  hat  nur  2000  Verse,  beiLäufig  100  mit 
klingendem  Ausgange,  zwei  Drei-,  zehn  Vier-,  fünf  Sechs- 
und einen  Siebenfüssler;  die  Fälle  des  Hiatus  sind  nicht  ge- 
tilgt, zwei  sind  mit  den  betreffenden  Versen  weggelassen 
worden.  Härten  werden  nicht  gescheut,  wie  S.  35  ,bey'n 
Göttern'  und  das  Enjambement  ist  etwas  freier  gehandhabt. 

Atreus  und  Thyest  ist  zuerst  im  vierten  Theile  des 
Beitrages  zum  deutschen  Theater  1766  gedruckt.  In  der  Vor- 
rede sagt  Weisse:  ,Uebrigens  hat  er  eben  die  Versart  bei- 
behalten, deren  er  sich  in  der  Befreiung  von  Theben  bedienet, 
ausgenommen,  dass  er  bisweilen  auch  weibliche  Ausgänge 
zugelassen,  um  der  Declamation  noch  mehr  Abwechslung  zu 
verschaffen'.  ' 

Das  Stück  hat  über  1870  Verse,  unter  welchen  gegen 
130  klingend  sind.  Ein  einziges  zusammengesetztes  Wort  wird 
im  Aveiblichen  Ausgange  verwendet  52  , Absicht'.  Zweifüssler : 
49  , Sieht  man  es  hell';  Dreifüssler:  23  , Nicht  den  Verräther 
kennt^;  94  ,Wenn  Dir  es  nicht  gelingt';  sieben  Vierfüssler  (4, 
24,  57,  73,  78,  91,  110);  acht  Sechsfüssler  (15  [2],  62,  64,  65, 
79,  91,  100).  Hiatus  findet  sich  neunmal:  11  ,Der  Cäremönie! 
—  ich';  16  , begleitete  es';  20  jzweideiitge  Antwort';  23  ,Ich 
zittre  —  ach';  31  ,eure  Opfer';  33  , Entsetzliche  Erinnerung'; 
46  ,aufs  neue  athmen' ;  75  ,Das  blutge  Eingeweid' ;  89  , opferte, 
und'.  Von  Vers  zu  Vers  habe  ich  20  Fälle  gezählt. 

Auch  hier  viele  Apokopen  und  Synkopen :  10  ,Traurigs ; 
20  Feu'r;  23  Ungeheu'r;  54  fürchtst;  60  täuschst;  104  blutigs'. 

Auffallend  ist  die  Betonung  , grausamer'  7,  70,  welche 
Verse  nicht  trochäisch  gelesen  werden  dürfen,  weil  sich  die- 
selbe Betonung  auch  im  Innern  des  Verses  findet:  82  ,Mein 
Sohn  grausame  That';    ferner  95  ,ehrwürdger  Greis'. 

Das  Enjambement  ist  freier  gehandhabt  als  in  dem  ersten 
Drama;  Conjunctionen  stehen  am  Ende  des  Verses:  21  ,wo 
Glück  I  Und  Leben  blühn';  22  ,dass  er  |  Sein  Unglück  endige'; 
25  , womit  die  Pflicht  |  Dich  bindet';  32  , indem  |  Ich  ihn  ge- 
hegt' ;    37   ,wenn  |  Ich  unsern  Zwist  vergässe' ;    58  ,was  |  Dein 


'  Dem   Recensenten   in  den   Unterhaltungen   1,    455   scheint  diese   Versart 
•    ,dein  Pathos  des  tragischen  Dialogs,    auch  in  unserer  Sprache  am  ange- 
messensten zu  sein'. 


UeVior  (Ion  fünffüssic;en  Iaml)us  vor  Lessing's  Nathan.  679 

Will  Ist';  G2  ,seit  ilm  |  Mein  Bruder  trägt';  8G  ,fl;unit  |  Die 
Urssich  dieser  Hand  die  Krilfte  gibt' ;  Interrog-ativu :  105  ,was 
hast  Du  I  Gethan';  um  wird  vom  Infinitiv  getrennt:  87  .um 
Dich  I  Hier  zu  verachten' ;  76  ,um  nicht  |  Gleich  in  der  ersten 
Fluth  ersäuft  zu  seyn';  Präpositionen  werden  von  ihrem  Sub- 
stantiv getrennt:  13  ,in  |  Den  Bund';  58  , trotz  |  Der  Rache'; 
69  ,samt  Stand  \  Und  Namen';  89  ,Auf  mich  1  Und  Dich'; 
formelhafte  Wendungen  werden  zerrissen  :  41  ,von  Glied  |  Zu 
Glied' ;  45  ,Aveit  t  Und  breit' ;  die  Vergleichungspartikel  wird 
losgetrennt:  104  , schwärzer,  als  |  Die  Nacht';  ein  attributiver 
Genetiv  von  seinem  Substantiv :  50  ,Auf  einer  Sterblichen  | 
Gesicht'. 

In  der  zweiten  Auflage  dieses  Stückes  1769  finden  sich 
bereits  einzelne  Veränderungen,  welche  in  Klotzen's  deutscher 
Bibl.  3,  618—622  verzeichnet  sind;  es  wurde  später  in  den 
dritten  Band  der  Trauerspiele  umgearbeitet  aufgenommen ; 
dort  hat  es  einige  Verse  weniger  und  etliche  klingende  Aus- 
gänge mehr. 

Im  Allgemeinen  macht  der  Weisse'sche  lainbus  einen 
steifen  schwerfälligen  Eindruck,  und  Herder  hat  vollkommen 
Recht,  wenn  er  in  den  Fragmenten  (Werke,  Suphan,  2,  37) 
sagt,  dass  den  Schauspielern  ,die  Weissischen  Trauerspiele 
am  schwersten  von  der  Zunge  gehen  müssen,  die  diesen  Vers 
gewählt  haben'. 

Kleist  verwendete  unsern  Vers  zuerst  in  der  zweiten 
Hidfte  des  Jahres  1757  ;  in  dieser  Zeit  entstanden  nämlich 
seine  Erzählungen,  Fabeln  und  Idyllen,  welche  1758  in  den 
Neuen  Gedichten  von  dem  Verfasser  des  Frühlings  erschien(m; 
es  sind  folgende  fünf  Gedichte:  Die  Freundschaft,  Arist,  Der 
gelähmte  Kranich,  Cephis,  Milon  und  Iris.  Der  Vers  zeigt  in 
allen  denselben  Charakter;  es  sind  im  Ganzen  164  Verse,  ohne 
Ausnahme  stumpf,  ganz  hiatusreiu  (S.  39  ,auf  einer  langen 
Reis'  Arists';  42  , streut'  aus';  48  ,h<)ret'  oft');  manchmal  freies 
Enjambement  (31  ,arm  |  an  Gütern';  56  ,sprang  j  hervor'). 
Auffallend  ist  in  diesen  Versen  nur,  dass  die  Caesur  regel- 
mässig nach  der  sechsten  Silbe  steht;  in  diesem  Punkte  war 
Kleist  eben  anderer  Ansicht  als  Lessing,  der  gewis  auch 
schon  den  Vers  dieser  Gedichte  beeinflusste.  Ganz  schliesst  er 

Sitzungsber.  d.  pbil.-liist.  Cl.  XC.  B.l.  III.  Ilft.  U 


680  Sauer. 

sich  Lessiug's  Gebrauch  an  in  seinem  Cissides  und  i^aches, 
der  1758  gedichtet  ist,  1709  erschien  und  freie  Caesur  zeigt. 
Doch  auch  hier  sind  alle  450  Verse  stumpf;  in  der  Lauge 
vollkommen  correct.  S.  19  ist  in  dem  Verse  ,Sein  Schwert  und 
die  Gewalt  des  Feuers  verübt'  zu  lesen  ,Feu'rs',  wie  32,  35 
(Feu'r);  in  Ramler's  Ausgabe  (4.  Auflage  2,  57)  lautet  der 
Vers  ,Und  die  Gewalt  des  Feuers  ausgeübt'-,  46  ist  zu  lesen 
, Mauer'  statt  ,Mau'r,  47  ,eu'r'  statt  ,euer',  wie  dies  die  späteren 
Ausgaben  thun;  Hiatus  wird  vermieden:  8  , Versammelt'  und'; 
26  jwinsel'  und';  31  , statt  Steinen  eine',  wo  Ramler's  Aus- 
gabe 2,  63  und  Körte's  Ausgabe  2,  105  lesen  , Steine  eine'. 
Ich  habe  nur  einen  Fall  gefunden :  25  , Hände  über'.  Wie  die 
Caesur  ist  auch  das  Enjambement  freier  gehandhabt  als  in 
den  kleineren  Gedichten:  15  ,Meer  |  und  Himmel';  24  ,Berg 
auf  Berg';  23  ,in  j  der  Erd';  36  ,von  |  Ruinen';  40  ,aus  |  der 
Quell'';  49  ,aus  |  der  Schleuss'';  52  ,an  |  der  Rüstung';  53  ,auf 
I  der  Erd';  33  ,vom  Blitz  |  gespalten';  56  , ewiger  (  Verehrung 
werth';  52  ,wie  sein  I  furchtloses  Heer';  51  ,den  |  erhitzten 
Feind';  53  ,in  Zügen  des  i  erblassten  Angesichts';  37  ,\vie  | 
der  helle  Morgenstern';  55  ,so  |  geschwächt'. 

Kleist  verwendet  nur  einmal  eine  sehr  lange  Periode 
von  26  Zeilen:  S.  25  ,Den  tapfern  Parmeo'  —  27  ,mit  Jammer 
Zelon  rang';  sonst  gebraucht  er  die  längeren  Perioden  gerne 
bei  Vergleichen,  wie  sich  dies  auch  bei  Wieland  gelegentlich 
hudet;  19  Zeilen:  53  ,Er  war  mein  Herr'  —  55  ,zu  über- 
wältigen'; 18:  12  jMistrauen  hat  das  Heer'  —  13  ,von  mir 
fliesst';  15:  31  ,Leosthenes  sah'  —  33  , schwamm  darauf,  46 
,Euch  Wenigen'   —  48  ,und  nicht  scheut';  14:  8  ,Kaum  starb' 

—  9  , Thessalien',  15  ,Wenn,  vom  Orcan  gepeitscht'  —  16 
,den  Tapfern  ein',  22  , Gleichsam  ein  Wolkenbruch'  —  23  ,die 
Macedonier',  49  ,Der  Herold  brachte'  —  51  ,in  wildem  Lärm'; 
11:  34  ,zu  löschen  war  umsonst  —  ist  unser  Theil',  45  , Nach- 
dem der  Feind'  —  46  ,wie  es';  10:  18  ,Wie  ein  gewaltger 
Sturm'  —  19    ,zu    den  Waffen    griff',    21    ,Und    vom  Geschrei' 

—  22  ,mit  Tod  den  Feind'. 

Hätte  Kleist  die  Absicht,  seinen  Seneca  in  Versen  aus- 
zuarbeiten, wovon  er  in  dem  Vorbericht  zur  ersten  Ausgabe 
spricht,  festgehalten,  so  würde  er  gewiss  diese  ihm  schon  ge- 
läufige Versart  und  nicht  den  Alexandriner  gewählt  haben,  den 


lieber  den  fünffüssigen  laitibas  \'or  Lessiiig's  Nath;in.  681 

nach  seinem  Tode  Jemand  7.ur  Versificierung  des  Stückes  ver- 
wendete. '  AVer  der  Versificator  ist,  konnte  ich  nicht  erforschen; 
er  spricht  in  dem  Vorbericht  von  der  Frenndschaft,  die  ihn 
, ehedem  mit  diesem  unsterblichen  Patrioten,  dessen  Name  im 
Tempel  der  Musen,  sowie  im  Tempel  der  Ehi*e  ewig  ghänzet, 
verbunden  hatte',  und  behauptet:  .die  Liebe  zu  diesem  theuren 
Freunde  allein  befahl  mir,  die  Feder  zu  dieser  Ausarbeitung 
zu  ergreifen.  Ich  hielt  es  für  eine  Pflicht,  seine  Asche  zu 
verehren,  und  ihm  ein  Denkmal  zu  stiften'. 

Brawe,  Gleim,  Weisse  und  Kleist  bilden  die  engere 
Schule  Lessing's:  ein  weiterer  Kreis  schliesst  sich  ihnen  an 
und  Kleist's  Cissides  und  Faches  ist  wol  jenes  Werk,  dem  der 
meiste  Einfluss  auf  den  Vers  zuzuschreiben  ist;  auf  Kleist  gehen 
gewis  Giseke  undZachariae  zurück,  an  den  letzteren  schliesst 
sich  unmittelbar  Bürger  an,  und  wenn  wir  auch  in  Oesterreich 
unsern  Vers  verwendet  finden,  werden  ebenfalls  Kleist's  viel 
gelesene  Werke  die  Uebertragung  vermittelt  haben. 

Zweierlei  muss  aber  hervorgehoben  werden.  Neben  dem 
einen  bedeutendsten  Muster,  das  den  stumpfen  Vers  ohne  Ab- 
wechslung zur  Folge  hatte,  wirken  auch  andere  Vorbilder 
zweifellos  ein  und  die  Theorie  wird  mehr  berücksichtigt  als 
früher.  Das  bedeutendste  Werk  in  dieser  Beziehung,  das 
dann  für  Herder  massgebend  war,  ist  Henry  Home's  Elements 
of  Criticism,  welche  1762  erschienen  und  von  J.  N.  Meinhard 
1763— 17GG  übersetzt  wurden;  hauptsächlich  waren  es  die  ge- 
nauen Besprechungen  der  Caesur,  ihrer  verschiedenen  Arten 
und  Feinheiten  im  englischen  heroischen  Verse,  welche  die 
Ausbildung  unseres  Versmasses  im  Deutschen  unterstützten. 
Die  eingestreuten  Beispiele  in  englischen  Fünffüsslern  hat  aber 
Meinhard  nicht,  wie  Zarncke  S.  30  angibt,  in  Versen, 
sondern  in  Prosa  übersetzt. 

Auch  darf  es  nicht  übersehen  werden,  wie  die  bedeuten- 
deren Zeitschriften  den  neu  erscheinenden  Werken  meist  mit 
eingehender  sorgfilltiger  Besprechung  entgegenkamen  und  wie 
besonders    die  Bibliothek    d.    bch.  W.  ^   keine  Gelegenheit  vor- 


'  Scneea,  ein  Trauerspiel  des  Herrn  von  Kleist,  in  droy  Aufzügen.    Versi- 
fiiirt  von  A.  S.  G.  M.  D.  Altana  und  Lüljcck,  verlegt»  David  Iverstn  17Ü7. 
-  Zu  den  schon  erwähnten  Stellen  kommt  noch   12,  307  f. 

44* 


682  Sauer. 

ül)ftro'ehen  Hess,  auf  die  gute  Verwendbarkeit  unseres  Metrums 
liinzuweisen. 

N.  D.  Giseke  hatte  schon  1747  in  seinem  gereimten  Ge- 
dichte Bias  •  lunffüssige  lamben,  mit  vier-  und  sechsfüssigen 
gemischt,  abwechselnd  stumpf  und  klingend  verwendet;  und 
aus  demselben  Jahre  stammt  die  gereimte  Ode  zum  Anfange 
des  Winters/^  die  nur  aus  Fünffüsslern  besteht.  17G3  fallen 
zwei  reimlose  Gedichte  in  unserer  Versart  Empfindungen  eines 
Bussfertigen  -^  und  Der  fünfzehnte  August.  Ein  Gedicht  an 
Daphnen;  '  ersteres  150  Verse,  in  der  Länge  genau,  hiatusrein; 
letzteres  220  Verse,  darunter  zwei  Sechsfüssler  (S.  252  und 
257),  Pilatus  S.  251  , diese  Unschuld';  in  l)eiden  Gedichten 
freies,  aber  nicht  sehr  kühnes  Enjambement.  Vier  Jahre  nach 
seinem  Tode,  1769,  wurde  sein  Gedicht:  Das  Glück  der 
Liebe  herausgegeben,  das  ich  nicht  kenne,  das  aber  —  nach 
einer  Probe  —  ebenfalls  nur  stumpfe  Verse  zeigt.  Endlich 
erwähnt  Gärtner  in  der  Vorrede  zu  den  Werken  (S.  XIX) 
eine  Uebersetzung  von  Thomson's  Eduard  und  Eleonora,  in 
reimlosen  lamben,  welche  ungedruckt  blieb. 

Von  Ebert  sind  aus  früherer  Zeit  keine  Gedichte  in 
unserer  Versart  vorhanden,  obgleich  er,  wie  seine  Briefe  zeigen, 
an  derselben  grossen  Antheil  nahm,  Erst  in  den  Acliziger 
Jahren  verfasste  er  zwei  Gedichte,  in  denen  er  den  stumpfen 
reimlosen  lambus  mit  freier  Caesur  traditionell  bewahrte:  An 
Jerusalem  22.  November  1788  und  Auf  den  Tod  der  Gräfinn 
Agnes  zu  Stolberg  1789.''  In  der  Uebersetzung  von  Young's 
Nachtgedanken  behielt  er  die  Prosa  bei,  obgleich  der  Recensent 
in  der  Klotzischen  Bibliothek  (3,  638)  sich  gewundert  hatte, 
,dass  er  in  den  neueren  Auflagen  nicht  einen  Versuch  gemacht 
hat,  wie  sich  Young  in  denen  seitdem  (1754 — 1769)  Mode  ge- 
wordenen lamben  ausnehmen  würde'. 


'  Bremer   Beiträge    4,    7G;    Poetische  Werke,    heransg.    v.    Gärtner,     17C7, 
8.  289-21)1. 

2  Werke,  132  -136. 

3  Ibid.,  11  —  16. 

*  Ibid.,  251—258. 

"'  .1.  A.  Ebert's  Episteln    uud  vermischte  Gedichte,  2.  Tlicil,  heransg.  von 
Eschenburg,   17i>o,  S.   332-300. 


üeber  den  fnntfüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  683 

Im  Jahre  1767  gab  Zacliariae  uin  Gedicht  Olint  und 
^iophiouia  in  drei  Gesäugen  '  von  einem  Studenten  am  Braun- 
schweiger Carolinum,  Gottlob  Sebastian  von  Lücke,  heraus, 
der  im  Jahre  1762  siebzehnjährig  gestorben  war.  In  einem  im 
Vorberichte  abgedruckten  Briete  an  Zachariae  führt  Lücke 
die  Gründe  an,  warum  er  diese  Versart  dem  Hexameter  vorzog 
und  setzt  dann  hinzu:  ,Um  nicht  mit  dem  zu  öftern  Gleichhiut 
des  Schlusstalles  zu  ermüden,  habe  ich  den  Verstand  nicht 
gern  mit  dem  Verse  geendigt.  Ich  ghiubte  dadurch  die  Har- 
monie weniger  zu  stören,  als  wenn  ich  eilfsilbige  untergemengt 
hättet 

Das  Gedicht  —  570  Verse  —  zeigt  also  lauter  stumpfe 
fünffüssige  lamben,  die  in  Bezug  auf  Länge  und  lUiythnuis 
vollkommen  correct  sind;  Hiatus  habe  ich  nur  an  einer 
Stelle  gefunden :  S.  16  ,ins  wilde  Antlitz' ;  viele  Synkopen 
und  Apokopen:  17  ,droh'nde';  ,ch'rnen';  2S  ,Märt'rerkrone'; 
32  ,sprüh"nde';  5  ,Känk'';  36  ,Mus'';  die  richtige  Betonung 
^'ird  manchmal  verletzt:  10  ,Der  Wanderer,  wenn  auf  einmal 
sein  Fuss';  Enjambement  ist  ziemlich  häutig;  Trennung  des 
Artikels,  des  Adjectivs  und  der  Präposition  vom  Substantiv 
ist  der  stärkste  Fall,  der  sich  tindet':  7  ,auf  den  folgenden 
I  Grausamen  Tag';  8  ,im  melancholischen  |  Gebüsch;  17  ,zur 
Zeit  des  nahenden  |  Gewitters';  19  ,den  göttlichen  ]  Gedanken'; 
34  , gegen  unsere  |  Gesetze'.  Im  Anhange  stehen  zwei  Gedichte 
An  meine  Heimath  49 — 50  und  Am  15.  Julius  1761  (53 — 55), 
welche  ebenfalls  in  reimlosen  iambischen  Fünffüsslern  abge- 
fasst  sind. 

Die  grösste  Bedeutung  gewann  Zachariae  selbst  durch 
sein  Heldengedicht  Cortes,  dessen  erster  und  einziger  Band 
1766  erschien.  In  dem  Vorberichtc  dazu  sagt  er  (S.  18):  ,Die 
Versart  ist  unter  uns  bereits  so  bekannt,  dass  er  sie  dem  Hexa- 
meter vorgezogen,  zu  dem  sich  der  allergrösste  Theil  unsrer 
Nation  noch  nicht  gewöhnen  will.  Er  hat  in  diesem  iambischen 
Silbenmasse  durch  die  Veränderung  der  Abschnitte  den  Wohl- 
klang zu  erreichen  gesucht,  den  man  mit  Recht  in  dem  Mil ton- 
scheu Vers  bewundert.   Er  hat  sich  deshalb  zur  Kegel  gemacht, 


1  Nebst  einem  Anliange  einiger  aiideiu  Gediclite.     Bniunschweig. 


684  Sauer. 

alle  seine  Verse  männlich  zu  endigen,  wie  solches  die  Eng- 
länder in  allen  ihren  heroischen  Gedichten  durcha-äna-ie:  zu 
thun  pflegen'.  Er  meint  auch,  dass  die  männliche  Endung 
jSehr  viel  zu  einer  grösseren  Pracht  und  Feierlichkeit'  des 
Verses  beiträgt  und  der  Recensent  in  der  Neuen  Bibl.  d.  seh.  W. 
(3,  93)  stimmt  ihm  darin  bei. 

Dannehl  in  dem  angeführten  Programme  S.  7 — 9  hat 
den  ersten  Gesang  des  Cortes  einer  ausführlichen  Betrachtung 
unterworfen;  ausser  den  beiden  dort  angeführten  Sechsfüsslern 
26  ,Mit  einem  Todtenkopf  besteckt.  Ein  prächtiger'  und  56 
(nicht  36)  ,Die  Europäer  alle,  diese  Handvoll  Volk'  habe  ich 
unter  allen  2800  Versen  nur  noch  einen  9  ,Der  Könige  des 
Orients,  so  kam  Cortes'  gefunden.  Hiatus  wird  mit  ziemlich 
grosser  Sorgfalt  vermieden,  doch  habe  ich  10  Fälle  gezählt: 
8  ^unschuldige  und';  40  ,der  Taurische  Altar';  66  , schnellste! 
Uriel';  68  , Sterne;  Orione';  73  ,der  herrlichste.  Er';  112  ,die 
neue  Erde';  147  , erwartete.  Ihm';  180  , schimmerte:  als';  202 
,Gewaffnete;  in';  206  , lächelte,  obgleich'.  Trochäen  am  Anfange 
des  Verses  scheinen  in  den  anderen  drei  Gesängen  häufiger 
zu  sein  als  im  ersten.  Anapästen  kommen  nicht  vor;  die  ein- 
zigen zwei  Fälle  sind  zu  emendieren  118  , ersehn'  statt  , ersehen'; 
138  ,hochmüth'ge'  statt  ,hoclimüthige'. 

Zachariae  liebt  es,  sehr  lange  Perioden  zu  verwenden, 
die  das  Mass  des  Künstlerischen  überschreiten;  die  längste  hat 
37  Zeilen:  99  ,Du  schläfst  mein  Sohn'  —  102  ,und  vor  dem 
Feind  geflohn';  36  Zeilen:  8  , Cortes,  so  hiess  er'  —  10  , ge- 
drohet ward',  135  ,Er  ist  gewiss'  —  137  ,Und  sanfterer  Em- 
pfindung Raum  nicht  lässt';  35  Zeilen:  174  , Gefährten,  Freunde!' 
—  177  ,deni  Streiche  zu  entg-ehn';  31  Zeilen:  138  ^Dies  der 
hochmüthige  Jüngling'  —  140  ,da  ich  geborn  ward';  30  Zeilen: 
130  jAuch  sah  er  viel  der  Grossen  dieser  Stadt'  —  132  ,Und 
Demantblumeu  schimmerten  darin';  26  Zeilen:  95  , Wohlan,  so 
geh'  —  97  ,zur  Oberwelt',  202  ,So  gleich  versammelt  er'  — 
204  ,dir  mehr  vertrauen  kann';  25  Zeilen:  140  ,Und  welch  ein 
trauriges  Geschick'  —  142  ,und  sprach';  23  Zeilen:  bC^  , Ver- 
nimm darum'  —  58  ,Er  sprachs  voll  Grimm',  93  ,0  Fürsten 
dieses  Staats'  —  94  ,was  wir  sind' ;  22  Zeilen :  50  ,Indess  sass 
auf  des  Götzen  goldnem  Thron'  —  52  , längst  in  sich  erstickt', 
121  ,Ein  heiiger  Hain'  —  122  ,Verkündigtc  die  Götterkost  von 


Ueber  den  fünffüseigen  lambas  vor  Lessing's  Nathan.  685 

fern',  178  ,Kaum  weiss  ich  noch'  —  179  ,wie  sie  es  verdient'; 
21  Zeilen:  3  ,Cortesens  Thaten'  —  4  ,des  Heiden  Laster  seh', 
34  , Welch  eine  Sorge'  —  36  ,ihn  furchtbar  macht',  205  , Wohin, 
o  Vater'  —  207  /zurücke  sehn':  20  Zeilen:  111  ,Eiu  ewg^er  l^enz' 
—  112  , Wohnungen  besucht'.  Die  kürzeren  Perioden  von 
19  Zeilen  ab  finden  sich  öfter. 

Bei  solcher  Länge  der  Perioden  ist  es  natürlich,  dass 
Zachariae  das  Enjambement  mit  grosser  Freiheit  gebraucht; 
wenn  aber  Dannehl  behauptet,  ,dass  das  Enjambement  bei 
Zachariae  mit  einer  Kühnheit  imd  Eleganz  behandelt  ist,  wie 
sie  in  der  Zeit  bis  auf  Goethe  einzig  und  allein  Lessing 
erreicht  hat',  so  kann  ich  wohl  zugestehen,  dass  er  dasselbe 
recht  geschickt  und  gewandt  handhabt,  dass  er  aber  in  der 
Kühnheit  der  Verwendung  von  Gotter,  Goue  und  Bürger 
entschieden  übertroffen  wird.  Mit  grosser  Abwechslung  ist 
auch  die  Caesur  verwendet,  wofür  Dannehl  Beispiele  ange- 
führt hat. 

In  Zachariae's  Nachlasse  fanden  sich  der  erste  und 
zweite  Gesang  des  Cortes  stellenweise  verändert  und  verkürzt 
vor;  das  Gedicht  sollte  den  Titel  erhalten  Die  Eroberung  von 
Mexiko;  die  in  den  hinterlassenen  Schriften  '  mitgetheilten 
Proben  der  Umarbeitung  weisen  die  gleiche  Behandlung  des 
Verses  auf;  dasselbe  gilt  von  drei  kleineren  Gedichten  in  reim- 
losen Fünffüsslern,  welche  daselbst  veröffentlicht  wurden,  S.  3 
bis  9.  An  mein  Jahrhundert,  153  Verse;  10 — 13  Sehnsucht 
nach  Einsamkeit,  93  Verse  und  14 — 15  Die  Schnitter.  Ein 
Fragment,  34  Verse.  Auch  der  stumpfe  Versschluss  ist  überall 
festgehalten.  Hingegen  in  den  Gedichten,  welche  gereimten 
fünffüssigen  lambus  zeigen,  lässt  er  männliche  und  weibliche 
Verse  abwechseln;  es  sind  dies  die  beiden  Gedichte  Die  ]>,and- 
schaft  -  und  die  Unterhaltungen  mit  seiner  Seele;-*  das  erste 
hat  immer,  das  zweite  häufig  die  Caesur  nach  der  vierten  Silbe. 

Lii  Jahre  1771  begann  G.  A.  Bürger  an  einer  Ueber- 
setzung  der  Ilias  in  reimlosen  fünffüssigen  Jamben  zuarbeiten; 

i  Herausgegeben    von    Esclienbu  rg,    Braimscliweig    ITsi,    S.    '.Lj  — 100; 

vgl.  Einleitung  S.  XXV. 
-  Poetische  Schriften  (Braunschweig  17C3— 17üä),  3,    186. 
3  Ebenda,  5,  1(59  —  198. 


686  Sauer. 

die  ersten  Proben  derselben  Hess  er  sogleich  in  Klotzen's 
deutscher  Bibliothek  (6.  1 — 41)  unter  dem  Titel  ,Gedanken 
über  die  Beschaffenheit  einer  deutschen  Uebersetzung-  des  Homer, 
nebst  einigen  Probet'ragmenten'  abdrucken.  Er  beruft  sich  in 
dem  Vorbericht  auf  Herder's  IJrtheil,  dass  der  Homer  in  lambou 
übersetzt  werden  solle  '  und  geht  S.  19  zu  einer  Vertheidigung 
seines  Verses  über:  ,Aber  worden  lamben  nicht  eine  allzuürosse 
Monotonie  gegen  den  homerischen  Hexameter  haben?  .  .  . 
Für  das  nordische  Ohr  lässt  sich  der  lambus  abwechselnd  aenuü- 
machen.  Der  unsterbliche  INIilton  bei  den  Engländern  und 
Zachariae's  Cortes  bei  uns  geben  den  Beweis,  dass  man  nicht 
so  iambisiren  darf,  dass  sich  mit  jedem  einen  oder  zwei  Versen 
der  Verstand  endige ;  dass  Caesur  und  Kuhepunkt  immer 
einerlei  bleibe,  sondern  man  muss  die  lamben  sich  so  aus 
einem  in  den  andern  und  dritten  Vers  fortwälzen  lassen,  dass 
die  Declamation  das  Ohr  mit  einer  wohlgefallenen  poetischen 
Periode  fülle;  deren  Länge  oder  Kürze,  männlicher  oder  weib- 
licher Ausgang  den  Ton  des  Ganzen  schon  ziendich  abändert'. 
Hiermit  haben  wir  eine  vollständige  Charakteristik  des  Bürger- 
schen  lambus  im  Allgemeinen;  der  einzelne  Vers,  der  immer 
stumpf  endigt,  kommt  nicht  in  Betracht,  nur  die  Periode  als 
Ganzes.  Wenn  er  aber  hinzufügt,  dass  man  ja  auch  die  Ab- 
wechselung durch  Einmischung  von  Anapästen  und  Dactylen 
erhöhen  kann,  so  müssen  wir  uns  wundern,  dass  er  weder  in 
diesen  Proben,  noch  später  zu  diesem  Mittel  seine  Zuflucht 
genommen  hat;  1778-  noch  redet  ihm  Voss-  zu  (Briefe  von 
und  an  Bürger  2,  220)  ,die  Grenzen  des  lambischen  Verses 
durch  Eroberung  einiger  Ländereien  des  Anapästes  zu  ver- 
meidend Bürger  hält  an  dem  streng  iauibischen  Gange  des 
Rhythmus  fest. 

S.  24  —  38  folgt  das  erste  Buch  der  Ilias  von  Vers  1  bis 
304;  38—41  der  Anfang  dos  sechsten  Buches,  Ü5  Verse  (im 
Original,  ()ö  in  der  Uebersetzung).  4  vierfüssige  linden  sich 
27  ,konimt  auch  vom  Zeus  —  der  kund  uns  thu';  32  ,Das 
völkerreiche  Ilion';    ebenda  ,Mir  Chryseus  Tochter  nimmt,  die 

'  Fragmente  S.  268. 

-  An  einer  andern  Stelle  sagt  Voss,    dass    der  deutsclie  Hexameter   uiiht 
einmal  die  Freiheiten  des  Pojti sehen  habe  (Briefe  von  und  au  Bürger 

■2,  GS). 


üeber  den  fünffüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  687 

ich^;  39  ,Der  Menschen  lud  er  Jedermanne';  und  ein  Drei- 
füssler  26  ,Von  Fiirreu  und  von  Ziegen';  ausser  den  zwei  zu- 
letzt angefüliiten  Versen  sind  nur  noch  zwei  klingend  31  ,ver- 
schafFen';  35  ,Scepter';  alle  übrigen  stumpf.  15  Fälle  des 
Hiatus  habe  ich  gezählt;  darunter  sind  auch  solche,  wie  35 
, verkündige  und';  34  und  37  ,güttliche  Achill^;  die  Caesur  ist 
natürlich  frei,  das  Enjambement  sehr  stark  ausgebildet;  auch 
s  0  wird  vom  Adjectiv  getrennt  32  ,so  |  Viel  Müh^ 

Von  dieser  Zeit  ab  arbeitet  er  immerfort  fleissiti'  au  seiner 
Uebersetzung,  die  ja  ein  grosses  Nationalwerk  werden  sollte. 
Am  28.  October  1773  will  er  Fragmente  derselben  an  Boie 
schicken,  aber  er  findet  der  Nachlässigkeiten  noch  allzuviel,  die 
er  den  Augen  eines  Gerstenberg's  nicht  vorlegen  möchte 
(Briefe  1,  167  f.);  zwei  Jahre  später,  am  2ö.  October  1775 
verspricht  er  ihm  für  das  deutsche  Äluseum  ,ein  mit  nuiglichstem 
Fleisse  ausgearbeitetes  Buch  der  Iliade'  (Briefe  1,  241).  Und 
-wirklich  wird  der  erste  Band  dieser  Zeitschrift  1776,  S.  1 — 14 
mit  einem  Fragmente  der  fünften  Rhapsodie  eröffnet,  welchem 
ein  , Prolog  ans  deutsche  Publikum'  voraufgeht  wegen  Eröffnung 
einer  Subscription  für  das  fertige  Werk. 

Jedem  einzelnen  der  357  Verse  merkt  man  die  ausser- 
ordentliche Sorgfalt  an,  die  zur  Feilung  verwendet  wurde,  und 
das  Ganze  zeigt  eine  ungewöhnliche  rhythmische  Vollendung. 
Nur  ein  sechsfüssiger  Vers  ist  mit  unterlaufen:  V.  65  ,Die 
Himmelsjägerin,  nicht  seine  Schützenkunst';  nur  zweimal  ist 
Hiatus  vorhanden  92  ,ius  kalte  Erz^;  352  ,das  scharfe  Erz"; 
189  ist  statt  , keine  Erbe'  zu  lesen  ,kein  Erbe';  Synkopen  und 
Apokopen  liebt  Bürger  sehr  111  ,blüh'nden';  269  ,Eh'r  fügt's 
nicht  besser  sich';  56  ,Durchbohret'  ihm';  146  ,so  betet'  er'; 
184  ,beid'  erschlug'.  Das  Enjambement  ist  aufs  Höchste  aus- 
gebildet, z.  B.  53  ,aus  |  dem  ackerreichen  Tarneland';  80  ,tlurch 
I  und  durch';  95  ,lioch  |  gleich  einem  Gott';  !*8  ,hieb  |  herab". 
Auffallend  ist  die  Betonung  34  ,danuils';  112  ,als6';  302  ,lJnd 
des  grossherzigen  Anchises  Sohn'. 

Dieses  Bruchstück  hatte  auch  eine  sehr  grosse  Wirkung;  ' 
vor    Allem    war    es    Goethe,    der    in    "Weimar    Subscribenten 


'  Abfällig;,  aber  ganz  VL-r-stäiHli-^-,  avuihU;  es  bcurtluMlt  in  ili-r  N.  B.  d.  scli.  W. 
"22,  öü'J — ü7o.  Hauptsäi'lilicli  tadelt  der  Roireuseut  ilie  Mouutonie,  wolclio 
durch  lauter  stumpfe  Ausgänge  eutsteht. 


688  Sauer. 

sammelte;  im  April  1776  sendet  nun  Bürger  neue  Pi-oben  an 
Wieland,  welche  dieser,  nachdem  Goethe  hie  und  da  nach 
Bürg'cr's  Verlang-cn  eine  Kleinigkeit  geändert  hatte,  in  das 
Maiheft  des  deutschen  Merkurs  vS.   146 — 168  aufnahm. 

Es  sind  680  Verse  der  sechsten  Rhapsodie;  die  ersten 
02  Verse  können  mit  der  Uebersetzung  desselben  Gesanges  in 
der  Klotz'schen  Bibliothek  verglichen  werden,  zeigen  aber 
so  starke  Veränderung,  dass  kaum  eine  derselben  auf  rein  metri- 
sche Gründe  sich  zurückführen  Lässt;  V.  20,  83,  85  sind  wol 
die  Kiate  weggeschafft  und  39  der  vierfüssige  Vers  nicht  mehr 
vorhanden;  dagegen  ist  hier  Vers  29  ein  vierfüssiger,  156 
sechsfüssig  und  sechs  Hiate  (118,  332,  438,  467,  481,  503)  finden 
sich  in  den  übrigen  Versen.  323  ist  zu  lesen  ,behau'nem'  wie 
326  statt  ,behauenem^  Sonst  ist  kein  Unterschied  in  der  Be- 
handlung des  Verses  gegen  die  früheren  Bruchstücke. 

Bürger's  Perioden  gehen  nicht  über  die  Länge  von  18 
Zeilen  hinaus  und  sind  in  dieser  Hinsicht  mit  denen  Wieland's 
zu  vergleichen.  18  Zeilen:  V.  117—134;  16:  353—368;  15: 
27—41;  14:  581—594;  13:  243—255;  12:  375—386,  653—664; 
11:  106—116,  175—185,  333—343,  527-537,  546—556;  in 
den  im  deutschen  Museum  veröffentlichten  Versen  aber  sind 
die  Perioden  kürzer;  die  längsten  zählen  hier  nur  9  Zeilen: 
V.  44—52;  150—158;  229—237;  239-247;  249—257. 

Wieland  hatte  Bürgern  von  einem  Gespräche  mit 
Goethe  Nachricht  gegeben,  in  welchem  er  den  lambus,  ,das 
echte,  alte,  natürliche,  heroische  Metrum  unserer  Sprache'  ver- 
theidigte,  während  Goethe  den  Hexameter  für  die  Homer- 
übersetzung vertrat  und  AVieland  bat  Bürger,  seine  Gründe 
für  den  lambus  in  einem  Sendschreiben  an  ihn  oder  Goethe 
zu  veröffentlichen.  Dasselbe  erschien  auch  wirklich  im  October- 
heft  des  deutschen  Merkur  1776  (S.  46 — 67)  unter  dem  Titel: 
, Bürger  an  einen  Freund  über  seine  teutsche  Ilias',  worin  er 
hauptsächlich  darlegt,  wie  die  Abwechselung  des  Verses  durch 
die  Verwendung  von  kurzen  und  weniger  kurzen,  von  langen 
und  längeren  Silben  erreicht  wird  und  worin  er  auch  einige 
Pai'tien  seiner  Uebersetzung  nach  dieser  Abwechselung  hin 
durchnimmt.  Im  Anschlüsse  daran  theilt  er  79  Verse  aus  dem 
Anfang  des  dritten  Buches  mit,  und  obgleich  er  hervorhebt, 
man  dürfe  seine  Verse  nicht  ängstlich  scandieren,  sondern  man 


Ueber  den  fünffüssigen  fambus  vor  Lessing's  Nathan.  689 

müsse  declamieren,  wie  sich's  gehört,  so  kann  ich  doch  nicht 
umhin,  den  sechsfüssig-en  Vers  auf  S.  64  hervorzuheben,  der 
auch  dadurch  merkwürdig  ist,  das  die  oft  angegriffene,  in  einer 
Anmerkung  von  Wieland  jedoch  vertheidigte  Form  ,o'r'  für 
,oder'  darin  vorkommt.  Nach  diesen  neuen  Proben  bittet  ihn 
Wieland  in  der  Uebersetzung  fortzufahren:  ,So  wie  wir  solche 
aus  den  mitgetheilten  Rhapsodien  kennen  und  ahnden,  so  wie 
die  Ilias  aus  Ihrem  Geiste,  in  dem  Homer  sich  so  klar  ab- 
spiegelt, durch  das  Medium  ihrer  starken,  kräftigen,  ächt- 
teutschen  Heldensprache,  reflectirt  werden  wird,  wird  Ihr 
teutscher  Homer  immer  verdienstlich  um  die  Nation  und 
dauerndes  Monument,  ja  classisches  Buch  für  unsre  Sprache 
sein  und  bleiben^  (Briefe  von  und  an  Bürger  1,  355). 

Bei  solcher  Aufmunterung  arbeitete  er  fleissig  weiter  an 
seiner  Uebersetzung;  Stolberg's  hexametrische  Proben,  der 
zwanzigste  Gesang  (Deutsches  Museum  1,  957 — 982)  veran- 
lasste ihn  zunächst  zu  dem  ebendaselbst  S.  1062  f.  abgedruckten 
Gedichte:  An  Friedrich  Leopold  Graf  zu  Stollborg,  welches 
, Fritz!  Fritz!'  beginnt  und  in  demselben  Versmasse  wie  seine 
Uebersetzung  abgefasst  ist;  dann  versuchte  er  auch  den  zwanzig- 
sten Gesang  zu  verdeutschen.  Von  diesem  haben  sich  keine 
Bruchstücke  in  seinem  Nachlasse  gefunden  (Briefe  2,  5);  wol 
aber  sollen  andere  Fragmente  in  die  Ausgabe  von  Bohtz  auf- 
genommen worden  sein,  die  mir  nicht  zugänglich  ist.  30.  October 
1777  schickt  er  auf  Boie's  Bitte  die  Uebersetzung  der  Verse 
von  dem  Gürtel  der  Venus  an  diesen  (Briefe  2,  171).  Dann 
aber  tritt  die  Arbeit  an  Homer  mehr  und  mehr  zurück; 
25.  October  1779  ist  er  bereits  entschlossen,  ihn  liegen  zu 
lassen;  ,Die  lamben  machen  mir  allzuviel  Schwierigkeiten':  ist 
einer  der  Gründe,  die  er  dafür  vorbringt.  In  demselben  Briefe 
(2,  368)  denkt  er  auch  schon  an  eine  Uebersetzung  in  Hexa- 
metern; diese  tritt  nach  und  nach  in  den  Vordergrund,  bis  sie 
endlich  wirklich  zur  Ausführung  gelangt. 

Hier  will  ich  erwähnen,  dass  im  deutschen  Merkur  1778 
(1,  115 — 120)  ein  Gedicht  , Denkmal  zur  Ehre  der  Menschheit, 
von  einem  Ungenannten  eingeschickt'  steht,  das  fünffüssige 
lamben  mit  fj-eier  Caesur,  freiem  Enjambement,  aber  mit 
stumpfem  Ausgange  aufweist.  Es  zählt  14(5  Verse  und  be- 
handelt denselben  Stoflf,  wie  Bürge r's  Lied  vom  braven  Manne. 


690  Sauer. 

Obwül  es  eiycutlich  deu  Rahmen  meiner  Darstellunö- 
überschreitet,  so  muss  ich  dennoch  F.  L.  v.  Ötolbere-'s  lamben, 
von  denen  die  ersten  zwüli"  Gedichte  im  deutscheu  Museum  1783 
gedruckt  wurden  und  welche  gesammelt  Leipzig-  1784  erschienen, 
kurz  berühren.  Nach  antikem  Vorbild  gebildet,  sind  sie  von 
den  gleichzeitigen  deutschen  Versuchen  ebenfalls  beeinfliisst 
und  gerade  Bürge r's  Vers  mag  als  Muster  gedient  haben. 

Alle  1750  Verse  sind  in  der  Länge  ganz  genau,  mit 
wenigen  Ausnahmen  stumpf;  klingend  nur  (üedicht  o,  Vers  6 
,enttriefte^;  3,  45  , Stammeins';  4,  7  ,Dem  Jüngling  und  dem 
Mann,  noch  hoch  dem  Greise^  (Deutsches  Museum  1783,  1,  337 
,Dem  Jüngling  und  dem  Mann,  dem  Greise  hoch');  5,  45  , suche'; 
14,  18  ,Ente'.  Hiatus  wird  nicht  beachtet;  ich  habe  etwa  40 
Fälle  gezählt.  Anapäste  verwendet  Stolberg  hier  nicht;  der 
einzige  findet  sich  in  dem  Verse  3,  36  , Wiewohl  -in  dem 
stolperndem  llexaineter';  dagegen  3,  37  ,Pentam'ter';  3,  40 
,vom  Thron  'rab  stürzt'  (Deutsches  Museum  1783,  1,  194  , Penta- 
meter'; ibidem  ,vom  Throne  stürzt');  9,  40  ist,  wie  im  Deutschen 
Museum  1783,  2,  252  steht,  , Mietlinge'  statt  , Mietling';  9,  137 
wahrscheinlich  ,angebrüllet'  statt  , angebrüllt'  zu  lesen  (im 
Deutschen  Museum  fehlt  dieser  Vers) ;  mit  schwebender  Be- 
tonung 9,  69  ,müh'sam';  als  unregelmässige  Betonung  wäre 
sonst  noch  zu  verzeichnen  3,  28  ,mit  Zahnarztes  Lungen' 
(Deutsches  Museum  1783,  1,  194  ,mit  des  Zähnarzts  Lungen'); 
9,  59  ,gehe  zur  Ameisen';  10,  64  , Kleinmut  ist  Kleinmut,  mein 
Herr  General'. 

Die  Caesur  ist  frei;  das  Enjambement  gegenüber  den 
nach  englischem  Muster  gebildeten  Versen  spärlich  verwendet; 
doch  linden  sich  Kühnheiten,  wie  4,  3  f.  , umher  |  Lief;  12,  19  f. 
,also  schlecht  |  Geordneter'. 

In  seinem  ebenfalls  1784  in  Kopenhagen  erschienenen 
Trauerspiel  Timoleou  gebraucht  er  den  Vers  auf  gleiche  Weise. 
Er  hat  mit  Libegrifi'  der  lyrischen  Stellen  1021  Verse;  die 
lamben  sind  alle  fünffüssig  und  stumpf;  klingend  nur  folgende 
Vers  94  , stürzte';  98  ,Tiefe';  103  ,kniee';  121  ,Syracusa';  205 
, Freunde';  216  , stürzten';  634  , Schwindel';  787  , Rauschen'.  J]r 
verwendet  Anapästen  und  zwar  im  Anfange  nur  V.  95,  116, 
122,  806;  in  der  Mitte  öfter  92,  96,  98,  103,  109,  205,  687, 
786.     Hiatus  habe  ich  18mal  gezählt. 


Uol>pr  ilon  tTinffüasiijen  lamliHs  vnr  Lessing's  Nathan.  691 

In  seinov  Uebersetzune;  ,fler  letzten  Sccnc  aus  dem  g;e- 
bundencn  Prometheus  des  Aescliylus'^  (Deutsches  Museum  1783, 
2,  120—125)  finden  sicli  unter  den  100  iambischen  Versen 
sechs  klingende. 

Die  1787  erschienenen  , Schauspiele  mit  Chören  von  dem 
Brüdern  Christian  und  Friedrich  Leopold  Grafen  zu  Stol- 
berg-. Erster  TheiP  enthalten  zwei  lambendramen.  Das  erste 
jThaeseus'  von  Friedrich  Leopold  (S.  1 — 70)  besteht  aus  1021 
Versen,  die  alle  mit  Ausnahme  der  Chöre  stumpf  und  regelmässig 
sind,  nur  Vers  563  ,Ich  erwachte  vom  Geräusch  — '  hat  einen 
Fuss  zu  wenig.  Zweimal  finden  sich  Anapäste:  V.  69  ,Im  zittern- 
den Haupt  des  Greises  holder  Blick'  und  V.  106  ,]\Iit  blitzendem 
Schwert,  gebietend  wie  ein  Gott^  Hiatus  steht  22mal.  Um 
die  Verse  stumpf  zu  machen,  werden  in  der  letzten  Hebung 
gewaltsame  JNIittel  angewendet:  V,  462  und  474  ,Ungeheur'; 
913  jSteur';  401  ,weis''.  Die  wenigen  fünffüssigen  Jamben  in 
,Der  Säugling'  (S.  407 — 456)  sind  stumpf. 

Ganz  ähnlich  ist  der  Vers  Christian's  im  ,Belsazer'  (S.  83 
bis  224),  dem  nur  in  erregten  Sceuen  viele  Dactylen  und  Ana- 
päste beigemischt  werden;  die  Fünffüssler  sind  durchwegs  stumpf 
und  werden  es  oft  nur  durch  Apo-  und  Synkopen:  Vers  14  jfeirt'; 
262  ,lang";  269  ,eh'r'  (ebenso  269  im  Innern);  286  ,Erb'';  469 
,sau'r';  769  ,GräuP  (198  ,Feu'r'  im  Innern);  1030  ,zerschell'n' 
(456  jfüll'n',  787  ,umwairn'  im  Innern  des  Verses).  Hiatus  wird 
nicht  ganz  vermieden,  ich  zählte  8  Fälle;  Enjambement  ganz 
frei  gehandhabt:  Vers  357  ,aus  j  den  Händen';  61  f.  ,Des  j 
Gesangs  und  Tanzes';  263 f.  ,wie  |  ein  Blitz';  510 f.  , umher  |  zu 
senden';  687  f.  ,wie  |  der  Wurm'.  Im  Otanes  (S.  229—384), 
dessen  fünffüssige  lamben  auch  alle  stumpf  sind'  steht  sogar 
V.  1162  f.,   Angst- Geschrei'. 

Auch  Ch.  H.  Schmid  braucht  in  seinem  Gedichte:  ,Eine 
Erscheinung,  bei  der  Ankunft  der  Seilerischen  Schauspielgesell- 
schaft in  Giesen'  (Almanach  d.  d.  Musen  auf  1772  S.  140  bis 
144)  nur  stumpfe  Füuffüsslei',  100  an  der  Zahl,  mit  freier 
Caesur  und  freiem  Enjambement.  Ein  Vier-  und  drei  Sechs- 
füssler  blieben  stehen  (S.  141 — 143).  Dactylisch  ist  der  Vers 
S.  143:  ,Da  wir  nicht  danken  kiinnen,  so  höret  dann'.  S.  144 
,Bald  eine  Perl  in  Wiens  Diadem'    ist    zu  bessern:  , Perle  in'. 


692  Sauer. 

In  den  Trauerreden  und  (jiedicliten  auf  Franz  den  Ersten 
(Wien  1765)  steht  auch  ein  Gedicht  von  Sonuenfels,  das  er 
später  in  den  neunten  Band  seiner  Wei-ke  aufnahm.  Unter 
den  99  stumpfen  ungereimten  Versen  sind  zwei  sechsfüssig-e ; 
die  Caesur  steht  in  den  meisten  Fällen  nach  der  zweiten  oder 
dritten  liebung;  das  Enjambement  ist  milde  gehandhabt.  Wann 
das  ebenfalls  stumpfe  Gedicht  im  neunten  Bande  seiner  Werke 
,An  Catharina  Jaquet  über  die  Rolle  der  Gräfin  Salisbury  in 
Herrn  Schröders  Eduard'  geschrieben  ist,  kann  ich  nicht  ei-- 
sehen. 

Wol  erst  im  Jt\Jire  1781  entstanden,  aber  doch  in  diesem 
Zusammenhange  zu  erwähnen  ist  das  jüngst  in  Westermann's 
Monatsheften  (Mai  1878,  S.  159)  veröffentlichte  Gedicht  von 
Alxinger  an  Nicolai,  das  in  45  reimlosen  stumpfen  Fünf- 
füsslern  geschrieben  ist. 

Auch  zwei  Gedichte  von  Denis  verdienen  hier  Erwäh- 
nung: 1771  ,Sineds  Gesicht,  Kingulph  dem  Freunde  der  Geister 
gewidmet',  '  Es  besteht  aus  freien  Rhythmen  und  30  reimlosen 
Fünffüssern,  die  durchaus  stumpf  sind,  obwol  sich  sonst  in 
dem  Gedichte  auch  weiblicher  Ausgang  findet;  dasselbe  gilt 
von  dem  ,im  Herbste  1773'  gedichteten  , Gesang':  , Auf  Josephs 
Reise,  von  Sined  dem  Barden',  ^  dessen  20  Fünffüssler  allein 
durchaus  stumpf  sind,  während  die  sonstigen  Vei-se  auch 
klingend  enden. 

6.  Herder  und  Eschenburg. 

Als  Herder  die  Fragmente  über  die  neuere  deutsche 
Litteratur  umarbeitete,  fühlte  er  sich  veranlasst,  einen  eigenen 
Abschnitt:  ,Das  sogenannte  Britische  Versmass,  für  unsere 
Sprache  betrachtet'  einzufügen,  in  welchem  er  die  ihm  be- 
kannten Dichtungen  in  fünffüssigen  Jamben  von  Kleist,  Gleim, 
Klopstock  und  Weisse  einer  kurzen  Kritik  unterwirft;  den 
Vers  Kleist's  und  Gleim's  lobt  er  ausschliesslich;  dagegen 
meint  er,  ,vielleicht  mag  es  seyn ,  dass  selbst  Klopstock's 
Salomo  dies  Lesbare  und  Deklamatorische  nicht  getroffen  hat'; 


'  Almaiuicli  der  deutschen  Musen  auf  das  Jahr  1772  (Leipzig).  S.  77 — 80. 
2  Derselbe  auf  177b.  S.  153— lüÜ. 


Ueber  den  fünffüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  693 

für  Weisse  hat  er  nur  Worte  des  Tadels.  Er  vcrtheidiüjt  dann 
den  lambus  gegenüber  dem  Alexandriner  im  Trauerspiel;  ,und 
Avolleu  wir  nicht  lieber  die  vorg-eschlag-ene  lainben  wählen', 
fährt  er  fort,  ,die  weit  mehr  Stärke,  Fülle  und  Abwechselung 
in  sich  schliessen,  sich  mehrern  Denk-  und  Schreibarten  an- 
schmiegen, und  ein  hohes  Ziel  der  Deklamation  werden 
können?  Nur  freilich  werden  sich  dieselbe,  je  mehr  sie  sich 
der  Materie  anschmiegen,  je  mehr  auch  freie  Sprünge  und 
Cadenzen  erlauben:  nicht  sich  beständig  in  lamben  jagen:  nicht 
in  einerlei  Caesuren  verfolgen:  nicht  in  einerlei  Ausgängen  auf 
die  Hacken  treten:  nicht  werden  sie  sich  in  das  theatralische 
Silbenmass  einkerkern,  das  Ramler  in  seinem  Batteux 
vorzeichnet,  um  zu  hinken,  wenn  die  Region  da  ist,  hinken 
zu  sollend  ' 

Herder  hat  sich  auch  praktisch  in  dieser  von  ihm  so 
warm  empfohlenen  Versart  versucht,  und  zwar  zunächst  in  einer 
Reihe  von  Uebersetzungen  aus  Shakespeare,  welche  die  form- 
losen Wieland'sche  verdrängen  sollten,  in  den  Jahren  1709 
und  1770.  Bruchstücke  derselben  veröffentlichte  er  als  Einleitung 
zu  einzelnen  Liedern  aus  Shakespeare  im  ersten  Theile  der 
Volkslieder  (Leipzig  1778)  und  zwar  S.  14G — 151  ,Einige 
Zauberlieder.  Aus  Shakespeare's  Sturm';  291 — 297  , Liedchen 
der  Desdemona';  298 — 300  , Süsser  Tod'  aus  Was  ihr  wollt; 
301  —  308  Opheliens  verwirrter  Gesang  um  ihren  erschlagenen 
Vater;  dann  stehen  als  Epilog  dieses  ersten  Bandes  unter  der 
Ueberschrift  Shakespeare  zwei  Fragmeute  aus  dem  Kaufmann 
von  Venedig.  Er  sagt  von  diesen  Liedern  im  Vorbei-ichte  des 
zweiten  Theiles  (Leipzig  1779)  28  f.:  ,Sie  lagen  vor  zehn  und 
mehr  Jahren  übersetzt  da,  ohne  dass  ich  einem  bessern  Ueber- 
setzer  je  damit  hätte  zuvor  kommen  oder  nachbuhlen  wollen'. 
Aus  derselben  Zeit  stammen  auch  jene  Bruchstücke,  welche 
er  im  zweiten  Bande  der  Adraestea  1801  veröffentlichte,  ganz 
wenige  Verse  aus  Hamlet  und  umfangreichere  Scenen  aus 
Macbeth;  sechs  Verse  aus  dem  Sommernachtstraum  sind  in 
den  Anmerkungen  des  ersten  Bandes  der  neuen  Herdei'- 
Ausgabe'^    gedruckt    und    endlich    liegen    mir    durch    die    Güte 


1  Heider's  Werke  (.Suphan)  2,  38. 

2  Werke  (Supliau)  1,  54:5. 


694  Sauer. 

fies  TTerrn  Dr.  Suphan  einii^e  uiigcdrnckte  Uebersetziing-s- 
Fr.'igmente  aUs  Herde r's  Naclilass  vor,  und  zwar  der  in  den 
Volksliedern  1,  290  f.  gedruckte  Monolog  Othellos  vor  der 
Ermordung  Desdemonas  in  abweichender  Fassung,  und  ,Macbeth's 
sclireckliche  Dolchscene'  (2.  Act,  2.  Scene).  In  einem  Studien- 
liefte  der  Königsberger  Zeit  finden  sich  auch  einige  Scenen 
eines  antiken  Drama  Fhilokles  in  dieser  Versart  ausgearbeitet, ' 
sind  aber  ungedruckt  geblieben ;  dagegen  ist  das  Singspiel  Brutus, 
■wie  ich  ebenfalls  aus  einer  gütigen  IMittheilung  Dr.  Suphan's 
entnehme,  in  seinem  ersten  Drucke  für  Freunde  1774  ganz  in 
freien  Rhythmen  abgefasst;  erst  in  der  späteren,  1 80ß  gedruckten 
Ueberarbeitung  sind  einzelne  iambische  Verse  beigemischt,  sowie 
in  den  damals  entstandenen,  aber  1806  gedruckten  Scenen  des 
Philoktet ;  beide  diese  Dramen  liegen  also  ausserhalb  unserer 
Betrachtung. 

Die  oben  im  Einzelnen  angeführten  Uebersetzungsfrag- 
mente,  über  350  Verse,  geben  uns  nun  ein  Bild  des  Herder- 
schen  lambus,  das  seinen  in  den  Fragmenten  ausgesprochenen 
Forderungen  vollständig  entspricht.  Er  lässt  stumpfe  und  klin- 
gende Verse  abwechseln  und  gebraucht  freie  Caesur;  um  ,sich 
nicht  beständig  in  Tambeu  zu  jagen',  mischt  er  Anapäste  und 
Trochäen  ein;  Anapäste  in  der  Mitte  z.  B.  Volkslieder  1,  147 
jSein?  in  der  Liift';  149  ,in  der  Natur';  297  ,und  ich  will'; 
305  , Ophelia  liebe';  Anapäste  im  Verseingange  z.  B.  Volks- 
lieder 1,  293  ,Aber  ganz';  ibid.  ,Wie  die  arme';  Adrastea  2, 
322  ,In  die  Luft';  324  ,Er  ist  sonderbar';  Verse  mit  trochäischem 
Rhythmus  Adrastea  2,  321  ,Seid  ihr  Blendwerk,  oder  seid  ihr 
wirklich';  322  ,Oder  warum  nehmt  ihr  euren  Weg  auf  dieser'; 
Verse  mit  trochäischem  Eingange:  Volkslieder  1,  304  ,Aber'; 
Adrastea  2,  321  , edlen  Gefährten';  322  ,König';  323  , Vater'; 
324  ,Wahrheiten';  326  ,Über';  ibid.  ,Euer';  328  ,Steiget';  329 
, Unter';  Manuscr.  , würden'.  Sogar  Dactylus  im  Anfange  findet 
sich:  Volkslieder  1,  299  ,Taümelnden  Zeiten'. 

Da  eben  nur  Bruchstücke  vorliegen,  die  oft  mitten  im 
Verse  abbrechen,  so  kann  man  die  Länge  seiner  Verse  nicht 
genau  bestimmen :  ersichtlich  ist,  dass  er  auch  in  zusammen- 
hängender Rede  zwei-,  drei-  und  vierfüssige  einstreut. 


'  Haym,  Herder  1,   107  Aiim. 


Ueber  den  fnnffüssigen  lambns  vor  Lessiag's  Nathan.  G95 

Die  Fälle  des  Hiatus,  die  sieh  vorfinden,  will  ich  rasch 
durchnehmen:  Volkslieder  1,  147  ,weinete  ins';  292  ,So  sagt 
er.  Also  gute  AemiHe'  (sollte  ,gut"  zu  lesen  sein?);  ibid.  , Bette. 
Alles^;  296  ,reute.  Aber';  297  ,Rose  ich';  298  ,dem  ^Yortgelese 
unsrer';  301  , kniffe  in';  305  ,trockne  auf;  306  ,zur  Rache  über- 
reden': Adrastea  2,  315  ,Rose  eines';  320  ,alle  ihr';  322  , Winde. 
—  Ich';  323  ,das  grösste  ist';  326  ,neue  Ehren';  327  , Menschen- 
güte um';  328  , Zunge  alles';  311  ,für  Galle,  ihr  Morddiener! 
wo  irgend  ihr'  (vielleicht  ist  ,Gair'  zu  lesen);  Manuscr.  ,lösche 
aus';  , reute  —  aber';  , Meine  Augen'. 

Wie  Herder  mit  der  Sprache  ringen  muss,  zeigt  sich 
in  den  vielen  Synkopen  und  Apokopen,  die  zu  fast  unaus- 
sprechbaren Verbindungen  führen:  z.  B.  Volkslieder  1,  147 
,ein'm';  147,  148  ,mein'm';  149  ,ab'r'  (151  findet  sich  in  dfem 
Liede  der  Vers  ,flattr'  auf  Fled'rmausschwingen  fein'  und  die 
Formen  ,leb'n,  schweb'n');  293  ,Mein'  Mutter';  ibid.  ,'n  altes 
Ding';  ibid.  ,bitt  dich'  (statt  ,ich');  296  ,mein'  Seel';  ibid.  ,wie 
'n  Alabaster bild';  297  ,überred't';  302  ,fang'n';  303  ,was's  soll'; 
305  ,ein's  jungen  Mädchen';  ibid.  ,sieb'nfach';  Adrastea  2, 
320  ,'nmal';  Manuscr.  ,d"halbe  Welt';  jSchall'nder';  ,tret'n'; 
jSchau'r';  ,Feu'r'. 

Das  Enjambement  ist  ganz  frei,  manchmal  sogar  recht 
kühn  gehandhabt  z.  B.  Jenen  alten  |  Altvatersang';  , meinen  | 
edlen  Gefährten';  ,auf  dieser  \  fruchtlosen  Weide';  .durch  | 
erlaubte  Kleinigkeiten';  ,an  |  die  welke  Lippe';  ,in  blosse  |  Ein- 
bildungen': jkeine  |  beängstenden  Besuche';  ,zu  voll  1  von  Milch'; 
,so  sinne  |  wie  wir';  sogar:  ,auf-  |  geheult';  ,Hoch  auf-  |  steiget 
dein  Wunsch';  ,zu-  |  gekommen'. 

Im  klingenden  Ausgange  verwendet  Herder  auch  com- 
ponierte  oder  zwei  Worte:  , Grabmal;  vormals;  Dänmark,  An- 
zug; Aussicht;  Wunsch  sein;  ruft  mir;  hiess  nur;  bist  nur'. 

Als  im  Jahre  1773  eine  neue  Auflage  der  Wieland- 
schen  Shakespeare  -  Uebersetzung  nothwendig  wurde  und 
dieser  selbst  die  , Verbesserung  aus  Mangel  der  dazu  erforder- 
lichen Müsse*"  ablehnte,'  wurde  die  neue  Bearbeitung  Eschen- 
burg übertragen;    die  Ausgabe    erschien  von  1775  bis  1777  in 


1  Der  deutsche  Merkur  3  (1773,  August)  183  f.;  5  (1774,  März),  307. 
SitznngBber.  d.  phil.-hist.  Gl.  XC.  Bil.  UI.  Hft.  45 


69G  Sauer. 

zwölf  Bänden  und  unifasste  alle  36  Dramen  Shakespeare'?, 
während  Wieland  nur  22  übersetzt  hatte.  In  dem  Vorberichte 
(1,  9)  schreibt  er:  ,P2in  beträchtlicher  Verlust  für  denjenig-en, 
der  den  Shakespeare  nur  deutsch  lesen  kann,  ist  der  Abgang 
des  Silbenmasses;  denn  die  meisten  Scenen  seiner  Schauspiele 
sind  in  Versen.  Den  einzigen  Sommernachtstraum  hat  Herr 
Wieland  mit  vielem  Glücke  metrisch  übersetzt:  und  eben  so 
wei'de  ich  in  der  Folge  das  Trauerspiel,  Richard  der  Dritte, 
liefern,  welches  ich  schon  beinahe  vollendet  hatte,  ehe  ich  noch 
diese  Ausgabe  der  sämmtlichen  Werke  des  Dichters  übernahm 
(also  vor  der  zweiten  Hälfte  des  Jahres  1773).  Allein,  das 
Mühsame  einer  solchen  Uebersetzung-  ungerechnet,  so  wird 
auch  schwerlich  der  grössere  Verlust  des  Eigenthümlichen  und 
Wörtlichen  durch  die  Beibehaltung  der  äusseren  Form  hin- 
reichend ersetzt^  Er  hatte  schon  1771  in  seinem  Versuch 
über  die  Schauspielkunst  (Klotz's  Bibliothek  VI,  468)  ge- 
legentlich Stellen  aus  Shakespeare  in  eigenen  iambischen 
Uebersetzungen  neben  Wieland'schen  citiert.  Auch  hatte  er 
si,ch  bereits  1769  mit  einem  selbstständigen  Werke  in  unserer 
Versart  versucht.  Er  dichtete  nämlich  zum  Geburtsfeste  der 
Erbprinzessin  von  Braunschweig  .ein  dramatisches  Gedicht': 
jComala'. '  Unter  den  123  stumpfen  und  klingenden  Versen 
findet  sich  ein  Sechsfüssler  S.  199:  , Geredet,  als  er  starb,  so 
hat  er  sterbend  mich'. 

Im  Sommernachtstraum  (1,  125 — 233)  1775  erschienen, 
ist  die  erste  Scene  gänzlich  überarbeitet;  die  Verse  sind  alle 
auf  die  richtige  Länge  gebracht,  die  Freiheit  Wieland's  in 
Betreff  der  Verwendung  des  Anapästes  weggeschafft;  z.  B. 
TF(ieland)  3  ,Vier  frohe  Tage  bringen  einen  andern  Mond';  ,frohe' 
fehlt  £■(  schenburg)  127;  W  4  ,Mein  Kind,  mit  Klagen  über 
Hermia  —  —  tritt  |*her  vor,  Demetrius!  ~  —  dieser  Mann, 
o  Herr';  E  128  ,Mein  Kind,  mit  Klagen  über  Hermia  |  Tritt 
her,  Demetrius!  —  —  Herr,  dieser  Mann';  TF  5  ,Tn  einem 
solchen  Fall  der  Buchstab  des  Gesezes',  E  129  ,In  einem 
solchen  Falle  das  Gesetz'.  Von  der  zweiten  Scene  ab  hört  diese 
genaue  Verbesserung  des  Wieland'schen  Textes  in  rein  metri- 
scher   Beziehung    auf;    die  vier-  und  sechsfüssigen  Verse   sind 


'  Almanach  der  deutsclieu  Musen  auf  das  Jalir  1770,  S.   lyi— 24U. 


lieber  den  fünffüssigen  lambus  vor  Leasing's  Nathan.  697 

mit  herüber  g-enoinmeii:  nur  der  siebenfüssige  WSO  ,Wer  hindert 
dich?  Ein  thöriclit  Herz,  das  ich  zurücke  lasse'  ist  zu  einem 
sechsfüssigen  herabgesetzt  E  193  ,ich  lass'  es  hier';  dagegen 
der  Fünffüssler  TF  06  ,Die  der  bankrutte  Schlaf  dem  Kummer 
soll'  der  Deutlichkeit  wegen  auf  einen  sechsfüssigen  gebracht 
E  182  , schuldig  ist';  die  ganz  corrupten  Verse  W  77  sind  E 
190  geändert;  die  trochäisch  beginnenden  hat  er  beibehalten, 
so  E  162  =:  W  40  , Andre';  dagegen  eine  Besserung  vorge- 
nommen: W  79  , Puppe?  wie  so?'  in  E  192  ,Ich  Puppe?  — 
so?'  Pjine  grosse  Anzahl  anderer  Aenderungen  wurden  des 
Sinnes  wegen  gemacht. 

In  den  anderen  Dramen  hat  er  gelegentlich  eine  oder  die 
andere  Stelle,  besonders  die  Prologe,  in  lamben  übersetzt,  ich 
führe  dieselben  der  Reihenfolge  der  Bände  nach  an:  1775  Der 
Sturm  (1,  95—98}  IV.  Act,  3.  Scene,  69  Verse,  28  stumpf; 
dabei  die  Anmerkung:  ,ein  allegorisches  Schauspiel,  welches 
im  Original  in  Reimen  geschrieben  ist.  Ich  habe  es  daher^ 
um  demselben  näher  zu  kommen,  wenigstens  metrisch  zu  über- 
setzen gesucht'.  Die  lustigen  Weiber  zu  Windsor  V,  4  (4,  135 
bis  139)  54  Verse;  1770  König  Heinrich  IV.,  zweiter  Theil, 
Prolog  (7,  7 — 8)  41  Zeilen;  dann  zerstreut  viele  Reden  Pistols, 
im  Ganzen  31  Verse  (7,  63  f.,  147,  149,  152  f. j;  Leben  Heinrichs 
des  Fünften,  die  Prologe  vor  jedem  Acte,  zusammen  über 
200  Verse  (7,  161  f.,  182  f.,  207  f.,  238—240;  285-287);  ferner 
viele  Reden  Pistols,  zusammen  bei  100  Versen  (7,  185  f.; 
188,  197,  199  f.,  210  f.,  224  f.,  242,  288  f.,  291);  1777  Leben 
Heinrichs  des  Achten,  Prolog  34  Verse  (9,  7  f.);  Troilus  und 
Cressida,  Prolog,  32  Verse  (11,  7  f.);  Hamlet,  die  Rede  des 
Schauspielers,  06  Verse  (12,  231 — 234)  und  das  Schauspiel, 
83  Verse  (12,  258 — 262).  Die  Behandlung  des  Verses  in  diesen 
Bnichstücken,  ist  dieselbe  wie  in  Richard  III. 

Dieses  Drama,  1776  gedruckt  (8,  309-493)  hat  gegen 
3800  Verse,  einen  zweifüssigen  331  ,Die  ganze  Welt!  — 
Pia!  -—';  zwei  dreifüssige:  350  , Sogleich  mein  edler  Lord'  am 
Ende  einer  Scene,  435  ,Ich  werd'  es  gleich  vollziehn';  fünf 
vierfüssige  (333,  345,  372,  391,  464);  342  ist  zu  lesen  ,Edward 
dein  erster  Sohn,  itzt  Prinz  von  Wallis'  (nach  dem  Druck- 
fehlerverzeichniss  in  Band  12),  352,  letzte  Zeile  von  unten 
,er    füllte'    hinzuzufügen,     wodurch    beide    Verse    regelmässige 

4ü* 


698  Sauer. 

FüuflusskT  wordon;  2ß  seclisfüssigo.  In  dem  Verse  o-tO  , Damit 
mau  uns  zu  ihm  dvn  Zugang  nicht  verwehre  |  Wohl  bedacht! 
hier  hab  ich  ihn'  ist  nicht,  wie  das  Drnckfehlerverzeichniss  in 
Band  12  angibt  ,zu  ihm'  zu  streichen,  sondern  , vermehre'  zur 
folgenden  Zeile  zu  ziehen,  wodurch  beide  Verse  regelmässig 
werden. 

Ich  habe  26  Fälle  des  Hiatus  gezählt,  von  welchen  10 
durch  Interpunetion  entschuldigt  werden  könnten;  andererseits 
finden  sich  Elisionen  wie  383  , Verwünscht'  und  unriihvolle 
Tage',  483  ,ein'  andre  Rede'  und  492  ,die  weiss'  und  rothe  Kose'. 

Einige  Verse  gegen  Ende  des  Stückes  müssen  mit  schwe- 
bender Betonung  im  Versanfange  gelesen  werden;  443  Wüt'li rieh; 
456  Gross'mutter  (auch  337 ) ;  457  ,Ehlicher  Freuden' ;  auch  sonst 
sind  Unregelmässigkeiten  der  Betonung  .zu  verzeichnen:  323 
,Vergöune  mir  Mann  von  verbreiteter  |  Vergiftung';  325  , Ur- 
heber'; 336  ,du  missgönnst  mir';  351  , Meerswellen';  477  ,Der 
blüt'gen  Hieb'  und  des  Tod  droh'nden  Krieges';  477  ,beistehn'. 

Eschen  bürg  gebraucht  Composita  und  auch  zwei  Worte 
im  weiblichen  Ausgange:  ,341  hierherkam;  348  darbot;  389 
Unkraut;  390  wichtge;  391  Scharfsinn;  421  Weltmeer;  424  Mis- 
gunst;  314  schliesst  er;  353  denn  nicht;  370  hiess  mich;  378 
gekrönt  Avard;  381  alt  war;  438  schwieg  hier;  440  Näh  hier; 
476  Heer  gehnf;  freie  Caesur  und  freies  Enjambement;  die 
Präposition  steht  öfter  als  letztes  Wort  des  Verses:  358  ,um 
für  I  Lankasters  Haus  zu  fechten';  436  ,mit  |  dem  allen';  auch 
die  Vergleichungswörter  werden  gerne  abgetrennt:  327  ,wie  j 
ein  Kind';  373  ,so  !  auch  ich';  145  gleich  |  leblosen  Steinen'; 
420  ,als  I  Verwalter';  diese  beiden  Fälle  seien  als  die  kühnsten 
Gebrauchsweisen  angeführt. 

In  den  Siebziger  Jahren  versuchte  Paschen  bürg  auch 
in  seinen  Original -Dichtungen  den  fünffüssigen  lambus  mit 
freier  Caesur  und  freiem  Enjambement  zu  verwenden;  so  1773 
(für  den  zwölften  Januar)  ,Die  Wahl  des  Herkules,  ein  drama- 
tisches Gedicht',  welches  Döbbelin  in  Braunschweig  auf- 
führte' (300  Verse,  correct  in  der  Länge;  Hiatus  , führte.  Aber'; 
, wankte.  yVuf!')  und  1776  in  dem  dramatischen  Gedichte  Scipio 
(Deutsches  Museum  1,  927 — 946,  467  Verse,  ein  sechsfüssiger 


'  Chronologie  des  deutschen  Theaters  S.  324. 


Ueber  den  tunffüssigen  Iiimbus  vor  Lessing's  Nathan.  699 

939  und  ein  vierfüssiger  941;  Hiatus  rein);  in  demselben  Jahre 
1776  erschien  auch  seine  Uebersetzung  der  Zayre  (Ein  Trauer- 
spiel des  Herrn  v.  Voltaire.  Neue  Uebersetzung-  in  lamben. 
Leipzig),  welche  ich  aber  nicht  kenne. 

Diesen  beiden  Shakespeare-Uebersetzern  muss  ich  einen 
Namen  anreihen,  den  man  hier  nicht  erwartet:  Moses  Mendels- 
sohn; freilich  sind  die  von  ihm  übersetzten  Bruchstücke  sehr 
gering,  zeigen  aber  einige  interessante  Details.  Im  zweiten 
Bande  der  Bibl.  d.  seh.  W.  1757  steht  Mendelssohn's  Auf- 
satz: , Betrachtungen  über  das  Erhabene  und  das  Naive  in  den 
schönen  Wissenschaften^  und  darin  8.  243 — 244  der  Monolog- 
Hamlets  ,Sein  oder  Nichtsein'  bruchstückweise  übersetzt 
(28  Zeilen,  17  klingend);  im  zweiten  Theile  der  philosophischen 
Schriften,  Berlin  1765,  ist  S.  144—145  derselbe  Monolog  voll- 
ständiger und  überarbeitet  eingefügt  (33  Zeilen,  16  klingend); 
Mendelssohn  hat  die  wenigen  Zeilen,  die  natürlich  freie 
Caesur  und  freies  Enjambement  zeigen,  gebessert:  1757  lautete 
die  erste  Zeile  ,Sein  oder  nicht  sein,  das  ist  die  Frage';  1761 
ist  die  fehlende  Senkung  eingefügt  , dieses  ist  die  Frage';  der 
Vers  ,Blutdürstige  Pfeile  za  dulden;  oder'  ist  gebessert  1761 
,Und  giftige  Geschoss  zu  dulden;  oder';  in  dem  Verse  jede 
wichtige  That'  der  Anapäst  weggeschafft  ,wichtge',  die  beiden 
Hiateu  ,seufzete?  —  Allein'  und  ,die  grösste  Unternehmung' 
sind  auch  1761  geblieben;  der  in  den  neu  hinzugefügten  Zeilen 
entstandene  ,Den  Misbrauch  der  Gesetze  und  jedes  Schalk'  ist 
wol  zu  tilgen,  indem  man  , Gesetz''  liest,  wie  oben  , Geschoss'. 
An  einer  anderen  Stelle  dieses  Aufsatzes  fügt  er  1761  13  Verse 
aus  dem  zweiten  Acte  des  Hamlet  ein  ,0  welch  ein  kriechender, 
elender  Sclave  |  muss  Hamlet  sein'!  etc.;  darunter  zwei  sechs- 
füssige  und  ein  dreifüssiger  Vers;  im  weiblichen  Ausgange  zwei 
Worte:  ,was  geht  er  sie  an'.  In  den  Zusätzen  zu  den  Briefen 
über  die  Empfindungen  übersetzt  er  eine  Stelle  aus  Shake- 
speare's  Richard  IL,  welche  er  1761  im  Original  mittheilte, 
in  der  zweiten  Auflage  der  philosophischen  Schriften'  1771  in 
lamben:    es  sind  8  Zeilen,  darunter  ein  sechsfüssiger.     Ausser 


1  Ich  kenne  nur  einen  Druck  f)fen  1819,  welclier  auf  dorn  Titel  die  Be- 
zeichnung hat:  Wörtlich  nacli  der  zweiten  Originiilauflage.  (Die  Verso 
stehen  dort  S.  üO  f.) 


700  Sauer. 

dem  scheint  Mendelssohn  nichts  in  unserer  Versart  übersetzt 
zu  haben. 

7.  Kleine  Dramatiker. 

Alles  was  Ende  der  Sechzig-er  und  zu  Beginn  der  Sieb- 
ziger Jahre  an  iambischen  Dramen  erschien,  dürfen  wir  an 
Wcissc's  viel  gelesene  und  beliebte  Dramen  anknüpfen-,  freilich 
nicht  direct,  wir  sahen  ja  schon,  welche  Einwirkungen  auch 
von  anderen  Seiten  sich  geltend  machten. 

Wenn  aber  jetzt  noch  immer  Dramen  mit  nur  stumpfen 
Versen  entstehen,  so  scheinen  diese  auf  Weiss e's  frühere  Be- 
handlung des  Verses  zurückzugehen. 

1768  erschienen  zu  Nürnberg  Proben  dramatischer  Gre- 
dichte,  welche  ich  zwar  nicht  kenne;  von  dem  ersten  dieser 
Dramen  aber,  Rhynsolt  und  Lucia,  einem  Trauerspiele  in  fünf 
Aufzügen,  sagt  die  Recension  in  Klotzen's  deutscher  Biblio- 
thek (3,  580),  dass  es  ^in  sehr  holprichten  Versen'  geschrieben 
ist,  ,in  reimlosen,  meistens  fünffüssigen  lamben,  in  die  doch 
zuweilen  Dactylen ,  ja  ganze  Hexameter  eingemischt  sind' 
und  ,dass  der  Verfasser  darinnen  mit  aufgeblasenen  Backen 
die  Weiss e'sche  Sprache  nachahmt';  ob  auch  das  zweite 
Stück  Naemi  und  Seba,  ein  Trauerspiel  mit  Chören,  in  dem- 
selben Versmasse  geschrieben  ist,  geht  aus  der  Recension  nicht 
hervor. 

Interessant  ist  eine  Sammlung  von  Dramen ,  welche 
H.  C  H.  V.  Trautzschen  (Goedeke,  641)  1772  in  Leipzig 
unter  dem  Titel  , Deutsches  Theater''  veröffentlichte,  es  ent- 
hält eine  Alexandrinertragödie  und  eine  Reihe  Prosastücke. 
Von  dem  letzten  derselben  heisst  es  in  der  Vorrede :  ,Belisar, 
ein  Drama,  sollte  in  Versen,  so  wie  es  der  Inhalt  zu  erfordern 
scheint,  einem  zweiten  Baude  einverleibt  werden ;  allein  mein 
Vei'Ieger  verlangte  die  Verstärkung  des  gegenwärtigen,  und 
ich  habe  dasselbe  inzwischen  durch  die  Schreibart  so  viel  zu 
heben  gesucht,  als  dieses  historische  Sujet  selbst  über  das 
gemeine  Leben  erhaben  ist'. 

Sieht  man  das  Stück  näher  an,  so  findet  man,  dass  es 
aus  vollständigen  fünffüssigen,  fast  durchwegs  stumpfen  Lxmben 
besteht,    die    ohne  Unterbrechung  geschrieben  sind;    vier-  und 


Ueber  den  fünffuasigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  701 

sechsfüssige  Verse    sind  beig-emischt.  ^     Ich    will    zwei    Proben 

g-eben.     Der  Beg-inn  des  ersten  Aufzuges  S.  315  lautet: 

Die  ganze  Nacht  hat  mich  der  Schhif  geflohn  — 

Bei  meiner  Ankunft  war  mein  Herz  zu  sehr 

Von  Freud  und  Traurigkeit  bewegt  — 

Eudoxien,  die  meine  Seele  liebt, 

Und  deren  reizend  Bild  mir  stets  zur  Schlacht  gefolgt, 

Und  meinen  Äluth  zu  külmen  Tliaten  angeflammt, 

Die  find  ich  hier!  allein  ilir  schöner  Älund 

Giebt  mir  den  schrecklichen  Befehl 

Sie  unbemerkt  mir  unbekannt  zu  sehn! 

Oder  aus  dem  Anfange  des  zweiten  Aufzuges  S.  338: 

Noch  liebt  er  mich!  —  allein  es  ist  umsonst  — 

Tiber  —  auf  ewig  trennt  uns  das  Geschick  — 

Mein  Vater  liegt  von  Ketten  wund  gedrückt 

Dort  in  des  Kerkers  Finsternis  —  und  dich 

Erwart't  vielleicht  ein  Thron!  —  Bald  hat  der  Schmerz 

Des  Lebens  Kraft  verzehrt,  alsdenn  soll  unbekannt 

Hier  meine  Asche  ruhn  —  Wo  bist  du  hin, 

Du  süsser  Tramu,  da  mir  der  Liebe  Zaubermacht 

Das  grösste  Glück  versprach?  —  Er  ist  entflohn 

Und  kömmt  nicht  mehr  zurück!  —  heut  seh  icii  noch 

Zum  letztenmal  den  meine  Seele  liebt  — 

Einige  Dramen^  die  ich  nicht  kenne,  seien  hier  erwähnt. 
Das  einactige  Trauerspiel  von  J.  V.  v.  Speckner  Darius 
München  1775  (Goedeke  1076)  soll  nach  dem  deutschen 
Merkur  (1775  II,  275)  in  reimlosen  lamben  geschrieben  sein. 
J.  Fr.  Löwen,  der  unter  seinen  Lehrgedichten  einige  in  fünf- 
füssigen  gereimten  lamben  gedichtet  hatte  (Schriften  17G5  bis 
176G  1,  76—101;  2,  102—106)  soll  nach  der  Chronologie  des 
deutschen  Theaters  S.  276  Voltaire's  Mahomet  und  die 
Scythen  1768  in  lamben  übersetzt  haben;  nach  Joerdens 
3,  424  hatte  er  vorher  schon  die  Semiramis  in  Versen  über- 
setzt, und  diese  soll  auch  im  Druck  erschienen  sein.    IMöglicher 


'  Die  Recension  in  Schirach's  Magazin  der  deutschen  Critik  I  1,  199— "206 
sagt  über  das  Stück :  ,Wir  haben  bemerkt,  dass  es  in  ordentlichen  Versen, 
die  nur  ohne  Reime  und  wie  Prosa  geschrieben  sind,  abgefasset  ist, 
welches  ein  affectirtes  Wesen  und  eine  unangenehme  Wirkung  äussert'. 
Auch  in  einem  audern  Drama  findet  der  Recensent  dieser  Zeitschrift 
I,  2  S.  277  eingestreute  lamben,  in  dem  Trauerspiel  Tiieutomal,  Hermans 
und  Thusneldens  Sohn  von  W.  J.  E.  G.  Caspar son.  Cassel  1771 
(Goedeke  641). 


702  Siiucr. 

Weise  ist  auch  die  Uebersetzung-  von  Küineo  und  Julie  von 
d'Ozincüur  1772,  welche  nach  der  Chronologie  8.  324  in 
matten  Versen  abgefasst  war  und  für  ein  ( )riginal  ausgegeben 
wurde,  in  laniben  geschrieben.  Auch  die  Notiz  aus  der  Berliner 
Litteratur-  und  Theaterzeitung  1779  8.  735  , Einer  unserer  guten 
Köpfe  will  einen  Kampf  mit  Voltaire  wagen,  und  schreibt 
ein  Trauerspiel  in  lamben  —  Mahomet',  sei  kurz  erwähnt. 

Michaelis  dichtete  ,ein  Singspiel  in  einem  Aufzuge^: 
, Herkules  auf  dem  Oeta'  (aufgeführt  4.  Junius  1771  zu  Hannover), 
welches  mit  Ausnahme  der  Gesänge  aus  Fünffüsslern,  stumpfen 
und  klingenden  abwechselnd  besteht  (150  Verse).  Caesur  und 
Enjambement  sind  frei  gehandhabt. 

[Auch  in  Niemeyer's  religiösen  Dramen  findet  sich  unser 
Mass  für  den  Dialog  verwerthet,  doch  wechselt  es  mit  Vier- 
füssleru,  so  dass  eine  Betrachtung  unterbleiben  kann.] 

Von  grösserer  Bedeutung  sind  zwei  andere  Versuche, 
Gotter's  Merope  und  Goue's  Batilde. 

1773  wurde  Voltaire's  Merope  in  einer  Uebersetzung 
oder  besser  Bearbeitung  von  Gotter  in  Weimar  aufgeführt^ 
und  erschien  im  folgenden  Jahre  in  Druck;'  es  ist  mir  nur 
der  Druck  in  den  Gedichten  von  1788  ^  zugänglich,  der  nach 
der  Angabe  der  Vorrede  eine  , verbesserte  Gestalt'  aufweist; 
daselbst  spricht  sich  Gott  er  auch  über  die  Art  seiner  Be- 
arbeitung aus:  ,Ich  überlasse  es  den  Kennern,  meine  Arbeit 
mit  dem  Originale  zu  vergleichen ,  und  die  Abweichungen 
selbst  zu  prüfen,  die  ich  mir  theils  in  Rücksicht  auf  Oeconomie, 
wie  z.  B.  bei  Merope,  theils  und  am  häufigsten  in  Betreff 
einzelner  Stellen  und  des  Ausdruckes  überhaupt  erlaubt  habe'.  ^ 

Merope  hat  beiläufig  1400  Verse,  von  denen  etwas  mehr 
als  die  Hälfte  klingend  sind.  In  Bezug  auf  die  Länge  ist  er 
nicht  sehr  genau;  es  finden  sich  zwei  Vierfüssler:  S.  235  ^Ver- 
muthung,  häng'  ihr  nicht  aufs  erste';  242  ,das  Haus  Kresphonts? 
Ein  Unbekannter';  und  viele  Sechsfüssler:  208,  212,  223,  233, 
24G,   247  [2],   258,   2G4,   284,   298,   305,   315.     S.  2G5  werden 


»  Gediolite  von  Friedricli  Wilhelm  Götter  II.  Baud.  Gotha  1788.  S.  IV. 
-  Merope,  Trsjil.  in  ü  Aufz.  (nach  Voltaire).    Gotha  1774.  8  (Goedeke  G45). 
3  II,  187—316. 
•«  II,  Vorrede  S>.  XXI. 


Ueber  den  fünftussigen  laiuliuö  vor  Lessing's  Nathan.  703 

der  sechslussig-e  und  der  darauf  folgende  vierfüssige  Vers  leicht 
zu  regelmässig'cu  Fünffüssleru  gemacht,  wenn  man  , durchbebt' 
zum  folgenden  Verse  hinübernimmt. 

Die  wenigen  Anapäste,  die  sich  im  Innern  der  Verse 
finden,  scheinen  nur  auf  mangelhafter  Apostrophierung  zu  be- 
ruhen, da  ihnen  ähnliche  synkopierte  Formen  gegenüber  stehen; 
200  ,heilige  Pflichten';  215  ,Unselige  Frucht';  251  ,Im  blutigen 
Staub';  253  , heiliger  Schatten';  259  , ewiger  Wellen';  268  ,ge- 
liudere  Mittel';  vgl.  256  ,allmächt'ger  Gott';  291  , sichrer'; 
193  ,Verrathner  Gatte';  194  ,Mit  halberloschuem  Auge';  197 
,die  verhaltne  Glut';  ein  Anapäst  lässt  sich  nicht  weg-sehaifen : 
291  ,unter  reissenden  Thieren'.  Unreg-elmässig  bleibt  auch  der 
Vers:  259  , Trugst  du  das  Unglück;  jetzt  lerne  dich';  ist  etwa 
,jetzo'  zu  lesen? 

Hiatus  wird  zu  vermeiden  gesucht:  191  , Frag' auf  Frage' j 
208  ,öfDet'  ich';  209  ,Wieg'  erdrückte';  226  ,Nam'  ist';  251 
,der  Gedank'  an';  258  ,Ohn'  Unterlass';  288  ,rechn'  auf;  315 
,Er  leb'!  er  lebe!';  daraus  erklärt  sich  auch  die  unnatürliche 
Scansion  in  dem  Verse:  S.  240  ,Dem  Wanderer  Ruh'  und  Er- 
quickung -boten?'  Dagegen  ist  Hiatus  stehen  geblieben  in 
folgenden  Fällen :  192  , deine  Augen';  193  ,fürchte!  Eile';  194 
,röchelte;  und';  ebenda  ,ihre  unbefleckten';  225  ,diese  Aehn- 
lichkeit';  226  ,deine  Eltern';  234  ,der  Erschlagne  ist';  251 
,unbekannte  Arglist';  253  , Stimme  —  Ach';  269  ,Kede?  und'; 
273   , Stütze   ihres';  290  , Schande,  als'. 

Eine  genauere  Betrachtung  erfordert  das  Enjambement  in 
diesem  Drama,  weil  es  freier  als  in  den  anderen,  ja  freier  als 
bei  Lessing  verwendet  wird;  ich  will  die  Hauptfälle  rasch 
durchnehmen.  Subject  und  Prädicat  getrennt,  unzählige  Male: 
S.  227  ,Der  Gedank'  |  erstickte  jeden  andern';  245  ,Zerissen 
sind  I  die  Baude';  258  ,bis  mein  betäubter  Geist  [  es  fasst'; 
269  ,dess  ungestümer  Zuruf  [  dein  Opfer  unterbi-ach';  das  Ililfs- 
verbum  vom  Participium:  291  , hättest  du  |  gesehn';  306  ,der 
König  ist  I  ermordet';  das  Relativum  steht  am  Ende  des  Verses: 
189  ,die  |  der  Sturm  gebar';  die  Conjunction  steht  am  Ende 
des  Verses:  210  ,wenn  |  du  kannst';  263  ,bis  ihn  ,  das  Schick- 
sal mir  entriss';  300  ,und  wenn  |  du  ihn  zu  rächen  mir  ver- 
bietest'; das  Fragewort  steht  am  Ende  des  Verses:  191,  warum  | 
verzieht  Arbantes?';    258  ,wann  |  hat  Narbas    dich   getäuscht?' 


704  Sauer. 

Für  alle  diese  Fälle  bietet  jede  Seite  eine  Reihe  von  Bei- 
spielen. Sehr  häufig  wird  das  Attribut  von  seinem  Sub- 
stantiv getrennt:  S.  194  ,ihr  klagenden,  j  gebrochnen  Stimmen'; 
191  , einziges,  |  mir  noeh  gerettetes,  geliebtes  Kind';  248  ,allzu 
rasche  |  Bestrafung';  267  , Unglücklicher  j  Aegist';  308  , vormals 
mir  getreues,  |  geliebtes  Volk';  218  , ewige  |  Verbannung';  oder 
204  , Verdienst  |  ums  Vaterland';  205  ,der  Preis  |  rastloser 
Arbeit';  208  ,der  Weg  |  zum  Thron';  245  ,der  Trotz  |  des 
Göttlichen';  246  ,eiu  alter  Freund  |  der  Ihrigen';  der  Artikel 
■vom  Substantiv:  205  ,die  |  Messener';  235  ,den  zerstüramelten  j 
verwesten  Ueberrest';  305  ,dem  geschiedenen  |  Geliebten'; 
Possessiva  von  ihrem  Substantiv:  192  ,dein  |  Gedächtniss';  224 
,mein  unfreiwilliges  |  Verbrechen';  235  , deiner  schwarzen  Ver- 
muthung';  237  ,sein  |  Verbrechen';  263  ,sein  |  Gebieter';  De- 
monstrativa  von  ihrem  Substantiv:  189  , diesem  stummen, 
trostlosen  Gram!';  288  ,Bis  zur  Erfüllung  dieses  \  Versprechens'; 
Interrogativa :  242  , Welch  ein  |  Gewimmer';  Indefinita:  198 
, keinen  |  Beschützer';  199  ,jede  |  Verirrung';  201  ,kein  |  Ge- 
setz'; Präpositionen  von  ihrem  Substantiv:  190  , durch  |  der 
Waffen  Schrecken  hin';  200  ,für  dich  |  und  deinen  Sohn';  216 
, durch  Betrug  |  und  Raub';  221  ,in  ferne  |  Einöden';  232  , Ge- 
webe von  I  Erdichtungen';  235  ,aufs  erste,  |  so  zweifelhafte, 
schwache  Merkmal';  261  ,zum  )  Gesetz';  276  , durch  Alter  und  ' 
Erfahrung';  288  ,zu  dieser  |  unedeln  Mummerey';  292  ,vor  dem 
Geschrey,  |  den  Thränen  einer  Mutter';  das  Particip  wird  von 
seiner  näheren  Bestimmung  getrennt:  209  ,der  lang  |  erwartete'; 
217  ,Von  Todesschlingen  [  umringt';  231  ,in  seinen  Hoffnungen  j 
getäuscht';  236  ,Von  diesem  nie  |  geahndeten,  grausamen  Schlag 
betäubt';  246, Durchbebt  j  von  Todesschauer';  248  ,von  Opferern  j 
umringt';  263  ,Vom  Schmerz  j  betäubt';  273  ,von  Angst  |  be- 
täubt'; 285  ,Vor  Wuth  |  geblendet';  als  wird  abgetrennt:  212 
, Schwankender  |  als  Schilf;  219  ,als  |  der  Liebe  theuersten 
Beweis';  die  Adverbialpräpositionen  werden  vom  Verbum  los- 
gerissen: 239  ,wir  wandeln  |  vereint  hinab';  243  , führt  |  mich 
her';  236  ,vor  den  Urnen  meiner  Liebe  hin-  j  geworfen';  um 
wird  vom  Infinitiv  abgetrennt:  246  ,um  jedem  Ungestümen 
den  Zutritt  dieser  PTalle  zu  verwehren';  2S  ,um  ihrem  Anhang  : 
Gewicht  zu  schaffen';  auch  zu  vom  Infinitiv:  nur  einmal:  210 
,mich  zu  I  befreyen'. 


lieber  den  fünffüssigen  lambas  vor  Lessing's  Nathan.  705 

Auch  Wiederholungen  am  Schlüsse  und  Beginn  des  Verses 
finden  sich:  300  ,Ich  hätte  nie,  |  nie  einen  bessern  Vater  mir 
erbeten';  325  ,Und  hier  —  j  hier  steht  Aegisth^ 

Im  klingenden  Ausgange  gebraucht  Gott  er  zeitweilig 
componierte  Wörter;  z.  B.  195  , Schutzgott';  198  , Blutdurst'; 
201  ,Meineid';  208  , Laufbahn';  209  , Ahnherrn';  209  ^Ehrsucht'; 
ebenda  ,Raubsucht';  240  ,gastfrey';  242  ,Freystatt';  260  ,Vor- 
wand-;  277  ^anstaunt';  288  ,beylegt';  auch  zwei  Worte  finden 
sich  an  dieser  Versstelle  verwendet  z.  B.:  218  ,kann  es';  241 
, glaubt  ihr'.  Peinige  abnorme  Betonungen  seien  verzeichnet: 
189  , Trostlosen';  223  , schuldloses';  225  , Grausames';  233  , blut- 
dürstiger'; 295  , antworte'.  Caesur  steht  wol  häutig  nach  der 
vierten  Silbe,  wird  aber  sonst  frei  gehandhabt. 

Ein  Jahr  vor  dem  Nathan  1778  erschien  Goue's  Trauer- 
spiel Batilde.  '  Es  hat  1500  Verse,  alle  stumpf,  mit  freier 
Caesur  und  sehr  freiem  Enjambement.  In  Bezug  auf  die  Länge 
herrscht  grosse  Correctheit;  nur  zwei  vierfüssige  und  vier  sechs- 
füssige  Verse  finden  sich:  S.  97  , Verachtung,  welche  mehr  als 
Dolch';  116  ,Wie  Sturm  auf  Meeren  seine  Seele';  48  ,Ich  diese 
Zärtlichkeit  noch  segnen,  die  mich  nun';  ebenda  , Zurück!  Ver- 
statte mir,  was  wichtiges  dir.  zu';  69  ,Denn  nicht  als  Freund 
betrachten?  Ja,  wenn  du';  99  ,Es  flössen  Zähren.  Himmel! 
Was?  Verräther!  Schweig'.  Hiatus  wird  sorgfältig  vermieden ; 
nur  folgende  zwei  durch  starke  Interpunction  entschuldigte 
Fälle  habe  ich  bemerkt:  43  , Quelle.  —  Ich';  56  ,Batilde?  — 
Und';  weggeschafft  muss  er  werden  in  dem  Verse:  14  ,Ünd 
welche  Flamme!  —  Ach!  ist  sie,  die  sie  schuf,  wo  Flamm' 
zu  lesen  ist  (vgl.  106  , Flamm'  er';  72  Stund';  87  Bitt').  Zu 
bessern  wären  noch  einige  andere  Verse;  14  gehört  ,und'  zu 
dem  Verse  , Willst  einsam  du  hier  seyn.  —  Gebeut  mir  und' 
statt  zu  dem  folgenden;  43  ist  zu  lesen:  , Zu  suchen.  Doch  du 
kämest  selbst.  Wolan!'  statt  , kamst';  120  ,Ich  deiner  Kronen. 
—  Doch  was  zauder'  ich'  statt  ,zaudr'';  endlich  65  ,Zu  Glücke! 
Gott,  und  sie,  sind  mächt'ger  Trost'  statt  , Glück'. 

An  Härten  fehlt  es  bei  den  vielen  Synkopen  und  Apo- 
kopen  durchaus  nicht:  18  ,mehrer'n';  41  ,besser's';  47  ,künft'gen'; 


1  Sammlung  neuer   Origiual-rftückc   für   das  Deutsche  Theater,     II.  Band. 
Berlin  und  Leipzig  1778.  S.  11— 12U. 


706  Sauer. 

ebenda  ,cleiu  liebeiiswürdig-'s  Bild^;  55  ,So  göttlicli'd  Mädchen'; 
56  ,dein  sieg'risch  Bild';  ebenda  ,Zu'n  Sternen';  62  ,tlieu'r'; 
72  ,Trau'rvolP;  73  ,g'nug';  03  ,red'te';  102  ,lauv't';  118  ,läch'let'; 
119  jliicli'len'. 

Als  unreg-elmässige  Betonung  wäre  aufzuführen:  48  und 
74  ,Pällast';  4i*  und  111  ,g-rausam';  65  , dennoch';  84  ,waruni'; 
und  der  Vers  93  ,Mich  näherte?  Die  Unruh,  in  die  mich'. 

Beispiele  für  alle  Arten  des  Enjambements  linden  sich 
sehr  zahlreich;  ich  will  nur  die  stärksten  Fälle  anführen;  der 
Artikel  wird  von  seinem  Substantiv  getrennt:  29  ,die  |  Gewalt'; 

33  ,die  grössere  |  Gewalt';  50  ,die  \  verborgne  Zähre';  55  ,den  | 
Monarchen';  63  ,den  j  Entwurf;  64  /las  j  Geheimnis';  94  ,das  i 
Gesetz';  97  ,die  |  Verachtung';  102  ,der  |  Verruchte';  ebenda 
,der  I  Verräther';  ebenso  Adjectiva,  Possessiva,   Demonstrativa: 

34  diesen  schrecklichen  |  Verdacht;  62  ,dein  |  Verdacht';  66 
,des  vorigen  |  Beherrscher';  67  ,dein  |  Verdienst';  81  ,die 
würdigste  [  Beherrscherin';  85  ,dein  |  Gesicht';  119  ,Zu  grau- 
sames j  Geschick';  die  Präposition  wird  häutig  von  ihrem 
Substantiv  getrennt:  13  ;gegen  Pomp  |  und  Hoheit';  18  ,zur 
Gemahlin';  22  ,für  ]  Ranulph';  24  ,durch  |  das  Mörderbeil';  28 
;VOr  I  der  Nachstellung';  43  ,in  |  entfernte  Gegenden';  45  ,von 
erhabener  Geburt';  56  ,von  [  der  Achtung';  60  ,auf  j  den  Thron'; 
63  ,für  I  das  Reich';  76  ,für  |  dein  grosses  Herz  und  deinen 
hohen  Rang';  81  ;für  |  dich';  86  ,in  |  Pallästen';  ebenda  ,von 
Geschäften  und  |  Besuch';  93  ,von  |  der  Flamme';  101  ,für  den 
Staat  I  und  den  Monarchen';  106  ,für  |  Batilden';  114  ,für  j 
einander';  117  ,für  |  die  Neustrier  und  Clovis';  attributive 
Substantiva  werden  losgelöst:  15  ,der  Glanz  |  des  Throns'; 
22  ,in  den  Schoos  |  der  Freundschaft  und  der  Ehre';  30 
jArchibalds  |  Gemahlin';  64  ,in  die  Hand  |  Batildeus';  71  , alles 
Glück  I  der  Erden';  73  ,in  dem  Lerm  ]  der  Schlacht';  85  ,im 
Dienst  1  des  Clovis';  ebenda  ,der  Tumult  |  der  Städte';  97  ^im 
Flug  I  zum  Ruhm';  99  ,der  Gift  |  der  falschen  Klage';  101 
jVoll  Zäi-tlichkeit  |  für  Archibald';  120  , Bewohnerin  des 
Aethers';  nähere  Bestimmungen  werden  von  Participien  oder 
Adjectiven  getrennt:  20  ,Von  Schmerz  |  zerrissen';  65  ,werth  | 
von  uns  geliebt  zu  sein';  80  ,Du  lang  |  GeAVünschte;  81  ,in 
Einsandveit  und  Sclavcrey  |  erzogen';  S6  ,ohnfern  |  der  Stadt'; 
103  ^gleich  |  dem  Pfeil';    119   , bekannt  |  mit  Tod  und  Leben'; 


Ueber  den  fünffüssigen  lanihus  vor  Lesüing's  Nathan.  707 

die  Advei-bialpräposition  wird  vom  Verbmn  getrennt  :  33 
, Schwing  dich  |  empor';  48  jbleib  |  zurück';  107  ,wo  giengst  \ 
du  liin';  zu  vom  Infinitiv:  22  ,za  ]  bewahren'  (zweimal);  23 
,zu  I  gebrauchen';  30  ;Zu  |  zerbrechen';  80  ^zu  |  belohnen';  die 
Vergleichvmgswörter  werden  abgetrennt:  20  ,kein  Sterblicher  | 
als  du';  27  ^mehr  |  als  jener  Sclaven-Stand';  28  ,und  theurer 
ist  sie  mir  |  als  meine  Tage';  88  ,ganz  |  wie  mich';  90  ,und 
mehr  |  als  dies';  100  ,so  |  wie  dieser  Bösewicht';  107  ,mehr  [ 
als  tausend';  108  , glücklicher  |  als  ich';  110  ,wild  |  wie  Sturm'; 
117  ,mehr  |  als  sonst';  endlich  so  vom  Adjectiv  abgetrennt: 
30  ,so  I  verwerflich';  99  ,so  |  viel'. 

Die  Personen  beginnen  häufig  in  der  ]\Iitte  des  Verses 
zu  sprechen ;  manche  Verse  sind  drei- ,  vier-  und  fünffach 
getheilt;  Stichomythie  findet  sich  ähnlich  wie  in  Brawe's 
Brutus  S.  42,  51,  66. 

Auch  die  Versuche,  das  antike  Drama  in  Versen  wieder 
zu  beleben,  wie  dieselben  durch  Goldhagen  und  später  durch 
Christian  Stolberg  unternommen  wurden,  müssen  hier  berührt 
werden.  Freilich  beruht  ihr  Vers  und  dessen  stumpfer  Aus- 
gang auf  Nachahmung  des  griechischen  Senars;  ganz  unbeein- 
flusst  war  derselbe  von  dem  nach  eno-lischem  Muster  "-ebildeten 
Verse  gewiss  nicht,  wie  dies  besonders  das  stark  ausgeprägte 
Enjambement  beweist;  Weiss e's  älterer  Vers  für  Goldhagen, 
Bürger  für  Stolberg  werden  massgebend  gewesen  sein. 

Pastor  J.  M.  Goldhagen,  der  Freund  Goeckingk's  ver- 
öffentlichte im  sechsten  Bande  der  Klotz'schen  Bibliothek  1771 
Theile  seiner  Sophokles-Uebersetzung  und  zwar  König  Oedipus 
vollständig  (S.  60—107;  257—290),  von  Oedipus  auf  Kolonus 
(494 — 524)  über  500  Verse  als  erste  Handlung  dieses  Dramas. 
Mehr  ist  meines  Wissens  auoli  nicht  erschienen.  Der  1777  in 
Mitau  erschienene  erste  Band  Des  Sophokles  Trauerspiele  von 
Goldhagen  enthält  Antigene,  Philoklet,  Aiax  und  die  Trachin- 
nerinnen  in  Prosa.     Ein  zweiter  Band  erschien  nicht. 

Im  Ganzen  liegen  mit  Ausnahme  der  Chorgesänge  etwa 
2000  Verse  vor;  jedenfalls  hat  er  lauter  stumpfe  Verse  beab- 
sichtigt; die  wenigen  klingenden,  die  sich  finden,  wurden  wol 
übersehen,    und    lassen    sich    fast    alle    leicht    wegschafl'en :    Gl 


708 


Sauer. 


jbefreitest^  (yg\.  90  ^gestandst';  490  ,möchst');  06  ,wusste'; 
270  , Schäfereien'  (dagegen  84  ,scheu'n'-,  514  ,entweih'n';  Gl 
,Ungeheur';  289  ,eh'r');  271  /ragte';  275  ,Greueln'  (dagegen 
ibid.  ,Greul,  Willn';  82  ,wiederlialln';  295  ,NachtigallnM;  28G 
jsehen';  287  , Hände';  494  , Freude'.  Nicht  wegzuschaffen  sind 
aber  64  ,bringst  du';  88  , Unsinn';  103  , befleck  ich';  257 
jApolh)';  282  , Götter';  496  , Töchter';  vielleicht  ist  auch  der 
folgende  Vers  klingend:  289  ,Nun  von  den  Göttern  ab.  Bin 
ich  nicht'. 

Er  mischt  häufig  Trimeter  ein,  im  Ganzen  über  200  sechs- 
füssige  Verse;  sie  folgen  häufig  aufeinander  (vgl.  263,  264,  265, 
269,  272);  ausserdem  finden  sich  acht  Vierfüssler  und  ein 
Siebenfüssler  (93). 

Manche  Verse  lauten  trochäisch  an;  63  , abwesend';  81 
, aufstellet';  ibid.  , scharfsichtig';  88  , Blödsinnig';  278  , Beistand'; 
281  ,Umk6mmen';  287  ,vorstelle';  ibid.  , einsam';  508  ,Wohl- 
that';  doch  gebraucht  er  auch  im  Innern  des  Verses  Betonungen 
■wie  79  , unwissend':  82  , wegtreiben';  494  ,elender';  496  ,Göttinen' 
(sehr  oft).  Unregelmässige  Betonung  findet  sich  ausserdem:  72 
,Pällast'  (oft);  84  , Wahrsagung';  257  ,Züredüngen;  521  ,Oel- 
zweige'. 

Auf  Vermeidung  des  Hiatus  legt  er  gar  kein  Gewicht; 
ich  habe  37  Fälle  desselben  gezählt:  nur  die  aus  der  ersten 
Handlung  des  König  Oedipus  seien  angeführt:  60  Variante: 
,gepriesne  Oedipus';  61  , deine  Ankunft';  63  , lange  über';  64 
,eine  Antwort';  66  , Felde?  oder'. 

Die  Caesur  ist  frei  gehandhabt;  ebenso  das  Enjambement; 
doch  sind  Fälle,  wie  die  Trennung  der  Präposition  von  ihrem 
Substantiv  und  Aehnliches  seltener.  Ich  führe  einige  wenige 
Beispiele  au:  61  , durchs  Alters  Last  gebeugte  Krieger';  64  ,was 
bringst  du  |  für  eine  Antwort';  75  ,den  göttlichen  |  Propheten'; 
84  ,gelehnt  |  auf  einen  Stab';  92  ,zu  schnell  |  im  Urtheil';  102 
,ein  höchst  abscheuliches  |  Geschlecht';  258  ,so  widerwärtige 
Empfindungen';  266  ,bei  solchen  deutlichen  |  Anzeigen';  281 
,noch  grässlicher  |  als  alle' ;  283  ,die  abscheulichste  |  Ver- 
mischung'; 284  , welch  \  Vertrau'n';  497  ,des  |  Kolonus';  500 
, einige  |  Bejahrte'. 

Einige  Verse  müssen  gebessert  werden;  es  ist  zu  schreiben: 
82  jherstaminst'  statt  ,herstammest';    102  ,darauf'  statt  , drauf; 


üeber  den  fünffüssigen  laiubus  vor  Lessiug's  Nathan.  709 

104    .sprachst'    statt    , sprachest';    257    , Unruh''    statt   , Unruhe'; 
270  , sagst'  statt  , sagest';  517  ,Thebanscher'  statt  ,Thebanischer'. 

1787  erschien  Christian  Stolberg's  Sophokles -Ueber- 
setzung  in  2  Bänden.  Nur  zweierlei  will  ich  hervorheben.  Auch 
hier  sind  alle  Verse  mit  Ausschluss  der  lyrischen  Partien  stumpf 
und  ebenso  die  Verse  in  den  jedem  Drama  vorausgeschickten 
Prologen.  Ich  will  die  wertigen  klingenden  Verse  verzeichnen: 
Electra  Vers  34  ^Heiligthume';  Oedipus  272^  ,Kinder';  Oedipus 
in  Kolonos  271  ,Thäter';  327  .Was  sag'  ich';  504  ,Seele'; 
584  ,  Augen',  628  ,  Jammer';  648  ,Freude';.  915  ,Alter'; 
1065  ,rufe';  1098  ^wiedergebe' ;  1189  ^Vaterfreude' ;  1331 
, Gottes';  1675  ,Händen';  1690  ,tolgte' ;  1726  ,Himmel':  es 
scheint  dieses  Drama  etwas  flüchtiger  übersetzt  zu  sein ;  ,Anti- 
gone  757  Todesgötter';  1233  , Wange';  Die  Trachinerinnen 
1100  ,Wehe';  Aias  330,  333  ,wehe';  1361  ,theile' ;  Philoktet 
Prolog  ,  Jahre' ;  42  , Wunde' ;  820  ,wehe'.  Als  zweites  erwähne 
ich  das  nach  englischem  Muster  ganz  frei  gehandhabte  Enjam- 
bement ;  ich  führe  wenige  Beispiele  aus  d(M-  Electra  an : 
Vers  51  f.  , hinab  |  geschmettert';  78  f.  ,dein  |  Geschäft';  332  f. 
,die  Rächerin  |  des  Vaters';  405  f.  ,in  |  die  Erd';  438  f.  ,alles 
was  I  noch  mein  ist' ;  508  f.  ,vor  |  den  Thüren' ;  739  f.  ,voll 
von  Wogentrümmern'. 


^o^ 


Sclihiss. 

Was  in  der  ganzen  behandelten  Periode  an  gereimten 
fünffüssigen  lamben  entstanden  und  erschienen  ist,  habe  ich 
speciell  nicht  gesammelt;  auf  viele  Gedichte  mnsste  ich  bei 
den  Dichtern  hinweisen,  welche  auch  reimlose  lamben  hinter- 
liessen.  Die  gereimten  Verse  zeigen  meistens  noch  Abhängig- 
keit von  den  Franzosen,  absichtliches  oder  gewohnheitsmässiges 
Einhalten  der  Caesur  nach  der  vierten  Silbe  und  Bewahrung 
des  einzelneu  Verses  als  rhythmischer  Einheit :  also  Mangel 
des  Enjambements;  einige  dieser  Gedichte  zeigen  sich  freilich 
von  dem  englischen  Verse  beeinflusst.  In  den  Siebziger  Jahren 
gewinnt  aber  die  iambische  Reimpoesie  an  Bedeutung,  indem 
sie  den  Uebergang  zum  reimlosen  Verse  Goethe's  bildet,  und 
zwar  lieo't  hier  Anlehnunur  au  die  italienische  Stanze  zu  Grunde. 


710  Sauer. 

Mit  wenig  Kunst  wurde  dieselbe  von  F.  A.  C.  Werthes 
verwendet,  der  im  deutschen  Mercur  1773  (2,  S.  293 — 320) 
67  Strophen  aus  Ariost's  Rasendem  RoLand  veröffenthchte ; 
er  lässt  stumpfe  und  klingende  Verse  abwechseln,  mischt  vier- 
und  sechsfüssige  Verse  ein  und  setzt  die  Caesur  ziemlich  häufig 
nach  der  vierten  Silbe. 

Schon  im  folgenden  Jahre  1774  erschienen  aber  Heinse's 
glühende  Stanzen  im  Anhange  zur  Laidion:  50  Strophen  mit 
je  fünf  klingenden  Reimen.  Er  wollte,  wie  er  in  der  Vorrede 
sagt  in  jenen  Stanzen,  ,wo  Personen  in  lyrischer  Begeistrung 
reden',  den  Abschnitt  nach  der  vierten  Silbe  machen :  in  der 
That  haben  drei  Viertel  der  Verse  französische  Caesur. 
Zarncke  wies  nach  (Misceilaneen  211  f.),  wie  gerade  diese 
Stanzen  auf  Goethe  gewirkt  haben,  und  wie  sich  daraus  die 
häufige  französische  Caesur  in  Goethe's  ersten  nach  italieni- 
schem Muster  gebildeten  Versen  erklärt,  die  aber  erst  in  die 
beginnenden  Achtziger  Jahre  fallen.  In  seinen  Jugendversuchen, 
so  in  der  verlorenen  Tragödie  Belsazar  hatte  sich  Goethe, 
wie  ebenfalls  Zarncke  gezeigt  hat,  an  J.  H.  Schlegel  an- 
geschlossen; Goethe's  späterer  dramatischer  Vers  hat  sich 
erst  aus  dem  lyrischen  entwickelt. 


Ue'ber  den  fünffässigcn  Iiimbus  vor  Lcssing's  Nsithan.  711 


Chronologie. 

Geordnet  ist  so  viel  als  möglich  nach  der  Entstehungszeit ,  das  Jahr  des 
Erscheinens  dann  jedesmal  in  Klammern  beigefügt.  Wo  Angaben  über  die 
Entstellungszeit  fehlten,    musste   das   betreftende  Werk   nach  dem   Jahre    des 

Erscheinens  eingereiht  werden. 

1725  Bodmer  Marc  Anton  (ungedruckt). 

1734  Gottsched  Gedicht    an    Herrn   Schellhofern. 

1739  Lange  An  den  Horatz  (1745). 

1744  Lange  An  den  König  (174.0). 

1745  Gleim  Gedicht  in  einem  Briefe  an  Kleist 

(ungedruckt). 

Lange  Zwei  Oden  in  Thirsis  und  Dämons 

freundsch.   Liedern   (2.  Aufl. 

1749). 
Lange  Uebersetzung     von     Horazischen 

Oden  (ungedruckt). 

Bodmer  Erzähhingen  aus  Thomsons  Jahres- 

zeiten (2.  Aufl.  1749). 

Sulz  er  Uebersetzung  ausThonison's  Eng- 

lischem (ungedruckt). 

1746  Bodmer  Uebersetzung  aus  Akenside's  The 

Pleasures  of  Imagination. 
Lange  Zwei  Gedichte  an  Hirzel. 

1747  Lan^e  Horatzischc  Oden. 
Bodmer                 Pope's  Duncias. 

Bodmer  Ueber   Gottsched's    Uebersetzung 

von  Bayle's  Wörtcrbucli. 

1748  J.  E.  Schlegel    Congreve's   Die  Braut  in  Trauer 

(17(32). 

1749  Bodmer  Neue  critische   Briefe. 

1752         Wieland  Erzälihingen  (2.  Aufl.  1702, 3.Aufl. 

1770). 
1754         Wieland  Erinnerungen    an    eine   Freundin 

(2.  Aufl.  1702,  3.  Aufl.  1770). 

Sitzungsber.  .1.  pliil.-liist.  Cl.  XC.  Bd.  III.  Hft.  46 


<  1 2  .  Sauer. 

1754 — 1750  Anonymus  Der  Freund.   3  Bände. 

1754 — 1756  Croneg-k  Der  ehrliche  Mann  (1700). 

1755         Bluufuss  Versuche  in  der  Dichtkunst. 

1750 — 1757  Lessing-  Kleonnis  (1780). 

1757  Kleist  Idyllen    (1758,    neue  Aufl.    1700, 

1701,  1771,  1778). 

Wielnnd  Johanna  Gray  (1758,  2.  Aufl.  1702, 

3.  Aufl.  1770). 

Brawe  Brutus  (1768). 

Mendelssohn  Bruchstück  aus  Shakespeare  (wie- 
der gedruckt  1701,  1771). 

1758  J.  H.  Schleg;el   Thomson's  Sophonisba. 
Anonymus  Uebersetzungen  aus  Pope. 

Neue  Probestücke  aus  dem  Eng- 
lischen. 
An  die  Kriegsmuse  (1759). 
Philotas. 
Cissides  und  Paches   (neue  Aufl. 

1700,  1701,  1772,  1778). 
Fatime  (1780). 
Thomson's  Agamemnon   und    Co- 

riolan. 
Am  15.  Julius  1701  (1707). 
Bruchstücke  aus  Skakespeare  (wie- 
der gedruckt  1771). 
Olint  und  Sophronia  (1707). 
An  meine  Heimat  (1707). 
Shakespeare's  Sommernachts- 
traum. 
1703         Giseke  Empfindungen  eines  Bussfertigen 

(1707). 
Giseke  Der  fünfzehnte  August  (1767). 

1764         .1.   IT.   Schlegel   Trauerspiele  aus  dem  Englischen. 
Klopstock  Salomo    (2.  Aufl.    1700,    3.   Aufl. 

1771). 
Gerstenberg      Die    Braut    von    Beaumont    und 

Fletcher. 
Steffens  Die  Brüder. 

Steffens  Philotas. 


Anonymus 

Gleim 

1759 

G 1  e  i  m 

Kleist 

Lossing 

1700 

J.  H.  Schlegf 

1701 

Lücke 

Mendelssohn 

1701-1702 

Lücke 

vor  1702 

Lücke 

1702 

Wieland 

Ueber  den  fünffussigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan.  713 

Weisse  Die  Befreiung  von  Theben  (2.  Aufl. 

1768,  3.  Aufl.  1776)/ 
J.   G.  Jacobi.       Poetische  Versuche, 
vor  17G5    Giseke  Thomson's  Eduard  und  Eleonore 

(ungedrucktj. 
Giseke  Das  Glück  der  Liebe  (1769). 

1765  Goethe  Belsazar  (verloren). 

Sonnen fels  Gedicht  auf  den  Tod  Franz    des 

Ersten. 

1766  Weisse  Atreus  und  Thyest  (2.  Aufl.  1769, 

3.  Aufl.  1776). 
Gleim  Der  Tod  Adams. 

Zachariae  Cortes  (umgearbeitete  Bruchstücke 

1781). 
Pfeffel  Bruchstücke    aus  Savigny's   Ster- 

bender Socrates. 
1767  —  1770  Lessing  Das  Horoscop  (1786). 

vor  1768    Löwen  Voltaire's  Semiramis. 

1768  Anonymub  Proben  dramatischer  Gedichte. 
Bodmer  Atreus  und  Thyest. 

Löwen  Voltaii'c's  Mahomet  (ungedruckt). 

1769  Löwen  Voltaire's   Scytheu    (ungedruckt). 
Eschenburg        Comala. 

1769 — 1770  Herder  Shakespeare-Uebersetzungen 

(1778,  1801,  ungedruckt). 

1771—1776  Bürger  llias-Uebersetzung. 

1771  Goldhagen  Sophokles-Uebersetzung. 
Esclienburg  Versuch  über  die  Schauspielkunst. 
Mendelssohn  Bruchstück  aus  Shakespeare. 
Denis  Sined's    Gesicht    llingulph     dem 

Freunde   der  Geister  gewid- 
met. 

C.  H.  Schmid     EineErscheinung.  Den26.  August. 

Michaelis  Hercules  auf  dem  Octa. 

1772  Klopstock  David. 
Trautzschcn      Belisar. 

vor  1773    Eschenburg        Shakespeare's  Richard  HI.  (1776). 

1773  Esclienburg        Die  Wahl  des  Hercules. 
Bertuch  Die  Wahl  des  Hercules. 

46* 


714 


Sauer. 


1773  Gotter 
Denis 

1774  Gleim 
Gleim 
Gleim 
Anonymus 

1775  Eschen  bürg 

1775—1777  Eschenburg- 
1775         Gleim 


^peckner 

1776 

Eschenburg 

Eschenburg 

Bürger 

vor  1777 

Zachariae 

1777 

AVieland 

1778 

Anonymus 

Goue 

1778—1779  Lessing. 


Vultairc's  Merope  (1774). 

Auf    Josephs    Reise    von    Sined 
dem  Barden  (1777). 

Halladat. 

Andenken  an  E.  Ch.  v.  Kleist. 

Der  gute  Mann  (1777). 

Palmyra. 

Shakespeare's  Sommernachts- 
trauni  nach  Wieland. 

Die   übrigen   Shakespeare-Ueber- 
setzungen. 

Zwei     Gedichte      im      deutschen 
Merkur. 

Darius. 

Scipio. 

Voltaire's  Zayre. 

An  Fr.  L.  Stolberg. 

Drei   Gedichte    in    seinem    Nach- 
lasse (1781). 

Geron  der  Adelich. 

Denkmal  zur  Ehre  der  Menschheit. 

Batilde. 

Nathan  der  Weise  (1779). 


Ueber  deu  fünifüssigen  lambus  vor  Lessing's  Nathan. 


715 


EEGlSTEPt. 


Addison  G28,  640. 
Aeschylus  691. 
Akenside  635. 
Alxinger  692. 
Ariost  710. 

Batteux  693. 

Bayle  636. 

Berge  628  f. 

Bertuch  649. 

Blaufuss  661. 

Bodmer   628  f.,   631—643,   643,   657, 

661  f.,  663,  672. 
Boie  687,  689. 
Brandl  628  f.,  632. 
Brawe  642,  671  f.,  681,  707. 
Broekes  632. 
Bürger  657,  681,  685-689,  690,  707. 

Casparson  701  Anm. 
Congreve  640,  642,  663. 
Gramer  657. 
Cronegk  6  70  f. 

Dannelil  625,  684  f. 
Dante  671. 

Danzel  626,  674  Anm. 
Denis  692. 
Destouclies  659  Anm. 
Döbbclin  698. 
D'Ozincour  702. 
DroUinger  632  f. 
Dryden  640. 


Ebert  674,  682. 

Eschenburg  682  Anm.  5,  685  Anm.   1, 
692,  695—699. 

Fielding  659  Anm. 

Gärtner  682. 

Gerstenberg  657—659,  687. 

Gisekc  667  Anm.  2,  681,  682. 

Gleitn  639,  672-676,  681,  692. 

Glover  653. 

Goedeke  628,  659  Anm.,  700,  701. 

Göckingk  707. 

Goethe  625,iJ71, 685,687, 688, 709, 710. 

Goldhagen  707—709. 

Gotter  685,  702—705. 

Gottsched   625,   626—631,   636,   640, 

642,  671. 
Gottschedin  642. 
Gouc  685,  702,  705—707. 

Haacke  628. 

Hagedorn  633  f.,  635,  336,  657. 

Hartmann  657. 

Haym  694  Anm. 

Heinse  671,  710. 

Herder  679,  681,  686,  692—695. 

Horaz  633. 

Home  681. 

Horuer  632. 

Jacobi  Joli.  Georg  670  f. 
Joerdens  701. 


716 


Sauer. 


Kleist   634,   63ß,   639,  640,  672,  673, 

679—682,  692. 
Klopstock  631,  653—657,  675,  692. 
Klotz  679,  686,  688,  696,  700,  707. 
Koberstein  628,  632. 
König  628,  632. 
Körte  674  Anm.,  680. 
Krosigk  634. 

Lafontaine  673. 

Lange  633,  635,  673. 

Lee  640. 

Lessing625, 650  Anm.  1,  659,  665  Anm. 

1,  667  Anm.  2,  671  f.,  673  f.,  679  f., 

681,  685,  703. 
Löwen  701. 
Lucan  630  f. 
Lücke  683. 

Manteuffel  626. 

Mason  640. 

Meier  635. 

Meinhard  656,  681. 

Mendelssohn  699  f. 

Michaelis  702. 

Miltüu  626,  6'28f.,  632,  653,  672,  683, 

686. 
Moore  659  Anm. 

Nicolai  692. 
Niemeyer  702. 

Opitz  629. 
Otway  640. 
Ozencour  d'  702. 

Pfeffel  659. 

Plautus  659  Anm. 

Pope  632 f.,  634,  636 f.,  686 Anm.  2. 

Pröhle  674  Anm. 

Pyra  633. 

Q.  649  f. 

Ramler  680,  693. 
Rowe  640,  650. 


Sauer  671. 

Savigny  659. 

Schellhofer  630. 

Scherer  626. 

Schiller  625. 

Schirach  639,  701  Anm. 

Schlegel  Joh.  Elias  642  f.,  661-664. 

Schlegel  Joh.  Heiur.  664—669,  710. 

Schmid  Chr.  Heinr.  691. 

Seckendorf  630  f. 

Shakespeare  651  f.,  659,  693 f.,  695— 

698,  699. 
Sonnenfels  692. 
Sophocles  707—709. 
Speckner  701. 
Spreng  632. 
Stäudliii  657,  661  f. 
Steinwelir  630. 
Steffens  659—661. 
Stolbcrg  Clirist.  691,  707,  709. 
Stolberg  Friedr.  Leop.  689,  090  f. 
Siilzer  036,  639  Anm. 
Suphau  694. 

Tereiiz  059  f. 

Thomson    627,    633,    639,    664,    665, 

667,  682. 
Trautzschen  700  f. 

Voltaire  699,  701,  702. 
Voss  686. 

Walsh  634. 

Weisse    639,    657  f.,    672,    676—679, 

681,  692  f.,  700,  707. 
Werner  658  Anm. 
Werthes  710. 
Wieland    626,    631,    639,    643—653, 

664,  680,  688  f.,  693,  695  f. 

Young  637,  640,  668,  682. 

Zachariae  674,  681,  682—685,  686. 
Zarncke   625  f.,    628,    630,    632,   639, 
or.o,  664,  670,  676,  681,  710. 


I 


üeber  den  fünffüssigen  lambus  vor  Lesrsing's  Nathan.  717 

Da  mein  Freund  Dr.  Sauer  gegenwärtig  als  k.  k.  Reservelieutenant 
in  der  Herzegowina  weilt,  besorgte  ich  die  Correctur  der  vorstehenden  Arbeit. 
Sauer  schickte  mir  dazu  eine  Reihe  von  Notizen,  welche  ich  an  geeig- 
neter Stelle  einfügte.  Unmöglicli  war  mir  dies  mit  längeren  Auszügen  aus 
der  Zeitschrift  ,Der  Freund.  Auspach,  Jacob  Christoph  Posch'  1754—1750. 
3  Bände.     Hier  mögen  auch  noch  folgende  Bemerkungen  einen  Platz  finden: 

1.  Sulzer  schreibt  an  Gleim,  Magdeburg  18.  Nov.  1745  (Briefe 
der  Schweizer  S.  28):  ,Ich  habe  angefangen,  etwas  aus  Thomsons  Engliscliem 
zu  übersetzen.  Es  soll  ein  Beweis  sein,  dass  wir  ebenso  kurz  und  nach- 
drücklich schreiben  können  als  die  Engländer.  Ich  übersetze  nicht  nur  Vers 
auf  Vers,  sondern  auch  in  derselben  Versart  des  englischen  Originals'.  Diese 
Uebersetzuüg  scheint  ungedruckt.  Dasselbe  gilt  von  einer  Rani  1er 'sehen, 
über  die  Sulzer  an  Gleim  28.  August  1748  schreibt  (a.  a.  O.  S.  93):  ,nerr 
Rani  1er  ist  jetzt  ein  Freiherr  . . .  Weil  er  immer  Ferien  hatte,  wollte  er  einmal 
was  Grosses  unternehmen,  und  dieses  ist  das  Einzige,  was  er  seit  fünf  Wochen 
zustande  gebracht  hat.  Er  hat  nemlich  die  vier  ersten  Verse  aus  Thomson 
übersetzt'.  Der  Grund,  warum  Ramlers  Arbeit  so  langsam  fortschritt,  lässt 
sich  aus  der  Bemerkung  Sulzers  an  Bodmer  4.  Mai  1749  (a.  a.  O.  S.  107) 
entnehmen:  , Rani  1er  ist  ein  ewiger  Ausbesserer  und  sieht  nichts  für  eine 
Kleinigkeit  an.  Ein  Hiatus  zweier  Vocale  berechtigt  ihn,  eine  ganze  Strophe 
umzuschmelzen.     11  y  a  un  grain  de  folie  en  cela'. 

2.  In  den  Unterhaltungen  3,  476—478  steht  ein  strophisches  Gedicht 
,Adonis'  von  einem  Unbekannten.  S.  478 — 482  wird  dasselbe  von  einem 
Reeensenten  mit  dem  Originale  des  Bion  verglichen.  Der  Recensent  über- 
setzt seinerseits  Stücke  daraus  in  fünffüssigen  lamben,  in  welche  einige  sechs- 
füssige  eingestreut  sind.  Männliche  und  weibliche  Verse  mit  freier  Caesur 
wechseln.     Enjambement  findet  sich  in  den  beiläufig  40  Zeilen  wenig. 

3.  Von  Lange  sind  zwei  Gedichte  in  unserer  Versart  zu  erwähnen. 
An  Hirzel,  September  174G  (S.  113f.):  31  Verse,  reimlos,  Länge  corrcct, 
23  klingend.  S.  1 14  stellt  ein  Vers :  ,Der  kleine  Hylas  weinte  bittere  Thräncn'. 
An  Hirzel  20.  October  174C>  (S.  115f.):  3G  Zeilen,  reimlos.  19  klingend ;  die 
ersten  zwei  Verse  sind  stumpf,  dann  wechselt  männliche  und  weibliche  Endung. 

4.  In  den  Gothaischen  gel.  Zeitungen  1774  S.  104  steht  die  , kurze 
Nachricht':  ,Vom  Herrn  Rector  Gold liagen  soll  nächstens  eine  Uebersetzung 
des  Sophokles  erscheinen'.  Worauf  sich  dies  bezieht  —  ob  vielleicht  auf  eine 
neue  Auflage  —  war  nicht  zu  ermitteln. 

Gerne  hätte  ich  die  Lücken  ausgefüllt,  die  Sauer  lassen  musste,  weil 
ihm  das  Material  nicht  zugänglich  war;  aber  ans  demselben  Grunde  musste 
auch  ich  davon  abstehen.  Das  Wenige,  was  ich  hinzufügte,  machte  ich  ge- 
legentlich durch  eckige  Klammern  kenntlich.  Das  Register  hielt  ich  für  nöthig. 
Eine  Nachprüfung  der  Citate  war  mir  natürlicli  nicht  möglich. 

Graz,  22.  October  1878. 

Dr.  Riehard  Maria  Werner. 


1 


BINDING  SECT.     ^^^2  UMT 


AS  Akademie  der  '.Wissenschaften, 

142  Vienna.     Philosophisch-Histo- 

A53  rische  PCLasse 

Bd. 89-90     Sitzungsberichte     ,  ,^ 


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